deformis von Nayla (by Black Symphony) ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Die Menschheit strebt schon seit eher nach der Perfektion. Aber ich stelle mir immer wieder die Frage: Was ist das schon? Ich meine, gibt es etwas perfektes? Wenn dem wirklich so ist und ich mich also irren würde, frage ich mich, was oder wer ist es? Was hat es verdient, 'perfekt' genannt zu werden? Ich habe die Perfektion nur als reine Lüge erlebt. Darum sage ich, dass es nichts perfektes je geben wird. Es ist doch alles eine Lüge! Die Menschen belügen sich selber und streben nach etwas, das sie sowieso nie fassen können. Es ist doch so?! Menschen... ja, Menschen haben versucht, mich nach ihren Idealen zu formen. Ja, mich sogar perfekt zu machen. Und wisst ihr was? Sie sind gescheitert. Sie sind an der Perfektion gescheitert. Und sie sind an mir gescheitert. Ich bin nicht perfekt. Ich werde es auch nie sein. Denn ich kann nicht perfekt sein, ich kann dies nie werden können. Würde es eine perfekte Welt geben... ...ich würde nicht einen Teil davon sein. In einer perfekten Welt würde ich niemals existieren. Aber ich frage mich: Würde irgendjemand in eine perfekte Welt hineinpassen, würde es jemanden geben, der in dieser Welt existieren würde? Kapitel 1: Der Anfang... ------------------------ Ich wollte meine Augen öffnen... Ich wollte atmen... Ich wollte leben... Doch als ich all dies machen wollte, als ich versuchte meine Augen zu öffnete, als ich versuchte zu atmen... Mich umhüllte eine rötliche, beinahe durchsichtige Flüssigkeit die zuerst in meinen Augen brannte und mir schlussendlich die Luft nahm. Ich spürte meinen Körper nicht. Wie wollte ich so wieder anfangen zu leben? Als langsam wieder Lebensgefühl durch meine Adern floss, bemerkte ich, dass ich an Schläuchen angeschlossen war, die irgendetwas in meinen Körper pumpten. Hielten mich diese Schläuche etwa am Leben? Ich begriff nicht sofort, was um mich herum geschah und wo ich war. Nur eines war mir im ersten Moment bewusst: Ich war nicht mehr dort, wo ich eigentlich sein sollte. Ich befand mich jetzt in einem riesigen... Wie soll ich sagen...? Wie in einem riesigen, mit einer eigenartigen Flüssigkeit gefülltem Reagenzglas. Ich bekam Panik. Aus Angst versuchte ich die Schläuche zu zerbeissen. Jedoch wollte es mir nicht gelingen. Ich wollte da raus. So schnell wie möglich. Sofort! Als mein kläglicher Versuch also zum Scheitern verurteilt war, fing ich neuen Mut und nahm meine messerscharfen Krallen zur Wehr. Ich versuchte das harte Glas zu zerkratzen, so, dass das riesige Reagenzglas zerspringen sollte. Doch das Glas war so massiv, dass schon nach wenigen Sekunden meine Krallen heftig zu schmerzen anfingen. Ausserdem fand ich keinen halt, um meine Klauen irgendwie hineinzuschlagen. Ich merkte, wie mein Puls zu rasen anfing und mein Herz pumpte so schnell, dass ich dachte, es würde jeden Augenblick zerspringen. Durch meine Unruhe wurden Zweibeiner, Menschen nennen sich diese Wesen, aufmerksam. Durch das Glas, trotz der rötlichen Flüssigkeit, sah ich ganz klar in den Raum. Zwei, in weissen Kitteln gekleidete Menschen schritten auf mich, beziehungsweise auf mein “Gefängnis” zu. Durch das dicke Glas konnte ich sie nicht verstehen. Sie unterhielten sich nur für einen kurzen Moment, dann nickte einer der Menschen und trat näher heran. Ich knurrte und schlug wie wild um mich. Verdammt! Ich will raus! Raus!, wollte ich schreien. Aber vergebens, denn die Flüssigkeit rann meine Kehle hinunter und ich dachte, ich würde ersticken. Der Mensch stand also direkt vor mir und guckte mich unbeeindruckt an. Verdammt!, dachte ich. Ich fixierte den Zweibeiner. Angestrengt guckte ich nach Draussen. Der Mensch stand noch ein paar Minuten wie angewurzelt da, sah mich mit starrem Blick an und mit einer ruckartigen Bewegung langte er in einer der riesigen Kitteltaschen. Ich kniff meine Augen zusammen, um genauer sehen zu können. Dann schien für einen Augenblick mein Herz stillzustehen. Der Mensch hatte eine Spritze in seiner Hand! Diese Dinger kannte ich noch von früher. Als ich noch bei meinem Rudel war. Als meine Welt noch in Ordnung war. Ich wurde nämlich in einem Wildpark geboren und da kamen in den ersten paar Monaten nach meiner Geburt oft solche Menschen, mit eben diesen weissen Kitteln und mit Spritzen. Sie verabreichten mir fast jeden Tag eine Dosis von irgendwelchen Mitteln. Das fast einen Monat lang. Zuerst wehrte ich mich mit aller Kraft dagegen. Aber ich war noch ein Welpe, meine Zähne waren noch nicht ganz so scharf und ich war schwach. Kläglich, was? Nach etwa zwei Wochen fügte ich mich meinem Schicksal. Meine Mutter meinte damals, dass die Menschen nur das Beste für mich, für meine Gesundheit wollten. Ich wäre krank zur Welt gekommen. So ihre Ansicht. Ich war anderen Meinung. Ich fühlte mich nicht krank... Na ja. Und dann, nach etwa einem halben Jahr wurde ich meinem Rudel entrissen. Ich kann mich aber im Moment an nichts mehr erinnern. Die Flüssigkeit scheint mein Gedächtnis gelöscht zu haben... So. Der Mensch hatte also seine scheussliche Spritze in der Hand und lief zu einem Schlauchwirrwarr gerade neben meinem Reagenzglas. Ich fixierte immer noch jede Bewegung des Menschen. Dann erblickte ich hinter den Schläuchen eine Art Generator. Von dort musste die Flüssigkeit also von den Schläuchen direkt in meinen Körper gelangen. Das menschliche Wesen injizierte die Flüssigkeit der Spritz in diesen Generator. In nur wenigen Sekunden merkte ich, wie sich der Inhalt in meinem Körper langsam verbreitete. Ich wurde müde. Nein! Nein! Lasst mich hier raus!, wollte ich schreien. Ich will... Raus... Jetzt! Und schon umhüllte mich die gnadenlose Dunkelheit. ... Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen habe, aber als ich wieder zu mir kam, waren meine Augen so schwer, dass ich sie nicht öffnen konnte. Jedoch nahm mein Gehör eilige Schritte wahr und ich hörte Stimmgemurmel. Moment...! Seit wann kann ich hören, was “draussen” passierte? Augen, öffnet euch! Kommt schon... Und als ich es irgendwie endlich geschafft hatte, dass sich meine Augen öffneten, erblickte ich wieder die beiden Personen in den weissen Kitteln und ich schien immer noch im Reagenzglas zu sitzen. Ich war auch immer noch an den Schläuchen angeschlossen. Die Situation schien die gleiche wie zuvor zu sein. Mit dem einzigen Unterschied, dass ich plötzlich hören konnte, was die Zweibeiner sprachen. Und nicht nur das, ich konnte sie sogar verstehen. Ich konnte plötzlich ihre Sprache verstehen! Völlig überfordert mit der Situation, versuchte ich mich wieder von den Schläuchen loszureissen. Aber wie schon zuvor, es klappte nicht. Der eine Mensch wurde auf mich aufmerksam. Er lief schnellen Schrittes zum Generator und sagte zum anderen Menschen: “Unser Freund ist wieder erwacht. Und er hat schnell gelernt. Er versteht jetzt unsere Sprache. Gut. Ja, sehr gut.” “Wie sehen seine Gehirnströme aus? “01” scheint mir ziemlich aufgeregt zu sein.” “Hmm”, gab der eine Mensch von sich, “die Beta-Frequenz ist ziemlich hoch. “01” scheint wirklich unter Stress und unter Angst zu stehen.” Warum nennen sie mich “01”? Und was hat das alles zu bedeuten? Die beiden Menschen wissen aber also, dass ich sie verstehen kann. Aber was macht das für einen Sinn?, schoss es mir durch den Kopf. Der Mensch am Generator gab dem anderen die Anweisung, dass dieser meine Gehirnströme am Computer bewachen sollte und sie gäbe mir jetzt noch ‘Sedativa’. Ich verstand dieses Wort nicht, aber plötzlich merkte ich, wie mein Herzschlag abrupt langsamer wurde. Auch meine Atmung beruhigte sich schnell. Ich habe wahrscheinlich irgendwelche Beruhigungsmittel eingeflösst bekommen... Es sind unzählige Tage vergangen. Ich habe sie aufgehört zu zählen. Denn der Tag war immer der Gleiche. Ich regte mich jeden Tag ab den abartigen Menschen auf und versichte, hier herauszukommen. Bis jetzt aber ohne Erfolg. Und immer wieder wurden mir verschiedene Stoffe verabreicht. Mein Körper hatte sich verändert. Ich merkte, wie ich immer kräftiger wurde und meine Muskulatur wurde deutlich stärker. Auch schienen meine Sinne besser geworden zu sein. Ich sah sogar durch die rötliche Flüssigkeit plötzlich klar in den Laborraum. Mein Gehör schien noch das gleiche zu sein, genauso wie mein Geruchssinn. Aber diese Sinnesorgane sind ja bei Wölfen sowieso schon extrem gut entwickelt. Wie dem auch sei. Ich habe in diesen Tagen (oder sind es sogar schon Monate?) jedoch noch nicht sehr viel erfahren, was ich hier soll. An einem Morgen kam wieder mal ein Mensch zu mir und schien mich für einige Zeit zu beobachten. Dabei schaute er ab und zu auf den Generator und schrieb sich irgendwelche Notizen auf seinen dicken Schreibblock. Ich hatte es eigentlich schon lange aufgegeben, mich gegen meine Situation zu sträuben, denn alle Fluchtversuche aus diesem riesigen Reagenzglas schlugen fehl. Doch irgendwie schöpfte ich heute neuen Mut, um zu fliehen. Denn es schien mir so, wie ich jeden Tag etwas stärker wurde. Ich beschloss, dass ich die Situation zuerst einmal beobachten werde. Wenn sich der Zweibeiner entfernte, würde ich zuschlagen. Oder dies zumindest versuchen. Als sich dann, nach einer schieren Unendlichkeit sich der Wissenschaftler entfernte, nahm ich all meine Kraft zusammen und schlug gegen das dicke Glas. Und tatsächlich: Es bildeten sich Risse. Zwar waren diese sehr klein und noch kaum zu sehen, aber es war ein Anfang. Ich schlug meine Krallen, die inzwischen sehr stabil und scharf waren, ins Glas. Ein leises Klirren hallte durch den düsteren Raum. Für einen Augenblick hielt ich den Atem an und verharrte. Ich dachte nämlich zuerst, dass der Mensch das Geräusch wahrgenommen hätte. Fehlanzeige. Gut, dachte ich erleichtert. Was für ein schlechtes Gehör Menschen doch haben. Und dann setzte ich zum entscheidenden Stoss an. Mit vollem Körpereinsatz brachte ich das Reagenzglas zum zerspringen. Die rötliche Flüssigkeit breitete sich auf dem weissen, gekachelten Boden aus. Dicke Tropfen fielen von meinem hellbraunen Fell. Ich keuchte und versuchte die eben auftretenden Schmerzen zu unterdrücken. Da ich mich mit dem ganzen Körper gegen das Glas ‘geworfen’ hatte, trug ich ein paar Schürfwunden davon. Ausserdem rissen die Schläuche aus meiner Haut und jetzt klafften überall scheussliche Wunden. Ich wollte so schnell wie möglich davon rennen, aber mir wurde fast schwarz vor Augen und mein Herz fing an zu rasen. Der Mensch hatte sich zu mir gewandt und ein scheussliches Lächeln zierte sein Gesicht. “Du bis jetzt also soweit”, sagte er monoton. “Bereit wofür?”, kläffte ich ihn an. Als ich den Satz zu Ende gesprochen hatte, kam der andere Mensch dazu. Es war ein Weibchen. Ähm, eine Frau. Sie guckte zuerst auf das Reagenzglas und dann zu mir. Sie lächelte mich an. “”01”, endlich bist du soweit.” “Wofür?”, wiederholte ich wütend. Und warum “01”? “Hör jetzt gut zu”, sagte die Frau, “deine Reinkarnation wird bald abgeschlossen sein.” Reinkarnation? Wie bitte?! Bin ich etwa... gestorben und jetzt wiedergeboren worden? “Was bedeutet das?”, knurrte ich jetzt noch wütender. Ich hasste es, dass ich im Unwissen lag. “Das bedeutet”, begann der andere Mensch, “dass du ein neues Leben beginnen wirst.” Das wollte ich aber nicht! Ich möchte mein altes Leben wieder haben. Ich hatte mich vor Wut fast nicht mehr unter Kontrolle. Mein ganzer Körper zitterte und mein Blut vermischte sich mit der Flüssigkeit am Boden. “Ich möchte das aber nicht!” “Doch... Du wirst es schon noch wollen”, lächelte mich die Wissenschaftlerin an. “Nein!”, schrie ich entsetzt. “Du bist in unser Gewalt “01”. Und du wirst perfekt werden.” Perfekt? Es gibt aber nichts perfektes auf dieser Welt. Das ist doch alles eine Lüge! Die Frau drehte sich auf dem Absatz um und sagte mit süsslicher Stimme: “Folge mir “01”. Bald hast du’s hinter dir. Komm...” Aus irgendeinem Grund konnte ich mich ihrer Stimme nicht entziehen und folgte dem weiblichen Menschen schlussendlich durch eine Schleusentüre in einen mit Licht durchfluteten, kahlen Raum. Kapitel 2: ...eines neuen Lebens... ----------------------------------- Jeder Schritt hallte von den ebenfalls kahlen, weissen Wänden des Laborraumes wider. Ein eiskalter Schauer lief mir den Rücken runter, als ich inmitten des Raumes von der Menschenfrau aufgefordert wurde, stehen zu bleiben. Widerwillig tat ich, was mir befohlen wurde. Ich versuchte in dem Raum etwas zu erkennen, aber die weissen Wände schienen mich zu blenden. Ich kniff meine Augen zu Schlitzen zusammen und versuchte so, mehr zu sehen. Aber vergebens. Der Raum schien leer zu sein. Das kann nicht sein, dachte ich misstrauisch. Wenige Meter von mir entfernt blieb auch meine Begleitung stehen. Sie wandte ihr makelloses Gesicht mir zu und sagte mit melodiöser, leiser Stimme: “”01”, bald ist es soweit.” Wofür? Was ist bald soweit? Verdammt nochmals! “Geh’ ganz nach hinten und ruh dich dort zuerst einmal aus. Morgen wird der grosse Tag kommen.” Die Frau fixierte mich und lief dann aus dem Laborraum und schloss die Türe zu. Als diese in das Schloss fiel, wurde mir bewusst, dass ich schon wieder eingesperrt war. Ich war nun schon mein ganzes Leben lang eingesperrt gewesen. Man könnte sagen, dass ich gar nichts anderes kannte. Denn wie schon erwähnt: Ich wurde in einem Wildpark geboren. Ich wurde hinter Gittern, eingesperrt und abgeschottet vom wahren Leben, geboren. Man könnte sagen, dass dies kein Leben wäre. Wenn ich ehrlich bin... Es ist kein ‘wahres’ Leben. Oder besser gesagt, es ist kein erfülltes Leben. Meine Eltern wuchsen in der Wildnis auf. Sie schwärmten immer von diesem freien Leben. Ich konnte mir dies nie richtig vorstellen, wie sich das Gefühl ‘frei sein’ anfühlen konnte. Denn im Moment fühlte ich eine tiefe Leere in mir drin. Ich fühlte mich einsam und ich war zugleich wütend. In meiner Wut lief ich ziellos in diesem kalten Raum umher. Und als ich meine Wut nicht mehr zurückhalten konnte, als ich meine Beherrschung verlor, warf ich mich gegen die verschlossene Türe. Immer und immer wieder. Ich brüllte und tobte, verbiss mich im Türknauf, schlug meine Krallen in die stählerne Türe bis mir vor Schmerz Tränen in die Augen schossen. Ich wollte nicht aufgeben. Ich wollte raus. Raus um endlich zu leben, verdammt! Ich versuchte es nochmals wenige Male die Türe aufzubringen. Dann gab ich auf. Der Schmerz war einfach zu gross und meine Wunden rissen noch mehr auf. Ich spürte, wie sich mein Blut den Weg bis zum Boden bahnte. Ich schmeckte mein eigenes Blut im Maul, was einen scheusslichen Nachgeschmack hinterliess. Ich stand noch einige Minuten keuchend und regungslos da. Dann tat ich, was die Menschenfrau mir gesagt hatte. Ich ging in eine Ecke des Laborraumes und sackte dann erschöpft zusammen. Ich wollte jetzt einfach nur noch schlafen und alles vergessen und ich hoffte, wenn ich wieder aufwachen würde, dass ich nicht mehr hier wäre. Die Ecke beruhigte mich irgendwie. Ich hatte keine Ahnung wieso, aber sie gab mir ein Gefühl von Geborgenheit. Dies hört sich jetzt bestimmt völlig irrsinnig an, ja, mag sein, aber ich kann auch nicht mehr sagen, als es meine Gefühle tun. An diesem Abend konnte ich jedoch noch lange nicht einschlafen, denn meine Wunden pochten unaufhörlich und ich dachte, dass ich diesen Schmerz nicht mehr aushalten würde. Ich verzweifelte fast ab dieser Situation, denn ich fühlte mich so hilflos, wahrscheinlich wie noch nie zuvor. Aus diesem Grund schossen mir immer wieder Tränen in die Augen, die ununterbrochen meine Wangen hinunter kullerten. Ich konnte sie nicht zurückhalten. Aber in diesem Moment wollte ich es auch gar nicht. Es konnte mich doch sowieso niemand sehen oder hören. Warum sollte ich mich also verstellen? Wieso sollte ich mir also etwas vormachen? Es war in diesem Moment eh alles egal. Für mich konnte an diesem Abend auch die Welt untergehen. Es würde mir egal sein. Ich war mir egal. Ich war mir egal, weil mich mein Rudel im Stich gelassen hatte. Ich wurde im Stich gelassen von denjenigen, denen ich sogar mein Leben anvertraut hatte! In diesem Augenblick keimte in mir ein grausiges Gefühl auf, das ich zuvor noch nie gekannt hatte. Vergeltung. Ich wollte Rache. Ich wollte mich an meinem Rudel... Nein, ich wollte mich an allen Wölfen rächen! Ich wollte, dass alle genau das fühlen mussten, was ich jetzt fühlte. Schmerz. Unendlichen Schmerz soll ihnen zugefügt werden! Und dies von mir. Ich wollte derjenige sein, der ihnen diesen Schmerz zufügen wird. Ich weiss, dies hört sich ziemlich makaber an, aber ich konnte einfach nicht mehr anders denken. Ich war sosehr verletzt worden. Nicht nur mein Körper blutete und war verletzt worden, nein, auch meine Seele. Und ich glaube, diese Wunde in meiner Seele wird nie mehr heilen... Und dann übermannte mich doch noch den Schlaf. Es war aber kein erholsamer und ruhiger Schlaf. Denn mein Schmerz riss mich immer wieder aus meinen surrealen Träumen. Kaum schlief ich zum zigtausenden Mal ein, wurde ich sogleich wieder durch das Klacken der Türe aufgeschreckt. Sogleich stand mein Körper unter Spannung und ich spielte mit meinen Muskeln. “Guten Morgen “01””, sprach eine süssliche Stimme. Ich wusste, dass es die Wissenschafterin sein musste, die mich gestern hierhinein begleitet hatte. “Du warst gestern sehr aufgebracht. Das tut dir nicht gut. Weisst du?” Dann trat sie in den Raum. “Ich hoffe, du hast dich beruhigt...” Die Frau schien zu lächeln. Es war jedoch kein freundliches Lächeln. Es war eher solch ein kaltes, unnahbares Lächeln. “”01”, du wirst in einer Woche eine neue Art der Gattung Canis lupus repräsentieren.” “Wie meinen Sie das?”, fragte ich ungläubig. “Nun, du wirst eine neue Unterart des Wolfes sein: Canis lupus deformis. Du solltest dich also geehrt fühlen. Du wirst einst der Vater von der stärksten Unterart des Wolfes sein. Ausserdem sollst du mit uns Menschen zusammenleben und...” “Zusammenleben?!”, knurrte ich, “Sie meinen eher, dass ich euch Menschen ‘dienen’ soll, nicht?” Die Frau schüttelte belustigend ihren Kopf. “Sieh es so, wie du willst. Du kannst an deinem Schicksal sowieso nichts mehr ändern. Ausserdem solltest du heute doppelt so stark sein wie ein gewöhnlicher Wolf und deine Instinkte haben den Höhepunkt erreicht. Damit wir dies auch testen können, werde ich dich jetzt nochmals an einem Generator anschliessen.” Und schon schossen mir Schläuche entgegen und kniffen mir in die Haut und saugten sich fest. Mit gekünstelter, ruhiger Stimme sagte Frau Wissenschafterin: “Schon gut. Du brauchst keine Panik zu haben. Du wirst keine Schmerzen spüren. Die Schläuche werden nur deine Bewegungen und deine Hirnströme vermessen.” “Für was denn?”, sagte ich wütend. Ich war schon wieder auf 180. “Das habe ich dir doch soeben erklärt. Wir wollen nur testen, ob du schon unseren ersten Idealen entsprichst. Und für das, werde ich gleich einen anderen Wolf zu dir hereinlassen. Du hast in diesem Moment nichts anderes zu tun, als dich von deinem Instinkt leiten zu lassen.” Mit diesen Worten verschwand die Frau und kurze Zeit später kam durch die Türe einen, etwa eineinhalbjährigen Wolf zum Vorschein. Seine braunen, wachen Augen guckten mich entsetzt an. Als ich meine Zähne bleckte, sträubte sich sein hübsches, mittelbraun und schwarz-weisses Fell. “Wie heisst du Fremder und was soll das Ganze hier?” “I... ich”, stotterte der junge Rüde und zog seine Rute ein, “Ich weiss es nicht. Ich wurde im Wald von den Menschen gefangen genommen und hierher verschleppt. Ich weiss es wirklich nicht!” Er winselte vor sich hin. Erbärmlich, dachte ich zu mir. “Wie ist dein Name?”, fragte ich weiter nach. Der Jungwolf schien fast vor Angst einen Herzstillstand zu erliegen. Dann brachte er jedoch mit zitternder Stimme “A...w...on” heraus. Ich bekam schon fast Mitleid mit dem Geschöpf, jedoch überfiel mich plötzlich und scheinbar ohne Grund die Vergeltung. Ich spürte, wie dieses Gefühl langsam meinen Körper und schlussendlich auch meinen Kopf, meinen Verstand in Besitz nahm. Ich tickte völlig aus und wollte den Wolf zerbeissen. Ich wollte mich in ihm verbeissen und ich wollte sehen, wie sein Blut den kahlen Boden tränkte. Ich wusste genau was ich tat und ich wollte nur eines. Seinen Schmerz spüren. Jedoch bekam ich zuerst nur ein paar Haare vom jungen Rüden zwischen die Zähne. Und als ich mich dann plötzlich in seine Rute verbeissen konnte, verlor ich die Kontrolle über meine Kraft. Ich hatte mich plötzlich nicht mehr unter Kontrolle und hätte mich wahrscheinlich noch selber getötet, wenn nicht plötzlich drei Wissenschaftler auf mich mit mehreren Betäubungspfeilen zielten. Ich merkte, wie mein Kiefer langsam die Rute losliess und wie meine Augen zufielen. Müdigkeit überwältigte mich schlagartig. Die Dunkelheit umhüllte und verschlang mich schlussendlich. Kapitel 3: ...beginnt mit dem Sein. ----------------------------------- Grelles Licht blendete mich. Ich spürte abermals meinen Körper nicht mehr. Und abermals dachte ich, dass ich nicht mehr Leben konnte. Fühlte sich so der Tod an? Das grelle Licht verschwand vor meinem linken Auge. Für eine kurze Zeit lag ich wieder in der Finsternis. Dann, in sekundenschnelle, kehrte das grelle Licht wieder zurück und dieses mal sah ich es vor meinem rechten Auge. Was geschieht nun schon wieder mit mir? Und so schnell das Licht kam, so schnell verliess es mich auch wieder. Immer noch benommen schien ich einfach nur auf dem kahlen Boden zu liegen. In meinem Kopf fing sich die Leere langsam an, sich zu lösen. Meine Ohren zuckten. Ich nahm Stimmgemurmel wahr. Die Stimmen gehörten eindeutig zu den beiden Menschen, die mich sozusagen betreuten. Aber nicht nur die Stimme verriet sie, sondern auch ihr Geruch. Es war ein beissender, fremder Geruch. Ich konnte mich überwinden, meine Augen ein Stück weit zu öffnen. Die eine Frau wurde sofort auf meine Bewegungen aufmerksam. “Na, hast du dich von deinem Aussetzer wieder beruhigt?” Ich antwortete ihr nicht. Unbeirrt von der Stille die aufzukommen schien fuhr die Frau fort: “Ich muss zugeben, Defor, das hätte ich nicht erwartet. Ich meine, ich nahm an, dass du den Wolf zerfetzen wolltest, du hast nun einen solch feinen Instinkt... Ich schweife ab. Entschuldige.” ¨Die Wissenschaftlerin seufzte und sagte dann weiter: “Wie dem auch sei. Wir müssen noch deine Kraft unter Kontrolle kriegen, ansonsten...” “Für was? Für was?! Verdammt! Ich möchte endlich eine klare Antwort! Warum soll ich eine neue Unterart des Wolfes werden? Für was unterzieht ihr mich solchen... Solchen Experimenten?”, schrie ich den Menschen wutentbrannt an. Ich hielt es nicht mehr aus. Es kam mir so vor, als ob mich die Unwissenheit von innen heraus aufzufressen schien. Ich sah, trotz dem grellen Licht (welches von einer riesigen, runden Halogenlampe kam), ein eisiges Lächeln auf den, mit Rot geschminkten Lippen der Wissenschaftlerin. “Defor, die neue Unterart Canis lupus deformis, wird uns im Krieg unterstützen. Daher hast du jetzt auch solch einen feinen Instinkt. Du bist eine Kampfmaschine “01”. Deine DNA muss nur noch etwas verfeinert werden. Um eben zum Beispiel solche Aussetzer zu vermeiden und dass du auch deine enorme, neue Muskelkraft unter Kontrolle kriegst. Und das wird genau hier, in diesem Raum, passieren. Unser Institut arbeitet schon seit Jahren an diesem Projekt. Und schon bald wird dieses Projekt vollendet sein. Du, Defor, wirst bald vollendet sein.” Defor? Haben die Menschen mich etwa umbenannt? Ich fragte die Frau. “Nun, nein. Du hast von uns die ‘Seriennummer’ 01 bekommen, dein Name lautet aber in Wirklichkeit Defor (01), Canis lupus deformis.” Ich war sichtlich verwirrt. Aber meinetwegen. Wenigstens hörte sich Defor besser an als “01”. Aber eben, mir war es momentan egal, wie ich hier genannt wurde. Mein richtiger Name? Ich weiss es nicht mehr. Vor einigen Tagen musste ich entsetzt feststellen, dass ich meinen richtigen Namen gar nicht mehr wusste. Auch meine Vergangenheit verblasste langsam vor meinen Augen. Sie war irgendwie nur noch ein grauer Schleier. Traurig, dachte ich. Und jetzt soll ich also hier in diesem Labor, von irgendeinem Institut, eine neue Identität bekommen. Ja, so könnte man es nennen. In diesem Augenblick, in dem ich nach meinem richtigen Namen suchte, wurde mir erst richtig klar, dass ich hier ein Experiment war. Ich wurde von Menschen missbraucht... Der Gedanke erschauderte mich zutiefst und meine Wut wuchs und wuchs. Aber ich konnte sie in diesem Moment nicht herauslassen, denn plötzlich spürte ich einen Stich ein meinem linken Vorderlauf. Als ich nachschauen wollte, von was der brennende Stich kam, erblickte ich eine Spritze mit scheinbar durchsichtiger Flüssigkeit. Mein Herz fing an zu rasen und meine Muskeln verkrampften sich. Mir blieb die Luft weg und dann... Ein Rauschen schreckte mich auf. Meine Augen weiteten sich und mir wurde schlagartig klar, dass ich wieder in solch einem überdimensionalen Reagenzglas sass. Dieses mal war es aber giftgrüne Flüssigkeit, die nach Metall roch, welche mich umgab. Ich spürte, wie die Schläuche, an denen ich nun auch wieder angeschlossen war, im Minutentakt etwas in meine Blutbahnen pumpten. “Hört endlich damit auf!”, schrie ich nach draussen. Sogleich ertönte ein unerträglicher hoher und lauter Piepton, der vom Generator kam. Eine Wissenschaftlerin kam herbeigeeilt und drückte auf eine Taste auf dem Ding und sagte danach hastig zu mir: “Du solltest dich jetzt so wenig wie möglich aufregen. Du stehst wieder unter Stress...” “Von woher wollen Sie das wissen?”, erwiderte ich genervt. “Deine Gehirnströme verraten dich.” Mit diesen Worten wollte die Wissenschaftlerin wieder gehen, aber ich rief ihr, fast verzweifelt, zu: “Wieso soll ich mich nicht aufregen? Wenn ich es nämlich wüsste, wäre es für mich wesentlich einfacher, meinen Zorn in Schach zu halten.” Die Menschenfrau seufzte sichtlich genervt, sagte dann aber mit lascher Stimme: “Dir wird jetzt eine metallhaltige Flüssigkeit eingeflösst. Jede Minute bekommst du eine Dosis.” “Was soll das bewirken?”, fragte ich etwas angewidert. Metall? Metall wurde mir eingeflösst? “Ganz einfach. Deine Haut soll so stählern werden. Das heisst, du wirst widerstandsfähiger und deine Haut kann sich so selber schneller wieder regenerieren.” Und mit diesen Worten schlurfte Frau Wissenschaftlerin aus dem Raum heraus. Mir war zwar nicht klar, wie Metall in irgendeiner Form im Körper wirken soll, jedoch war mir diese Frage zu kompliziert. Darum verschwendete ich keinen Gedanken mehr daran. Im Allgemeinen hatte ich langsam aufgehört zu kämpfen. Ich war es satt, meine ganze Kraft aufzubringen und am Schluss brachte es sowieso nichts. Ich sah von meinen Bemühungen noch kein Resultat. Nichts. Rein gar nichts. Tage vergingen. An diesen Tagen war ich alleine. Keine der Wissenschaftler schaute nach mir oder besser gesagt nach meinem Zustand. Mir war das auch recht. Ich brauchte den Kontakt zu Menschen nicht. Und dies werde ich auch nie brauchen. Ich soll in ferner Zukunft den Menschen ‘dienen’? Lächerlich!, dachte ich belustigt. Die Menschen hatten ja keine Ahnung! Sie konnten die Welt zwar nach ihren Idealen formen, aber das hiess noch lange nicht, dass sie diese Idealen auch bis zum Schluss durchziehen konnten. Ich würde es nicht zulassen, dass sie mich noch weiter demütigten und aus mir etwas machen würden, was ich nicht war. Und nie sein werde. Nie, nie, nie! Also fing ich wieder an zu rebellieren. Ich versuchte abermals die dicke Glasscheibe zu zertrümmern. Ich versuchte abermals mich von den Schläuchen loszureissen. Und abermals waren all meine Bemühungen umsonst. Ich konnte dies nicht glauben... Ich wollte es auch gar nicht glauben. Ich wollte nicht glauben, dass ich mein Ziel wahrscheinlich nie erreichen würde. Dieser Gedanke machte mich zornig. Ich verlor meinen Verstand und tickte aus. Als ich wie wild um mich schlug, geriet ich irgendwie in die Schläuche und einer schlang sich um meinen Hals und schnürte mir die Kehle zu. Ich bemerkte dies zuerst gar nicht. Erst als ich keine Luft mehr bekam, versuchte ich mich zu befreien. Ich strampelte und verbog mich. Nur um irgendwie da wieder herauszukommen. Aber es wurde nur noch schlimmer. Die Luft blieb mir schlussendlich ganz weg. Ich spürte, wie sich mein Herzschlag verlangsamte. Ich hörte den grellen Pfeifton des Generators. Ich hörte hastige Schritte, die den Raum betraten. Ich spürte mein Herz nicht mehr. Und schlussendlich spürte ich gar nichts mehr. Keuchend rang ich nach Luft. Ich öffnete meine Augen und fand mich in einem engen, ebenfalls weissen, kahlen Raum, wieder. Ich schüttelte mich und blickte mich dann erstmal um. Na ja, zu sehen gab’s ja eigentlich nichts. “Wieder bei Sinnen also. Hallo, Defor.” Uh? Von woher kam denn die Stimme? Ich schaute mich nochmals um. Ich entdeckte an der Decke des Raumes einen schwarzen Apparat. Von dort oben musste die Stimme kommen. “Du hast dich verändert. Hast du es schon bemerkt?”, fragte mich die Stimme. Ich sollte mich verändert haben? Und tatsächlich. Als ich an mir hinunter schaute, als ich meine Pfoten sah, erschrak ich erbärmlich. Meine Pfoten waren... Sie waren jetzt aus Metall. Völlig entstellt! Mein entsetzter Blick erstarrte. “Das ist erst der Anfang. Du reagierst gut auf die Metallsubstanz. Das ist wirklich gut. Defor, deine Haut wird nach und nach immer mehr von Metall übersät sein. Aber keine Angst. Du wirst schon nicht vollständig aus Metall sein. Die Pfoten sind der Anfang. Folgen werden noch Kopf und deine Hinterläufe.” Ich konnte es immer noch nicht glauben. Wieso ich? Wieso musste ausgerechnet ich dafür herhalten? “Gut, gut. Das war’s fürs erste.” Dann folgte ein Rauschen und dieses starb schlussendlich ab. Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich in diesem Moment fühlte. Ich könnte es versuchen, aber es würde sowieso niemand verstehen. Denn niemand hatte mit Sicherheit solche Misshandlungen über sich ergehen lassen müssen. Ich war nun entstellt. Metall an meinen Pfoten... Narben zierten meinen Körper, überall dort, wo einst die Schläuche angedockt waren. Zum Teil klafften noch vereinzelt grässliche Wunden, die bei jeder Bewegung zu schmerzen anfingen. Aber wie so manches, was mir widerfahren ist, verdrängte ich den Schmerz einfach. Ich schloss meine Augen und wollte einfach nur noch schlafen. Ich lag noch etwa eine Woche in diesem spärlichen Raum. Mein Aussehen hatte sich verändert. Das soll heissen: Mein Unterkiefer hatte sich von Aussen her verhärtet und war nun metallen. Genauso wie meine Zähne im Unterkiefer. Aber nicht nur äusserlich nahm ich Veränderungen wahr, auch innerlich. Aber ich kann nicht sagen, was es war. Ich wusste eigentlich gar nichts mehr. Doch... Ich wusste jetzt, dass ich endlich wieder in die Freiheit kommen konnte. Ich würde alles dafür geben und alles riskieren. Ich war nun bereit. Bereit zu kämpfen, bereit um das zu tun, was ich wollte. Ich wusste, dass ich ständig unter Beobachtung stand. Aber dies hielt mich nicht davon ab, um die Türe des Raumes zu demolieren. Mein Unterkiefer hatte jetzt solch enorme Kraft, dass ich in nur wenigen Minuten die ganze Türe in Stücke riss. In der Ferne hörte ich Sirenengeheul. Eine Computerstimme rief aus: “Achtung! Achtung! In Zelle X01 trat eine Störung auf. In Zelle X01 trat eine Störung auf. Die Spezies Canis lupus deformis ist soeben ausgebrochen! Alarmstufe 1! Ich wiederhole: Alarmstufe 1!” Zugleich stellte sich mir irgend ein solcher erbärmlicher Wissenschaftler mit einer Art Gewehr, in den Weg. Ich machte kurzen Prozess. Ich hatte nun solch eine enorme Kraft, dass ich das Gewehrdingens mühelos zerbeissen konnte. Aber auch der Mensch blieb nicht verschont. Ich biss ihm die Kehle durch. Dies endete Schlussendlich in einem Blutbad. Ich biss mich in jedem fest. Ich wollte Rache! Und dies war der Anfang davon... Plötzlich roch ich Feuer. Verdammt! Von woher kommt denn hier Feuer?, dachte ich. Die Sprinkleranlage ging los und bekämpfte das Feuer. Nun war das Chaos perfekt. Ich grinste schelmisch in mich hinein. “Ihr habt es nicht anders verdient! Ihr sollt alle verrecken!”, schrie ich. “Defor! Bleib sofort stehen!” Ich wirbelte herum. Da stand sie. Die eine Wissenschaftlerin, die mich sozusagen die ganze Zeit hin betreut hatte. “Oh, oh...”, machte ich. Und kicherte belustigend. Mit eiskaltem Blick fixierte sie mich und blaffte dann: “Du vermasselst alles! Willst du etwa nicht perfekt sein? Möchtest du nicht perfekt werden?” “Perfektion ist eine reine Lüge!” “Das ist nicht wahr! Aber was versteht ein Tier schon von Perfektion?” “Tz. Mehr als ihr Menschen denkt! Und ihr lügt, sobald ihr euer Mund aufmacht. Perfektion... Warum muss in euer Welt alles perfekt sein? Warum strebt ihr nach Perfektion? Heisst bei euch perfekt sein, gleich Macht haben?” Die Frau nickte. “Erfasst. Ja, so könnte man es sagen, Experiment “01”.” “Aber ich bin nicht perfekt!”, schrie ich ausser mir. “Ich war nie perfekt. Und ihr habt mich auch nicht perfekt gemacht. Ihr könnt euch selber mit eurer Perfektion belügen, mich aber nicht.” “Ganz ruhig, “01”. Du bist jetzt schon in einem solch fortgeschrittenem Stadium, da wäre es schade, das ganze Experiment abzubre...” Ich konnte nicht anders. Ich sprang der jungen Frau an die Kehle, durchtrennte sie und nahm ihrer Lunge die Luft. Das Blut zierte nun den kahlen, nassen Boden. In diesem Augenblick umhüllte mich beängstigende Stille. Es wurde Zeit zu gehen. Zeit, mich von diesem Lebensabschnitt zu verabschieden. Ich wusste genau, wohin ich nun gehen wollte und ich wusste genau, was ich zutun hatte. Angetrieben von dem Gedanken der Vergeltung preschte ich in die Freiheit. Der Mond zierte einen schwarzen Nachthimmel. Ich spürte kühle Luft in meinem Fell. Ich spürte das Gras und die weiche Erde unter meinen Pfoten. Und ich spürte, dass ich nun endlich frei war. Ich wusste, dass ich endlich mein Leben leben konnte. Ich konnte endlich jemanden sein. Nein, falsch. Nicht ‘jemanden’. Ich war ich. Und ich konnte endlich sein. Epilog: Epilog -------------- Das war sie also, meine Vergangenheit. Ich habe sie hinter mir gelassen. Nun, so gut es eben ging. Nur den Namen behielt ich. Defor. Das alles liegt jetzt nun sicher schon einige Jahre hinter mir. Und ich folge immer noch der Vergeltung. Man könnte sagen, dass das mein Lebensinhalt ist. Klingt verbittert? Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass die Wölfe mich im Stich gelassen hatten. Dass ich all die Zeit alleine war. Und das wünsche ich niemandem. Also muss Rache her. Die werde ich bekommen, ganz sicher. Solange ich atme, solange ich lebe, werde ich umherstreifen und hinter mich eine blutige Spur herziehen. Und solange die Welt nicht perfekt ist, werde ich es auch nicht sein. Denn in einer perfekten Welt würde ich niemals existieren. ------------------------- ENDE Vielen Dank, dass ihr die Kurzgeschichte über Defor gelesen habt und herzlichen Dank für eure lieben Kommis! Eure Nay Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)