Anata wo sagashite iru - Search for you von Fantasia (Manchmal erkennt man das Ziel erst während der Reise.) ================================================================================ Kapitel 9: Shinjitsu (Dai-nisatsu) - Wahrheit (Teil Zwei) --------------------------------------------------------- Hi Leute. ^^ Ja, ich weiß, es ist wieder verdammt lang, aber es ist ja Wochenende und ich hoffe, dass die meisten von euch Zeit haben. ^^ Viel Spaß!!!! *********************************************************************** Kapitel 9: Shinjitsu (Dai-nisatsu) – Wahrheit (Teil Zwei) Langsam ging Shizuka die staubige Hauptstraße entlang. Erst jetzt, Minuten nachdem sie das Haupthaus verlassen hatte, registrierte sie, was überhaupt geschehen war. Sie hatte erfahren, dass Hiashi sie und ihren Vater allem Anschein nach nicht besonders gut leiden konnte, um es milde auszudrücken. Und sie hatte sich mit ihm angelegt. Genauso, wie sie es nicht hätte tun sollen. Aber sie konnte nicht anders. Er hatte ihren Vater beleidigt… Nachdenklich näherte sich Shizuka dem Ramenstand und geriet langsam aber sicher ins Gedränge der Hauptstraße. Sie hatte bisher schon zwei Versionen der Ereignisse gehört. In der einen trug ihr Vater keinerlei Schuld, in der anderen war er der Hauptverantwortliche. Es interessierte sie, was er selbst darüber dachte. Während der Versammlung bei Tsunade hatte er sich ja nicht wirklich geäußert. Aber Sakura-oba-chan hatte sich große Sorgen um ihn gemacht. Naruto schien verstört. Shizuka seufzte. Ihr Vater hatte nur etwas vor sich hingemurmelt. Sie hatte ihn nicht richtig verstehen können. Es war alles so kompliziert. Und der allerschlimmste war Hiashi, also, ihr Großvater. Er durfte ihren Vater nicht für einen Versager halten! Das war er einfach nicht! Er war es nicht… Aber wie sollte sie das beweisen? Es gab keine Möglichkeit. Und in diesem Moment wünschte sich Shizuka mehr denn je ihre Mutter bei sich zu haben. Das Gefühl überfiel sie ungewohnt heftig und es tat weh. Wenn ihre Mutter heute, jetzt, hier wäre… was würde es ändern? Hätten sie trotzdem Streit mit Hiashi? Oder wäre alles anders? Hastig schüttelte Shizuka den Kopf. Nein, es war verlorene Mühe darüber nachzudenken. Ihre Mutter war tot… nein, verschwunden. Schließlich war da keine Leiche. Aber elf Jahre lang…? Shizuka war komplett verwirrt, doch der Wunsch nach Hinata war deutlicher denn je. Sie hätte sie gerne hier gehabt. Hinata hätte gewusst, wie sie mit Naruto hätte umgehen müssen. Aus Erzählungen über sie, hatte Shizuka geschlossen, dass ihre Mutter Naruto aus ganzem Herzen geliebt hatte, genauso wie es umgekehrt der Fall gewesen sein musste. Und noch immer war. Hinata könnte die Wunden ihres Vaters heilen, könnte ihn wieder unbeschwert und ehrlich lachen lassen… bestimmt. Eine Fähigkeit, die Shizuka verwehrt blieb. Alles wäre anders gewesen. Normal. Das Mädchen blickte nach oben in den Himmel, als eine heftige Windböe ihr die Haare ins Gesicht trieb. Gedankenverloren strich sie sich die Strähnen zurück hinter die Ohren und beobachtete die dunklen Wolken, die über ihren Kopf hinwegzogen. Es würde Regen geben. Wie Kiba-sensei gesagt hatte. Sumiaki fütterte Okami mit den Resten seiner Ramen und lachte sich halb tot, als eine kleine Nudel auf ihrer Nasenspitze kleben blieb. Kopfschüttelnd saß Masaru daneben und beobachtete die beiden. Manchmal war die Ähnlichkeit zwischen seinem besten Freund und dessen Mutter unübersehbar. Seltsamerweise gab es aber dann wiederum Momente, in denen sich Sumiaki wie sein Vater benahm. Masaru wollte lieber gar nicht weiter darüber nachdenken. Sumiaki war eben Sumiaki. Außerdem hatte er andere Sorgen… Immer wieder warf der Uchiha-Junge einen Blick auf die Straße, in der Hoffnung, dass seine Teamkameradin bald auftauchen würde. Doch nun saßen sie hier schon seit einer geschlagenen halben Stunde und genau gar nichts hatte sich getan. Umso länger brauchte Masaru, um zu bemerken, dass Shizuka tatsächlich völlig in Gedanken auf die Ramenbude zuging. „Sie ist da… Warte einen Moment, Sumiaki-kun.“, murmelte Masaru und glitt schnell von dem hohen Sessel, wobei sein Blick die ganze Zeit auf das zierliche Mädchen mit den langen Haaren gerichtet war. Mit raschen Schritten lief er ihm entgegen, ohne noch ein weiteres Wort zu seinem Teamkollegen gesagt zu haben. Sumiaki unterbrach seine Spielchen mit der Hündin sofort. Als Okami Shizuka erblickte, wollte sie zu ihr laufen, doch der Nara-Junge hielt sie rasch davon ab. „Bleib hier, Okami-chan. Nur einen Moment.“, sagte er leise und wandte sich dann der alten Thekenplatte zu. Die Sache sollte er wohl lieber Masaru überlassen. Er wusste einfach besser, wie er mit Shizuka umzugehen hatte. „Mendokuse…“, murmelte Sumiaki und Okami schleckte aufmunternd über seine Hand. Leicht lächelnd streichelte er ihren weichen Kopf, ehe er tief seufzte. Shizukas Blick war gegen den Boden gerichtet, als sich ihr plötzlich ein Paar staubige, schwarze Shinobi-Sandalen in den Weg stellten. Das Mädchen sah ein wenig verwirrt auf, lächelte dann aber schwach, als sie erkannte, wer vor ihr stand. „Masaru-kun…“, flüsterte sie leise und er nickte langsam. Behutsam strich er ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht und sie seufzte leise. „Wie ist es gelaufen?“, fragte Masaru zögerlich und Shizuka schüttelte nur leicht den Kopf. „Wie erwartet…“, murmelte sie dann und er nickte langsam, obwohl er nicht verstand. Nur eines war ihm klar. Es ging ihr schlecht, auch wenn sie versuchte, es zu verbergen. „Shizu…“ „Ist schon okay.“, tat sie augenblicklich ab und er sah sie ein wenig enttäuscht an. Sie lächelte matt, doch es erreichte ihre Augen nicht. Masaru hasste es, sie so zu sehen. Seine Beschützerinstinkte liefen auf Hochtouren und er spielte ernsthaft mit dem Gedanken, ins Hyuuga-Anwesen zu rennen und denen dort gründlich seine Meinung aufzudrücken. Niemand hatte das Recht, Shizuka unglücklich zu machen. Als sie an ihm vorbeigehen wollte, fasste er sie am Handgelenk und hielt sie fest. Shizuka erwiderte den ernsten Blick aus seinen dunklen Augen und wartete. „Sag mir, was passiert ist.“, bat Masaru nachdrücklich, doch das Mädchen zögerte. Zu lange, für seinen Geschmack. „Shizuka. Hast du vergessen? Es soll nicht zwischen uns stehen.“, erinnerte er sie und ein kleines Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit. „Wie könnte ich.“ „Shizuka. Das ist wichtig. Wir sind ein Team! Und dabei ist es egal, wer deine Eltern sind oder was in der Vergangenheit passiert ist. Ein Team existiert nur in der Gegenwart. Und das sind wir doch, oder?“, hakte er nach und sie nickte lächelnd. „Natürlich, du Baka. Wir werden immer ein Team bleiben. Zusammen mit Sumiaki-kun.“, sagte sie leise und warf erneut einen Blick nach oben in den Himmel. Die dunklen Wolken hingen unheilvoll über ihren Köpfen. Der Wind war verebbt. Die bekannte Ruhe vor dem Sturm. Noch einmal ging ihr das Gespräch mit Hiashi durch den Kopf. Dein Vater ist ein Nichtsnutz… Wer war ihr Vater? Die Frage quälte sie seit den letzten Stunden. Tagen. Wochen. Hinata würde es bestimmt wissen. Wäre sie hier, würde Shizuka einfach zu ihr gehen und sie um Hilfe bitten. Sie würde ihre Mutter zu ihrem Vater bringen und sie beide glücklich machen. Bestimmt. Aber Hinata war nicht da. Sie existierte nur in ihrer Vorstellung und auf den Bildern von Kiba-sensei. Shizuka wurde von einem Passanten unsanft aus ihren Gedanken gerissen, als er sie anrempelte und sich im Weitereilen noch halbherzig entschuldigte. Sie ließ zu, dass der Uchiha-Junge sie ein wenig aus dem dichtesten Gedrängel zog, während er dem Mann einen tödlichen Blick nachschickte. Noch immer waren seine dunklen Augen voller Ernst, als er sie besorgt musterte. „Shizu-chan… bitte… Ich will dir nur helfen.“, flehte er leise, wie es sonst nicht seine Art war. Er trat näher an sie heran, doch hielt inne, weil er es nicht wagte, sie einfach so zu berühren. Nicht, wenn sie in einer so seltsamen und untypischen Stimmung war. „Wieso nennst du mich so?“, fragte das Mädchen schwach lächelnd. Die Koseform, mit der Masaru sie eben angesprochen hatte, war ihr vertraut, doch er hatte sie schon ziemlich lange nicht mehr verwendet. Er zuckte mit den Schultern. So leicht ließ er sie nicht das Thema wechseln. „Einfach so, ist doch egal. Und jetzt rede mit mir. Andernfalls werden wir hier noch länger herumstehen.“, meinte er betont gelassen, doch er ließ seine Schwester keinen Moment aus den Augen. Er hatte sie so genannt, weil er sie beschützen musste. Weil er wissen musste, was in ihr vorging. Shizu-chan… so hatte er sie die ersten Jahre ihres Lebens genannt. Shizuka blickte ihn stumm an. Alles kam ihr wie ein Traum vor, seit sie die Hyuugas verlassen hatte. Alles irreal. Aber Masaru war echt und er stand vor ihr und er machte sich Sorgen. So war es schon immer gewesen, egal, was sie ausgefressen oder veranstaltet hatte. Im Endeffekt war er für sie da und kümmerte sich um sie. Sie wollte ihm nicht wehtun. Das hatte er wirklich nicht verdient. Zögerlich ging sie dichter an ihn heran und lehnte sich schließlich leise seufzend gegen ihn. Wieder einmal bemerkte die junge Kunoichi, wie klein sie doch war, denn ihr Kopf ruhte an seiner Brust und sie konnte seinen Herzschlag genau hören. Er beruhigte Shizuka und entspannt schloss sie die Augen, als Masaru vorsichtig seine Arme um ihren zierlichen Körper legte, ganz so, als wolle er sie vor Allem und Jedem beschützen. Es verwirrte den Uchiha-Jungen, als sie ihm plötzlich so nahe war. Das war sonst so gar nicht Shizukas Art. Umso mehr beunruhigte ihn die Gesamtsituation. Es ging ihr anscheinend wirklich schlecht. Und eigentlich hatte er keine Ahnung, wie er sich verhalten sollte und ihr helfen konnte. „Ich hab mich mit Hiashi angelegt, Masaru-kun.“, flüsterte Shizuka auf einmal kaum hörbar. Gequält seufzte Masaru auf, aber er war gleichzeitig erleichtert, dass sie mit ihm sprach. „Das hätte ich mir ja denken können.“, murrte er, doch er zog das junge Mädchen ein wenig näher an sich, „Was hat sich da drinnen abgespielt?“ Ganz leise berichtete Shizuka, was sie erfahren hatte und wie sich dann in kürzester Zeit die Ereignisse überschlagen hatten. Sie endete und Stille machte sich zwischen den beiden breit. Masaru schwieg eine Weile und lauschte den gedämpften Geräuschen der Hauptstraße. Wie immer riefen sich die Leute verschiedenste Dinge zu und wie immer wurden die Waren an den Verkaufsständen lautstark angepriesen. Sanft schob er Shizuka von sich und das Mädchen erwiderte den ernsten Blick seiner schwarzen Augen. Es war, als würden sich für einen kurzen Moment alle Geräusche der Umwelt ausblenden und es gab nur sie zwei. Im Grunde waren Worte unnötig. Er verstand, was und weshalb sie es getan hatte. Und sie wusste, dass sie nicht mehr sagen musste, um ihren Standpunkt klar zu machen. Sie kannten sich einfach zu gut, um dem anderen etwas vormachen zu können. So war es schon immer gewesen und so würde es immer sein. Bestimmt. Masaru unterbrach schließlich diesen besonderen Moment mit einem breiten Grinsen. Sie standen schon zu lange hier herum… am Ende würde man sie noch als ein Liebespaar abstempeln! Noch einmal strich er sanft eine Haarsträhne hinter Shizukas Ohr zurück und fuhr sich dann selbst durch das schwarze Haar, ehe er nach langer Zeit wieder das Wort ergriff. „Weißt du, was du jetzt brauchst? Eine Riesenschüssel Ramen! Komm mit, Sumiaki-kun wartet mit Okami.“, meinte er gutgelaunt und griff nach Shizukas Hand, die es einfach über sich geschehen ließ. Ramen? Wer dachte jetzt bloß ans Essen?? Auf so eine Ablenkung konnte in dem Moment auch nur Masaru kommen. Ihr bester Freund und liebster Bruder. Der Lärm Konohas drang mit voller Wucht an Shizukas Ohren und unwillkürlich musste sie lächeln, als sie ihre Hand in Masarus spürte. Er zog sie Richtung Ramenstand, wo sie schon ungeduldig von Okami und Sumiaki erwartet wurden. Plötzlich erschien ihr die Welt nicht mehr so duster, wie noch einen Augenblick zuvor. Und auch die Ramenschüssel, die ihr, wie immer an diesem Tag, kostenlos spendiert wurde, trug dazu bei, ihre drängenden Fragen und die verwirrenden Gedanken beiseite zu schieben. Sie musste nicht alles alleine ertragen. Egal, was noch kommen würde. Die ersten Regentropfen fielen zu Boden, als Naruto das Uchiha-Anwesen betrat. Schweigend zog er sich die Schuhe aus und ging auf direktem Wege in die Küche, in der er auch sofort Sakura antraf. Erleichtert lächelte sie ihm entgegen. Noch immer hatte sie Angst, dass er einfach verschwinden könnte. Seit diesem Tag vor elf Jahren fürchtete sie, ihn für immer zu verlieren. Sei es nun an seine eigene Verzweiflung oder an seinem Job als Shinobi. Nach der katastrophalen Versammlung heute Vormittag… sie hatte beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten, als er danach gleich wieder verschwunden war. Umso erleichterter war sie nun, dass er wieder vor ihr stand. So unglaublich erleichtert. Davor hatte sie sich einfach nur mit Arbeit abgelenkt, was auch die vielen Dokumente erklärte, die wild verstreut auf dem Küchentisch lagen. Patientenakten und verschiedenste Nachweise aus dem Krankenhaus. „Du bist früh zurück, Naruto-kun.“, stellte Sakura fest, während sie begann, die Akten notdürftig beiseite zu schieben. Er nickte abwesend und brachte nicht einmal ein kleines Lächeln zustande. Sakura übernahm das für ihn. Wie sie es schon seit elf Jahren tat. Munter erhob sie sich und schritt zum Kühlschrank hinüber. Voller Tatendrang öffnete sie ihn. „Möchtest du etwas essen? Ich habe noch Reste von gestern zur Auswahl oder ich kann dir schnell was machen. Hast du auf irgendwas Lust? Naja, auch egal, ich werde schon was finden. Was hältst du von Sushi? Das hatten wir schon lange nicht mehr-…“ „Sakura, ich werde nicht lange bleiben.“ Die junge Frau hielt einen Moment inne und schloss dann langsam und resigniert die Kühlschranktür. Das war ja klar gewesen. Naruto bemerkte aus den Augenwinkeln, dass sich ihre Hände kurz ein wenig kraftlos zusammenballten, während er zum Küchenfenster hinüberging und den Regentropfen beim Fallen zusah. Sakura drehte sich jedoch lächelnd zu ihm um. Doch er war nicht dumm. Er wusste, wann ein Lächeln ehrlich war und wann nicht. Nach all den Jahren, in denen er selbst kein aufrichtiges um die Lippen gebracht hatte, kannte er den Unterschied trotzdem noch. Er war dankbar dafür, dass sie ihm nicht auch noch Vorwürfe machte. „So…? Da kann man wohl nichts machen, hm? Ich heb’ dir was auf…“, sagte sie vor sich hin, obwohl sie wusste, dass ihr eine Wand wohl mehr Antwort gegeben hätte. Es war einfach nur ein schrecklicher Tag. Naruto starrte aus dem Fenster. Die Regentropfen liefen die Scheibe hinab und rasend schnell war es beinahe Nacht geworden. Seltsam für diese Jahreszeit, aber trotzdem nicht weiter tragisch. Hinata hatte Regen nicht gemocht. Aber wenn die Sonne doch einmal für einen Tag lang verschwunden gewesen war, dann hatte man sie immer am Fenster finden können. Sie hatte gesagt, dass sie die Ruhe genoss. Naruto wusste nicht, wieso es ihm ausgerechnet jetzt einfiel. Aber die Erinnerung war da und das genauso frisch, als wäre es gestern gewesen. Einmal war sie mit den Kindern im Arm bei so einem Wetter eingeschlafen. Es war ein unglaublich friedliches Bild gewesen, als er sie gefunden hatte. Er liebte sie so sehr. Narutos Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Es würde ihn zerreißen. Es konnte wirklich nicht mehr lange dauern, dann würde er die Schmerzen nicht mehr ertragen können. Er konnte mit den Erinnerungen nicht leben… er konnte nicht. Er musste zu ihr. In dem Moment riss ihn Sakura aus seiner Starre. „Naruto-kun, wann wirst du denn aufbrechen?“, fragte sie und trat auf ihn zu. Er sah sie nur kurz an, dann ballte er seine Hände zu Fäusten. „Jetzt.“ Sie zuckte ein wenig aufgrund der Härte in seiner Stimme zusammen. Behutsam legte sie eine Hand auf seine Wange, doch er reagierte nicht. Er wirkte wie tot und das erschreckte sie nach all den Jahren noch immer. „Soll… soll ich diesmal mitkommen?“, fragte sie leise, doch sie kannte seine Antwort schon, noch bevor er sie gab. „Wohin denn mitkommen…?“, murmelte er leise, bevor er sich ihrer sanften Berührung entzog. Er konnte es nicht spüren. Er konnte niemanden spüren, das hatte er schon lange erkannt. Die einzige, die hin und wieder sein Herz erreicht, das war Shizuka. Aber die würde er niemals mitnehmen. Niemals. Ein paar Minuten später war Sakura wieder alleine in der Küche und hörte nur noch das weit entfernte Geräusch der zufallenden Eingangstür. Wieso war er überhaupt zurückgekommen, wenn er gleich wieder ging? Nachdenklich wandte sie sich erneut ihrer Arbeit zu, doch konzentrieren konnte sie sich nicht. Naruto war voller Unruhe, immer wieder getrieben, von irgendetwas. Sakura wettete, dass er selbst nicht wusste, was das war. Etwas ließ ihn nicht los, es ließ ihn all die Jahre nicht in Ruhe trauern und es ließ ihn niemals auch nur einen Augenblick zufrieden. Es war immer da… und so lange es existierte, existierte kein Naruto Uzumaki. Sakura kniff kurz aber fest ihre brennenden Augen zusammen, ehe sie sich wieder mit den Akten beschäftigte. Schließlich gehörten sie noch durchgearbeitet. Nach mehreren Minuten schreckte sie jedoch zusammen, als die Küchentür ruckartig aufgeschoben wurde. Verwirrt sah sie sich um. Wieso hatte sie denn niemanden kommen gehört? War sie wirklich so im Gedanken gewesen? Wie unvorsichtig… „Wir sind wieder da.“ Masaru ließ sich gähnend auf einen Küchenstuhl fallen und sah seine Mutter misstrauisch an, die ihm keine Antwort gegeben hatte. Sie schien abwesend. „Alles klar, kâ-chan?“, fragte er zweifelnd und plötzlich lächelte Sakura wie üblich. Sie machte eine wegwerfende Handbewegung, während auch Shizuka und Okami leise die Küche betraten. „Ach was, alles in Ordnung.“, sagte Sakura munter. Dann fiel ihr Blick auf den Hund. Sie sah ihn an und Okami starrte zurück. Dann wedelte die Hündin sachte mit ihrem Schweif. Überrascht sah Sakura Shizuka an. „Hund?“, fragte sie nachdrücklich und mit hochgezogener Augenbraue. Shizuka lachte kurz und hob das Hündchen auf ihre Arme. „Ja… das ist Okami. Ich habe sie von Kiba-sensei bekommen. Das ist doch kein Problem, oder?“ Sakura schüttelte den Kopf und lächelte, während sie ihre Akten endgültig wegräumte. Heute würde sie wirklich nicht mehr weiterkommen. „Natürlich nicht, hier ist ja Platz genug. Das ist nett von Kiba.“, bemerkte sie noch und Shizuka nickte. Okami kuschelte sich in ihre Arme. „Wie war euer Tag?“, fragte Sakura nebenbei und Masaru und seine Schwester warfen sich einen kurzen Blick zu, wobei letztere beinahe unmerklich den Kopf schüttelte. Masaru seufzte tonlos. „Ganz okay. Training… dann haben wir noch mal kurz bei Kiba-sensei vorbeigeschaut, Shizuka hat ihren Hund bekommen… dann waren wir noch bei Ichirakus und eben haben wir uns von Sumiaki-kun verabschiedet. Schließlich wollten wir nicht im Regen nach Hause latschen. Was wir letztendlich doch gemacht haben.“ „Ihr Armen.“, bemerkte Sakura ein wenig spöttisch und schmollend verzog Masaru das Gesicht. „Das ist nicht witzig.“, grummelte er. Sakura lachte kurz und zerwuschelte seine Haare, was die Laune ihres Sohnes nicht unbedingt besserte. „Sakura-oba-chan… ist Papa hier?“ Die Rosahaarige erstarrte. Masaru bemerkte es sofort. Aufmerksam sah er seine Mutter an, die sich einen Moment später zu Shizuka umwandte und dabei schon wieder leicht lächelte. „Du hast ihn verpasst. Er war bis vor ein paar Minuten noch hier.“, meinte sie schlicht und erhob sich. „Habt ihr Hunger?“, fragte sie und schlenderte scheinbar gelassen zur Küchentheke hinüber, doch der Themenwechsel war zu abrupt, als dass Sakura Erfolg hätte haben können. „Wohin ist er gegangen?“ Shizuka ließ nicht locker und diese ruhige und sachliche Stimme jagte der Frau Schauer über den Rücken. Was war heute nur mit dem Mädchen los? „Äh… ich weiß nicht.“, wich sie aus und flehte, dass es Shizuka zufrieden stellen würde. Ihre Gebete wurden nicht erhört. Nachdenklich kraulte Shizuka Okami hinter den Ohren und ließ sie anschließend hinab auf den Boden. Sie warf Masaru noch einen kurzen, fragenden, Blick zu, und er zuckte bloß gleichgültig mit den Schultern. Sie würde doch sowieso machen, was sie für richtig hielt. Ein entschlossener Ausdruck trat in Shizukas Gesicht, während ihre Augen jeder von Sakuras Bewegungen folgten. „Er ist am Friedhof. Bei Hikaru-chan. Und bei Hinata.“, sagte sie und der Ton in ihrer Stimme ließ darauf schließen, dass sie sich dessen absolut sicher war. Sakura fuhr zu ihr herum. Verwirrung und Entsetzen stand in ihren Augen. „Woher-…“, setzte sie an, doch Shizuka unterbrach sie gelassen. „Ich bin nicht blöd. Und ich bin kein kleines Kind mehr.“, bemerkte sie. Sakura starrte sie fassungslos an und Masaru wagte es nicht, sich nur einen Millimeter zu bewegen. Die Luft war zum Zerreißen gespannt. Selbst Okami saß ganz still und tat keinen Mucks. Schließlich entspannte sich Sakura und lächelte Shizuka traurig an. Mit einem Mal war die Atmosphäre entladen und Masaru atmete unbemerkt auf. „Stimmt. Du bist kein kleines Kind mehr…“, murmelte Sakura. Hatte sie das nicht schon heute Vormittag feststellen müssen? Die Zeit verging viel zu schnell. Dann nickte sie langsam. „Ja, Shizuka. Ja, er ist am Friedhof. Wie jedes Jahr an diesem Tag… Hey, wo willst du hin?!“, rief Sakura Shizuka nach, als diese sich ohne ein weiteres Wort umdrehte und aus der Küche stürmte, nachdem sie die Bestätigung ihres Verdachtes erhalten hatte. Seltsamerweise machte Okami keine Anstalten, ihr zu folgen. Trotzdem blickte sie unsicher und ein wenig verstört zu Masaru auf, der tief seufzte und gedankenverloren ein Kunai hervorzog. Seine Mutter war viel zu geschockt, um ihn zu Recht zu weisen. Sie lehnte sich bloß kraftlos gegen die Küchentheke. „Wie viel weiß sie, Masaru?“, wisperte sie fragend und ihr Sohn antwortete, ohne aufzusehen. „Mehr, als euch allen wahrscheinlich lieb ist.“ Die Rosahaarige biss sich auf die Unterlippe und ballte ihre Hände zu Fäusten. Sie verlangte nicht mehr Erklärungen, es war sowieso irrelevant. Shizuka wusste Bescheid und war auf dem Weg zu Naruto, das war alles, was im Moment wichtig war. Natürlich, sie könnte ihr nachlaufen und versuchen, sie aufzuhalten… doch es würde nicht viel bringen, das war sowieso klar. „Scheiße!“, rief Sakura laut und schlug mit der Faust auf die Arbeitsplatte. Gott sei Dank war das Material ziemlich widerstandfähig. Jede andere Einrichte wäre in tausend Einzelteile zersprungen. „Und wo zur Hölle ist eigentlich dein Vater?“, fauchte Sakura Masaru an, der nur abwehrend die Hände hob, darauf bedacht, sich mit dem Kunai nicht zu verletzen. „Woher soll ich das denn wissen?“ Gerade als Sakura eine patzige Antwort geben wollte, hörten die beiden, wie die Eingangstür lautstark aufgerissen wurde. Sofort war Sakura in Alarmbereitschaft, als sie das Chakra erkannte. Im Bruchteil einer Sekunde war sie aus der Küche Richtung Arbeitszimmer verschwunden. Perplex starrte Masaru auf die Schiebetür, durch die seine Mutter eben wie ein geölter Blitz gezischt war und in der nun sein gehetzt wirkender Vater stand. Was ging denn hier ab? „Wo ist deine Mutter?“, fragte Sasuke seinen Sohn mit schneidender Stimme. Die Regentropfen liefen sein Gesicht hinab und seine schwarzen Haare waren sichtbar nass. Mit einer Hand stützte er sich am Türrahmen ab und seine sonstige Gelassenheit war verschwunden. Masaru war nicht fähig, zu antworten. Schließlich sah er seinen Vater so wirklich nicht alle Tage. Sasuke fluchte vor sich hin, als er begriff, dass er so schnell wohl keine Antwort bekommen würde. Plötzlich konnte man schnelle Schritte auf dem Flur hören, die direkt auf die Küche zusteuerten, und Sasuke wandte sich ruckartig in die Richtung. „Sakura, du musst-…“ „Alles schon bereit, Sasuke-kun. Wie viele sind es und was genau ist passiert? Was hat Tsunade gesagt?“ „Sechs Schwerverletzte, zwei davon im Koma, alle in akuter Lebensgefahr. Händler aus dem Wellenreich haben sie nicht allzu weit vom Dorf entfernt aufgelesen und mitgebracht. Anscheinend wurden sie im Kampf verletzt. Tsunade braucht jeden Medic-nin, den sie kriegen kann. Los jetzt, ich muss mit ein paar anderen durchs ganze Dorf und danach mit Kakashi die Abläufe koordinieren. Tsunade will eine Einheit losschicken.“, fasste Sasuke so schnell es ging zusammen und Sakura prägte sich jedes Detail ein. Entschlossen nickte sie, verabschiedete sich eilig von ihrem Sohn und hastete zusammen mit Sasuke aus dem Anwesen, hinaus in den strömenden Regen. Masaru brauchte ein paar Minuten um zu realisieren, was hier gerade passiert war. Er wurde von Okami aus seiner Starre gerissen, als sie auf seinen Schoß sprang und sich dicht an seinen Bauch kuschelte. Sie hatte bestimmt gespürt, dass etwas nicht in Ordnung war. Anscheinend ein paar Schwerverletzte im Dorf. Klar, dass Tsunade da nach seiner Mutter rufen ließ, die Ärztin schlechthin nach der Hokage persönlich. Aber so einen riesigen Tamtam darum zu machen und durchs Haus zu rasen, beziehungsweise zu schlittern, wenn man bedachte, dass Sasuke mehr als durchnässt gewesen war… Sein Vater konnte von Glück reden, dass Hideki nicht zuhause war. Wahrscheinlich wäre ein Kommentar á la ‚Wieso darfst du durchs Haus rennen und ich nicht?’ gekommen. In dem Moment hätte Sasuke bestimmt nicht bloß resigniert den Kopf geschüttelt. Gedankenverloren streichelte Masaru Okami, die leise zu brummen begann, um ihre Behaglichkeit zum Ausdruck zu bringen. „Mendokuse…“, murmelte Masaru und konnte seinen besten Freund plötzlich ziemlich gut verstehen. Als Shizuka am Eingang des Friedhofes ankam, war sie völlig durchnässt. Immer langsamer wurden ihre anfangs schnellen Schritte und als sie durch den alten Torbogen das Gelände betrat, blieb sie stehen. Iruka hatte in der Akademie immer erzählt, dass man den gefallenen Shinobi an dem blauen Gedenkstein die letzte Ehre erwies. Wenn draußen die Sonne schien, dann hatte Iruka die Schulklasse hin und wieder in der Nähe des Denkmals unterrichtet und er hatte über die Vergangenheit Konohas gesprochen, oft stundenlang. Tragische Geschichten über die Helden von damals, von Genin über Chunin und Jonin, bis hin zu dem dritten und vierten Hokage, die sich selbstlos für das Wohl anderer geopfert hatten. Vielleicht wurde den Kindern in der Akademie so viel über die Symbolik des Steines erzählt, um so ihre Angst vor dem eigenen Tod abzuschwächen. Trainiert hart, werdet stark, kämpft für euer Dorf, sterbt für euer Dorf… eure Namen werden hier in Erinnerung bleiben. Und plötzlich war es für Shizuka eine Lüge. Ihr trüber Blick glitt über die hunderten Gräber, Gedenkstätten und teilweise sogar Schreine. Einer nach dem anderen standen sie nebeneinander, wirkten kalt und abstoßend. Kerzen flackerten in den kleinen Laternen und beleuchteten die Namen der Verstorbenen, während die Regentropfen sachte gegen die Gläser schlugen. Das Wasser spiegelte die einzelnen Lichter und teilweise schien es, als wären manche Gräber von einem dämmrigen Schein umgeben. Es waren so viele und trotzdem wirkte der Friedhof hoffnungslos und düster. Shizuka ballte ihre Hände zu Fäusten. Iruka musste gelogen haben. Auf dem Stein stand nur ein Bruchteil derer, die in den letzten Jahren ihr Leben verloren hatten. Was war mit den Shinobi, die einfach Pech gehabt und auf einer scheinbar leichten Mission ihr Leben gelassen hatten? Was war mit denen, die an einer plötzlichen Krankheit gestorben waren? Was war mit denen, die ungewollt in ein Kampfgeschehen verwickelt worden waren? Sie hatten auch die Akademie besucht, sie hatten auch für Konoha gekämpft und sie wären auch ohne zu zögern für ihre Familie und ihre Freunde gestorben. Trotzdem waren sie nicht würdig, auf dem Stein zu stehen? Weil sie nebenbei umgekommen waren, unbemerkt, leise? Und was war mit den Dorfbewohnern? Unter ihnen gab es viele, die die Shinobi wo sie nur konnten unterstützten. Wieso hatten sie keinen Gedenkstein? Waren sie es nicht wert? Shizukas Fäuste zitterten. Der Name ihrer Mutter stand nicht auf dem Denkmal. Wieso nicht? War sie keine Heldin gewesen? Hatte sie Konoha nicht jahrelang treu gedient, bis zum Tage des Angriffes, bis zu ihrer Verschleppung? Hatte sie es nicht verdient, dass man sich an sie erinnerte? Dafür, dass sie eine Mutter gewesen war, die für ihre Kinder starb? Sie wurde nicht als würdig angesehen? Hieß es in den Märchenbüchern nicht immer, dass die tapferen, selbstlosen Helden überlebten? Shizuka lachte bitter auf und es klang unheimlich auf dem Friedhofsgelände. In Konoha, in dem ganzen Shinobi-System… es zählte nichts. Der Tod selbst war nebensächlich. Es ging bloß um das Wie. Langsam setzte Shizuka ihren Weg fort, vorbei an den vielen Gräbern, die nicht enden wollten. Die Gänge zwischen den Gedenkstätten waren nicht asphaltiert, die Erde vom Regen ganz weich. Das Gras am Rande der kleinen Wege und um die Gräber herum war schwer vom Wasser. Shizuka bemerkte es kaum. Sie war nicht hierher gekommen, um diesen Gedanken nachzuhängen. Sie war hierher gekommen, um… um… Um ihren Vater zu sehen. Um herauszufinden, wer und wie er wirklich war. Die Strähnen ihres langen Haares klebten an ihrem Gesicht, als sie weiter in den Friedhof vordrang. Sie kümmerte sich nicht darum. Wo… wo war überhaupt das Grab ihrer Mutter? Ihr Vater hatte sie nie mitgenommen. Kein einziges Mal. Shizuka spürte Wut in sich aufflammen. Das brennende Gefühl breitete sich in ihrem ganzen Körper aus und schärfte ihre Sinne. Sie musste ihren Vater finden. Er war hier. Sie wusste es. Ein Schritt nach dem anderen, vorbei an dunklen Gräbern, an denen niemand eine Kerze entzündet hatte und deren eingravierte Namen längst in Vergessenheit geraten waren. Naruto spürte nichts. Weder die Regentropfen, die an seinem Gesicht hinab liefen, noch die eisige Kälte, verursacht durch sein nasses Gewand. Seine Finger, die sich in das kalte Gras vergraben hatten, verfärbten sich langsam ungesund rot, doch es war ihm egal. Kraftlos hob er den Blick und sah auf die Inschriften des Grabes, vor dem er in der schlammigen Erde kniete. Die auf dem grauen Stein eingravierten Namen wurden von dem Licht der Kerzen erhellt, die zu beiden Seiten auf dem kleinen, marmornen Fundament aufgestellt worden waren. Ein schmales Schutzdach war ebenfalls über dem Grabstein errichtet worden. Die Laternen, die sorgsam daran befestigt worden waren, verharrten reglos in der Luft und die sich darin befindenden Kerzen brannten langsam, aber stetig, ab. Frische Blumen waren ebenfalls auf den Boden neben dem Grab platziert worden, doch Naruto ignorierte sie. Die gespenstische Ruhe wurde bloß von dem leisen Prasseln des Regens durchbrochen. Uzumaki Hinata (geborene Hyuuga) Uzumaki Hikaru Nur zwei Namen. Nicht mehr war von ihnen übrig geblieben. Selbst nach elf Jahren konnte Naruto es immer noch nicht begreifen. Und jedes Jahr an diesem Tag erschlug es ihn alle paar Minuten aufs Neue. Wandte er den Blick ab, hoffte er zu träumen. Ein Albtraum, wie er schlimmer nicht sein konnte, aber doch bloß ein Traum. Aber er war nie aufgewacht. Es war einfach falsch. Das alles hier. Der Regen… die frischen Blumen… das Grab… ihre Namen. Es war falsch. Es war nicht wahr. Naruto zuckte zusammen, als ihm der Duft der Blüten in die Nase stieg. Wie konnte ihr Geruch bei dem Regen bis zu ihm vordringen? Hinatas Geruch. Nicht die Blumen. Es waren nur die Erinnerungen an seine Frau, die mit einem Schlag wiederkehrten. Falsch. Es war nicht wahr. Es konnte nicht wahr sein! Wieso sollte sie einfach verschwinden? Stöhnend riss Naruto seinen Blick von ihrem Namen los und vergrub sein Gesicht in den Händen. Sein Herz schlug unregelmäßig und die erdrückende Angst und Panik überfiel ihn wie jedes Mal. Sie konnte nicht weg sein! Nicht Hinata. Wieso musste er sich bloß erinnern? Wieso konnte er ihr Lachen hören, wenn sie doch so weit fort war, und wieso konnte er sich noch immer so gut an die Augenblicke erinnern, die nur ihnen beiden gehört hatten? Ihre sanftmütigen Augen, ihr liebevolles Lächeln… „Nein!“, stieß er verzweifelt hervor und presste sich die Hände auf die Ohren. Es half nicht. Niemals. Es zerriss sein Herz, es blutete noch schlimmer als in der damaligen Nacht. Es war noch viel, viel unerträglicher. Hinata konnte nicht weg sein… sie konnte ihn nicht zurückgelassen haben, ganz alleine. „Hinata… Hinata-chan… wieso… komm zurück… bitte, Hina, komm zurück… lass mich nicht mehr alleine…“, wimmerte er und versuchte, die Erinnerungen zurückzudrängen. Er wollte es nicht noch einmal durchleben, er konnte nicht. Wieso kam sie nicht einfach zurück und nahm ihn in den Arm? Wieso war sie nicht da? Das war falsch. Es war falsch, falsch, falsch, falsch! Naruto wippte leicht vor und zurück. Es musste aufhören… er musste aufhören. Sie musste wiederkommen. Aber sie war tot. Sie war tot und sie würde niemals wieder bei ihm sein. Sie war wahrscheinlich wütend auf ihn. Er hatte sie im Wellenreich sterben lassen, sie wusste es bestimmt. Deshalb kam sie nicht zurück. „Naruto-kun… i-ich… i-ich wollte fragen, ob d-du nicht mit mir… Ramen… essen gehen… willst…“ „I-Ich würde gerne mit dir auf das Sommerfest gehen, Naruto, ja.“ „I-I-Ich l-liebe dich.“ „Ja, natürlich…natürlich heirate ich dich…“ „Ich liebe dich, Naruto. Ich liebe dich mehr als alles andere. Du bist mein Leben. Ja, ich will, für immer. Bis dass der Tod uns scheidet.“ „Ich liebe dich.“ „Ich bin… Naruto-kun, ich… ich bin… schwanger…“ „Ich liebe dich.“ „Bis dass der Tod uns scheidet.“ „Für immer.“ Bis dass der Tod uns scheidet… Ich liebe dich…für immer… „NEIN! Lass mich nicht alleine! Komm zurück, Hinata-chan. Komm zurück… bitte, komm zurück. Ich brauche dich, ich brauche dich doch mehr als alles andere… Lass mich nicht alleine. Es tut mir leid, so leid, bitte verzeih mir. Komm zurück… ich liebe dich so sehr, du kannst mich nicht alleine lassen…ich brauche dich…“, verzweifelte Naruto stöhnend und vergrub die Hände in der weichen Erde, während ihm die vertrauten Tränen über die Wange liefen. Es war nicht wahr! Er wurde wahnsinnig! Er brauchte sie, er konnte nicht ohne sie leben! Wieso sah sie das denn nicht? Tot. Sie war tot. Nur noch tot, man hatte sie ihm weggenommen, seine Hinata… Nur der Name war übrig geblieben. Nicht mehr als der Name. „Und wenn du nach Hause kommst, und Sakura-chan schon da ist, dann hab ich eine Überraschung für dich.“ „Hinata… ich bin wieder da, ich habe mich beeilt, ich hab es versprochen. Wo bist du… Hinata, wo bist du… komm zu mir zurück, Hinata-chan… Lass mich nicht alleine, bitte… bitte…“, flehte Naruto schluchzend und krümmte sich zusammen. Eine leichte Windböe ließ die Laternen schwanken und die Bäume im nahe liegenden Wald laut rauschen. Blätter wurden mitgerissen und wurden von den Regentropfen hart zu Boden geschleudert. Es tat so weh. Sein Herz tat so weh, am liebsten hätte er es herausgerissen. Er würde alles tun. Alles, um sie wiederzuhaben. Oder noch ein letztes Mal zu sehen, nur ein allerletztes Mal. Er hatte keine Gelegenheit mehr gehabt, ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte. Mit einer Berührung ihrer weichen Haut… nur noch einmal… ein Kuss… nur ein Kuss… er hätte alles gegeben. Und noch einmal ein ‚Da-Da’ von seinem Sohn. Ein allerletztes. Aber er war tot. Er selbst hatte ihn sterben sehen, er hatte ihn in den Armen gehalten und er hatte ihn nicht retten können. „Hikaru-chan… verzeih mir. Ich war ein schlechter Vater.“, flüsterte er tonlos, nachdem seine Tränen plötzlich versiegt waren. Es war doch immer so. In einem Moment glaubte Naruto vor Schmerzen sterben zu müssen, im anderen war er bereits wie tot. Wer wusste schon, wie oft er mittlerweile gestorben war. Ja, er war ein schlechter Vater gewesen. Er hätte seinen Sohn retten müssen. Aber er hatte nur tatenlos zugesehen, wie das Leben aus Hikaru gewichen war, wie der Glanz seiner Augen verblasste und wie sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Er hätte es verhindern können, bestimmt. Alles wäre anders gewesen… alles… Hikaru-chan war tot. Einfach weg. Wie seine Mutter. Ein Teil von Naruto war in dieser damaligen Sekunde gestorben. Es hatte alles keinen Sinn mehr. Dieses Leben war kein Leben mehr. Mit jedem Tag nahm die Qual zu und mit jedem Tag wünschte er sich mehr, es wäre einfach vorbei. Und wenn er dann tot war… dann würde er Hinata wieder sehen. Sie war bestimmt ein Engel geworden… der schönste Engel von allen. Für ihn war sie es schon immer gewesen. Ihre weißen Augen… und ihre langen Haare… ihre unendliche Liebe, für ihn, für ihre Kinder, für ihre Freunde… „Hinata… bald… bald werde ich kommen. Und ich werde bei dir sein. Und bei Hikaru. Nur noch bei dir, Hina… ich liebe dich so sehr…Aber wieso kommst du nicht zurück?! Komm zurück, bitte!! Bitte, lass mich nicht alleine! Ich brauche dich, ich kann ohne dich nicht mehr leben! Verstehst du denn nicht? Ich kann nicht mehr.“ Und plötzlich war er wieder da, der Schmerz, der so tief in sein Herz schnitt, dass ihm die Luft zum Atmen fehlte. Narutos blaue Augen suchten panisch Hinatas Namen, ganz so, als hatte er Angst, dass der letzte Beweis ihrer einstigen Existenz verschwunden war. Nur ihr Name. Und dann fuhr Naruto herum. Shizuka stand einfach nur da und wusste, dass sie die blauen Augen ihres Vaters niemals wieder würde vergessen können. Ebenso wenig seine Worte. Ich kann ohne dich nicht leben. Ich kann nicht mehr. Bald bin ich bei dir. Stumm liefen dem Mädchen die Tränen über die Wangen, die sich nach kurzer Zeit mit den eisigen Regentropfen mischten. Maßlose Enttäuschung lähmte sie vorübergehend und krampfhaft versuchte sie, dem Drang in ihrem Inneren zu entgehen, der sie schreiend und auf ihren Vater losgehen lassen wollte. Wie konnte er es wagen, hier vor ihr, laut zu sagen, bei seiner Frau sein zu wollen? Wie konnte er es wagen, so vor ihr zu knien, wimmernd wie ein Kleinkind? War er wirklich verrückt, ein Nichtsnutz, so, wie ihr Großvater gesagt hatte? Plötzlich war Shizuka sich nicht mehr sicher, ihren Vater zu Recht verteidigt zu haben. Langsam ging sie einen Schritt vorwärts und zwang sich, ihre Stimme laut genug erklingen zu lassen, um den prasselnden Regen zu übertönen. „Papa…“ Sie brach ab. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. In Worte waren die Gefühle nicht zu fassen, die sie beim Anblick ihres Vaters verspürte. Die Stille zwischen den beiden war beklemmend und keiner wagte es, sie zu unterbrechen. Naruto war viel zu erstarrt, viel zu gebannt von dem Anblick seiner Tochter. Erst, als eine erneute Windböe die Laternen schwingen und die Kerzen flackern ließ, konnte er sich aus seiner Starre reißen. Entsetzt zuckte Naruto zurück und seine blauen Augen waren weit aufgerissen. „Verschwinde!“, stieß er hervor und das Wort zerschnitt die Lautlosigkeit um sie herum. Shizuka durfte nicht hier sein! Sie durfte nichts wissen und sie durfte keine Fragen stellen und sie durfte niemals über ihre Mutter oder ihren Bruder sprechen! Niemals. Sie sollte weiterleben, sie sollte vergessen, eine Mutter gehabt zu haben. Keine Hyuugas, keine Gefahr, keine Hinata. Keine Hinata… Ich liebe dich. Für immer. „Nein…“, stöhnte er und schloss gequält die Augen. Der Albtraum wurde kontinuierlich schlimmer. Shizuka erstarrte. Sie spürte, dass sie zu zittern begann und erst nach Sekunden stellte sie fest, dass nicht der Regen die Schuld daran trug. Dieses eine Wort, nein, diese gesamte Situation, ließen ihren Zorn aufflackern und ihre Fäuste beben. Im Bruchteil eines Moments drängte sie die Tränen zurück, atmete tief durch und fixierte ihren Vater mit ihren durchdringend blauen Augen, ganz so, als könne sie ihn damit aufspießen. „Verschwinde?“, Shizuka spie das Wort voller Verachtung aus, „Was denkst du dir eigentlich?“ Ihre Stimme klang schriller als beabsichtigt, doch es war ihr egal. In dem Moment war alles unwichtig. Wie konnte er es wagen? Wie konnte er es wagen, sie fortzuschicken? Dazu hatte er kein Recht! Ja, er trauerte, ja, er wollte sie nicht daran teilhaben lassen! Aber er konnte sie nicht ewig zwingen, ihre Augen vor der Wahrheit zu verschließen! Nicht mehr. Heute würde es enden, ob er nun wollte, oder nicht. Er würde ihr Rede und Antwort stehen müssen und es war ihr egal, was sie damit vielleicht auslösen konnte. All die Jahre hatte sie sich um ihn bemüht, hatte sie versucht, ihn nur für einen winzigen Augenblick seinen Kummer vergessen zu lassen-… „Du sollst nicht hier sein, Shizuka… du weißt nichts… lass es… lass es sein und geh nach Hause… bitte…“, murmelte Naruto erschöpft und verzweifelt. Er konnte sich nicht mit ihr streiten. Er wollte nicht. Wenn sie jetzt ging, dann konnte er ihr später eine Lüge auftischen. Oder Sakura. Ja, Sakura würde ihm den Gefallen bestimmt tun… „Nein! Ich werde nicht gehen! Und ich weiß es! Ich weiß es, verdammt noch mal! Meine Mutter war eine Hyuuga und sie ist vor vielen Jahren verschleppt worden! Experimente und so ein Scheiß… Ich weiß, was in dieser verdammten Nacht damals passiert ist! Deine jahrelangen Bemühungen waren umsonst, verstehst du??“, rief Shizuka laut und es klang so gespenstisch auf dem Friedhof, dass jedem Anwesenden die Haare zu Berge gestanden hätten. Shizuka stampfte wütend mit dem Fuß auf, und der Schlamm spritzte in alle Richtungen davon. Ihre langen Haare klebten in ihrem Gesicht und leiteten das Wasser direkt in ihren Kragen. Sie bemerkte es kaum. Ihre Aufmerksamkeit ruhte einzig auf ihrem Vater, der mit einem Schlag noch blasser wurde, als er es sowieso schon immer gewesen war. ~ Die Wahrheit kann auch eine Keule sein, mit der man andere erschlägt. „Was…“, hauchte er mit brüchiger Stimme. Das konnte nicht sein. Das hatte er sich alles nur eingebildet. Sie hatte das eben nicht wirklich gesagt. Sie konnte es nicht wissen, das war lächerlich. Automatisch krallten sich seine Finger in den weichen, kalten Boden, während das Kerzenlicht erneut flackerte und schaurige Schatten auf den Grabstein warf. „Wieso hast du mir nie etwas gesagt? Wie konntest du??“ Shizukas Stimme schraubte sich noch ein paar Oktaven höher, doch es war ihr egal. Er musste ihr Antworten geben! Es war egal, wie sie sie bekommen würde, was sie dafür tun und ihm an den Kopf werfen musste. Er sollte es ihr gefälligst sagen! Unter jedem ihrer Worte zuckte Naruto zusammen und unbeholfen versuchte er, vor seiner Tochter zurückzuweichen. Doch hinter ihm war bloß noch der Grabstein mit ihren Namen. Kalt und nass und unwirklich. Wie er nur konnte? „Ich… ich wollte nicht… dass du weißt, wer deine Mutter war…“, stammelte er hilflos und seine Worte kamen ihm im gleichen Moment lächerlich vor. Lächerlich, feige und einfach nur böse. Aber Sakura konnte doch nicht Recht gehabt haben! Es war schlecht, wenn Shizuka etwas wusste, es war schlecht, wenn sie zu viel von Hinata und ihrer Familie erfuhr. Ja, das war es. Schlecht. Narutos Herz schlug ungewohnt hart in seiner Brust, vor lauter Panik, endgültig die Kontrolle zu verlieren. Vielleicht hatte er doch ein bisschen Glück und alles war wirklich nur ein Traum. Das alles war nicht real. Hinata war noch da und Hikaru und Shizuka waren kleine Kinder. Diese ganzen letzten Jahre waren einfach nie geschehen. „Bitte…“, flüsterte er, doch es blieb ungehört und er wachte nicht auf. Niemals. Shizuka konnte jeden Gedanken aus Narutos Gesicht ablesen und mit jeder Sekunde wuchsen ihre Wut, ihre Enttäuschung und ihre Verbitterung an. Er wollte nicht, dass sie wusste, wer ihre Mutter war. Er wollte es nicht. Das war alles? Deshalb diese vielen Lügen? Sie konnte es nicht verstehen. Was war los mit ihm? Sie erkannte ihn kaum noch wieder. Aber hatte sie ihn denn jemals gekannt? Anscheinend nicht. Anscheinend war er schon immer so gewesen, wie jetzt in diesem Moment. Verloren in seiner Verzweiflung, aus der ihn nichts und niemand befreien konnte. Nicht einmal sie, auch wenn sie es sich gerne weiter eingeredet hätte. „Wer bist du bloß? Ich dachte wirklich, ich würde dich kennen…“, sagte sie leise, doch Naruto konnte jedes Wort verstehen. Jedes einzelne Wort. Seine Tochter kannte ihn nicht? Fast hätte er angefangen zu lachen. Ja, so war es wohl. Er war verrückt und nun hatte sie es endlich begriffen. Aber es tat so weh, die Worte indirekt aus ihrem Mund zu hören. Seine Tochter kannte ihn nicht. Was hätte Hinata wohl dazu gesagt? Hinata… wenn sie jetzt hier wäre, hier im Regen, auf diesem Friedhof, zwischen ihm und Shizuka… was würde sie sagen? Vermutlich wäre sie entsetzt, doch sie würde einen Ausweg wissen. Irgendwie. Sie fand immer einen Weg, die schlimmsten Situationen zu umgehen. „Hinata… es gibt keine Lösung, nicht dieses Mal…“, murmelte er und er starrte seine Tochter an, deren Blick so eisig kalt auf ihm ruhte. Alles vorbei. Die einzige Person, die sein Herz hin und wieder berühren konnte, kannte ihn nicht. Er war ganz alleine. Ruckartig streckte Naruto seine Hand nach Shizuka aus, doch erschrocken taumelte das Mädchen einen Schritt zurück. Er war für sie unberechenbar geworden. Ihr eigener Vater, den sie über alles liebte. „Bleib, wo du bist! Wie konntest du nur? Wie konntest du mir nie von Hinata und meinem Bruder erzählen, wie konntest du andauernd lügen??“, fuhr sie Naruto mit brüchiger Stimme an und ihre aufkommenden Gefühle schnürten ihr die Kehle zu. Dazu hatte er kein Recht gehabt. „Shizuka… deine Mutter… sie kann dir alles erklären… ja, besser als ich. Hinata hat mich schon immer verstanden, weißt du? Immer… deshalb bin ich so oft bei ihr.“, sagte Naruto plötzlich klar und deutlich und Shizuka wurde leichenblass. Hinata konnte es erklären? Aber ihre Mutter war nicht da! Er war verrückt! Er drehte komplett durch! Naruto lächelte selig. Ja, das war die Lösung. Hinata würde ihrer Tochter alles erklären, wenn sie wieder da war. Er sah sie so deutlich vor sich, die Zukunft, die sie irgendwann haben würden. Wie hatte er nur je einen Moment daran zweifeln können? Natürlich würde sie zurückkommen… lachhaft, wenn nicht. Vielleicht dauerte es noch ein bisschen, aber sie würde kommen, bestimmt. Und dann würde sie ihn berühren und all die Schmerzen von seinem Körper nehmen, all die Erinnerungen an die schreckliche Zeit verschwinden lassen. Und Shizuka sah aus wie sie. Mit ihren langen Haaren und ihren weichen Gesichtszügen… egal, dass ihre Augen nicht weiß waren, egal, dass ihre Mimik gerade nicht dieselbe war… wieso war ihm das nie klar gewesen? „Du siehst aus wie Hinata… du bist Hinata…“, murmelte Naruto fassungslos. War es doch nur ein Albtraum gewesen? War er durchgedreht und hatte seine eigene Frau all die Jahre nicht erkannt? Vielleicht hatten sie niemals Kinder gehabt… vielleicht war das alles nur in seiner Vorstellung passiert! Entsetzt schrie Shizuka auf und der Ton hallte an den Gedenkstätten wider. „Nein!!! Hör auf damit, bitte!! Ich bin deine Tochter, ich bin nicht Hinata!! Papa, bitte… Hinata ist tot!! Sie ist tot und weg und sie wird nicht mehr wiederkommen! Papa, dreh dich um! Sieh auf den Grabstein! Sie wird nicht mehr kommen, sie ist fort!! Sie wird nicht gleich neben dir stehen und sie wird mir nicht alles erklären!! Du bist verrückt! Du bist irre!!“, stieß das Mädchen verzweifelt hervor. Das konnte doch nicht sein! Hiashi hatte tatsächlich Recht gehabt! Langsam, es kam beiden wie eine Ewigkeit vor, fiel der Schleier von Narutos Augen. Er nahm den Regen wahr und er hörte den Wind. Und er sah seine Tochter zwischen all den Grabsteinen stehen. Das Wasser tropfte aus ihren langen Haaren und ihre Fäuste hatten sich entkräftete gelöst. Natürlich. Nur seine Tochter… nicht Hinata. Hinata war tot. Sie war nicht bei ihm und sie würde niemals wieder kommen. Natürlich. „Sie ist tot…“, schluchzte er, als es ihn wie so oft erschlug, und fuhr zu dem schlichten Grabstein herum. Ja, da stand ihr Name und der Name ihres Sohnes. „Hikaru auch… alles ist nur meine Schuld…“, wimmerte Naruto und er spürte noch immer den Blick seiner Tochter auf ihm lasten. Er drehte sich nicht zu ihr um. Er konnte nicht. „Shizuka… es ist alles meine Schuld, hörst du! Ich war zu langsam. Ich habe ihr versprochen, dass ich mich beeile, aber ich konnte mein Wort nicht halten. Und dann war ich wieder da… und sie war weg und Hikaru ist bei mir gestorben und ich konnte ihm nicht helfen und keiner war da und dann habe ich dich gehört und gerettet und dann hat uns Tsunade aus dem Haus geholt und… und… dann war Hinata noch immer weg! Weil sie verschleppt wurde und weil Kabuto sie umgebracht hat und weil ich sie nicht mehr gesehen habe… und es war alles meine Schuld, alle mussten so viel leiden, weil ich zu langsam war, verstehst du! Dabei… weißt du, Hinata hatte noch eine Überraschung, irgendwas, ich weiß es nicht… aber dann kann sie doch nicht tot sein, oder? Das stimmt alles gar nicht. Sie hat immer versucht, mir eine Freude zu machen, also wird sie nicht gestorben sein. Das glaube ich nicht, sie ist da und sie wird wiederkommen. Sie ist bestimmt wütend auf mich, weil ich sie nicht gefunden habe, damals. Ich war sogar im Wellenreich, genau da, wo Kabuto jetzt wieder ist, das hat Tsunade gesagt. Und ich war dort und ich habe sie nicht gefunden und jetzt ist sie bestimmt sauer, obwohl Hinata nie böse war… sie war immer lieb und… jetzt ist sie weg… hast du eine Ahnung, wie sehr ich sie liebe?“ Das alles prasselte auf Shizuka ein, schneller als der Regen, der immer dichter geworden war und sie bis auf die Haut durchnässt hatte. Die vielen Informationen fügten sich wie fehlende Puzzelteile rasend schnell in ihrem Gehirn zusammen, während ihr Vater sich nur noch wiederholte, ihr den Rücken zukehrend, den Blick auf den Grabstein gerichtet. Mittlerweile waren auch die Kerzen in den Laternen erloschen. Dem Wind und den Regentropfen hatten sie nicht länger standhalten können und so war ein weiteres Licht auf dem Friedhof verblasst. Es war trostlos. Diese Stille, die nun wieder über ihnen lag, nur unterbrochen von Narutos teilweise unverständlichem Gemurmel. Der Regen, der auf die Erde trommelte, der sie in Matsch verwandelte und der die Gedenksteine noch dunkler werden ließ, als sie sowieso schon immer gewesen waren. Die letzten Kerzen flackerten müde in den immer öfter aufkommenden Windböen, doch sonst war alles ruhig. Es war, als wäre die Zeit stehen geblieben. Shizuka stand nur ein paar Meter von ihrem Vater entfernt. Sie hätte mit wenigen Schritten bei ihm sein können. Sie hätte ihn umarmen und ihm sagen können, dass alles wieder gut werden würde. Dass sie immer noch bei ihm war, dass er keine Schuld trug und dass er sich beruhigen sollte. Wie nach seinen Albträumen. Sie hätte ihn mit sich nach Hause genommen… nein, eigentlich zu den Uchihas. Sie hätte ihm ein Bad eingelassen und sie hätte dafür gesorgt, dass er sich hier nicht den Tod holte. Und sie wäre wie immer in den nächsten Tagen für ihn da gewesen, auch wenn er kein Wort sagen würde, weil er still vor sich hin litt. Sie würde für ihn da sein, weil sie denken würde, ihm helfen zu können. Doch ihre Beine bewegten sich keinen Millimeter. Es wäre sinnlos, all diese Dinge zu tun. Nächstes Jahr um diese Zeit wäre es doch wieder dasselbe. Sie war hier. Immer. Aber es war zwecklos. Egal, was sie versuchen würde, er war alleine mit sich selbst, denn er würde nicht zulassen, dass andere ihm nahe kamen. Vielleicht konnte er es auch nicht mehr. Die Dinge, die sie von ihrer Tante und den anderen gehört hatte… wie Naruto damals gewesen war… es erschien so unwirklich. Es konnte nichts mehr von ihm übrig geblieben sein. Kein Lachen, noch nie, keine versteckten Gesten, keine aufmunternden Worte. Das war schon immer ihre, Shizukas, Aufgabe gewesen. Und plötzlich hatte sie die Befürchtung, dass er das noch nie wahrgenommen hatte. Egal, was die anderen behaupteten. Der Mann vor ihr war weder Naruto Uzumaki, noch ihr Vater. Er war verrückt. Wie er da vor dem Grabstein kniete und vor sich hin murmelte. Als er sie mit ihrer Mutter verwechselt hatte. Als er in einem Atemzug von ihrem Tod und ihrer Rückkehr gesprochen hatte. Und sie konnte ihm nicht helfen. Niemand konnte das. Außer… eine Person, aber die war nicht da. Sie war es schon so lange nicht mehr. Mal sah er es, mal nicht. „Du widersprichst dir selbst, merkst du das nicht?“, fragte Shizuka leise und war überrascht, wie gefasst ihre Stimme klang. Die Erkenntnis gerade eben war erschreckend, aber gleichzeitig ziemlich beruhigend gewesen. Naruto verstummte ganz plötzlich und drehte sich zu seiner Tochter um. Mit großen, fragenden Augen sah er sie an, als hätte das Gespräch eben nie stattgefunden. Aber Shizuka wusste es besser. „Hör dir doch zu. In einem Moment sagst du mir, dass Hinata tot ist, und im anderen behauptest du, dass sie zurückkommt. Du weißt es selbst nicht, du kannst nicht mehr zwischen Traum und Realität unterscheiden. Du verwechselst mich mit ihr…“, Shizuka musste ein Schaudern unterdrücken, „… und du bemerkst es nicht einmal. Du siehst mich nicht und du kennst mich nicht. Ich war bei Hiashi.“ Die Tatsache, dass Naruto erschrocken aufkeuchte, ignorierte sie. „Ich habe es überlebt, siehst du? Aber das ist dir doch egal, nicht wahr? Es ist dir egal, ob ich lebe oder sterbe, denn das einzige, das dich interessiert, das ist Hinata. Es geht immer nur um meine Mutter. Willst du denn nicht mal beginnen, dich den Tatsachen zu stellen? Sie ist nicht da! Sie ist fort und sie wird auch nicht zurückkommen, egal wie lange du hier im Regen darum bittest.“ Sie schloss ihre Ausführung mit einem unhörbaren Seufzen und wischte sich mit dem Handrücken kurz über ihre Augen. Nass. Ob es Tränen oder der Regen war, das konnte sie nicht sagen. Naruto schüttelte hastig den Kopf. „Nein, Hinata ist nicht tot. Ich war zwar zu langsam, aber sie ist nicht gestorben! Alle sagen das, alle… immer wieder haben sie es gesagt! Dass Hinata im Himmel ist… aber sie würde mich nicht alleine lassen. Niemals.“, behauptete er stur und fixierte seine Augen wieder auf die Grabinschrift. Es konnte gar nicht anders sein. Shizuka ballte ihre Hände zu Fäusten und biss sich auf die Unterlippe. „Hast du nach ihr gesucht?“ „Überall. Auch im Wellenreich. Und sie war im Wellenreich, bestimmt. Und Kabuto war auch dort und hat sie umgebracht.“, sagte Naruto überzeugt. Shizuka lachte hohl auf. „Schon wieder. Du widersprichst dir. Lebt sie oder ist sie tot? Entscheide dich!! Sag es mir!“ Die Frage schwebte in der Luft und Naruto japste erschrocken nach Luft. Entsetzt sprang er auf die Beine und taumelte. Die eisige Kälte des Regens hatte seinen Körper taub werden lassen. Er zitterte. Lebt sie oder ist sie tot? Eine Antwort… er brauchte eine Antwort! „Ich… ich weiß es nicht… sie muss noch leben. Sie muss einfach leben…“ Schon wieder tat er es. Blanke Wut packte Shizuka und am liebsten hätte sie auf ihren Vater eingeschlagen, hätte ihm all ihre Gefühle mit roher Gewalt eingetrichtert und ihn dazu gezwungen, die Augen aufzumachen. Verächtlich starrte sie ihn nieder und er konnte ihrem Blick nicht lange standhalten. „Aha. Sie lebt. Der Grabstein hinter dir zeigt also nicht die Wahrheit. Gut, damit kann ich leben. Aber verdammt, wenn du sie so sehr liebst, wie du behauptest… WARUM STEHST DU DANN HIER? WIESO BIST DU NICHT AUF DER SUCHE? DU FLEHST SIE AN, SIE MÖGE DIR VERZEIHEN, ABER DU HAST ALLE DEINE VERSPRECHEN GEBROCHEN… WIESO ZUR HÖLLE SUCHST DU SIE NICHT??“, schleuderte Shizuka ihrem Vater entgegen. Ja, wieso suchte er sie nicht? Wenn er sie so sehr liebte und wenn er so sehr litt, wenn es ihn all die Jahre nicht losließ… wieso suchte er sie nicht einfach solange, bis er sie gefunden hatte? Dann war es eben aussichtslos, aber es würde ihm helfen, zu begreifen und zu verarbeiten, da war sich Shizuka sicher. Naruto fasste sich an den Kopf. Hinata suchen? „I-Ich habe sie gesucht. Monatelang. A-Aber ich konnte dich nicht alleine lassen… nicht ewig alleine lassen…“, versuchte er sich zu rechtfertigen, doch es klang ziemlich kläglich. Er hatte sie ja suchen wollen. Mit jeder Faser seines Körpers. Shizuka konnte es nicht fassen und stand zum wiederholten Male wie erstarrt vor ihm. Wegen ihr? Es war ihre Schuld, dass Naruto nicht weiter nach ihrer Mutter gesucht hatte? Vielleicht hätte er sie gefunden… Kami-sama, es war vielleicht ihre Schuld, dass Hinata nicht hier war! Nur wegen ihr hatte ihr Vater die Suche aufgegeben? Das konnte doch alles nicht wahr sein! Das hieße ja… wenn sie nicht existieren würde… wenn sie damals in dieser Nacht zusammen mit ihrem Bruder gestorben wäre… dann hätte Naruto weiter nach Hinata gesucht? Er hätte nichts zu verlieren gehabt. Aber jetzt machte er sie dafür verantwortlich, nicht nach seiner Frau gesucht zu haben. Allen Ernstes…? Das konnte nicht wahr sein! Es war nicht ihre Schuld, es war seine! Er konnte nicht hier im Regen stehen und sich auf seine Tochter herausreden! Es gab einen anderen Grund dafür, dass er nicht weitergesucht hatte. Es musste einfach! Panisch schleuderte sie ihm eine Antwort entgegen, die sie nicht wirklich durchdacht hatte. Aber das war egal. Es war nicht ihre Schuld, er konnte sie nicht zur Verantwortung ziehen! Sie wollte ihm wehtun, so weh, wie er ihr gerade getan hatte. Die Möglichkeit, dass es keine Absicht gewesen war, zog Shizuka nicht mehr in Betracht. „Lügner! Das ist nur eine Ausrede! Du hast nicht wegen mir die Suche gestoppt! Gib es doch zu, du hast einfach aufgegeben! Aufgegeben! Und du erzählst Lügen und du willst keine Verantwortung dafür übernehmen, dass es deine Schuld war! Du bist schließlich zu spät gekommen und hast uns nicht beschützt! Und jetzt willst du mich dafür verantwortlich machen, dass du versagt hast! Aber das ist nicht wahr! Du hättest sie weitersuchen können, all die Jahre hindurch. Dann wäre ich eben alleine gewesen, na und? Vielleicht wäre mir eine erst spät wieder gefundene Mutter lieber gewesen, als ein Vater, der völlig durchgeknallt ist! Du hast kein Recht, mir die Schuld zu geben, hörst du? Du hast Hinata aufgegeben und du willst das einfach nicht zugeben!“, rief sie verzweifelt und wischte sich krampfhaft ihre Tränen aus den Augen. Sie weinte doch nicht. Nicht vor ihm. Nicht wegen ihm. Wieso hatte er das gesagt? Er konnte es nicht ernst meinen… Er war doch ihr Vater, er liebte sie. Auf seine eigene Art und Weise, aber nichtsdestotrotz liebte er sie. Shizuka wollte nicht glauben, dass es all die Jahre nur eine Lüge gewesen sein sollte. Hatte er gar nicht bei ihr sein wollen? War er es nur aus Pflichtbewusstsein ihr gegenüber gewesen? Wenn sie nicht überlebt hätte… dann wäre er ohne jegliche Vorbehalte aus Konoha verschwunden, dessen war sie sich plötzlich hundertprozentig sicher. Langsam klang der starke Regen ab und die Tropfen fielen trostlos, aber regelmäßig, vom Himmel. Sie donnerten nicht mehr auf die Erde hinab, sondern benetzten sie stillschweigend. Es schien, als würde es nie wieder aufhören. Der Wind hatte sich nun ebenfalls gelegt und die Laternen verharrten ruhig in der Luft. Naruto war wie vor den Kopf gestoßen. Er suchte Halt an dem Grabstein, doch als er ihn berührte, zuckte er erschrocken zurück, ganz so, als hätte er sich verbrannt. Seine einst so blitzblauen Augen irrten trübe über das Gelände und versuchten Shizukas Blick standzuhalten, doch es war unmöglich. Aufgegeben. Hatte er Hinata aufgegeben? „Ich hab sie niemals aufgegeben, Shizuka. Niemals.“, sagte er dann leise und zum ersten Mal an diesem frühen Abend klang es nicht so, als wäre Naruto völlig verrückt. Er hörte sich für Shizuka an wie ihr Vater. Einfach nur ihr Vater. Die Tatsache trieb ihr neuerlich Tränen in die Augen und sie hasste sich dafür. Sie wollte nicht weinen. Das brachte sie hier nicht weiter. „Aber… aber wenn du das nie getan hast… wieso stehst du dann hier und weinst um sie? Wieso tust du das jedes Jahr? Und wieso hast du mir nie von ihr erzählt?“, flüsterte das Mädchen matt und erst jetzt bemerkte sie, wie sehr sie der Regen durchnässt hatte. Eisig und feucht klebte ihr Gewand an ihrer kalten Haut. „Weil sie einfach… nicht da ist. Ich liebe sie viel zu sehr, um sie jemals aufgeben zu können. Sie ist tot. Aber sie war der wichtigste Mensch in meinem Leben, wichtiger als alles andere. Ich werde sie nie aufgeben.“, erwiderte Naruto melancholisch und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Hinata war alles. Und deshalb stand er jährlich an diesem Fleck, nur um sich daran zu erinnern. Hinata war alles und würde es immer sein. Shizuka schluchzte kurz auf und hilflos sah Naruto sie an. Er hasste es, wenn sie weinte. Er hatte ihr das alles ersparen wollen, immer. „Deshalb… hättest du nicht herkommen dürfen. Nie.“, murmelte er resigniert. „Hast du überhaupt eine Ahnung, wie sehr du mir wehtust?“ Naruto hob erschrocken den Blick, als die Worte über Shizukas Lippen kamen. „D-Du… du hast gerade gesagt, dass Hinata der wichtigste Mensch in deinem Leben ist. Aber gleichzeitig weißt du, dass sie nicht da ist. Hast du mich vergessen? Papa… was ist mit mir? Bin ich wertlos für dich?“, hauchte das Mädchen flehentlich. Naruto konnte nicht antworten. Wertlos? Nein, sie war nicht wertlos für ihn. Wenn sie lachte und sich um ihn kümmerte, dann konnte sie dieses warme Gefühl in seinem Inneren erwecken, das ihn an Hinata erinnerte. Das konnte nur Shizuka. Nur sie konnte sein Herz berühren. Wie sollte er das denn erklären, so, dass sie verstand? Naruto zögerte zu lange mit seiner Antwort. Er sah genau, wie fest Shizuka sich auf ihre Unterlippe biss, und dass sie abrupt ihren Blick von ihm abwandte. Gerne wäre er zu ihr gegangen und hätte sie umarmt, nur um die Kälte und die Angst in seinem Inneren zu verbannen. Doch er war wie festgefroren und das eisige Wasser lähmte seine Gelenke. Shizuka sah ein, dass er nicht antworten würde. Er würde ihre Anschuldigungen nicht widerlegen und es tat so furchtbar weh. Sie war wertlos für ihn. Er brauchte sie nicht. Er brauchte nur Hinata. Sie, Shizuka, konnte ihm niemals helfen, egal wie sehr sie sich auch bemühen würde. All ihre Anstrengungen prallten ab, einfach so. Dabei hätte sie so gerne Naruto Uzumaki zurück. Den, von dem die Hyuugas gesprochen hatten. Sie wollte ihn nur einmal kennen lernen, nur einmal. Aber sie konnte es nicht, sie konnte ihn nicht aus seinem Loch reißen. Nur eine Person war dazu fähig, nur eine einzige. Und das war nicht Shizuka. Sie hasste diesen Mann aus tiefster Seele. Das war weder Naruto… noch ihr Vater. Das war ein Niemand. Ein hoffnungsloses, kaputtes Wesen, das ihr nur wehtat, alleine mit seinen Worten, über die er wahrscheinlich überhaupt nicht nachdachte. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und wandte den Blick ab. „Ich verstehe… ich bedeute dir nichts. Weißt du eigentlich, was das für mich heißt? Du hast gelogen. All die Jahre, in denen du vorgegeben hast, mich zu lieben… sie waren alle gelogen. Keinen Moment ging es um mich. Ich war nie wichtig. Niemand war wichtig. Es ging immer nur um dich und meine Mutter. Du bist ein Lügner und du hast aufgegeben, nach Hinata zu suchen! Du bist nicht mehr mein Vater und du bist auch nicht Naruto Uzumaki! Ich hasse dich! Ich hasse dich aus tiefstem Herzen und ich wünschte, du wärst Hinata suchen gegangen! Dann wärst du nicht hier und ich müsste nicht andauernd darüber nachdenken, wieso du nie lachst und wie ich dir helfen könnte, und wieso… wieso du… wieso du mich nicht liebst. Ich hasse dich!!“ Zitternd vor Wut taumelte Shizuka zurück und versank ein paar Millimeter in der aufgeweichten Erde. Enttäuschung und Verzweiflung überschwappten sie. Sie wollte das alles nicht. Wie hatte es nur so weit kommen können? Naruto trat unsicher einen Schritt nach vorne, doch seine Tochter wich automatisch zurück. Sie hasste ihn tatsächlich? „Bleib, wo du bist! Komm mir ja nicht zunahe!“ Sofort gehorchte er und es kam ihm so vor, als würde sie langsam vor seinen Augen verschwinden. Wie hatte es nur so weit kommen können? Das war falsch… es durfte nicht sein! Sie war die einzige, die er noch hatte. Gehabt hatte. Shizuka wollte nicht mehr. Sie wollte nicht mehr vor ihm stehen und sie wollte nicht über ihn nachdenken. Nicht über diese Person. Entschlossen richtete sie sich auf und funkelte Naruto wild an. „Ich will dich nie wieder sehen! Ich hasse dich! Ich hasse dich mehr als alles andere! Bleib doch und heul um Hinata, versink doch in deinem Selbstmitleid! Aber so wirst du sie nicht finden, falls sie tatsächlich noch leben sollte! Du widerst mich an! Du bist ein Lügner, ein elender Lügner und du hast aufgegeben! ICH HASSE DICH!!!“, schrie sie laut und noch ehe Naruto es verhindern konnte, hatte sie sich umgedreht und war davon gestürmt. Minuten, nach denen sie verschwunden war, sank Naruto langsam zurück auf die Knie. Er würde ihr nicht folgen. Sie hasste ihn und er konnte es nachvollziehen. Seine Augen fixierten wieder Hinatas und Hikarus Namen. „Tut mir leid, dass ihr das hören musstet. Aber sie hat Recht. Ich habe versagt und konnte euch nicht beschützen. Vielleicht habe ich wirklich aufgegeben. Dabei habe ich euch so geliebt… ich liebe euch so sehr…“ Und dann brach Naruto in Tränen aus. Shizuka rannte. Der Regen nahm ihr die Sicht, doch sie bewegte sich sicher durch die Straßen Konohas. Sie war aufgewühlt und ihre Gedanken rasten. Die Worte, die sie ihrem Vater an den Kopf geworfen hatte, schienen erst jetzt richtig an Bedeutung zu gewinnen. Ich hasse dich. Gott, was hatte sie getan? Aber nun war es zu spät, um die Dinge rückgängig zu machen. Ihr Vater litt und er würde immer weiter leiden, wenn sie nicht endlich damit begann, aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Shizuka schlitterte mehr durch die Gassen, als dass sie lief, doch noch immer war sie exakt auf ihrem Weg. Die Tatsache, dass sich so gut wie keine Passanten auf den Straßen befanden, erleichterte ihren wilden Lauf. Oh ja, sie musste endlich etwas ändern. So konnte es nicht weitergehen. Sie bremste abrupt vor dem Uchiha-Anwesen ab, riss die Eingangstür auf und stürmte klatschnass ins Innere des Hauses, ohne darauf Rücksicht zu nehmen, dass sie den edlen Holzboden beschmutzte. Sie würde etwas ändern. Noch heute. Entschlossen bog sie in den nächsten Gang ein und prallte prompt mit Masaru zusammen, der sie beide gerade noch vor einem Sturz bewahren konnte. Schnell riss Shizuka sich von dem Uchiha-Jungen los und hetzte weiter. „Shizuka, was zur Hölle-…“, rief Masaru ihr nach, doch da war das Mädchen schon um die nächste Ecke verschwunden. Fluchend machte sich der Junge an die Verfolgung. Hastig zerrte Shizuka ihren Rucksack unter dem Bett hervor, warf ihn auf den Boden und begann allerlei Dinge, die ihr unter die Finger kamen, hineinzudonnern, als Masaru reichlich verwirrt ihr Zimmer betrat. Einige Sekunden beobachtete er sie schweigend, während sie hin und her lief, um verschiedenste Gegenstände einzusammeln, ehe er sich ihr langsam näherte. „Shizu… was machst du da?“, fragte er ernst und ging neben ihr in die Knie. „Wonach sieht es denn aus?“, keifte sie zurück, schnappte einen dicken Winterpullover und packte ihn unsanft in den Rucksack. Masaru schwieg. „Hab ich es dir nicht gesagt, Masaru-kun?“ Shizuka fuhr zu Tode erschrocken herum, doch der Uchiha-Junge blieb gelassen. „Ja, das hast du.“ Im nächsten Augenblick ertönte ein erfreutes Kläffen und Okami kuschelte sich in die Arme ihrer Besitzerin, die perplex ihren Teamkameraden in der Tür anstarrte. „Sumiaki-kun… wieso…?“, fragte sie verdattert. Irgendwie ergab heute gar nichts mehr einen Sinn. Langsam kam der Nara näher und erst jetzt bemerkte Shizuka die zwei Rucksäcke die er bei sich hatte, einen lässig um die Schulter geschwungen, den anderen in der rechten Hand. „Warum ich hier bin? Ich habe den heutigen Tag noch einmal Revue passieren lassen und mein logischer Menschenverstand hat mir verraten, wie es weitergehen würde. Ich schätze mal, das Gespräch mit deinem Vater ist nicht sehr erfreulich verlaufen?“, erkundigte sich Sumiaki beiläufig, während er sich vor seinen Kollegen in den Schneidersitz fallen ließ. Sofort tapselte Okami auf ihn zu. Shizuka konnte die Blicke der Jungen auf sich ruhen spüren, als sie augenblicklich weitermachte den Rucksack zu packen. Sie sprang auf, lief zu ihrer Kommode, zerrte die Schubladen auf und hob ihre sorgfältig gepflegten Kunais heraus. Vorsichtig verstaute Shizuka die Waffen in einem Vorderfach des Rucksackes. Das Mädchen biss sich fest auf die Unterlippe, ehe es den beiden mit dünner Stimme erzählte, was sich ereignet hatte. Masaru und Sumiaki warfen sich einen kurzen Blick zu, nachdem Shizuka verstummt war. Vorsichtig berührte der Uchiha-Junge ihre Schulter und sie zuckte zusammen. „Was hast du vor?“, fragte er eindringlich, doch sie schüttelte bloß unwirsch den Kopf. „Frag doch Sumiaki. Der weiß sowieso immer alles. Und gib mir die Schriftrollen, die auf dem Nachttisch liegen.“, befahl sie hart und Masaru tat, wie ihm geheißen. Schon waren die Schriftstücke in dem mittlerweile ziemlich angefüllten Rucksack verschwunden. Sumiaki seufzte tief. „Das kannst du nicht wirklich vorhaben, Shizuka.“, sagte er dann leise und abrupt fuhr sie zu ihm herum. „Ach nein?“, zischte sie wütend, doch der Nara war nur milde beeindruckt. Okami winselte kurz auf. „Die Chancen sind gleich Null, dass sie irgendwo da draußen ist, und das weißt du auch. Das ganze Dorf hat nach ihr gesucht. Und du denkst, ausgerechnet du kannst sie finden?“, fuhr Masaru verärgert auf. Natürlich hatte er von Anfang an gewusst, worum es ging. Vor allem, als vor einer knappen Viertelstunde Sumiaki vor der Haustür gestanden hatte. Keiner der beiden Jungen hatte mit Shizukas jetziger Reaktion gerechnet. Urplötzlich begann sie zu schluchzen, unterbrach dabei aber nicht ihre Arbeit. „Ich muss es versuchen! Es… es ist die einzige Chance… die einzige! Ihr wisst doch jetzt, was mein Vater gesagt hat. Er kann nicht ohne sie leben… und ich will nicht ohne meinem Vater leben! Aber ich kann auch nicht hier bleiben… nicht nach dem Gespräch… nicht nachdem, was er zu mir gesagt hat… es gibt keine andere Wahl! Und noch mal: keine Leiche, keine Beweise!“, kam es mit brüchiger Stimme über ihre Lippen und sie surrte den Rucksack fest zusammen. Bereit. Tief durchatmend wischte sie sich mit dem Handrücken die Tränen aus ihren Augen und von ihren Wangen, und richtete sich geschmeidig samt dem Rucksack auf. Masaru und Sumiaki hockten noch immer am Boden und sahen schweigend zu ihr auf. Schmerzlich wurde ihr bewusst, was sie alles zurücklassen musste. „Ich… ihr… passt auf Okami auf…“, murmelte sie, erneut den Tränen nahe, und ging mit zuerst unsicheren doch dann immer entschlosseneren Schritten auf die Zimmertür zu. Gerade, als sie sie aufschieben wollte, hörte sie hinter sich leises Gelächter und fuhr herum. Die beiden Jungs hatten sich erhoben und in dem Moment drückte Sumiaki Masaru einen der Rucksäcke in die Hand. Okami drippelte schwanzwedelnd um sie herum. „Du denkst doch nicht, dass wir dich alleine losziehen lassen, oder etwa doch?“, fragte Masaru teils verärgert, teils belustigt. Shizuka war sprachlos und aus ihren Kleidern tropfte noch immer der Regen. Sie musste eine richtige Wasserspur quer im ganzen Haus hinterlassen haben. „A-Aber ihr… ihr könnte doch nicht einfach mitkommen!“, wandte sie irritiert ein. „Ach? Wer sollte uns denn daran hindern?“, fragte Sumiaki leicht grinsend. „Naja… aber ihr… ihr habt doch eure Familien hier.“ Masaru sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Du etwa nicht?“ „Was ist mit Sakura und Sasuke? Und Hideki?“ „Das könnte ich dich auch fragen!“ Verzweifelt wandte sich Shizuka an Sumiaki, da sie eingesehen hatte, dass sie bei Masaru so schnell nichts erreichen würde. „Aber Shikamaru und Ino… Sumiaki, deine Mutter wird einen Herzinfarkt bekommen!“, beharrte sie, doch der Junge winkte bloß ab. „Du hast was nicht mitgekriegt, Shizuka. Während du mit deinem Vater gesprochen hast, ist es im Dorf hoch hergegangen. Nicht weit vor den Toren sind Shinobi aufgefunden worden. Sie wurden angegriffen und Tsunade-sama will jetzt natürlich unter allen Umständen wissen, von wem. Und sie hat meine Eltern mit ein paar anderen Ninja vor einer halben Stunde auf eine Aufklärungsmission losgeschickt. Du weißt ja, die dauern bekanntlich länger.“ Masaru nickte bekräftigend. „Mutter wurde ins Krankenhaus bestellt und Vater koordiniert zusammen mit Kakashi-san die Abläufe. Also sind die Shinobi gerade ziemlich abgelenkt. Und Hideki hat auch kurz vorbeigeschaut, er übernachtet heute bei irgendeinem Freund aus der Akademie. Niemand wird uns sehen, geschweige denn aufhalten.“ Shizuka starrte die beiden an. Sie hatten erschreckend entwaffnende Argumente. Sie seufzte traurig und ließ die Schultern hängen. „Ich… Ich kann und will euch da aber nicht mit reinziehen.“, flüsterte sie niedergeschlagen. Einen Moment herrschte absolute Stille in dem Raum. Dann erhob Masaru seine Stimme. „Ich habe es dir schon mal gesagt. Wir sind ein Team. Und wir werden immer eines sein, egal, welchen Mist irgendwer von uns baut.“ „Mitgehangen, mitgefangen. Meiner bescheidenen Ansicht nach. Und meiner und Masarus Rucksack sind auch schon gepackt. Mir war ohnehin klar, dass nichts und niemand die Macht hat, dich umzustimmen. Und da hab ich die Dinger schon vor einer Stunde gerüstet, was alleine anstrengend genug war.“, warf Sumiaki gelassen ein, „Du kannst nichts sagen, das uns umstimmen wird. Ach ja, am besten ziehst du dich noch schnell um, du bist klatschnass. Wir haben schon alles vorbereitet. Deine Klamotten liegen in der Küche, genauso wie eine Benachrichtigung an Sakura-san und Sasuke-san, die die beiden aber hoffentlich erst morgen lesen werden. Hopp auf, wir haben nicht viel Zeit.“ Okami bellte bekräftigend und sprang aufgeregt hin und her. Der Geruch von Abenteuer lag in der Luft! Ihre Herrin stand noch einen Augenblick unentschlossen in der Tür, ehe sie sich dazu entschloss, resigniert zu lächeln. „Ihr seid die Besten, wisst ihr das?“, fragte sie gerührt. „Ich bin ein Uchiha, was hast du denn erwartet?“, gab Masaru entrüstet zurück und Sumiaki zuckte bloß mit den Schultern. „Wir sind nicht die Besten, wir sind Freunde. Und jetzt beeil dich.“ Wenige Minuten später hatte Team Sechs das Uchiha-Anwesen verlassen und sich vorsichtig, um nicht doch entdeckt zu werden, zum Haupttor geschlichen. Alle drei trugen dunkle Umhänge, um so wenigstens etwas Schutz vor dem Regen zu haben. Shizuka hatte Okami kurz entschlossen in ihr T-Shirt geschoben, sodass nur der flauschige Kopf der Hündin zu sehen war. „Alles klar, die Luft ist rein.“, behauptete Masaru angespannt, sah sich aber weiterhin aufmerksam um. Sie glichen drei dunklen Schatten, als sie blitzschnell durch die Tore huschten. Noch einmal blieben sie stehen und warfen einen kurzen Blick zurück auf das Dorf. Sumiaki seufzte tief. „Und wehe, wenn du mir nach unserer Rückkehr keine Ramen oder so spendierst.“ Shizuka lächelte leicht. „Klar…“ Es fiel ihr wirklich nicht leicht, das Dorf, ihre Heimat, Sakura und Sasuke, Hideki, Kiba-sensei und natürlich ihren Vater zurückzulassen. Alles zu verlassen. Aber es ging nun mal nicht anders, wenn sie Naruto helfen wollte. Und das wollte sie. Mit allen Mitteln, die ihr zur Verfügung standen. Auch wenn er sie nicht liebte und sie für ihn nicht wirklich von Bedeutung war… umgekehrt war es sehr wohl der Fall. Masaru nickte knapp. „Dann los. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ach ja… wohin geht’s überhaupt?“ „Wellenreich.“, antworteten Shizuka und Sumiaki synchron. Verblüfft sah die junge Uzumaki den Nara an. Er grinste bloß. „Ich habe gute Ohren, Shizuka. So leise kann Tsunade gar nicht reden.“ Masaru schüttelte leicht den Kopf. „Weiter weg geht’s ja gar nicht mehr. Na dann los, würde ich mal sagen.“ Die drei nickten sich noch einmal entschlossen zu und verschwanden anschließend gleichzeitig in der Dunkelheit. Energiegeladen stieß der Junge die hölzerne Eingangstür des kleinen Hauses auf und trat rasch ein. „Aiji! Tsu! Ich bin wieder zurück!“, rief er laut und ließ die Tür schnell aber sorgsam ins Schloss fallen. Keine Antwort. Misstrauisch rannte der Junge durch die unteren Zimmer, ehe er sicher war, dass sich niemand im Haus aufhielt. Um diese Zeit schliefen die Alten nicht mehr. Entschlossen steuerte der Junge auf die Hintertür zu, öffnete sie ungeduldig und schlüpfte hinaus ins Freie. Vor ihm erstreckte sich eine winzige Lichtung, umsäumt von dunklen Tannen, deren saftig grünes Gras ihm weit bis über die Knöchel reichte und sich sanft im leichten Wind wiegte. Sein Blick glitt über die Wiese und verharrte einen Moment an den zwei Personen, die nahezu reglos im Gras saßen. Der Junge lächelte leicht und ging langsam auf sie zu. War ja klar gewesen, dass sie sich draußen aufhielten. „Hey… ich bin wieder da.“, bemerkte er gut gelaunt und ließ neben den beiden auf die Lichtung fallen. Genüsslich streckte er sich und schloss entspannt die Augen. Aiji und Tsu lächelten sich an und Falten traten in ihre Gesichter. Die beiden waren ziemlich alt. Ihre Haare waren schon vor langer Zeit ergraut und ihre Hände und Füße waren an vielen Stellen von einer robusten Hornhaut überzogen worden. Trotzdem wirkten sie kräftig und gesund, ganz so, als hätte das Rad der Zeit keine weiteren Schäden angerichtet. „Wir haben dich vermisst.“, meinte Tsu lächelnd und strich sanft durch die Haare des Jungen. Er grinste gequält, wehrte sich aber nicht. Aiji schien über seine Frau belustigt, doch seine Augen blickten den Jungen ernst an. Gedankenverloren strich sich der Alte durch den langen weißen Bart. „Warst du vorsichtig?“ Der Junge nickte missmutig. „Wie immer. Ich verstehe nicht, wieso ihr euch andauernd Sorgen macht. Es gibt nichts, wovor ihr Angst haben müsstet.“, grummelte er, doch Tsu schüttelte bestimmend den Kopf. „Doch, nämlich vor der Tatsache, dass du anscheinend keinerlei Angst verspürst. Niemals.“ Der Junge rollte sich zur Seite, sodass er den beiden Alten den Rücken zudrehte. „Es gibt nichts, wovor ich mich fürchte. Gar nichts.“, behauptete er entschieden, vielleicht auch ein wenig stur, und atmete konzentriert ein. Es roch so intensiv nach Gras… Aiji und Tsu seufzten gleichzeitig tief auf. Tsus Blick glitt liebevoll, wenngleich auch durchaus besorgt, über den Jungen. „Ach Rihito…“ ******************************************************************* Ja, das war es auch schon wieder von mir. ^^ Wie gesagt, sau viel, danke, dass ihr euch da durchquält, wirklich. Ich hoffe, es hat euch gefallen und ich bin diesmal noch gespannter auf eure Meinung, als sonst. Denn an dem Kapitel bin ich wirklich SEHR lange gesessen und es war schwer zu schreiben... Ich bin schon total nervös, was ihr wohl davon haltet!!! *nick nick* *zappel* Also, auf die Kommis bin ich gespannt und zu dem Kapitel gibt es eigentlich nicht viel zu sagen, denk ich mal. XD Vielen, vielen Dank an mein fleißiges Beelein!! Sie hat das mal wieder in Rekordzeit für mich gebetat und ich wollte sowieso noch mal Danke sagen... Du weißt ja, warum. ^^ *knuddel* Hab dich lieb~ Danke für eure Aufmerksamkeit! Eure Fantasia Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)