Lost in Time von Shelling__Ford (ShinichixRan) ================================================================================ Kapitel 26: Gone ---------------- Gone Ein leises Wimmern durchzog den Raum, welcher nur von wenigen Lampen in ein seicht goldenes Licht getaucht wurde. Gin stand vor ihm, wartete geduldig auf ein Urteil, zu dem sein Boss ganz sicher kommen würde und versuchte dabei, den heulenden Abschaum, der gerade aus dem Raum geführt wurde, zu ignorieren. Wie hatte er so etwas nur übersehen können? Wie war es möglich, dass sie jetzt erst bemerkten, welche Auswirkungen ihre Forschungen wirklich hatten. In dem blonden Hünen brodelte es, seine Kiefer spannten sich bedrohlich, während er nach außen hin ruhig auf seine nächsten Anweisungen wartete. Seine Beherrschung war bemerkenswert, bedachte man, dass der Mann, der vor ihm in dem schweren Ledersessel ruhte, mit nur einem Augenzwinkern seine Hinrichtung anordnen konnte. Doch die Stimme des Bosses war genauso schneidend kühl und ruhig wie immer. „Sucht sie.“ Der Blonde gebot dem Zucken seiner Mundwinkel Einhalt, der Boss musste ahnen, welche Genugtuung dieser Auftrag für ihn war und in Anbetracht seines Fehlers, wollte er dies lieber nicht allzu sehr nach außen tragen. „Verstanden.“ Mit einer kurz angedeuteten Verbeugung wandte sich Gin zum Gehen, hatte die Türklinke beinahe erreicht, als die raue Stimme des Bosses ihm ein erneutes Einhalten gebot. „Ach und Gin, solltest du auf den Schnüffler treffen, der ihr geholfen hat, weißt du, was zu tun ist. Ich will keine Zeugen.“ Diesmal konnte sich der Auftragskiller das schmale Lächeln auf seinen Lippen nicht verbieten, er drehte sich nicht mehr zu ihm um, nickte deutlich und verschwand durch die Tür. Er stand im Gang und wartete, mittlerweile allein, nachdem es Vermouth zu langweilig geworden war und sie diesen Gorilla Wodka dazu überreden hatte können, zusammen mit ihr die Antworten in der nächsten Bar zu suchen. Was sollte es auch, ihn kümmerte der Verbleib der beiden nur wenig. Was Bourbon jedoch noch immer im Kopf herum spukte, war die scheinbar beiläufige Bemerkung der Blondine, als sie über den möglichen Verbleib der Chemikerin diskutiert hatten. „Hätte unsere kleine Sherry auch nur einen Funken Verstand, würde sie wissen, dass das offensichtlichste das beste Versteck ist.“ Die blassblauen Augen des Mannes wurden schmal, während er sich die Worte der Schönheit abermals in Erinnerung rief. Eine Schule also, eine Grundschule. Es gab da einen Kandidaten, ein Kind, das mehr sein könnte, als es vorgab zu sein. Er hatte die Liste durchgeschaut, überprüft, bei wem das Gift angewendet worden war und welche Wirkung es jeweils gehabt hatte, hinter all den Namen war jedoch nur ein Ergebnis eingetragen: Tod. Wie also passte dieser Grundschüler ins Bild? Er hatte diese Ideen bisher für sich behalten, es vermieden, nachzufragen, ob es womöglich einen Fehler in der Liste gab. Denn auch wenn der Boss die Information scheinbar ruhig aufgefasst hatte, spürte jeder seiner Mitarbeiter die Anspannung und den Druck, der mit einem Mal auf ihnen lag. Mit spekulativen Fragen hielt man sich in dieser Situation besser zurück. Der Blonde stützte nachdenklich den Finger ans Kinn. So seltsam dieser Kleine auch war, sie suchten nach einer Frau, einem kleinen Mädchen, besser gesagt. Das sich versteckte, in dem Wissen, dass sie es immer noch jagten und laut Gin Hilfe von einem ominösen Detektiv hatte, den jedoch noch niemand zu Gesicht bekommen hatte. Die grauen Augen des strohblonden Mannes wurden schmal, während seine Lippen sich in die Breite zogen und perlweiße Zähne freigaben, die ein gefährliches Lächeln formten. „Ich bin zu Hause, Ran.“ Schon längst hatte sich Shinichi an die quietschende Stimme des kleinen Jungen gewöhnt, die erklang, wenn er seinen Mund aufmachte. Mit einem müden Seufzen beförderte er seinen Schulranzen in die nächste Ecke im Flur, zog sich die Schuhe aus und machte sich auf den Weg ins Wohnzimmer, während Ran ihm von der Küche aus antwortete. „Hallo Conan! Könntest du schon mal den Tisch decken? Das Essen ist gleich fertig.“ Tatsächlich schwebte der Duft des Mittagessens schon durch die ganze Wohnung und brachte seinen Magen unweigerlich zum knurren. „In Ordnung.“ Ein kurzes Lächeln schlich sich auf die Lippen des Grundschülers, zumindest hatte es nicht nur Nachteile, dass er bei den Moris zur Untermiete wohnte. Nicht ohne den dazugehörigen Krach kramte Conan die Teller aus dem Serviceschrank. Erst vor kurzem hatte Ran die Sachen umgeräumt, sodass er ohne halsbrecherische Balanceakte an alles heran kam. Doch noch ehe der Siebenjährige die Teller und Schalen auf dem kleinen Holztisch platzieren konnte, erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Mit gerunzelter Stirn stellte er den keinen Porzellanberg ab, ehe er nach dem Foto griff, das einsam und verwaist auf dem Wohnzimmertisch gelegen hatte. Er hörte Schritte hinter sich, wandte sich mit dem Bild in seiner Hand um und schaute mit fragendem Blick zu seiner Freundin auf, die gerade eine Schüssel Reis auf den Tisch stellte. „Sag mal Ran, wieso liegt denn mein Klassenfoto hier?“ Die Brünette blinzelte überrascht und nahm dem kleinen Jungen das Foto aus der Hand, auf dem seine Grundschulklasse zu sehen war. Ihre Stirn legte sich in Falten, während sie die Erinnerung der vergangenen Stunde Revue passieren ließ. Sie hatte gerade ihre Einkäufe in die Küche befördert und wollte mit dem Kochen beginnen bis die Türklingel sie unterbrach. Als Ran hörte, wie jemand den Türknauf betätigte und eintrat, wurde der Oberschülerin kurz heiß, ehe eine wohl bekannte Stimme sie aus ihrer Anspannung erlöste. „Hallo, Herr Mori? Ran?“ „Komme schon!“ Nachdem sie schnell die nötigsten Sachen im Kühlschrank verstaut hatte, glitt Ran durch die Tür ins Wohnzimmer, wo er schon auf sie wartete, wie immer mit diesem ungewissen Lächeln auf den Lippen, während seine Augen wissbegierig durch den Raum wandernden. Der „Praktikant“ ihres Vaters, Amuro Toru. Als er sie sah, wurde sein Grinsen augenblicklich ein wenig verlegen. „Entschuldige, dass ich hier einfach so reinplatze Ran, wie es aussieht, ist dein Vater nicht einmal hier, oder?“ Ran nickte nur, winkte seine Sorge gleichzeitig mit einem Lächeln ab. „Mach dir keine Gedanken. Und nein, Paps hat doch heute seine Mah-Jongg Runde. Aber momentan liegt ihm doch sowieso kein Fall vor, oder?“ Die blauen Augen in dem braungebrannten Gesicht wurden ernst, mit einem schweren Seufzen schüttelte er den Kopf. „Nein. Ihm nicht, aber mir. Ich dachte, dein Vater könnte mir vielleicht helfen, sie zu finden.“ „Jemand wird vermisst?“ Der blonde Lehrling ihres Vaters nickte ernst, kramte ein Bild aus seiner Jackettasche und reichte es ihr. „Eine junge Frau um die zwanzig. Man hat mich engagiert, um sie zu finden.“ Doch Ran hörte ihm schon lange nur noch mit einem halben Ohr zu, ihr Blick haftete fasziniert an dem Bild der jungen Frau im weißen Kittel. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, während sie sprach. „Wahnsinn.“ „Wie bitte?“ Die Überraschung Amorus riss Ran aus ihren Gedanken. „Was?“ Ein verlegener Rotstich breitete sich über ihren Wangen aus. „Nein, entschuldige bitte, so war das nicht gemeint. Aber du musst wissen, sie sieht einer Klassenkameradin von Conan wirklich unglaublich ähnlich.“ „Im Ernst?“ Rans Augen flackerten erneut über das Bild, ein kurzes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Ja, sie ist ihr wirklich aus wie aus dem Gesicht geschnitten. Warte mal einen Moment…“ Damit war sie losgegangen, um eines der wenigen Fotos zu holen, auf denen auch Ai Haibara zu sehen war. Währenddessen sah sie nicht, wie sich auf den Lippen des vermeintlichen Detektivs ein kaltes Lächeln ausbreitete, das nicht mehr auch nur im Entferntesten an den netten Amuro Toru erinnerte. Shinichi sah aus dem Augenwinkel heraus, wie sich Rans Lippen noch immer bewegten, ohne dass er auch nur mehr eines ihrer Worte wahrnahm. Der Grundschüler hatte Mühe, Luft zu holen und merkte doch nicht, wie nah er dem Ersticken war. Panik überwältigte ihn. Sie schwappte glühend über Shinichi hinweg und versengte seine Haut mit ihrer Hitze. Sein Verstand war mit ihm zu Eis erstarrt, nur ein einziger Gedanke war geblieben, kreiste wirr in seinem Kopf herum, sodass ihm beinahe schwindlig wurde. Sie wissen es. „Conan?“ Ihre Stimme riss ihn zurück in die Wirklichkeit, blinzelnd stellte er fest, dass Ran sich zu ihm hinunter gebeugt hatte und besorgt ansah. „Alles okay mit dir?“ Doch erst ihre Hand auf seiner Stirn brachte ihn letztlich wieder zur Besinnung, ihre Finger waren warm auf seiner kalten Haut. Shinichi zitterte, konnte den Blick nicht von ihr abwenden als ihm die Tragweite der Situation noch einmal ganz anders bewusst wurde. Abwehrend schüttelte er den Kopf, löste sich aus dem Griff seiner Freundin und machte einen Schritt vom gemeinsamen Esstisch weg. Er legte den Autopilot ein, der ihm in solchen Situationen mittlerweile schon so oft den Hintern gerettet hatte. „Klar, Ran. Die Schule war nur ein wenig anstrengend heute, weiter nichts. Wir brauchen noch Besteck, oder? Ich geh und hole schnell welches aus der Küche.“ Das fröhliche Grinsen ihres kleinen Mitbewohners brachte Rans Sorgen zum Schmelzen, doch der entsetzte Blick des Kindes, das ausgesehen hatte, als hätte man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen, sollte der Oberschülerin noch lange im Magen liegen. Ein angespannter Seufzer entrang sich seiner Kehle, der Herbstwind zerrte an seinen Kleidern und bei der einen oder anderen Böe hatte er Mühe, den Boden unter den Füßen zu behalten. Fast drei Tage war es nun schon her. Seit drei Tagen musste er davon ausgehen, dass die Organisation Bescheid wusste, über sie. Conans angespannter Blick richtete sich auf die Grundschülerin, die leicht versetzt vor ihm her lief. Er war Haibara seither nicht mehr von der Seite gewichen, allerdings hatte Shinichi keine Ahnung, wie lange sie ihm noch abkaufen würde, dass ihm bei den Moris derzeit die Decke auf den Kopf fiel. Das stimmte zeitweise zwar, aber noch nie war er deshalb gleich so „anhänglich“ gewesen. Er musste es also schaffen, die Distanz zwischen ihnen zu wahren und seine Anwesenheit, in ihrer Nähe, eher als beiläufiges Erscheinungsbild, seiner Flucht aus Conans Alltag, darzustellen. Ai durfte auf keinen Fall bemerken, was wirklich dahinter steckte. Conan schluckte, bemerkte, wie die Anspannung ihm immer mehr die Kehle zuschnürte. Haibara schien von seiner Nervosität bisher nichts zu bemerken und auch ihr Radar für die Organisation hatte bisher noch nicht angeschlagen. Zum Glück. Ein kleines Lächeln schlich sich auf die Züge des Grundschülers, während er Ai dabei zusah wie sie die Straße zum Haus des Professors entlang ging. Vielleicht hatte sie sich endlich daran gewöhnt, nicht mehr ständig in Angst zu leben. Ihre Jahre bei der Organisation hatten ihr lange nachgehangen, ihr das Leben als „normale“ Grundschülerin beinahe unmöglich gemacht. Doch mit der Zeit wurde es besser. Sie entspannte sich in der Gegenwart der Kinder und auch das Lächeln auf ihren Lippen war mit der Zeit ein nicht mehr ganz so seltener Gast. Sie hatte endlich angefangen loszulassen… Sie hatte angefangen zu leben. Shinichi schluckte, seine Augenbrauen zogen sich über dem schweren Brillengestell seines Vaters zusammen. Er würde dafür sorgen, dass das auch so blieb. „Bist du da festgewachsen oder was?“ Ihr sarkastischer Tonfall riss ihn aus seinen Gedanken. Shinichi folgte mit seinem Blick ihrer Stimme und erkannte, dass Ai bereits durch die Gartentür auf dem Weg zur Haustür des Professors war. Seine Mundwinkel zuckten leicht, einiges würde sich an ihr nie ändern. „Ich komme ja. Ich schau nur, ob etwas für mich im Briefkasten ist.“ Er konnte das Rollen ihrer Augen förmlich hören, während sie weiter zur Tür ging. „Na gut, aber beeil dich. So wie ich den Professor kenne, nimmt er deinen Besuch nur als Anlass, selbst zu kochen und was dabei herumkommt, passt meist nicht in seinen Diätplan.“ Conan aber schüttelte nur den Kopf und schloss den Briefkasten des Professors auf. Viel fand er darin nicht. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass er ihn bereits heute Morgen kontrolliert hatte, er wollte unter allen Umständen eine mögliche Nachricht der Organisation abfangen. Nervös überflogen die Finger des Grundschülers das Bündel Papier in seiner Hand. Eine Einladung zum Elternsprechtag der Schule, die Werbung der neusten Pizzeria, doch das was Shinichis Finger mit einem Mal kalt werden ließ, war eine kleine Einladungskarte - wie man sie von einem Kindergeburtstag kannte. Pink. Mit dutzenden von knallroten Kirschen als Motiv. Shinichi schluckte, er wusste nicht ob er wegen diesem schlechten Wortspiel lachen oder weinen sollte. Sein Magen nahm ihm die Entscheidung ab, ihm wurde schlecht. Die Einladung zu einer „Geburtstags“-Feier war für Ai Haibara, in lila Schrift mit verschnörkelten Buchstaben. Shinichi schluckte, er kannte die Adresse, doch es war die Unterschrift, die den Stein in seinen Magen legte. „…ich würde mich freuen wenn du kommst, dein Freund Kuro.“ Das japanische Schriftzeichen für Schwarz brannte sich in seine Netzhaut. Die Karte war so dreist wie einfach und dennoch durchaus effektiv, denn jemand der von Ais wahrer Identität nichts wusste, würde nichts Auffälliges an dieser scheinbar unschuldigen Karte erkennen können. So einfach und doch so effektiv. Shinichi schluckte, verstaute die Karte in seiner Jackettinnentasche und merkte erst jetzt, dass sein Herz gegen seine Brust hämmerte, als hätte es vor, seinem knöchernen Käfig zu entspringen. Ai hatte die Haustür mittlerweile erreicht, und war grade dabei ihren Schlüssel zu suchen, als er zu ihr trat. Sie schaute auf, für einen kurzen Moment flackerte etwas in ihren Augen, ehe sich ihr Blick auf die Post in seiner Hand richtete. „Fanpost?“ Conan schaute auf, sah sie an und wusste, dass es viel zu lange dauerte, ehe er sprach. „Ein Brief von der Schule, Werbung… nichts weiter.“ Ai nickte, schloss die Tür auf und ging an ihm vorbei voraus in die Wohnung. „Schön, dann wollen wir mal sehen ob wir den Professor vor seinem kalorienreichen Schicksal noch retten können.“ Ein schmales Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, während sie dem Geruch von viel zu fettigem Essen folgte. Ihre Stimme war fast zu leise für Conans Ohren. „Manchmal weiß ich gar nicht, was ihr beide eigentlich ohne mich anfangen würdet…“ Die Eiswürfel in ihrem Glas klirrten in einem süßlichen Singsang, während sie mit ihrem Strohhalm einen Hurrikan in ihrem Cocktail erzeugte. Ihr Handy schmiegte sich kühl an ihre Wange und seine Stimme drang rauchig an ihr Ohr. „Dann hat Sherry unsere Einladung also bekommen?“ „Allerdings. Und ich bin sicher, sie wird sie uns nicht ausschlagen.“ Ein Lächeln verzerrte ihre grellpinken Lippen, sie konnte förmlich hören, wie er es ihr am anderen Ende der Leitung gleichtat. „Gut. Alles weitere wie geplant.“ „Aber natürlich…“ Damit legte sie auf, strich mit ihren manikürten Fingernägeln über das Display, das langsam verdunkelte. „…ganz wie geplant.“ Doch ihr Lächeln wurde von seiner Stimme rüde unterbrochen. „Es wundert mich, dass Gin zu so einfachen Mitteln bereit war.“ Bourbon hob seinen Blick nicht von seinem leeren Glas, ohne auf Vermouths Reaktion zu achten sprach er weiter. „Es scheint mir doch ziemlich riskant, einfach darauf zu vertrauen, dass sie auftaucht, ohne die Polizei zu informieren.“ Vermouth aber nippte seelenruhig an ihrem Cocktail, genoss die brennende Wärme, die ihr die Kehle hinunterglitt, ehe sie antwortete. „Gin kennt Sherry, er weiß genau, an welchen Fäden er ziehen muss, um die Kleine gefügig zu machen. Was das anbelangt, ist unsere Verräterin sehr zuverlässig.“ Doch das schmale Lächeln hielt nicht lange, und auch ihr Tonfall wurde mit einem Mal ernster. „Allerdings gibt es da noch etwas anderes, das wir erst aus dem Weg schaffen müssen.“ Der stechende Geruch von verschiedenen Lacken und Fixierungsmitteln stieg ihm in die Nase, während die schäbigen Neonröhren, die die Halle beleuchteten, noch immer, einem nervösen Herzschlag gleich, flackerten und dabei klimpernde Geräusche von sich gaben. Die Augen des blonden Organisationsmitglieds wurden schmal, während sich Gin in der schäbigen Autolackiererei umsah. Viel war von dem Chemiekonzern, in dem Sherry bis zu ihrem Ausbruch gearbeitet hatte, nicht übrig geblieben. Eine große, eher schäbige Halle, mit nur wenig einzeln abgetrennten Räumen. Nicht grade nach Vorschrift mit den ganzen offenen Farben und Lösungsmitteln, die überall herumstanden, aber genau richtig für das, was sie heute vorhatten. Mit einem heiseren Zischen entließ Gin den Rauch aus seinen Lungen, bemerkte wie Wodka neben ihm immer wieder unruhig zu dem alten Karren sah, in dem sie ihr kleines Mitbringsel verstaut hatten. Eines der Garagentore war ein Stück weit geöffnet worden, gerade genug, um hinein zu gelangen, aber nicht ausreichend, um einen Blick auf das Geschehen im Innern zu bekommen. Dennoch verkündete das blutrote Licht, der langsam sinkenden Sonne, dass sich Sherry zu verspäten schien. Selbst Wodka bemerkte es und spürte die wachsende Unruhe seines Partners, seine knurrende Stimme vibrierte dumpf in der großen Halle. „Wir hätten die Schlampe einfach entführen sollen, vielleicht hat sie uns schon längst die Bullen auf die Fährte gehetzt.“ Gin tadelte seinen Partner mit einem kalten Blick, seine dünnen Lippen wurden schmal, doch noch ehe er Wodka zurechtweisen konnte, erregte eine andere Stimme seine Aufmerksamkeit. „Kein Grund, ungeduldig zu werden.“ Shinichi spürte wie die Blicke aller auf ihn wanderten, und sich bald ein feines Lächeln über die dünnen Züge Gins zog. Conan bemühte sich, die ungewohnt rotblonden Strähnen, die ihm in die Augen fielen, genauso zu ignorieren, wie das Rasen seines Herzes, mit dem sein Körper seinem Verstand mitzuteilen versuchte, dass er jetzt eigentlich lieber woanders wäre. Zum Glück hatte das anfängliche Brennen der ungewohnten Kontaktlinsen aufgehört, und auch der im Mundschutz eingebaute Stimmenverzerrer funktionierte ausgezeichnet. Ihr roter Mantel, dessen Kapuze er sich tief ins Gesicht gezogen hatte umspielte seine Silhouette. Allein der kalte Betonboden der Werkstatt schlich sich nun durch die Sohlen seiner Schuhe, während die untergehende Sonne in seinem Rücken Ai Haibaras Schatten trügerisch in die Länge zog. Er konnte nur hoffen, dass Hattori Wort halten würde und mit Ran und den anderen im Tropical-Land blieb. Denn das war der Plan, als der Osaka seinen Besuch angekündigt hatte, auf seinen Wunsch hin natürlich. Und wie vorher gesagt, hatte Ai gepasst und war zusammen mit dem Professor Zuhause geblieben. Darauf hatte Shinichi spekuliert, denn sie dazu zu drängen mit zu gehen hätte sie nur Skeptisch werden lassen, außerdem wusste sie so auch nicht das er Ebenfalls andere Pläne hatte. Auch wenn er dennoch vorsorglich sämtliche Radarbrillen und andere Ortungsgeräte verschwinden hat lassen. Sie hatten wenig Zeit zum Pläneschmieden gehabt, da das Treffen in dem Brief schon für den nächsten Tag angekündigt war. Conan schluckte, schaute sich nervös in der Lackiererei um. Nun stand er hier, wieder einmal in ihrer Haut und hoffte, dass sein Bluff niemand bemerken würde. Das Erscheinen von Shiho Myano ließ die Mitglieder der Organisation augenblicklich verstummen. Conan spürte, wie Gins kalte Augen ihn von oben bis unten musterten, ehe sich das grausame Lächeln auf seinen Lippen in Bewegung setzte. „Meine liebe Sherry, so sieht man sich wieder.“ Die Stimme des Mannes, der am 13. Januar Shinichi Kudo ein tödliches Gift eingeflößt hatte, ließ Conan unweigerlich zusammenzucken. Dennoch bemühte er sich, Ais Gesicht so ausdruckslos wie nur möglich erscheinen zu lassen. Denn so ängstlich er sie auch in Anwesenheit eines potentiellen Mitglieds der Organisation erlebt hatte, so wusste er doch, dass Haibara, wenn es brenzlig wurde, mutiger war, als es ihr vielleicht selbst bewusst war. Daher bemühte sich Shinichi weiterhin, Gins Worten regungslos zuzuhören, den Ekel allerdings konnte er nicht aus seinen Augen verbannen. „Ich gebe zu, dein Versteck ist wirklich überraschend gut. Aber dir wird wohl klar gewesen sein, dass du nicht ewig davonlaufen kannst.“ Das Mädchen entgegnete nichts, dennoch konnte Gin deutlich Wut in ihren Augen sehen. Die kleine Sherry hatte für seinen Geschmack ein wenig zu viel Courage bekommen, in ihrer Auszeit von der Organisation. Umso mehr Befriedigung bereitete es ihm, seiner ehemaligen Kollegin den Wind aus den Segeln zu nehmen. „Du hast wohl gehofft, dein Zustand wäre einmalig, sodass wir niemals hinter dein kleines Geheimnis kommen würden. Tja Sherry, sieht ganz so aus, als hättest du dich geirrt… ein weiteres Mal.“ Die Worte des blonden Hünen verfehlten ihre Wirkung nicht. „Was?“ Mit Genugtuung beobachtete er, wie sich Sherrys grüne Augen weiteten, während ihre Stimme nur mehr einem erstickten Flüstern glich. Mehr als ein Blecken der weißen zähne bekam Shinichi jedoch nicht zur Antwort, stattdessen nickte Gin Wodka mit einem kurzen Grummeln zu. Der bullige Mann folgte seiner Geste, trat einen Schritt zurück und klopfte mit dem Handrücken gegen die Karosserie des alten Toyota, in dem sie ihr kleines Mitbringsel aufbewahrten. Conan schluckte trocken, bemerkte wie sich ein ungutes Gefühl in seinem Magen breitmachte. Angespannt beobachtete er, wie sich die Tür des dunkelbauen Toyotas langsam öffnete. Ein paar lange Beine in hochhackigen, schwarzen Lederstiefeln waren das erste, das die Sicherheit des Wagens verließ, ehe sich Vermouth gänzlich aus dem Auto erhob. Doch noch bevor er sich hätte Sorgen darüber machen können, dass die geübte Schauspielerin seinen Coup entlarven konnte, führte sie noch einen weiteren Passagier aus dem Auto, eine bei der Shinichi das Blut in den Adern gefror. Ein Kind. Ein Junge, nicht älter als Conan Edogawa vorgab zu sein. Shinichi spürte, wie ihm die Farbe aus dem Gesicht wich, während hunderte von Ameisen über seinen Körper zu laufen schienen. Seine Blicke ruhten auf dem kleinen Jungen, dessen Augen sich unter einem Bündel dunkler Haare verbargen, das vermutlich genauso lange ungewaschen war, wie die zerschlissene Kleidung, die er trug. Zähneknirschend wurde Shinichi bei dem Anblick des Jungen bewusst, dass die Organisation offensichtlich auch schon ohne Sherrys Hilfe versucht hatte, dem Geheimnis des APTX auf die Schliche zu kommen. Der Junge war ausgezehrt, hatte tiefe Ringe unter den Augen, während er sich unruhig umsah und sich dabei auffällig die Armbeuge rieb. Erst dann schaute der kleine Junge auf, nahm sein ebenfalls verjüngtes Gegenüber zum ersten Mal wahr. Seine Augen, die bei dem Anblick der geschrumpften Chemikerin langsam groß wurden, zeigten deutlich, dass sich auch in seinem Fall hinter dem kindlichen Äußeren ein viel zu erwachsener Geist verbarg. Nichtsdestotrotz begannen sich seine Augen langsam mit Tränen zu füllen. Shinichi schluckte schwer, fragte sich insgeheim, wer der Junge - der Mann - vor ihm war und warum die Organisation ihn hatte loswerden wollen. Vermouth schien Sherry den Gefallen zu tun und beantwortete diese unausgesprochene Frage. „Wie du siehst, gibt es noch einen weiteren Gewinner im Roulette deines kleinen Giftes, Sherry. Der gute Tobe hier dachte, er könnte der Organisation Gelder unterschlagen.“ Sie beugte sich zu dem Kind hinunter, legte ihm die Finger ans Kinn und zwang ihn mit einer Bewegung aufzuschauen, während sie mit süßlicher Stimme weitersprach. „Das hast du doch, nicht wahr, mein Kleiner?“ Gin aber konnte dem ganzen Trubel gar nichts abgewinnen. „Pah!“ Angewidert stieß er den letzten Rest Rauch aus seiner Lunge und zermalmte die glühenden Überreste seiner Zigarette auf dem Boden. „Er ist zwar dem Tod von der Schuppe gesprungen, aber dafür hat er uns diesen überraschenden Aspekt deiner Arbeit vors Auge geführt.“ Wieder wanderten die Augen des Kleinen auf Ai, wurden noch größer, als ihm bewusst wurde, wer da vor ihm stand. „Ihr habt sie…“ Sein Blick wanderte zu Gin, Panik war in seinen Augen zu lesen. „Lasst mich gehen.“ Conan spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte, er bettelte um sein Leben und seiner Angst nach zu urteilen, wusste er bereits, wie vergebens es war. „B-bitte lasst mich gehen. Ihr habt sie doch, also lasst mich-„ „Schnauze!“ Mit einer schallenden Ohrfeige herrschte wieder Stille in der Lackiererei. Von dem Jungen war nichts mehr weiter übrig als ein zitterndes Bündel dreckiger Klamotten, das zitternd auf dem kalten Beton kauerte und sich die pochende Wange hielt. Shinichi spürte, wie sich die Muskeln in seinem Kiefer spannten, sein Atem zitterte unter dem Mundschutz, übertrug sich auch auf den Stimmentransposer, der somit Sherrys Unsicherheit verriet. Er musste Ruhe bewahren. Shiho war solche Anblicke gewöhnt, auch wenn Shinichi lieber nicht weiter darüber nachdenken wollte. Der Blick des Grundschülers wanderte zu dem Gleichaltrigen an Wodkas Seite. Er versuchte, die stechenden Blicke Vermouths zu ignorieren und wusste doch, dass seine Versuche mit Perücke, Kontaktlinsen und Mundschutz mit einer Maske seiner Mutter nicht mithalten konnten. Dennoch schaffte er es, Ais Stimme ruhig klingen zu lassen, scheinbar nicht beeindruckt von dem üblichen Resultat der Forschung der Organisation. „Wie es aussieht habt ihr eure Laborratte ja schon. Wieso habt ihr mich dann nicht schon längst umgebracht, anstatt mich die ganze Zeit aus dem Hinterhalt zu beobachten?“ Gins Augen begegneten Ais, ehe sein Blick abschätzig auf den noch immer am Boden kauernden Jungen viel. „Oh, ein passendes Versuchskaninchen hat er schon abgegeben, nur leider haben die Experimente unsere Chemiker uns nicht viel weiter gebracht. Es ging dem Boss einfach nicht schnell genug. Tja, schade für ihn und schade für unsere Chemieabteilung.“ Wodka an seiner Seite gluckste höhnisch. Conans Lippen aber blieben versiegelt, er wartete, bis alle die Pointe genossen hatten, ehe er in skeptischem Ton Ais Stimme erhob. „Du willst also damit sagen, dass ihr mich braucht?“ Über Gins Lippen zog sich ein grausames Lächeln, nur langsam begann er den Kopf zu schütteln. „Nein… damit will ich sagen, dass wir ihn nicht mehr brauchen.“ Doch noch ehe Shinichi die Gelegenheit hatte, den Gedanken zu beenden, wurde das manische Grinsen breiter, während sich Gins Finger um den Abzug seiner Waffe spannte. „NEIN!!“ Conan hörte wie Ai schrie, wurde sich erst später klar, dass es sein eigener Schrei gewesen war, der gleichzeitig mit dem Schuss in der einsamen Lackierhalle widerhallte. Der kleine Junge, der eben noch neben Wodka gekauert hatte, hatte versucht seine Chance zu nutzen, während sie redeten und war weiter nach hinten in die Halle gegangen, in der Hoffnung, hinter einer der Türen einen Ausgang zu finden, ehe Gins Schuss ihn traf. Im blieb nicht genug Zeit sich um zu drehen, wie in Zeitlupe fiel er nach vorn, bis der Körper mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufschlug. Gins rauchige Stimme schmiegte sich einem Flüstern gleich an seine Ohren. „Du, Sherry, gehörst ohnehin schon uns.“ Shinichi konnte sich nicht dazu bringen, den Blick von der wachsenden Blutlache abzuwenden, die mit den bunten Lackflecken auf dem grauen Stein zu einem bizarren Kunstwerk verschwamm. Er versuchte zu verarbeiten, was hier grade passiert war, ohne dass er die Chance hatte, oder den Versuch gewagt hatte, es zu verhindern. Ais zitternder Atem war das einzige Geräusch, das die Halle erfüllte, kein Laut kam mehr von dem in tiefes Rot getauchten Bündel aus Klamotten. Erst Gins abwertender Tonfall riss Shinichi zurück in die Wirklichkeit, während Schuld und Selbstvorwürfe langsam begannen, in sein Ohr zu flüstern. „Du bist weich geworden, Sherry. Früher hätte es dich nicht gestört, wenn eines deiner Versuchskaninchen so einfach das Zeitliche segnet. Eine Nummer weniger auf der Liste, aber dafür ein Ergebnis mehr, war dem nicht so?“ Das rotblonde Mädchen ihm gegenüber aber erwiderte nichts, sodass es an Gin war, die Stille ein weiteres Mal zu durchbrechen. „Schön. Also los, wir haben schließlich nicht ewig Zeit.“ Mit einem Handzeichen von seinem Chef begann Wodka auf Ai zuzugehen, ehe eine andere Stimme ihn aufhielt. „Warte.“ Conan spürte, wie sich eine Gänsehaut auf seine Arme schlich, während sich all seine Muskeln verkrampften. Vermouths Blicke lagen nun direkt auf ihm, ein süßliches Lächeln schmeichelte ihren burgunderroten Lippen, während sie sprach. „Ich glaube nicht, dass du schon wieder einen Fehler machen willst, oder, Gin?“ „Was?“ Es war Wodka, der die Blondine an seiner Seite fassungslos ansah, während sein Kollege sich schon besser im Griff hatte und sie nur mit einem kühlen Blick streifte. „Was willst du damit sagen?“ Gins Worte waren emotionslos, aber fordernd, sodass sich das Lächeln auf Vermouths Lippen in die Breite zog. „Das hier ist nicht Shiho Miyano.“ Shinichi hatte das Gefühl einen elektrischen schlag zu bekommen, während er unfähig war sich zu bewegen. Vermouth hingegen genoss die Spannung, die sie mit nur wenigen Worten erzeugt hatte, wandte sich zu Gin und streichelte ihm mit den Fingerspitzen über die Schulter. Ihre Worte waren kaum mehr als ein Flüstern, nur für sein Ohr bestimmt. „Schau sie dir genau an, Gin, das ist nicht Sherry.“ Für einen kurzen Moment herrschte absolute Stille. Daraufhin ertönte ein heiserer Fluch, blechern, grade so, als ob man eine alte Maschine wieder zum Leben erweckt hatte. In nur wenigen Schritten hatte Gin ihn erreicht und ging vor dem Kind in die Knie, um ihn zu studieren. Shinichi hörte das Trommeln seines Herzens, während Gins Blicke nicht nur Löcher in seine Kleidung brannten, sondern dabei auch seine Haut versengten. Dann aber starrte Conan der Mörder seines alten Egos in die Augen. Und im nächsten Moment war es vorbei. Noch im selben Augenblick erklang ein tiefes Knurren aus der Kehle des Blonden, mit dem er dem Grundschüler die Atemmaske vom Gesicht zerrte, ihn an der Kehle packte und unsanft auf Augenhöhe beförderte. Conan spürte, wie sich die Klammern aus seinen Haaren lösten, während Gin ihm die rotblonde Perücke vom Kopf riss. Wut dominierte die Augen des Mörders. Ein würgender Laut verließ die Kehle des Grundschülers, als sich Gins Pranken immer weiter um seinen Hals schlossen. Schwarze Flecken fingen an vor seinem Blickfeld an zu tanzen, während sich seine Ohren langsam mit Watte füllten. Shinichi fluchte innerlich, es gelang ihm nicht, das Narkosechronometer auszurichten, immer mehr musste er gegen die aufkommende Ohnmacht kämpfen, die ihn mit einem warmen schwarzen Umhang umarmen wollte. Sein Verstand, der durch den Schock von Vermouths Verrat ohnehin gelähmt war, drohte nun gänzlich zum Stillstand zu kommen. Gin jedoch interessierte der zunehmend glasige Blick des Grundschülers nicht. „Verdammt!“ Ein heiseres Lachen begleitete den Fluch, Shinichis Augen wurden groß, doch noch bevor er sich lange über Gin wundern konnte verstummte das grausame Geräusch wieder. Ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen warf der Hüne den Grundschüler zu Boden, dieser rutschte noch ein Stück über die Betonplatte, zog dabei in Kopfhöhe eine verdächtig rote Spur hinter sich her. Der Schmerz brachte ihn wieder zu Verstand. Mit jedem Atemzug, den er auf dem staubigen Betonboden machte, wurden seine Gedanken klarer. Shinichi glaubte Vermouths süßliches Lächeln in seinem Rücken wahrzunehmen, indessen Gin ihn von oben herab betrachtete. Das heisere aufgebrachte Atmen des Organisationsmitglieds ebbte langsam ab, dennoch war es klar, dass die Gefahr für den Grundschüler noch lange nicht vorbei war. Shinichi schluckte, rappelte sich von seiner liegenden Position auf Knie und Hände auf und bemerkte wie letzte zitterten. Das Blut machte nun nicht mehr an seiner Schläfe halt, suchte sich stattdessen seinen Weg über die Wange des Grundschülers ehe zu Boden fiel, wo es einen Farbklecks von vielen bildete. Conans Blick viel auf die Uhr an seinem Handgelenk, nicht nur sein Unterarm hatte bei dem Sturz etwas abbekommen, auch die kleine Erfindung Agasas schien nicht ganz ungeschoren davongekommen zu sein. Doch noch ehe Shinichi Gelegenheit hatte, seine Inventur weiter fortzusetzen, riss ihn Gins Stimme aus seinen Gedanken, seine Frage hallte stumpf und kalt im Gebäude wieder. „Wer bist du?“ Conan zuckte nicht, biss stattdessen die Zähne zusammen, ehe sich ein schales Lächeln über seine Lippen zog. Eine gute Frage. Ihm fielen gleich mehrere Möglichkeiten ein, diese zu beantworten und doch blieb er stumm, wägte jede einzelne von ihnen ab, ehe sich ein leiser Seufzer aus seiner Kehle schlich. Der Grundschüler schluckte trocken, versuchte die Leiche des kleinen Jungen in seinem Augenwinkel zu ignorieren. Vielleicht gelang es ihm so dennoch, in die Organisation zu gelangen, irgendwie doch wenigstens einen Teil seines misslungenen Planes zu verwirklichen. „He, was ist! Hört du nicht gut, der Mann hat dich was gefragt!“ Wodka wollte grade auf den Grundschüler am Boden losgehen, als Gin ihn mit einer einfachen Geste davon abhielt. Die Augen des Blonden lagen noch immer auf dem kleinen Jungen und so ungeduldig er auch war, veranlasste ihn das plötzliche Lächeln auf den Lippen des Kindes dazu, seinem Kollegen Einhalt zu gebieten. Gins Augen wurden schmal, er musste selbst ein Zucken seines Mundes unterdrücken, als er mit einem mal spürte wie sich die Atmosphäre um den Grundschüler änderte, als sich dieser langsam auf die Beine rappelte. „Conan Edogawa.“ Seine Stimme war unerwartet klar, unerwartet stark, während er sprach. „Conan Edogawa gehört zu den Leuten, die Sherrys Tod im Bell Tree Express vereitelt haben, durch seine Mithilfe ist es gelungen, den Mord an dem Politiker Domon zu vereiteln. Außerdem war auch er es, der euch im Fall der Diskettenübergabe von Itakura überlisten wollte. Conan Edogawa ist dafür verantwortlich, dass ihr Sherry nicht schon bei eurer Begegnung auf dem Dach des Hotels erledigen konntet, sowie derjenige, der die Bombe im Shinkansen unschädlich gemacht hat.“ Shinichi schluckte, bemerkte wie trocken sein Mund während des Sprechens geworden war und versuchte das leichte Grinsen auf seinen Lippen beizubehalten. „Am 13.01.1994 im Tropical Land, wart ihr es, die Conan Edogawa ins Leben gerufen habt, indem ihr einem Detektiv, der euch hinterher geschnüffelt hatte, ein neuartiges Gift verabreichtet, das jedoch eine etwas andere Wirkung hatte. Aus ihm wurde Conan Edogawa. Dieser Detektiv war Shinichi Kudo.“ Während Shinichis Rede waren die Lippen Gins immer schmaler geworden, die grauen Augen lagen ungerührt auf dem Grundschüler. Das war er also, der Schnüffler, der Sherry unterstützt hatte und wie Teer an ihren schwarzen Sohlen geklebt hatte. Conan Edogawa. Ein Kind. Shinichi Kudo. Ein Detektiv. Der Hüne spürte, wie Galle in ihm hochstieg, seinen Kehlgang verätzte, bei dem Gedanken, dass dieser Möchtegern-Sherlock Holmes ihren Blicken so lange aus dem Weg hatte gehen können, dass auch er das Gift, das eigentlich spurlos töten sollte, überlebt hatte. Ohne den Grundschüler noch eines Blickes zu würdigen, zog Gin eine weitere Zigarette aus ihrer zerknautschten Packung, zündete sie an und brachte das Stäbchen mit einem tiefen Zug zum glimmen. Der graue Rauch begleitete seine viel zu ruhige Stimme. „Na schön, Shinichi Kudo… wirklich lobenswert von dir, uns den Weg zu dir zu sparen und uns gleich darüber aufzuklären, wem wir diesen ganzen Ärger zu verdanken haben.“ Seine grauen Augen wanderten von dem Grundschüler zu der Zigarette in seiner Hand und beobachteten, wie die glühenden Flocken an der Spitze kalt und grau zu Boden segelten. „Wenn du jetzt allerdings glaubst, dass wir uns die Mühe machen und dich nutzen, um dem Gift auf die Spur zu kommen, hast du dich geirrt. Unter anderem Umständen würdest du mit diesem Gedanken vermutlich nicht falsch liegen, in deinem Fall aber gibt es vom Boss ganz klare Anweisungen. Wir brauchen dich nicht.“ Erneut blitzten Gins Zähne unter seinem Lächeln hervor, wie die Fänge eines Raubtieres, das sich zum Töten bereit machte. „Jetzt, da wir wissen wer sie ist und wo wir suchen müssen, ist alles weitere nur eine Kleinigkeit. Du magst ein gutes Spiel gespielt haben, Shinichi Kudo, doch du solltest die Organisation nicht unterschätzen. Wir werden Sherry finden, und dein Tod wird uns dabei sogar behilflich sein. Ich bin sicher, dass unsere gute Chemikerin weich geworden ist und es auf gar keinen Fall riskieren würde, für noch einen Mord verantwortlich zu sein. Sie kennt uns gut, und auch du hast deine Scharade gespielt, mit Sicherheit in dem Wissen was passiert, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.“ Shinichi spürte, wie sich sein Herzschlag immer mehr beschleunigte, er kannte die Worte Gins, noch ehe sie seine Lippen verlassen hatten. „Wir werden sie töten, den dicken Alten, ihre kleinen Freunde und wer immer sonst noch um sie herum springt. Einen nach dem anderen. Bis sie freiwillig zu uns kommt, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, insofern Danke, dass du dich als erster gemeldet hast.“ Gins Finger spannten sich um den Abzug seiner Waffe. „Süße Träume… Conan Edogawa.“ Daraufhin geschah alles ganz schnell, ein verzweifelter Schrei mischte sich mit dem dumpfen Knall eines Schusses, Schmerz traf ihn auf Brusthöhe und riss ihn zu Boden. Erst dann langsam, wurden die Eindrücke deutlicher. Die Situation aus Geräuschen und Gefühlen begann sich langsam wieder in ihre Einzelteile zu zerlegen. Das erste, was Shinichi wahrnahm, war der pochende Schmerz in seiner Brust und das Brennen seines Hinterkopfes, der auf den Beton geknallt war. Nicht genug Schmerz jedoch, nachdem man von einer Kugel getroffen worden war, dieser Eindruck verstärkte sich als sein nächster Sinn zurückkehrte. Der metallische Geruch, der warmen Flüssigkeit, setzte sich in seiner Nase fest wie eine rostige Patina. Er spürte das Blut auf seinem Körper, bis es ihn wie ein warmes Leichentuch bedeckte. Viel zu viel Blut für viel zu wenig Schmerz. Der Grundschüler blinzelte, versuchte so die schwarzen Schatten vor seinen Augen zu vertreiben, als er bemerkte, dass, was auch immer auf seinen Brustkorb drückte, sich zu bewegen schien. Doch in diesem Moment holten ihn die Erinnerungen der vergangenen Schrecksekunden des Schusses ein, ihr Schrei, Gins Fluch, der die Kugel schon auf den Weg geschickt hatte und ein Bündel rotblonder Haare, dass ihn zu Boden gerissen hatte, weg von dem tödlichen Geschoss. „H- Haibara...“ Shinichi spürte, wie sich Kälte in ihm ausbreitete, er versuchte sich langsam aufzurappeln und rutschte dabei mit den Händen fast in dem schmierigen roten Film aus, während das Gewicht von seiner Brust glitt. Sein Blick fiel auf die Grundschülerin, die von seiner Brust zur Seite gerutscht war und nun neben ihm auf dem Rücken lag, während ihre Augen blicklos an die Decke starrten. „AI!“ Ihre Atemzüge waren flach, kaum mehr zu erkennen und doch konnte Shinichi bei den kurzen Auf und Ab keine Erleichterung finden. Im seinem Kopf summte es, das Blut vernebelte ihm die Sinne. „Nein…, nein!“ Seine Augen huschten über ihren Körper, Shinichi wusste, er musste die Blutung stoppen, doch unter dem roten Blutteppich, der sich schon längt in ihre Kleider gezogen hatte, fiel es ihm anfangs schwer, die Schusswunde auszumachen. Als er sie dann jedoch entdeckte, spürte der Grundschüler wie ihm jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. In dem tiefdunklen Rot, das Ais Körper wie ein dichter Schleier umhüllte, wurde das Blut an einer Stelle ihrer Brust zunehmend dunkler. Auf der Höhe von Ai Haibaras Herzen prangte ein schwarzes Loch, das ihr Leben gierig zu verschlingen schien. Er wusste, dass ihr nur Sekunden, vielleicht wenige Minuten verblieben. Zu wenig um- zu wenig für einfach alles. Doch der rationale Teil von Shinichis Verstand hatte sich bei diesem Anblick längt abgemeldet. Der Oberschüler dachte in diesem Moment gar nicht daran, auf die Stimme in seinem Kopf zu hören. Shinichi hörte Gins Stimme im Hintergrund, wusste jedoch nicht was dieser gesagt hatte, als plötzlich Wodka auf die beide Kinder am Boden zu steuerte und neue Panik in ihm aufkeimen lies. „Bleib weg von ihr!“ So gut es ging versuchte der Grundschüler sie mit seinem Oberkörper zu schützen. Es verblüffte ihn, dass Wodka Ai nur mit einem abschätzigen Blick betrachtete. Als er sich dann jedoch umwandte und kopfschüttelnd zu Gin zurück marschierte, spürte Shinichi, wie alles in ihm zu Eis zu gefrieren schien, sodass er Gins Fluchen nicht einmal mehr hörte. „Verdammt, Haibara!“ Seine zitternden Finger suchten nach etwas, mit dem er das Blut aufhalten konnte, doch grade als er sich Ais Wunde zuwenden wollte, wurde er von der Grundschülerin selbst davon abgehalten. „K-Kudo.“ Ihre Stimme zitterte, war kaum mehr als ein leises Flüstern und forderte doch seine ungeteilte Aufmerksamkeit. „Ai… Was hast du- Was tust du hier, Haibara?“ Auf ihren blassen Lippen bildete sich ein kleines Lächeln, während ihre Hand nach seinen Fingern griff. „Das Gleiche könnte ich dich wohl auch fragen, Kudo.“ Shinichi aber erwiderte ihr Lächeln nur kurz, schloss die Hand fest um die ihre, während ihre grünen Augen unter Schmerzen zu ihm aufblickten. Ein allzu vertrautes Bild schoss ihm durch den Kopf, ebenso grüne Augen, die ebenso viel Hoffnung in ihn legten wie Ai es getan hatte. Ein kurzes Stöhnen aber riss ihn zurück aus der Erinnerung ins Hier und Jetzt, er hörte, wie Ai nach Luft schnappte, die gurgelnden Laute, die ihre Lunge dabei machte, immer weiter zunahmen. Ein feines Rinnsal quoll aus ihrem Mundwinkel hervor, tauchte Ais blassblaue Lippen in ein dunkles Rot, das ihr bleiches Gesicht nur noch mehr wie eine Maske wirken ließ. „Es tut mir Leid…“ Sie schluckte, suchte seine Augen in denen sie noch nie so viel Hilflosigkeit hatte sehen müssen. Er hatte verloren, das wussten sie beide. Und auch wenn sie sich entschuldigte, tat es ihr auf der anderen Seite überhaupt nicht Leid. Es tat ihr nicht Leid, hierhergekommen zu sein. Es tat ihr nicht Leid, ihn von der Kugel bewahrt zu haben. Es tat ihr nicht Leid, dass er jetzt hier war, in diesem Moment, ganz nah bei ihr. Ihre Augen richteten sich erneut auf ihn, krampfhaft versuchte sie durch den Nebel hindurch zu blicken, um noch einmal den Menschen sehen zu können, der ihr neben ihrer Schwester zum ersten Mal seit sie denken konnte, mehr bedeutet hatte als ihr eigenes Leben. „Fang jetzt bloß nicht so an, Ai. Das wird schon wieder, wir bekommen das hin, du wirst sehen. Fang jetzt bloß nicht damit an, fang nicht an, dich zu verabschieden… Shiho.“ Seine Worte drangen nur dumpf zu ihr durch, sie hörte die Verzweiflung in seiner Stimme, sah, wie glasig seine Augen wurden und hasste sich in diesem Moment dafür, dass sie fähig war, ihm so viel Schmerz zu bereiten, während ein kleiner Teil von ihr es genoss, ihren Namen aus seinem Munde zu hören. Sollte sie es ihm sagen? Wie viel er ihr wirklich bedeutete, den wahren Grund, warum sie ihn nicht hatte sterben lassen können? Obwohl auch ihre Tat ihn noch lange nicht in Sicherheit gebracht hatte. Vielleicht war es ohnehin nutzlos gewesen, denn was hatte sie schon, außer das Versprechen dieser Frau. Aber sinnlos - sinnlos war das hier sicher nicht. Ai seufzte lautlos, bemerkte wie das Pulsieren der Wunde in ihrer Brust schwächer wurde, während er noch immer auf sie einredete, ohne dass sie auch nur ein Wort davon verstand. Die Chemikerin biss sich auf die Lippen, versuchte so einen Hustenanfall zu unterdrücken, während das Blut immer mehr Raum in ihrer Lunge einnahm. Für einen Moment versuchte die Naturwissenschaftlerin in ihr Trost darin zu suchen, das sie vermutlich längst verblutet sein würde, bevor sie sich mit dem Ersticken auseinander setzten musste. Doch der Gedanke an den Tod, der schon nach ihr gierte, ließ sie erneut Schutz bei ihm suchen. „Shinichi…“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauch der seine Wangen streifte, während seine Lippen lautlos ihren Namen formten und alle Angst aus ihrem Inneren entwich, nur weil er ihr in die Augen sah. Ai versuchte ein Lächeln, wusste jedoch nicht, ob ihr dieses gelang. Für einen letzten Moment überlegte sie es ihm zu sagen, dann jedoch entschied sie anders. Sie drückte seine Hand, drückte seine Finger ein letztes Mal fest an sich. Er sah das Zögern in ihren Augen, das dünne Lächeln, welches ihre blutroten Lippen zierte. „…D- Danke, für alles.“ Das Letzte, was sie sah, waren seine Augen gewesen. Shiho hatte immer gehört, dass der Tod Kälte mit sich brachte und mit eisigem Griff das Leben an sich riss. Das Letzte aber, was sie wahrnahm, war eine wohlige Wärme, die sich in ihrem Inneren ausbreitete, bis sie sie letztendlich gänzlich ausfüllte. Er aber war taub für ihre Worte, wusste, was sie bedeuteten, was gerade passierte - und war doch taub für alles um ihn herum. Shinichis Gedanken schotteten sich gegen alles ab, sein Körper war bestimmt von seinem Zittern, dem Gefühl, keine Luft zu bekommen und dem unerfüllbaren Wunsch, dass dies alles nur ein böser Traum war. Seine heisere Stimme erreichte ihr Ohr und blieb doch ungehört. „Nein! NEIN! Mach jetzt keinen Mist... das darfst du nicht. Hörst du…?“ Verzweifelt strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, verschmierte ihre reine Haut dabei mit einem blutigen Muster. Shinichi sah nicht, wollte nicht sehen, dass ihren Augen bereits jeglicher Glanz fehlte. Dass die junge Frau, die er kannte, längst nicht mehr da war. „Warum hast du das getan!?“ Seine blutverschmierten Hände zitterten, der metallische Geruch stieg ihm in die Nase und vernebelte ihm die Sinne. Blut. Überall. Verzweiflung, Wut und Trauer brachten seine brüchige Stimme zum Beben. „Wieso hast du das getan!?“ *LangsamhintereinerEckehervorgekrochenkomm* Äh ja… das wars *schluck* Ich hoffe ihr seid nicht arg so enttäuscht, ich meine… es war echt nicht leicht, das Geschehen, das man sonst in einer ganzen FF abhandelt in ein Kapitel zu pressen. Ich nehme an es sind jedoch jetzt noch mehr Fragen offen als vorher? Und Ran, na ich bin mal lieber still… Die Kinderleiche- ich hab doch gesagt es Steckt ein ganz einfacher „Trick“ dahinter. Ich muss gestehen es ist schon eine ganze Weile her das ich beim Hochladen eines Kaps so angespannt war, *schluck* natürlich würde ich mich hier ganz besonders über eure Kommentare freuen, auch wenn ich ja hoffe das ihr mir nicht den Kopf abreist >//<, Übrigens bevor ich wieder verschwinde: Vielen Dank für die Rückmeldung beim letzten Mal! Ich freue mich wirklich immer sehr wenn Mexx mir eine Kommi Meldung schickt :) Also denn *hust* Ich geh… dann jetzt lieber wieder, Bis bald, eure Shelling Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)