Blatt im Regen von Passer (oder: Versteck mich!) ================================================================================ Kapitel 11: Elf --------------- Teil: Elf Email: kyubimon1@gmx.de Warnung: Evt. lemon/lime, auf jeden Fall sap Kommentar: Wui, das Ende des Kapitels ist mir recht leicht von der Hand gegangen ^___^ Ich hoffe mal, mit noch mehr Kommis beglückt zu werden :D Ach ja, ich hab ja geschrieben, dass ich meinen ersten Lemon schreiben werde. *Angst* Das wird dann wahrscheinlich unter Adult gestellt, aber die FF wird gleichzeitig auch noch hier veröffentlicht: http://www.yaoistories.de/fanfiktions/fanfiktion-kapitel-5648.html Viel Spaß beim Lesen ;D ____________________________________________________________________________ Das gemietete Auto war gepackt, Cain wohl auf dem Beifahrersitz verstaut, während ich gerade die Tür zum Haus abschloss. Umbrella hatte ich wenige Stunden zuvor bei den Nachbarn abgegeben, worüber der Junge wahrscheinlich mehr als nur froh war – er zeigte es nur nicht. Überhaupt war er sehr schweigsam; und ich immer noch sauer. Die Autotür klappte hinter mir zu, während ich mich anschnallte und den Gang einlegte. Die Dorfstraße war so gut wie gar nicht befahren, das machte es mir ein wenig leichter. Ich besaß meinen Führerschein seit rund sechs Jahren, doch gefahren war ich erst ein paar Male; ich hatte kein eigenes Auto, wozu auch? In diesem Kaff brauchte man es ja doch nicht. Da sparte ich mir lieber die Versicherungs- und Benzinkosten und machte die wenigen Ausflüge in die Stadt mit dem Bus. Cain blickte mit starrem Blick hinaus und hing seinen eigenen Gedanken nach. Die Fahrt zu meinem Elternhaus dauerte länger als erwartet, denn wir waren nicht die einzigen, die die Idee gehabt hatten, über Weihnachten wegzufahren. Auf der Autobahn herrschte kilometerlanger Stau, und zu meinem größten Übel hatte es auch wieder zu schneien begonnen. Zum Glück ging es nur langsam voran. „Hast du Hunger?“, fragte ich schließlich monoton in Cains Richtung. Ich erhielt keine Antwort. Dann eben nicht... Ich zuckte nur mit den Schultern und konzentrierte mich wieder auf das Geschehen um mich herum. Stundenlang, wirklich stundenlang tuckerten wir auf dieser sonst so schnell befahrenen Autobahn herum... Genervt stützte ich meine Arme auf dem Lenkrad ab. „Ich verstehe es immer noch nicht.“ Überrascht schaute ich zu seiner Seite, von woher die Stimme gekommen war. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er heute noch etwas sagen würde. Er wandte mir kurz sein Gesicht zu, wandte es aber sofort wieder ab und sah nach vorn durch die Windschutzscheibe – sein Blick aber schien weiter in der Ferne zu liegen. „Was verstehst du nicht?“, fragte ich leise. „Dass...“ Sein Adamsapfel hüpfte einmal auf und ab, er schluckte. „Dass ich es zugelassen habe. Einfach über mich ergehen lassen...“ Ich wusste darauf nichts zu erwidern, wusste doch nicht, worum genau es ging... Und im nächsten Augenblick wusste ich es. Er sprach von seinem Vater... „Ich weiß es wirklich nicht. Es... tat so weh...“ Von der Seite bemerkte ich, wie Cain kurz die Augen zusammenkniff, sich kurz in Erinnerungen verlor und alles noch einmal zu durchleben schien. Was sollte ich sagen? In dem Moment war ich wirklich sprachlos. Mir fehlten die Worte, die mir sonst immer so leicht über die Lippen kamen. Stattdessen versuchte ich es körperlich. Ich langte mit einem Arm zu ihm, berührte ihn leicht an der Schulter. Er sah mich wieder an, diesmal länger. „Ich weiß es wirklich nicht, Adrian!“ Ich konnte sehen, wie er die Zähne zusammenbiss, seine Kiefermuskeln spannten sich an. „Ich glaube dir ja“, erwiderte ich erstaunlich ruhig. Fortgeblasen war die Wut... Seine Augen sahen mich mit einem so unschuldigem und wehrlosen Ausdruck an, dass ich am liebsten meine beiden Arme um ihn geschlungen hätte – aber das hätte nur alles wieder kaputtgemacht. Er hatte mir doch klar und deutlich gesagt, dass er nicht wollte... Daraufhin sagte Cain nichts weiter, schloss nur die Augen und genoss die vorsichtige Nähe sichtlich. Ich sagte mir, dass er mich halt nur als einen Freund sah, und Freunde gaben sich nun mal gegenseitig kleine Gesten. Wenn auch nicht allzu große. Die restliche Fahrt verlief ebenfalls in Schweigen, aber es war nichts Negatives mehr daran. Die Worte, die wir gewechselt hatten, klangen in meinen Ohren fast wie eine Versöhnung, ohne dass ich es gemerkt hatte. Gegen Abend – es dämmerte schon – kamen wir dann in meiner Heimatstadt an. Es sah alles aus wie immer: Die meterhohe Kiefer direkt vor dem Einfamilienhaus stand noch an ihrem selben Platz, war um ungefähr drei Meter gewachsen und prächtiger geschmückt als im Vorjahr. Schnee lag auf ihren Zweigen wie kleine, weiße Teppiche, zu ihren Füßen lagen ein paar Zapfen. Die Lichterkette war bereits eingeschaltet. Wieder einmal fragte ich mich, wie lang dieses Ding sein musste, dass meine Eltern nicht jedes Jahr gezwungen waren, eine neue zu kaufen. Das Haus an sich war nicht besonders groß, wir waren schließlich bis vor wenigen Jahren nur zu viert gewesen. Es war eines der typischen Häuser, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg gestanden und ihn überlebt hatten. In der Mitte, zwischen vier Fenstern des Ober- und Untergeschosses, rankten sich blutrote Rosen die Wand hinauf. „Willkommen daheim“, sagte ich leise lächelnd, und plötzlich wurde ich von einer solchen Weihnachtsstimmung überfallen, dass mir fast schwindlig wurde. Nun war Cain bereits knapp zwei Monate bei mir... Ich ging vor ihm auf das Gebäude zu und trat auf den Fußabtreter – immer noch derselbe. Nichts schien sich geändert zu haben, abgesehen von den wachsenden Dingen. Kaum hatte ich den Klingelknopf gedrückt, öffnete sich die Tür. „Adrian!“ Stürmische, herzliche Arme griffen nach mir, während Cain sich immer noch scheu im Hintergrund hielt und die Begrüßung stumm beobachtete. Meine Mutter war schon immer eine nette, liebevolle und etwas pummelige Frau gewesen. Jeder, der sie ein paar Minuten kannte, mochte sie auf Anhieb; mein Vater hingegen war stramm, schlank und hochgewachsen – das absolute Gegenteil, sollte man meinen. Aber sie waren die erste große Liebe des jeweils anderen, und seitdem hielten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Noch nie hatte sie jemand auseinander bringen können. Meine Mutter drückte mir ein Küsschen auf die Wange und entdeckte ihn mit einem Blick über die Schulter. „Oh, und wer ist das? Magst du ihn nicht vorstellen, Adrian?“, fragte sie mit dem für Mütter typischen Lächeln zu Cain. Ich räusperte mich und trat ein wenig aus dem Weg, sodass sie sich direkt gegenüber standen. Jetzt kam auch mein Vater heraus, wir begrüßten uns ebenfalls mit einer kurzen Umarmung. Auch er blickte interessiert zu dem anderen. „Mama, Papa, das ist Cain. Er wohnt seit zwei Monaten bei mir.“ Ein wenig überrascht blickten sie mich an, sagten jedoch nichts dergleichen. „Willkommen, Cain.“ Alle beide traten sie vor und schüttelten ihm freundlich die Hand. „Kommt doch herein, es ist bitterkalt hier draußen! Laurenz, zünde doch bitte den Kamin für unsere Gäste an.“ Darauf gingen wir alle wieder ins Haus. „Ist Selaine schon da?“, fragte ich. Meine Mutter drehte sich um, ihr Blick war besorgt. „Ja, aber sie sitzt seit ihrer Ankunft nur in ihrem Zimmer.“ Sie warf mir einen bedeutungsvollen Blick zu. Ich nickte. „Ich gehe gleich zu ihr“, murmelte ich ihr im Vorbeigehen zu, sodass Cain es nicht hören konnte. Nebeneinander betraten wir das Wohnzimmer, an dessen gegenüberliegenden Wand das Feuer schon fröhlich in seinem Kamin prasselte und knackte. In der Ecke stand ein kleiner Weihnachtsbaum, ebenfalls mit Lichterkette, glitzernden Kugeln und kleinen, kitschigen Engeln geschmückt – so, wie Mama es mochte. Ich ließ mich auf das Sofa fallen, Cain setzte sich etwas unsicher auf einen knuddligen Sessel. Bevor ich mich um Selaine kümmerte, wollte ich mich ein wenig entspannen und die vertraute Umgebung in mich einfließen lassen. Alles war so idyllisch – die Wärme, die leise Klassikmusik, die im Hintergrund lief, Cain nur ein paar Zentimeter von mir entfernt. Wären wir vollends allein im gesamten Haus gewesen, hätte ich es wahrscheinlich nicht ausgehalten... In genau diesem Moment kam meine Mutter mit einem Tablett Dominosteinen und Marzipankartoffeln herein, stellte dieses auf dem kleinen Glastisch ab und verschwand lächelnd wieder in der Küche. Bei uns in der Familie herrschten keine endlosen, langen Gespräche um den heißen Brei herum – wenn jemand etwas auf dem Herzen hatte, sagte er es gleich. So etwas wie Smalltalk hatte in diesen vier Wänden schon gar nicht stattgefunden. Von daher störte es mich nicht, dass keiner meiner Eltern mich in ein Gespräch verwickeln wollte, weil wir uns ein Jahr lang nicht gesehen hatten. Stattdessen schnappte ich mir eine der traditionellen Süßigkeiten, die es hier schon jedes Jahr gegeben hatte, und kaute genüsslich. „Deine Eltern sind wirklich nett“, erklang Cains geradezu zerbrechliche Stimme. „Ja, das sind sie“, antwortete ich langsam. „Ich bin froh, sie zu haben, auch wenn wir uns nur so selten sehen. Aber sie kommen damit klar.“ „Ich hätte auch gern solche Eltern...“, sinnierte er sehnsüchtig, und sein Blick verlor sich in den Flammen. Darauf wusste ich nichts zu sagen, und so blieb ich stumm. Ich hatte das Gefühl, jedes Wort, jeder Satz, jeder Laut hätte den Augenblick zerstört. Diese Idylle... Mit einem Seufzer erinnerte ich mich daran, dass ich heute noch eine Schwester zu trösten hatte – und das noch, bevor es Abendessen gab. Morgen war schon Heiligabend, und es gab noch eine Menge zu tun, aber das hielt meine Mutter nicht davon ab, etwas Ordentliches aufzutischen. „Bei euch zu Hause gibt es doch sicher immer nur Instantnudeln!“, pflegte sie oft mit gehobenem Finger und halb im Scherz zu sagen. Nach einer Weile kam meine Mutter wieder herein und setzte sich auf den anderen Sessel, legte sich ein Kissen in den Schoß und sah ins Kaminfeuer. So hockten wir nun zu dritt im warmen Wohnzimmer, schweigend, nur das Prasseln der Flammen im Hintergrund; aber diese Behaglichkeit währte nicht lange. Denn meine Mutter warf mir seit ungefähr zwei Minuten auffordernde Blicke zu, von denen sie glaubte, Cain bemerke sie nicht. Tatsächlich aber war es so, dass er sie aus dem Augenwinkel mehr als interessiert betrachtete. Schließlich schnappte ich mir noch eine Marzipankartoffel und stand auf, um den Raum zu verlassen, wohlwissend, dass nun ich derjenige war, der Cains Blicke im Rücken hatte. Auf dem kalten Flur herrschte eine drückende Stille. Nur das dumpfe Ticken der Uhr war aus der Küche her zu hören. Langsam stieg ich die Stufen der Treppe hinauf und überlegte dabei, was denn so schlimm sein konnte, dass es Selaines gute Stimmung an Weihnachten, die sonst immer richtig ausgeprägt war, in den Keller schleuderte. Ein paar Augenblicke stand ich vor der Tür ihres alten Kinderzimmers – meine Eltern hatten die Einrichtungen unserer Zimmer nie geändert. Sie brauchten nicht mehr Platz, warum also unnötig Zimmer ausräumen? Endlich konnte ich mich dazu durchringen, vorsichtig zu klopfen; dann öffnete ich und betrat die Höhle des Löwen. Selaine lag – wie erwartet – auf ihrem Bett. Die Plüschtiere, die sie so geliebt hatte, standen an ihrem Kopfende um das große Kissen herum, die Decke war unter ihrem Körper unordentlich zerstrampelt. Und nicht zu übersehen und –fühlen war das geöffnete Fenster, an dessen Seiten die Gardinen vom Wind getrieben hinein wehten. „Selaine?“, fragte ich leise. Sie hatte nicht aufgeschaut, als ich eingetreten war. Sie regte sich immer noch nicht. Etwas befangen ging ich auf das Bett zu und hockte mich davor. Ich verschränkte die Arme auf der Matratze und legte den Kopf darauf ab. Mit der einen Hand wagte ich es, meiner kleinen Schwester über das Haar zu streichen. Es vergingen Minuten, aber irgendwann spürte ich, dass sie weinte. Zu meinem Bedauern konnte ich einen Seufzer nicht unterdrücken. Es war schon lange her gewesen, dass Selaine vor meinen Augen geweint hatte – wahrscheinlich in Kindertagen, als wir noch bei unseren Eltern gewohnt hatten. Und immer war ich wieder derjenige, der sie getröstet hatte; nicht Mama oder ihre beste Freundin. Mit Freundschaften war sie sowieso nie wirklich im Reinen gewesen, zu oft war sie enttäuscht und verletzt worden. Und nun lag sie wieder hier... In derselben Position, mit denselben Plüschtieren, mit denselben Schluchzern. Mittlerweile zuckte sie nur noch ein wenig, aber man hörte nichts mehr. Vorsichtig lehnte ich mich weiter zu ihr hin, um eine Hand an ihre Wange zu legen. „Selaine...“, sagte ich wieder leise. Und endlich, endlich drehte sie ihren Kopf, sodass ich ihr Gesicht sehen konnte. Wie erwartet war es ganz rot, die Augen geschwollen vom Weinen; etwas scheu strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Weg. Ein trauriges Lächeln hockte auf ihren Lippen. „Jetzt hab ich dir den ersten Tag mit der Familie schon gleich wieder versaut, was?“ Ihre Stimme klang brüchig, als ob sie jederzeit wieder beginnen würde, zu weinen. Bedächtig schüttelte ich den Kopf. „Ganz und gar nicht, Selaine.“ Es war so lange her, dass ich sie gesehen hatte...! Ihre Stimme am Telefon zu hören, war etwas anderes, als sie live zu sehen. Ihr Haar war noch ein Stück gewachsen – wahrscheinlich hatte sie es sich irgendwann kürzen lassen – und vorher zu einer Frisur hochgesteckt; jetzt lag die Nadel, die das Haar festgehalten hatte, auf dem Boden, ihre Mähne war durcheinander und fiel in lockigen Wellen über ihre Schultern. Es war genauso braun wie das von Cain, fiel mir gerade auf. Ich hob die Haarnadel auf und legte sie auf den Nachttisch, auf dem auch eine kleine Lampe stand, die ich jetzt einschaltete, denn bis eben hatten wir in Dunkelheit gesessen; nur das helle Mondlicht hatte durch die unbedeckten Fenster geschienen. Eindringlich blickte ich sie an, als könnte ich in ihren Augen Antworten auf ihr Verhalten finden. „Also“, sagte ich schließlich. „Magst du mir nicht erzählen, was passiert ist?“ Entsetzt konnte ich sehen, wie sich ihre Augen erneut mit Tränen füllten, aber sie war nicht so wie Cain. Sie konnte darüber sprechen, auch wenn ihre Wangen noch nass waren. Und dann begann sie wirklich zu erzählen. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)