Lost in Time von Shelling__Ford (ShinichixRan) ================================================================================ Kapitel 27: Ahnungen -------------------- Ahnungen Shinichi schluckte. Er wagte es nicht den Blick zu heben, all jenen, die grade gehört hatten, wie Ai Haibara gestorben war, in die Augen zu sehen. Stattdessen vergrub er seine Fingerspitzen nur tiefer in seinen Haaren, benetzte sich die trocken Lippen, ehe er mit brüchiger Stimme fortfuhr. „Ich weiß bis heute noch nicht, was sie da gemacht hat, woher sie von dem Treffen wusste, oder warum sie da war.“ Er spürte die Blicke auf seiner Haut, zwang sich zu einem tiefen Atemzug und dazu, weiter zu reden, nicht stehen zu bleiben bei dem Gedanken, der ihn all die Jahre nicht in Ruhe gelassen hatte. „Danach ist alles irgendwie verschwommen. Ich weiß, ich habe Sirenen gehört, sie wollten mich wegbringen, aber ich habe mich gewehrt, ich wollte sie nicht dalassen, ganz allein. Irgendjemand, ich nehme an es ist Wodka gewesen, hat mir dann einen Tritt verpasst. Ich muss mir wohl eine Gehirnerschütterung eingehandelt haben, denn von da an gibt es wirklich nicht mehr viel, was ich euch noch erzählen kann.“ Langsam atmete er aus, die Szene mit Shiho war er in Gedanken so oft durchgegangen, dass es ihm keine Mühe bereitete, sich daran zu erinnern. Das, was jedoch danach geschehen war, hatte er bislang nur einmal wiedergeben müssen. „Die Polizei war schon in der Nähe, deswegen konnten sie mich nicht einfach so erschießen, sie hatten Angst ein weiterer Schuss würde die Beamten zu ihnen locken. Also sperrten sie mich ein, Vermouth hat mich in eine der Abstellkammern gezerrt.“ Shinichi erinnerte sich an den kalten Betonboden, daran wie er immer wieder damit gekämpft hatte, bei Bewusstsein zu bleiben, bis ihn ein lauter Knall erneut in die Realität rief. „Sie hatten die Bomben vorsorglich in dem Wagen deponiert, in dem Vermouth den anderen festgehalten hatte. Sie müssen sie per Fernzünder ausgelöst haben, als sie schon längst weg waren. Das Feuer breitete sich aus, schnell.“ Hitze längst vergangener Tage grub sich unter seine Haut, während er erzählte, wie es ihm, nachdem er lange mit seiner Besinnung gerungen, hatte gelungen war, das kleine Fenster mit einer Lackdose einzuschießen und heraus zu klettern. Noch heute wunderte ihn dieses Vorgehen, Vermouth hätte doch ahnen müssen, dass das Fenster für ihn kein Hindernis darstellte. Mühsam schüttelte er den Kopf, blinzelte die unliebsame Erinnerung weg und bemühte sich in klarem Ton weiter zu erzählen. Nachdem er der brennenden Halle entkommen war, hatten ihn seine Füße zu Jodie getragen. Er erinnerte sich heute nicht mehr an den Weg dorthin, oder wie lange er gebraucht hatte, aber sie war die Einzige, die in der Nähe gewesen war, die Einzige, die ihm hatte helfen können. Wir werden sie töten, den dicken Alten, ihre kleinen Freunde und wer immer sonst noch um sie herum springt. Einen nach dem anderen. Ein kleiner Seufzer drang aus seiner Kehle, er merkte, wie sich die Spannung in seinen Muskeln löste. Zumindest schienen alle Beteiligten nun so viel zu wissen, um zu verstehen, warum er so gehandelt hatte, warum er den Schutz des FBI`s gesucht hatte. Er hatte damals ja keine Ahnung gehabt, wie weit die dafür gehen würden. Shinichi schluckte, ihm war klar, dass er auch diesen Punkt noch klären musste, um ihnen zu verstehen zu geben, dass es auf keinen Fall von ihm geplant gewesen war, sie vor „seinem“ Grab stehen zu lassen. Doch grade als er den Mut gefunden hatte, weiter zu erzählen, unterbrach ihn eine andere Stimme. „And after that he had shown up at our place.” Ein kalter Schauer lief dem Detektiv über den Rücken. Er hätte nicht aufschauen müssen um zu wissen wer da unangekündigt in der Villa Kudo stand und doch konnte er seinen Blick einfach nicht mehr am Boden halten. „Tracy?“ Alle Augenpaare ruhten auf der jungen Frau im Türrahmen. Shinichi war aufgestanden, machte ein paar Schritte auf sie zu, bemerkte nebenbei, dass sie wie immer tadellos aussah. Der schwarze Bleistiftrock saß perfekt um ihre Taille und bildete einen wunderbaren Kontrast zu der weißen Seidenbluse, die ihre Figur umspielte. Dennoch erkannte Shinichi schnell, dass ihr etwas im Magen lag, da sie nervös mit einer ihrer schwarzen Haarsträhnen spielte, während ihre braunen Augen ihn durchdringend musterten. “What- what are you doing here?“ Er fasste sich an die Kehle, überrascht wie heiser seine Stimme klang. Tracy aber versuchte, seine Skepsis zu übergehen, machte ein paar Schritte auf ihn zu und zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen. “I heard, the place you stayed burned to ashes, so I thought Mr. Bell might need some help to face the world. So here I am. And Stue too, by the way. But he is searching for a parking lot …still.” Doch das zynische Grinsen und demonstrative Augenrollen, kamen bei Shinichi nicht an. Sein Blick lag noch immer ungerührt auf der Amerikanerin, seine Stimme war trocken während er sprach. „Have you known it?“ Die Schwarzhaarige zuckte zusammen, wich seinen Augen aus, ehe sie sich mit einem kleinen Seufzer geschlagen gab. Als Tarcy ihren Blick hob, sah nicht nur Shinichi, sondern auch die anderen im Raum, dass Schuld und Reue sich in den braunen Augen der Frau ansammelten. Sie schluckte, streckte die Hand nach ihm aus und wollte einen Schritt auf ihn zugehen, doch sein Blick hielt sie zurück, ließ ihre Hand an ihren Oberarm wandern, sodass es aussah, als müsste sie sich selbst stützen, um erneut zu Wort zu kommen. „Shinichi-…“ Ihre Stimme klang sanft, sprach den für den Amerikaner so fremden Namen mittlerweile gekonnt aus und doch lag in diesem kleinen Wort mehr als Shinichi hatte hören wollen. Sein eigener Blick wanderte erneut zu Boden. Das Gefühl von Verrat schwappte wie eine Welle über ihn, flüsterte den Härchen auf seinen Armen das Kommando zu, sich aufzustellen, während seine Fingerspitzen taub wurden. Er hatte es gehofft, so gehofft, dass wenigstens sie ihn nicht verraten hätten. Das Tracy und Stuart genauso wenig von seinem angeblichen „Tod“ gewusst hatten wie er selbst. Stattdessen waren sie in die Sache verwickelt gewesen, hatten nichts gesagt, ihn nicht einmal gewarnt, bevor er nach Japan geflogen war. Nichts dergleichen. Er schluckte, schaute sie noch immer nicht an während er sprach. „So you, too…“ Sein nüchterner Tonfall brach ihr fast das Herz, sie hatte gehofft, dass er einfach nur wütend auf sie beide sein würde, damit hätte sie umgehen können, seine Enttäuschung jedoch brannte ein Loch in ihren Magen. Ihr Blick blieb unverwandt auf ihm haften. Er war blass, noch mehr als sonst. Dieses ganze Land zehrte an ihm. Sein altes Leben zehrte an ihm, sodass es ihr vorkam, als hätten sie und Stuart ihm grade den Gnadenstoß gegeben. „Please, Shinichi, you know-…“ Doch er ließ ihrer zitternden Stimme kleinen Platz, schüttelte nur den Kopf während er sprach und fuhr sich mit fahrigen Bewegungen durchs Haar. „No. Just- Arg… Tracy.“ Er schaute auf, doch seine Augen wanderten schnell von ihr in die Runde seiner Angehörigen, die das seltsame Schauspiel mit argwöhnischem Blick verfolgt hatten und nicht so recht wussten, worum es eigentlich ging. „Nicht jetzt, nicht hier. Wenn du mir wirklich einen Gefallen tun willst, dann erzähl du den Rest, ich bin sicher dein Japanisch ist ausreichend dafür.“ Er ging an ihr vorbei und fügte noch einen letzten Satz hinzu, ehe er aus dem Wohnzimmer Richtung Treppe verschwand. „Ich hab fürs Erste genug.“ „Aber, Shinichi…“ Yukiko war aufgesprungen, machte Ansätze, ihm zu folgen bis die filigrane Hand der Amerikanerinm die hier so einfach in ihr Haus geplatzt war, sie aufhielt. „It´s okay, Miss, i-ich kann ihn schon verstehen…“ Nur zu gern hätte Yukiko sie gefragt, was sie sich eigentlich einbildete, schließlich kannte sie ihren Sohn gut genug, um zu wissen was gut für ihn war, wer war sie denn überhaupt? Doch dies alles blieb der ehemaligen Schauspielerin im Halse stecken, als Tracys Blick dem ihren folgte und beobachtete, wie Shinichi langsam die Treppe zu seinem Zimmer hoch stieg. Yukiko erschrak über den Ausdruck in den Augen der fremden Frau, die etwas in sich trugen, das ihr nur zu bekannt vorkam. Tracy aber bemerkte die Verblüffung seiner Mutter nicht. Vor ihren Augen prangte noch immer der geschlagene Ausdruck Shinichis, der sich ihr immer mehr unter die Haut brannte, während er langsam gänzlich aus ihrem Blickfeld verschwand. Shinichi ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Suchte für einen Moment Halt an dem sicheren Holz in seinem Rücken und versuchte die Dunkelheit und Ruhe seines Zimmers in sich aufzunehmen. Sein Kopf schwirrte, fühlte sich an, als hätte man das Ding auf seinem Hals durch einen Bienenstock ersetzt und Mann - die Viecher waren vielleicht sauer. Doch anstatt dass sein Verstand ihm den Gefallen tat und ihm wenigstens ein paar Minuten Ruhe gönnte, konnte dieser nicht anders als zu analysieren, was heute Abend passiert war. Die Polizei, seine Eltern und die Detective Boys wussten Bescheid, wurden vermutlich in diesem Moment von Tracy darüber aufgeklärt, wie „William Bell“ zustande gekommen war und warum sie ihn vor ein paar Jahren beerdigt hatten. Das war das eine, Nummer zwei war die traurige Vermutung, die sich für ihn jetzt in eine Gewissheit verwandelt hatte, nämlich, dass seine Zieheltern, wie sie heimlich von Black genannt wurden, ebenso über die Lügerei Bescheid wussten, wie seine anderen Kollegen vom FBI. Shinichi seufzte, fuhr sich über die Stirn, als er endlich einen Gedanken gefunden hatte, an dem er sich festhalten konnte. Mit Tracy konnte Willam Bell die Ermittlungen schneller wieder aufnehmen als erhofft, sodass es ihm vielleicht endlich gelingen würde, zumindest diesem Spuk ein Ende zu bereiten. Langsam führen ihn seine Schritte zum Fenster, für eine ganze Weile starrte der Oberschüler in die Dunkelheit, ehe er nur kurze Zeit später hörte, wie die sich die Tür in seinem Rücken erneut öffnete. Er musste sich nicht umdrehen, um zu sehen, wer ihm da nachgeschlichen war, er hatte lange genug bei ihnen gewohnt, um zu wissen, wie sich Kogoro Moris Schritte anhörten. Der Oberschüler machte keine Anstalten, sich herum zu drehen, oder dem Polizisten sonst irgendwie zu zeigen, dass er sich seiner Anwesenheit gewahr war. So kam es, dass sie beide eine ganze Weile in dem kalten Dämmerlicht der Straßenlampen standen, die ihr Licht von außen in das Zimmer warfen. Moris Stimme war es, die die dunkle Stille zwischen ihnen mit seiner einfachen Frage durchbrach. „Du hast mich nicht verraten… warum nicht?“ Shinichi holte tief Luft, Kogoro konnte beobachten, wie sich die Schultern des Jungen erst hoben und dann wieder senkten, ehe er sich leicht zu seinem alten Gastgeber drehte, ohne ihn anzusehen. „Es war nicht Teil der Geschichte. Was hätte es außerdem für einen Sinn? Ich halte sie nicht für einen schlechten Detektiven, nicht zuletzt ihre Neueinstellung in Megures Dienst beweist dies.“ „Ach?“ Moris Überraschung war zwar echt, und doch deswegen nicht weniger kalt, er beäugte den Oberschüler vor sich scharf, versuchte sich in Erinnerung zu rufen, wann er ihn das letzte Mal in dieser Größe gesehen hatte und wurde sich mit einem mal bewusst, dass er es nie für nötig gehalten hatte, allein ein Wort mit dem jungen Mann zu wechseln, in den sich seine Tochter verguckt hatte. Diesem arroganten, großspurigen Idioten, der samals geglaubt hatte, nur weil er der Polizei bei der Lösung von ein, zwei Fällen helfen konnte, nun eine große Nummer zu sein. Shinichi aber seufze nur leise, drehte sich nun ganz zu seinem früheren Ziehvater um, um ihm beim Sprechen in die Augen sehen zu können. „Nein… eigentlich könnte ich sie sogar ein wenig beneiden.“ In seiner ruhigen Stimme schwang tatsächlich etwas Neid, doch Shinichi überging Moris große Augen und den zur Frage offen Mund und sprach mit der gleichen Ruhe weiter, bis sich sogar ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen abzeichnete. „Wie Ran sehen Sie in den Menschen, die sie mögen, nur das Gute. Egal wie lange Sie diese schon kennen, sobald Sie sie erst einmal in ihr Herz geschlossen haben, wollen Sie nicht aufhören daran zu glauben, dass diese Leute unweigerlich gut sein müssen.“ Shinichi seufzte, fuhr sich mit unruhigen Fingern durchs Haar. „Natürlich hat auch diese Eigenschaft Nachteile. Für Ran ist es die große Enttäuschung, die sie jedes Mal erlebt, wenn eine Person, die ihr nahesteht, eine Dummheit begeht. Und für Sie als Detektiv ist es wohl ein wirkliches Handicap im Beruf, denn Sie lassen nicht los. Sie wollen unbedingt Beweisen, das eben jene Person unschuldig ist, Sie verstricken sich dabei in Halbwahrheiten und Lügen, die die Sicht auf die Wahrheit nur verschleiern. Sie suchen bewusst nach den falschen Hinweisen. Das ist mir auch schon passiert und ich weiß, wie schwer es ist, da wieder rauszukommen, erst Recht, wenn es keinen gibt, der einem die Leviten liest. Und dennoch könnte ich Sie dafür beneiden, Mori.“ Kogoro sah ihn an, merkte wie der Ärger, mit dem er eben noch die Treppe hochgestapft war, langsam verebbte, während er dem jungen Detektiven zuhörte, der auf die unausgesprochene Bitte des Beamten hin weiter erzählte. „Bei mir ist es umgekehrt, zwar erleichtert es mir die Arbeit, aber ich glaube nicht, dass es mich zu einem besseren Menschen macht, ganz im Gegenteil. Egal, wo ich hingehe, sehe ich potentielle Morde und Gewalt, noch bevor sie geschehen, natürlich bin ich dann darauf vorbereitet und kann entsprechend reagieren, und dennoch… es ist keine schöne Eigenschaft, Menschen, die man kaum kennt, gleich so etwas zu unterstellen. Ich schätze es wäre das Beste, wenn man ein gesundes Maß von beidem hätte, ein wenig Skepsis und ein wenig Sympathie den Menschen gegenüber.“ Shinichi seufzte, drehte dem Polizisten langsam wieder den Rücken zu und schüttelte kurz den Kopf. „Mittlerweile sollte ich froh sein, dass Sie mich nicht von Anfang an gemocht haben, so ist Ihnen wenigstens diese Enttäuschung erspart geblieben. Schade nur, dass Sie Ran nicht davon überzeugen konnten, ehe es für sie zu spät war.“ Kogoro Mori schluckte. Er schluckte seine Wut und seinen Hass über den Jungen und nicht zuletzt auch darüber hinunter, dass dieser es auch noch geschafft hatte, ihm ein schlechtes Gewissen einzureden. Er musste jetzt bei klarem Verstand bleiben, das hier war nichts zwischen ihm und Kudo, er war dem Jungen nicht nachgestiegen, um ihm irgendwelche Vorhaltungen zu machen, nicht nur, jedenfalls, sondern um etwas anderes, viel Wichtigeres, mit ihm zu besprechen. „Was hast du jetzt vor… wegen Ran?“ Der Junge vor ihm biss sich kurz auf die Lippen, sein Blick aber streifte ihn nur kurz. „Ran darf davon nichts erfahren. Allein schon weil…“ Shinichi wich seinem Blick aus, doch Kogoro wusste genau, wohin die Gedanken des jungen Mannes vor ihm gewandert waren. Sie alle hatten die Luft angehalten, als er ihnen erklärt hatte, wie die Organisation sie gefunden hatten. Shinichi hätte sie nicht erst darum bitten müssen, es für sich zu behalten. Ihnen allen war schon vorher klar gewesen, was diese Information für die junge Lehrerin bedeuten würde. Dennoch war das bei weitem nicht alles, was dem ehemals schlafenden Detektiv im Magen lag. „Ich rede nicht bloß davon…“ Shinichis Muskeln versteiften sich augenblicklich, doch als er stumm blieb, ließ es sich Kogoro nicht nehmen, noch nachzuhaken. „Sie wird bemerken, dass wir alle etwas wissen, sie ist nicht dumm, Kudo.“ Shinichi schluckte, fuhr sich fahrig über die Augen. Doch er sprach seine Antwort nicht aus, wusste, dass es ihr Gespräch auch nicht weiter gebracht hätte und lud Kogoro mit seinem Schweigen nur zum Weitersprechen ein. „Warum glaubst du wohl, weicht sie euch bei den Ermittlungen nicht von der Seite, warum hat sie dir Eri auf den Hals gehetzt, um dich aus dem Knast rauszuhauen.“ Der ehemals schlafende Kogoro seufzte, er formte die nächsten Worte nur mehr als ungern. „Sie liebt dich, noch immer.“ Shinichi schloss die Augen, zog scharf die Luft ein, drehte sich jedoch nicht zu Mori um, der weiter sprach. „Egal, für wen du dich ausgibst, wie oft du auf weg läufst, daran wird sich so schnell nichts ändern.“ Der nächste Morgen kam seiner Meinung nach viel zu früh. Shinichi hatte sowieso nicht viel Schlaf gefunden, doch nach einer halben Stunde sinnlosen Hin- und Herwälzens, hatte es ihm der Duft nach Kaffee ein wenig leichter gemacht, aufzustehen. Zumindest war er offenbar nicht der einzige ruhelose Geist in diesen vier Wänden. Nach einer kurzen Dusche sah die Welt zwar noch nicht anders, aber zumindest ein Stück besser aus, sodass er sich auf die Suche nach der Quelle des verlockenden Dufts von Koffein machte. Sein Vater saß in der Küche, studierte gerade die Zeitung, sah jedoch auf, als Shinichi den Raum betrat. „Morgen.“ „Guten Morgen.“ Mit einem Kopfnicken deutete der Schriftsteller zur Kaffeekanne auf der Arbeitsplatte. „Es ist noch was da. Wo die Tassen sind, weißt du ja.“ Shinichi murmelte ein Danke, ging an einen der Schränke und griff automatisch seine Lieblingstasse aus dem Regal. Mit einem skeptischen Blick goss er das schwarze Gold ein, der Geruch des Kaffees erlaubte ihm zu schätzen, wie lange sein Vater wohl schon auf war. Eine Stunde, höchstens, vorausgesetzt, dies war seine erste Kanne. Gemächlich zog er einen Stuhl heran, setzte sich an den Tisch und ließ seine vom Schlaf geschwängerten Gedanken treiben. Er war froh, dass es sein Vater, war der ihm gegenüber saß. Bei seiner Mutter hätte er sich schon längst dafür entschuldigt, dass er sie gestern mit all seinen Gästen allein gelassen hatte. Shinichi schluckte, schaute auf und studierte den Teil der Zeitung, die ihm sein Vater zuwandte, ehe er ein kurzes Stöhnen unterdrücken musste. Macht Holmes jetzt Jagd auf ihn? Unter der Schlagzeile prangerte sowohl ein Bild von William Bell, als auch ein Foto des ausgebrannten Gästehauses. Yusakus Blick schlich sich über den Rand der Zeitung, während er skeptisch eine Augenbraue hob, ehe er das Käseblatt zusammen faltete um nochmals einen Blick auf die Titelseite zu werfen. „Sieht ganz so aus, als hätten sie ganze Arbeit geleistet.“ Shinichi stöhnte, rutschte noch ein Stück tiefer in den Stuhl und massierte sich müde den Nasenrücken. „Der arme Matsudo, ich muss mich unbedingt bei ihm entschuldigen und sehen, wer für den ganzen Schaden aufkommt.“ Sein Vater nickte, auch wenn er wusste, dass Shinichi ihn nicht ansah, schlug die Zeitung erneut auf und vergrub seine Nase darin, während er antwortete. „Das solltest du vielleicht dann noch heute Morgen erledigen, Shinichi.“ Damit schaffte der Schriftsteller es, die Aufmerksamkeit seines Sohnes wieder auf sich zu lenken. Shinichi schaute ihn überrascht an. „Was?“ Yusaku aber ließ seinen Blick gesenkt, tat so, als würde er gebannt einen Artikel lesen. „Der Hauptkommissar meinte gestern, er wäre froh, wenn er dich heute bei der Besprechung dabei haben könnte.“ Shinichi aber runzelte nur die Stirn, wollte grade fragen, wie er das denn anstellen sollte, als sein Vater ihm den Gefallen tat und weiter sprach. „Deine amerikanischen… Kollegen, haben in der Umkleide deiner Mutter alles für dich zurechtgelegt.“ Unruhig trat Shinichi von einem Fuß auf den anderen, während er vor Matsudos Haustür auf dessen Erscheinen wartete. Während er die kleine Auffahrt zum Haus des Pathologen hoch gewandert war, hatte er zwischen den Bäumen die verkohlten Überreste des Gästehauses erkannt. Noch immer lag der schwefelige Geruch von Asche in der Luft, verätzte Shinichis Gewissen nur noch mehr, dem erst jetzt klar wurde, wie froh er sein konnte, dass das Feuer nicht auf den eigentlichen Wohnsitz des Doktors übergesprungen war. Shinichi seufzte, wandte sich erneut der Haustür des Pathologen zu und betrachtete Bells Gesicht, das sich in den kleinen Buntglasfenstern auf bizarre Weise spiegelte, ehe er endlich ein Geräusch wahrnahm. Nur kurze Zeit später öffnete der Doktor ihm die Tür, auf seinen Zügen zeigten sich erst Verwunderung, ehe eine gewisse Erleichterung ihren Platz fand. „Es ist schön, zu sehen, dass es Ihnen gutgeht, Professor. Die Polizei erwähnte zwar, dass Sie von dem Brand nicht betroffen seien, dennoch bin ich froh, mich nun mit eignen Augen davon überzeugen zu können.“ Bell aber seufzte nur, schüttelte missmutig den Kopf. „Es tut mir wirklich außerordentlich Leid, dass ich nicht früher gekommen bin, Doktor, und überhaupt möchte ich mich in aller Form bei Ihnen für die Vorkommnisse entschuldigen.“ Matsudo aber runzelte nur kurz die Stirn, winkte dann ab, nur um beiseite zu treten und seinem Kollegen eintreten zu lassen. „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken und kommen Sie erst einmal herein, ich denke, so etwas besprechen wir besser im Haus.“ Shinichi nickte dankbar, während der Pathologe ihn durch den Flur führte und weiter sprach. „Es ist ja nicht so, als hätten Sie selbst mit Streichhölzern gespielt, Professor.“ Er hatte ihn in ein kleines Wohnzimmer geführt, bot ihm sowohl die Couch als auch einen Kaffee an, wobei Bell beides dankend ablehnte. „Auch wenn es mich bedrückt, das zu sagen, aber mit so etwas muss man in einem solchen Beruf wohl immer rechnen.“ „Aber der Schaden-…“ „Wird vermutlich von der Versicherung übernommen und wehe denen, wenn nicht, wofür bezahl ich diese Geizhälse schließlich jeden Monat.“ Matsudos Grinsen war ansteckend, wirkte jedoch müde unter Bells Augen. „Dennoch, wenn ich es in irgendeiner weiße wiedergutmachen kann, oder Ihnen etwas ersetzen kann, dann lassen sie es mich wissen.“ „Nicht doch. In dieser alten Hütte gab es ohnehin nichts, das mir besonders am Herzen lag. Allerdings fällt mir da durchaus ein Gefallen ein, Professor. Ich habe gestern den Autopsiebericht des dritten Opfers fertiggestellt und eben eine Kopie angefertigt.“ Bell lächelte, wusste längst, wohin die Gedanken des Pathologen wanderten. „Ich nehme ihn gern mit, Doktor.“ „Großartig, wenn Sie noch einen Moment warten, werde ich ihn grade holen.“ Shinichi nickte, beobachtete wie der Pathologe erst im Flur und dort dann hinter einer anderen Tür verschwand. Sein Büro, wie der Oberschüler vermutete. Die Abwesenheit des Doktors ließ ihm die Zeit, sich zum ersten Mal im Anwesen des Arztes umzusehen. Wie das Gästehaus war auch die Villa des Pathologen im westlichen Stil gehalten. Es gab ein paar Bilder, von denen Shinichi aber weder sagen konnte, ob es Kunst war oder nicht, noch ob sie ihm gefielen - das Persönlichste war wohl die breite Bücherwand, in der der Detektiv bei einer kurzen Durchsicht jedoch auch überwiegend Fachliteratur erkennen konnte. Während er die Blicke immer noch durch den Raum schweifen ließ, wanderte er zu einer kleinen Anrichte, auf dem er neben einer Lampe ein Foto entdeckt hatte, das seine Aufmerksamkeit erregte. Von einem goldenen Rahmen umfasst strahlte ihm ein um Jahre jüngerer Dr. Matzudo, in einem feinen Anzug steckte, entgegen. In seinem Rücken konnte man die Umrisse einer alten Kirche erkennen, was Shinichi vermuten ließ, dass das Bild im Ausland aufgenommen worden war, denn solche Gebäude gab es in Japan nicht. Was jedoch wirklich die Blicke des Detektivs auf sich zog war die Frau, die neben dem Arzt stand. Ein Schleier, so strahlend weiß wie der Rest ihres Kleides, verbarg den größten Teil ihres Gesichts, endete knapp unter ihrer Nasenspitze, doch das bezaubernde Lächeln, das sie darunter zeigte, erzählte Shinichi mehr, als er wissen musste. Er hatte nicht gemerkt, dass Matsudo in den Raum zurückgekehrt war, schaute erst auf, als ihm der Pathologe das Bild aus der Hand nahm und nun selbst mit reumütigem Blick ansah. „Sie ist bezaubernd, nicht wahr?“ Bells Blick wurde trüb, während er langsam nickte. „Doktor, ich-„ „Schon okay, mein Freund. Schließlich habe ich wohl auch bei Ihnen damals einiges aufgewühlt.“ Shinichi schluckte, ihm war klar, dass der Arzt an den Vorfall in der Pathologie dachte und beobachtete, wie er das Bild behutsam wieder auf seinen Platz stellte. Der Pathologe seufzte schwer, strich sich eine graue Haarsträhne hinters Ohr und reichte Bell seinen Bericht. „Wir alle haben unsere Geheimnisse, Dinge an die wir lieber nicht ständig erinnert werden wollen.“ Die Diskussion in dem kleinen Konferenzraum kam augenblicklich zum Erliegen, und um ehrlich zu sein, hatte er auch nichts anderes erwartet - dass jedoch von Ran an diesem Morgen jede Spur fehlte, besorgte und erleichterte ihn zugleich. Die Detective Boys waren auch noch nicht da, dabei begann die Schule erst nächste Woche wieder, gut möglich also, dass sie noch auftauchen würden, dennoch konnte er dem Gefühl nicht entgehen, dass da noch mehr dahinter steckte. Mit einem Seufzen warf er ein allgemeines „Guten Morgen“ in die Runde. Ging zu seinem Platz neben Hattori und begann seine Notizen auszubreiten, als er bemerkte, dass noch immer Stille herrschte. Shinichi blickte auf, sah in die Gesichter der Beamten, die seinem Blick allesamt schnell auswichen, sobald er sie auch nur streifte. Allein Heiji blieb ungerührt, dennoch konnte er gut verstehen, was in seinen Kollegen vor sich ging, mal abgesehen von dem, was sie gestern erfahren hatten, war es einfach nur seltsam mit William Bell zu arbeiten, wenn man wusste, vor ein paar Stunden noch gesehen hatte, dass er sich hinter der Silikonschicht versteckte. Allerdings hatten sie weiß Gott keine Zeit zu verschwenden, also hielt es der Kommissar aus Osaka für nötig, die Sache ein wenig in Gang zu bringen. „Also schön, wir sollten die Zeit nutzen und unserem Täter endlich ein wenig auf die Füße treten. Mr. Bell… wären Sie so freundlich unser weiteres Vorgehen zu erläutern.“ Heiji, der seinen Worten ein Räuspern voraus geschickt hatte, schaute seinen Kollegen erwartungsvoll an. Shinichi aber blieb noch für einen Moment still, nickte ihm dann dankbar zu, offenbar war allen klar, wie wichtig Geheimhaltung war, auch wenn das bedeutete, dass sie sich mit einem Fake begnügen mussten. Erst dann richteten sich seine Augen in die Runde, auch wenn Heijis Ansprache gelungen war, erkannte er doch wie sich bei manchen eine Gänsehaut bildete, als sie erneut Bells Stimme hörten. Besonders Mori ließ ihn nicht aus den Augen. Doch der Oberschüler versuchte zu verdrängen, wie das Gespräch zwischen ihnen gestern geendet hatte, konzentrierte sich stattdessen auf den Fall. „Wie Sie ja bereits alle wissen, haben wir das nächste Opfer unseres Mörders bereits ausfindig gemacht. Allerdings machen es uns die Umstände ein wenig schwer, Maßnahmen einzuleiten, die die Tat verhindern könnten.“ Bell war aufgestanden, hatte den Raum mit langen Schritten durchmessen, um jetzt auf seinen Platz zurückzukehren und in seinen Unterlagen zu blättern. „Ich nehme an, dass Sie ebenfalls von Herrn Nagato, dem Anwalt von Herrn Kabawa informiert worden sind, dass weder er noch sein Mandant dazu bereit sind, den Prozess zu verschieben oder gar zu canceln.“ Megure nickte grimmig, beobachtete aus dem Augenwinkel heraus, wie sich Shinichi- nein Bell, wieder auf seinen Platz setzte. Immer wieder verschwamm das Bild des Professors mit dem des Oberschülers von gestern Abend, sodass der Hauptkommissar sich Mühe geben musste, seine Konzentration beizubehalten. „Das war ja auch nicht anders zu erwarten. Was ist mit Ihnen, Takagi, haben Sie schon Informationen, wie das Gericht die Sache sieht?“ Der Kommissar nickte langsam, fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, ehe er anfing zu sprechen. „Schon. Aber ich fürchte, die werden Ihnen nicht gefallen, Hauptkommissar. Nagato hat mal wieder ganze Arbeit geleistet und da die Beweislast gegen der Kabawa nicht ausreichend ist, sieht sich das Gericht gezwungen, ihn freisprechen zu müssen.“ „Das wäre sein Todesurteil.“ Satos Einwand war berechtigt und doch wussten sie alle, dass ihnen in diesem Fall die Hände gebunden waren. „Also gut. Takagi, sorgen Sie dafür, dass man den Wachen an Kabawas Zelle unsere Leute zur Seite stellt. Ich möchte, dass er sowohl vor, als auch nach dem Prozess unter voller Beobachtung steht.“ Sein Blick fiel zu Bell, der ihn mit Shinichis Augen gespannt beobachtete. „Ich nehme an, ich greife nicht zu weit voraus mit der Annahme, dass wir damit rechnen müssen, dass unser Täter, laut seinem Brief, die Tat noch im Gefängnis verüben will?“ Bells Augenbrauen zogen sich über seiner Bille zusammen. „Es ist keine verlässliche Aussage, aber zumindest sollten wir uns auf die Möglichkeit vorbereiten.“ Megure nickte nur. „Die Bedingungen sind für uns günstiger als für ihn, sollte er sich wirklich trauen, die Tat noch im Gefängnis verüben zu wollen, werden wir darauf vorbereitet sein.“ „Verstanden.“ Der Hauptkommissar wollte grade damit beginnen, Instruktionen für den weiteren Verlauf zu erteilen, als Bells Stimme ihn erneut unterbrach. „Es gibt in diesem Fall noch etwas, das wir besprechen sollten, eine Möglichkeit, die wir nicht außer Acht lassen dürfen. Die Organisation. Sie wissen Vermutlich von dem Vorfall an meiner Universität in New York, der in engem Zusammenhang mit dem steht, was Vorgestern auf Dr. Matsudos Grund und Boden geschehen ist.“ Die Spannung im Raum wurde greifbar dichter, besonders für die Tokioter Beamten war die ominöse Organisation, der Shinichi auf den Fersen war, noch immer ein rotes Tuch. „Was Ihnen jedoch noch nicht klar sein kann, ist die Verbindung dieser Geschehnisse mit unserem Fall. Die Information über mich an die Organisation kam nicht von ungefähr, denn es gibt nur eine Person, die Ihnen diesen Hinweis gegeben haben kann. Dabei muss es sich um-…“ Doch diesen Satz würde der Professor nicht so schnell zu Ende bringen können, denn ausgerechnet in diesem Moment klopfe es kurz an der Tür, ehe die Detective Boys samt Ran den Raum betraten. Letztere war es, die sofort alle Blicke auf sich zog und den Pseudo-Amerikaner zum Schweigen brachte. „Morgen.“ Die Begrüßungen wurden erwidert, jeder suchte sich einen Platz am Konferenztisch, dann aber machte sich eine unangenehme Stille breit, die schon die ganze Zeit nur auf ihren Auftritt gewartet hatte. Die Oberschüler tauschten Blicke aus, versuchten, nicht zu oft zum Professor rüber zu schielen, was ihnen jedoch ganz offensichtlich misslang. Bell, der seinerseits ebenfalls ein „Guten Morgen“ genuschelt hatte, setzte sich wieder auf seinen Platz und war sich der drückenden Stille im Raum nur allzu bewusst. Zum Glück jedoch schien es nicht seine Aufgabe zu sein, etwas dagegen zu unternehmen, da ihm Megure mit einem kurzen Räuspern unter die Arme griff. „Also schön, ich will weitere Vorschläge hören. Wie können wir vorgehen? Wie können wir das nächste Opfer schützen, ohne uns den Täter dabei durch die Lappen gehen zu lassen?“ Keiner ließ sich durch die kleine Täuschung oder den plötzlichen Themenwechsel irritieren, sie alle wussten, dass sie dieses Gespräch so nicht weiter führen konnten. Allerdings war es nicht nur Mori, dem dieser Zustand auf den Magen schlug, unruhig suchte er nach der Packung Zigaretten in seiner Hosentasche, klammerte sich daran fest wie an ein Seil, das man ihm zur Rettung zugeworfen hatte. Immer wieder glitt sein Blick vorwurfsvoll zu Bell- zu Kudo - so gut die Absichten des Detektivs auch sein mochten, sein Mausebein ging vor. Und Kogoro konnte seiner Tochter an der Nasenspitze ansehen, dass sie ahnte, was los war, dass ihr die angespannte Atmosphäre im Raum keinesfalls entging. Ran schluckte, versuchte krampfhaft den Blick unten zu lassen, nicht aufzusehen, um zu bemerken, wie ihr die Augen aller anderen nach nur kurzer Zeit auswichen. Die junge Lehrerin hatte den Eindruck, gegen eine Wand gelaufen zu sein. Eigentlich hatte sie vorgehabt, weiter mit unschuldiger Miene und bestem Lächeln auf den Lippen, seine Lügen weiter über sich ergehen zu lassen. Weiter mitzuspielen und darauf warten, das er dem Ganzen endlich ein Ende setzte. Sie wusste, glaubte zu wissen, warum er das tat, warum er sich noch immer so verhielt. Sie hatten es ihr damals erklärt, ihr versucht, begreifbar zu machen, wie viel sie ihm bedeutete. Sie wollte nichts lieber, als daran zu glauben, dass es einen guten Grund dafür gab, dass er sie so sehr quälte. Doch die Sicherheit, in der sie sich selbst zu wiegen versuchte, war von dem Augenblick, in dem sie die Türschwelle betreten hatte, wie weggeblasen. Sie hatte die Augen der anderen auf ihrer Haut gespürt, die unruhigen Blicke zu Bell, die dieser nicht erwidern konnte, während er gänzlich unfähig war, ihr auch nur in die Augen zu sehen. In diesem Moment hatte sie es gewusst. Sie war die Einzige. Die Einzige im Raum, der er nichts gesagt hatte, die offiziell nicht wusste, nicht ahnte, wer sich hinter Bell verbarg. Die Einzige, der man nicht die Augen öffnete. Die Einzige, der er nicht vertraute. Diese Erkenntnis ließ den Mut, den sie sich erkämpft hatte, um ihm gegenüber zu treten, langsam in sich zusammenfallen. Während eine Frage jeden Schlag ihres Herzens begleitete. Die Diskussion der anderen darüber, wie man dem Täter am besten eine Falle stellen könnte, schwappte als blechernes Geräusch über sie hinweg. Der Kloß in ihrem Hals schwoll langsam ab, doch die Leere in ihrem Inneren wollte nicht weichen. Die junge Frau war so sehr in ihren Gedanken versunken, dass das Vibrieren des Handys in ihrer Tasche sie zusammenzucken ließ. Mit kalten Fingern angelte sie es hervor, betätigte ein paar Tasten, ehe sie den Text einer SMS vor sich hatte. Ein schwerer Seufzer entrang sich ihrer Kehle. Sonoko. Das nannte man wohl Timing. Ihre Augen wanderten von der SMS zu Bell und danach zu Heiji, die sich rege an der Diskussion beteiligten, wie man das Wachpersonal am besten und unauffälligsten einsetzten könnte. Sie seufzte, ließ es zu, dass ihr Blick kurz auf dem „Amerikaner“ hängen blieb, ehe sie ihre Augen wieder auf das Handy in ihrem Schoß gleiten ließ. Das Display hatte sich mittlerweile ausgeschaltet, sodass ihr in dem schwarzen Glas ihr eignes Bild entgegen sah. Vielleicht war das ihre Chance. Vielleicht wartete er ja nur auf einen solchen Moment, um ihr endlich zu gestehen, wen sie wirklich vor sich hatte. Mit angespannten Mienen löste sich die kleine Truppe auf, beunruhigt hatte Shinichi beobachtet, dass Ran eine der Ersten gewesen war, die zur Tür raus war, während er sich auffallend viel Zeit nahm, seine Sachen zusammenzupacken. Ihm war nicht aufgefallen, dass er dadurch mit Megure allein im Raum blieb, bis dessen rauchige Stimme ihn aufsehen ließ. „Kommst du klar?“ Shinichi stockte, blieb langsam neben dem Hauptkommissar stehen, dessen Worte nur leise an sein Ohr gedrungen waren. Sein Blick fiel auf Megure, der ihn lange und durchdringend musterte, bis sich Bell zu einem Nicken durchringen konnte. „Tut mir leid, dass ich sie gestern Abend so habe sitzen lassen. Sie hätten eine richtige Entschuldigung verdient gehabt. Das hätten Sie alle.“ Der alte Beamte aber schüttelte nur mit dem Kopf, Shinichi aber spürte die Anspannung, die noch immer im Raum lag, und wollte das Gespräch nicht so enden lassen. „Aber bevor ich´s vergesse, alles Gute zur Beförderung Hauptkommissar Megure, auch wenn die Glückwünsche vielleicht ein wenig spät kommen.“ Das Zucken seines Schnauzers verriet ein Lächeln, sein Tonfall war weicher als vorher, während er Bell verlegen antwortete. „Vielen Dank. Wie sagt man so schön, unverhofft kommt oft. Von uns hat wohl keiner geahnt, dass ausgerechnet Hauptkommissar Matzumoto ein Kandidat für die Frührente sein würde.“ Megure seufzte, lachte dann trocken. „Mittlerweile kann ich ihn aber gut verstehen.“ Shinichi verzog Bells Lippen zu einem Grinsen und wollte grade den Raum verlassen, als Megure ihn noch ein letztes Mal aufhielt. „Wenn du Hilfe brauchst…“ „Kann ich auf Sie zählen. Ich weiß.“ Shinichis Blick richtete sich auf, er merkte, dass Megure gerne noch mehr gesagt hätte, doch sie beide wussten, dass selbst die Mittel eines Hauptkommissars nur beschränkt waren. Und genau das schien diesem so gar nicht zu passen. William Bell jedoch schüttelte nur langsam den Kopf, ehe sich ein ehrliches Lächeln auf seine Züge verirrte. „Vielen Dank.“ Der Himmel war bedeckt, gut für ihn, denn so musste er sich keine Gedanken darüber machen, dass die Reflektion des Fernglases in der Sonne jemand sehen würde. Der Wind pfiff kalt über das Dach des Gebäudes, auf dem er sich postiert hatte. Schon mehrere Stunden hatte er auf eine Reaktion gewartet, ehe ihre Zielperson nun aus dem Gebäude trat. Unwillkürlich zogen sich seine Lippen in die Breite, entblößten die vom Nikotin vergilbten Zähne, was sein Lächeln nur noch dreckiger wirken ließ, während er die Kurzwahltaste auf seinem Handy drückte. „Er ist draußen.“ Wieder späte er durch sein Fernglas, bestätigte seine Vermutung. „Sieht allerdings nicht so aus, als wäre er bald allein.“ Er hörte ein raues Lachen, dann ein kurzes Rauschen am Ende der Leitung und wusste, dass zwischen den dünnen Lippen seines Kollegen nun eine Zigarette brannte. „Wer ist bei ihm?“ „Der Typ aus Osaka und drei Weiber… eine davon ist seine. Es wär wahrscheinlich besser, wenn-…“ Doch sein Argument wurde durch eine rauchige Stimme unterbrochen. „Nein. Nein, das ist perfekt so.“ Das kühle Grinsen schlängelte sich zusammen mit seinen Worten aus dem Hörer, kitzelte die Wange des anderen so lange, bis auch auf seinen Lippen ein Lächeln erschien, während er genüsslich den Worten seines Partners lauschte. „Das wir den Druck erhöhen. Ihn noch gefügiger machen.“ Genüsslich zog er an seiner Zigarette, bließ den Rauch in die Luft und beobachtete, wie der feine Nebel im trüben Grau des Himmels unterging. „Glaub mir, er wird bereitwillig in unsere Falle laufen.“ Seine grauen Augen funkelten gefährlich, er würde die kommende Aufgabe ganz sicher genießen. Sooo hier bin ich wieder! Vielen Herzlichen Dank fürs Lesen. Das war also das Kapitel nach dem großen Knall, ich muss ja gestehen, ich hätte beim letzten mal gedacht das ein wenig mehr Reaktionen kommen würden, nachdem ich euch so lange darauf haben warten lassen… ich hoffe aber das Kapitel hat euch dennoch gefallen. Genauso wie dieses hier hoffentlich! Vielen Dank aber natürlich an alle die mir einen netten kleinen Kommi hinterlassen haben *freu* Ehrlich jeder einzelne ist mir Jedes Mal eine große Freude. Tja im nächsten Kapitel kommt dann wohl wirklich das worauf ihr alle Wartet… mal sehen was ihr dazu sagst *muhahah* Ich wünsche euch allen ein schönes Wochenende, liebe Grüße, eure Shelling Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)