Schlaflos von Cookie-Hunter (Der Albtraum endet nie...) ================================================================================ Kapitel 37: Trauma ------------------ „Was ist passiert?“, wiederholte Kyo seine Frage, widerstand der Versuchung die Wunde zu betasten. Jedoch bekam seine Nachbarin nicht ein komplettes Wort heraus. Stammelte nur einige Wortfetzen. „Beruhigen Sie sich. Kommen Sie. Lassen Sie uns rein gehen. Dann schaue ich mir Ihre Verletzungen an und koche uns einen Tee.“ Sie nickte, immer noch unfähig auch nur ein ganzes Wort hervor zu bringen. Kyo half ihr auf und brachte sie in seine Wohnung, wo er sie aufs Sofa im Wohnzimmer setzte und eine Decke um die Schulter legte, war es doch ein wenig kühl hier drinnen. Aus seinem Schrank kramte er noch eine Packung Taschentücher hervor und reichte diese dann an Iizuka-san weiter. „Was für einen Tee hätten Sie denn gerne?“ Schließlich wollte er ihr nichts anbieten, was sie nicht trinken wollte. Sie wickelte sich noch ein wenig enger in die Decke und wischte sich ihr Gesicht trocken. „Einen einfachen grünen Tee, wenn Sie welchen da haben.“ „Natürlich. Einen Moment.“ Er ließ seinen Gast nur ungern alleine zurück, aber für den Tee musste er nun mal in einen anderen Raum. Gähnend ließ er Wasser in den Kocher fließen. Kein Wunder, denn es war fast vier Uhr morgens und er ja auch schon seit einer geraumen Weile wach. Dementsprechend auch erschöpft. Aber er hatte Iizuka-san einfach nicht dort sitzen lassen können. Allein und weinend. Aus dem Wohnzimmer hörte er, wie sie wieder in Tränen ausgebrochen war. Kyo beeilte sich damit den Tee zu kochen und kam mit einer kleinen Kanne und 2 Tassen zurück und stellte alles auf den Couchtisch. Dann nahm er die zierliche Frau nach einem kurzen zögern in den Arm. „Bitte weinen Sie doch nicht mehr, Frau Iizuka“, flüsterte er ganz sanft und strich ihr sacht über den Rücken. „Nen-Nennen Sie mich doch bitte Tomoko“, brachte sie schluchzend hervor. Kyo reichte ihr ein weiteres Taschentuch. „Dann sag du bitte Kyo.“ „Kyo? Aber ich dachte-“ Für einen Moment war sie verwirrt, bis ihr wieder einfiel, dass dies sein Spitzname war. „Stimmt, so hast du dich früher auch genannt.“ Früher? Dieses Wort irritierte den Sänger. „Als ich noch jung war, da habe ich eure Musik gehört. Bei deinem Einzug hatte ich gleich das Gefühl, dass ich dich und deine Freunde von irgendwo her kannte.“ „Ach so.“ Das erleichterte ihn dann doch ein bisschen. Für einen Augenblick hatte er Angst, dass sie eine alte Freundin war und er sie vergessen hatte. „Dann weißt du auch, weshalb wir uns... Warum wir pausieren?“ Denn offiziell hatte sich Dir en grey ja nie aufgelöst. Nervös zupfte Tomoko an dem Taschentuch herum, nickte aber. Wischte sich hin und wieder die Augenwinkel trocken. „Hast du jetzt Angst?“, fragte Kyo und löste die Umarmung, da er begann sich unwohl in seiner Haut zu fühlen. Wie er es immer tat, wenn er erwartete, dass man ihn hassen würde. Dass sich eine Person von ihm deswegen abwandte. Noch so ein Punkt, der den Wunsch nach einer eigenen Familie erschwerte. Wenn er doch nur die Zeit zurück drehen könnte. Verlegen sah sie auf den Teppich zu ihren Füßen. „Ein bisschen schon, wenn ich ehrlich sein soll.“ Sie kaute auf ihrer Unterlippe herum, ließ ihren Blick zögerlich wieder nach oben wandern. „Aber ich habe dich als einen sehr netten Menschen kennen gelernt. Darum auch nur ein bisschen.“ Mit einem zaghaften Lächeln versuchte sie Kyo deutlich zu machen, dass sie sich wohl fühlte und dass es ihr gut ging. Er indes freute sich über ihre Ehrlichkeit. Ihre Angst konnte er verstehen, war sie doch begründet. Schließlich hatte es Momente in der Vergangenheit gegeben, da hatte er Angst vor sich selbst gehabt. Wieder fing er an, ihr Gesicht zu betrachten. Sie hatte ein hübsches Lächeln und warme, freundliche Augen. Aber das Blut und dieser große blaue Fleck, dieses Veilchen, dass ihr irgendjemand ins Gesicht geschlagen haben musste -und darin war er sich sehr sicher- verunstaltete die feinen Züge, die sie so attraktiv erscheinen ließen. „Ich hole schnell etwas zum Kühlen“, meinte er und ging erneut in die Küche, wo er ein Kühlpad, wie man es bei Verstauchung und dergleichen nutzte, aus dem Kühlschrank holte. Er wickelte es in ein Handtuch und ging wieder ins Wohnzimmer. Denn die Schwellung zu lindern erschien ihm jetzt wichtiger, als das getrocknete Blut zu entfernen. „Bitte sehr.“ „Danke.“ Sie legte sich das kühlende Pad auf ihr geschwollenes Auge. „Gut so?“ Tomoko nickte dankbar lächelnd. Schweigend saßen sie da, was bei Kyo dafür sorgte, dass er sich allmählich wieder bewusst wurde, wie spät und wie müde er doch eigentlich war. Aber er konnte die Frau neben sich auch schlecht einfach wegschicken. Nicht, wenn ihr etwas zugestoßen war. „Magst du mir erzählen was passiert ist? Ich weiß, dass dir das unangenehm ist. Aber du sitzt immerhin nicht ohne Grund weinend und mit einem angeschwollenen Gesicht im Flur vor deiner Haustür.“ „Erzählst du mir dann auch, warum du so schick angezogen bist?“ „Einverstanden.“ Kyo holte einmal tief Luft und fuhr sich müde über die Augen. „Ich war gestern auf einer Hochzeit und bin vorhin von der anschließenden Feier zurück gekehrt.“ „Wer hat denn geheiratet?“ „Einer meiner besten Freunde“, erklärte Kyo und lächelte, als er sich wieder die Szenen aus der Kirche ins Gedächtnis rief. „Es war eine schöne Hochzeit im westlichen Stil. Also mit Kirche, einem weißen Kleid und all dem. Das Kind der beiden hat Blumen gestreut. Und die Kleine sah so hübsch aus in ihrem Kleidchen. Ich glaube, sie hat sich wie eine Prinzessin gefühlt.“ So aufgedreht wie Nanami war, hatte man diesen Eindruck ganz gut gewinnen können. Und sie hatte mit ihren Eltern ja auch um die Wette gestrahlt. Die junge Frau seufzte. „Das hört sich schön an.“ Sie stellte sich das alles sehr romantisch vor. Allerdings machte sie es auch ein wenig wehmütig. Vor einigen Jahren hätte sie das auch gerne gehabt. Sie nahm das kühlende Päckchen von ihrem Auge, zupfte an den Ecken des Handtuchs herum. „Das war mein Ex. Der Vater von Sae. Er war schon immer leicht reizbar. Er war gekommen, um sie zu sehen. Aber da es schon reichlich spät war, wollte ich sie nicht wecken. Das hat er nicht verstehen können. Dann fing er an mir Vorwürfe zu machen. Dass ich sie ihm vorenthalte, sie von ihm entfremde. Aber er war nie ein guter Vater. Sie hat Angst vor ihm.“ „Ein Kind sollte nie Angst vor den eigenen Eltern haben“, pflichtete Kyo ihr bei. Sie seufzte erneut. „Jedenfalls hat eines zum anderen geführt und dann... hat...er-“ Erneut liefen ihr Tränen über das Gesicht, woraufhin Kyo sie zur Beruhigung erneut in die Arme nahm. Eine Viertelstunde später hatte sich Tomoko wieder gefasst und sie löste sich von Kyo. „Danke, dass du mir zugehört hast.“ „Du musst dich nicht bedanken. Das war... selbstverständlich. Zumal ich weiß wie schlecht man sich fühlt, wenn man alles in sich hinein frisst. Eine Person, die zuhört und für einen da ist... das kann man mit keinem Geld der Welt wieder aufwiegen.“ „So selbstverständlich ist das in unserer Zeit nicht“, entgegnete sie und wischte sich die Tränen von den Wangen. „Ich sollte wieder rüber gehen. Nicht, dass Sae aufwacht und ich bin nicht da.“ „Gut.“ Beide erhoben sich vom Sofa und Kyo führte seinen Gast zur Haustür. „Danke, Kyo-san. Und tut mir Leid, dass ich dich so spät nachts noch belästigt habe.“ „Du hast mich nicht belästigt. Ich habe dich angesprochen und dich mit hierher genommen. Also habe ich eher dich belästigt“, widersprach er mit einem schiefen Lächeln. „Gute Nacht, Kyo-san.“ „Gute Nacht, Tomoko-san.“ Kyo sah ihr noch nach, wie sie den Flur hinunter ging und beobachtete mit einem Lächeln, wie sie sich vor der Ecke noch einmal zu ihm umdrehte und ihm schüchtern zu winkte. Halb seufzend und halb gähnend drehte er sich um, schloss die Haustür und ging ins Wohnzimmer, wo er sich noch eine Tasse Tee gönnte. Tomoko tat ihm Leid. Alleine mit einem Kind war nicht einfach. Sich dann aber mit einer derartigen Person noch herumärgern zu müssen erschwerte das Ganze dann noch. Nachdem er seine Tasse geleert hatte brachte er das schmutzige Geschirr zurück in die Küche, wo er alles in die Spüle stellte und den restlichen Tee entsorgte. Dann schlurfte er in sein Schlafzimmer, wo er sich aus seinen Klamotten schälte. Er schaffte es gerade noch so, diese über einen Stuhl zu hängen, damit sein feiner, weißer Anzug keine Knitterfalten bekam. Doch so verlockend sein Bett auch aussah, führte ihn sein Weg ins Badezimmer, wo er sich die Zähne putzte, sich noch mal die Haare kämmte und das Gesicht wusch. Duschen würde er erst wieder nach dem Aufstehen. Völlig entkräftet, sowohl körperlich, als auch seelisch, kletterte er unter seine Bettdecke und fand sehr schnell den Schlaf, den er brauchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)