Schlaflos von Cookie-Hunter (Der Albtraum endet nie...) ================================================================================ Kapitel 19: Eigenständigkeit ---------------------------- Kyo stand in der Küche und kümmerte sich um das Abendessen, während Toshiya in der Wohnung für ein wenig Ordnung sorgte. Er sortierte gerade die Zeitungen fürs Altpapier, als ihm etwas ins Auge fiel. „Kyo?“ Mit der Zeitung in der Hand ging er in die Küche, den Blick auf die aufgemalten Linien auf der aufgeschlagenen Seite gerichtet. „Hai?“ „Weißt du, wer hier auf der Immobilienseite diverse Anzeigen angekreuzt oder eingekreist hat?“ „Klar, ich.“ Gelassen rührte der Ältere in den Nudeln, probierte eine und befand, dass die Dinger noch ein wenig brauchten. „Aber, aber...“, stammelte der Bassist eine Weile, ehe er es schaffte ein: „Warum?“ hervorzubringen. „Weil ich mir eine eigene Wohnung suche? Warum sollte man sowas sonst ankreuzen?“ „Ja, aber... Wieso willst du denn weg von mir?“ „Wie?“ Verwundert sah Kyo von den Kochtöpfen auf. „Wie kommst du denn bloß auf die Idee? Toshiya. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass du mir ein guter Freund bist, dass du mir in den letzten Wochen sehr geholfen hast. Aber es wird Zeit. Zeit für eine eigene Bleibe. Schließlich war das hier nur als Übergangslösung gedacht, nicht wahr?“ Außerdem war es ihm bereits in den letzten 3 Wochen schon ziemlich schwer gefallen zu verstecken, wie fertig ihn Ayakas Anwesenheit machte. Sie hatte sich nur zu gerne an ihren Teil der Abmachung gehalten. Jeden Abend schluckte Kyo Schlaftabletten, damit die Möglichkeit schreiend aufzuwachen, verringert wurde. Immerhin könnte er so Toshiya aufwecken, der dann nur nach bohren würde. Zum Glück brauchte er kein Rezept für die Tabletten, sonst wäre er bei seinem Konsum schon aufgefallen. Weshalb er auch ständig die Apotheke wechselte. Er musste hier einfach weg, bevor Toshiya Verdacht schöpfte, bevor er Fragen stellte. Natürlich könnte er versuchen so überzeugend wie möglich zu behaupten, dass er schlichtweg Albträume gehabt hatte. Ganz normale Albträume, wie sie jeder mal hatte. Doch welcher normale Mensch hatte schon so viele Albträume? Spätestens das würde Toshiya doch misstrauisch machen. Und sollte er in einem Anflug extremer Neugier auch noch die Tabletten finden... Dann war es nur noch ein Katzensprung, bis sich die anderen Vier alles zusammengereimt hätten. Nein. Nein, nein, nein. Er brauchte seine eigene Wohnung. Für seine Albträume. Seine Schreie. Seine Hölle. Er musste nur noch eine Passende finden. Und dann eine Möglichkeit, um einen der Räume Schalldicht zu machen oder zumindest so zu präparieren, dass alle Geräusche gedämpft wurden. Immerhin sollte nur er selbst seine Schreie und Tränen hören, wenn er sich Ayaka aussetzte. Das bei weitem größere Problem war jedoch, dass er nicht in Versuchung kam sich wieder zu ritzen. Erwischt hatte er sich in den letzten beiden Wochen dabei öfter, wie er etwas scharfkantiges angesetzt hatte. Und sie hatte ihm dann immer noch ganz verführerisch ins Ohr geflüstert: „Ja, tu es. Drück zu. Ich will dein Blut sehen. Zeig mir dein Blut.“ Doch er war tapfer geblieben, hatte nicht einen Tropfen vergossen. „Du willst mich also hier allein lassen?“ Kyo schmeckte noch die Soße ab, dann erst antwortete er. „Es ist ja nicht so, als wenn du allein sein müsstest. Und zumindest am Wochenende ist doch jemand hier, der dir Gesellschaft leistet.“ Fachmännisch schaltete er die Herdplatten aus. Essen war fertig. „Außerdem bräuchtest du gar nicht allein sein. Gibt bestimmt genug hübsche Damen da draußen, die gerne mit dir zusammen sein würden.“ Ein Topf nach dem anderen landete auf dem Esstisch. „Und wenn du dich ganz geschickt anstellst, könntest du sogar wieder mit Akemi zusammenkommen.“ „Das glaubst du doch jetzt nicht wirklich, oder? Wir sind seit zwei Jahren geschieden! Das wird doch nie und nimmer wieder was mit uns.“ Missmutig und mit verschränkten Armen ließ sich der Größere auf seinen Stuhl fallen. Toshiya glaubte nicht wirklich daran, dass er und seine Ex es noch einmal schaffen würden. Zwar vermisste er sie, liebte sich noch immer, aber jedes Mal, wenn sie sich trafen, stritten sie. Er wusste nicht einmal mehr, wann und warum sie angefangen hatten sie so zu verhalten. „Ihr seid beide einfach nur verdammt stur.“ Munter lud Kyo Toshiya und sich eine ordentliche Portion auf die Teller. „Sie ist in der letzten Zeit nur zusätzlich so verstimmt, weil ich hier bin. Weil sie in mir eine Gefahr für ihr Kind sieht. Wenn ich weg bin, dann entspannt sich die Lage schon mal ein wenig.“ „Ja, klar. Und dann ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Happy End.“ Gefrustet schob sich der Jüngere einen Bissen in den Mund und kaute deprimiert darauf herum. Kyo rollte mit den Augen. Nicht nur wegen dem Sarkasmus, sondern auch wegen der negativen Einstellung des sonst so fröhlichen Mannes. Auch er nahm ein paar Bissen seines Essens, von dem er einfach mal sagen musste, dass es ihm richtig gut gelungen war. „Dass das Ganze nicht einfach wird“, fing Kyo an, musste aber erstmal schlucken, „ist doch selbstverständlich. Außerdem habe ich nie davon gesprochen, dass es ein Kinderspiel sein würde. Natürlich muss auch bei euch beiden der Wille für einen neuen Versuch da sein. Etwas, was du erst mal bei ihr feststellen solltest.“ „Ach, und wärst du auch so hilfreich mir zu verraten wie? Dr. Love?“ Dafür fing sich der Größere einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein ein. „Trottel. Fang mit Blumen an. Meines antiquierten Wissens nach klappt das immer.“ „Wenn ich ihr aber ohne Grund mit Blumen komme, wird sie misstrauisch.“ Verstimmt nahm der Größere einen weiteren Bissen zu sich. Kyo hatte wahrlich seltsame Vorstellungen. Es stimmte zwar, dass er seine Ex nach all der Zeit noch immer liebte und sie auch vermisste, nur hatte er einfach das Gefühl, dass das nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. „Und wenn du dich dafür bedanken willst, dass sie dir immer noch erlaubt Akio zu sehen? War schließlich eine Menge Überzeugungsarbeit von dir und ein großes Stück Überwindung ihrerseits. Zu akzeptieren, dass das eigene Kind mit einem Straftäter zusammenlebt, auch wenn es nur für ein paar Tage die Woche ist, das ist schwer. Was ich, wie ich schon öfter gesagt habe, sehr gut verstehen kann.“ Sie schwiegen eine Weile, genossen soweit ihr Essen. „Da ist kein Anfang“, maulte Toshiya los. „Wofür?“ „Na, für Akemi und mich natürlich.“ Er schmiss seine Stäbchen auf den Teller. Kyo seufzte. Das konnte ja nicht wahr sein. „Fangen wir von hinten an: Warum habt ihr euch getrennt?“ Verlegen sah der Bassist auf die Tischplatte. „Ich hab nicht mehr die geringste Ahnung.“ Dann sollte er in dem Punkt wohl eher Akemi löchern. Frauen wussten sowas. „Du bist mir schon einer. Aber ändern kann man es ja nicht mehr.“ Schmunzelnd widmete der Sänger sich dem letzten Rest Essen, der sich noch auf seinem Teller befand. Er war ja schon versucht, sich einen Nachschlag zu nehmen, so lecker wie es schmeckte. Jedoch sagte ihm sein Bauch, dass da nicht mehr allzu viel hineinpasste. Zum Glück gab es ja noch die Möglichkeit sich das Essen bei Bedarf wieder zu erwärmen. Er nahm sein Essgeschirr und brachte es zur Spüle, wo er auch schon mal alles ein wenig für den kommenden Abwasch vorbereitete. „Wenn es dich glücklich macht, dann verschiebe ich das mit der eigenen Wohnung. Zumindest bis-“ Weiter kam er nicht, da er plötzlich siebzig Kilo lebendigen Toshiya am Hals hängen hatte, die ihn regelrecht erdrückten. „Luft“, japste er, freute sich jedoch darüber, dass er den guten Freund hatte aufmuntern können. Wobei dieser ruhig endlich mal wieder etwas locker lassen konnte. Mittlerweile war er bestimmt schon ganz blau im Gesicht. „Toshi~“, keuchte er und klopfte dem Jüngeren auf den Arm, worauf dieser seine Umarmung endlich löste. Nach Luft schnappend meinte Kyo dann noch schwach lächelnd: „Bring mich doch nicht um, wenn ich noch hier bleiben soll.“ Da sah Toshiya ihn einfach nur mit großen, leicht geschockten Augen an. „Was?“ „Sag doch sowas nicht, Kyo. Mit dem umbringen und so.“ Doch Kyo winkte ab. „Solange es von mir kommt, ist es schon gut. Und es gehört doch auch ein wenig zur Rehabilitation.“ Er nahm noch mal einen tiefen Atemzug, verdrängte, dass Ayaka hinter Toshiya stand und diesen böse anfunkelte, weil er sein „Werk“ nicht vollendet hatte, dann sah er den Jüngeren erneut schmunzelnd an. „So, jetzt darfst du dich weiter freuen. Nur nicht so fest zudrücken, hai?“ Mit einem zögerlichen Nicken nahm er Kyo wieder in den Arm, wollte ihm nicht das Gefühl geben abgelehnt zu werden. Zudem war er ja doch immer noch glücklich darüber, dass Kyo noch ein wenig bei ihm bleiben wollte. Dabei würde er ihn gerne auch noch eine Weile länger bei sich behalten. „Geh noch nicht, Kyo. Geh bitte noch nicht.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)