Blatt im Regen von Passer (oder: Versteck mich!) ================================================================================ Kapitel 9: Neun --------------- Teil: Neun Email: kyubimon1@gmx.de Warnung: Evt. lemon/lime, auf jeden Fall sap Kommentar: Neunter Teil^^ Ouh, einen Tag über mein Ein-Wochen-Limit hinaus - schauder. Hoffentlich passiert mir das nicht noch einmal >___< Aber ich konnte das Kapi gestern zu Ende stellen, weil Wochenende war/ist. *sfz* Die Schule drängt sich vor BiR u___u Gomen T////T Viel Spaß beim Lesen ;D ____________________________________________________________________________ Ich schwieg, als Kill endlich geendet hatte. Natürlich war ich stolz zu hören, dass Cain scheinbar wieder erblühte, bei mir zu Hause, aber seine Vergangenheit erfüllte mich mit Trauer und Wut. Warum hatte er das durchmachen müssen? Warum ausgerechnet er, und warum alles auf einmal? Hätte die langjährige Vergewaltigung durch seinen Vater nicht schon gereicht...? „Wir... sollten langsam nach Hause gehen“, sagte ich leise, als er weiterhin stumm blieb. Er nickte nur. Ich bereute es, ihn diese Geschichte noch einmal durchleben zu müssen. „Weißt du, wo du hinkannst?“, fragte ich vorsichtig. Wieder ein Nicken. „Ich... habe Unterschlupf in einem Krankenhaus gefunden. Es ist nicht das Wahre, aber besser als ein Platz unter der Brücke.“ Er lächelte schief. Diesmal war es an mir, zu nicken. „Wenn du Probleme hast...“ Ich deutete mit einem Zeigefinger auf mich selbst. „Du weiß, an wen du dich wenden kannst.“ „Danke.“ Ich sah noch, wie eine einsame Träne seine Wange hinunter rollte, bevor ich mir Mantel und Schal schnappte und mich wieder in den kalten Tag stürzte. Obwohl, Tag war schon fast zu viel gesagt. Es war schon dunkel. Als ich einen Blick auf meine Uhr warf, erschreckte ich – es waren doch tatsächlich ganze vier Stunden vergangen! Schleunigst begab ich mich auf den Weg nach Hause, der länger ausfiel als der Hinweg, denn ich hatte mit Gedanken zu kämpfen, die vorher noch nicht dagewesen waren. Als ich endlich wieder zu Hause ankam, war es bereits kurz vor neun. Von draußen konnte ich sehen, dass in Cains Zimmer noch Licht brannte. Das Fenster jedoch war zu. „Bin wieder da“, rief ich, ohne eine Antwort zu erhalten. Stirnrunzelnd legte ich die Sachen ab, ließ aber den Schal noch um meinen Hals. Wäre ich an Kills Stelle gewesen, hätte meine Stimme schon nach den ersten zwei Sätzen versagt. So war mein erster Gang erst einmal in die Küche, wo ich Abendessen machte. Aus irgendeinem Grund zog ich es vor, mal wieder etwas zu kochen; nichts Großartiges, in der Tiefkühltruhe fand ich ein paar Fischstäbchen und machte dazu einen Salat und Kartoffelpüree. Mit dem berühmten Tablett stieg ich langsam die Treppe wieder hinauf. Bevor meine Hand auch nur eine Chance hatte, zu klopfen, antwortete Cain mit einem leisen „Ja“. Ich trat ein, fand ihn auf dem Schlafsofa sitzend vor, stellte das Tablett erst einmal auf einem kleinen Schrank ab und setzte mich neben ihn. Er sah mich an. „Wo bist du so lange gewesen, Adrian?“ Ich schluckte bei dem Klang seiner Stimme. Sie war rau und hörte sich ganz so an, als hätte er bis vor wenigen Minuten noch geschlafen. „Weg“, antwortete ich ausweichend. Er runzelte die Stirn. „Ich habe etwas zu essen gemacht“, sagte ich schnell, um das einbrechende Schweigen zu vermeiden. „Keinen Hunger.“ „Aber... du musst doch was essen...!“ Ich glaube, ich brauche hier nicht zu erwähnen, dass ich wie eine besorgte Glucke klang. „Ich sagte, ich habe keinen Hunger“, wiederholte er, hob die Schultern ein wenig und seufzte. Sein Blick wanderte gen Boden. Und dann überraschte er mich – er seufzte noch ein zweites Mal, dann spürte ich das leichte Gewicht seines Kopfes auf meiner Schulter, das Kitzeln seiner Haare in meinem Nacken, die Wärme seiner – Stop. Zu viele Eindrücke auf einmal. Nein, anders: Es gab keine Beschreibung dafür, wie glücklich ich mich in dem Moment fühlte, als er etwas von sich offenbarte, auch wenn es ‚nur‘ eine Geste sein mochte. Für mich war es sehr viel mehr. Irgendwo tickte eine Uhr oder ein Wecker, mein Körper war stocksteif, um wenigstens den letzten Rest meiner Kontrolle zu wahren. Dann, nach viel zu kurzer Zeit, hob er seinen Kopf wieder, warf einen Blick zu dem Essen, von dem er dachte, ich bemerkte ihn nicht, und stand auf. Sein Leib streckte sich; er gähnte. „Hast du eben geschlafen?“, fragte ich nun doch. Er lächelte. „Nicht direkt... Nur nachgedacht.“ „Wird deine Stimme vom Nachdenken immer so rau?“ Platsch. Nun war es raus. Wieder einmal hätte ich mich ohrfeigen können für meine Dämlichkeit. Aber zum Glück fiel ihm nichts Besonderes an meinem Verhalten auf. „Ist das so? Hm... Das ist mir noch gar nicht aufgefallen... Aber, doch, ich erinnere mich, das hat mir schon mal jemand gesagt.“ Sein Lächeln, das allein schon jedes Herz zum Schmelzen gebracht hätte, wurde schiefer, und ich löste mich in Luft auf. Natürlich nicht wirklich. Nun war es an mir, mit dem Blick zu Boden zu wandern, um mir nichts anmerken zu lassen. Cain holte das Tablett zu uns her und stellte es halb auf seinen, halb auf meinen Schoß. Dabei betrachtete ich nachdenklich seine Hände. Waren es dieselben Hände, die seinen eigenen Vater umgebracht hatten? Dieselben, um die sein bester Freund Scar angehalten hatte, und weswegen dieser gestorben war? Es ging mir einfach nicht in den Kopf rein, warum so etwas immer anderen Leuten passierte, mir aber nie... Ich regte mich immer nur darüber auf, dass ich in einem langweiligen, einsamen Kaff lebte, während das der größte Traum von anderen war... Ich war so egoistisch. Genau, egoistisch. Das ist das passende Wort. Heiligabend rückte immer näher, und die Dorfbewohner pflegten wie zu jeder Vorweihnachtszeit ihre Häuser zu schmücken. Da hingen ganze Sträucher von Misteln von den Fassaden herab, baumelten silberne Girlanden von den Fenstersimsen, lief hinter jeder Tür eine leise Hintergrundmusik wie Oh, du Tannenbaum. Für mich war die Weihnachtszeit einfach nur nervig. Von allen Seiten wurde man angemacht, dass man selbst ja noch Weihnachtsschmuck aufhängen müsse, weil das Tradition sei. Cain hingegen war begeistert. So hatte ich ihn noch nie erlebt – er schien in voller Blüte zu stehen. Immer öfter ging er vor die Tür, um mit Schnee herum zu hantieren, und das erfreute meine Seele wie Balsam. Ich war so froh, dass er endlich wieder ein wenig Lebensmut entwickelt hatte, und noch viel glücklicher war ich, als meine Augen zufällig aus dem Küchenfenster hinaus schweiften und einen grinsenden Schneemann entdeckten. Meine beiden Arbeitgeber waren für zwei Wochen in den Skiurlaub gefahren und hielten den Laden bis Neujahr geschlossen; überhaupt schien es viel leerer als zu einer sonstigen Jahreszeit im Dorf. Das Bett erschien mir übrigens wie ein zweites Zuhause, neben dem Atelier; als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich seit der Begegnung mit Cain nichts mehr vollbracht hatte, und das waren schon mehr als zwei Wochen! Das musste sich unbedingt wieder ändern, das nahm ich mir fest vor, aber ich würde erst wieder nach den Feiertagen Zeit dazu finden. Außerdem hatte meine Schwester mir am Telefon befohlen, das Bett zu hüten, damit ich auch ja keine Ausrede finden konnte, nicht zu erscheinen. Sie war so gespannt auf Cain wie ein Flitzebogen. Eigentlich ging es mir schon wieder relativ gut, aber ich blieb trotzdem unter der Decke hocken: um nachzudenken. Keineswegs hatte ich schon mit seiner Geschichte abgeschlossen, das würde wohl noch ein paar Jahre dauern, bis ich das verdaut hatte. Schließlich hatte er selbst das noch nicht einmal getan, wie auch... Es war sein Leben. Seine Vergangenheit, seine verdammte Zukunft! Wie kann ein Mensch nur so etwas ertragen, ohne je etwas zu sagen, alles immer weiter in sich hineinfressen, und das ohne zu platzen? Bei dieser Frage wühlte ich nervös in den Kissen herum; abends war mir meist so unwohl, dass ich schon früh das Licht ausschaltete, um so bald wie möglich diesen Gedanken zu entfliehen. Tagsüber bereitete es mir Kopfschmerzen. Aber noch viel elender fühlte ich mich, als Cain mein Verhalten auffiel, und er schrieb sich das alles sich selbst zu. Das wollte ich doch gar nicht... Ich versuchte, so bald wie möglich wieder damit aufzuhören, aber das war gar nicht so einfach... „Adrian?“ Cain steckte den Kopf durch den Türrahmen. „Hm?“ „Kann ich... mit dir reden?“ Darüber? „Immer“, nickte ich und machte eine einladende Geste. Er tapste näher, ließ sich auf den Stuhl sinken, der neben dem Bett stand. Sein Blick schweifte unruhig umher. „Es geht um... dein Kranksein.“ Ich horchte auf. „Ich weiß, es geht mir nicht so gut... Ich frage mich selbst, wieso ich dir alles überlasse...“ „Nein, nein, das ist es nicht!“ Zur Bekräftigung schüttelte er den Kopf. Und plötzlich ruhte sein Blick fest auf mir. „Du bist nicht wirklich krank, Adrian.“ Jetzt war es an mir, unruhig zu werden... „Nein?“ Ich sprach das Wort wie eine Frage aus. „Naja, in gewissem Sinne vielleicht doch. Du machst dir Sorgen. Wegen mir.“ Geflissentlich zuckten meine Augen zu ihm, prüften ihn. Er hatte den Atem bei meiner Reaktion angehalten. Verdammt. „Also liege ich richtig.“ Warum bin ich eigentlich so dämlich? Cain ließ ein leises Seufzen hören – es klang viel zu erwachsen für ihn. Viel zu standhaft, zu fest. Als ob nie etwas passiert wäre. „Es ist nicht lange her, und... Ich kann... noch nicht.“ Ich merkte, worauf er hinauswollte. Ich riss mich zusammen, fasste all meinen Mut. „Cain, ich weiß es.“ Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, in dem sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Augenblicklich dachte ich, er hätte eine Maske abgenommen, denn unter ihm erschien... Ein verletzter, trauriger, unendlich wehmütiger Anblick. Wie lange musste er das schon verstecken müssen... „Es ist in Ordnung.“ Tränen füllten seine braunen, so unschuldigen Augen, und liefen stumm seine Wangen hinab. Der Ausdruck blieb in ihnen, er sagte nichts. Er weinte nur. Stumm und hilflos. Ich konnte ihn nicht so hilflos sehen, ich umschloss ihn mit den Armen und zog ihn an das Bett heran, sodass er fast auf mir lag, das eine Bein ragte nur noch über die Matratze hinweg. Zuerst schien er sich wehren zu wollen, er zuckte, aber dann schien er zu merken, dass es wirklich okay war. Er schnappte an meiner Schulter nach Luft, weinte sich einfach aus. Seine Hände krallten sich in den molligen Schlafanzug, den ich den ganzen Tag schon anhatte, und durch die Decke hindurch spürte ich, dass er zitterte. Ob vor Kälte oder Angst, wusste ich nicht. Jedenfalls keine Angst vor mir, da war ich mir sicher. Kurzerhand griff ich nach seinen Armen, schlug die Decke kurz zurück und zog ihn neben mich. Er hatte die Augen noch immer fest zusammengekniffen, die Tränen versiegten nur langsam. Ich war so glücklich, dass er sich nicht dagegen wehrte – hätte er es getan, hätte ich ihn natürlich gehen lassen, aber dann wäre ich keinen Schritt weiter als vorher. Langsam kam ich in den Genuss seines Vertrauens. Sehr langsam nur, aber auch sehr, sehr sicher. Er räkelte sich verschlafen, schlug blinzelnd die Augen auf. Verwirrt bemerkte er die Wärme, die ihn umgab – so warm war es doch sonst nie. Doch da war noch etwas anderes, Weiches. Vorsichtig wandte er den Kopf nach oben, um mehr als bloße Dunkelheit sehen zu können. Durch das Fenster, dessen Vorhänge zugezogen waren, schien mattes Sonnenlicht. Es war also schon Tag. Das war gut. In den letzten Wochen, in denen er in dem einsamen Zimmer geschlafen hatte, war er stets vor Sonnenaufgang erwacht, hatte die restliche Zeit mit Grübeln vertrieben. Er hatte es noch nie gewagt, sein Zimmer zu verlassen, bevor Adrian wach war. Aber jetzt, jetzt war es anders; er war nicht in dem Raum, wo er sonst immer geschlafen oder vielmehr gewacht hatte. Etwas fröstelnd – ob vor Kälte oder Unbehagen, konnte er nicht feststellen – stellte er fest, dass genau dieser Adrian noch immer fest, geradezu besitzergreifend die Arme um ihn geschlungen und den Kopf an seinen Nacken geschmiegt hatte. Cain spürte seinen Atem an der Haut; er kitzelte ihn. Er war froh, ihn getroffen zu haben. Cain betrachtete mit einer leichten Verrenkung seines Genicks das entspannte Gesicht des anderen, die leichte Rötung seiner Wangen und das durcheinander liegende Haar. Ohne dass er es selbst bemerkte, schlich sich ein zartes Lächeln auf seine Lippen. Er dachte gerade daran, dass es genau dieser ruhende Mensch war, der um seine Vergangenheit wusste und ihn als erster richtig und vollends akzeptierte, mit allen seinen Macken. Er hatte noch nie etwas an ihm auszusetzen gehabt – zumindest hatte er es nicht verlauten lassen. Und allein schon dafür war Cain mehr als nur dankbar. Adrian bedrängte ihn nicht, es war vielmehr eine vorsichtige Annäherung, ein sanftes Stupsen. Ein Erregen der Aufmerksamkeit. Adrian will, dass ich ihm Aufmerksamkeit schenke... Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Ich werde es auf jeden Fall versuchen... Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)