Samurai von moonlight_005 ([NejiTen] Teil 1 der Samurai-Trilogie) ================================================================================ ~ Kapitel 17: Shadow ~ ---------------------- ~ Kapitel 17: Shadow ~ Es war kurz vor dem Morgengrauen, als Neji aus dem Schlaf schrak. Der Himmel hatte ein sanftes Hellblau angenommen und die Luft war angenehm mild. Neji blickte zum Himmel herauf und genoss die Stille. In letzter Zeit war es ganz und gar nicht still gewesen. Die ganze Hektik der letzten Tage hatte schließlich auch ihn an den Rand seiner Kraft gebracht. Die Angst war ihm langsam in die Knochen gekrochen, fast ohne dass er es bemerkt hatte. Angst nicht durchzuhalten, Angst zu verlieren und solche, mit der man dem Tod ins Auge sieht. Wie lange war es her gewesen, dass er einfach seine Ruhe gehabt hatte, nachdenken konnte? Es tat gut. Langsam richtete Neji sich auf und betrachtete gedankenversunken die Umgebung, das kleine Lager, das sie notdürftig errichtet hatten. Mit den Augen folgte er den sanft geschwungenen Konturen der Bäume, ihrer Äste und der Form vereinzelter Blätter, die noch nicht verwelkt und zu Boden gefallen waren. Langsam, fast genießerisch atmete er die frische Luft ein. Etwas an dieser Situation kam ihm merkwürdig vertraut vor. Früher war er häufig so früh aufgestanden und hatte diesen einzigen Moment nur für sich gehabt. Damals... Jetzt kam es ihm beinahe wie ein anderes Leben vor. Ein rasselndes Keuchen, gefolgt von scharfem Luftholen lenkte seine Aufmerksamkeit auf sich. Als Neji sich suchend umblickte, stellte er zu seinem Erstaunen fest, dass die Geräusche von Lees Lager kamen. Leise stand er auf und schlich zu dem Verletzten. Ein fast unmerkbares Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als er Naruto schließlich eingenickt vor dem nun nur noch glühenden Feuer entdeckte. Morgen würde er vermutlich alles abstreiten, natürlich würde er niemals einschlafen, wenn er Wache halten sollte. Natürlich nicht. Aber im Moment sah es sowieso nicht danach aus, dass sie erneut angegriffen werden könnten. Schließlich stand er vor Lee, er wusste nicht recht, wieso er sich vergewisserte. Vielleicht, weil er an Lees Stelle hätte sein können, oder einfach, weil er sich irgendwie Sorgen machte. Oder war es die Ungerechtigkeit, die Lee ereilt hatte? Neji hätte es nicht sagen können. Auf einmal bäumte sich Lees Körper unter dem Schüttelfrost auf und augenblicklich spannte sich Nejis Körper an. Lees Anfall dauerte zwar nur einige Minuten, aber Neji kamen sie wie eine Ewigkeit vor. Hilflos sah er zu bis Lees Körper schließlich in sich zusammen sackte. Kurz dachte Neji Lees Finger zucken gesehen zu haben, doch er tat es als Einbildung ab. Vermutlich hatte er sich von den umherwandernden Schatten täuschen lassen. Oder...? Verunsichert sah er auf den schwerverletzten Lee. Seine Stirn vom Fieber schweißnass, der Körper geschunden und stark entkräftet. Nachdem sie Lee noch einmal so gut sie konnten untersucht hatten, hatten sie schließlich einen glatten Bruch seines Unterarmes festgestellt. Jetzt lag sein Arm straff verbunden und notdürftig mit dünnen Hölzern geschient neben seinem Körper. Undeutliche Wörter murmelnd wälzte er sich herum. - Immer noch bewusstlos. „Lee?“ Schon im Moment, in dem er sprach wurde Neji bewusst, wie dünn seine Stimme klang. Er sah kurz zu Lee, konnte aber keine Veränderung feststellen. Unsicher runzelte er die Stirn. Er beobachtete angestrengt Lees Gesicht, die verkrampften Gesichtszüge, die zusammengezogenen auffälligen Augenbrauen und die gerade geschnittenen Haare. Gerade als er sich umdrehen wollte, nahm er ein Flackern von Lees Lidern wahr. „Neji?“, seine Stimme klang krächzend und spiegelte haargenau seine körperliche Verfassung wieder. „Was ist passiert? Ich spüre meinen Körper fast nicht mehr.“ Mit größter Anstrengung versuchte er sich aufzurichten, sackte aber dann vor Schmerzen auf sein Lager zurück. Neji zögerte, einerseits war er erleichtert, dass Lee bei Bewusstsein war, andererseits konnte das auch seinen baldigen Tod bedeuten. Ein letztes Aufbäumen seines Körpers gegen das Unvermeidliche. „Sag mir, was wirklich passiert ist, Neji. Wie viele sind gefallen?“ Fast im selben Moment ereilte ihn ein heftiger Hustenanfall, sodass er sich zur Seite drehen musste. Beinahe hätte man das Blut im Schatten nicht gesehen. „Sprich nicht.“ „Steht es so schlecht um mich, dass du mich vom Reden abhältst? Du brauchst mich nicht belügen, es ist nicht das erste Mal, dass ich gekämpft habe.“ Neji antwortete nicht, betrachtete nur schweigend die Silhouette des Kranken. Lee drehte den Kopf leicht zur Seite, sodass er Neji nicht ansehen musste. „Ich werde sterben, nicht wahr?“, fragte er leise. Seine Augen, noch immer nur halb geöffnet, sahen in den Himmel. „Ich weiß es nicht, Lee.“ „Hmm...“, Lee grummelte etwas Unverständliches. Wenn seine Stimme am Anfang schon schwach gewesen war, war sie jetzt so leise, dass man sich anstrengen musste ihn zu verstehen. „Eigentlich wollte ich in einem fairen Kampf sterben, um etwas zu beschützen, das mir alles bedeutet.“ Leicht erschrocken bemerkte Neji, dass eine Träne seine Wange herunter rann. „Aber letztendlich habe ich durch all das nur meinen Tod hinausgezögert, oder?“ Er lachte ein hohles Lachen, während weitere Tränen seine Gesicht herunter rannen. „Du hast getan, was du tun musstest, es gibt nichts worüber man dir Vorwürfe machen könnte.“ Doch Lee unterbrach ihn: „Es gibt viel, was ich gern getan hätte und noch mehr was ich gern gewusst hätte, aber jetzt bleibt mir nicht mehr viel Zeit.“ Zitternd streckte er Neji seine Hand entgegen. „Versprich mir nur eins: Führe an meiner Stelle meinen Kampf zu ende. Wanke nicht, du bist viel stärker, als du denkst“, flüsterte er. „Ich habe es sofort bemerkt“, fügte er hinzu. Ein friedlicher Ausdruck schlich sich auf sein Gesicht, als er merkte wie Neji zögernd seine Hand ergriff, kurz zurückzuckte, da er merkte wie heiß seine Haut war. Eine sanfte Brise strich über das Lager, wirbelte an einigen Stellen Staub auf. Ein Streifen Rosa zog sich durch den morgendlichen Himmel und hier und da hörte man das Zwitschern der Vögel. Langsam schloss Lee wieder die Augen, ein wenig kippte sein Kopf zur Seite. Der Druck seiner Hand ließ nach und einen Moment später glitt sie aus Nejis. „Ich verspreche es dir.“ Ganz leise durchschnitten Nejis Worte die Stille, daher war er sich nicht sicher, ob Lee ihn gehört hatte, aber es schien, als würde dieser lächeln. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Lees Zustand hatte sich über Nacht noch einmal extrem verschlechtert. Am Morgen hatten Neji und Naruto seine Verbände gewechselt und das Erste, was sie bemerkten, war der widerliche Geruch, der von seinen Wunden ausging. Die Blutung war zwar größtenteils gestoppt, doch jetzt war die Haut um die Wunde herum merkwürdig weiß und an der Stelle, wo Tenten provisorisch die schwerwiegendste Verletzung genäht hatte, sonderte diese eitrige Flüssigkeit ab. Die unausgesprochene Gewissheit, dass Lee ohne ärztliche Behandlung in den nächsten Tagen sterben würde, lag in der Luft. Es fiel ihnen an diesem Morgen schwer weiterzugehen, das Verladen des Gepäcks erwies sich als schwer und die Ausdauer, die zur Pflege der Verletzten gebraucht wurde, zerrte an den Kräften derjenigen, die den Kampf unverletzt überstanden hatten. Düstere Stille lag über der ganzen Prozession und gesprochen wurde nur, wenn es unbedingt nötig war. So dauerte es fast den ganzen Morgen, bis alle abmarschbereit waren. Gegen Mittag lichtete sich der Wald und schließlich fanden sie die Straße, die sie zu ihrem Ziel führen sollte. Es war geradezu befreiend der Ödnis des immerwährenden Waldes entkommen zu sein. Im Gegensatz zu kahlen Bäumen säumten nun abgeerntete Felder beide Seiten der gepflasterten Straße. Neji führte den Zug an, während Tenten bei den Verletzten blieb. Zum einen, um sich um eben diese zu kümmern und zum anderen, um selbst unerkannt zu bleiben, falls sie jemandem begegnen würden. Neji starrte auf die Straße. Sein Pferd, das wundersamer Weise noch immer im Wald gewesen war, als er nachgeschaut hatte, hielt er am Halfter. An manchen Stellen war sein Fell zwar von Blut verkrustet, doch hatte es den Angriff beinahe unbeschadet überstanden, was ein Grund dafür gewesen war, dass es nun mit allerlei Verpflegung beladen war. Nejis Augen folgten der Straße. Wie eine Schlange wand sie sich zwischen den Feldern und dem Wald hindurch, das Ende jedoch lag noch so fern, dass man nicht einmal erahnen konnte, wo der Weg schließlich sein Ziel erreichte. Nach einer Weile wurde die Gegend bewohnter. Hier und da konnte man kleine Ansiedlungen von Häusern erkennen und einmal kamen sie sogar an einer kleinen Gaststätte vorbei. Es waren nicht viele Reisende unterwegs und so achtete Neji darauf, möglichst keine Aufmerksamkeit zu erregen. Da sie nun kein Regen mehr aufhielt, kamen sie auch etwas schneller voran, aber der Transport von Verpflegung und die Pflege der Kranken nahmen Zeit in Anspruch. Ob sie überhaupt ankommen würden? Nach so viel Leid und Kampf erschien es Neji beinahe als einzige Möglichkeit zu überleben. Gleichzeitig fürchtete er den Moment, an dem er abhängig war von der Güte der Naras, der sich als der einzige Ausweg zu entfalten schien. Mit einem Schwert konnte er gegen diese Macht nichts ausrichten, ein Fehler und alles wäre vorbei. „Woran denkst du?“, sagte jemand neben ihm. Ein wenig in Gedanken versunken drehte Neji sich um. Als er neben sich blickte, erkannte er Hinata. Kurz sah er ihr in die Augen, dann setzte er seinen Weg fort. Ohne einen Laut folgte ihm seine Cousine, raffte ihre nun leicht schmutzigen Kleider hoch und hielt Schritt. „Ich frage mich, was uns erwartet, sollten wir scheitern“, sagte er dann. Hinata strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und betrachtete dann die Felder um sie herum. „Du denkst immer so viel nach, Neji. Vielleicht ist es manchmal besser die Dinge auf sich zukommen zu lassen. Nicht alles ist bis ins kleinste Detail geplant.“ Wieder sah er sie an, suchte nach etwas Vertrautem und fand in ihren Zügen etwas, das ihn an ein Zuhause erinnerte. Ihm wurde ein bisschen leichter ums Herz und die Verantwortung schien auf einmal nicht mehr so schwer auf seinen Schultern zu lasten. „Vielleicht hast du Recht, Hinata. Ich mache mir zu viele Gedanken.“ Der Wind wehte Hinatas Haare ein wenig umher und dann fielen sie ihr elegant über die Schultern. Hinata lächelte. Schüchtern wie es in ihrer Natur lag und auch ein bisschen traurig. „Nicht immer sind solche Gedanken schlecht, Neji, ich glaube es war richtig, dass du mich in diesem Moment nicht zu Lee gehen gelassen hast. Ich hätte es nicht ertragen einen Menschen, der mir so nahe steht, so verletzt zu sehen.“ Neji blickte nach vorn um sie nicht ansehen zu müssen. Irgendwie brachte er es nicht übers Herz ihr zu sagen, dass Lee nicht schwerkrank war, sondern zwischen Leben und Tod schwebte... „Er wird leben, Hinata“, sagte er stattdessen, aber er wich ihrem Blick aus. „Ich bete dafür“, antwortete sie. Es wurde Mittag und noch immer konnte Neji nichts anderes als flaches Land ausmachen. So weit das Auge reichte, erstreckten sich Wiesen und Felder und die endlose Straße, die der einzige Wegweiser ihres Zieles war. Die grelle Sonne stach in Nejis Augen und er blinzelte ins Licht. Die Luft flimmerte ein bisschen von der hohen Luftfeuchtigkeit, aber Neji sah sie trotzdem. Eine Gruppe Reisender näherte sich von Westen und so wie es aussah, würden sie sich an der nächsten Kreuzung treffen. Aus der Ferne schätzte er sie auf eine Gruppe von höchstens zehn Personen. Kurz sah er sich um, entschied aber, dass es das Beste war, weiterhin unerkannt zu bleiben. Er musste wachsam sein. Es dauerte nicht lange und sie erreichten die Weggabelung. Jetzt konnte Neji sie deutlicher erkennen. Es waren keine Soldaten, aber auch keine Bauern. Händler? Unwahrscheinlich. Sie trugen allesamt schlichte Kleidung und schienen auch nicht besonders viel Gepäck zu haben. Für Händler zu wenig, für Bauern oder Diebe zu viel. Manche ritten ein Pferd, während andere ihr weniges Gepäck auf den Rücken eines Esels befestigt hatten. Außerdem hatten alle keine Waffen bei sich, das musste heißen, dass sie entweder verborgene bei sich trugen oder aber hier keinerlei Angriff fürchten mussten. Sie unterhielten sich lebhaft und so war es kaum verwunderlich, dass eine lustige, aufbruchsartige Stimmung in der Luft lag. Es konnte wohl keinen größeren Unterschied zwischen ihnen und den Fremden geben, fand Neji. Beinahe schienen sie so, als erwarteten sie in kurzer Zeit an ihrem Ziel anzukommen. Ein hochgewachsener Mann trat aus der Menge auf ihn zu. Der Fremde trug ein sandfarbenes Hemd und eine dichte Leinenhose. Er hatte kurze schwarze Haare, die widerspenstig abstanden und trug seinen Kinnbart kurz und gepflegt. Auf dem Rücken hatte er einen Lederbeutel geschultert. „Wohin des Weges?“, fragte er. Neji beschloss weiterhin Vorsicht walten zu lassen und antwortete: „Mal hier mal dort. Wir sind Händler.“ Der Fremde runzelte die Stirn und Neji bemerkte wie sein Blick auf den Bogen und das Schwert fiel. „Seit wann tragen Händler Waffen bei sich?“ Aufmerksam beobachtete der Mann Nejis Mimik. „Man kann nicht vorsichtig genug sein“, wich er aus. „Ihr sprecht so, als hättet ihr bereits Erfahrungen gemacht.“ Sein Blick fiel auf den Verband an Nejis Arm. „Wir hatten einige Schwierigkeiten...“, sagte er sacht, aber bestimmt. „Das glaube ich gern. Die Zeit ist voll von Schwierigkeiten. Erst letzte Woche haben die Rebellen die Vorräte eines ganzen Dorfes geraubt.“ Neji horchte auf. „Was?!“ Fragend sah ihn der Fremde an „Habt ihr nicht davon gehört? Es ist fast ein Wunder, dass niemand bei dem nachfolgenden Feuer umgekommen ist.“ Nejis Augen funkelten und die Wut packte ihn mit einer solchen Wucht, dass er glaubte unter ihr erstickt zu werden. Ohne dass er es mitbekam, ballte er seine Hände zu Fäusten. Überrascht sah ihn der Mann an. „Ihr wirkt so, als wäret Ihr den Rebellen schon begegnet, dabei seid Ihr noch so jung.“ „Ja. Ich bin ihnen begegnet“, sagte Neji. Mehr nicht und der Mann verstand und fragte nicht weiter nach. Nachdem sie schließlich eine Weile stillschweigend nebeneinander gestanden hatten, sagte er: „Die Wunden, die die Vergangenheit in uns geschlagen haben, mögen wir nicht mehr ändern zu können, aber alles was vor uns liegt, ist greifbar.“ Ein Lächeln schlich sich auf Nejis Gesicht und kaum merklich entspannte er sich. „Ihr seid sehr weise. Was macht jemand wie Ihr hier im Nirgendwo?“ Ein listiges Funkeln schlich sich in die Augen des Fremden: „Mein Name ist Asuma Sarutobi. Wir sind im Auftrag von Shikaku Nara unterwegs und befinden auf dem Rückweg zum Anwesen der Naras. Wollt Ihr uns nicht ein Stück begleiten Samurai?“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die weitere Reise erschien Neji im Vergleich zu dem vorherigen Wegstück um ein Vielfaches einfacher und unkomplizierter. Durch Asumas freundliches Angebot konnten sie sich einfach unter die Gesandtschaft mischen und es erscheinen lassen, als gehörten sie alle zusammen. Die Verletzten waren in dieser Masse ebenfalls größtenteils verborgen, sodass eventuelle Weggefährten nicht auf sie aufmerksam werden konnten. Der ältere Mann hatte mit irgendeiner Art Nejis Vertrauen geweckt, was bei ihm relativ selten vorkam. Doch trotzdem war da immer noch ein Teil von ihm, der weiterhin skeptisch war und ihn dazu brachte dem neuen Weggefährten immer wieder verunsicherte Blicke zuzuwerfen. Doch Asuma schien nichts davon zu merken. Im Gegenteil: Fast lässig führte er sein Pferd neben Neji her und zog ab und an mal an seiner Pfeife. Neji wandte sich wieder dem übrigen Geschehen zu. Es herrschte eine für ihn fast unerträgliche Lautstärke, Wagen scharten über den Stein, irgendwoher konnte er wüste Beschimpfungen hören. Die Menschen redeten furchtbar durcheinander, was eine so plötzliche Veränderung nach einem Todeskampf war, dass er sich unwillkürlich zwingen musste, unnötige Geräusche auszublenden. Unauffällig beobachtete er Tenten und Hinata, die in einer Art übereinkommenden Stillschweigens nebeneinander hergingen. In beiden Gesichtern konnte er tiefe Erschöpfung ablesen und auch er selbst merkte jetzt immer deutlicher, dass er am Rande seiner Kräfte stand. „Was ist?“, fragte Asuma, noch immer dieses undefinierbare Lächeln im Gesicht. Neji zuckte zusammen. Es war kein gutes Zeichen, dass er nicht mitbekommen hatte, wie der Mann ihn beobachtet hatte. Sein Herz raste, während seine Hand reflexartig zu seiner Waffe geschnellt war. Asuma nahm die Zigarette aus seinem Mund und betrachtete ihn nachdenklich. „Du bist seltsam“, stellte er dann fest. „Du bist eigentlich im genau richtigen Alter eines Samurai. Die Ausbildung abgeschlossen und so weiter, aber dennoch ... wirkst du unerfahren.“ Neji antwortete nicht, sondern starrte nur vor sich hin. „Und trotzdem scheinst du zu wissen, was du tust“, fuhr Asuma fort, „warum bist du dann so nervös?“ Neji drehte ein wenig den Kopf in seine Richtung. „Ist es nicht gut für einen Samurai, dass man nicht genau weiß, was er denkt?“ In Asumas dunklen Augen blitzte so etwas wie Interesse auf. Er schmunzelte. „Anscheinend ist zumindest deine Denkweise die eines Samurai.“ „Denken ist etwas, das im Inneren stattfindet, man hat mir beigebracht das Handeln an die erste Stelle zu setzen.“ „Du wirst noch genug Gelegenheiten haben dies zu zeigen, glaub mir.“ „Asuma-San!“ Neji und Asuma drehten sich um und sahen einen bärtigen Mann auf sich zukommen, der eine genervte Miene aufgesetzt hatte. Asuma zog an der Leine und brachte sein Pferd zum Stehen. „Was ist los, Hiroshi?“ Der Mann namens Hiroshi spannte verärgert seine Muskeln an. „Seht selbst!“ Gestikulierend deutete Hiroshi auf eine Wiese abseits der Straße. Nejis und Asumas Blick folgten der Richtungsvorgabe. An einen Stein gelehnt, dessen Schatten er ausnutzte, saß ein junger Mann die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Die Haare hatte er am Hinterkopf zusammengeknotet. Dazu trug er größtenteils unauffällige Kleidung in Naturtönen. Doch trotz der Tatsache, dass er schlief, konnte man deutlich den gelangweilten Ausdruck in seinen Zügen erkennen. Anscheinend hatte er nicht vor sich noch einmal zu erheben. Im ersten Moment hatte Neji wirklich das Gefühl, dass er nicht schlafe, sondern sich dort mitten im Nirgendwo einfach zum Sterben niedergelegt hätte. Asuma stieß einen Seufzer aus, der wohl aus tiefstem Herzen zu kommen schien. „Nicht schon wieder...“, murmelte er. „Shikamaru!“ Er ließ sowohl Neji, als auch Hiroshi stehen und machte sich auf den Weg zu dem Unruhestifter, der nicht mal mit der Wimper gezuckt hatte, als er gerufen wurde. So gebieterisch wie möglich marschierte Asuma mit furchteinflößend genervter Miene zu dem Jungen namens Shikamaru. Ohne, dass Neji es bemerkt hatte, war auch Hiroshi plötzlich verschwunden und in der Menge untergetaucht. War er etwa an Zwischenfälle dieser Art gewöhnt und hatte sich aus dem Staub gemacht? Um ehrlich zu sich selbst zu sein, fühlte sich Neji ein klein wenig übergangen. Die hatten ihn doch schlicht und einfach stehen gelassen! Währenddessen hatte sich Asuma breitbeinig vor Shikamaru aufgebaut. Die Hände an die Hüften gelegt funkelte er wütend den unter ihm schlafenden jungen Mann an. „Shikamaru, ich warne dich ...“ Es gab keinerlei Reaktion und mit dem Ausdruck in den Augen ein ungehorsames Kind zu bestrafen, packte Asuma ihn mit einer ruckartigen Bewegung am Kragen und rüttelte ihn ungeachtet seines Schlafes kräftig durch. Abrupt aus seinen Träumen gerissen, öffnete der Junge halb sein linkes Auge, klappte es aber gleich wieder zu, als er Asumas wütenden Gesichtsausdruck sah. „Jetzt reicht‘s!“, knurrte dieser. „Das ist jetzt schon die fünfte Verzögerung, die ich deinetwegen erdulden muss! Und tu ja nicht so, als würdest du schlafen, ich habe ganz genau gesehen wie du geblinzelt hast!“ Es folgte ein Brummen seitens Shikamaru, das verdächtig nach etwas Abwertendem klang. Asuma hatte sich in der Zwischenzeit zumindest teilweise wieder beruhigt und beschränkte sich nun damit auf Shikamaru einzureden. „Ist ja schon gut“, unterbrach ihn der jüngere mitten in seinen Argumenten. „Ich komme ja mit“, sagte er genervt. Einen Moment sah ihn Asuma abschätzend an, dann seufzte er: „Was zum Teufel hat dich nun schon wieder dazu bewogen ein Mittagschläfchen halten zu wollen?“ Shikamaru klopfte sich den Staub ab. „Ich wollte eine Pause machen und mir ein bisschen die Zeit vertreiben“, sagte er monoton, zeigte allerdings keine Anzeichen von Reue wegen seines Mangels an Durchhaltevermögen. Asuma blieb skeptisch: „Nachdem du uns bereits vier Mal aufgehalten hast?“ „Ich wollte von Anfang an nicht mitkommen“, brummte er. Darauf wusste selbst Asuma nichts mehr zu sagen. Unbemerkt war nun auch Neji hinzugetreten. „Asuma-San, können wir jetzt weitergehen? Ich habe keine Zeit mich mit kindischen Spielereien aufzuhalten.“ Asuma richtete sich auf. „Natürlich. Wir müssten sowieso sofort ankommen, es kann sich nur noch um eine kurze Zeitspanne handeln.“ „Dann kann ich ja nachkommen“, warf Shikamaru ein, was ihm einen strafenden Blick seitens Asuma einbrachte. „Du kommst mit ...“ Widerwillig rappelte sich der Braunhaarige auf, klopfte sich den Staub von den Kleidern und gähnte ausgiebig. „Nie hat man seine Ruhe“, grummelte er und marschierte auf die Gruppe zu. „Ist der immer so?“, wandte sich Neji an Asuma. Dieser hatte schon die zweite Zigarette ausgepackt und steckte sie sich nachdenklich an. Dann sah er aus, als würde er in Erinnerungen schwelgen, lächelte versonnen und meinte: „Eigentlich ist er sonst sogar noch schlimmer. Ein Wunder, dass er sich gleich beim zweiten Versuch aufgerafft hat.“ „Warum bringt Ihr ihm dann keine Manieren bei?“ Asuma schien sich die Antwort zu überlegen. „Das ist ein Ding der Unmöglichkeit“, sagte er dann und dabei beließ er es. Neji folgte Asuma nicht. Er wusste nicht, was es war, aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Vielleicht war es die Tatsache, dass etwas so Normales wie ein aufsässiger junger Mann sie aufgehalten hatte. Oder war es Shikamarus Art vollkommen lustlos zu sein, die das pure Gegenteil seiner stahlharten Disziplin zu sein schien? Stumm ging er mitten in der Menge. Der Vorfall hatte ihn nachdenklich gemacht. Er bemerkte eine Bewegung hinter sich und als er sich umdrehte sah er Naruto, der zu ihm aufgeschlossen hatte. „Was sind das für Leute, Neji?“ „Sie behaupten, sie seien ebenso wie wir auf dem Weg zum Anwesen der Naras.“ Flüchtig ließ Naruto seinen Blick über Nejis Gesicht gleiten. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir ihnen vertrauen können, was denkst du?“ Neji zögerte. „Ich weiß nicht genau ...“ „Das heißt dann, dass du ihnen nicht misstraust, dir aber auch nicht sicher bist?“ Er zuckte zusammen. Naruto hatte ihn genauer durchschaut, als ihm lieb war. „Wir können niemanden trauen, Neji, vergiss das nicht.“ „Ich weiß.“ Beide gingen wortlos nebeneinander her. Was Neji wunderte, denn Naruto war normalerweise niemand, der besonders wortkarg war. Aber anscheinend hatte die Anspannung und ansteigende Furcht auch bei ihm Eindruck hinterlassen – oder, und das fragte er sich nun schon eine ganze Weile lang, gab es bei Naruto eine Seite, die niemand kannte? Neji blickte auf. Er konnte das Ende der Straße erkennen. Durch die karge Landschaft konnte er ungehindert ein bis zwei Kilometer weit sehen. Und am Ende der Straße befand sich ein Anwesen gigantischen Ausmaßes. Fast wirkte es wie eine kleine Stadt, denn die umliegenden Gebäude waren rund herum um das Hauptgebäude erbaut worden. Dicht an dicht gedrängt wirkten sie wie ein natürlicher Schutz, da man erst durch verwinkelte Gassen und Straßen das Hauptgebäude erreichen konnte. Das Anwesen selbst hatte man mit derzeitiger höchster Baukunst geschaffen. Das Dach, das um die zwanzig Meter hoch liegen musste, war mit goldgelben Dachpfannen bestückt, die das Dach in einem sanften Bogen zu einer harmonischen Form verhalfen. Das Haus war ganz aus Holz und hatte mehrere Balkone und Terrassen. Neji spürte, wie sich die Laune der Menschen um sich herum anstieg. Sie hatten endlich ihr Ziel erreicht. Naruto hatte einen grimmigen Ausdruck aufgesetzt, verschränkte die Arme und fixierte das hochragende Gebäude am Ende ihres Weges. Er wandte sich an Neji: „Nur, weil die Bestie schläft, wenn du ihren Käfig betrittst, heißt das nicht, dass sie plötzlich nicht mehr da ist.“ Neji drehte den Kopf herum und für einen Moment schien er die Geräusche um sich herum nicht mehr wahrzunehmen: „Du irrst dich, Naruto, ich werde nicht blind in mein Verderben laufen. Diesmal nicht.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Von Nahem wirkte das Gebäude noch mächtiger. Schon die Häuser ringsherum in denen Familien, Arbeiter und Bedienstete der Familie Nara lebten, waren gewaltig, doch das Hauptgebäude war beinahe so groß wie der Palast in Konoha - Gakure. Nebenan hatte man einen traditionellen japanischen Steingarten arrangiert, der sowohl Schlichtheit, aber auch Klugheit und Macht verdeutlichte. Tenten musste gestehen, dass ihr der Anblick ein wenig den Mut nahm. Noch nie war sie so völlig auf sich gestellt gewesen, wie jetzt. Das einzig Positive war gewesen, dass Ino endlich erwacht war, wenn auch angeschlagen und mit einem blauen Fleck auf der linken Wange, dort wo er sie geschlagen hatte. Sie fühlte sich niedergeschlagen, erschöpft und vor allem nervös. Sie wusste nicht, wem sie trauen konnte – Asuma Sarutobi schien zwar eine gewisse Macht zu besitzen, auf welcher Seite er stand, wusste sie jedoch nicht. Es war klar, dass sie vorsichtig sein musste – sehr vorsichtig. Wenn sie versagte, wer würde Konoha-Gakure dann zu Hilfe eilen? Dies alles ging ihr durch den Kopf, als sie unter dem hölzernen Tor hindurchging. Hinein eine Welt voller Ungewissheit und Geheimnisse. Nichts ahnend, was passieren würde. Tenten betrachtete die Menschen um sich herum. Menschen, unter denen sie nicht als das erkannt wurde, was sie war, wo man sie zum ersten Mal als die verstand, die sie war. Und doch, war es doch nichts weiter als eine weitere Maske, die sie sich aufgelegt hatte. Sie atmete tief durch, nahm eine aufrechte Haltung ein und schritt entschlossen auf Asuma zu. Tenten bemerkte, wie Hinata ihr einen fragenden Blick zuwarf, aber sie achtete nicht darauf. Vor Asuma blieb sie stehen. Er sah sie eine Weile verblüfft an – natürlich, er wusste nicht, wer sie war – und runzelte dann die Stirn. „Asuma Sarutobi“, begann Tenten. „Ja? Wie kann ich Euch helfen?“ Die dunklen Augen nahmen einen fragenden Ausdruck an. Tenten richtete den Blick direkt in seine Augen. „Ich bin Tenten, Tochter Mao-Chéngs, dem Fürsten von Konoha und ich wünsche eine Audienz bei Shikaku Nara.“ „Was?“ Seine ruhige Miene verblasste und machte Ungläubigkeit Platz. Seine Höflichkeit schwang in neugieriges Interesse um, das er zwar zu verbergen versuchte, das ihm aber nicht recht gelang. Asuma blickte sie an, als würde er irgendetwas suchen, seine eben noch gelassene Miene spiegelte nun einen etwas überrumpelten, vorsichtigen Ausdruck wieder. Sein Blick schnellte kurz über die Menge und blieb an Neji hängen. „Jetzt verstehe ich“, begann er langsam, „ich bringe Euch zu Shikaku Nara. Folgt mir.“ Tenten zögerte, sie konnte sich nicht ohne Schutz hineinbegeben. „Ich möchte Euch bitten mir zu erlauben ein oder zwei vertrauenswürdige Männer zur Verfügung zu stellen.“ Asuma ruckte mit dem Kopf. „Haltet Ihr uns nicht für vertrauenswürdig, Tenten-Hime?“ „Man kann nicht vorsichtig genug sein, Asuma-San.“ „Wollt ihr mir damit irgendetwas sagen?“ Asuma war stehengeblieben und betrachtete sie nun mit offenem Interesse. Tenten stoppte abrupt. „Ich ...“ „Ich begleite Euch, Tenten-Hime.“ „Neji-San...“ „Dann wäre das also geklärt“, sagte Asuma zufrieden. Tenten warf Neji noch einen flüchtigen Blick zu, beeilte sich dann aber mit Asuma Schritt zu halten, der schon fast das riesige Gebäude erreicht hatte. Sie kamen an mehreren Wachen vorbei, aber keiner hielt sie auf ihrem Weg auf. Auf halber Strecke holte Shikamaru sie ein. Was merkwürdig war, denn ein gewöhnlicher Diener durfte normalerweise nicht bei wichtigen Besprechungen dabei sein. Vielleicht arbeitete er irgendwo im Gebäude. Sie gingen durch eine Allee von Sakurabäumen, die alle Blätter verloren hatten und deren Äste und wettergegerbte Rinde man ungehindert betrachten konnte. Inmitten der Pracht und des Reichtums war dies ein merkwürdiger Anblick. Sie vermittelten ein Gefühl des Verlustes. Asuma blieb stehen und sprach mit zwei Soldaten, die den Eingang des Hauses zu beiden Seiten absicherten. Tenten verlangsamte ihren Schritt ebenfalls und Neji hielt sich dezent im Hintergrund. „Ihr müsst nun Eure Waffen ablegen, es ist ein Zeichen des gegenseitigen Respekts und des Vertrauens“, drang Asuma Stimme gedämpft an Tentens Ohr, als dieser sich Neji zugewandt hatte. Neji zögerte zuerst, bevor er schließlich Bogen und Schwert in die Hände der Soldaten gab. Sie streiften ihre Getas, ihre Holzsandalen ab, dann traten beide Männer zur Seite und sie konnten hindurch gehen. Ihre in Strümpfe gehüllten Füße berührten eine glatte Holzterrasse, sodass sie beinahe hinüber gleiten konnte. Doch beim Auftreten erfüllte ein merkwürdiges Geräusch die Luft. Es war kein Quietschen, aber auch keine richtige Musik. Tenten hatte nie etwas Vergleichbares gehört und so zuckte sie überrascht zusammen. „Was ist das, Asuma-San?“ Asuma deutete eine Verbeugung an. „Diese Holzebene wird Nachtigallenboden genannt. Geht man herüber wird dieses Geräusch erzeugt, dass Ihr soeben selbst vernommen habt. Es heißt, dieser Boden singt, wenn man herüber geht. Immer, wenn man herüber geht. Niemand kann darüber gehen, ohne ein Geräusch zu verursachen.“ Tenten war verwirrt: „Aber warum braucht Nara-San solch einen Boden?“ Asuma lächelte: „Nun es amüsiert ihn, wenn er früh morgens darüber geht und das Holz unter sich singen hört. Zudem hält es Eindringlinge fern, denn diese würde man sofort hören, sollte jemand wagen darüber zu gehen. Dies ist der einzige Weg ins Gebäude. Aber nun kommt. Shikaku Nara erwartet Euch bereits, ich habe einen Boten vorgeschickt.“ Schweigend gingen sie weiter durch das Gebäude, das überraschenderweise ziemlich schlicht gehalten war, was man auf den ersten Blick gar nicht vermutete, wenn man es zuvor von außen in all seiner Pracht gesehen hatte. Die Gänge waren aus blank gewienerten Holz und angrenzende Räume wurden durch Trenntüren abgegrenzt. Nachdem sie die Treppe zum zweiten Stock hochgegangen hatten, kamen sie schließlich an einer Schiebetür an, die reicher verziert war als die anderen im Haus. „Shikaku erwartet Euch, ich werde Euch nun ankündigen.“ Er legte eine Hand an die Tür und machte Anstalten sie aufzuschieben. „Wartet, Asuma-San. Woher, wusstet Ihr, dass ich tatsächlich die Tochter Mao-Chéngs bin, ich habe Euch meine Identität nicht eindeutig bewiesen.“ Asuma hielt inne. „Aus dem gleichen Grund, aus dem ich erkannt habe, dass Euer Begleiter ein Samurai ist, obwohl er versuchte dies zu verbergen: Ich habe Euch in die Augen gesehen und an Eurem Blick erkannt, wer Ihr seid.“ Insgeheim hielt Tenten das für eine reichlich merkwürdige Erklärung, aber sie wagte auch nicht weiter nachzubohren. Tenten merkte, wie Neji unmerklich zusammengezuckte und Asuma mit fragenden Blick durchbohrte, aber ihr blieb keine Zeit weiter darüber nachzudenken, denn ihr Führer hatte nun die Tür vollends aufgeschoben und trat in den mit Tatamimatten ausgelegten Raum. An einer Wand hing ein auf feinem Papier geschriebenes Gedicht, das mit schwungvollen Pinselstrichen den Raum zu einer einzigartigen schlichten Schönheit aufblühen ließ. Aber Tenten erhaschte nur einen kurzen Blick und konnte daher nicht schnell genug lesen, was die Kalligraphie beschrieb. Im hinteren Teil des Raumes kniete ein Mann. Im Gegensatz zu seinen Ergebenen trug er merklich prächtige Gewänder, wenngleich sie in gewisser Weise noch immer schlicht waren. Aber Tenten ließ sich nicht täuschen, der Kimono, den er trug war gewissenhaft und meisterlich angefertigt, hier und da von Goldfäden durchwirkt. Mit viel Detailliebe waren verschiedene Muster hineingearbeitet, die Tenten als Göttergestalten wiedererkannte. Im Großen und Ganzen verlieh die prächtige Kleidung seinem Träger die genau richtige Mischung zwischen Eleganz, Macht und praktischer Entscheidungsfreude. Das Gesicht des Mannes war ernst und dann wieder völlig gelassen. Es waren so viele Widersprüchlichkeiten darin verwoben, dass Tenten verwirrt blinzelte. Über eine Gesichtshälfte prangte eine gerade Narbe, die von vergangenen Auseinandersetzungen kündete. Die Haare hatte er provisorisch zusammengebunden, was sie allerdings nicht davon abhielt trotzdem in verschiedene Richtungen abzustehen. Er hatte dunkle kluge Augen, die in diesem Moment eine Teetasse mit dampfender Flüssigkeit betrachteten. Tenten holte merklich Atem. Shikaku Nara sah auf und fixierte sie mit durchdringendem Blick, der seine Autorität nur noch unterstrich. Ohne dass sie es bemerkte, waren sowohl Asuma und Neji eingetreten. Sie selbst stand plötzlich mitten im Raum, was sie gar nicht so richtig mitbekommen hatte. „Ich habe Euch bereits erwartet, Tenten-Hime.“ Er hatte eine dunkle Stimme, die das ganze kleine Zimmer ausfüllte, in dem sie sich befanden. Tenten senkte ein wenig die Lider, öffnete dann ihre Augen und deutete ein Lächeln an. „Setzt Euch.“ Elegant ließ Tenten sich ihm gegenüber auf ein Sitzkissen sinken. Asuma setzte ein kleines Stück entfernt neben seinen Herren, während Neji sich in gebührenden Abstand schräg hinter sie setzte. Allerdings so, dass er zu Shikaku Nara eine entsprechende Entfernung einhielt. Die Sitzordnung machte deutlich ihre Rangordnung sichtbar. Während Shikaku Nara und Tenten sich ebenbürtig waren, hielten sich Neji und Asuma im Hintergrund, was ihren niederen Stand verdeutlichte. Würde es jemals einen Moment geben, wo sich Neji ihr gleichwertig fühlen würde? Bitter erkannte sie die Wahrheit. Es würde niemals geschehen, er hatte es selbst gesagt. Er würde sein Leben für sie einsetzen, ihr dienen bis zu seinem Tod, aber nicht aus seinem eigenen Antrieb heraus. Neji würde es als ihr Diener tun ... „Nun?“ Shikaku Nara nippte an seinem Tee. „Was führt Euch zu mir?“ Tenten schreckte aus ihren Gedanken. „Mein Vater hat mich beauftragt Euch um Hilfe zu bitten. Er hat mir das hier für Euch mitgegeben.“ Tenten griff in ihren Kimono, holte eine aus schwerem Papier bestehende zusammengebundene Schriftrolle heraus und reichte sie Shikaku Nara. Es war ein wahrer Segen, dass sie das Papier nicht unterwegs verloren hatten, denn sonst wären ihre Chancen gleich Null gewesen. Dieser nahm sie entgegen und rollte sie auseinander. Schnell huschten seine Augen über das Pergament. Die Zeit schien endlos zu verstreichen, bis er sich ihr wieder zuwandte: „Es ist echt, ich kenne die Unterschrift des Fürsten. Mao-Chéng bittet mich um Hilfe in seinem Krieg gegen die Rebellen.“ Tenten fühlte sich angesprochen noch etwas zu sagen und so erwiderte sie: „Mein Vater braucht Unterstützung, sonst wird ganz Konoha untergehen. Wir brauchen Verbündete!“ „Warum sollte ich Euch helfen? Hier herrscht Frieden, ich dulde auf meinem Land keine Gewalt.“ „Ihr seid ein Freund meines Vaters, nie hat Konoha-gakure Euch im Stich gelassen!“ „Ich schicke meine Männer nicht in den sicheren Tod!“ Sie verstummte. Eine Weile sagte keiner ein Wort. „Ihr habt die Worte meines Vaters gelesen Nara-San, die Rebellen sind mächtig und über die Zeit hinweg werden sie mehr und mehr Einfluss beim Volk erhalten, ihre Zahl steigt, während die Armee meines Vaters immer mehr Soldaten durch ihre Angriffe verliert. Es entsteht eine Verschiebung des Kräftegleichgewichts. Bleiben wir in Konoha-Gakure, wird die Armee der Rebellen irgendwann groß genug sein uns anzugreifen, teilen wir die Armee, ist Konoha ungeschützt. Die ausgeschickte Streitmacht wird vielleicht nicht ausreichen um die Rebellen zu vernichten, wenn sie nicht schon auf der Suche scheitert. Wir haben bald Winter ... Deshalb suchten wir einen Ausweg ... und wir fanden einen...“ „Ihr wollt meine Streitkraft der Euren hinzufügen, um so weiterhin zahlenmäßig überlegen sein?“, brach er sein Schweigen. „Aber hier haben wir nichts zu befürchten. Mein Anwesen ist kein Dorf oder Stadt, sie werden es nicht angreifen.“ Tentens Stimme war beängstigend leise, als sie erneut sprach: „Hier seid Ihr auf Dauer auch nicht in Sicherheit, die Rebellen sind Euch näher als Ihr ahnt.“ Shikakus Blick nahm an Schärfe zu, während er das Papier behutsam auf den Boden gelegt hatte. „Was meint Ihr damit?“ Tenten blickte schnell zu Neji, der bis dahin ausdruckslos zugehört hatte. Er nickte unmerklich. „Wir ... wir sind ihnen begegnet. Sie haben uns angegriffen, deshalb ist die Hälfte meiner Eskorte“, betonte sie, „entweder tot, oder schwer verletzt.“ Die Braunhaarige meinte ein kurzes Flackern in Shikakus Augen wahrzunehmen. „Wie seid Ihr dann entkommen?“ Zögernd blickte Tenten zu Neji. Asuma, der sie die ganze Zeit über beobachtet hatte, zog eine Augenbraue hoch. Schließlich wurde sich auch Shikaku Nara über Nejis Anwesenheit bewusst. „Sprich Samurai.“ „Ich habe mit ihm gekämpft, als die Rebellen uns in einen Hinterhalt gelockt haben“, sagte Neji langsam. Ruhig wie es seine Art war, ließ er sich nicht hetzen. „Ich habe mit Sasuke Uchiha gekämpft, der das Kommando hatte, und bin beinahe umgekommen.“ Shikaku Nara und Asuma nahmen flüchtig seine Verletzungen wahr. „Fahr fort.“ „Ich hatte Glück, für einen kurzen Moment war er abgelenkt. Ich habe ihm den Arm abgeschlagen, danach sind die Rebellen geflohen.“ Asuma und Shikaku Nara tauschten einen Blick. „In der Vergangenheit ist es niemanden gelungen ihn ernsthaft zu verletzten. Es kamen Gerüchte auf, der Verräter sei unverwundbar. Wie kommt es, dass du es geschafft hast? Welcher Samurai-Familie gehörst du an?“ Neji wirkte überrumpelt. „Ich gehöre keiner Familie an.“ Fragende Blicke lagen auf Neji. „Ich bin niemand, dem alles in den Schoß gefallen ist. Etwas, was ich Euch bieten könnte habe ich nicht, ich habe auch kein Recht Euch um etwas zu bitten, Nara-Sama, aber ich stimme Tenten-Hime zu, es muss etwas geschehen, deshalb sind wir in der Hoffnung gekommen, Hilfe zu erhalten. Sowohl für unsere Verletzen, als auch für unser Land.“ Neji schwieg. Sowohl Asuma, Shikaku Nara, als auch Tenten blickten ihn an – und sagten kein Wort. Shikaku Nara durchbrach die Stille: „Vorerst werdet Ihr hier bleiben, Ihr seid meine Gäste und selbstverständlich wird sich jemand um Eure Verletzen kümmern...“ Asuma verneigte sich leicht „Ich werde sofort entsprechende Maßnahmen ergreifen.“ Doch Tenten dachte nicht im Traum daran, diese Gelegenheit zu verspielen. „Morgen ist es vielleicht schon zu spät, Rock Lee schwebt in Lebensgefahr!“, unterbrach ihn Tenten. Shikamaru Nara ließ sich nicht erschüttern: „Wir werden alle notwendigen Maßnahmen treffen, in der Zwischenzeit werde ich eine Entscheidung treffen“, fuhr er fort. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Der Boden fühlte sich kalt an. Kleine Füße tappten vorsichtig den Gang entlang. Es war so finster, dass er sich an den Wänden entlang tasten musste. Die kleinen Finger versteiften sich in einer Lücke in der Wand, als er Stimmen hörte. Eine gedämpfte Diskussion wurde laut. Der kleine Junge ging weiter und hielt an einer Tür, durch die sanft Licht sickerte. Er schob leise die Tür auf und erspähte zwei Männer, die sich im Schein flackernden Feuers gegenüberstanden. „Hizashi, das kannst du nicht tun, sie werden dich töten.“ Der kleine Junge blinzelte durch den Spalt. Beide Männer glichen sich bis auf feinste Unterschiede bis aufs Haar. Sie waren Zwillinge. Einer von beiden begann nervös im Raum umherzulaufen. Nach einer Ewigkeit hielt der Angesprochene plötzlich inne. Gedankenverloren runzelte er die von Sorgen gebeugte Stirn. „Es gibt keine andere Möglichkeit, Bruder, sie haben mich gezeichnet. Orochimaru wird mich jagen.“ Hiashis Miene nahm Verzweiflung an. „Ja, er wird dich jagen, aber wir sind stark, du hast Verbündete, Hizashi, wir werden dich verstecken.“ Hizashi fuhr so schnell herum, dass der kleine Lauscher augenblicklich erschrak und sich vor die Tür kauerte. „Mein Leben lang, bin ich weggelaufen. Du weißt genau, dass mir keine Wahl bleibt.“ Seine Stimme war so eisig, dass sein älterer Bruder ein paar Schritte zurückwich. „Was wird aus Neji? Willst du deinen Sohn schutzlos zurücklassen? Er hat schon seine Mutter verloren.“ Auf dieses Argument schien Hizashi zunächst keine Antwort zu finden. Er senkte den Blick und betrachtete das Schwert, dass er an seiner Seite trug. Dann sagte er: „Neji ist stark, er wird seinen Weg finden. Kümmere du dich um ihn. Sei ihm der Vater, der ich nicht sein kann.“ Etwas verkrampfte sich in dem kleinen Jungen, eine dunkle Vorwarnung, die sich tief in sein Herz bohrte und ihm die Tränen in die Augen trieb, ergriff von ihm Besitz, obwohl er nicht genau verstand, worüber die beiden Männer redeten. Hiashi trat hinter seinen Bruder und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Er sagte nichts, nur in seinen Augen spiegelte sich unendliche Trauer. „Lass mich gehen, Bruder, ich versuche euch alle zu schützen“, sagte Hizashi leise. Immer noch erwiderte sein Bruder nichts. „Es tut mir leid, Hiashi, ich werde sterben.“ Vor der Tür sackte der kleine Junge zusammen. Tränen rannen ihm übers Gesicht, als er seinen Vater ansah. Er war fünf Jahre alt. Schweißgebadet schrak Neji aus dem Schlaf. Sein Herz hämmerte so stark, dass es eine Ewigkeit zu dauern schien, bis er sich wieder beruhigt hatte. Eine Weile blieb er auf dem Futon liegen, das man ihm zugeteilt hatte und ließ die Bilder, die ihm vor seinen Augen aufflackerten nachwirken. Noch immer atmete er schnell und kurz war er orientierungslos. Was war das für ein Traum? Er wirkte so echt, dass es ihm Angst machte. Was war nur los mit ihm? Neji wurde schwindelig und er musste die Augen schließen, um bei klarem Verstand zu bleiben. Kein Grund zur Panik, er hatte nur geträumt. Ein Traum nichts weiter... Langsam öffnete er die Augen und richtete sich in einer fließenden Bewegung auf. Neji fasste sich an die Stirn und stellte fest, dass das Tuch, mit dem er stets seine Tätowierung verdeckte, klatschnass war. Kurzerhand band er es los. Sofort wirkte die kühle Luft auf seiner Stirn mildernd, sodass er wieder klar denken konnte. Das Zimmer beherbergte fünf weitere seiner Kameraden, die nur leicht verletzt waren. Kotetsu drehte sich schnarchend auf die Seite, die anderen waren relativ ruhig. Neji wollte nicht hier bleiben, er hatte das Gefühl, dass er nachdenken musste. Es dauerte keine fünf Minuten, bis er auf der Terrasse war. Nachdenklich ließ er sich auf den Stufen nieder. Irgendwie überforderte ihn alles. Die Verantwortung, die er Mao-Chéng entgegenbringen musste, der Kampf gegen Sasuke Uchiha und nun ihre Bemühungen um ein Bündnis. Und jetzt dieser Traum, was hatte das alles zu bedeuten? Und Lee ... Shikaku Nara hatte Wort gehalten und Ärzte zu ihnen geschickt, aber anscheinend waren sie nur dazu in der Lage Lees Schmerzen zu lindern. Er war merklich ruhiger geworden, aber Neji hatte den Verdacht, dass das nicht reichte... Die Verletzung war viel zu komplex, als dass man sie einfach heilen konnte. Die Ohnmacht war das einzige, das ihn davor schütze noch mehr Blut zu verlieren, denn in diesem Zustand bewegte er sich nicht viel. Trotzdem war es ein Spiel gegen die Zeit... Von den anderen Verletzten waren zwei weitere im Laufe des Tages verstorben, drei waren wieder zu Kräften gekommen und befanden sich in Behandlung, die allerdings keine lebensbedrohliche Situation darstellten. Nachdenklich beugte sich Neji ein Stück vor. Er hatte auf einer Terrassentreppe Platz genommen, deren Gang einen rechteckigen Platz umschloss, der zugleich der Innenhof war. Plötzlich registrierte er eine Bewegung. Auf der gegenüberliegenden Terrasse huschte ein Schatten entlang. Neji runzelte die Stirn. Warum war da noch jemand wach? Er horchte, hörte aber kein Geräusch, obwohl sich derjenige ziemlich schnell bewegte. Die Gestalt verschwand im Gebäude. Neji stutzte. In genau dieser Richtung befanden sich sowohl die Schlafräume von Tenten, als auch von Shikaku Nara ... Was hatte das zu bedeuten? Normalerweise dürfte niemand Zutritt zu diesem Bereich des Gebäudes haben. Ihm wurde mulmig. Er musste nachsehen. So schnell er konnte hastete er dem Schatten nach und schon nach kürzester Zeit war er dort angelangt, wo er die Gestalt zuletzt gesehen hatte. Suchend sah er sich um und sah gerade noch wie jemand um die nächste Ecke lief. Sofort nahm Neji die Verfolgung auf und rannte hinterher. Er kam an einen langen Gang und einige Meter vor sich konnte er Konturen des Flüchtlings erkennen. Der Schatten war von schlanker Statur und völlig schwarz gekleidet. Für einen gewöhnlichen Menschen war er ungeheuer schnell. Obwohl er sich ungewöhnlich sparsam bewegte, nahm seine Geschwindigkeit stetig zu, sodass Neji kaum mithalten konnte. Es waren eine Art anmutiger fließender Bewegungen, die keinen Laut zu machen schienen. Sein Argwohn wuchs. Niemand konnte sich so völlig lautlos bewegen, nicht einmal seinem Meister traute er dies zu. Neji erschrak, als ein merkwürdiger Singsang vom Boden ertönte. Suchend blickte er sich um und bemerkte erst jetzt, dass er sich im gleichen Gang befand, der den Nachtigallenboden beherbergte. Die Gestalt hielt inne, drehte ihm den Kopf zu. Neji konnte weder sein Gesicht sehen, dass hinter einer Maske verborgen war, noch sonst irgendein Merkmal ausmachen. Ein durchdringender Blick traf den seinen. Der junge Samurai spürte wie er anfing zu zittern, er blieb stehen. Der Fremde strahlte unheimlich Macht aus, hielt jedoch nur für eine Sekunde an, drehte sich wieder um und verschwand ohne einen Laut über den Gang. Es war eine ungewöhnliche Art der Bewegung. Die Gestalt schien den Boden kaum zu berühren und eher darüber zu gleiten, als wirklich aufzutreten. Schnell, kraftvoll, doch zugleich auf irgendeine Weise traurig. Dann war er in der Dunkelheit verschwunden. Neji spürte wie sein Herz schneller klopfte. Der Fremde hatte keinen einzigen Laut verursacht, als er über das Holz gelaufen war. Der Nachtigallenboden schwieg. Und zwar nur für ihn. Ihn selbst hatte er schändlich verraten und der schwarzen Gestalt mitgeteilt, dass sie verfolgt wurde. Jetzt verstand Neji auch den Sinn des Bodens, es war keineswegs wie Asuma gesagt hatte, Shikaku Nara erfreute sich keineswegs jeden Tag nur an dem Lied des Nachtigallenbodens. Er war wie eine Alarmanlage. Durch einen Schritt würde er sich nicht verraten haben, aber wenn er darüber laufen würde, wäre der Krach so laut, dass sofort sämtliche Menschen aus dem Schlaf schrecken würden. Der Fremde würde in dem Durcheinander entkommen. Neji starrte auf das Holz, er musste einen anderen Weg finden. Er probierte, ob man seitlich an den Wänden vorbeikommen konnte, aber sobald er vorsichtig den Fuß auf eines der Bretter gesetzt hatte, ertönte ein lieblicher Ton, der ihn beinahe aufzufordern schien, voranzuschreiten. Aber Neji trat sofort einen Schritt zurück. Es war unmöglich. Wie war der Fremde bloß darüber gerannt ohne einen Laut zu machen? Er musste das ganze logisch angehen. Der Fremde war kein Freund, sonst wäre er nicht vor ihm geflohen. Er war in der Lage unglaublich schnell zu sein – und vollkommen lautlos. Etwas, was sein Nachteil war, denn selbst in seiner Meditation kam er nicht umhin winzige Geräusche zu machen. Er wurde zwar ein Teil seiner Umwelt, allerdings auch Teil ihrer Laute. Über diesen Weg konnte er den Unbekannten nicht einholen. Aber vielleicht ..., wenn er wusste, wer oder was sein Ziel war ... Plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Es war eigentlich völlig egal wer oder was der Fremde war, seine Aufgabe war es Tenten zu beschützen. Wenn allerdings die Tochter des Fürsten Ziel seines nächtlichen Besuches war ... Neji konnte kaum glauben, dass Tenten Wert auf den Besuch jemandes legte, der ganz offensichtlich nicht zu ihrem Freundeskreis zählte. Der junge Samurai überlegte fieberhaft, dann schlug er einen anderen Weg ein, der zwar verwinkelter war, als der, der über den Nachtigallenboden führte, auf dem man allerdings schneller nach oben gelangen konnte. Asuma hatte sie am Nachmittag im Gebäude herumgeführt, was jetzt sein Vorteil war. Neji hastete in die entgegengesetzte Richtung, lief durch die menschenleeren Gänge und kam schließlich keuchend im zweiten Stockwerk an. Er vergewisserte sich nach allen Seiten, konnte aber weder einen Menschen ausmachen, noch jemanden hören oder sehen. Doch er roch etwas. In der Luft lag ein süßlicher, schwerer Geruch, wie nach einem Parfüm. Es war, als würde etwas Schweres auf seine Sinne drücken, bis er merkte, dass er von dem Zeug schläfrig wurde und bereits halb zusammengesackt war. Er riss einen Stofffetzen an seiner Kleidung ab und drückte ihn gegen Mund und Nase, sodass er nichts einatmen konnte. Sein Pulsschlag verdoppelte sich, das musste heißen, dass alle Wachen eingeschlafen waren, deshalb hatte ihn niemand bemerkt. Suchend blickte er sich um. In diesem Gang waren sowohl die Gemächer von Tenten und Shikaku Nara, was als Zeichen des Respekts verstanden werden sollte. Es waren acht Wachen im Gang postiert und ausnahmsweise alle lagen zusammengesunken am Boden. Der Fremde hatte sie eingeschläfert, oder vergiftet, was auch immer. Der Gang war so still, dass es Neji schauderte. Der Fremde musste hier sein, alle Anzeichen sprachen dafür, aber er konnte ihn nicht sehen. Neji trat weiter in den Gang hinein, dann erstarrte er. Die Schiebetür, die zu Tentens Gemach führte, stand offen. So lautlos wie möglich bewegte Neji sich zur Öffnung vor. Er verfluchte sich, er hatte nicht mal eine Waffe. Dann stand er im Eingang und blickte in den Raum hinein. Tenten lag inmitten des Zimmers auf weiche Stoffe gebettet und mit so friedlichem Gesicht, dass man nur im Schlaf annahm. Ihre Haut glänzte silbern, als das Mondlicht darauf fiel. Es war wie ein Bild unvergänglicher Schönheit, aber Neji hatte keine Zeit darauf zu achten. Über Tenten stand der schwarz gekleidete Mann, ein merkwürdig gebogenes Messer in der Hand und setzte es an ihren Hals an. Sein Herz setzte einen Schlag aus, das war kein gewöhnlicher Fremder, das war ein Attentäter. Urplötzlich schnellte der Blick des Fremden auf und fixierte Neji auf eine von ihm bisher nie gekannte Art. Fast so, als wolle er ihn hypnotisieren. „Weg von ihr“, sagte er mit einem Kratzen in der Stimme, noch immer darum bemüht, das Tuch vor Mund und Nase zu halten. Der Fremde richtete sich auf, nahm aber die Waffe nicht weg. „Weg von ihr!“, sagte Neji noch einmal, diesmal lauter. Und das Wunder geschah. Der Fremde straffte die Schultern und ließ die Waffe in eins seiner Gewänder gleiten. Dann drehte er sich mit einer eleganten Drehung um und glitt zum Fenster. Neji stürzte ihm nach, doch er war zu langsam. Die schwarzgewandte Gestalt hockte bereits auf dem Fensterbrett und stieß sich kräftig ab und sprang in die Finsternis. Das letzte, das Neji sah, waren zwei eisblaue Augen. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Willkommen zu einem neuen Kapitel von Samurai. Ist da überhaupt noch einer? Ich weiß, ich lasse euch immer so lange warten >.< Es tut mir leid !!! Diesmal lag es vor allem daran, dass ich mehrere Projekte gleichzeitig am laufen habe. Zwei OS sind fast fertig. Wer möchte kann sie sich ja auch durchlesen, wenn er Zeit und Lust hat. Dieses Mal hab ich den Schwerpunkt mehr auf Dialoge und Handlung gelegt. Und wie die meisten sicher gemerkt, habe ich auch ganz leicht ein bisschen mehr von der Vergangenheit eingebaut. Was das nun bedeutet ... nun ja da könnt ihr euch schön die Köpfe zerbrechen. Aufgelöst wird nämlich erst in Kapitel 25 ... Endlich weiß ich auch, wie lang das hier wird. Es werden exakt 30 Kapitel + Prolog. Danke an Arethelya, die gebatet hat. Ich weiß dich wirklich zu schätzen. MiyuShitaka hat übrigens ein wunderschönes Fanart zu Samurai gezeichnet. Es ist auf jeden Fall einen Blick wert, ich denke sie würde sich freuen, wenn ihr mal reinschaut und vielleicht kommentiert. Vielen vielen Dank noch mal Miyu-chan ^^ http://animexx.onlinewelten.com/fanarts/output/?fa=1337121 Kapitel 17: Shadow, heißt übersetzt Schatten, was auf das Attentat auf Tenten hinweist. Ich bin sehr gespannt, wen, welches Motiv usw. ihr hinter der Tat seht. Ich freue mich natürlich wie immer über Kommentare. hel moonlight_005 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)