Vera Lamia von CichAn ================================================================================ Kapitel 9: Legenden ------------------- Als ich wieder zu mir kam, lag ich in Satorus Bett, in seinen Armen. Mein Kopf war vollkommen leer, ich betrachte ihn während er schlief. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich wieder an alles erinnern konnte. Man hatte mich gebadet und mir neue Sachen angezogen. Weder mein Hals noch mein Rücken taten weh. Ich fühlte mich nur schlapp und irgendwie… komisch… Erst dachte ich mein Herz hatte aufgehört zu schlagen, weil ich nur seines hörte. Ich musste mich erst einen Moment lang darauf konzentrieren, um festzustellen das unsere Herzen im gleichen Takt schlugen und deshalb nur ein Puls wahrzunehmen war. Wie lange das wohl schon so war..? Auch nur so eine Nebenerscheinung vom ‘Gefährten sein’? Bis jetzt war ich nicht so nah an ihn herangekommen um es zu bemerken. Ich wollte mich bewegen, von ihm loskommen… aber… es ging nicht. Als ich versuchte meinen Arm zu bewegen, breitete sich in meinem gesamten Körper ein seltsames Brennen aus. Es fühlte sich an als würde das Blut in meinen Adern kochen. Ein erneuter Versuch brachte das selbe Ergebnis und zwang mich zu einem leisen Wimmern. Fast im selben Moment schlug Satoru die Augen auf. Einen Moment lang sahen wir uns einfach nur an. Bevor ich über meine Worte nachdenken, geschweige denn sie verhindern konnte, brachte ich sie leise hervor. “Ich hasse dich…” Er blinzelte daraufhin verwirrt und rutschte mit dem Kopf ein paar Zentimeter von mir weg. Dann runzelte er die Stirn “Tust du nicht.” Wieder antwortete ich ohne über die Konsequenzen nachzudenken: “Doch. Ich hasse dich…”, “Nein.” Ich senkte den Blick, da ich meinen Kopf nicht wegdrehen konnte. “Ich hasse das was du tust.” Er verstärkte seine Umarmung. Wieder dieses Brennen… Ich musste mir auf die Unterlippe beißen, um ein erneutes Wimmern zu verhindern. “Tut mir Leid.” Als der Schmerz nachließ erwiderte ich: “Hör auf damit.”, “Womit? Mit der Umarmung oder mit dem Entschuldigen?”, “Damit Dinge zu tun für die du dich entschuldigen musst…” Er lachte leise: “Also ist die Umarmung in Ordnung..?”, “Satoru!” Nachdem ich seinen Namen gezischt hatte, seufzte er und ließ mich los. “Ist ja schon gut. Ich weiß ich tue Dinge die dir nicht gefallen, aber das ist nicht zu ändern. ICH kann mich nicht ändern und egal wie du das findest, ich werde auch weiterhin das tun, was ich für richtig halte.” “Du hältst das was du getan hast für richtig..? Du hältst es für richtig, mir zu sagen, dass du noch etwas geschäftliches erledigen musst bevor wir losfahren und dann die Gefährtin von jemanden umzubringen?”, “Du weißt doch was er getan hat…”, “Das mit Sophie? Mag sein das er ein wenig zu weit gegangen ist, aber das hat er nicht ver…” Ich kam nicht dazu meinen Satz zu beenden. Satoru sprang auf und fuhr mich an: “Du kennst ihn doch gar nicht! Das war nur der Anfang! Meinst du es wäre damit beendet gewesen?! Ich wollte dich nur beschützen!” “Toll hast du das gemacht…”, murmelte ich vor mich hin, während ich versuchte so flach wie möglich zu atmen, um weitere Bewegungen und damit auch Schmerzen zu vermeiden. Im Gegensatz dazu stand Satoru schwer atmend vor mir, als hätte ihn das zu sagen einiges an Kraft gekostet. Dann runzelte er die Stirn. “Ist alles in Ordnung..? Warum bewegst du dich nicht? Vorhin schon… Du hast dich gar nicht gewehrt…”, “Weil ich nicht kann…” Er kletterte zurück auf das Bett und hob meinen Arm. Diesmal konnte ich ein stöhnen nicht vermeiden. Ich kniff die Augen zusammen, als er meinen Arm wieder auf das Bett fallen ließ. “Hat das wehgetan?” Er sprang wieder vom Bett auf. Scheinbar geriet er nun in Panik. “Warum hast du das nicht gleich gesagt?! Ich hol Hilfe! Warte hier!” ‘Warte hier’?? Was sollte ich denn sonst tun? -- Kurze Zeit später kam er mit ein paar Zofen und Lorelei wieder. Sie stellte ein Tablett mit Gläsern und einer Karaffe auf das kleine Schränkchen neben dem Bett, dann setzte sie sich. Sie hob die Hand und das Wasser aus der Karaffe bildete eine Schicht, ähnlich wie ein Handschuh, um diese. Dann hielt sie sie über meine Stirn. Ein paar Augenblicke vergingen, dann ließ sie das Wasser wieder verschwinden und sagte: “Fremdes Blut fließt durch seine Adern. Blut das er nicht verträgt. Sein Körper versucht es wieder abzustoßen.” Fremdes Blut? Ich wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Vielleicht war das Messer, das dieser Mann gestern benutzt hatte ja vergiftet gewesen..? Eigentlich kann uns Gift ja nichts anhaben aber in Kombination mit Silber..? “Also… ist es meine Schuld..?”, flüsterte Satoru und ging ein paar Schritte zurück. Lorelei drehte sich zu ihm um. “Das kommt darauf an, was du gemacht hast.” Er starrte mich an, oder vielmehr durch mich hindurch. “Er… Er war verletzt… Ich wollte nicht, dass er Narben zurück behält… Also…”, “Also hast du ihm dein Blut gegeben.”, ergänzte Lorelei. Mein Herz schien einen Schlag auszusetzen, denn ich musste plötzlich wieder daran denken WIE James seiner Frau versucht hatte Blut zu geben… Als mein Blick sich mit dem von Satoru traf, musste ich wegsehen. Hatte er das etwa auch so gemacht..? Das würde ja bedeuten er hätte mich… “Da ist noch etwas…”, begann Lorelei und zwang mich somit wieder zur Aufmerksamkeit, “Das Wasser sagt, dass es so etwas noch nie vorher gesehen hat.”, “Was..?”, brachte ich fast tonlos hervor. “Die… Struktur deines Körpers wurde verändert…” Satoru runzelte die Stirn. Das hätte ich auch gern aber… nun ja… “Seht her, ich zeige es euch.” Sie nahm zwei Gläser vom Tablett und stellte sie auf den Tisch. Dann nahm sie die Karaffe und füllte eines der Gläser fast bis zum Rand. “Das ist Satoru.” Nun füllte sie auch das andere, allerdings nicht einmal bis zu hälfte. “Das Glas ist William. Und das habt ihr gemacht.” Sie schüttete nun ‘Satoru’ in ‘William’ bis in beiden Gläsern ungefähr gleich viel Wasser war. Satoru sprach aus, was ich dachte: “Für was steht das Wasser?” “Für eure verbleibende Lebensdauer.”, “Moment. Du willst sagen, dass ich mit meinem Blut auch meine Lebenszeit mit ihm geteilt habe?” Sie nickte. Die Zofen, die immer noch am Eingang warteten, fingen an zu tuscheln. Kein Wunder, denn auch wenn es dafür keine Regel gab, galt es doch als Verbrechen das Blut eines anderen Vampirs zu trinken… “Kann das noch mal passieren?”, fragte ich schließlich, um das Getuschel zu stoppen oder wenigstens zu übertönen. Sie schüttelte den Kopf, “Ich weiß es nicht.”, “Wenn William wieder gesund wird, ist das doch in Ordnung… Eigentlich noch besser als erwartet… Er kommt doch wieder in Ordnung, oder?” Sie nickte. “Ja. Es wird nur ein bisschen dauern.” Satoru atmete auf und fing an zu lächeln. “Gut. Danke für deine Hilfe.” Lorelei stand auf und ging zu den Zofen. “Falls ihr noch etwas braucht, lasse ich eine meiner Dienstmädchen vor der Tür.” Dann sah sie zu Satoru. “Du solltest in Zukunft vorsichtiger sein.” Dann war sie auch schon wieder verschwunden. Satoru stieg wieder zu mir ins Bett. Ganz langsam legte er sich neben mich, immer darauf achtend mich nicht zu berühren. Sein Gesicht war nun wieder direkt vor mir. “Es ist wohl besser wenn du noch ein bisschen schläfst.” Ohne Widerworte schloss ich meine Augen, auch um seinem Blick auszuweichen. -- Ich wurde erst wieder wach, als die Tür zum Zimmer ganz leise und vorsichtig geöffnet wurde. Draußen war es schon dunkel. Vor mir war immer noch das Gesicht meines Gefährten, der tief und fest schlief. Ich versuchte meine Hand zu bewegen. Es funktionierte, ohne Schmerzen. Ich richtete mich langsam auf, um unseren Besucher sehen zu können. Mir wurde schwindelig und ich brauchte einen Moment um mein Gleichgewicht wiederzufinden. Lorelei hatte sich ins Zimmer geschlichen. Sie deutete mir mit dem Zeigefinger vor dem Mund an, leise zu sein. Ich nickte und sie winkte mich zu sich. “Ich möchte dir etwas zeigen.” Ich fühlte mich schlapp und war nicht sicher ob ich es schaffen würde zu stehen, geschweige denn zu gehen. Langsam rutschte ich zur Bettkante. Ich behielt Satoru im Auge und versuchte leise zu sein. Wie erwartet hatte ich so meine Probleme mit dem stehen, aber Lorelei huschte schnell an meine Seite und hielt mich fest. Sie zog mich den Flur entlang bis zur Treppe die ins Erdgeschoss führte. Da sie nicht sprach und mir diese Stille unangenehm war, fing ich an: “Was willst du mir denn so wichtiges zeigen, dass das nicht bis morgen warten kann?” Sie fing an zu kichern. “Ich will dir eine Gutenachtgeschichte erzählen.” Dieses Thema jagte mir einen Schauer über den Rücken, denn ich bezweifelte, dass das eine GUTEnachtgeschichte werden würde… Daher versuchte ich das Thema zu wechseln: “I..ich hätte nicht gedacht das Vampirblut Silberverletzungen heilt.”, “Tut es auch nicht.” Ich stutzte. “Aber Satoru…” Sie hielt an und drehte sich zu mir um. Ich tastete mit den Fingerspitzen meiner freien Hand nach der Schnittverletzung an meinem Hals. Wie zu erwarten, war sie verschwunden. “Sein Blut wirkt bei dir. Dein Blut bei ihm. Jemand anderes hätte die Wunden nicht heilen können.” Also wieder so eine Gefährten Sache… Langsam sollte ich mir Notizen machen… Als sie weiter die Treppen hinunterlief, fing sie an mit ihrer kleinen Geschichte. “Kennst du die Legende über die Entstehung der Vampire? Sicher nicht.”, Ich schüttelte den Kopf. Bis jetzt hatte ich auch noch nicht darüber nachgedacht. Mittlerweile hatten wir das Haus mit einer Laterne, als einzigen Lichtschein verlassen. Der Mond schien hell über unseren Köpfen und gab schemenhaft unsere Umgebung zu erkennen. Ich hatte Mühe Lorelei zu folgen. Als sie es bemerkte wurde sie langsamer. “Man erzählt sich, dass alles mit drei Wesen begann, die den heutigen Vampiren sehr ähnlich waren. Sie waren viel stärker, unsterblich und unzertrennlich. Als die Jahrhunderte vergingen, merkten sie wie einsam es war allein auf dieser Welt zu sein und sie beschlossen mehr von ihrer Art zu erschaffen. Also schufen sie die ersten Vampire. Auch nach dem Abbild der Menschen, so dass diese nicht unsterblich waren. Sie hatten durch ihr bisheriges Leben erfahren müssen wie viel Leid es bereitete die Menschen um sich herum, die ihnen lieb und teuer waren, sterben zu sehen. Also erschufen sie die Vampire auch ohne Gefühle.” Ich versuchte immer noch herauszubekommen warum sie mir das erzählte und wo sie mich hinbrachte. Die Lichter des Anwesens waren nun kaum noch zu sehen. “Doch diese erschaffenen Vampire begannen die drei zu fürchten. Sie fühlten sich unterlegen und es entstand das Gerücht, dass die drei, da sie die Macht besaßen Vampire zu erschaffen, auch in der Lage waren sie alle wieder auf einen Schlag zu vernichten. So waren die drei gezwungen sich zurückzuziehen und wieder nur unter sich zu bleiben.” “Das ist traurig… Aber wieso erzählst du mir das?”, “Als ich klein war, war ich der festen Überzeugung, dass mein Vater und Satoru zwei dieser drei Vampire wären.” Ich schluckte schwer. Ich hatte selbst schon erkannt, dass beide sehr alt waren und noch viel älter würden. Auch wunderte ich mich wieso alle anderen Vampire, trotzdem es hier keine entsprechenden Regeln gab, Respekt vor ihnen zu haben schienen. “Aber… selbst wenn… dann fehlt doch noch einer… Sagtest du nicht die drei wären unzertrennlich..?” Sie fing wieder an zu kichern. “Ich sagte doch, es ist nur eine Legende. Das war auch mein Hauptgrund die Sache nicht zu glauben. Und dann fand ich vor ein paar Monaten ein Bild. Darauf waren Satoru, mein Vater und eine Frau abgebildet.” Wieder jagte ein Schauer über meinen Rücken. Aber nicht wegen der Geschichte. Sondern wegen dem Ort an dem wir uns nun befanden. “I..ich hab das Gefühl schon einmal hier gewesen zu sein…” Vor uns war nun eine riesige Grasfläche umgeben von kleineren Bäumen und Sträuchern. Im Zentrum dieser fast kreisrunden Fläche stand ein schneeweißer Pavellion, mit bunten Bruchglasfenstern. “Das wundert mich nicht. Ich wusste erst nicht wer die Frau auf dem Bild war. Bis ich dir begegnete.” Ich verstand nicht recht. Sie zog mich jedoch weiter bis zur Tür des Pavellions. Als wir ihn betraten, zündete sie mit der Laterne die Lampen an, die ringsum aufgestellt waren. Es gab nur wenige Möbel, die mit weißen Laken bedeckt waren. Mein Herz fing an zu rasen. Das alles hier kam mir so vertraut vor… Aber ich hatte Frankreich doch noch nie verlassen, oder? Meine Beine gaben nun, da ich nicht mehr gezogen wurde nach und ich ließ mich auf die Knie fallen. Lorelei hielt kurz inne. “Alles in Ordnung?”, “Ja. Das war nur ein bisschen viel. Ich brauche nur eine kleine Verschnaufpause.” Ich zwang mich zu einem Lächeln, was sie veranlasste eines der Laken zu nehmen und es mit Schwung beiseite zu ziehen. Darunter stand ein ganzer Stapel Bilder. Das erste schien das älteste zu sein. Der Holzschnitt war schon ziemlich ausgeblichen. Darauf waren drei Gestalten zu sehen. Ich erkannte Satoru links, rechts war James und in der Mitte… “Das… ist nicht möglich…” Lorelei setzte sich neben den Stapel auf den Boden. “Das ist deine Mutter nicht wahr? Du bist ihr wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.” Tatsächlich lächelte mir meine Mutter vom Zentrum des Bildes aus zu. Also kannten Satoru und James meine Mutter… “Aber sie ist tot.”, flüsterte ich mehr zu mir als zu Lorelei. Diese legte den Kopf schräg. Natürlich wusste sie nicht worauf ich hinauswollte. “Ich meine… Wenn das was du mir erzählt hattest wahr wäre… Dann wären die drei unsterblich. Wieso ist sie dann tot und wie sollte Satoru dann seine verbleibende Zeit mit mir teilen können?” “Ich hatte dir doch schon gesagt, dass das nur eine Legende ist. Aber ein seltsamer Zufall ist das schon, oder?” Ich nickte. “Siehst du das neben der Unterschrift des Malers? Da steht auch das Entstehungsjahr. ‘900 n. Chr.’ Das ist ganz schön lange her, nicht wahr?” Wieder lächelte sie. Dann nahm sie das vorderste Bild weg, um mir das nächste zu zeigen. Es zeigte das selbe Motiv. Sie trugen andere Kleidung, es war besser erhalten und gerahmt aber es waren immer noch die drei. “1000 n. Chr.” Auf jedem Bild das sie beiseite legte waren die drei zu sehen und immer wieder, waren sie hundert Jahre nach dem Vorherigen entstanden. Als Lorelei bei 1500 nach Christus angelangt war, hielt sie inne. “Sie waren die ganze Zeit zusammen. Bis hier.” Das nächste Bild das sie mir zeigte, war auch auf das nachfolgende Jahrhundert datiert, doch hier waren nur noch James und meine Mutter zu sehen. “Siehst du? Satoru fehlt. Auf den nachfolgenden auch. Satoru traut niemandem und tut nur das was er für richtig hält. Meinst du nicht auch das hier, zwischen dem 14. Und 15. Jahrhundert etwas passiert sein muss, das ihn so werden lies?” Gut möglich… Aber hieß das… dass sich hier ihre Wege trennten und Satoru danach allein war? Ich spürte einen Stich in meinem Herzen. Das war nicht nur einfach Mitleid. Ich fühlte mich schuldig. Denn unser Streit neulich baute darauf auf, dass ich ihn für einen Lügner hielt. Aber scheinbar war er wirklich einsam gewesen… “Das war noch nicht alles.” Sie nahm auch dieses Bild beiseite. ‘1600’ Das war das Jahrhundert in dem ich und meine Schwester zur Welt kamen. Und tatsächlich… Auf dem nächsten Bild waren nicht nur James und meine Mutter… da waren auch, meine Schwester und ich zu sehen. Wir saßen auf einer Wiese, im Hintergrund der Pavellion in dem wir nun saßen. “Also war ich wirklich schon einmal hier gewesen…”, “Du wurdest in Frankreich geboren nicht wahr? Ich nehme an das sie auch wenn sie getrennte Wege gingen, sich doch jedes Jahrhundert wieder trafen, um ein Portrait von sich machen zu lassen. Ich frage mich nur warum Satoru dann nicht mehr dabei war.” “Sie sieht so glücklich aus…” Ich zeichnete die Konturen ihres lächelnden Gesichts nach. Es gab auch zu hause in Frankreich Bilder von unserer Mutter. Aber sie lächelte auf keinem. Es war noch ein Bild übrig und ich ahnte was darauf zu sehen war. Lorelei nahm das Bild mit uns beiseite. Wie ich vermutet hatte, war nun nur noch James übrig. Denn meine Mutter hatte das Jahr 1700 nicht mehr erlebt. “Das war das letzte.” Der Ausdruck von seinem Gesicht war so unendlich traurig… “Warum hat keiner der beiden gesagt, das sie meine Mutter kannten..?”, “Spielt das denn eine Rolle?”, “Ich weiß nicht…” Mir war nun klar warum James Satoru als einen Bruder ansah… Vielleicht war ja meine Mutter mit der Person gemeint, die er damals verloren hatte. Und mir dämmerte nun auch langsam, warum Satoru nicht als ‘Bruder‘ bezeichnet werden wollte. Ich musste ihn unbedingt fragen was genau damals passiert war. Plötzlich sprang Lorelei auf und fixierte die Tür. Ich folgte ihrem Blick und wenig später hörte ich auch ein rascheln, gefolgt von Schritten auf der Veranda des Pavellions. Dann wurde die Tür aufgerissen. Schwer keuchend viel Satoru vor mir auf die Knie, stützte seinen Oberkörper mit den Armen ab und ließ den Kopf hängen. Er war scheinbar hierher gerannt. Weder ich noch Lorelei trauten uns zu bewegen oder zu atmen. Sie schien wie ich ein gewaltiges Donnerwetter zu erwarten. Immerhin hatten wir uns davongeschlichen. Er hob seine Hand in meine Richtung. Ich zuckte zusammen und schloss die Augen. Aber alles was er tat, war seine zitternde Hand an meine Wange zu legen. Ich öffnete meine Augen langsam wieder. Auch Lorelei war ein paar Schritte zurückgewichen. “Ich dachte schon du wärst weggelaufen…”, brachte er hervor, während er mich ansah. Ich schüttelte leicht meinen Kopf. “Geht es dir gut?”, fragte er erleichtert. Da ich noch unter Schock stand und nicht in der Lage war zu sprechen, nickte ich kurz. Er lächelte daraufhin. “Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du mir das nächste Mal Bescheid sagst, bevor du einen Ausflug machst.” Lorelei verbeugte sich tief. “Bitte verzeih. Es war meine Schuld.” Er sah erst zu ihr, dann zu den Bildern neben denen sie stand. “Du hast ihm die Bilder gezeigt?”, “Ja.” Satoru der seine Atmung wieder im Griff hatte, seufzte laut und stand dann wieder auf. Ich wollte es ihm gleich tun, meine Knie fingen jedoch an zu zittern und Satoru konnte gerade noch so verhindern das ich fiel. Er griff kurzerhand nach meinen Beinen und nahm mich auf den Arm. “W..was soll das?! Lass mich runter!” Alles schimpfen und zappeln hatte natürlich keinen Sinn, er hielt mich weiterhin fest. “Du kannst ja nicht einmal stehen. Wie willst du es zurück zum Haus schaffen? Auf allen vieren? Ich frage mich wirklich wie ihr es bis hier her geschafft habt…” Ich gab mit einem Seufzer nach und ließ mich tragen. Kurz vor der Tür, drehte sich Satoru noch einmal um. “Deck die Bilder wieder zu und lösch das Licht bevor du gehst.” Lorelei nickte und wir verließen den Pavellion. Ich sah über Satorus Schulter zurück. Die bunten Fenster erleuchteten die gesamte Rasenfläche. Dann erlosch ein Licht nach dem anderen und es wurde wieder dunkel um uns herum. “Ich dachte wirklich, du würdest die erst beste Gelegenheit nutzen, um von mir weg zukommen. Heißt das du hast mir verziehen?” Ich legte meinen Kopf an seine Schulter. “Nein. Aber vielleicht verstehe ich dich jetzt ein wenig besser. Du hast mir nicht gesagt das du meine Mutter kanntest… Erzählst du mir warum du nicht mehr bei ihr und James warst?” Es dauerte einen Moment bis er antwortete. “Wenn wir wieder im Haus sind.”, “Wenn du… nicht weggegangen wärst, hätte ich dich schon eher kennengelernt.” Ich musste lachen. “Als meinen Onkel.”, “Siehst du! Deshalb habe ich nichts gesagt! Lass dir ja nicht einfallen mich als deinen Onkel zu sehen!” Ich verkniff mir ein weiteres kichern und schüttelte den Kopf. “Schon gut.” Der Weg zurück zum Anwesen kam mir viel länger vor, als der zum Pavellion. Vermutlich auch weil es mir peinlich war von ihm getragen zu werden wie ein kleines Kind oder noch schlimmer… wie ein Mädchen… Im Haus sahen ein paar Dienstmädchen uns verwundert hinterher. Wieder begannen sie zu tuscheln. Wir gingen vorbei an meinem Zimmer… oder besser an dem was davon übrig war. Die Tür stand einen Spalt weit offen. Darin waren ein paar Leute damit beschäftigt aufzuräumen und sauber zu machen. Ohne eine komplette Renovierung war da allerdings wenig zu retten. “Was habt ihr mit Darius gemacht?”, “Willst du das wirklich wissen?”, fragte er nur kurz. Ich seufzte. “Wahrscheinlich nicht…” Im Zimmer angekommen, legte er mich nicht wie erwartet ins Bett, sondern setzte mich in einen Sessel an der gegenüberliegenden Wand. Ich sah ihm hinterher, als er zum Schrank ging. Als er sich umdrehte und meine Verwunderung sah, zeigte er nur mit dem Finger in meine Richtung. “Willst du etwa so ins Bett gehen?” Ich sah an mir herunter und stellte fest, das das Nachthemd das ich trug voller Staub und Schmutz war. Auch meine nackten Füße waren voller Erde. “Oh…” Satoru kam mit einer Schüssel voll Wasser und ein paar Tüchern wieder. Er kniete sich vor mir hin und nahm mein linkes Bein. Da ich die ganze Zeit ohne Schuhe draußen war, waren meine Beine dementsprechend kalt. Ganz anders als seine Hände. Verglichen mit meiner Haut schienen sie vor Hitze zu glühen. Als er eines der Tücher nass machen wollte, hielt ich ihn auf. “Warte… Das werde ich schon allein hinbekommen.” Er wartete noch einen Moment, sah mich an und ließ dann los. Ich betrachtete das Wasser. Es roch nach Jasmin. Die Schüssel schien groß genug zu sein, also stellte ich kurzerhand beide Füße hinein. “Du wolltest mir sagen, warum du damals weggegangen bist.”, beendete ich schließlich die Stille. Satoru, der gerade dabei war neue Sachen für mich zu suchen, seufzte schwer. Scheinbar war das keines seiner Lieblingsthemen. “Ich bin nicht gegangen. Ich wurde weggeschickt. Es war vor dem ersten Aufenthalt deiner Mutter in Frankreich. Da wurde ihr gesagt, das sie sterben würde.” Ich horchte auf. “Sie wusste es?” Er legte mir die eben geholten Sachen auf den kleinen Tisch der zwischen den Sesseln stand. Dann setzte er sich in den übrig gebliebenen. Ich betrachtete weiter wie das Wasser in der Schüssel kleine Wellen schlug. “Ja. Sie machte jedoch keine Anstalten dieses Wissen zu nutzen, um zu überleben. Sie traf stattdessen Vorkehrungen für die Zeit danach. Unter anderem sorgte sie dafür, dass ihr bei eurem Vater sicher aufwachsen konntet.”, “Durch das Bündnis und die Gesetze in Europa?” Er nickte. “Ja. Sie half deinem Vater dabei. Im Gegensatz zu James versuchte ich immer wieder, sie davon zu überzeugen, etwas zu unternehmen um ihren Tod zu verhindern. Aber sie hörte nicht auf mich und bald darauf schickten sie mich beide weg, da sie befürchteten, dass ich versuchen würde etwas dagegen zu unternehmen.” Also hatten sie ihn tatsächlich im Stich gelassen. Dann lag ich wahrscheinlich auch mit meiner Vermutung richtig, dass er danach allein war und sich nach und nach veränderte. “Tut mir leid.”, flüsterte ich. Er lächelte. “Was tut dir leid?” Ich sah zu ihm auf. “Du musst sehr einsam gewesen sein…” Für eine Weile sah er mich an, dann wandte er seine Blick ab und deutete auf den Tisch. “Soll ich dir dabei helfen.” Ich überlegte kurz und nickte dann. Auch wenn ich seine Hilfe dabei wahrscheinlich nicht gebraucht hätte, kam es mir im Moment unpassend vor ihm eine Abfuhr zu erteilen. “Wie kamst du eigentlich darauf dass ich weggelaufen sein könnte?”, begann ich, als er mir aus meinem Nachthemd half und mir die Stille zu unangenehm wurde. “Ich meine, du hattest mir doch gesagt, dass das keinen Sinn hätte.” Er hielt kurz still, griff dann jedoch zu dem Schlafanzugoberteil auf dem Tisch. “Darius… hat dir doch gesagt wie du mich los wirst.” Der kalte Stoff des Hemdes sorgte für Gänsehaut an meinen Armen. Im Gegensatz dazu fingen meine Wangen nun an zu glühen. “Das hast du gehört..?” Er nickte. Ich setzte mich in den Sessel, während er mein Hemd zuknöpfte. Als er bei dem letzten Knopf angekommen war, sah er mir wieder in die Augen. “Und? Hast du vor diese Chance zu nutzen?” Ich schüttelte den Kopf und sah zu meinen Füßen. “Nicht bevor ich nicht auch den anderen Weg kenne.” Er fing an zu lachen, was nur dafür sorgte, dass meine Wangen noch mehr glühten. Er nahm nun die Hose und hielt sie mir so vor die Füße, dass ich nur noch hineinzuschlüpfen brauchte. “Er hat auch gesagt, dass wir noch keine richtigen Gefährten sind.”, “Das stimmt…” Ich runzelte die Stirn. “Wieso hast du es nicht gleich richtig gemacht?”, “Das hättest du mir wohl nicht verziehen…” Ein trauriges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. “Ich habe nie gesagt, dass ich dir das verziehen habe.” Nun lachte er wieder. “Stimmt.” Da gab es noch eine Sache der ich mich vergewissern wollte. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, es kam schließlich nicht häufig vor das er so redselig war. “Also… Wenn ich dir so entkommen kann… Was musst du dann tun um…” Sein erneutes Lachen sorgte dafür das ich mitten im Satz abbrach. “Sag bloß du willst wissen ob wir miteinander schlafen müssen, um richtige Gefährten zu werden?” Er machte eine kurze Pause, holte einmal tief Luft und fuhr dann fort: “Und wenn? Hast du dann Angst vor mir?” Ich wollte schon zu einer Antwort ansetzen, als er mir zuvor kam. “Keine Sorge, das ist nicht nötig…”, “Aber warum wird dann die Verbindung gelöst, wenn ich das mit jemand anderem mache?”, “Weil es dabei nicht um die Sache an sich geht, sondern um das was sie bedeutet. Wenn du das tust würdest du mich damit betrügen.” “Und das spielt keine Rolle mehr, wenn wir richtige Gefährten sind?” Er zuckte mit den Schultern und zog mir die Hose hoch. “Wer weiß?” Dann half er mir auf die Beine. Ich konnte gerade so verhindern, dass mir die Hose gleich wieder herunter rutschte. Satoru lächelte daraufhin amüsiert. “Tut mir Leid deine Sachen sind alle so gut wie verbrannt und meine scheinen dir eindeutig zu groß zu sein.”, “Ja… sind sie…” Diesmal stützte er nur meinen Arm, als er mich zum Bett brachte. “Können wir morgen nach hause fahren?” Satoru sah mich ein wenig verwirrt an. Ich legte mich hin und zog mir die Decke bis zum Hals. “Ich meine nach Tokio, zu Sophie.” Er lächelte darauf hin etwas erleichtert. “Wenn du das möchtest.” --- Hoho… Schönes ‘Friede, Freude, Eierkuchen’ - Kap! XD Also wieder so eine Gefährten Sache… Langsam sollte ich mir Notizen machen… Das hab ich mir auch so gedacht, also gibt es ab sofort auch ein Übersichtskapitel zu den ganzen Regeln im Doji. ^.^ Damit man besser durchsieht. Ich hab mir die Regeln zum ‘Menschsein’ gespart XD die dürften jedem klar sein! Wird auch immer mal aktualisiert, wenn neues dazu kommt. Na denne! Noch mal danke an alle Favos und Kommi Schreiber… Ich freu mich über jeden einzelnen auch wenn ich nicht immer antworte… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)