Kaizoku no Baroque von Alma (I. Träume) ================================================================================ Kapitel 41: Die Dünen --------------------- Die Zeit verging und man spürte richtig, wie die Mannschaft sich mit den Tagen immer mehr anspannte. Es war nicht mehr weit zu den Dünen und dahinter lag sie endlich. Die Insel, die ihre Reise ausgelöst hatte. Suimin. Pluton, ihr Königreich. Keiner von ihnen, nicht einmal Robin, ahnte, dass bald alles zu Ende sein würde, ohne jemals wirklich begonnen zu haben. Sie alle sehnten sich so sehr nach ihrem Utopia. Nach dem, wofür sie so lange gereist und so hart gekämpft hatten. Und Robin ahnte, ganz tief in sich drin, dass es eine Lüge war. Doch noch blieb die Wahrheit in ihr verschüttet, traute sich nicht heraus. Wollte ihr zumindest noch die letzten Tage Ruhe gönnen. Ehe sie alle einsehen mussten, dass Robin sie verraten hatte. Belogen und hintergangen und zwar von der ersten Sekunde an. Was dann geschah, wusste sie. Ihr Kopf ließ ihr keine ruhige Minute mehr, pochte und marterte sie, ohne ihr je die Antwort auf ihre Fragen zu geben. Nur wenn sie sich nachts an Crocodiles warmen Körper schmiegte, fand sie wirkliche Ruhe. Vor sich selbst und der Lüge, die sie lebte. Sie hatte es sich immer noch nicht gänzlich eingestanden, aber sie wusste es längst. Sie liebte ihn, sie liebte ihn wirklich. Und mit dieser Erkenntnis, die nun so offenbar war wie nie zuvor, kam auch der Schmerz. Ein für sie unerklärlicher Schmerz. Doch ihr Unterbewusstsein hatte nicht vergessen, wusste in welche missliche Lage sie sich gebracht hatte. Und was auf Suimin auf sie wartete. Was sie zurecht ereilen würde. Auch Robin hatte die Vorahnung, dass hinter den Dünen die Wahrheit auf sie lauerte. Diese eine Sache, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte. Diese Erinnerung, die sie so sehr quälte. Ganz sicher würde es nicht mehr lange dauern, ehe sie ihr ganz klar vor den Augen stand. Sie hatte Angst davor, wirklich schreckliche Angst. Manchmal wünschte sie sich fast sie würde auf immer im Ungewissen bleiben. Aber das würde auch nichts daran ändern, was geschehen würde. Irgendwann kam die Wahrheit immer ans Licht. Irgendwann musste jeder Mensch für das bezahlen, was er getan hatte. Die Erinnerung schwebte die ganze Zeit vor ihr, sie wusste sie musste nur danach greifen, so nah war sie. Und trotzdem war sie zu blind um sie zu erkennen, zu taub um ihr zuzuhören, war ihr Gleichgewicht zu gestört um sie einfach anzupacken. Es ging nicht. Immer wieder, vor allen in den Nächten plagten sie schreckliche Albträume. Sie fürchtete sich davor was passieren würde. Fürchtete sich davor Crocodile zu verlieren. Die Crew zu verlieren. Ihre Freunde. Dabei hatte Crocodile ihr doch gesagt, dass er sie mochte. Für sie war das bald so intensiv wie eine Liebeserklärung. Und dann diese unbeholfenen Komplimente. Sie wurde immer noch rot und ihr blieb die Luft weg, sobald sie nur daran dachte. Kindisch, das wusste sie. Aber hieß das nicht auch, das sie nichts zu befürchten hatte? Wenn er sie mochte, würde er ihr dann nicht verzeihen können? Was immer sie auch getan hatte? Hoffentlich. Sie klammerte sich fast schon panisch an diesen Gedanken, an diese schwielige Hoffnung. Hoffentlich war dem so. Allerdings machte ihr nicht nur ihr Kopf Probleme, auch das Log Buch nahm ihr immer wieder den Atem. Sie hatte endlich wieder darin lesen müssen, obwohl sie jemand in ihrem Inneren davon abhalten wollte. Vieles hatte sie ausgelassen, gar nicht gelesen, lesen können, weil die Buchstaben vor ihr verschwommen waren. Nicht immer hatte viel zu den einzelnen Inseln gestanden, oft waren es nur Informationen über den Wind und den Kurs. Nur manchmal gab es jetzt noch persönliche Kommentare des Captains. Und dennoch riss sie jeder Fetzen des Leides in ihm auseinander. Die Zerfressenheit der Crew, die Angst der Menschen und die Anspannung vor dem näher kommenden Ziel stand in den Worten so klar wie die Sonne am wolkenfreien Himmel eines kalten Wintermorgens. Es ließ sie frösteln und immer wieder trieb es ihr die Tränen in die Augen. Manchmal war es so schlimm, dass sie mitten im Satz abbrechen musste, weil der Schmerz in ihrer Brust so sehr anschwoll, dass ihr die Luft wegblieb. Die Tränen so heftig, dass ihre Sicht verschwamm und das Zittern ihrer Finger so hart, dass sie sich erst einmal beruhigen musste. Mit der Zeit zog sie sich immer weiter von der Crew zurück, ging ihnen ganz bewusst aus dem Weg. Nur Crocodiles Nähe suchte sie so oft sie konnte, manchmal eher unterschwellig, nur in beiläufigen Berührungen. Es war wie Balsam für ihre Seele, obgleich etwas in ihr heran wuchs, bis es sich schmerzhaft gegen ihre Schädeldecke drückte. Sie ignorierte es, so gut sie konnte. Konzentrierte sich nur noch auf das Hier und Jetzt, wollte nicht mehr an die Zukunft denken. Nicht daran, was auf Suimin sein würde. Nicht daran, dass sie ihre Prinzipien verriet und dass sie über die Menschen, die sie liebte, den Schmerz der antiken Waffen brachte. Nicht daran, was sie wirklich tun würde, wenn Pluton dort lag. Innerlich suchte sie verzweifelt nach einem Ausweg, aber äußerlich wurde sie immer kühler, verschlossener. Sie baute ihr altes Selbst wieder auf, die unbarmherzige, eisige Alleingängerin. Es half ihr ein wenig, obwohl es im Endeffekt rein gar nichts brachte. Die Hoffnung, dass sie dadurch klarer denken könnte, verflüchtigte sich noch ehe sie sich dessen bewusst war. Da war noch immer dieser Nebel genau vor ihrer Nase, obgleich sie längst wusste, dass es sie verschlingen würde. Sie wusste es, weil ihr Herz schmerzte und gleichzeitig hinaus vor seine Füße springen wollte, sobald Crocodile auf sie zu kam. Sie wusste es, weil sie davon träumte. Weil sie ständig in Tränen ausbrach und sich in ihrem Inneren so ein Druck aufbaute, dass sie glaubte den Verstand zu verlieren. Noch ließ er sie in Ruhe, doch es war ihr klar, dass nur ein winziger Augenblick genügte, um etwas in ihr explodieren zu lassen. Es war nur noch eine Frage der Zeit, ehe sie die Dünen erreichten. Dahinter lag ein kleiner Wasserstreifen und dahinter... das Ende. Sie hatte Angst davor, aber sie mahnte sich bei Verstand zu bleiben. Immerhin hatte sie Crocodile versprochen ihn dorthin zu führen und sie brachte es nicht über das Herz ihn jetzt im Stich zu lassen. Stundenlang kauerte sie über dem Logbuch und versuchte jede brauchbare Information aufzusaugen, die es über die Dünen geben konnte. Trotzdem war sie langsam. Jeder Satz brauchte eine Ewigkeit ehe sie dessen Bedeutung verstand, obwohl sie wusste, dass sie sich langsam an den Syntax des Dialektes angepasst hatte. Es war als wolle sie sich selbst davon abhalten weiter herumzuschnüffeln. Doch ihr Wille war eisern und so forstete sie sich weiter voran. Das Fenster des Bullauges in ihrer Kajüte war geöffnet und warme, angenehme Luft strömte zu ihr auf das Bett. Das Meer war ruhig und die Sonne schien ihr fröhlich entgegen, doch dafür hatte sie keine Augen. Zu sehr nahmen sie die Worte ein weiteres Mal mit. Einige Tränen tropften bereits auf ihre Handfläche, aber auch das bekam sie nicht direkt mit. Crocodile hatte sie vor Stunden allein gelassen, damit sie in Ruhe lesen konnte. Es war ihr recht, er musste ihre Verwirrtheit nicht auch noch direkt mitbekommen. Er würde es nicht verstehen können, da war sie sich sicher. Ein wenig konnte sie es nachvollziehen, versuchte es sich selbst immer wieder nichtig zu reden. Es war nur ein Buch, es waren nur ein paar Menschen, die vor tausend Jahren gelebt hatten. Es waren nur Worte. Es ging nicht. Dafür war sie nicht kaltherzig genug. Kopfschmerzen plagten sie, wie so oft in der letzten Zeit. Es war als würden sie sie anflehen endlich mit jemandem zu reden, endlich etwas heraus zu lassen, zu gestehen dass es eine Lüge war. Dass es ihr sehr wohl etwas ausmachte ihnen die antike Waffe zu überlassen. Es war so schwer eine Lüge zu leben, sie hielt es nicht aus. Doch sie sagte sich immer wieder, dass sie es musste. Und wenn ihre Vorahnung stimmte, würde auf Suimin sowieso alles enden. Beinahe war sie dankbar dafür. Sehnte es fast herbei. Vorsichtig blätterte sie um und schluchzte leise, wischte sich die Tränen aus den Augen. Sie fühlte sich schwach, hilflos und vollkommen allein. Allein mit sich selbst und diesem Etwas in ihr. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich so gefühlt, aber das hier war anders, noch quälender. Unerträglich. Es wurde so schlimm, dass die das Buch schließlich doch weg legte und ihre Beine anzog, um ihren Kopf auf die Knie zu betten. Hastig zog sie Luft ein, drückte sie gezwungen langsam wieder heraus. Ganz ruhig, Robin. Bleib ruhig. Das wird schon alles wieder. ...Ganz sicher... In diesem Moment ertönte ein Klopfen, ein kurzes, ehe die Tür aufsprang. Robin blickte nicht auf, beeilte sich aber zumindest die Tränen zu trocken. Er musste sie nicht schon wieder so sehen. Das war zu peinlich und zu erniedrigend. »...Ist etwas passiert?« fragte er zögerlich. Nur ein Kopfschütteln, da sie wusste ihre Stimme könnte dem Druck nicht stand halten. »Sieht nicht so aus.« Langsam setze er sich neben sie, ließ sich aufs Bett fallen und verschränkte den Arm hinter seinem Kopf. »...« Sie drehte den Kopf von ihm weg, damit er sie nicht direkt ansehen konnte. Trotzdem wusste er, dass sie weinte. Allerdings nicht warum. War es wegen dem Logbuch? Sie war so sensibel, ihr ging alles gleich ans Herz. Am Besten fragte er gar nicht nach. »Wenn du möchtest, kannst du herkommen. Ich hab eh gerade nichts Besseres zu tun.« Sie schluckte ihre Tränen herunter, wandte sich aber nicht zu ihm um. »Wir sind bald da.« »...« »Und... ich habe noch keine Ahnung, wie wir über die Dünen kommen sollen.« Sie atmete langsamer, beständiger, versuchte ihren schmerzenden Kopf zu ignorieren. »Ich bin...« Sie deutete auf das Logbuch. »... gerade an der Stelle, wo sie merken, dass sie feststecken. Ich lese so schnell ich kann, aber...« Erneut atmete sie schwer ein. »Es ist... sehr anstrengend.« »Hmm... ich sage nicht, dass du durch rasen musst, aber... « Seine Stimme war beruhigend. »...feststecken möchte ich dort auch nicht.« Ein apathisches Nicken. »Es ist Sand, man kann vermutlich sogar darauf stehen. Wenn das Meer ruhig ist, geht das Wasser einem vielleicht bis zur Hüfte. Es... ist beinahe wie eine Mauer, die um die Insel herum verläuft. Wie... eine Schutzmauer.« Kurz begann ihre Stimme zu zittern, aber sie stemmte sich mit allem, was sie hatte, dagegen. »Crocodile... ich...« Geduldig wartete er, dass sie aussprach. »Ach nichts...« Sie lächelte verzerrt und begann wieder zu weinen. Ihre Hand krallte sich in ihre Brust und sie konnte dem Drang sich nach vorne zu beugen und zu schluchzen, gerade noch widerstehen. Der Druck war nun so stark, dass sie fast implodierte und ihre Mauer schon gewaltige Risse bekam. Doch die Erlösung folgte einfach nicht. Ihr Unterbewusstsein ließ sie im Stich, sie weiter leiden. So sehr, dass sie zu zittern begann. Das war der Moment, in dem Crocodile es nicht mehr mit ansehen konnte. Er kam zu ihr und nahm sie in seine Arme, flüsterte in ihre Ohren. »...Hält ja keiner mit dir aus, man...« Das brachte ihre Beherrschung dazu zusammenzufallen wie ein Kartenhaus. Sie schluchzte so laut, dass es sie wirklich beschämte. Wie Sturzbäche rollte ihr das salzige Wasser nun aus den Augen, ihre Wangen hinab, über sein Kinn bis in sein Hemd. Sie konnte gar nicht mehr aufhören. »Tut... tut mir leid...« »Ach sei still.« Er drückte sie noch näher an sich und gab ihr einen Kuss an den Hals. Er sagte nichts mehr und hielt sie einfach nur fest. Das war alles was er tun konnte. Er kannte ihren Schmerz, er war ja in ihrem Körper gewesen, hatte es selbst miterlebt, war selbst in Tränen ausgebrochen unter dieser Last. Nur welche Last? War das etwa die Erinnerung, die an ihr rüttelte? War es nur das Logbuch? Oder hatte es doch mit ihm zu tun? Jäh beendete er seine Gedanken. Er hatte keine Zeit für so etwas. Sie waren so nah an ihrem Ziel und er würde es sich nicht mehr madig reden lassen. Wenn Robin etwas auf dem Herzen hatte, würde sie es ihm schon sagen, nicht wahr? Und so schlimm konnte es nicht sein, nicht wahr? Nicht wahr? Hastig rieb sich Robin über die Augen, doch die Flut nahm kein Ende. Sie musste bald einsehen, dass es keinen Sinn hatte. Die Tränen würden erst versiegen, wenn sie das wollten. Und Robin war einfach nicht stark genug ihnen Einhalt zu gebieten. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und drehte sich zu ihm um, schlang die Arme um ihn und kuschelte sich an ihn. Suchte instinktiv seinen Herzschlag, dieses beruhigende, wunderschöne Pochen in seinem Innersten. Es half, kurbelte sie ein wenig herunter und eine Müdigkeit, so schwer wie einhundert Steine legte sich über sie, drückte sie zu Boden. Sie wollte ihn nicht verlieren. Sie hatte solche Angst davor, was auf Suimin auf sie wartete. »Heute genug gelesen, ja?« waren die letzten Worte, die sie von ihm hörte, als der Schlaf sich ihrer bemächtigte, so erbarmungslos wie eine Ohnmacht. Alles, was sie erwidern konnte war ein schweres Nicken. »Wir finden schon einen Weg über die Dünen...« ~ ~ ~ Crocodile war wirklich glücklich, so glücklich wie schon lange nicht mehr. Es tat richtig weh, war fast krankhaft. Aber er genoss es, wie den frischen Wind auf seiner Haut, wenn er am Bug stand. Er war so nah, sie waren nur noch einen Katzensprung von ihrem Ziel entfernt. Es lag direkt vor seinen Füßen, das worauf er so lange hinaus gearbeitet hatte. Und wenn er Pluton endlich in den Händen hielt, würde er alles haben, was er sich wünschte. Freiheit und eine Frau an seiner Seite, der er vertrauen konnte. Jeden Tag wurde er aufgeregter, ein bisschen hibbelig sogar manchmal. Er sehnte es so sehr herbei, dass es richtig in seinen Fingerspitzen kitzelte, wenn er nur daran dachte. Es war als wäre ein riesiger Stein von seinem Herzen gefallen, der ihn so lange gequält hatte. Elisa war tot und würde ihn nie wieder versuchen umzubringen. Er hatte Robin gefunden, ihr endlich, wenn auch unter großer Demütigung, gesagt was er für sie empfand und war ihr näher als jemals zuvor. Er schäumte fast über vor Glück und je näher die Dünen kamen, umso schlimmer wurde es. Wirklich, er fühlte sich wunderbar. Dass es Robin immer schlechter ging und sie sich immer weiter in sich selbst vergrub, nahm er nur schwammig wahr. Sie konnte es gut verbergen und er selbst war zu blind vor Glück, um sich wirklich darüber Sorgen zu machen. Nur manchmal, ganz selten, wenn er sie weinen sah, zweifelte er daran. Fragte er sich ob dieses Glück wirklich echt war. Doch er war längst keinen rationalen Gedanken mehr zugängig, verdrängte einfach alles, was ihm eigentlich so offensichtlich scheinen sollte. Er glaubte die Lüge, die Robin ihnen aufgetischt hatte. Dass sie Pluton nicht mehr hasste. Dass sie für ihn und für die anderen ihre Prinzipien aufgab. Dass es ihr nichts ausmachte. Er wollte einfach daran glauben. Es dauerte noch zwei volle Tage, ehe am Horizont ein leichtes Schimmern zu sehen war. Crocodile und die anderen saßen beim Frühstück in der Kombüse, als Iroko plötzlich ausdruckslos herein kam. »Bossu, Dünen in Sicht.« Mit einem Lächeln, so glücklich, dass es Robin Angst machte, stand er ohne zu Zögern auf und ließ den Rest seines Essens einfach stehen. Schnurstracks ging er an Deck und der Rest der Crew folgte ihm vorfreudig. Nur Robin schlurfte apathisch hinterher, wartete nur schweigend darauf, dass das Chaos in ihrem Kopf endlich explodierte. Auf dem Meer vor sich konnten sie es bereits von Weitem erahnen. Ein sandiger Streifen, unter dem türkisblauen, seichten Wasser sanft schimmernd. Ein wirklich faszinierend schöner Anblick. Bereits unter ihrem Schiff konnte man beobachten, dass der Sand langsam näher kam und die wenigen Stellen, die aus dem Wasser heraus ragten, nur die Spitze des Eisberges waren. Der Streifen war so breit wie ein ganzes Marineschiff und so lang, dass das Auge sein Ende weder in die eine noch in die andere Richtung erkennen konnte. Während die anderen noch staunten, war Crocodile bereits am Grübeln. Nun gab es kein Zurück mehr, sie mussten einen Weg darüber finden. »In Ordnung. Fahren wir so weit heran, wie möglich. Dann sehen wir weiter.« Miki hatte seinen Boss gehört und in einer für ihn ungewöhnlichen Geschwindigkeit joggte er an das Steuer und bog es ihrem Ziel genau entgegen. Es dauerte nur Minuten, ehe sie plötzlich einen Widerstand spürten. Crocodile gab hastig das Zeichen die Segel zu raffen und das Steuer zu blockieren. Das war weit genug, näher kamen sie nicht heran ohne völlig auf Grund zu laufen. Sein Boss wirkte noch immer äußerst gut gelaunt, als er sich wieder an ihn wandte. »Lust ein bisschen auf dem Watt herumzulaufen?« Mit einem überglücklichen Lächeln nickte Mister 4 und zog sich das Hemd und die Schuhe aus, um sofort hinein zu springen. Gleich daneben stand Iroko, in einem hübschen rosa Badeanzug, ausdruckslos wie immer. Scheinbar wartete sie nur auf die kleine Flutwelle, die Miki bei seinem Bauchklatscher auslösen würde, um danach selbst ins Wasser zu springen. Crocodile hingegen sah das etwas anders. »Du wartest bis wir wissen wie tief das Wasser ist und wie der Sand beschaffen ist.« Sie nickte gehorsam, wirkte aber eher so als wolle sie sagen: „Ja ja, laber nur, ossan.“ In dem Moment sprang Miki ins Wasser und brachte das Schiff zum schaukeln. Allerdings ging er gar nicht richtig unter, sondern kam fast sofort zum Stehen. Nur ein paar Meter weiter musste er schwimmen, ehe ihm das Wasser bis zu den Knien reichte. Wenig weiter weg ragten die ersten kleinen Häufchen Sand aus dem Wasser. Neugierig beugte sich Crocodile über die Reling. »Ist es Treibsand? Fester Boden? Rutschst du weg?« Als Antwort stampfte der große Mann heftig auf, doch er schwankte nicht. Der Boden wirkte ziemlich fest. »Ok, du kannst gehen Iroko.« Sie war schon halb im Sprung, als er das sagte. Insgeheim genoss sie das kühle Nass auf ihrer Haut. An so einem schönen Strand hatte sie schon immer Mal baden wollen. Geschickt kraulte sie auf Miki zu, ehe auch sie ins Stehen kam und sich um sah. An dieser Stelle war der Sand ziemlich hoch. Hier ragte er an einigen Stellen bis an die Oberfläche, doch weiter hinten wirkte es tiefer. Das Wasser um ihre Füße war warm und spielte sanft mit ihren Zehen. Sogar einige kleine Fische kamen neugierig näher und entlockten Miki ein fröhliches Lächeln. Crocodile wandte sich nun an Robin, die sich im Hintergrund hielt und in ein Nichts starrte. Als er sie ansprach, zuckte sie kurz zusammen, drehte ihren Kopf aber nur ausdruckslos zu ihm. Sie war sehr müde, hatte sogar leichte Augenringe und wirkte mehr als nur angespannt. »Und? Hast du endlich was raus gefunden?« Sie nickte ihm emotionslos entgegen. »Sie hatten Leute an Bord, die Teufelsfrüchte besaßen.« »Und?« Langsam schlich sie an die Reling, vermied dieses Mal den Körperkontakt zum ihm. »Nach langem Suchen fanden sie endlich die Stelle, an der es tief genug war um weiter zu kommen. Aber es war immer noch zu flach, um direkt durchzusegeln.« Sie blickte niemanden an, verlor sich nur wieder im Nichts. »Die Personen, die aus der Crew von Nutzen waren, besaßen Teufelskräfte. Die Suna Suna no mi, die Doru Doru no mi und die... Hana Hana no mi. ...Schon irgendwie Schicksal, hm?« Gal wurde plötzlich steif wie ein Brett. »Auch wir müssen diese Stelle finden, an der es tief genug für uns ist. Togou, der Mann der damals die Suna Suna no Mi gegessen hatte, fand sie. ...Romina, der Frau mit der Kraft der Wachsfrucht, gelang es eine Wachsplatte auf dem Sand zu errichten, auf zwei Stellen in der Nähe, an denen der Sand an die Oberfläche brach. Und Zara, die letzte von ihnen, bildete dort zwei riesige Hände, die das Schiff ganz einfach über das Wasser trugen.« Crocodile runzelte skeptisch die Stirn. »Das ganze Schiff tragen?« Das war doch viel zu schwer. Sie nickte ausdruckslos. »Zara hat es geschafft. In dem Buch steht, dass sie schon als kleines Kind die Fähigkeit hatte und sie sehr stark trainierte und ausbauen konnte. Allerdings habe ich meine Fähigkeit noch länger als sie.« »Aber keine Muckis, Robin.« meinte er mehr als nur ernst. Ihm gefiel die Idee ganz und gar nicht. »Außerdem...« Sie blickte kurz zu Mister 3. »Beherrscht Gal seine Fähigkeit besser als Romina vor 1000 Jahren. Ich bin mir sicher, er wird es schaffen mir genug Halt zu geben. Insgesamt sind wir also viel besser dran.« »Tja aber meine Fähigkeit ist hier so gut wie nutzlos und die deinige...« brummte er leise. »Das Schiff hier ist sicher um einiges größer als das damals. Und du beherrschst deine Fähigkeit zwar im Schlaf, aber so stark bist du auch wieder nicht. Du hast viel zu dünne Ärmchen.« Sie verschränkte ebendiese, noch immer kühl. »Erstens kannst du uns sicher eine noch tiefere Stelle suchen, was Gal und mir die Arbeit einfacher macht und zweitens: es kommt dabei nicht auf meine körperliche, sondern geistige Kraft an. Ich kann viel mehr Körperteile heraufbeschwören, als Zara es konnte.« Er wirkte noch immer nicht sonderlich begeistert. »Du willst doch zu dieser Insel, oder? Du willst Pluton...« »...« Hastig wandte sie sich wieder ab. »Dachte ich mir.« Ihr Blick ging geisterhaft zu Gal. »Was ist, traust du dir das zu?« »Ich-ich denke schon...« kam es leise. »Kommt nicht in Frage.« unterbrach ihn sein Boss jedoch schnell und blickte herunter in das seichte Wasser. »Hier muss es irgendwo ne Stelle geben, die tief genug ist. Gal. Bau mir ne Treppe oder sonst was, das ich da runter komme.« Gehorsam nickte er und tat sofort wie ihm befohlen. Robin entgegnete dem nichts. Er würde wohl selbst sehen müssen, dass es keinen Weg darum herum gab. Dort wo Miki und Iroko plantschten, war es schon relativ tief. Innerhalb weniger Sekunden führte eine elegante Treppe Crocodile hinab in das seichte Wasser. Von der letzten Stufe aus sprang er hinein, bis ihm das Wasser bis zu den Knien reichte. Er hockte sich hin, hatte zuvor noch seinen Mantel ausgezogen und steckte nun die Hand in den nassen Sand. Er schloss die Augen und hörte ihm zu, spürte ihn, fühlte wie die Körner sich in der Brandung bewegten, wie es rauschte und wo die tiefen und die flachen Stellen lagen. Man, das ganze war 1000 Jahre her, da musste sich hier doch was verändert haben. Doch zu seinem Bedauern fand er keine Stelle die tief genug war um das Schiff einfach hindurch segeln zu lassen. Dort, wo sie standen war das Wasser recht flach. Der Sand war wie ein Trichter gehäuft, der zu beiden Seiten langsam abfiel, in etwa wie die Form eines Vulkans. Es gab nur eine Stelle, ein wenig weiter von ihm entfernt, die eine Unebenheit erhaschen ließ. Eine Kuhle, mitten im Ring der Barriere. Für Robins Vorhaben war sie wohl prädestiniert. Stumm richtete er sich wieder auf und fluchte leise. Als ob er Robin freiwillig solchen Strapazen aussetzen wollen würde... In seinem Rücken spürte er die neugierigen, fordernden Blicke seiner Crew, doch er wollte sich ihnen nicht ergeben. Mit einem verzweifelten Ausdruck in den Augen blickte er sich um. Es musste doch irgendwie einen anderen Weg geben. »Sieh es ein, Crocodile.« kam es leise, aber etwas ruppig aus Robins Kehle. »Wenn wir Suimin erreichen wollen, dann musst du mir und Gal vertrauen... oder es uns zumindest versuchen lassen.« Er ignorierte sie, grübelte nur weiter. Miki, Uma... nutzlos... Iroko, ebenfalls... Bon, Jazz, Paula... auch nutzlos. Und nach ihrem Plan zufolge waren sie wirklich die beiden Einzigen, die etwas schaffen konnten. Aber scheiße, das Schiff wog Tonnen! Konnte Gal nicht irgendwas Sinnvolles machen? Sand weg schaufeln, irgendwie? Aber der Rumpf des Schiffes war zu groß, um das zu schaffen und die Einzigen, die in diesem Wasser nicht einen Teil ihrer Kräfte verloren waren Miki und Iroko. Es würde ewig dauern, bis genug Sand zur Seite geschafft worden war. Was also dann? Es musste doch irgendetwas geben... Sie ließ ihn noch eine Weile so dastehen und nachdenken, ehe sie ihre Stimme wieder hob. Irgendwie war sie schrecklich nervös und ungeduldig. »Jetzt sag schon wo die flache Stelle ist, Crocodile. Oder willst du es etwa hier scheitern lassen?« Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte. »Tss, sei still.« brummte er sie an, ohne es zu wollen. Darauf sagte sie nichts, verkniff sich alles, was jetzt aus ihr raus wollte. Wut, Tränen, Worte. Mit aller Macht schluckte sie es herunter, bis zu ihrem Grund. Dafür war jetzt kein Platz. »Bossu, wir sollten es versuchen. Ich glaube unsere beiden schaffen das locker. Sie sind stark, Bossu.« Paula lächelte ihm siegessicher zu. »Das machen die doch mit links!« Schweigend stieg er die Treppe wieder hinauf, reagierte nicht auf ihre Worte und sah niemanden an. »Iroko, Miki, wieder an Bord!« war alles, was er sagte. Sie taten es ohne zu zögern. »Und? Was machen wir jetzt? Eh? Was sollen wir tun? Stehen bleiben? Weiter fahren? Zurück fahren? Eh?« Uma konnte die Spannung kaum aushalten und tanzte aufgeregt um ihn herum. Er schielte zu Robin, sein Blick war kalt. »...Ich hoffe Mal für dich, dass du das kannst, sonst kannst du was erleben...« Warum drohte er ihr jetzt? Warum war er auf einmal so wütend? Das ergab doch keinen Sinn. Lag das etwa an seiner bösen Vorahnung? Sie antwortete nicht, blickte ihm nur stur entgegen, die Augen vollkommen leer. »Hart Steuerbord, dann an den Dünen entlang, bis ich „Stop“ sage!« »Aaaaaaaaaaaaayeeeeeeee!« Miki war noch immer fröhlich, als er zurück zum Steuer ging und genau das tat, was sein Boss ihm befohlen hatte. Sie fuhren an den Dünen entlang, bis Crocodile endlich das Zeichen gab. Das Schiff drehte bei und fuhr auf die Stelle zu, die er angab, ehe es erneut leicht im Sand stecken blieb. Zu ihrer Linken sowie zu ihrer Rechten erstreckten sich kleine Sandhügel, doch vor ihnen war das Wasser recht tief. Robin stellte sich bereits auf die Reling. Sie wollte keine Zeit verlieren. »Bereit?« »Klar.« kam es etwas selbstbewusster von Gal. Er zögerte nicht mehr und machte sich sofort an seine Arbeit. Die Drei auf seinem Haar begann lichterloh zu brennen, als aus seinen Fingern das weiße Wachs dem Wasser entgegen floss, zu der Stelle schwamm und sich dort mit dem Sand über der Oberfläche vermischte. Zusammen ergab es eine wirklich harte Schicht, die sich langsam immer weiter ausbaute, immer stabiler wurde, ehe eine riesige Plattform auf den sanften Wellen schwebte. Als er damit fertig war, baute er noch eine Brücke hinab. Etwas erschöpft sank er in die Knie und natürlich kam Bon sofort auf ihn zu und überhäufte ihn mit Küssen. Robin war in dieser Sekunde schon längst auf dem Weg hinab zur Plattform. Sie hatte die Schuhe ausgezogen und fühlte das warme Wasser, das in winzigen Pfützen auf sie wartete. Wieder zögerte sie keinen Moment, sondern drehte sich dem Schiff zu, fixierte es kurz, schloss dann aber die Augen und stellte sich in ihre Kampfpose, die Arme verschränkt. Sie ließ den anderen nur ein wenig Zeit selbst hinab zur Plattform zu gehen. Bereits als der Letzte über die Reling gestiegen war, begann sie. Alles, was sie wollte, war das hier ein für alle Mal hinter sich zu bringen. Sie stand genau zwischen den beiden Säulen, die sich aus dem Nichts aufzutürmen begannen. Unzählige Hände, die sich zu immer schwindelerregenderen Höhen aufschraubten, die Linken auf der linken Seite, die Rechten auf der rechten. Sie konzentrierte sich genau auf die Anzahl, sie durfte nicht ungleich sein. Einhundert, zweihundert, dreihundert, sechshundert. Endlich entfalteten sich die Säulen, bildeten Finger und eine Handfläche, groß genug, um das Schiff zu umfassen. Noch ein paar mehr Hände, noch ein paar mehr, dann zuckte Robins Auge. Sie hob den Kopf und ließ die gewaltigen Hände das Schiff ansteuern. Behutsam glitten ihre Finger in das Wasser und rutschte unter das Schiff, bis sich ihre Handballen gegen den Rumpf drückten. Als wolle sie Wasser aus einem Wasserhahn auffangen. So verharrte sie einen Moment, holte tief Luft um genügend Kraft für ihr Vorhaben zu sammeln. Dann steuerte sie ihre gesamte Konzentration in ihre beiden Arme und stemmte sie gegen das Schiff. Sofort musste sie aufkeuchen. Nur langsam bekam sie das Holz aus dem Wasser, drückte es nach vorne durch die Kuhle im Sand und spürte wie es auf dem Grund entlang schlitterte. Noch mehr hievte sie, doch erst als sie es über der Wasseroberfläche hatte, spürte sie das wahre Gewicht des Kolosses. Stöhnend wurde sie in die Knie gezwungen, für einen Moment verlor sie den Halt und das Schiff senkte sich gefährlich ab. Doch mit zitternden Knochen konnte sie es vor dem erneuten Aufschlag auf dem Wasser bewahren. Es verlangte ihr noch mehr Konzentration ab, so viel dass es in ihrem Kopf bereits zu schmerzen begann. Als würde man ihr Nadeln durch die Schädeldecke jagen. Sie spürte ihren Atem stocken, rasseln, zittern. Ihr wurde immer heißer und sie fühlte die Schwere des Gewichtes bis hinab in ihre Knochen. Als wolle es sie zermahlen. Noch mehr Hände traten hervor, wollten ihr das Ganze erleichtern, doch es brachte keine Verbesserung. Sie steckte all ihre Kraft in ihre Hände, damit sie das Schiff weiter trugen. Jede Faser ihres Körpers schrie sie an aufzuhören, flehte sie an loszulassen. Doch sie tat es nicht. Sie konnte nicht. Nur noch ein Stück, ermahnte sie sich. Es war nur noch ein klitzekleines Stück. Du kannst hier nicht aufgeben und du darfst es nicht. Das Beben ihrer Knochen wurde schlimmer, schüttelte sie richtig durch. Die Sehnen ihrer Muskeln spannten sich fast bis zum Zerreißen an. In ihrem Kopf dröhnte es, jemand schlug dagegen, brüllte. Ein Rauschen erschien, tobte wie ein Sturm und es war als würde sie darunter Stimmen erkennen. Als würde sich jemand unterhalten. Doch das Trommeln war zu stark. Ihr Körper hasste sie, nicht wahr? Schon seit dem Anfang dieser Reise und sie hatte nie zugelassen ihm die Ruhe zu gönnen, die er brauchte. Jetzt rächte er sich. Aber auch dieses Mal ließ sie sich nicht davon klein bekommen. Sie zwang ihre geschundenen Muskeln einfach dazu weiterzumachen. Sie hatte es ja fast geschafft, es fehlten nur noch wenige Meter. Nur noch ein so winziges Stück! »Robin!« Doch sie hörte es nicht mehr. Plötzlich war es ganz ruhig in ihr. Das Tosen hatte aufgehört, das Gewicht drückte nicht mehr auf ihre Sehnen, der Blick war vollkommen klar. Bis eben hatte ihr Herz ihr heftig gegen die Rippen geprügelt, doch jetzt war es ganz ruhig. Ihr Blick verschwamm, bildete aber sofort ein neues Bild. Sie. Crocodile. Arabasta. Der Poneglyph. Die Stimmen in ihrem Kopf, die bis eben noch so leise gewesen waren, klangen nun glockenhell und klar an ihre Ohren. Es machte Sinn, das alles machte Sinn. Pluton. Es war... Pluton war... Plötzlich machte ihr Herz einen gewaltigen, schmerzhaften Sprung, der sie aufschreien ließ. Ihre Augen rissen sich panisch auf, doch es war bereits zu spät. Sie hatte das Schiff losgelassen, dass es die letzten Meter in das Wasser krachte und heftige Wellen schlug, mit dem Kiel den restlichen Sand herunter rutschte. Eine große Welle schwappte ihnen entgegen und brachte die Plattform gefährlich ins Schwanken. Robin ächzte noch einmal auf, zum Schreien fehlte ihr die Kraft. Vor ihrem geistigen Auge lief noch immer die Szene ab, doch jetzt vermischte sie sich mit einem bedrohlichen Schwarz. Und in dem Moment, in dem ihre Hände ruckartig verschwanden, fiel sie vornüber. Nur eine Sekunde, bevor sie mit dem Kopf auf die harte Wachsplatte aufgekommen wäre, fing Crocodile sie auf. Panisch wandte er sich an seine Crew. »GAL! LOS!« Es brauchte keine weiteren Worte, Mister 3 wusste instinktiv, was zu tun war. Aus seinen Händen floss neuer Wachs, der eine neue Brücke zum Schiff schlug. Bon brauchte er überhaupt keinen Befehl zu geben, er war längst bei ihm und fühlte ihren Puls, tastete sie ab, ehe sich seine Augen gefährlich weiteten. »Oh mein Gott! Sie hat einen Herzanfall!« »Was?!« erwiderte Crocodile nur perplex, panisch, ehe er hinab in Robins Augen starrte. Sie waren noch geöffnet und blickten ihm geisterhaft entgegen. Sie fingerte zittrig nach Crocodiles Hemd und presste unter großen Schmerzen einige Worte aus ihrer Kehle »P... Pluton...« Sie schnappte nach Luft und keuchte noch einmal. »Ist jetzt scheißegal, Robin!« fauchte er sie an. »Also reiß dich zusammen! Sonst verzeih ich dir nie!« »A... aber... es...« Tränen bildeten sich in ihrem geröteten Gesicht und kullerten ihre Wangen hinab. »Sie muss sofort aufs Schiff. Sie braucht eine Transfusion!« Bons Blick stemmte sich todernst seinem Boss entgegen. »Ja ich weiß!« knurrend hievte er Robin hinauf in seine Arme und rannte los, direkt die Brücke entlang, zu ihrem Schiff, dass ein wenig ziellos durch das Wasser schlingerte. Auch die anderen folgten ihm sogleich, doch Bon wimmelte sie ab. Zusammen mit seinem Boss brachten er Robin in ihre Kajüte und bettete sie in die Laken. Mister 2 hatte währenddessen bereits seinen Medizinkoffer geholt. Er war vollgestopft mit Spritzen, kleinen Fläschchen, Salben, Tuben und verschiedenen Kanülen. Scheinbar hatte er doch mehr Ahnung, als Crocodile ihm zugetraut hatte. Hastig bog er Robins Arm gerade und tastete ihn ab, maß nebenbei immer wieder ihren Puls. Sein Gesicht war vollkommen angespannt, konzentriert und ganz ruhig. Fachmännisch kramte er in seinem Koffer nach der Spritze für die Transfusion, füllte sie auf und drückte vorsichtig die letzte Luft heraus. Dann wischte er ihre Armbeuge behutsam ab und legte die Kanüle an, stach ihr mit der Spitze der Nadel in die Haut, dass sie erneut aufkeuchte. Abermals fühlte er ihre Stirn, ehe er eine zweite Spritze auffüllte und sie durch de Kanüle einführte. Immer wieder versuchte sie den Mund zu öffnen, Worte aus ihrer geschundenen Kehle zu pressen, doch es kam nichts heraus. Es war als wäre ihre Stimme vollkommen abgeschnitten, abgestorben. Sie wehrte sich dagegen, mit allem was sie hatte. Aber es half nichts. Und dann schlug die Müdigkeit über ihr ein und riss sie vollends zu Boden. Ihr Kopf knickte einfach ab und ihr Körper entkrampfte sich. Sie bekam nicht mehr mit, wie Bon sie an ein Beatmungsgerät anschloss, versteckt in einem Koffer, den er zur Not dabei hatte. Erst jetzt erlaubte er sich durchzuatmen. Schweiß lief über sein Gesicht, verschmierte das Make-up, doch es interessierte ihn nicht. Seine Stimme war gesenkt, gedrückt, aber noch immer ganz ruhig, gefasst. »Ich denke, das sollte für den Moment reichen.« Langsam drehte er den Kopf zu seinem Boss. »Scheinbar hatte sie einen Herzstillstand. ...Ihre Gefäße haben sich kurzzeitig verschlossen, sich dann aber scheinbar wieder gelöst. Ich... habe ihr eine Transfusion gegeben, damit das Blut nicht gerinnt und Klümpchen bildet. Das Beatmungsgerät sorgt zusätzlich dafür, dass ihr Gehirn weiterhin mit Sauerstoff versorgt wird. ...Das Schlafmittel bringt ihr ein bisschen Ruhe.« Sein Boss erwiderte nichts, sah ihn gar nicht an, sondern starrte nur zu ihr hinab. Hart schluckend tat Mister 2 es ihm gleich. Er hatte nur eine kleine medizinische Ausbildung, aber er wusste genug um verwirrt zu sein. Lag das wirklich an der großen körperlichen Anstrengung? Herzstillstand, einfach so? Irgendwas musste passiert sein, oder? Nur was? Er verstand es nicht. Seine Stimme bröckelte langsam. »Sie muss erst einmal schlafen. Erst wenn sie aufwacht, können wir genau sagen, wie es weiter geht. Aber... ich denke, sie ist außer Gefahr.« »Danke...« kam es schwach. Er hatte noch immer keine Augen für ihn. »...Ich sag dir Bescheid, wenn sie aufwacht.« Er nickte, obwohl er innerlich kurz in freudige Panik ausbrach. Sein Boss hatte ihm gedankt! Ahhh und diese Szene war einfach zu romantisch. Und SO dramatisch. Er wusste, er würde gleich in Tränen ausbrechen, also raffte er sich auf und floh aus dem Zimmer. Direkt zu den anderen, die bereits vor der Tür warteten und lauschten. Crocodile regte sich nicht, starrte nur weiter zu seiner Partnerin hinab. Sie schlief ganz friedlich, nur ihre Hand krallte sich noch immer in sein Hemd. Vorsichtig griff er danach und entkrampfte sie, legte sie behutsam neben ihr ab. Einen langen Moment saß er einfach nur da, schweigend, atemlos. Dann beugte er sich zu ihr herunter und flüsterte, spürte sein Herz ängstlich gegen seinen Kopf trommeln. »...Wenn du nicht bald wieder aufwachst... dann wirst du das bereuen, Robin...« Er zögerte noch, noch eine ganze Weile, ehe er sich neben sie legte und sie in seine Arme zog. Kraftlos schlossen sich seine Augen. Mit aller Macht versuchte er seine Angst, seinen Schock zu überwinden und seinen Körper wieder herunterzufahren. Seine Stimme war noch angeschlagen, aber trotzdem weich. »Du wirst es echt bereuen... das verspreche ich dir...« ~ ~ ~ Robin schlief. Sie schlief sehr, sehr lange. Stunden, bis die Sonne unterging und noch bis tief in die Nacht hinein. Und Crocodile blieb die ganze Zeit an ihrer Seite. Niemand störte ihn. Sie alle wollten ihnen die Ruhe geben, die sie sich verdient hatten. Trotzdem war die Stimmung mehr als nur angeknackst. Niemand sprach viel und auch das Abendessen, das Crocodile dankend ablehnte, verlief schweigend. Schließlich aber konnte sie es doch nicht mehr aushalten. Es klopfte an der Tür, die Uhr hatte vor wenigen Minuten Mitternacht geschlagen. Nur ein zögerliches, schwaches „Ja“ bekam das Mädchen, auf das sie ohne zu Zögern die Tür öffnete. Sie sah ihren Boss auf dem Bett liegen, Robin in seinem Arm. Vorsichtig schloss Iroko wieder die Tür hinter sich und kam auf sie zu. Zum ersten Mal wirkte sie nicht ausdruckslos, sondern besorgt, ein wenig verängstigt sogar. Wie ein Kind, das sie eben auch noch war. Dennoch blieb ihre Stimme kühl und distanziert, sachlich. »Tut mir leid, dass ich störe Bossu, aber wir treiben schon seit Stunden auf derselben Stelle. Was sind die Befehle?« »...« Er schloss die Augen und dachte einen langen Moment wirklich angestrengt darüber nach. »...Kurs auf Suimin richten.« Sie nickte, wandte sich aber nicht wieder um. Ihr Blick ruhte auf Robin. Ein paar Sekunden vergingen. »Kann ich... sie... sie sehen?« Er zögerte, nickte dann aber, ließ sie allerdings nicht los. Langsam kam das Mädchen näher, krabbelte auf das Bett und starrte zu Robins schlafendem Gesicht. Mehr nicht. Momente lang verharrte sie so, tief in Gedanken versunken. Ihr Boss ließ sie gewähren, musterte sie aber. Es vergingen weitere stumme Sekunden, ehe Iroko sich bewegte und ihr die Hand auf die Stirn legte. »Temperatur ist normal.« »Hm...« Die beiden schlossen die Augen. Erneut war es still im Raum, ehe sich das Kind zu der Frau herunter beugte und ihr etwas zuflüsterte, dass Crocodile nicht hören konnte. »Ich hab dich lieb.« Dann richtete sie sich wieder auf und ging aus dem Raum, ohne noch irgendetwas zu sagen. Sie fuhren die gesamte Nacht hindurch und Miki übernahm das Steuer bereitwillig, damit sich die anderen ausruhen konnten. Doch niemand fand in dieser Nacht Schlaf. Zu nah war ihr Ziel, zu erdrückend die Sorge um Robin, zu groß die Aufregung was sie erwarten würde. So ging es die Stunden hindurch, ehe sich die Sonne wieder am Horizont zeigte und ihre wärmenden Strahlen auf die Galleonsfigur im Osten warf. Noch immer keine Änderung in Robins Zustand. Nur ihr langsames, stetiges Atmen. Noch eine Weile segelten sie durch das ruhige Meer, ehe sie die Insel erreichten. Suimin war wirklich winzig. Der Strand flach und unscheinbar, übersäht mit Muscheln und Krebsen. Die Pflanzen und Bäume standen in voller Blüte, eine Frühlingsinsel ohne Zweifel. Man konnte vom Schiff aus in das seichte Wasser springen und an Land waten, geradewegs in ein Meer aus Blumen. Nur wenige Bäume säumten die Insel, aber dennoch konnte man nicht weit schauen. Alles, was man noch erkannte war eine kleine Lichtung im Inneren der Insel. Was jedoch dahinter lag, konnte niemand erahnen. Es war gegen Mittag, als Bon nach einem kurzen Klopfen in die Kajüte kam, um routinemäßig ihren Puls zu messen und das Beatmungsgerät zu überprüfen. Crocodile hatte sich noch immer kein Stück bewegt, ließ ihn aber die nötigen Freiräume, um seiner Arbeit nachzugehen. Schließlich nahm er die Maske von ihrem Mund und nickte seinem Boss zu. »Ich denke, sie braucht nicht mehr lange.« »Hm...« Er kannte die nächste Frage. „Was machen wir jetzt?“ Er wusste es nicht. Er wusste es wirklich nicht. »Die anderen sind bereit zu warten. Wir wollen nicht ohne sie gehen.« »Hm.« kam es wieder etwas kraftlos. »...Dann warten wir eben...« Nickend verließ Bon das Zimmer wieder, um die anderen davon in Kenntnis zu setzen. Noch mehr Zeit verging, die Sonne hatte ihren Zenit überschritten und thronte nun im letzten Drittel. Es war später Nachmittag, als sich Robin endlich regte. Unruhig bewegte sie sich im Schlaf, begann etwas zu murmeln. Es ließ Crocodile blitzartig aus seinem leichten Dösen aufschrecken. Etwas müde in den Knochen, aber mit weit aufgerissenen Augen sah er sie an und ihm sprang fast das Herz aus der Brust. »Robin?« Wieder nur unverständliches Gemurmel, dann sein Name. Atemlos flüsterte er ihr entgegen. »Ja, man... ich bin doch hier.« Gott war er froh, dass sie endlich eine Regung zeigte. »Pluton...« kam es schwach, ängstlich, traurig, fast panisch. »Ist genau vor unserer Nase und wartet darauf, dass du aufwachst Robin.« beendete er den Satz etwas säuerlich. Ihr Körper drehte sich, als sträube er sich gegen etwas. Dann war er wieder ruhig. Und schließlich, ganz ganz langsam, öffnete sie die Augen. Er überspielte die krankhafte Sorge, die er um sie gehabt hatte, so gut es ging. »Na, Schönheitsschlaf beendet?« Ein Blinzeln, ihr Kopf wandte sich zu ihm. Doch als sie ihn sah, stutzte sie, wirkte irritiert und dann gequält. Ihre Stimme flüsterte ihm schmerzhaft entgegen. »Crocodile...« »...wird dir gleich den Arsch versohlen...« brummte er nur. Sie schluchzte, brach in Tränen aus, wohl zum hundertsten Mal vor seinen Augen. Doch dieses Mal war es ihr egal, sie merkte es ja kaum. Ihr Herz begann zu beschleunigen und tat mit jedem Schlag heftiger weh. Ihre linke Seite ziepte etwas, genau über ihrer Brust und sie spürte regelrecht wie ihre Venenklappen sich anspannten. Wie das Blut etwas klumpig durch ihre Adern lief. Sie war so im Arsch. Sie war vollkommen im Arsch. Ihre Manieren waren ihr egal in diesem Moment. Sie fühlte sich so beschissen wie noch nie in ihrem ganzen Leben. »Crocodile...« kam es energischer, wenngleich noch schwacher. Endlich hatte das Puzzle sich vervollständigt, hatte einen Sinn ergeben. Sie wusste es endlich. Pluton. Da war kein Pluton, hier war nichts, rein gar nichts. Sie hatte es gelesen, jeden einzelnen Satz auf dem Poneglyphen, doch sie hatte ihm den letzten Satz verschwiegen. Hatte es ihm nicht sagen können, weil es ihr sicherer Tod gewesen wäre. Hatte es die ganze Reise über verschwiegen, verdrängt, töricht darauf gehofft einen Ausweg zu finden. Und nun war sie hier. Am Ende angelangt. Nun gab es kein Zurück mehr. Nicht einmal im entferntesten. »Würdest du jetzt wohl nicht auch noch zu heulen beginnen?« knurrend riss er sie in seine Arme und drückte sie an sich. »...Ich hasse das.« Was war los? Warum drückte er sie jetzt so fest an sich? Hatte er sich Sorgen gemacht? Was war passiert? Sie erinnerte sich nur noch bruchstückhaft. Da war das Schiff und die Dünen und ihre riesigen Hände und dann nur noch Schmerz, Dunkelheit. Ihr war das Herz stehen geblieben. Und sie hatte schreckliche Angst gehabt, hatte sie noch immer. Wenn er erfuhr, dass Pluton nicht mehr existierte, was geschah dann? Was war dann? Was war dann?! Für einen Moment wurde ihr wieder schwarz vor Augen, weil ihr Herz so sehr schmerzte, weil die Angst sie brennend durchzog. Noch mehr Tränen kamen über ihre Wangen, versiegten in seiner Kleidung. Aber sie hatte doch keine Wahl gehabt! Sie hatte es ihm verheimlichen müssen. Um noch etwas Zeit mit ihm zu verbringen, um ihr Glück noch ein wenig herauszufordern. Sie war so egoistisch. So schrecklich egoistisch. Aber jetzt war es sowieso vorbei, sowieso egal. Panisch krallte sie sich an ihm fest, versuchte jeden Fetzen von ihm aufzunehmen, seinen Geruch, seine Stimme. Mit aller Kraft klammerte sie sich an das Kribbeln, das er in ihr auslöste und das sie so glücklich machte. Das war das letzte Mal, das wusste sie. Es war das letzte Mal, dass sie ihm so nahe sein konnte, seine Liebe genießen konnte. Denn in nur wenigen Minuten würde sich das alles ändern. Dann würde er sie nie wieder so zärtlich berühren. »Ich... liebe dich...« drückte sie schniefend hervor. Sie musste es ihm noch einmal sagen. Nur ein einziges Mal, das reichte schon. Denn sie wusste, dass er es danach nie wieder hören wollen würde. Es lief ihm heiß den Rücken herunter und ihm lag sofort eine Erwiderung auf der Zunge, aber er konnte es letztendlich doch nicht aussprechen. Stattdessen drückte er sie so fest an sich wie er konnte. »Dann machst du in Zukunft lieber keine Selbstmordaktionen mehr...« »Ich... will auf die Insel...« »Du willst dich erstmal ausruhen.« »Nein...« kam es etwas zittrig. Sie trocknete sich die Tränen. »Ich will auf die Insel... jetzt sofort...« »...Fein.« widerstrebend und etwas schwerfällig richtete er sich auf, um sie aufstehen zu lassen. Sie tat es ihm gleich, obwohl ihr Körper das Spiel nicht ganz mitspielte. Es tat in ihrem Knochen weh, als hätte ihr jemand das Wasser aus dem Körper gesogen. Dennoch kämpfte sie sich voran, kam auf die Beine, wenn auch nur sehr langsam. Nur beiläufig bemerkte sie die Kanüle in ihrem Arm und genauso beiläufig entfernte sie sie. Das war jetzt egal, das war ganz egal. Sie musste einfach nur noch auf diese Insel und ihnen allen die Wahrheit sagen. »Was... ist eigentlich passiert?« kam es gedrungen. »Du hast dich beim Helden spielen übernommen...« Nun wurde er schon wieder grob, aber er kam einfach nicht dagegen an. Er konnte das nicht anders verarbeiten. »Es... war nicht das Schiff.« »Ach ja?« Schmerzhaft stand sie auf, krümmte sich etwas. Ihr war übel, aber auch das drängte sie zur Seite. Nur noch ein bisschen, sie musste das nur noch hinter sich bringen, dann war das alles vorbei. »Ich... erinnere mich...« »...« Langsam taumelte sie auf die Tür zu und hievte sich an Deck. »Ich zeige es dir. Ich zeige es euch.« Schweigend folgte er ihr, war nicht mehr fähig auch nur einen Gedanken zu bilden. Sein Kopf war völlig leer gefegt, irritiert und blockiert. Was war das? Diese schreckliche Vorahnung in seinem Inneren? Die Crew staunte nicht schlecht, als Robin ihnen plötzlich persönlich entgegen kam. Bon hastete sofort auf sie zu und wirkte etwas panisch. »Aber Robin... geht es dir denn schon wieder so gut?« »Das ist irrelevant.« meinte sie so entschlossen sie konnte. Er wirkte noch immer überrascht, nickte aber. »Aber sobald es dir schlechter geht, bringen wir dich wieder zurück.« »Ich habe euch allen etwas zu sagen. Auf Suimin.« Ihre Stimme zitterte nicht, zum Glück. Sie sah sie alle mit festem Blick an. »Eh? Sag Mal, Mädchen, du spinnst doch, oder? Du hattest ne Herzattacke. Du musst ins Bett und dich erholen. Ja, ja, ja. Alles andere hat doch Zeit, ja das hat es!« »Nein, hat es nicht.« Selbst das Kopfschütteln machte ihr Probleme. Aber das war ihr wirklich alles vollkommen egal. Sie musste es ihnen sagen, bevor sie es selbst herausbekamen. »Bitte... wir gehen an Land...« Ihr Körper wackelte bereits zur Reling und Dank Gals Hilfe konnte sie halbwegs schmerzlos den Boden erreichen. Ihre Freunde warfen sich irritierte Blicke zu, doch als sie sahen, dass ihr Boss ihr wortlos folgte, setzten auch sie sich in Bewegung. Jeder von ihnen wusste, irgendwas war schief gegangen. Aber niemand hatte das Ausmaß dessen erahnen können Miss Allsunday führte sie langsamen Schrittes voran, ließ nicht zu dass jemand ihr half, wollte auch nicht von Crocodile oder Bon getragen werden. Immer wieder ging ein Raunen durch die Crew hinter ihr, doch niemand sagte viel. Sie ließen ihr ihren Willen. Nur Crocodile quälte das schrecklich ungute Gefühl in seiner Brust. Er erahnte bereits, was sein Verstand ihm sagen wollte, doch der letzte Schritt wollte nicht getan werden. Jemand in ihm wehrte sich dagegen weiterzudenken, das zu akzeptieren, sich der bösen Vorahnung hinzugeben. Nein, er schüttelte zum wohl hundertsten Mal den Kopf. So ein Unsinn. Es dauerte eine halbe Ewigkeit so kam es ihr vor, ehe ihre schmerzenden Knochen sie endlich so weit getragen hatten, dass die Lichtung vor ihnen lag. Ihr war noch immer schlecht und ihre Muskeln zitterten, warten jeden Moment darauf endlich die Erlaubnis zu bekommen zu erschlaffen. Man sah Robin die Erschöpfung an, sie sah wirklich aus wie ausgekotzt. Und doch ging sie immer weiter voran, der Erlösung entgegen. Sie hatte so lange darauf gewartet, sie hatte es verdient, es endlich zu bekommen. Mitten auf der etwas sandigen Lichtung, umringt von den lichten Bäumen, stand ein uralter Steinkreis. In dessen Mitte thronte ein mächtiger rechteckiger, ebener Felsen aus Sandstein, geschmückt mit einer Tafel voller Hieroglyphen. Mit letzter Kraft schlurfte Robin auf sie zu und legte die rechte Hand und die Stirn gegen das alte Stück Fels. Sie musste nicht alles lesen, um zu wissen, was dort stand. Der Titel verriet alles, was sie wissen musste. Hier ruht Pluton. Ihre Knie wurden weicher, zittriger, doch sie mahnte sich stehen zu bleiben. Einerseits vor Erleichterung, andererseits vor Angst. Sie drehte sich nicht um, starrte nur auf den Sandstein vor sich, erhob ihre Stimme zu ihrer letzten Ansprache an ihre Freunde. Ihr schnürte sich bald die Kehle zu. »Ich... muss euch bitten mir zuzuhören. So lange bis ich fertig bin, nur so lange. Dann dürft ihr tun, was ihr wollt. Aber bitte lasst mich ausreden.« Ihre halb tauben Finger glitten über den Stein unter sich. »Vor vier Jahren, als Crocodile mir den Deal vorschlug, wegen welchem ich heute hier stehe, wusste ich genau, dass ich ihn verraten würde. Ich wusste, dass ich meine Prinzipien nicht aufgeben würde für diesen... elendigen Piraten, der nur nach Macht strebt, ohne Skrupel. Ich hatte mir den Fluchtplan immer wieder ausgedacht, geplant wie ich ihm entkomme oder sogar verletzen kann, wenn es zu einem Kampf kommt. Aber... innerhalb dieser vier Jahre hat sich etwas verändert. Mein Entschluss kam ins Wanken. Ich... habe mich in ihn verliebt. Ich habe... bei ihm mein Zuhause gefunden. Natürlich habe ich das nicht zugeben wollen, wollte es mir nicht eingestehen. Aber jetzt weiß ich, dass es stimmt. Dass ich diesen Mann wirklich liebe. Mehr als irgendetwas anderes auf dieser Welt...« Sie brach kurz ab, schloss die Augen und schnappte nach Luft. Das Zittern wurde schlimmer. »Wir standen in Arabasta, in den Katakomben, vor dem Poneglyph, das dort so lange auf uns gewartet hatte. Ich las vor, was dort stand. Dass Pluton weggeschafft wurde, dass es ein Logbuch gab, das einen dorthin führen würde. Dass Pluton versteckt werden würde.« Ein kurzes Rasseln ihres Atems. »Er hat mir nicht geglaubt. ...Er dachte ich belüge ihn um Zeit zu schinden. Ich hatte es ja geahnt, damit gerechnet, aber es tat trotzdem weh. Erst als wir das Logbuch fanden, schien er überhaupt erst in Erwägung zu ziehen, dass ich die Wahrheit sage.« »Robin...« Sie schüttelte den Kopf, lehnte die Stirn wieder gegen die Tafel. »Ich habe ihn nicht belogen. Ich... las nur nicht alles vor, was auf der Tafel stand. Den letzten Satz ließ ich aus... Ich hatte Angst, wirklich schreckliche Angst. Denn ich wusste, wenn ich ihm das beichten würde, würde er mir nichts mehr glauben und mich... töten. Zurecht, denn ich hatte unseren Vertrag gebrochen.« Tränen stiegen in ihr auf, aber sie schluckte sie wieder herunter. »Gott... ich wollte es ihm sagen, ich wollte es ihm wirklich sagen. Aber... ich wollte ihn auch nicht verlieren. Ich wollte bei ihm bleiben, bei dem Mann, den ich liebe. ...Ich wusste ja, früher oder später würde die Wahrheit ans Licht kommen. Spätestens hier auf dieser Insel.« Wütend stampfte sie die Übelkeit in den Boden. »Dann bekam ich diese Amnesie und konnte mich nicht mehr daran erinnern. Als wollte mein Verstand diese Sache verdrängen. In gewisser Weise war das ein Segen, aber gleichzeitig ein schrecklicher Fluch. Seit Wochen, aber vor allem in den letzten Tagen, habe ich es immer wieder gespürt. Es hat mich fertig gemacht, mir vollkommen die Energie geraubt. Und dann... als ich das Schiff anhob, traf es mich plötzlich. ...Ich konnte mich mit einem Mal wieder erinnern und der Schmerz war so unerträglich, dass ich spürte wie mein Herz auf einmal aussetzte. Schmerz... aus Angst den Menschen zu verlieren, den ich am meisten liebe und auch euch...« Endlich drehte sie sich um, blickte ihnen entgegen. »...Ich hatte auch Angst euch zu verlieren. Denn... ihr seid meine Freunde. Ihr seid mir... wirklich ans Herz gewachsen. Manche... manche von euch wissen vielleicht wie das ist, wenn man ganz allein ist. ...Wenn man... niemanden hat und dann plötzlich... sein Herz für eine Hand voll Menschen öffnet. Und...« Ihr Blick krachte zu Boden. »...Nein... bringen wir es einfach hinter uns.« Dann raffte er sich wieder auf und ihre Freunde sahen wie viel Schmerz in ihren Augen quoll. »Ihr seid umsonst hergekommen. Pluton existiert nicht mehr. ...Es wurde hierher getragen, um es zu zerstören. Nicht um es zu verstecken. Und... unter dem Sand liegen die Reste, die davon noch übrig geblieben sind.« Ihr Lunge zog hastig Luft nach, ehe sie sie mit einem einzigen, bröckelnden Flüstern wieder heraus ließ. »...Ich habe euch ins Nichts geführt...<< Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)