Lost in Time von Shelling__Ford (ShinichixRan) ================================================================================ Kapitel 10: Lüge ---------------- Lüge Wie? Rans Frage beherrschte seine Gedanken, hatte sich in ihm festgesetzt wie ein schmutziger Parasit, der Shinichi jegliche Konzentration entzog bis nur noch Unsicherheit übrig blieb. Die Frage, die so viel bedeuten konnte, so wenig aussagte, so viel Hoffnung in sich barg und so viel Leid bescherte. Allein diese eine winzige verdammte Frage! Shinichi schluckte, wurde sich erst jetzt bewusst, dass er noch immer mit dem polieren seiner – Bells - Brille zugange war, während um ihn herum der Fall wieder Priorität erlangt hatte. Mühevoll und so unauffällig wie möglich riss er sich zusammen, blinzelte in die Runde und versuchte, das bisschen Konzentration zusammenzukratzen, das die von ihr ausgesprochene Frage hinterlassen hatte. Geschickt lenkte er seinen Blick an Ran vorbei auf das alte Ehepaar, das nun eng aneinander gelehnt vor ihnen saß. Die Eltern des zweiten Opfers hatten sie unsicher, aber mehr oder minder höflich empfangen. Umgeben von Fotos von Tanten, Cousinen, Kindern und vermutlich auch Enkelkindern, die gerahmt auf etlichen Kommoden, Tischen und Fensterbänken standen, gaben die beiden ein eigentümliches Bild ab. Die in die Jahre gekommene Frau Moto trug, Shinichis Vermutung nach, wahrscheinlich immer noch denselben Pyjama, wie an dem Morgen, als ein Beamter sie und ihrem Mann mit der schrecklichsten aller Nachrichten aus dem Schlaf geklingelt hatte. Er war, wie es schien, schon mehr bei Sinnen gewesen, auch wenn Shinichi in den alten Filzpantoffeln zwei unterschiedliche Socken erkannte, die auf eigentümliche Art und Weise jedoch hervorragend mit dem falsch zugeknöpften Hemd harmonierten. Während sie Heijis Fragen beantworteten, schob Herr Moto immer wieder eine grau gemusterte Decke über die schlotternden Knie seiner Frau, die kein einziges Mal bemerkte, wie sie ihr wieder von den Schenkeln rutschte. Die jungen Augen des dreißigjährigen Professors wurden trüb, als er das alternde Elternpaar beobachtete. Normalerweise überlebten Eltern ihre Kinder nicht. Sie suchten ihnen keinen Grabstein aus, beerdigten sie nicht und legten keine Blumen an ihr Grab. Eltern taten so etwas normalerweise nicht. Aber was war schon normal? Er schluckte, Atmete lange und energisch aus. Shinichi bemerkte schnell, dass Heiji seine liebe Mühe damit hatte, seine Fragen zwischen Anekdoten, Tränen und ungläubigen Beteuerungen hindurch zu manövrieren. Doch der Kommissar war geschickt und trotz der Widrigkeiten fast am Ende seiner Befragung angekommen, aber Herr Moto hing noch immer an seiner letzten Frage. „Ich glaube wirklich nicht, dass es jemanden gibt, der unserem Mädchen etwas Böses wollte. Nein, nein, dazu gäbe es gar keinen Grund. Nicht wahr, Liebes?“ Er drückte ihre von Falten durchzogene Hand, doch ein kurzes Blinzeln über den geschwollenen Tränensäcken war die einzige Antwort, die er bekam; entmutigen ließ er sich von der Lethargie seiner Frau jedoch nicht. „Nein, nein, glauben Sie mir, unsere Kleine gibt niemanden einen Grund, sie nicht zu mögen. Erst neulich, neulich erst hat sie einen Mann kennengelernt. Sie mochte ihn, das haben wir gleich an ihrem Lächeln gemerkt. Eltern merken so etwas einfach, wissen Sie. Jedenfalls-„ Die papyrusfarbene Wange des Alten bekam einen seichten Rotstich. „Wir- wir hatten sogar schon an Enkel gedacht, weil sie ihn so gern hatte, unsere Aya. Nicht wahr?“ Wieder ein sachter Druck an der Hand seiner Frau, doch sie schwieg, so wie sie die ganze Zeit geschwiegen hatte. Heiji aber nutzte die kurze Atempause, um endlich wieder Herr über das Gespräch zu werden. „Hat Ihre Tochter-, hat Aya erwähnt, dass sie ihre morgendliche Route gewechselt hat? Vielleicht weil sie sich unwohl fühlte, oder etwas in der Art?“ „Ja, sie hat tatsächlich so etwas erwähnt! Glauben Sie denn-…“ „Was genau hat sie gesagt? Ist ihr jemand gefolgt? Hat sie jemand beobachtet?“ Doch der alte Mann schüttelte nur den Kopf, seine Züge hatten sich verkrampft, es war deutlich zu erkennen, dass er begriffen hatte, in welche Richtung sich das Gespräch entwickelte. „Nein… nein, sie sagte nur, dass sie einmal einen anderen Weg ausprobiert.“ Heiji nickte registrierend, seine Stimme aber veränderte sich, als er mit ernstem Blick weiter sprach. „Sie wissen vermutlich, dass Ihre Tochter jetzt schon das zweite Opfer dieses Mörders ist“ Shinichi sah, wie das alte Paar kurz zusammenzuckte, er rückte ein wenig näher zu seiner Frau, allerdings gelang es dem Detektiv nicht, zuzuordnen ob nun „Opfer“ oder „Mörder“, Grund für diese Reaktion war. „Jedenfalls würden wir Sie beide bitten, sich das Foto des ersten Opfers anzusehen. Natürlich nur der Routine wegen.“ Damit hielt der Osakaner ihnen das Bild vor die Nase. Zum ersten Mal war auch in der alten Frau so etwas wie Leben zu erkennen. Ihre Augen waren hinter der nahezu antiken Brille mit wahrscheinlich viel zu wenig Dioptrien zusammengekniffen, als sie das Foto betrachtete, welches sie ihrem Mann kurz zuvor aus den zittrigen Händen genommen hatte. „Das- das ist doch Satoru!“ Ihre Stimme klang rauchig, passte nicht wirklich zu ihrem Erscheinungsbild, und wurde von dem raschen einlenken ihres Mannes wieder in den Hintergrund gedrängt. „Tatsächlich, das ist er! Du hast aber auch wirklich ein ausgezeichnetes Personengedächtnis, Schatz!“ Dies erweckte Bell, sowie auch Heiji wieder zum Leben. „Ihre Tochter kannte ihn also? Sie selbst auch? Wie lang und woher kannten se sich denn? Wie war ihre Beziehung zueinander?“ Hattori hatte nicht einmal Luft geholt, währen er das alte Paar mit all diesen Fragen bombardierte. Die Ruhe von Megure war dem jungen Kommissar mit seinen Dienstgrad noch nicht zu Eigen geworden, ein Fremder hätte sein Verhalten vielleicht als unprofessionell bezeichnet. Aber das war eben Heiji. Mit vollem Eifer bei der Sache, grade dann, wenn es ernst wurde. Shinichi schluckte, konnte sich ein kleines ironisches Lächeln bei dem Anblick Heijis nicht verkneifen. Der bemerkte den Blick seines unerwünschten neuen Kollegen jedoch nicht, sondern lauschte gespannt der Erklärung Herrn Motos, dessen Falten beim Reden ein Eigenleben zu entwickeln schienen. „Wir selbst kannten ihn nur flüchtig, Kommissar Hattori. Unsere Aya war jedoch öfter dort, ich denke, sie waren zumindest flüchtige Bekannte.“ „Was meinen sie denn mit „Dort“?“ „Ach so, nun es ist nichts Besonderes, ein Café hier in der Nähe. Als Aya mit mir und ihrer Mutter etwas besprechen wollte, hat sie das Café vorgeschlagen. So haben wir dann auch diesen Mann kennengelernt.“ In Shinichis Fingerspitzen fing es an zu pulsieren, endlich hatten sie einen ersten Hinweis, etwas, das belegte, dass „Holmes“ nicht einfach durch die Straßen ging und willkürlich jeden abschlachtete, der ihm über den Weg lief. Das Café könnte endlich der erste Lichtblick in diesem finsteren Fall sein. An dem Funkeln in Heijis Augen erkannte Shinichi schnell, dass sein Freund dasselbe dachte. „Wie genau nennt sich dieses Café denn, Herr Moto?“ >Können se sich noch daran erinnern?<, hätte Heiji am liebsten noch hinzugefügt, unterdrückte den Verweis auf Motos alter jedoch und beobachtete nun, wie sich der Mann kurz nachdenklich am Kopf kratzte. Herr Moto verschob ein paar Haare und legte so die ungeschickt versteckte kahle Stelle frei, die sich vermutlich großflächig über seinen Schädel ausgebreitet hatte. „Es ist, wie gesagt, hier in der Nähe. Im Haido-Viertel, nicht Schatz? Der Name war ausländisch, denke ich… so was wie new lyv.“ „Ich denke, Sie meinen „New life“, kann das sein?“ Moto blinzelte kurz zu Bell, womöglich überrascht, dass das Mitbringsel des Kommissars sich so plötzlich zu Wort meldete, nickte dann jedoch gehorsam. „Ja, ja genauso hat Aya es auch ausgesprochen. Ich kann leider kein Englisch, hab’s nie in der Schule gelernt. Aber es ist, wie gesagt, nichts Besonderes, Herr Kommissar - ein kleines Café, in dem sie ab und zu Gast war, nichts weiter.“ Während Heiji dem Ehepaar höflich dankte und nochmals sein Mitgefühl beteuerte, ließ Shinichi die beiden nicht aus dem Auge. Irgendetwas war mehr als faul an der ganzen Sache, natürlich waren die beiden angespannt und kaum zu einem Gespräch fähig, aber es gab etwas, das beide verheimlichten, und das sagte ihm nicht nur sein sechster Sinn. Sein Blick wanderte zu Heiji, er versuchte zu erkennen, ob sein alter Freund dasselbe dachte, doch seine Miene war unergründlich. Nicht zu ersten Mal büchste Rans Blick ihrem Willen aus, als hätte er ein Eigenleben schwenkte er zu dem Amerikaner hinüber, doch die Quittung des Ganzen war, wie so oft zuvor, nur dass ihr das Blut in die Wangen schoss und ihr Herz schneller schlug. Sie bemühte ihre Augen zu Boden, kniff die Lippen fest zusammen und versuchte, ihren Herzschlag zu überhören. Mit einem energischen Kopfschütteln versuchte sie, die Geister aus ihrem Kopf zu verbannen, doch die dunkelrote Farbe ihrer Wangen verriet der jungen Lehrerin, dass sie den Gedanken wohl nicht lange hinter Gittern halten konnte. Er würde wiederkommen… ganz sicher. „Die armen Eltern, es muss schlimm für sie sein, ihre Tochter so zu verlieren.“, bemerkte Ayumi und durchbrach so die angespannte Stille, die im Wagen geherrscht hatte, nachdem sie die Familie Moto verlassen hatten. „Allerdings, und dann ist auch der Mörder noch nicht einmal geschnappt, auch wenn dieses Café doch schon gut klingt. Vielleicht hat es ja jemand auf die Gäste dort abgesehen?“ „Das Café ist ein Anfang.“ Bells Stimme unterbrach die drei, während seine Augen sie im Rückspiegel suchten. „Es stellt die erste Verbindung zwischen den Opfern dar, vielleicht ist es tatsächlich etwas das uns weiterhilft. In jedem Fall wird Hauptkommissar Megure dies in Betracht ziehen müssen, nicht wahr, Kommissar Hattori?“ Heiji sah dem Amerikaner nicht an, ließ ihn lange auf eine Antwort warten. Unbeirrt trat er die Kupplung durch und schaltete in den nächsthöheren Gang, in der Hoffnung, der Verkehr würde ihm nicht gleich wieder einen Dämpfer verpassen. Shinichis Unmut wandelte sich nun langsam aber sicher einfach nur in Unbehagen, es war nicht schön von jemandem, der eigentlich sein bester Freund war, so behandelt zu werden. Doch der Kommissar bog erst noch um die nächste Ecke, ehe er ihm den Gefallen tat und bejahend grummelte. Zum Glück erwies sich das Brummen jedoch als Einleitung zu einem ziemlich nachdenklichen Gespräch, sodass Shinichi ihm wenigstens nicht alles aus der Nase ziehen musste. „Ich denk, das könnt uns weiterbringen. Außerdem muss geklärt werden, ob jemand bemerkt hat, dass Aya beschattet wurde, vielleicht passt die Personenbeschreibung dann ja auch zum Auftreten unseres Mörders.“ „Ihr wisst, wie er aussieht?!“ Es war Ran, die sich nun zwischen den Vordersitzen hindurchzwängte und so die beiden Ermittler im Auge hatte. Nicht grade zu deren Vorteil, wie Shinichi bemerkte, als er sah, dass nicht nur seine Züge bei ihrer Frage ins Wanken gerieten, sondern auch ein plötzlich sehr ins Schwitzen gekommener Heiji verzweifelt versuchte, den Schaden seiner viel zu großen Klappe zu beheben. „Eigentlich is es nichts weiter, Ran. Wir wissen kaum etwas und nich genug jedenfalls, um ne Fahndung zu veranlassen.“ Shinichi erkannte eine einzelne Schweißperle Heijis Wange hinunterrinnen, ein verräterischer Hinweis, vor dem Bells Visage ihn zum Glück schützte. Grund genug, seinem Freund ein wenig unter die Arme zu greifen und Ran von dieser schwarz geteerten Spur abzulenken. „Der Kommissar hat Recht, Miss Mori, ich fürchte, es wird Ihnen nichts nützen, Einzelheiten zu hören, meist ändert sich so etwas durch diverse Zeugenberichte ohnehin andauernd.“ „Ach so…“ Hinter dem kleinlauten Eingeständnis Rans verbarg sich jedoch mehr. Sie wusste genau, dass beide Detektive bemüht waren, sie davon abzubringen, weiter nachzuhaken. Allein die Tatsache, dass Bell und Heiji zusammenarbeiteten, was dieses Manöver anbelangte, machte beide verdächtig. Denn eigentlich war es nicht das, was Heiji wollte, dennoch schien es ab und an ganz automatisch zu passieren, dass beide dieselbe Schiene fuhren. Etwas, das ihm, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, mächtig gegen den Strich ging. Die beiden hatten kurz einen Blick getauscht, dem Bell jedoch schnell auswich. Heiji schluckte, richtete seinen Blick verkrampft wieder auf die Straße, bis sich ein sarkastisches Lächeln auf seinen Lippen bildete. „Sollten wir die Kinder nicht lieber nach Hause bringen, Kommissar?“ Heiji, der bei der Stimme seines „Feindes“ kurz zusammengezuckt war und sich dafür abgrundtief hasste, schaute diesen nun fragend an. „Na es wird gleich dunkel, die Sonne ist schon so gut wie weg und ich dachte, da wäre es sinnvoll-„ „Natürlich.“ Unterbach Hattori ihn rüde, wenn auch einsichtig, denn er erkannte erst jetzt, dass sich der Himmel über Tokio tatsächlich schon in ein sattes Rot gewandelt hatte, blickte die Oberschüler mitsamt Ran nun durch den Rückspiegel an. „Also, wer ist der erste, Leute?“ „K-Kannst du vielleicht mit mir Anfangen, Heiji?“ „Mhm?“ Fragend fiel der Blick des Osakaners wieder in den Rückspiegel, eingerahmt von dem schwarzen Kunststoff schaute ihm Ran nun leicht verlegen entgegen, wohl wissend, dass der Kommissar sie musterte. „Naja, ich hatte es dir und Kazuha doch gestern schon gesagt, dass ich verabredet bin.“ In ihrer Stimme lag nicht ein Hauch von Unbehagen, doch die Selbstverständlichkeit Rans war es nicht allein, die Shinichi eine Faust in die Magengrube zu rammen schien, das Wort Verabredung verpasste ihm eine derartige Ohrfeige, dass es noch lange in ihm nachhallte. Er spürte, wie sich seine Fingernägel tief in den Autositz bohrten, er versuchte, weiter zuzuhören, aber sein Gehirn fühlte sich an, als hätte es irgendjemand mit Watte ausgestopft. „Stimmt ja, das hattest’de erwähnt, wie lang is der Vogel eigentlich schon wieder hier?“ Heiji versuchte die Anspannung in seiner Stimme zu mildern, leitete sie stattdessen auf seine Hände weiter, die sich jetzt verkrampft um das Lenkrad schlangen, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Denn wenn er wieder hier war… war das vielleicht nur ein weiterer Hinweis darauf, dass seine Vermutungen sich als richtig erwiesen. Doch Heijis Augen, die wie Kleister auf Bell hingen, wurden von Rans Worten wieder gelöst und auf sie gelenkt. „Seit gut einer Woche, aber wir haben erst für heute ein gemeinsames Treffen vereinbaren können und eigentlich bin ich fast schon zu spät dran.“ Selbstständig filterte Heijis Gehirn alles aus ihren Worten, das er gebrauchen konnte. Langsam aber sicher formte sich Heijis graue Substanz zu einem Plan um, dieses „Date“ kam ihm dazu wie gerufen. „Klar fahr ich dich hin, Ran! Is doch Ehrensache.“ Shinichi bemerkte, wie Ran ihm die Adresse und den Namen des Restaurants durchgab, doch er war unfähig, auch nur ein Wort wirklich aufzunehmen. Seine Gedanken spulten, einem kaputten Plattenspieler gleich, immer und immer wieder ab, was sie gesagt hatte. Klang sie nervös? Verlegen? Aufgeregt? Oder vielleicht sogar… verliebt? Ohne Zweifel freute sie sich auf ihr Rendezvous, das hatte er gleich erkannt und dennoch war es ihm nicht möglich, das Ganze weiter zu interpretieren. Oder wollte er einfach nicht? Er schluckte, sein Mund fühlte sich an, als hätte er grade einen frisch gebackenen Sandkuchen verputzt. Er sollte sich freuen. Wie ein stilles Mantra versuchte sich Shinichi diese Worte immer und immer wieder einzuhämmern, doch statt das sein rostiger Verstand dies endlich akzeptierte, wurde er jedes Mal, wenn er sein Sprüchlein in Gedanken runter betete, nur noch unruhiger. Hinter Bells Brille schlossen sich die blauen Augen des Oberschülers langsam, er versuchte, sich zur Ruhe zu rufen, doch der Versuch scheiterte kläglich, denn sein Kopfkino meinte es keineswegs gut mit ihm. Er sah sie… seine Ran, mit einem anderen. Glücklich? Er konnte es nicht erkennen. Wahrscheinlich wollte er es einfach nicht sehen, das zynische Lächeln auf seinen Lippen bewies es, er ließ sich immer noch von seinem eignen Verstand austricksen. Dabei sollte der doch alle Hände voll zu tun haben, um seine Gefühle in Schach zu halten. Eifersucht und Freude lieferten sich einen Kampf, während Hoffnung und Verzweiflung am Rand schon darauf warteten, dass der Ring für sie frei wurde. Über all dem schwebte dieses eine Gefühl, das ihn schon zu so vielen Untaten veranlasst hatte und ihm immer wieder die gleichen Worte leise ins Ohr säuselte. Er sollte sich freuen. Die Laternen hatten sich grade mit einem kurzen Flimmern angeschaltet, Tokios Straßen wurden langsam ruhiger, während die kalte Erinnerung an den Winter in Form eines leichten Windes ihre Kleider erfasste. Heiji hatte erst gar nicht nach einem Parkplatz vor dem Restaurant Ausschau gehalten, sondern den erstbesten genommen, den man als „in der Nähe“ betiteln konnte. Obwohl der Osakaner sehr wohl wusste, dass Ran allein in der Lage, war sich zu verteidigen, bestand er darauf, sie bis zu dem Restaurant zu begleiten. Warum, weshalb und wieso sich letzten Endes die gesamte Mannschaft auf den Weg machte, Ran an ihrem Ziel abzuliefern, bekam Shinichi nicht wirklich mit; Tatsache war, dass sie nun gemeinsam vor dem nicht mal allzu billigen Etablissement standen und auf Rans „Date“ warteten. Während sich die Detektivboys angeregt über den Fall und allerlei Erklärungen unterhielten, plauderten Heiji und Ran ein wenig, ließen Mord und Todschlag dabei jedoch außen vor. Shinichi hatte sich ein wenig abseits an eine Laterne gelehnt, über seinem Kopf schwirrten die ersten Motten wild um das künstliche Licht. Er versuchte, möglichst gelassen zu wirken und beobachtete die Szene vor sich, als hätte sie jemand auf eine Kinoleinwand gebannt, alles spielte sich direkt vor seiner Nase ab und war doch unfähig, in das Geschehen einzugreifen. Ganz offensichtlich ging das Leben auch ohne ihn weiter, ohne Conan Edogawa… und ohne Shinichi Kudo. Unter einem kurzen Seufzten sackten Bells Schultern ein wenig herab, während sein Blick langsam zu Boden glitt. Doch eigentlich wusste Shinichi es besser, denn für ihn galt dieses ungeschriebene Gesetz nicht, das Märchen von Anpassung und Akzeptanz der eigenen Situation war letzten Endes nichts weiter als die Illusion eines schlechten Magiers. Er hatte sich an seine Situation vielleicht gewöhnt, daran, sich für jemanden auszugeben der er nicht war, ein Stück zu spielen, dessen Drehbuch mit jedem Tag eine neue Seite bekam und dessen Ende noch immer nicht absehbar war… aber akzeptiert? Nein, akzeptiert hatte er das alles ganz sicher nicht. Er spielte mit, weil er musste, doch der Sinn des Ganzen war ein anderer, doch eben dieser Sinn drohte ihm nun zu entgleiten. Jemand schnappte ihn Shinichi vor der Nase weg und er selbst konnte nur hilflos zusehen, musste dabei wohlmöglich noch ein freundliches Lächeln aufsetzen, das zeigte, dass er der Situation wohlgesonnen war. Shinichi schluckte, über seinem Kopf schwirrten die Motten aufgeregt gegen das Glas, angezogen von dem Licht, aber nicht in der Lage es zu erreichen -und wenn sich doch eine mal in den Lampenschirm verirrte, verbrannte sie sich. Müde setzte er Bells Brille ab und rieb sich vorsichtig mit Zeigefinger und Daumen die Augen, ehe er sich die Gläser pflichtbewusst und verhasst automatisch wieder aufsetzte. Wenn die Umstände anders wären, wenn das alles nicht passiert wäre, würde er sie vielleicht aufklären, er würde sie darum bitten weiter zu warten … noch ein wenig Geduld zu zeigen. Aber so… Nach allem was war und nach zehn Jahren hatte er nicht mehr das Recht dazu. Er konnte Ran ihr Glück nicht verweigern und er war nicht egoistisch genug sie zu bitten weiter zu warten,… nicht mehr. Schließlich liebte er sie. Er liebte sie und deswegen musste er es zulassen. Er liebte sie und deswegen konnte er es nicht. Ein leicht schmerzverzerrtes sarkastisches Lächeln huschte flüchtig über Bells Gesicht. Es war wirklich erstaunlich, wie ein Gefühl allein so viele Emotionen mit sich in den Abgrund reißen konnte. Die Schwelle zum Wahnsinn war ganz in seiner Nähe, das wusste Shinichi nur zu gut, ein ungeschickter Schritt und es war vorbei. Allein deswegen war er froh, dass alle anderen ihn im Moment in Ruhe ließen, vermutlich würde er nicht auch nur einen vernünftigen Satz zustande bekommen, wenn ihn jetzt jemand ansprechen würde. Ob ihm das allerdings gelang, wenn er vor ihm stand, war natürlich nochmal eine ganz andere Frage. Ungeduldig schaute er auf, aber Rans potentieller neuer „Freund“ war nicht in Sichtweite. Shinichi wusste nur zu gut, dass da die Eifersucht aus ihm sprach. Er hörte es in seinen Gedanken und spürte es in seinen Fingern, die mit Rans Date am liebsten etwas ganz anderes gemacht hätten, als bloß nett die Hand zu schütteln. Dabei war das ganze doch albern, lächerlich geradezu. Eifersüchtig zu sein, obwohl er sich eigentlich genau das für Ran gewünscht hatte. Doch die stille Toleranz, die Shinichi versuchte, sich selbst mit gespaltener Zunge einzureden, stellte sich nicht ein. In seinem Kopf waberten unzählige Namen umher, auf der Suche nach einem, den er sich an ihrer Seite vorstellen konnte. Es konnte nur er sein. „Hey Leute, wie geht’s?“ „Mhm?“ Überrascht sah Shinichi auf, er hatte die männliche Stimme nicht direkt erkannt, doch als er zu ihm aufschaute, wusste er direkt, wen er hier vor sich hatte. Allerdings wurde ihm erst bewusst, was sein Erscheinen bedeutete, als Ran den jungen Mann freudig umarmte. Seine Kinnlade fiel Buchstäblich nach unten, doch es war ihm nicht möglich, sich zusammenzureißen, das war einfach zu viel des Guten. Shinichi hatte ja mit allem gerechnet… aber doch nicht mit ihm! Der Detektiv war unfähig, sich zu bewegen, er konnte nur dastehen und die Szene mit offenem Mund beobachten. „Freut mich, dich zu sehen, Ran, aber sag mal - wen hast du denn da noch alles mitgebracht?“ Blinzelnd spähte Eisuke über seine Brille hinweg, die großen runden Gläser waren einem etwas kleineren Modell gewichen. „Ach so! Nun…“ Mit einem verlegenen Lächeln, das Shinichi eine Ohrfeige verpasste, drehte sie sich zu dem Rest der kleinen Gruppe um. „Heiji kennst du ja und die Oberschüler sind, ob du‘s nun glaubst oder nicht, die Detective Boys!“ Mit einem Rans Andeutungen gemäßen überraschten Grinsen wand sich Hondo den Detektiven zu. „Schön, euch mal wieder zu sehen! Auch wenn ich zugeben muss, dass ich euch wohl wirklich nicht erkannt hätte… so erwachsen.“ Die drei lächelten breit und auf Ayumis Wangen fand sich sogar ein leichter Rotschimmer wieder, während sich Eisuke Heiji widmete und ihm freudig die Hand gab, ehe Ran ihm den Letzten im Bunde auch noch präsentierte. „Wenn ich vorstellen darf, Eisuke Hondo, er ist ein guter Freund von uns und hat einige Zeit in den Staaten gelebt. Vielleicht kennst du Mr. Bell ja, Eiskue?“ Die Augen hinter Eisukes Brille wurden groß, als er mit zur Begrüßung ausgestreckter Hand auf ihn zu ging, ganz offensichtlich kannte er Bell. “Oh, don’t tell me you are the William Bell, aren’t you?” Überschwänglich ergriff er Shinichis Hand und schüttelte sie freundlich. “Nice to meet you, Professor!” Shinichi konnte nichts weiter tun, als den jungen Mann fassungslos anzustarren, er registrierte zwar, dass Eisuke ein Stück größer war als er jetzt, doch im Moment war er nicht einmal in der Lage, sich darüber zu ärgern. In seinem Kopf herrschte gähnende Leere, bis etwas in ihm den Autopilot wieder in Gang brachte und seine Worte, ausgesprochen von William Bells Stimme, in seinem Inneren schier endlos widerhallten. “The pleasure is all mine, Mr. Hondo.” Bell versuchte ein Lächeln, doch das dämliche Grinsen, das er zustandebrachte, brannte sich in seinen Mundwinkeln fest. „Sie sind in den Staaten ja wirkliche ein kleine Berühmtheit, dennoch, dass man Sie für den Fall hier herbittet, heißt noch mal einiges!“ „Apropos, hier sein.“, unterbrach Hattori den zum Plaudern aufgelegten Eisuke. „Was machst du eigentlich hier, Hondo? Ich wusste nicht, dass die CIA plötzlich Sonderurlaub vergibt.“ „D- Doch nicht so laut, Heiji!“ „Ach, nu komm schon! Hier weiß es doch eh jeder und wenn‘s noch einer mithört, glaubt der‘s eh nicht, wenn er dich sieht.“ Heijis Lässigkeit galt jedoch nicht Eisuke, der mit einem verlegenen Grinsen bezeugte, dass er wohl nicht das war, was man sich unter einem CIA Agenten vorstellte, sondern Bell, dessen Reaktion genauso ausfiel wie erwünscht. Der vermeintliche Professor schien geschockt. Doch das triumphierende Lächeln auf Heijis Lippen hielt nur kurz. Denn wenn sich seine Vermutung wirklich derart bestätigte, bedeutete das, dass die Gefahr ihnen direkt vor der Nase saß. Für den Moment jedoch konnte Heiji die steife Silhouette des Professors nur genießen. CIA Sein Kopf arbeitete, zwar langsam, aber es bewegte sich wieder etwas in seinen grauen Zellen, die Erwähnung des zivilen Geheimdienst der USA hatte ihn wach gerüttelt. Eisuke hatte es also tatsächlich in die Company geschafft. Shinichi hob den Kopf, begutachtete den Agenten misstrauisch, versuchte dabei krampfhaft Ran, die an seiner Seite stand, auszublenden. Er hatte ihn damals ganz schön unterschätzt. Ähnlich wie ein Inspektor Columbo, den keiner so richtig erst nahm, hatte er ihn zu nah an sich rangelassen, sodass er hinter sein kleines Geheimnis gekommen war. Shinichi wusste, er musste darüber nachdenken, was Eisuke-, was die CIA hier in Japan wollte, er musste sich darüber Gedanken machen, was sein Erscheinen mit dem Fall, mit dem FBI und mit ihm zu tun hatte. Er glaubte nicht, das sich Eisukes Ziel während den Jahren geändert hatte, wenn er es wirklich so weit gebracht hatte, würde Shinichi um ein kleines Brainstorming und das ein oder andere Telefonat nicht herum kommen, soviel war sicher. Aber all das, was getan werden musste, verblasste gegen die Worte des siebzehnjährigen Eisuke, die Shinichi, seit er ihn an Rans Seite gesehen hatte, wie unerwünschte Poltergeister im Kopf rumspukten und alles durcheinander brachten. Ganz unverfroren und mit einem leichten Rotstich auf den Wangen hatte er es dem kleinen Jungen erzählt, weil er genau wusste, dass er den eifersüchtigen Grundschüler danach am Haken hatte. Doch der Köder war weit mehr gewesen als nur ein paar leere Worte, die seinem Zweck dienlich waren, er hatte es ernst gemeint. Als ich sie zum ersten Mal sah, war ich sofort in sie verliebt! So ein schönes und herzensgutes Mädchen habe ich noch nie getroffen! Shinichi schluckte, kniff die Augen zu, ehe er endlich die Kraft fand, aufzusehen, um zu erkennen was er längst schon wusste. Das verlegene Grinsen, der Blick der immer wieder zu Ran glitt, ganz zu schweigen von der Tatsache, dass er ihr Date war… An Eisukes Gefühlen für Ran hatte sich nichts geändert. Er war ganz offensichtlich noch immer verliebt in sie und Shinichi ahnte nur zu gut, dass er nicht so lange Fackeln würde, um ihr das auch zu sagen, er hätte es damals schon getan, wenn er nicht gewesen wäre. Er atmete tief ein, so tief wie es seine Lunge zuließ, die sich derzeit anfühlte, als würde sie jemand zusammenpressen. Diesmal hinderte ihn niemand daran. Shinichis Herz zog sich zusammen, etwas in ihm hätte am liebsten laut geschrien und wand sich jetzt in der ihm zugewiesenen Ecke vor Schmerzen. Sein Atem ging noch immer stoßweise, es kostete ihn Kraft, ein Zittern zu unterdrücken, es kostete ihn Stärke, die Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen, die heute Nacht seine Träume beherrschen würden. Sein Blick fiel auf Ran, ihr herzliches Auflachen aus dem Gespräch heraus in dem sie grade zusammen mit den anderen steckte, ihre fröhliche Stimme und ihre klaren, aufgeweckten Augen… frei von jeder Träne. Augen, die lange ohne ihn stumpf gewesen waren, müde vom Kampf gegen das Salzwasser, das doch immer wieder siegte, Augen, die hofften und doch immer wieder enttäuscht wurden und verzweifelt in eine vage Zukunft blickten. Der jetzige Oberschüler seufzte still in sich hinein. Die Stimme in seinem Inneren hatte nicht aufgehört zu schreien, doch er ignorierte sie, was blieb, war jedoch der Schmerz, der sich jetzt erneut mit den alten, nicht minder peinvollen Erinnerungen mischte. Wieso hatte er es je so weit kommen lassen! Er hätte schon damals, hätte viel früher reagieren müssen! Aber das hatte er nicht. Ein kurzer Schauer lief Shinichi über den Rücken, er spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten, fühlte den kalten Schweiß, der unter dem aschblonden Haarschopf Bells hervorkam. Er kam sich dreckig vor, widerlich, einfach ekelhaft. Er hatte sich eingeredet, es wäre Hoffnung, die Gewissheit die Organisation zu besiegen, es sei ja nur eine kurze Zeit, die sie überstehen musste. Doch dem war nicht so. Nein, jetzt wusste er es besser, er hatte eingesehen, begriff nun, warum er sie damals nicht hatte gehen lassen können, warum er so egoistisch war und Ran trotz seiner Lage für sich beanspruchte. Diesmal aber würde es nicht so weit kommen, er würde sie nicht hinter Tränen und vagen Hoffnungen einsperren. Sein Blick tastete sich wieder zu ihr hoch, er bemerkte, dass sie mit ihm sprach, ein seltsames Bild, doch das Wort unpassend zu gebrauchen fiel Shinichi nicht ein, stattdessen säuselten Eisukes vergangene Worte geisterhafte Versprechen in sein Ohr. Im Gegensatz zu ihm werde ich Ran nämlich niemals im Stich lassen. Eisuke liebte sie, er liebte sie, wie er Ran schon damals geliebt hatte. Dieses Mal jedoch würde er nicht einschreiten, er würde Eisuke diese Chance nicht nehmen, sondern sie endlich gehen lassen. Der Wind griff in seine Kleider, zerrte an Bells Perücke und schleuderte eine der Motten, die eben noch aufgeregt um das Laternenlicht getanzt hatte, gegen das Glas, sodass das kleine Insekt zappelnd vor seinen Füßen landete. Shinichi beobachtete das Bemühen und die hilflos flatternden Versuche, doch das Tierchen kam nicht mehr hoch, es konnte nur noch drauf warten, bis ein nächster, noch härter Windstoß, es endlich erlöste. Shinichi aber spürte den kalten Zug des Windes nicht mehr, denn Bells Gesicht schütze ihn vor der Kälte und seine Fingerspitzen waren ohnehin schon taub. Shinichi war nicht bereit, sie aufzugeben, aber er war bereit, einen Teil seiner selbst aufzugeben. Nicht der, der wartete, nicht der, der an ihr hängte, nicht der… der sie liebte, sondern ganz einfach der Teil, der noch hoffte. Mit seiner Hoffnung war es ohnehin nicht mehr allzu weit her. Etwas, das man ruhig in den Boden stampfen konnte, vielleicht war es in diesem Falle sogar besser so. Schließlich gab es so keinen Schmerz mehr, so würde er sich selbst wenigstens nicht mehr enttäuschen. Langsam wurde er ruhiger, die Gedanken, die Stimmen in seinem Kopf redeten noch immer auf ihn ein, aber er hörte sie ganz einfach nicht mehr. Alles, was jetzt passierte, lag nicht mehr in seiner Hand, Shinichi war der stumme Zeuge, der alles, was dieser tat, aus einer dichten Nebelwand heraus beobachtete. Er spürte den Schmerz, doch er reagierte nicht darauf. Shinichi spielte endlich ein Stück, dass er ihr schon lange schuldete. Ein leichtes Räuspern von Professor Bell zog die Aufmerksamkeit aller auf den Amerikaner, der nun mit einem kurzen verlegenen Lächeln ein paar Schritte auf sie zukam. „Meinen Sie nicht auch, es ist an der Zeit, dass wir den beiden ihren gemeinsamen Abend gönnen, Kommissar Hattori? Außerdem…“ Ein bezeichnendes Nicken ging in Richtung der drei Oberschüler, es wurde langsam spät und Oberschule hin oder her, die drei gehörten langsam nach Hause. Heiji, der grade noch aus dem Augenwinkel bemerkte, wie Ran Einspruch erheben wollte, funkte ihr dazwischen, gab dem Professor mit einem bedächtigen Nicken recht. „Natürlich, Mr. Bell. Es wird wirklich Zeit, dass wir gehen, also auf, Leute, zurück zum Wagen mit euch.“ Ein leises Grummeln der Detective Boys verriet, dass sie mit dem Plan nicht ganz einverstanden waren, dennoch verabschiedeten sie sich und trotteten den beiden Erwachsenen voraus in Richtung Auto. Der Kommissar verabschiedete sich ebenfalls von den beiden, umarmte Ran kurz und reichte Eisuke nahezu förmlich die Hand. Shinichi, der immer noch krampfhaft versuchte, das Lächeln auf Bells Gesicht zu pressen, bekam weder den überraschten Blick Eisukes mit, noch das schnelle Hinabgleiten seiner Hand, die eben noch Heijis geschüttelt hatte, in seine Hosentasche. Der Detektiv konzentrierte sich auf seinen Atem, und darauf, die Übelkeit zu unterdrücken, die in ihm langsam wuchs. Die Verabschiedung zog sich immer mehr in die Länge, als wär er in ein klebriges Kaugummi getreten, das ihn nun am Boden festhielt. Dabei musste er hier weg. So schnell wie nur möglich. „Also dann…“ Bells Ton klang freundlich, doch ein Blick in seine Augen, der Blick, den Ran suchte, verwehrte er ihr. Sie konnte nicht sagen wieso, aber sie wünschte sich, er würde sie ansehen, würde aufhören so zu reden, in diesem freundlichen und doch leeren und neutralen Ton. Doch den Gefallen tat er ihr nicht. „Ich wünsche Ihnen beiden noch einen schönen Abend. Alles gute Mr. Hondo, Miss Mori.“ Er verbeugte sich ein wenig, doch die japanische Geste wirkte an dem Amerikaner nicht so fehl am Platz wie erwartet. „Auf Wiedersehen.“ Damit drehte er sich um, ging, schnell und ohne auf eine Antwort zu warten - und ohne sich noch einmal herum zu drehen. Shinichi empfand nichts, als die beiden sich verabschiedeten und Eisuke Ran die Tür aufhielt nur um dann selbst mit der Jacke am Türgriff hängen zu bleiben. Die verschiedensten Gefühle, die sich in ihm angesammelt hatten, hatten einen Damm gebrochen und waren alle davon geflossen, hinterließen nichts als dunkle Leere in seinem Inneren. Taub und stumm folgte er Heiji zu seinem Wagen, es passierte alles ganz automatisch, er öffnete die Tür, setzte sich, schloss die Beifahrertür wieder und schnallte sich an, all seinen Sinnen und Gefühlen beraubt funktionierte er im Moment nur noch. Das Restaurant war in warmes Licht getaucht, vor ihnen standen frische Blumen, Nelken, wenn er richtig lag und um sie herum lief eine ganze Horde Kellner, die augenscheinlich allesamt ein Lineal verschluckt hatten. Sie sah noch immer so schön aus wie vor zehn Jahren, und noch immer verzauberte sie ihn mit diesem herzensguten Lächeln. Das sanfte Kerzenlicht tauchte ihre Haut in ein seidenes Gold und umspielte ihre freudig leuchtenden Augen. Eisuke spürte sofort die Hitze in seine Wangen steigen, ohne Frage passte sein Kopf jetzt farblich zu dem Rotweinfleck auf seinem Hemd, den er sich schon beim Anstoßen verpasst hatte. Aber bis auf den Fleck und das Hängenbleiben an der Eingangstür, nachdem er sie Ran aufgehalten hatte, lief der Abend eigentlich perfekt. Eigentlich. Denn der Grund, warum der von ihm heiß ersehnte Abend nicht lief wie er sollte, hatte einen Namen: William Bell. Schon bei der Verabschiedung des Professors hatte er ihre Blicke neben sich bemerkt, doch er hatte sie nicht darauf angesprochen und auch erst als sie auf der Toilette war die Chance ergriffen um auf den kleinen Zettel zu schauen, den Hattori ihm eben heimlich zugesteckt hatte. Es war die Visitenkarte des Kommissars, doch Telefonnummer und sonstige Daten war nicht Grund der Übergabe. Es waren die wenigen mit schneller Hand gekritzelten Worte auf der Rückseite, die offensichtlich Grund für die Geheimnistuerei waren. Wer ist William Bell? Sind sie wieder hier? Besonders die erste Frage macht die kleine Visitenkarte jetzt zu einem nahezu untragbaren Gewicht in seiner Hosentasche, das immer mehr damit drohte, ihn zu Boden zu reißen. Denn eben dieser kleine Satz hatte ihn dazu verleitet, eine ganz unscheinbare Frage zu stellen, die jedoch seinen sorgsam geplanten Abend über den Haufen warf. „Und was hältst du von Bell?“ Der flüchtige Rotton auf ihren Wangen allein brachte den Kloß in Eisukes Hals zum Anschwellen, er hatte ganz eindeutig die falsche Frage gestellt. „Ich weiß es nicht.“ Sie mied seinen Blick und Eisuke spürte ganz deutlich, wie er langsam immer nervöser wurde. „Wie? Du weißt es nicht? Wie kann man denn so was nicht wissen, Ran?“ Er legte die Menükarte nun endgültig beiseite, wollte gerade das Rotweinglas an seine trockenen Lippen führen, als Rans energischer Ton ihn rüde stoppte und für einen zweiten Fleck auf dem Tisch sorgte. „Ich weiß es eben nicht!“ Ihre Wangen glühten, sie sah ihn energisch an und merkte erst jetzt, dass ihr Ton zu laut gewesen war und die Blicke der anderen Gäste auf ihnen lagen. Verlegen zupfte Ran die Serviette auf ihrem Schoß zu recht, sprach weiter ehe Eisuke etwas hätte sagen können, nun in einem ruhigen und weit weniger sicheren Ton, jedoch noch immer unfähig, ihn anzusehen. „Er… ist sehr freundlich, höflich und geradezu freundschaftlich gegenüber den Oberschülern. Aber- nun, was mich betrifft, bleibt er auf Distanz, neutral und rein geschäftlich.“ Die Enttäuschung, die nur zu deutlich in Rans Worten mitschwang, wurde von einem bitteren Lachen übertönt, das man nur selten aus ihrem Munde hörte. Während sie sprach, sortierte Ran das Besteck auf ihrer Seite des Tisches, rückte es ein paar Millimeter dorthin, dahin und wieder zurück, unfähig etwas Sinnvolles mit ihren Händen zu tun. „Es ist seltsam. Ich- ich muss ihn nur ansehen und mein Herz springt im Dreieck! Mir gelingt es kaum mehr einen klaren Gedanken zu fassen mit ihm in der Nähe. Er-„ - sieht ihm ähnlich., beendete Ran, sowie auch Eisuke ihren angefangen Satz in Gedanken, ehe sie leise weiter sprach. Traurigkeit lag nicht mehr länger nur in ihrem Blick. „Das ist nicht richtig. Das- das dürfte gar nicht sein! Ich weiß gar nicht was mit mir los ist.“ Eisukes Blick ruhte unverwandt auf seiner Freundin. Sein Mund, der sich während der Erzählung leicht vor Erstaunen geöffnet hatte, war nun so verschlossen wie der Rest seines Gesichtes. Was Ran da sagte, stimmte nicht ganz. Denn sie wusste genau, was mit ihr los war, das wussten sie beide. Ran war verliebt. Eisuke seufzte, sackte unmerklich ein wenig in sich zusammen und ließ mit einem bedröppelten Gesicht die Schultern hängen. Er war schon wieder zu spät gekommen! Und Rans Erzählung, ihr Vertrauen zu ihm bewies, dass er wohl nie über den Beste-Freunde-Status hinaus kommen würde. Er schaute auf, in das Gesicht des liebevollen und hinreißenden Mädchens, dem er gleich bei seiner ersten Begegnung verfallen war. Damals schon hatte ihr Herz jedoch für jemand anderen geschlagen, sie hatte auf ihn gewartet, obwohl sie nicht wusste, ob er genauso empfand, geschweige denn je wiederkommen würde. Eisuke konnte sich einfach nicht vorstellen, das sie plötzlich aus dem Nichts heraus eine solch starke Bindung zu jemand anderem, einem Fremden aufbauen konnte. Nein. Es musste noch etwas geben. Etwas, von dem sie alle derzeit noch nichts wussten. Deswegen jonglierte er jetzt mit Daten, Namen und vermeidlichen Fakte, er hatte eine Ahnung, eine Idee, die wie damals unmöglich schien, aber schließlich hatte er ihn schon einmal vom Gegenteil überzeugt. Und eben diese Idee leitete ihn wieder zu der Frage des Kommissars hin, die allmählich immer lauter wurde. Wer ist William Bell? Nur langsam wurde sich Ran der drückenden Stille gewahr, die über ihrem Dinner schwebte, erst als sie hörte, wie laut die gegenwärtige Ruhe war, fasste sie sich ein Herz und schaute mit einem leicht verlegenem Lächeln zu Eisuke auf. „Entschuldige bitte. Ich wollte nicht langweilen… eigentlich bespreche ich solchen Quatsch immer mit Sonoko. Ich hab mich wohl einfach hinreißen lassen. Aber sag mal-„ Sie lehnte sich leicht zu ihm nach vorne, sah ihn erwartungsvoll an, während dem ach so geheimnisvollen CIA Agenten der Schweiß auf die Stirn trat. „Du hast doch am Telefon erzählt das es etwas Wichtiges gibt, das du mir sagen willst? Also?“ „W-Wie?!“ Seine Gesichtszüge entgleisten ihm, in einem seiner Mundwinkel begann das Lächeln nervös zu zucken, welches noch immer auf seinen Lippen lag. Er konnte es ihr doch jetzt nicht mehr sagen, nicht, nachdem was er gesehen hatte, nicht nachdem, was er glaubte. Außerdem… gab es da etwas, das er vorher noch regeln musste. „Ein andermal, Ran. Tut mir leid, dass ich dich unter Vorbehalt hierher bestellt habe.“ Ein trübes Lächeln begleiteten seine Worte, während er langsam den Kopf schüttelte. „Ich fürchte ich muss da erst noch etwas mit jemandem klären.“ Hallöchen ihr Lieben, Zum Valentinstag auch von mir eine wenig Romantik, auch wenns bei dem armen Eisuke wohl nicht ganz geklappt hat ;D Wie immer ein ganz herzliches Dankeschön für eure Kommentare! Es hilft wirklich sehr Rückmeldung zu bekommen, insofern würde ich mich natürlich auch diesmal wieder über eure Meinung freuen! Bis zum nächsten Mal, Liebe Grüße, eure Shelling Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)