Blatt im Regen von Passer (oder: Versteck mich!) ================================================================================ Kapitel 14: Vierzehn -------------------- Teil: Vierzehn Email: kyubimon1@gmx.de Warnung: Evt. lemon/lime, auf jeden Fall sap Kommentar: Hier das Vierzehnte... Viel Spaß beim Lesen ;D (Ach ja, was mir gerade auffällt... Dieses 'Fortsetzung folgt' am Ende immer... ist total unregelmäßig XD' *vergesslich*) ____________________________________________________________________________ Schon als ich am Morgen die Augen aufschlug und erst richtig realisierte, dass ich mich nicht mehr in einem Traum befand, sondern wachte, wusste ich, dass es ein schwieriger Tag werden würde. Ich wusste nicht genau, was auf mich zukommen würde, aber allein die Kenntnis, dass etwas geschehen würde, raubte mir den letzten Nerv, wieder einschlafen zu können. Seufzend und gähnend stand ich auf und wollte die Vorhänge aufziehen, als mir auffiel, dass sie gar nicht geschlossen waren. Ich hatte es gestern einfach vergessen. Erst da fiel mein Blick auf den seltsamerweise immer noch schlafenden Cain. Augenblicklich vergaß ich meine Sorgen und ließ mich wieder auf die Bettkante sinken. Ich nahm gar nicht richtig wahr, dass ich in genau derselben Position dasaß wie gestern Abend. Da hatte ich ihn auch so beobachtet. Irgendetwas an ihm faszinierte mich. Vielleicht war es das entspannte Gesicht, das man tagsüber nicht sah, oder die Lage, in der er sich befand? Ein Bein um die Decke geschlungen, der Mund ein wenig offen stehend, die Arme ausgestreckt? Ich konnte mir die Frage selbst nicht beantworten. Nach bestimmt einer ganzen Viertelstunde stand ich wieder auf und tapste über ihn hinweg, möglichst, ohne ihn zu wecken. Auf dem Flur kam mir ein leichter Windzug entgegen, und die Tür wurde geschlossen. Jemand hatte die Zeitung aus dem Postkasten geholt. Blinzelnd hatte ich kurz inne gehalten, jetzt schlurfte ich mit den plüschigen Hausschuhen, auf die Selaine immer bestand, wenn wir uns als Familie zusammenfanden, ins Bad und ging meinen morgendlichen Bedürfnissen nach. Und wieder stand ich auf dem zugigen Flur, aber ich ging nicht ins Zimmer zurück, denn eine andere Tür war aufgegangen. Selaine stand im Türrahmen. „Guten Morgen“, sagte sie ein wenig schüchtern, was überhaupt nicht zu ihr passen wollte. „Guten Morgen“, erwiderte ich breit grinsend und schloss sie kurz in die Arme. „Na, geht’s dir wieder besser?“, fügte ich sanft und etwas leiser hinzu. Sie nickte; jedenfalls konnte man die Geste so auslegen. „Aber du hast mir noch etwas zu erzählen, Brüderchen.“ Nun war es an ihr, zu grinsen. „Später“, sagte ich knapp und verschwand so schnell wie möglich wieder in meinem alten Kinderzimmer. Ich konnte gerade so noch ihre etwas verdatterte und saure Miene sehen. Durch mein leises Kichern, das ich von mir gab, musste Cain wohl aufgewacht sein, denn in meinem Rücken konnte ich hören, wie jemand ein verschlafenes Gähnen von sich gab. Ich drehte mich um, lächelte noch immer. „Was’n los?“, fragte er, während er sich die Augen rieb. Allein von seinem Anblick geriet ich innerlich schon in Verzückung. Statt zu antworten, setzte ich mich auf die Matratze und blickte ihn fast zärtlich an – natürlich fiel es mir selbst überhaupt nicht auf. „Es ist nichts, Cain. Schlaf weiter.“ Ich wollte wieder unter meine eigene Bettdecke schlüpfen, um eventuell noch ein wenig zu dösen, aber seine am Morgen so raue Stimme verlangte nach meiner Aufmerksamkeit. „Aber Adrian, es ist doch schon gleich halb zwölf...“ Blinzelnd wandte ich mich zu ihm um und warf einen Blick auf den Wecker. Tatsächlich... Der Stundenzeiger stand unverkennbar knapp vor der zwölf. Seufzend ließ ich mich in die Federn fallen und streckte die Arme über dem Kopf auf. Ich spürte seine Blicke beinahe wie glühende Hufeisen. Nach weiteren fünf Minuten konnte ich das nicht mehr länger ertragen und stand ein zweites Mal an diesem Tag auf. Unten im Flur konnte ich bereits die Stimmen meiner Eltern hören; sie hörten sich so an, als würden sie miteinander streiten. Mit Cain im Rücken ging ich näher an die Küchentür heran. „Aber woher sollte ich denn wissen, dass der ausgerechnet heute kommen wollte!“ Meine Mutter klang geradezu hysterisch. „Weil ich es dir vorgestern noch bei Tisch gesagt habe!“ „Schön. Es bringt jetzt aber auch nichts, darüber zu diskutieren – was geschehen ist, kann man nicht mehr rückgängig machen. So. Willst du jetzt ein ordentliches Mittagessen haben oder nicht?“, keifte sie zurück, ganz entgegen ihrer eigenen Worte. „Was weiß ich!“ Ein hoffnungsloses Seufzen von meiner Mutter, dann war es wieder still. Ich drückte die Klinke hinunter. Ein bedrücktes und ein wütendes Gesicht wandten sich zu mir. „Was ist denn hier passiert?“, fragte ich möglichst verwundert, um mich nicht zu verraten. Ich wusste, wie wenig sie es mochten, wenn jemand ihren Gesprächen lauschte. „Deine Mutter kann nicht planen“, zischte mein Vater eher zu seiner Frau als zu mir. Sie ignorierte ihn. „Ich habe vergessen, dass heute Vormittag doch dieser Finanzberater kommen wollte. Eigentlich hatte ich für heute beziehungsweise jetzt einkaufen geplant, weil wir kaum noch etwas im Haus haben.“ Sie hielt inne und schaute nachdenklich abwechselnd mich und Cain an. Ich konnte die Glühbirne, die über ihrem Kopf erschien, fast schon sehen. „Moment mal! Das ist doch die Idee...“ Begeistert sprang sie von ihrem Stuhl auf und legte mir eine Hand auf die Schulter. Ihre Augen glänzten bittend. „Adrian, Schatz, könntest du heute ausnahmsweise einmal für mich einkaufen gehen...?“ Natürlich war ich nicht gerade angetan von dieser Idee. Aber was sollte man dagegen schon sagen... So stand ich eine halbe Stunde später vor dem nächstbesten Supermarkt und wartete darauf, dass Cain mit einem Einkaufswagen wiederkam. Es war erstaunlich voll für einen Montagvormittag – noch nie hatte ich so viele Mütter, ältere Damen, aber auch jüngere Männer auf einem Haufen gesehen! Es stellte sich übrigens als besonders schwierig heraus, Cain davon zu überzeugen, dass hier niemand von seiner alten Psychiatrie nach ihm suchen würde. Und ich erfuhr, dass er Pfannkuchen über alles liebte; er konnte an dem Probierstand gar nicht oft genug – rein zufällig natürlich - vorbeigehen. Gerade hatte er eine Gefriertruhe geöffnet und wühlte zwischen den verschiedenen Sorten von Pizza, während ich daneben stand und etwas verloren auf den Einkaufswagen gestützt Löcher in die Luft starrte, da hörte ich eine weibliche Stimme. „Adrian!“ Verwundert drehte ich mich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Da kam eine junge Frau auf mich zu gerannt, vielleicht in Selaines Alter, und ich wollte mich gerade fragen, woher sie meinen Namen kannte, denn ich erkannte sie nicht, da blieb sie vor mir stehen und strahlte mich offensichtlich erfreut an. „Hallo, Adrian! Erinnerst du dich noch an mich?“ Sie besaß relativ dickes, blondes Haar, selbstverständlich gefärbt, das sich mit künstlichen Locken auf ihrer Schulter wellte. Sie trug eine enge Schlaghose und eine dieser viel zu kurzen Winterjacken, bei denen man sich nicht vorstellen konnte, wie sie einen wärmen konnten, außerdem eine kleine Handtasche. Und nicht zu vergessen: Ihre Gestalt war übernatürlich dünn und geradezu widerwärtig. Sie schien keinen Einkaufswagen zu haben, oder sie hatte ihn irgendwo im Weg stehen lassen, weil sie so fröhlich über mein Aufkreuzen war – das sah man ihr mehr als nur an. Langsam schüttelt ich den Kopf und verengte die Augen zu Schlitzen, wie um etwas zu erkennen, das von früher bekannt war. Nichts. „Ich bin’s, Mareena!“ Ich mochte ihre Stimme nicht; sie klang so glockenhell und einfach nur verboten mädchenhaft. „Ach... Mareena.“ Merkte man mir an, dass ich nicht halb so erfreut über ihr Auftauchen war wie sie? Mareena war eine alte Schulfreundin von mir. Ich kannte sie seit meiner Kindheit, und wir waren eng befreundet gewesen – bis zum Gymnasium, als sie sich völlig grundlos in ein Schickimicki-Mädchen verwandelte, für die ich noch nie hatte Sympathie finden können. Erst jetzt bemerkte ich, dass Cain wieder neben mich getreten war und über die Schulter hinweg eine Pizzapackung in den Wagen fallen ließ. Seine vorherige Laune war merklich kühler geworden... Warum? Auch Mareenas Blick heftete sich jetzt auf ihn. „Und das ist...?“ „Unwichtig“, erwiderte ich mit einem kühlen Unterton. Blieb nur zu hoffen, dass ich sie möglichst schnell wieder loswurde... „Entschuldige uns bitte, aber wir müssen weiter.“ „Aber, Adrian...“ Den Rest des Satzes, wenn sie noch etwas zusätzlich gesagt hatte, bekam ich nicht mehr mit, weil ich den Einkaufswagen gepackt und um die nächste Ecke gestürzt war, Cain im Schlepptau. „Adrian“, keuchte er, während ich den Gang mit Tierfutter entlang raste und die anderen, empört dreinblickenden Kunden einfach ignorierte. „Wer war das?“ Doch ich knurrte nur; mein Knurren wurde noch eine Oktave tiefer, als ich vor einer scheinbar kilometerlangen Schlange vor der Kasse halten musste. „Wer war das?“, fragte er noch einmal, und diesmal erhielt er eine Antwort. Aber nicht von mir. „Ich und Adrian – wir sind schon immer füreinander bestimmt!“ Glänzende, rehbraune Augen starrten mich ausdruckslos an. Dieser Blick konnte doch nicht gut für die Gesundheit sein! Und da war noch etwas, das ich am liebsten so schnell wie möglich vergessen hätte – Mareena. Dieses vermaledeite, abscheuliche, überschminkte Weibsbild, das sich für meine Bestimmung hielt! Das nächste, was ich wahrnahm, war der Einkaufswagen, der umstürzte. Verwirrt und geschockt zugleich blinzelte ich den Äpfeln hinterher, die aus ihrem Korb und den Boden entlang rollten, und erst nach ungefähr einer ganzen, ewigen Minute, die immerhin sechzig Sekunden entsprach, kam ich auf die Idee, etwas anderes anzusehen. Nämlich Cain, der sich mittlerweile durch das Gedränge an der Kasse einen Weg gebahnt hatte und nun auf und dran war, den Supermarkt zu verlassen. Tränen standen ihm in den Augen – ja, er musste es zugeben, denn einen anderen Ausdruck gab es dafür nicht. Ihm standen wirklich und wahrhaftig die Tränen in den Augen. Wie sehr er sich doch dafür hasste... Das Wetter war heute ausnahmsweise einmal gut gelaunt; er hatte schon heute Morgen, als er nicht mehr hatte schlafen können, geahnt, dass es kein guter Tag werden würde. Er wollte und durfte Adrian nicht wieder in die Augen blicken. So einfach war das... Also lief er davon. Theoretisch war es nur eine Kleinigkeit, die ihn so wütend und enttäuscht hatte werden lassen, und die vielleicht noch nicht einmal stimmte. Aber genau dieselbe Kleinigkeit war es auch, die sein ganzes bisheriges Vertrauen in ihn – seinen einzigen Freund seit langer Zeit – zerstörte. Ohne darüber nachzudenken, in welche Richtung er lief, rannte er. Nicht wissend, wer ihm den Weg kreuzte, ob er diesen Tag überleben würde, denn er hatte schon in dem Moment, in dem diese – Frau – ihm ins Gesicht gesagt hatte, dass Adrian ihr gehörte, beschlossen, sich selbst zu zerstören. Er brachte nichts und niemandem Glück, er war eine Last; es war gut so, wie es gekommen war, und dennoch konnte er die Tränen nicht stoppen, die ihm weiterhin haltlos die Wangen hinunter liefen. Er brauchte ganz, ganz schnell etwas Scharfes. Er hasste sowohl Brücken als auch Hochhäuser. Er würde sich mit einem einzigen, sauberen Schnitt von dieser Welt verabschieden – und weg war er. Er würde niemandem mehr je eine Sorge bereiten, keine Träne mehr vergießen wegen einer dummen, dummen Kleinigkeit. Er hörte nicht einmal das Hupen der Autos, als er willkürlich über die Straße stürzte, und plötzlich erschien ihm dieses Bild vor Augen, das Bild dieser Frau. Es war eine andere Frau, nicht die, weswegen er davongelaufen war. Es war die Frau, dieser Mensch, gewesen, dessen Gesicht er als einziger noch behalten hatte von jenem Tag. Es schoss ihm wie ein Blitz in den Körper. Er konnte, wollte nicht mehr. Es war besser so. Es würde sowohl ihn als auch all die anderen erleichtern, und sie würde später lächelnd an seinem Grab stehen und denken: Du dummer, kleiner Junge. Hast du es also endlich gerafft. Meine Beine waren taub. Ich stand auf dem Pflaster, hing nur noch an den Armen, als mir jemand hart ins Gesicht schlug. Ich blickte auf und lächelte. Sie stand nur dort und sagte nichts, Tränen sammelten sich in ihren Augen und flossen lautlos an ihren Wangen hinab. Jemand führte sie weg. Mittlerweile war er in einem einsamen Park angekommen, trotz der scheinenden Sonne. Es war hoffnungslos. Er würde nichts finden, was scharf genug war, deshalb musste er wohl oder übel in den sauren Apfel beißen. Er wusste nur noch eins: Er wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)