Pepperin von Pfeffersosse (Adventskalender Türchen 12) ================================================================================ Prolog: Backzeit ---------------- „Und Sie sind sich ganz sicher, dass dies vonnöten ist?“, fragte der eine Mann ziemlich unsicher und blickte zu einer Tür. „Ja. Ich denke, dass es die einzige Möglichkeit ist Ihre Tochter langzeitig zu retten. Auch wenn Sie wissen, dass es schwer sein wird, so werden Sie doch sicherlich da zustimmen oder?“, sagte der andere Mann und lächelte den ersten freundlich an. Doch der andere war ziemlich verunsichert. Er wollte seine Tochter retten, das stimmte, aber wollte er wirklich diesen Preis dafür zahlen? Er nickte dann schließlich doch langsam und blickte wieder zu der Tür, hinter der sie saß: „Auch wenn es mir widerstrebt dem zustimmen zu müssen … Ich will meine Tochter nicht auch noch verlieren. Bitte helfen Sie ihr. Ich will nicht auch noch meine kleine Nina zu Grabe tragen müssen.“ Der Arzt, das schien der zweite zumindest zu sein, nickte und lächelte wieder freundlich: „Auch wenn ich bei solchen Sachen nicht immer Wunder wirken kann, so werde ich ihr Leben verlängern. Machen Sie sich da mal keine Sorgen.“   Das Mädchen saß im Wohnzimmer und hatte Teile des Gespräches mitbekommen. Es mochte den Mann nicht, der mit seinem Vater redete. Er roch immer sehr eigenartig und hatte auch sonst etwas sehr Gruseliges an sich. Er lächelte immer, aber es mochte nicht, wie er dies tat. Es blickte vor und um sich herum und wünschte sich nichts Sehnlicheres als seinen Vater an seiner Seite zu haben. Dabei hatte er ihm heute versprochen, dass sie beide den ganzen Tag zusammen verbringen würden. Doch nun saß es alleine hier im Wohnzimmer und wartete schon eine lange Zeit darauf, dass er wieder hineinkam. Es hätte zwar gerne gewusst, um was das Gespräch genau ging, aber es würde es eh nicht verstehen. Sein Vater hatte ihm aber vor einiger Zeit erklärt, dass es verflucht sei. Deshalb konnte es nicht wie die anderen Kinder nach draußen gehen und spielen. Seine Zauberkräfte könnte es deshalb auch nicht benutzen, denn die seien mit schuld an ihren Schmerzen.   Nina wusste zwar, dass sie nicht zaubern durfte, aber sie versuchte es dennoch immer wieder heimlich. Doch ihr Vater fand immer heraus, dass sie das Verbot gebrochen hatte, denn dann hatte sie Schmerzen und musste ganz viel husten. Deshalb versuchte sie nur noch kleine Sachen zu zaubern. Wieder blickte sie umher und ihr Blick blieb an den Pfefferkuchenplatten hängen. Ehe der böse Mann kam, hatte ihr Vater mit ihr an einer großen Pfefferkuchenstadt gebastelt. Sie hatten schon dutzende kleine Häuser zusammengebaut, doch die Garnituren fehlten noch. Und das Wichtigste, in ihren Augen, auch: nämlich die Bewohner der kleinen Stadt. Vorsichtig griff sie nach dem Zuckerguss und fing an kleine Punkte auf die Häuser zu setzen, als sie die Tür zugehen hörte. Strahlend blickte sie auf und hätte fast ein Haus bei aller Freude umgerissen. "Papa!", gut gelaunt sah Nina auf ihn und wartete, bis er sich wieder zu ihr gesetzt hatte. Doch irgendetwas schien mit ihrem Vater nicht zu stimmen, denn er hatte sie zügig in den Arm genommen und fest an sich gedrückt: "Morgen kommt Doktor Mahnstein noch einmal, dann wird es dir wieder gut gehen." Die Stimme ihres Vaters war leise und sie zitterte leicht. "Papa?", fragend drückte sie sich enger an ihn und wartete darauf, dass er sie wieder losließ und wie vorhin mit ihr lachte. Deshalb änderte Nina die Situation kurzerhand, denn sie hatte ihrem Vater etwas Zuckerglasur auf die Nase gesetzt und fing an zu kichern. Ihr Vater war einige Zeit perplex, doch dann fing auch er an zu lachen. Dann setze er sich wieder hin und blickte auf die Stadt: "Ich frage mich ja immer noch, wer das nachher alles essen soll, aber wenn es dir so viel Spaß macht." Er lächelte seine Tochter liebevoll an und half ihr dann beim Garnieren.   "Fertig", sagte Ninas Vater erleichtert, doch sie schüttelte nur energisch den Kopf. "Nein, Papa, die Stadt hat doch noch gar keine Einwohner! Sollen wir denn eine leere Pfefferkuchenstadt hier stehen haben? Ohne Pfefferkuchenmänner und Pfefferkuchenfrauen?", betonte Nina weil sie es für wirklich wichtig empfand. Ihr Vater überlegte einige Zeit, ob sie das heute noch schaffen würden, gab dann aber schließlich nach. Er stand auf, gab seiner Tochter etwas Teig, den er vor ihren Augen hergezaubert hatte, doch sie machte keine Anstalten ihn zu benutzen. Sie plusterte nur ihre Wangen auf und schüttelte dann den Kopf. "Nein! Das war jetzt viel zu einfach. Ich will, dass Papa den Teig selber macht. Und dass Papa nachher auch ohne Magie weiter mithilft", sagte Nina bestimmt und ging gut gelaunt in die Küche. Lachend ließ ihr Vater den Teigklumpen wieder verschwinden und ging dann in die Küche, um seiner Tochter den Wunsch zu erfüllen. Er wuschelte ihr liebevoll durch die Haare und sagte dann: "Du bist mir aber Eine." Denn er konnte ihr einfach keinen Wunsch abschlagen.   Lachend standen beide in der Küche und verschwendeten keine Gedanken daran, wie sie alles nachher wieder sauber bekommen würden. Mehl hing in ihren Haaren, ihr Vater hatte welches im Gesicht und generell sah die Küche ziemlich durcheinander aus. Aber unter ihrem Dach wohnte auch noch eine Haushaltshilfe, die sicherlich nachher alles aufräumen würde. Nina verstand zwar nicht ganz genau, wieso ihr Vater dies nicht alleine machen wollte, aber es war ihr im Moment auch ziemlich egal. Der Teig war recht schnell fertig und Nina damit zufrieden. Sie hatte nur etwas Angst, dass die Pfefferkuchenmänner und -frauen nicht so werden würden, wie sie es sich erhofft hatte. Ihr Vater stand in der Zwischenzeit mit der Schüssel in der Hand da und deutete auf den Tisch. "Nun müssen wir den Teig noch ausrollen, dann benutzen wir", ein sanftes Surren war zu hören, "das hier und stechen damit die Pfefferkuchenmänner aus." Ihr Vater hatte eine Ausstechform hergezaubert, die in dem sanften Licht der Lampe glitzerte. Doch dieses Mal blieb Nina ihm nicht lange böse, deshalb nickte sie nur aufgeregt und sah zu, wie er den Teig ausrollte. "Wieso heißt es überhaupt Pfefferkuchen, Papa?", wollte sie dann nach einiger Zeit wissen. Ihr Vater blickte sie etwas ratlos an und versuchte sich scheinbar an etwas zu erinnern. Dann fing er vorsichtig an zu erklären: "Das ist natürlich eine sehr gute Frage Nina. Am Pfeffer liegt es eigentlich nicht, da wir in unseren Teig keinen gemacht haben hm? Dennoch hast du gesehen, dass wir viele Gewürze genommen haben oder? Die sind sehr wichtig, damit ein Pfefferkuchen auch ein Pfefferkuchen wird. Man könnte aber auch Lebkuchen sagen, denn es hängt davon ab, von wo man herkommt. Also kann man Pfeffer- oder Lebkuchen sagen. Aber findest du nicht auch, dass Pfefferkuchen süßer klingt? Fast so süß wie meine Tochter?" Lachend stürzte er sich auf Nina und fing an sie zu kitzeln. Auch wenn er dreckige Finger hatte, Kleidung konnte man waschen, aber die Liebe war nichts Käufliches. Und Vater und Tochter liebten sich so sehr, dass nichts sie entzweien konnte.   Dampfend nahm Ninas Vater das Blech aus dem Backofen und wirkte zufrieden. Die Pfefferkuchenmänner waren schön geworden, sie sahen alle gleich aus und rochen verführerisch. Doch dann erblickte er etwas, das ihm nicht gefiel. Einer der Pfefferkuchenmänner fiel aus der Reihe. Er nahm ihn deshalb vom Backblech und legte ihn zur Seite. Nina sah dies und fragte sofort nach: "Wieso hast du das getan Papa?" Sie deutete vorsichtig auf den aussortierten Pfefferkuchenmann und wirkte etwas traurig. Er war doch genau wie die anderen, auch wenn seine Arme ungleich geworden und die Beine nicht so aufgegangen waren, wie bei den anderen. Er sah aus und roch wie die anderen und doch hatte ihr Vater ihn weggenommen. Er schien auch lange zu zögern, ehe er antwortete: "Ich habe das getan, damit ... du ihn nachher ganz besonders schön dekorieren darfst." Er lächelte leicht und seufzte dann. Nina glaubte ihm zwar nicht sofort, aber sie nickte dann zögerlich und blickte auf den einsamen, aussortierten Pfefferkuchenmann und spürte ein Stechen in ihrer Brust.  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)