Samurai von moonlight_005 ([NejiTen] Teil 1 der Samurai-Trilogie) ================================================================================ ~ Kapitel 19: Chess ~ --------------------- ~ Kapitel 19: Chess ~ Diplomatie ist ein Schachspiel, bei dem die Völker matt gesetzt werden. [Karl Kraus] ~ ♣ ~ Tsunade beugte sich über Lee und ließ einen prüfenden Blick über seine Verletzung streifen. Sie legte die Hände auf seinen Brustkorb und tastete an der Wunde entlang. Dann prüfte sie seinen Pulsschlag. Langsam… schwach spürte sie das Pulsieren seines Blutes. Lee hatte nicht mehr viel Zeit. Sie spürte wie das Leben aus ihm wich und wie der Tod seine eisigen Finger nach ihm ausstreckte. Tsunade hasste es jedes Mal, wenn sie einen Verletzten sah, der ein Opfer in diesem Kampf wurde. Tenten und Shizune standen stillschweigend hinter ihr und sahen der Ärztin bei der Arbeit zu. Ab und zu warf Tenten Shizune einen Blick zu, aber die hübsche Frau machte keine Anstalten ihn zu erwidern, was Tenten etwas stutzig werden ließ. Schließlich richtete sich Tsunade auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es steht schlecht um ihn, ich muss ihn sofort behandeln. Shizune, bereite ein besonders starkes Betäubungsmittel vor und vergiss die kleinen Messer nicht, wir werden sie alle brauchen.“ Shizune verbeugte sich schnell vor der Priesterin und eilte mit einem schnellen „Ja, Tsunade-Sama“ davon. Tsunade wandte sich an die Tochter des Fürsten: „Tenten, ich werde nicht erlauben, dass du dir das mit ansiehst, du hast bereits genug Leid gesehen. Geh und hol Nara und den Samurai. Ihr könnt in einem anderem Raum warten.“ „Aber er hat mir das Leben gerettet und ich-“ „Du“, unterbrach sie die Ärztin, „hast bereits mehr für ihn getan als ein anderer in einem halben Leben, aber während einer Operation dulde ich niemanden, der mir nur im Weg steht.“ Tenten war wie erstarrt. Sicher, Tsunade hatte recht, sie hatte wirklich keine Ahnung. Aber… aber wieder wurde sie vor die schmerzliche Gewissheit gestellt, dass sie nutzlos war. Dass man sie nicht brauchte… „Geh jetzt“, sagte Tsunade. Tenten zögerte nicht und verließ beinahe fluchtartig den Raum, gerade als Shizune mit einem Tablett mit kleinen Instrumenten zurückkam. Shizune sah die Ältere fragend an: „War das wirklich notwendig, Tsunade-Sama?“ Ohne ihre Untergebene anzusehen, bereitete die Blonde mehrere der Instrumente auf einem kleinen Tisch aus und hievte Rock Lee danach auf eine erhöhte Holzplatte, die Shizune zuvor desinfiziert hatte. Dann hielt sie inne. „Hast du dieses Mädchen je reden gehört, Shizune? Sie ist stark und sie wird eine großartige Herrscherin werden, aber sie ist naiv. Sie weiß nicht, wozu ihre Feinde in der Lage sind. Es ist zu früh, dass sie das ganze Ausmaß der Grausamkeit der Menschen kennen lernt.“ Die schwarzhaarige Frau warf Tsunade einen zweifelnden Blick zu: „Sie hat bereits gesehen, wozu die Rebellen in der Lage sind.“ Die Ärztin blickte sie durchdringend an und schien dann nicht so recht zu wissen, ob sie noch etwas preisgeben sollte. „Die Welt ist nicht geteilt in Gut und Böse“, sagte sie langsam; „es sind nicht nur die Rebellen, die Gräueltaten begehen, aber lass uns jetzt nicht von Schuld und Unschuld reden, wir haben zu tun…“ Tsunade wusch sich die Hände und desinfizierte sie anschließend, dann griff sie nach einem mittelangen Messer und machte einen Schnitt in den Stoff von Lees Hemd. Shizune, die ihr nun gegenüber stand schlug den Stoff auseinander und befreite Lee von den straffen Verbänden, die um seinen Oberkörper gebunden waren. Shizune riss die Augen auf und schlug sich die Hand vor den Mund. „Das ist schlimmer, als ich erwartet hätte“, murmelte Tsunade. „Hol sofort ein Entgiftungsmittel!“ Die Ärztin beugte sich über Lees Körper, der vom Fieber immer noch schweißnass war. Die Wunde war bereits zugenäht, wie Tenten ihr vorhin berichtet hatte. Doch das war mehr schlecht als recht geschehen. Laut dem Mädchen hatten sie seine Wunden zwar zuvor ausgespült, aber da sie sich in der freien Natur befunden hatten, hatte es keine ausreichende Hygienemöglichkeit gegeben. Der Schmutz war in der Wunde geblieben und durch das Vernähen der Verletzung in Lees Körper geblieben, was dazu geführt hatte, dass sie sich entzündet hatte und das Ganze noch schlimmer gemacht hatte. Hinzu kam der hohe Blutverlust, dem der Krieger längst erlegen wäre, wäre er nicht wenigstens provisorisch behandelt worden. Er hatte vielleicht noch ein paar Stunden. „Tsunade-Sama!“ Tsunade blicke auf, als ihre Dienerin, die wieder zur Tür herein kam, nachdem sie die Medizin geholt hatte, ihr ein Fläschchen reichte. Sie nickte Shizune zu und nahm dann ein anderes Messer mit dem sie die Fäden auftrennte. Mit geschickten Handgriffen zupfte sie alle Reste aus der Wunde, die nun offen lag und einen ekelerregenden Geruch verströmte. Die Verletzung war tiefer als sie angenommen hatte und bei einigen Stellen erkannte sie bestimmte Symptome für eine Entzündung der Wunde. Sie war bereits über die Maßen gerötet, einige Teile des Fleisches schienen überhaupt nicht mehr durchblutet zu werden und sie eiterte stark. Zu Lees Glück schien es eine Fleischwunde zu sein, die die inneren Organe unbeschadet ließ. Tsunade setzte das Messer an und schnitt langsam das nutzlose Fleisch weg, was zur Folge hatte, dass sie auch den Eiterbestandteil der Wunde entfernte. Sofort fing die Wunde an zu Bluten und machte es der Ärztin unmöglich etwas zu erkennen. „Hol das heiße Wasser, Shizune, wir müssen die Wunde ausspülen.“ „Das habe ich bereits vorbereitet.“ Shizune hob einen kleinen Behälter hoch, der dampfendes Wasser enthielt. Tsunade nickte ihr zu. Schon als das Wasser auf der Wunde aufkam, begann Lees Körper sich mit allen Mitteln gegen die neuen Umweltumstellungen zu wehren. Sein Körper bäumte sich gegen die Hitze auf und begann dann unregelmäßig zu zittern. Hätte Shizune Lees Oberkörper nicht festgehalten, wäre Tsunade wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen ihm noch zu helfen. Schließlich war das Blut größtenteils weggewaschen und die Wunde ausgespült. Lee lag ruhiger. Tsunade griff nach dem Fläschchen, das ein Naturheilmittel enthielt, das sie aus verschiedenen Kräutern hergestellt hatte. Sie ließ ein paar Tropfen auf die Wunde fallen und nach ein paar Minuten ließ der Blutfluss nach. Tsunade fuhr sich mit dem Armrücken über die schweißnasse Stirn. Langsam wurde ihr unter dem Mundschutz und der weiten heiß gewaschenen Robe ziemlich warm, was die Behandlung beeinflussen konnte. Sie musste sich beeilen. Dann tupfte sie die Verletzung mit einem sauberen Tuch ab. Die Wunde war sauber, eiterfrei und bis auf Weiteres gereinigt. „Wird er durchkommen?“, fragte Shizune nach einer Ewigkeit. Tsunade runzelte die Stirn. „Wasch dir die Hände und drücke dann die Wundränder zusammen.“ Shizune warf Tsunade einen Blick zu, doch die Priesterin beachtete sie nicht, sondern wusch sich jetzt selbst die Hände. Shizune folgte der Anweisung und die Ärztin nahm Nadel und Faden und begann damit die Wunde zuzunähen. „Tsunade-Sama?“, fragte Shizune vorsichtig. Tsunade stach in das Fleisch und fügte so die Teile der Wunde wieder perfekt zusammen. Sie spannte den Faden straff und schnitt dann das Ende ab, als sie die Wunde zugenäht hatte. Eine kleine ordentliche Naht blieb zurück. „Ich weiß es nicht“, sagte sie dann. „Wir haben den Schmutz aus seiner Wunde entfernt und die Blutung gestoppt, aber er hat sehr viel Blut verloren.“ Shizune schwieg, sie kannte diese Art von Antworten von Tsunade. „Gib ihm nachher noch eine halbe Flasche mit Stärkungsmittel. Und denk daran, die Salbe auf seine Wunden aufzutragen und ihm einen frischen Verband umzulegen.“ Shizune nickte und wollte schon losgehen, aber irgendetwas hielt sie zurück. Rock Lee lag regungslos auf dem Tisch und schien zu schlafen. Tsunade schloss für einen Moment die Augen und Shizune erkannte in ihren Zügen denselben Schmerz wie damals, als sie hierher gekommen waren. Als Tsunade entschieden hatte abseits der Welt zu leben und sie, Shizune, ihr geschworen hatte ihr zu folgen, was auch immer geschehen möge. „Er wird eine Narbe davontragen“, sagte Tsunade leise, „… eine körperliche und eine seelische…“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Sie wusste nicht mehr, wie lange sie schon in diesem Raum befand und wartete. Vielleicht schon die ganze Nacht hindurch oder nur ein paar Stunden. An Tenten schritt die Zeit vorbei als wäre sie schon immer hier gewesen. Wenn man allein war verblasste die Zeit. Sie fühlte sich als ob sie schon ihr ganzes Leben an diesem einsamen Ort verbracht hatte und auf etwas wartete. Ein Zeichen, dass es etwas gab was gerecht war. Die ganze Zeit war sie in Gedanken versunken und wiederholte doch nur einen Satz in ihren Gedanken: Bitte, lass ihn nicht sterben, lass ihn nicht für etwas sterben, was mein Tod gewesen wäre. Es war ein ruhiger Raum mit dunklem, poliertem Holz und einem kleinen Fenster, durch das nur spärlich Licht fiel. Irgendwann hatte ihr auch die Anwesenheit von Neji und Shikamaru nichts mehr ausgemacht, die weit voneinander entfernt auf dem Boden saßen und vor sich hinstarrten. Kein Wort. Die Stille zwischen ihnen war so intensiv, dass man sie beinahe greifen konnte. Sie mochten nicht die gleichen Vorstellungen haben, sie mochten anders leben, aber in diesen Momenten der Stille spürte sie ganz deutlich, dass auch sie über den Tod nachdachten und ebenso litten wie sie. Und allein das machte wohl das Menschsein aus. Keine Herkunft oder Ehre oder keinen Ruhm. Es war die Fähigkeit Mitgefühl zu haben und sich nicht abzuwenden. Tenten wusste nicht recht, was sie von dieser Situation halten sollte. Sollte sie froh sein, weil sie alle dasselbe fühlten, oder Angst haben, weil dieses Schweigen ihre Situation noch klarer machte: Wenn Lee starb, war ihre Mission gescheitert, sie wären zu schwach gewesen sein Leben zu retten… Sie hatte hoch gepokert und würde tief fallen, wenn Lee starb. Denn das Bündnis, das den Frieden ermöglicht hätte, würde nie entstehen, und dann hätte sie das Vertrauen Shikaku Naras verspielt. Den einzigen Vorteil, den sie noch hatten. Das Land war in ein Schachspiel geraten, in dem es keinen Sieger geben konnte. Zug um Zug setzte ihr unsichtbarer Feind seine Figuren. Lee würde nur ein einfacher Bauer sein, den man opferte, in dem Spiel, das über das Schicksal entscheiden würde. Alles hing zusammen. Der Tod und das Leben waren so untrennbar verbunden, dass sie sich fürchtete. Das Leben war unendlich. Der Tod war unendlich. Niemand wusste genau, was sie waren, diese Kräfte, die einen ewigen Tanz beschritten. Gab es Leben, dann würde man sterben und solange die Erinnerung existierte, war man nicht tot. Und irgendwann entstand aus der Asche heraus ein neues Leben. Tenten spürte, wie die Angst von ihr Besitz ergriff. Sie wollte nicht, dass Lee starb. Er sollte sein Leben nicht gegeben haben nur für sie. Sie war jemand, der Macht besaß, aber letztlich war sie doch wie jeder andere… Ein Mensch. Auf einmal wurde die Tür geöffnet und Tsunade kam erschöpft in den Raum. Sofort hatte sie die volle Aufmerksamkeit und selbst Shikamaru schaute einigermaßen interessiert. Es war beinahe so, als wäre plötzlich eine rege Lebendigkeit in den Raum zurückgekehrt, die so intensiv war, dass sie augenblicklich die Stille verdrängte. Eine Anspannung, die von jedem von ihnen sofort Besitz ergriff. „Was… was ist mit Lee?“, fragte Tenten. „Er schläft jetzt“, antwortete Tsunade. Tenten spürte, wie ihre Hand zitterte. Es war nicht vorbei… Es gab Hoffnung, sie durfte nur nicht aufgeben sich dem Schicksal anzuvertrauen. Schicksal… Eigentlich hasste sie diese Vorstellung. Die Ärztin sah sie lange an mit diesem durchdringenden Blick, als würde sie etwas in ihren Augen suchen. Suchte sie Stärke? Zum Ertragen eines möglichen Verlustes. Suchte sie Schwäche? Damit sie erkannte, dass auch sie, die Tochter des Fürsten, dazu im Stande war, ihre Maske fallen zu lassen, die sie in der Öffentlichkeit so sorgsam bewahrte. Oder suchte sie nach einer ganz anderen Reaktion? Tsunade überraschte sie. „Euer Freund ist ein komplexer Fall.“ Damit waren auch Neji und Shikamaru angesprochen, die sie leicht überrumpelt ansahen, als Tsunade sie so plötzlich mit einbezog. „Wenn er überlebt, ist er ein medizinisches Wunder, wie ich noch nie eins erlebt habe. Denn eigentlich müsste er tot sein.“ Sie seufzte, stemmte dann die Hände an die Hüften und drückte den Rücken durch, wie um eine Verspannung zu lösen. „Ich habe ihn behandelt, weil ich glaube, dass sein Überleben etwas bewirken könnte. Aber er könnte genauso gut sterben“, fügte sie dann hinzu. Neji schwieg. Shikamaru schwieg. Und auch Tenten sagte kein Wort. „Alles, was wir tun können, ist beten. Dieser Tempel ist der Göttin Kannon geweiht. Vielleicht hört sie auf Gebete. Vielleicht nicht. Bei den Göttern weiß man nie.“ Zum ersten Mal lächelte Tsunade und ein bisschen Glück schien zu Tenten zurückzukehren, als sie spürte, dass Tsunade wirklich darauf vertraute, dass Lee gesund werden würde. Oder waren das Erinnerungen an vergangene Zeiten? Sie wusste es nicht, aber sie war dankbar für die neue Kraft, die Tsunade ihr gab. „Wir müssen jetzt warten, bis er aufwacht“, sagte sie, „Geht jetzt schlafen, sonst werdet ihr eure Kräfte vergeuden. Morgen könnt ihr zu ihm.“ Tatsächlich… es war Hoffnung, die die Ärztin ausstrahlte. Aber Tenten war sich nicht sicher, ob sie damit Lees Genesung meinte, oder etwas anderes. Tenten stand auf. Sie wollte nicht länger hier bleiben an dem Ort, wo es so still war. Und sie wollte auch nicht zu Lee. Sie brauchte etwas Zeit für sich selbst. Die junge Frau ging zur Tür und musste daraufhin notgedrungen an der Ärztin vorbeigehen, die noch immer am Türrahmen lehnte. Für einen Moment traf sie ihren Blick, sah darin die unendliche Kraft und gleichzeitig ihre Schwäche. Die Zuversicht und die Zweifel. Tsunade war stark und sie hatte alles in ihrer Macht stehende getan, um zu helfen. Es war ein einziges Wort, dass Tenten sagte, aber das war eindringlicher und ehrlicher als alles, was sie an diesem Abend gesagt hatte. „Danke.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Es standen keine Sterne am Himmel, sodass der Nachthimmel tiefschwarz wirkte und alles Licht verschluckte. Die Nacht war still heute. Hier gab es keine Geräusche, hier waren keine Menschen. Alles schlief und im Schutze der Nacht war er zurückgekehrt wie unzählige Male zuvor. Wie unzählige Male, als sich der Mond für ihn rot gefärbt hatte. Dennoch setzte er seine Schritte leise und bedächtig. Die Luft war kalt geworden und manchmal stieg sein Atem in weißen Dunstschwaden in den Himmel hinauf. Doch er blieb regungslos, ließ sich von solch nichtigen Dingen nicht aus der Ruhe bringen. Er spürte die Kälte nicht und er fühlte auch keinen Schmerz. Es gab nur ein Ziel für ihn heute Nacht. Die Häuser wirkten wie ausgestorben als er daran vorbei ging, auch hier waren die Leute gebrochen, wie überall im Land. Die Rebellen mochten für Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen, die Armee des Fürsten mochte versuchen sie zu vernichten. Was blieb, war der Tod. Sie waren schon zu Tode verurteilt, wenn sie geboren waren. Es war eine seltsame Welt und irgendwann hatte er aufgehört einen Sinn zu suchen. Er selbst hatte oft Leben genommen. Im Auftrag oder im Wahn und irgendwann hatte er aufgehört zu bereuen. Der Tod war Alltag in seinem Leben geworden. Immer und immer wieder. Allmählich hatte er ihn akzeptiert wie einen Weggefährten, der ihm überall hin folgte. Aber er blieb immer in Bewegung, damit der kalte Wanderer nicht auch nach seinem Leben begehrte. Mit einem leisen, hellen Ton zog er ein Messer aus der Tasche an seinem Bein, das im gedämpften Licht der leeren Straßen matt glänzte. Bald würde er wieder Tod säen und das Land würde ins Chaos stürzen. Die Klinge lag fest in seiner Hand. Jahrelange Routine hatte ihm dieses Gefühl so vertraut gemacht wie das Atemholen. Der Fremde setzte seinen Weg fort, ging durch die letzte leere Straße bis er vor dem gewaltigen Anwesen stand, das sich weit höher über die anderen Dächer erhob. Jetzt, wo es dunkel war, erschien es sogar noch gewaltiger. Aber was nütze das, wenn es trotz allem noch Schwachstellen hatte? Die Menschen hatten eine seltsame Art zu glauben, dass etwas Gewaltiges sie beschützen könnte. Ein Lächeln schlich sich über das sonst so regungslose Gesicht. Er kannte alle Schwächen, die sie zu verstecken versuchten, denn sie waren vorhersehbar und er wandelte sich. Er passte sich allen Verhältnissen an, durchbrach ihre Schutzwälle und schlüpfte durch ihre fein gewobenen Netze. Ohne einen Laut hangelte er sich an der Wand hoch, die viele Rillen hatte, an denen er Halt fand. Mit Leichtigkeit schwang er sich aufs Dach, das ihn nicht mal einen Bruchteil seiner Kraft kostete. Die braunen Dachziegel glitzerten im Mondlicht, so glatt, dass ein normaler Mensch nach zwei Schritten abgerutscht wäre, doch den Fremden kümmerte es nicht: Er begann zu laufen, als ob er festen Boden unter den Füßen hätte. Das Dach flog nur so unter seinen Füßen hinweg und er selbst bewegte sich mit einer Schnelligkeit, die die Kraft eines normalen Menschen bei weitem überschritt. Seine Schritte waren sicher gesetzt, niemals würde er stürzen, denn auch das war Teil seines Lebens, seines geheimen Lebens… Er sprang über den Abgrund, der zwei Dächer voneinander trennte, und kam federleicht auf der anderen Seite auf. Er folgte dem Dach etwa bis zur Mitte, dann wurden seine Schritte langsamer und als ob er plötzlich wüsste, dass sein Ziel nicht mehr fern war. Noch einmal blieb er stehen, prüfte seine Waffen und richtete dann seinen Blick auf das Fenster unter ihm. Kalte Luft durchströmte seine Lungen, als er noch einmal einatmete und die vertraute Kraft in ihn zurückkehrte. Er spürte wie etwas in ihm erwachte und ihm seine Kraft gab. Die Gier nach dem Leben eines anderen. Dann schwang er sich durchs Fenster und landete in einem leeren Zimmer. Vorsichtig schlich er sich durch den Raum und schob dann leise die Tür auf. Der Gang draußen war leer, aber er spürte, dass es trotz allem Wachen gab. Er griff in seine Tasche und holte ein Fläschchen heraus. Aus Erfahrung wusste er, dass es nicht lange dauern würde, bis die Betäubung wirkte, aber er musste trotzdem vorsichtig sein. Heute durfte es keinen Fehler geben... Normalerweise war es ungewöhnlich für ihn ein Betäubungsmittel zu benutzen, aber mit einem Blutbad würde er zu viel Aufmerksamkeit auf sich lenken und zu viel Zeit verlieren. Das Risiko entdeckt zu werden war ebenfalls eine Komponente, die er nicht unbedingt einberechnen wollte. Er schraubte die Flasche auf. Augenblicklich entwich der Rauch und verbreitete einen süßlichen Geruch, bei dem er darauf achtete ihn nicht selbst einzuatmen. Aber eigentlich brauchte er sich keine Sorgen machen, denn er trug einen Mundschutz und über die Haut konnte er das Gift nicht aufnehmen. Der Fremde wartete. Eine halbe Minute… eine Minute verstrich. Schließlich hörte er vom benachbarten Gang aus ein Geräusch, als würde etwas Dumpfes auf dem Boden aufkommen. Zweimal, dreimal … zum siebten Mal. Dann schritt er den Gang entlang und kam schließlich auf einem zweiten Gang an, an dessen Seiten die Wachen zusammengesackt waren und tief schliefen. Er schraubte die Flasche zu und ging dann sicher durch ihre Mitte. Schließlich stand er vor seinem Ziel. Die schwere Holztür war verschlossen, aber für ihn stellte das kein Hindernis dar. Nach ein paar geschickten Handgriffen ließ sie sich öffnen und er betrat den Raum. Das Licht fiel durch den Spalt und beleuchtete eine liegende Gestalt, die mit dem Rücken zu ihm lag. Er schob die Tür hinter sich zu und trat dann auf den Mann zu, der sich nicht rührte. Es war dunkel jetzt, nur das stetige Atmen des Schlafenden war zu hören. Ein und Aus. Leben und Tod. Es waren fast zwei Minuten, in denen er nur dem Atmen seines Opfers zuhörte und sich an der Macht labte, die er über ihn besaß. Dieser Mann war mächtig, doch für ihn war er nur einer unter vielen, die durch seine Hand sterben würden. Er hob den Dolch, der ein letztes Mal im Mondlicht aufblitzte und sich dann blitzschnell in das Herz Shikaku Naras bohrte… ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Es waren zwei Tage vergangen, seitdem Tsunade Lee behandelt hatte und noch immer zeigte dieser keine Anzeichen von Erholung. Allerdings verschlimmerte sich sein Zustand auch nicht, was darauf schließen ließ, dass sein Zustand relativ stabil war. Nur… irgendwie festgefroren. Neji blickte auf das blasse Gesicht des Kranken, der noch immer keine Anzeichen machte langsam zu erwachen. Er wusste nicht genau, warum er Lee derart bewachte oder darauf wartete, dass er aufwachte. Vielleicht war es auch nur, um den anderen auch mal ein paar Minuten für sich zu geben. Tenten war fast jede freie Minute in Lees Zimmer, starrte ihn an und kam trotzdem zu keinem Ergebnis. Sie verwunderte ihn, denn eigentlich hatte sie keinerlei Bezug zu Lee. Da war nichts, was sie auf besondere Weise mit einem ihrer Diener verbunden hätte. Er hatte es nicht sehen wollen, er hatte es einfach hinnehmen wollen, aber Tenten trauerte. Um die, die gefallen waren. Um Lee. Und um ihre eigene Schwäche. Eine Herrscherin sollte nicht so sein, sie sollte den Tod ertragen können und es für selbstverständlich erachten, dass ihre Untertanen starben, um sie zu retten. Es war ihre Stärke, aber zugleich auch ihre größte Schwäche. Neji betrachtete Lees blasses Gesicht, dass noch immer keine Reaktion zeigte. Er dachte daran, wie Lee ihn begrüßt hatte, ihn einfach angenommen hatte und wie er langsam zu einem Teil seines Lebens geworden war. Ein Freund… Sollte es jetzt einfach alles vorbei sein? Und das, was Lee zu ihm gesagt hatte… er dachte darüber nach. Er sollte seinen Kampf zu Ende führen? Aber was war das für ein Kampf? So etwas musste man selbst tun, wie konnte Lee es ihm einfach so übertragen, wenn er starb? Neji setzte sich aufrechter hin. Der Raum war leer und schlicht gehalten wie jedes Zimmer hier im Tempel. Der Tempel war ein Ort der Ruhe und Reinheit. Und wenn er Lee ansah, erschien dieser ihm noch kleiner, als es ohnehin in dem Raum schon aussah. Aber wahrscheinlich war es auch nicht das … Er wollte einfach nicht diese zweite Möglichkeit akzeptieren, dass Lee sterben könnte. Aber was bedeutete schon Sterben? Man existierte nicht mehr in der Welt und der fleischliche Körper zerfiel. Er würde vielleicht noch töten müssen in seinem Leben, denn er hatte ein Leben als Krieger gewählt. Vielleicht müsste er sich sogar selbst töten. Er hätte wahrscheinlich auch den Ronin getötet, wenn er die Chance gehabt hätte… Sollte er sich nicht langsam daran gewöhnen, dass alles vergänglich war? Die regungslose Gestalt vor ihm wurde sanft von der Sonne beschienen, die in dieser Höhe eine ungeahnte Intensität besaß. Neji blickte ihm ins Gesicht, sah das Lachen wieder vor sich, die Lebensfreude und den leichten Schalk, der manchmal in Lees Augen aufblitzte. Der Kung-Fu-Kämpfer war stark und auch schwach, weil er noch immer an diese illusionäre Welt glaubte. Wo gab es schon Gerechtigkeit? Er selbst war das beste Beispiel dafür… Der junge Samurai wusste später nicht mehr, wie lange er sich Gedanken gemacht hatte. Vielleicht nur einige Minuten, vielleicht schon einige Stunden. Die Sonne stand im Zenit, als er sich das erste Mal nach der Zeit fragte und ging gerade unter, als er einen weiteren Blick aus dem Fenster warf. Ein weiterer Lichtstrahl fiel durchs Fenster und in der trockenen Luft bestrahlte er alle Staubpartikel, die zu glitzern begannen, bevor der Lichtstrahl einen hellen Punkt auf Lees Wange malte. Neji merkte nicht wie die Zeit verging, ab und zu nahm er wahr wie jemand an der Tür vorbeiging. Tenten. Tsunade. Shizune. Shikamaru. Keiner betrat den Raum, denn sie schienen zu merken, dass er nicht verschwinden würde und niemand anderen in diesem Raum duldete. Das Licht wanderte weiter über Lees Wange bis zu seinem geschlossenem Auge. Schatten tanzten auf seinem Gesicht. Es war still und auf gewisse Weise fühlte sich Neji der Stille vertrauter als der realen Welt. Lees Lid zuckte und Neji war sofort hellwach. Lee blinzelte, langsam öffnete er erst das eine und dann das andere Auge. Er blinzelte erneut, wollte sich aufsetzen, zuckte aber vor Schmerz sofort wieder zusammen und sank auf seine Decken zurück. Eine Weile starrte er nur an die Decke. „Wo bin ich?“, wisperte er. Die sonst so laute Stimme war zittrig und brüchig, sodass sie dem Samurai fast fremd vorkam. „In Sicherheit“, sagte Neji langsam. Lee richtete nun seinen Blick auf ihn, wofür er den Kopf drehen musste und einen schmerzhaften Laut ausstieß. „Wo ist Hinata? Und was ist mit Tenten? Was ist passiert?“ Lee hatte sichtbar Mühe seine Gedanken zu ordnen. Neji drückte sich vor der Antwort, indem er nun ebenfalls die Wand betrachtete. Schließlich sah er Lee doch wieder an. „Sasuke Uchiha hat dich mit einem Speer durchbohrt. Ich habe gegen ihn gekämpft und ihm dabei den Arm abgeschlagen.“ Lee starrte ihn entgeistert an und Neji musste sich unterbrechen. „Das ist unmöglich“, flüsterte Lee. Der Samurai warf ihm einen Blick zu, der sowohl Stolz als auch Gekränktheit enthielt. „Glaub es, sonst wärst du jetzt nämlich tot und würdest nicht auf dem Izanagi Izar wieder aufwachen.“ „Was? Wir sind auf dem Berg?!“ Jetzt war Lees Stimme schon lauter und Neji schien es beinahe so, als wollte dieser schnellstmöglich zu seiner alten Stärke zurückfinden, denn er selbst war in seiner momentanen Lage mehr als nur bewegungslos. Er war praktisch völlig hilflos, denn es musste ihm selbst unendliche Schmerzen bereiten auch nur einen Arm zu heben. „Tenten hat Shikaku Nara davon überzeugt dich retten zu wollen. Die Ärztin Tsunade hat dich behandelt.“ Neji stützte die Ellbogen auf, ein Haar fiel ihm ins Gesicht. „Dann hat Tenten überlebt? Was ist mit…?“, Lee brach ab, als er Nejis Blick begegnete. „Es haben nicht viele überlebt, hätten wir dich liegen gelassen, wärst du auch gestorben. Wie kann man bloß so verrückt sein, schwer verletzt einen so mächtigen Samurai anzugreifen?“ „Das war, weil…“ Lee hustete, als er zu einer lautstarken Erwiderung ansetzen wollte. „Du bist wirklich dumm… du wusstest doch ganz genau, dass du keine Chance hast.“ Neji stand auf und kehrte ihm den Rücken zu. „Ich habe ihn einmal besiegt“, sagte Lee. Neji fuhr herum, starrte ihn an. „Was?!“ Lee funkelte ihn triumphierend an, wenngleich er immer noch ziemlich blass war. „Er war verdammt arrogant, hat sich schon als Sieger gesehen und war ziemlich überrascht, als ich ihn zu Boden befördert habe.“ Lee grinste, musste aber fast im selben Moment Luft schnappen, nachdem er sich zu viel bewegt hatte. „Du solltest dich ausruhen“, sagte Neji. „Du hast viel Blut verloren, ich schicke Tsunade zu dir.“ Lee sah ihm nach, als er zur Tür ging, zog allerdings eine Grimasse, als er merkte, dass er sich nicht rühren konnte. Als Neji fast den Raum verlassen hatte, drehte er sich noch mal um. „Du bist wirklich lebensmüde Lee, aber-“, Neji betrachtete den Fußboden, „ich bin froh, dass du noch am Leben bist.“ Neji legte die Hand an die Tür und schob sie auf. Einen letzten Blick warf er noch zurück, dann schloss er die Tür hinter sich und folgte dem Flur. Draußen war es jetzt dämmrig geworden, doch die Sonne ging in einem so intensiven Blutrot unter, was über dem Berg einen bemerkenswerten Anblick auslöste. Fast fühlte sich Neji dem Himmel näher und irgendwie war er erleichtert. Lee war am Leben, sie hatten nicht umsonst ihr Leben riskiert. Es war gut. Der Samurai griff nach seinem Schwert, das ihm sofort das Gefühl von Sicherheit verlieh. Nein, es war nicht vorbei, dem Tod war es nicht gelungen Rock Lee zu besiegen und auch Sasuke Uchiha war es misslungen. Fast trat ein triumphierendes Grinsen auf sein Gesicht, aber er verbot sich seine Genugtuung so offen zu zeigen. Neji schlenderte weiter und stutzte, als er den Nara ganz allein auf der Terrasse sitzen sah. Was tat er hier? Der Samurai trat näher. Die Sonne berührte fast den Gipfel des Berges und sandte ihre letzten Strahlen zur Erde, die schwarze Schatten an die Wand warf und den auf dem Boden knienden Mann zweimal so groß wie er war auf dem Holz ablichtete. Neji blieb stehen. „Also ist Rock Lee zu sich gekommen.“ Völlig überrumpelt zuckte Neji zusammen. Der Nara hatte ihm noch immer den Rücken zugekehrt, aber es war ohne Zweifel er gewesen, der ihn angesprochen hatte. „Wusstest du, dass noch Leben in ihm war, Samurai? Oder war es einfach nur Verzweiflung?“ Der Samurai antwortete nicht, sondern trat näher. „Was tust du hier, Nara?“, fragte er stattdessen. Shikamaru drehte ihm langsam, als wolle er ihm zeigen wie unnütz seine Fragen seien, den Kopf zu. Wie immer hatte er einen gelangweilten Gesichtsausdruck aufgelegt, der durch die scharfen Konturen, die die Schatten warfen, noch mehr hervorgehoben wurde. „Ich spiele Schach“, sagte er gedehnt langsam. Jetzt erkannte auch Neji das Schachbrett vor ihm, auf dem die Plättchen bereits auf unterschiedliche Positionen gerückt waren. Er runzelte die Stirn. „Ich sehe nirgendwo jemanden, der auf der gegnerischen Seite spielt.“ „Die höchste Kunst ist es sich selbst zu besiegen.“ Eine ganze Weile dachte Neji über die Worte nach und zog dann Ryujin von seiner Hüfte. Er ging um das Brett herum und setzte sich dem Nara gegenüber. „Ich lege mein Schwert ab und stehe dir gleich gegenüber. Lass uns spielen.“ Shikamaru sah ihn leicht überrascht an, rückte aber die Plättchen zurecht und setzte seinen ersten Zug. Er hatte nicht oft Schach gespielt, viel mehr war dieses Strategiespiel nie etwas, dass er zu lernen beabsichtigt hatte. Aber in seiner Ausbildung hatte auch Kakashi manchmal mit ihm gespielt. Neji war nicht besonders gut darin, er kannte gerade mal die groben Regeln, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er in dieser Situation sollte. Shikamaru Nara musste oft gespielt haben: Schach war ein Spiel, dass Adelige ihren Kindern beibrachten um sie auf militärische und politische Handlungen vorzubereiten. Wahrscheinlich hatte er nicht die geringste Chance. Es war nur so ein Gefühl, aber irgendetwas in ihm sagte ihm, dass es richtig war… Neji zog ebenfalls. Eine Zeit lang schoben sie nur ihre Figuren über das Brett und dachten nach. Es waren sehr stille Momente in dem jeder in seiner eigenen Welt versank. Der Nara hob seinen Turm und tauschte mit Nejis Springer die Positionen, wobei er Nejis Figur zur Seite legte. Neji sagte nichts, nahm still hin, dass es für ihn gar nicht gut stand. Eine rasche Bewegung, dann nahm auch er eine seiner Figuren und versperrte damit Shikamaru den Weg. Dieser kniff die Lippen zusammen und überlegte. „Dieses Land versinkt im Chaos“, sagte Shikamaru unerwartet. „Etwas gerät in Bewegung. Es ist langsam, aber je mehr es sich bewegt, desto schneller gerät es ins Rollen.“ „Man kann die Zukunft nicht voraussehen“, sagte Neji. „Die Gegenwart bewegt sich rasch“, erwiderte Shikamaru. „Uns steht ein Krieg bevor.“ Neji schlug Shikamarus Turm. „Ich weiß. Aber die Menschen sind blind, wenn sie etwas nicht wahrhaben wollen.“ „Oder befinden wir uns schon mitten in einem Krieg?“, fragte Shikamaru ohne auf Nejis Aussage einzugehen. Neji gab keine Antwort, sondern setzte seinen Läufer schräg zu Shikamarus Königin. „Warum wolltest du kein Krieger werden?“ Der Nara, der gerade seine Königin setzen wollte, stockte. „Warum fragst du mich das, Samurai?“ „Weil du mehr siehst als die Anderen.“ Der Mann sah ihn nicht an und betrachtete stattdessen die Situation, die sich in ihrem Spiel anbahnte. Dann seufzte er und ließ sich nach hinten fallen. „Mein Vater ist ein Daimyo, ein Samurai, der Land besitzt und Herrscher darüber ist. Auch er hat gekämpft und es hat mir gezeigt, wie viel Leid das Leben eines Kriegers bringt. Vielleicht wäre ich stark genug dazu gewesen. Vielleicht nicht. Ich habe ihn enttäuscht, als ich damals abgelehnt habe, aber ich habe meine Entscheidung getroffen, weil ich nicht Teil dieses Krieges sein wollte.“ Es musste wohl eine ganze Weile still gewesen sein, denn als sich Shikamaru schließlich wieder aufrichtete, war die Sonne schon fast hinter dem Berg verschwunden. Schweigend setzte er seinen Läufer. „Schach.“ Neji zog seine Königin aus der Reichweite von Shikamarus Figur, was der Nara mit einem merkwürdigen Laut kommentierte. „Warum tust du das, Samurai? Dieser Zug ist dumm.“ „Die Königin ist die stärkste Figur im Spiel. Warum soll ich sie für den König opfern?“ „Du spielst nicht nur mit dem Verstand, Samurai“, sagte Shikamaru, „du hast dein Gefühl noch nicht abgetötet. Ein Krieger sollte immer nur sein Ziel im Blick haben.“ Neji schwieg. Shikamaru hatte Recht mit seiner Aussage. Es war dumm sich so intuitiv leiten zu lassen. Schach war ein Spiel, das auf Verstand und Denken aufbaute. „Nein…“, sagte Neji auf die vorherige Frage des Naras, „das Gefühl verschwindet niemals ganz. Es wird nur weniger je mehr man sich abwendet.“ Shikamarus Hand zuckte zu seinen Läufer, schien es sich dann aber anders zu überlegen und setzte stattdessen Neji Springer matt. Mit einem Blick auf das Schachbrett stellte Neji fest, dass das Spiel für ihn verloren war. Er besaß nur noch drei Bauern, einen Turm, die Königin und den König. „Du hast verloren“, kommentierte der Nara. Neji betrachtete das Schachspiel. „Es macht einen Unterschied seine Niederlage zu akzeptieren und aufzugeben und zu wissen verloren zu haben, aber noch zu kämpfen“, sagte er. Shikamaru hob eine Augenbraue. „Diese Situation gleicht der Konohas. Es ist nur noch ein Zug, bis die endgültige Niederlage feststeht. Schach.“ Der Samurai beachtete ihn nicht. „Ein einziger Zug, der noch so viel bewirken kann…“ Er setzte seinen Turm vor den König des Naras. „Schach.“ „Du bist seltsam, Samurai. Du bist ein Krieger und doch bist du es nicht.“ „Man ist nur stark, wenn man kämpft“, sagte Neji. Beide betrachteten das Schachbrett auf dem das Ergebnis feststand. Die Sonne war untergegangen. „Dann ist es also Zeit zu kämpfen?“ Neji nickte und Shikamaru unterdrückte ein Gähnen. „Du bist vielleicht doch anders, als ich gedacht habe, Shikamaru Nara.“ „Die Dinge sind nie so wie sie scheinen.“, sagte dieser und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht. „Schachmatt.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Tenten wechselte das feuchte Tuch, das auf Lees Stirn lag. Dieser wollte lautstark protestieren, schluckte seine Einwände aber herunter, als er Tsunades Blick begegnete, der ihn buchstäblich zu durchbohren schien. Die Ärztin hatte ihm strenge Bettruhe verordnet, doch er war der Meinung, dass er schneller wieder gesund werden würde, wenn er sich bewegte. Tsunade hatte ihn schon beim ersten Versuch erwischt und sich anschließend zwei Stunden vor sein Krankenlager gekniet und ihn genau im Auge behalten. Schließlich hatte er kleinlaut nachgegeben. „Wechseln wir die Verbände, Tsunade-Sama?“, fragte Tenten. Die Ärztin, die sich ebenfalls vor Lee gekniet hatte, nickte und zog Lee die Decke bis zum Becken weg, sodass sein Brustkorb frei lag und der Verband sichtbar wurde. Ohne viel Federlesen packte die Frau ein Ende des Stoffes und befreite Lee von seinen Verbänden. Schließlich bedeckte nichts mehr seine Brust. Tenten warf der Ärztin einen fragenden Blick zu, doch diese war damit beschäftigt die Wunde zu begutachten. Tsunade legte den Kopf leicht schief und kniff die Lippen zusammen. „Die Verletzung heilt und die Entzündung schwillt ab“, stellte sie schließlich zufrieden fest. „Dann werde ich also nicht sterben, Tsunade-Sama?!“, gab Lee leicht panisch zurück. „Nur, wenn du nicht so verrückt bist dich wieder zu bewegen“, sagte sie mit einem liebenswürdigen Unterton, der ihrem Patienten einen Schauer über den Rücken jagte. Tenten griff indessen nach der Salbe, die neben Tsunade auf dem Boden lag. Dann kremte sie unter der strengen Beobachtung Tsunades seine Wunde ein, die langsam wieder zusammengeheilt war und merklich gesünder aussah. Als sie fertig war, reichte ihr Tsunade einen neuen Verband, den sie ihm vorsichtig umlegte. Nachdem Tenten jede freie Minute bei Lee verbracht hatte, war die Ärztin schließlich einverstanden gewesen ihr leichte Aufgaben zu übertragen, bei denen sie ihr allerdings noch immer über die Schulter sah. Shizune kümmerte sich derweil um andere Dinge. Tsunade prüfte noch mal, ob der Verband fest genug saß, dann setzte sie sich aufrecht hin und sah Tenten an. „Lee ist soweit wieder gesund, er braucht noch viel Ruhe, aber ich glaube, ihr könnt es euch nicht leisten länger zu warten.“ Die Tochter des Fürsten schwieg. „Nein, wir können es uns wirklich nicht erlauben länger zu bleiben, aber, wenn Lee…“ Der Kung-Fu-Kämpfer unterbrach sie: „Worauf warten wir eigentlich noch? Wenn ihr auf mich Rücksicht nehmt, dann werden wir nie ein Bündnis bekommen!“ Die beiden Frauen sahen ihn an. „Außerdem bin ich schon längst wieder gesund“, fügte er hinzu. Tsunade schüttelte nur den Kopf über so viel Unverständnis. „Wann können wir aufbrechen?“, fragte Tenten, wobei sie Lee nicht beachtete. „Lee muss mindestens noch zwei Tage ruhig liegen, dann könnt ihr den Abstieg wagen. Shizune wird euch begleiten, ihr müsst nicht noch einmal den gleichen Weg gehen, den ihr gekommen seid.“ „Heißt das, es gibt noch einen zweiten?“, schloss Tenten. „Richtig, ein unbekannter Weg, von dem nur die wissen, die ihn gefunden haben.“ Sie zuckte mit den Achseln. „Genauer gesagt, nur Shizune und ich.“ Tsunade strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und stand auf. „Seid in zwei Tagen bereit.“ Sie verließ den Raum und Tenten und Lee blieben zurück. „Lee?“ Der junge Mann drehte sich soweit es ihm seine Schmerzen erlaubten. „Ja?“ Tenten schien unangenehm berührt und wich seinem Blick aus. Nervös knetete sie ihre Finger. „Du hast mich gerettet.“ „Also bitte“, setzte der Kung-Fu-Kämpfer an, „das war doch selbstverständlich.“ Tenten sah ihn wütend an: „Nein, war es nicht! Du wärst beinahe dabei umgekommen!“ Mit einem Mal schien Lees Miene an Ernst zuzunehmen. „Ihr seid naiv. Habt Ihr wirklich geglaubt, dass man so einen Kampf mit Diplomatie lösen kann? Sasuke Uchiha verhandelt nicht.“ „Du hast mich trotzdem gerettet.“ Der Kung-Fu-Kämpfer hob eine Augenbraue. „Sonst hätte das doch niemand gekonnt. Wollt Ihr Euch etwa auf die ganzen Pfeifen verlassen? Da müsst Ihr schon jemanden wie mir vertrauen.“ Er grinste von einem Ohr zum anderen, während Tenten ihn nur überrumpelt anstarrte. „Immerhin bin ich der einzige, der Sasuke Uchiha schon mal besiegt hat“, fuhr er mit seiner Lobeshymne fort. „Und Neji und Naruto haben sich ja wieder wo anders rumgetrieben und an wem bleibt dann die Arbeit hängen? An mir.“ Er grummelte, während Tenten ihn nur anstarrte. „Du bist sauer auf Naruto und Neji?“ Lee blickte sie aus seinen schwarzen Augen heraus an. „Ich werde vollkommen im Trainingsrückstand sein“, jammerte er, dann beäugte er sie wieder. „Ein kleines Dankeschön hätte ich allerdings schon erwartet.“ Auf Tentens Gesicht erschien ein Lächeln. So entrüstet er auch klang, sie war sich sicher die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als sie Shikaku Nara dazu überzeugt hatte, ihn zu retten. „Dann bedanke ich mich hiermit dafür, dass du mir das Leben gerettet hast.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die Tage in Tsunades Tempel vergingen wie die Gezeiten. Langsam aber stetig in einem immer wiederkehrenden Rhythmus, den man zwar genoss, aber trotzdem wusste, dass er enden würde. Lee wurde immer kräftiger und nachdem er von der Ärztin die ausdrückliche Erlaubnis erhalten hatte, hatte er einige Versuche unternommen zu stehen und ein, zwei Schritte zu gehen. Doch länger konnten sie ihren Aufenthalt nicht mehr hinauszögern. Heute war der Tag des Abschieds gekommen. Heute würde sich etwas entscheiden, dass für ganz Konoha maßgebend war. Shizune, Shikamaru und Neji standen schon draußen, als sie in Begleitung von Tsunade nach draußen trat. Lee lag auf einer Trage und er redete unaufhaltsam auf Neji ein, der davon gar nicht begeistert war und ihn ignorierte. Tenten atmete aus. Die Luft war immer noch dünn hier oben, aber heute erschien sie ihr nicht so trocken, so allumfassend. Tenten schnürte ihr Gepäck zu, das die Vorräte enthielt, die Tsunade ihr gegeben hatte. Es war Zeit zu gehen. „Ich hoffe, du triffst keine falschen Entscheidungen, Tenten“, sagte Tsunade, die plötzlich neben ihr stand. „Es hängt viel von dir ab.“ Die Prinzessin sah die Ärztin an: „Vielen Dank für alles, Tsunade-Sama.“ Die Frau nickte ihr zu und wieder durchlief Tenten eine Welle von Ehrfurcht, als sie Tsunade betrachtete. Es war kein Wunder, dass die Leute sich in ihrer Gegenwart unwohl fühlten, sie hatte eine exotische Ausstrahlung und einen durchbohrenden Blick. Sie machte sich auf und war fast bei Shizune angekommen, als sie eine Bewegung hinter sich wahrnahm. Tsunade hatte die Arme übereinander geschlagen und sah sie durchdringend an. Tenten war nicht sicher, ob die anderen es bemerkt hatten. In Tsunades Blick lag eine gewisse Wehmut und Ernst zugleich. Sie wollte etwas sagen, aber brachte schließlich doch keinen Ton heraus. Die erhabene Frau strahlte etwas aus, das sie augenblicklich verstummen ließ. Einen Moment lang sahen sie sich stumm in die Augen. Die gebrochene Frau und das Mädchen, das den Schlüssel in der Hand hielt etwas zu ändern. „Denk an das, was ich dir gesagt habe, behalte es immer im Gedächtnis zu jedem Moment, sei bereit für den Augenblick, wo es dir nutzen wird.“ Dann drehte sie sich um und verschwand im Tempel. Shikamaru und Neji hoben die Trage vom Boden hoch und Shizune setzte sich an die Spitze, wobei Tenten schnell zu ihr aufschloss. Der Nebel wurde dichter und der Tempel Tsunades verschwand im dichten Dunst. Der Izanagi Izar selbst schien sein Geheimnis zu verschlucken. Und schon verblasste ihre Vorstellung von dem einsamen Plateau mitten auf dem höchsten Fels, das verborgen im Nebel lag. Shizune sagte nicht viel, als sie die Führung übernahm. Ab und zu fragte Tenten sie etwas, aber sie merkte schnell, dass der älteren Frau nicht zum Reden zumute war. Vielleicht lag es daran, dass sie sich der Zivilisation immer mehr näherten. Auf jeden Fall verlief ihr Abstieg gewissermaßen still, denn außer ihr hatte nur Lee etwas zu sagen, der sich die Hälfte der Zeit darüber beschwerte, dass Neji und Shikamaru so unsanft mit ihm umgingen. Neji überging diese Kommentare, doch der Nara ließ sich hin und wieder zu einem genervten Seufzen hinreißen. Sie brauchten fast drei Stunden, bis sie anstatt der zugefrorenen Eisfläche auf Felsen trafen und zwei weitere, bis sie das erste Grün entdeckten. Gegen Mittag machten sie eine Pause und am späten Nachmittag ließen sich die ersten Häuser erahnen, als sie schließlich nicht mehr weit vom Boden entfernt waren. Auf einmal blieb Shizune stehen und deutete ihren Begleitern anzuhalten. „Hier verlasse ich euch. Shikamaru-San, Ihr müsstet von jetzt an wissen, welchen Weg ihr nehmen müsst.“ Der Nara nickte ihr zu und die Dienerin Tsunades verbeugte sich, bevor sie sich umwandte und ein letztes „Lebt wohl“ herausbrachte. Sie verschwand im Unterholz. Jetzt schien es Tenten fast wirklich so, als ob das Treffen auf dem gewaltigen Monument nie stattgefunden hatte. Waren sie wirklich sechs Tage fort gewesen? „Wir müssen gehen“, merkte Shikamaru an und zog lustlos an der Trage, woraufhin auch Neji ihm folgte. Tenten sah noch einmal über ihre Schulter in die Richtung in die Shizune verschwunden war, dann folgte auch sie den Männern. Sie gingen über gelbbraunes Gras, über harten Fels und über weite Ebenen bis sie zu einer Straße kamen, die zwischen den ersten Häusern und Gehöften und Bauernhöfen hindurchführte. Es war ein weiter Weg und schon nach den ersten Kilometern, die sie vom Izanagi Izar entfernten, taten Tenten die Füße weh. Die anderen zeigten keine Regung. Neji, weil er nie Schwäche zugeben würde und Shikamaru, weil er wusste, wie wichtig ihre Mission war. Lee war der einzige, der redete, wenngleich er trotz dutzender Versuche die angespannte Stimmung nicht lockern konnte. Erst nach zwei Stunden sahen sie in der Ferne die Häuser, die die Residenz von Shikaku Nara umgaben, in der Ferne auftauchen. Schließlich kamen sie in den Straßen an. Die untergehende Sonne tauchte die Dächer in goldenes Licht und ließ sie schimmern wie tausende Wassertropfen, in denen sich das Licht verfing. Es waren nur wenige Menschen auf der Straße, aber die verhielten sich merkwürdig. Es war nicht wie sonst, wenn sie sich ehrerbietend vor Shikamaru oder Tenten verbeugten und sie willkommen hießen. Viel mehr war es eine plötzliche Starrheit oder Entsetzen oder Mitleid, das ihre Gesichter reflektierten. Etwas, das Tenten nicht deuten konnte. Es hing eine angespannte, düstere Atmosphäre über diesem Ort. Etwas war geschehen. Etwas, das maßgebend war. „Die Menschen sind unruhig“, sagte Neji plötzlich. „Sie haben Angst.“ Es war das Erste, das einer von ihnen seit einer Ewigkeit gesagt hatte und so war Tenten zugleich erschrocken über den ruhigen Ton, mit dem Neji das sagte und der Tatsache, dass er Recht hatte… „Sie müssen doch erwarten, dass wir zurückkommen“, flüsterte sie. „Nein“, mischte sich nun der Nara ein, „es war von Anfang an nicht sicher, dass wir zurückkommen. Mein Vater wollte dich davon abhalten zu gehen, weil wir vielleicht nicht zurückkommen würden.“ „Er hat mich schützen wollen?“ Der Nara nickte. „Ja. Er muss etwas vorausgesehen haben.“ Tenten schwieg, aber sie beschleunigte ihr Tempo. Sie mussten sofort mit Shikaku Nara sprechen. Er würde ihnen erklären, was vorgefallen war, was man zu tun hatte und er war derjenige, den sie überzeugen musste. Sie gingen durch die leeren Straßen, ungeachtet der Blicke, die ihnen zugeworfen wurden. Nichtbeachtend des Raunens, das ansetzte, sobald sie vorbeigegangen waren. Tenten war nie in ihrem Leben so unbehaglich gewesen. Sie fühlte sich, als ob sie von allen mit Erstaunen, ja Angst betrachtet wurde. Tenten wagte nicht sich umzusehen und starrte stattdessen auf den Boden, um niemanden ansehen zu müssen. Schließlich standen sie vor dem hölzernen Tor, das zugleich der Eingang der Residenz des Daimyo Shikaku Naras war. Der Eingang wurde von zwei Wachen flankiert. „Shikamaru-Sama!“, sprach der erste Mann den Erben der Naras an. Aber seine Stimme klang zugleich entsetzt wie erstaunt. Tenten fröstelte. „Bringt mich zu meinem Vater. Ich muss ihn einige Dinge fragen“, sagte Shikamaru. Die erste Wache warf der zweiten einen Blick zu. Beide schwiegen. „Ihr wisst es nicht, nicht wahr?“ Shikamaru war verwirrt: „Was sollte ich wissen?“ Der größere von beiden sah ihn an, Mitleid im Blick und Angst? „Das sollte Euch vielleicht jemand anderes sagen. Es wäre nicht gut, wenn…“ Neji warf dem Nara einen Blick zu. Dieser war nun merkwürdig angespannt, als hätte auch er eine Vorahnung. „Dann bringt uns zu Asuma-San“, sagte der Samurai. Die Wachen warfen Shikamaru einen Blick zu, aber der nickte bloß. Schließlich machten sie den Weg frei und einer von beiden ging voraus um Asuma zu benachrichtigen, dass sie zurückgekehrt waren. Der Weg erschien Tenten viel länger als beim ersten Mal. Aber vielleicht lag das auch nur an der Atmosphäre, die über diesem Ort schwebte. Ihr fiel auf, dass Neji angespannt war. Befürchtete er etwas? Der Gang war sonnendurchflutet, aber ihr kam es viel zu hell vor. Viel zu schön in dieser Atmosphäre, die Stimmung verriet etwas. Flüsterte ihr Warnungen zu und schien sie vor etwas abzuschirmen. Die Wache öffnete die gleiche Tür, wie vor ein paar Tagen, als sie in diesem Raum dem Daimyo gegenüber gestanden hatte. Jetzt saß Asuma Sarutobi auf dessen Platz, die Augen auf seine Hände gerichtet. „Du bist zurück, Shikamaru?“ Sie betraten den Raum, wobei Shikamaru und Neji Lee samt Trage vorsichtig ablegten. Ihr Gepäck stellten sie zur Seite und auf einen Wink des Mannes vor ihnen betraten zwei Diener den Raum und brachten es in die Zimmer. Shikamaru war stehengeblieben, während sich die anderen bereits gesetzt hatten. Asuma sah ihn an und schließlich setzte er sich vor seinen Mentor. „Eure Mission war ein Erfolg“, sagte Asuma mit Blick auf Lee, der ihn daraufhin schief angrinste. „Ja, Asuma-San“, sagte Tenten, „wir haben Tsunade-Sama gefunden. Sie hat Lee geheilt.“ „Das ist gut.“ Er zündete sich seine Pfeife an. Shikamaru hatte noch immer nichts gesagt. Asuma sah ihn an, zog an der Pfeife und blies den Rauch in den Raum. „Frag mich“, sagte er. „Ich weiß, dass du die Frage kennst, die du mir stellen musst, um die Antwort zu erhalten, die dir eine Erklärung für alles liefert.“ Shikamaru hob den Blick. Er seufzte, wohl wissend, dass ihn alle beobachteten. „Was ist mit meinem Vater passiert?“ Asuma schwieg. Keiner sagte ein Wort, sie alle waren erstarrt wie Eis, gefangen in einer Illusion der Stille, denn in keinem von ihnen war es still. Tenten wusste nicht wie viel Zeit vergangen war. Shikamaru blinzelte nicht, er starrte Asuma an, der seinem Blick auswich. „Es tut mir leid“, sagte er irgendwann in die Stille herein. Sie alle rührten sich nicht, spürten, dass das folgende etwas Entscheidendes sein würde. „Es tut mir leid, Shikamaru“, wiederholte Asuma, „Shikaku Nara ist tot.“ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ Die Temperatur im Raum war so kalt, dass er fröstelte. Es war kalt im Krematorium der Naras, obwohl es von etlichen Kerzen erhellt war, die wie dutzende Sterne schimmerten. Es war ungemütlich hier und düster. Aber vielleicht war gerade das eine passende Stimmung für eine Beerdigung. Es waren nicht viele Menschen hier, denn zu Shikaku Naras Beisetzung waren nur seine engsten Ratgeber und sein Sohn zugelassen. Für Tenten hatte man eine Ausnahme gemacht, weil es als Beleidigung aufgefasst werden würde, wäre sie nicht da, um dem Daimyo die letzte Ehre zu erweisen. Neji sah dem Schauspiel nur aus der Ferne zu. Vielleicht wäre es sicherer gewesen, wenn er sie begleitet hätte, aber wer würde sie schon angreifen, wenn sie auf eine Beerdigung ging. Neji lehnte im Gang, der in den Raum führte. Er stand gerade nah genug bei ihnen um sie beschützen zu können und weit genug weg um nicht in die Zeremonie eingeschlossen zu sein. Tenten stand neben Shikamaru, der seit dem Augenblick, da Asuma ihm die Wahrheit erzählt hatte, neben sich stand. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Nara es gewusst hatte. Vielleicht hatte er das gleiche schon mal erlebt oder er hatte gewusst, wieso das Volk auf diese Art und Weise reagierte, oder wieso man ihm so mitleidige Blicke zugeworfen hatte. Er hatte es gewusst und war doch nicht stark gewesen. Shikamaru war nicht in der Lage, über sich selbst zu gewinnen. Es war wahrlich ein düsterer Tag. Mit einem Schlag waren all ihre Hoffnungen zunichte gemacht worden. Lee hatte zwar überlebt und Tenten somit ihre Vereinbarung dem Daimyo gegenüber eingehalten, aber was nützte das, wenn Shikaku Nara tot war? Sie hatten den Weg umsonst gemacht, denn der einzige, der ihnen ein Bündnis ermöglicht hätte, war ermordet worden. Das Schachspiel um Konoha hatte erneut begonnen und es stand nicht gut. Ein langer Zug kam aus einem angrenzenden Raum, ging direkt an ihm vorbei und trug den Sarg mit dem darauf aufgebetteten Daimyo an ihm vorbei. Der Mann, den er dort sah, wirkte seltsam friedlich. Im Schlaf das Herz durchbohrt, hatte man ihnen später gesagt. In ihm war ein Verdacht aufgekeimt, aber er würde sich hüten etwas zu sagen. Denn alles, was er sagen würde, könnte man gegen Tenten verwenden. Wäre sie nicht hergekommen, wäre vielleicht alles beim Alten geblieben. Das Volk musste Shikaku Nara sehr verehrt haben, denn die Fenster der Häuser waren überall mit Stoff verhangen. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie denjenigen hassen würden, der ihnen den Daimyo genommen hatte oder jemanden, den sie dafür verantwortlich erachteten. Ein Priester sagte ein paar Worte, die Antwort war Schweigen. In der Stille nahmen sie Abschied von ihm und schoben ihn in den steinernen Brennofen um den alle herum standen. Shikamaru wurde eine Fackel gereicht, die man bereits angezündet hatte. Eine Weile lang betrachtete der Erbe der Naras einfach nur das Gesicht seines Vaters. Die geschlossenen Augen, die Shikaku Nara trotz seines gewaltsamen Todes einen ruhigen Ausdruck verliehen und ihn friedlich aussehen ließen. Neji wusste nicht, was Shikamaru denken musste, als er die Fackel schließlich auf den Toten warf, aber im Schein der Flammen sah Neji, dass er weinte. Nun hatte er keinen Vergleich mehr zu dem faulen und ernsten Mann, den er kennen gelernt hatte. Morgen würden sie wohl fortfahren mit ihrer Zeremonie. Sie würden Mahlzeiten im Krematorium einnehmen und schließlich die Überreste des Toten, seine Asche in eine Urne füllen. Für einen Daimyo musste es ein wahrlich prächtiges Gefäß sein. Geschmückt mit allen erdenklichen Mustern vielleicht oder aber ganz schlicht. Gäste würden der Familie etwas schenken und umgekehrt ein Geschenk von der Familie erhalten. Nach fünfunddreißig Tagen würde man die Urne auf einem Altar im Anwesen aufstellen und um sie herum Räucherstäbchen anzünden, die die Zeit anzeigen würden, wann man die sterblichen Überreste des Daimyo auf dem Friedhof in Anwesenheit von einem oder mehreren Mönchen beilegen würden. Die Menschen würden wie jetzt weiße Kleidung tragen und Chrysanthemen auf das Grab legen. Jene Blumen, die so viele verschiedene Farben hatten und noch blühten, wenn andere schon längst verwelkt waren. Sie galten als Symbol der Unsterblichkeit und unsterblich war Shikaku Nara wohl geworden. Selbst in einigen Jahren würde man sich wohl seine Geschichte erzählen. Man würde von seiner Größe erzählen, von seiner Güte, seiner Überlegtheit und seiner Führungskraft. Vielleicht würde man einige Details anders wiedergeben, als sie sich zugetragen hatte, aber das war ja auch nicht so wichtig. Der Samurai lehnte sich näher an die Wand des Ganges. Er lockerte sein Schwert, das einzige, das ihm eine gewisse Sicherheit gab und vor seinem inneren Auge tauchten wieder die Bilder des Ronin und des Attentäters auf. Etwas begann… Vielleicht wendete sich alles zum Guten und vielleicht stand Konoha der Untergang bevor. Oder der Anfang hatte schon vor langer Zeit begonnen. Neji dachte an das tote Oto-Gakure. Er starrte in das Feuer, das jetzt langsam den Toten zerfraß und seinen Körper mit hellen Flammen überzog. Der Rauch war schwarz geworden und in der Luft hing ein Geruch von verbranntem Fleisch. Wenn auch der Mönch eben auch lange mit ruhiger Stimme geredet hatte und ihn geehrt hatte, so war es jetzt still. Die Anwesenden hatten ihre Blicke gesenkt, manche betrachteten den Leichnam, der langsam durch das Feuer zerfiel, andere schienen in ein Gebet verfallen zu sein. Dann hörte Neji auf einmal Shikamarus Stimme, die er zwar nur leise, aber dennoch eigenartig deutlich verstand. „Mein Vater hat viel für dieses Land getan“, sagte er, „Er war ein gerechter Herrscher und hat sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Er war einer jener Menschen, die Konoha geprägt haben.“ Shikamaru machte noch eine Pause, bevor er schließlich etwas lauter fortfuhr: „Sein Tod erschüttert uns alle und lässt uns wünschen Vergeltung zu üben für diesen grausamen Mord. Doch wir können nichts tun, denn wir kennen das Gesicht des Täters nicht. Ich habe lange überlegt und jetzt eine Entscheidung getroffen.“ Er schwieg und die Menschen warteten, bis er wieder etwas sagte. Der Nara schluckte seine Trauer hinunter: „Es ist Zeit zu kämpfen. Ich weiß nicht, ob der Tod meines Vaters ein Attentat der Rebellen war, aber wir werden nur Frieden erreichen, wenn wir gegen jene kämpfen, auf die sich der Bruch innerhalb Konohas zurückführen lässt. Die Rebellion muss aufgehalten werden. Ich schwöre, dass mein Vater nicht umsonst gestorben sein wird. Als Erbe meines Vaters und der Nara-Familie gebe ich hiermit das Bündnis zwischen Konoha-Gakure, Mao-Chéng, seiner Tochter Tenten und der Familie Nara bekannt.“ Ein Raunen ging durch die Menge und einige Personen begannen aufgeregt miteinander zu flüstern. Shikamaru war erst Siebzehn und durfte das Erbe seines Vaters erst an seinem einundzwanzigsten Geburtstag antreten. Bis dahin würde Asuma Sarutobi die Befehlsgewalt über die Truppen der Naras haben. Dieser Ausspruch Shikamarus kam einem Skandal gleich. Doch er kümmerte sich nicht darum, ging an ihnen allen vorbei und warf keinen Blick zurück, wo die Trauernden noch immer um das Feuer herumstanden. Neji war sich sicher, dass er später zurückkehren würde, wenn keiner mehr da war, der ihn in seiner Trauer stören könnte. Tenten sah ihm nach. Dankbar. Erleichtert. Traurig? Shikamarus Gesicht lag im Schatten, als er an dem Samurai vorbeiging. Er trug weiße Kleidung, aber es war kein Kimono, es war die Kleidung eines Kriegers. Entgegen dessen, was Shikamaru behauptet hatte, glaubte Neji, dass er sehr wohl im Kampf ausgebildet worden war. „Ich habe meinen Vater auch verloren“, sagte der Samurai leise. Der Nara sah nicht auf, blieb aber trotzdem kurz stehen. Neji begriff: Es war nicht Shikaku Nara gewesen, den sie überzeugen mussten, es war sein Sohn. „Du tust das Richtige, Shikamaru Nara.“ Noch immer hatte Shikamaru nicht den Kopf gehoben, aber als er schließlich an Neji vorbeiging, schien es fast so, als würde sein Blick klarer werden. ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ [15.o2.2oo9] Lange habe ich euch warten lassen und ich muss mich schon wieder für die ewig langen Unterbrechungen entschuldigen. Ich hoffe, ihr könnt mir noch einmal verzeihen. Ich könnte jetzt Gründe und Ausreden nennen, aber ich lasse es. Von jetzt an werde ich mich bemühen jeden Monat ein Kapitel hochzuladen, dann wäre ich nämlich im Winter also Dezember fertig ^^ Vor allem, da mir dieses Kapitel am bisher schwersten gefallen ist, warum weiß ich nicht. Es ist auch wieder so eins, das aufbaut und Informationen gibt und eine Wendung einschlägt, die wieder prägend ist. Um ehrlich zu sein, habe ich lange überlegt, ob ich Shikaku Nara umbringen lassen sollte, oder nicht. Im Endeffekt habe ich mich dafür entschieden, weil es einfach realistischer ist. Dieses Kapitel ist auch gleichzeitig ein Geschenk. Und zwar an meine liebe Leserin SasuSaku_Chan oder auch Bella wie ich sie nennen darf ^^ Also liebe Bella, hiermit gratuliere ich dir zum 18. Geburtag !!! Alles alles Liebe und Gute!!! Und wieder geht mein Dank an meine großartige Betaleserin Arethelya, die sich mit immer längeren Kapitel abplagen darf und zudem noch Zeit gefunden hat, mir Informationen über die japanische Todeszeremonie zukommen lassen hat. Vielen Dank. Kapitel 19: Chess bedeutet Schach und spielt auf Konohas Situation und die Symbolik des Schachspiels zwischen Neji und Shikamaru an. Das nächste wird lauten: Kapitel 20: Ambush (Hinterhalt) und ist beinahe fertig, dieses wird allerdings die richtige Spannung einleiten und alles auf den Kopf stellen, ich will behaupten, dass einige über den Ausgang erst mal entsetzt sind XDD Über Kommentar, Lob und Kritik würde ich mich freuen, weil ich das Gefühl habe, dass das Interesse ein wenig zurückgeht. Ich hoffe, das liegt nicht an den langen Wartezeiten ... ^^° Noch was ... Ich habe das Layout von Samurai verändert, weil es mir so besser gefällt und alles übersichtlicher macht. Wer also noch Bilder für die Charaktere hat, die in meine Samurai-zeit passen könnten, kann sie mir gerne schicken. Danke, dass ihr noch immer meine Fanfiction verfolgt. moonlight_005 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)