Clouds darken the sky von sinistersundown (Zwischen den Fronten) ================================================================================ Memories, old memories ---------------------- Laute Motorengeräusche durchbrachen die Nacht. Xemnas plagten Gefühle der Schuld und der Angst. Er hatte das alles nicht gewollt. Und nun war Axel, sein Sohn, einfach Hals über Kopf davon gerast. Womit hatten sie das nur verdient...? Er wußte was los war, wenn bei Axel eine Sicherung durch brannte... Und das war zweifelsohne geschehen. Unmittelbar hinter dem Superior fuhr Marluxia. Schon die ganze Zeit spukte ihm diese verkorkste Sache im Kopf herum und das Auftauchen neuer, verwirrender Fragen wollte gar kein Ende nehmen. Eins war sicher: wenn ihre Maschinen zum stehen kamen, würde er sich Xemnas noch einmal zur Brust nehmen - denn das, was er sagte ergab keinen Sinn! Er konnte nicht Schuld sein, es war nicht seine Schuld. Nur leider war dieser einer anderen Meinung als der Rest seiner Bande. So fuhren sie weiter durch die erstaunlich leeren Straßen. Es war nicht viel Verkehr, aber das war allen mehr als nur Recht. Als sie schließlich an einer Ampel hielten, linste Saix zu Xemnas. Dieser bemerkte erst nicht, das der Blick seines Kameraden auf ihm ruhte und so starrte er gedankenverloren nach vorne. Erst, als Saix ihm einen leichten Klaps auf den Arm gab bemerkte er schließlich, das er ihn ansah. Und das angepisst, mit einem Hauch von Besorgnis. Oh ja. Wie sich Xemnas jetzt schon auf die Standpauke freute wenn er in seiner Wohnung ankam... Saix wandte sich ab und fuhr wieder los - die Ampel war grün. Es war schon sehr spät geworden, die Meisten wollten nach Hause, wobei er wahrscheinlich zusammen mit Marluxia Xemnas nach Hause begleiten und noch einmal in Ruhe mit ihm sprechen würde. So konnte er es nicht stehen lassen. So nicht. Und Axel war auch noch weg... Ob er schon zu Hause war? Bestimmt... Zum ersten Mal im Leben wünschte er sich wirklich, nicht so bescheuert gewesen oder an einem anderem Ort sein zu können als jetzt. Axel scheute sich eigentlich nie vor einer Situation oder Konsequenzen, die er seinem eigenem Verhalten oder Handeln zu verschulden hatte; aber diesmal wollte er wirklich einfach nur weg. Die Polizei stellte ihm, dem Rentner und den anderen Verkehrsteilnehmern in der Nähe Fragen, Fragen die ihm im Moment einfach nur unangenehm waren - denn er war Schuld. Und er hasste sich bereits dafür. Unruhig tappte er mit dem Fuß auf und ab, während ein Beamter seine Angaben zum Fahrzeug, Art der Beteiligung und zu seiner Person auf einem Block notierte. Axel schielte leise seufzend zu dem älterem Herren neben ihm. Insgeheim hoffte er wirklich, das dieser noch einmal von einer Anzeige absah - er hatte nun schon genug Ärger mit seiner Maschine, denn den Schaden müßte er selbst zahlen, soviel war sicher. Die Versicherung kam für den Schaden ganz bestimmt nicht auf! Die nächsten Minuten zogen sich zäh an den Beteiligten vorbei, Momente um Momente verstrichen und der Fahrer des Jeeps wurde schließlich erst einmal nach Hause geschickt; um den rechtlichen Kram würde man sich später kümmern und so wurde erst einmal verblieben. Der alte Mann sah noch etwas angesäuert zu Axel; er hatte sich zwar um dessen Wohl gesorgt, aber wütend war er alle Mal. Schließlich hätte er oder gar beide ernstlich verletzt gewesen sein können oder der Wagen beschädigt. Zu Axels und auch des Rentners Glück war das nicht der Fall. Er würde sich noch gründliche Gedanken bezüglich einer Anzeige machen... Hoffentlich war die kleine Kopfwunde dem Jungspund schon mal eine Lehre! Axel sah seinem Unfallopfer hinterher. Dieser Abend war wirklich gelaufen und er mochte gar nicht an seinen Vater denken, wenn der davon Wind bekam. Klar, es war sein Ding, aber Xemnas mischte hier und da immer noch mit. Der Motorradfahrer seufzte und ließ sich wieder auf dem Bordstein nieder. Das Blut war bereits angetrocknet, ein paar Strähnen verklebt. Noch immer brummte ihm der Schädel, hin und wieder zitterten ihm die Gliedmaßen. Himmel, Ar*** und Wolkenbruch! Innerlich bebte Axel vor Zorn und Beschämtheit. Immer wieder fragte er sich, warum das ein mußte... Sich über das Gesicht fahrend blickte er abermals zu seiner Maschine. Es tat regelrecht weh, sie so zu sehen. Seine Maschine war ihm heilig. Etwas ganz besonderes... wie Zerina... Schon wieder dieser Name. Wie oft war er heute schon gefallen? Vier Mal? Sechs? Er wollte es nicht wissen. Denn bei jedem Ertönen ihres Namens zog sich alles zusammen. Jemand schien ihn von hinten zu umarmen, ihm den Brustkorb förmlich zu zerquetschen, Klauen um das Herz zu schließen und ihm das Lied vom Tod ins Ohr zu wispern... Axel sah nach oben. Aus einem ihm nicht ganz verständlichen Grund konnte er sich ziemlich gut vorstellen, das Zerina ihre Hand wie ein Schutzengel über ihn gehalten hatte, aber mit der Demolierung seiner Harley ihm einen himmlischen Tritt in den Arsch gegeben hatte. Und dabei glaubte er nicht einmal an so etwas wie Schutzengel... Seufzend wandte er den Blick wieder von dem Wolken verhangenem Himmel, welcher nur so nach Gewitter schrie und schaute den zurück gebliebenen Polizisten bei ihrer Arbeit zu. Sein Motorrad mußte abgeholt werden; also geduldete er sich wohl oder übel so lange, bis der Transporter da war. Immer und immer wieder knallte die kleine Kordel gegen das Fenster. Ein hohles Geräusch ertönte, einmal, zweimal und unter Umständen auch ein drittes und viertes Mal. Seit zwei Minuten machte er nichts anderes, als die Schnur seiner Jalousie gegen das Glas knallen zu lassen. Roxas war noch immer wach. Und noch immer langweilte er sich zu Tode. Es war still im Haus, es lief nichts anständiges im Fernsehen und lernen wollte er erst recht nicht. Lustlos schlurfte er wieder auf und ab, ließ sich auf das Sofa fallen, stand wieder auf und drehte nochmals seine Runden. Irgendwie mußte er sich doch ablenken können! Sonst wurde er noch wahnsinnig... Murrend setzte er zu der nächsten Runde durch sein Zimmer an, ließ sich auf das Sofa fallen und starrte an die Decke. Wieder lag er lange nur so da, bis sich wieder eine Frage in ihm aufdrängte, die er sich schon lange nicht mehr gestellt hatte. Weil er aufgab. Ohne hin zusehen, griff er über seinen Kopf hinweg nach dem Bilderrahmen, der auf dem kleinem Tisch an dem Sofa stand. Es war jenes Bild, das ihn mit seinen Eltern und seinem Bruder zeigte. Roxas hielt es in die Höhe, den Blick kraftlos an das Gesicht seines Bruders geheftet. Zehn lange Jahre... ehrlich gesagt wußte Roxas nicht mehr genau, ob es wirklich zehn waren. Aber...es war auch egal. Er hatte ihn im Stich gelassen, etwas gebrochen auf das Roxas gebaut und vertraut hatte. Damals als er noch für ihn da war, konnte er ihm blind vertrauen, sicher sein, das er sein Wort hielt... Als er all das ertragen mußte, was Roxas nun auf den Schultern lag. Was seine Eltern ihm nun verschärft antaten, weil sie ihn verloren hatten und nicht im geringsten wußten, wo ihr ältester Sohn war - auch nach jahrelanger Suche nicht. Er war fort. Einfach weg. Und Roxas wußte, warum. Ja, er wußte es... und er war sich ziemlich sicher, das seine Eltern es auch wußten, aber zu blind waren oder es verdrängten. Sie hatten aufgegeben, wie er irgendwann auch. Schon wieder hätte sich Roxas grenzenlos über seine Eltern aufregen können. Er verkrampfte die Hand, welche das Bild hielt so stark, das das Blut aus seinem Daumen wich und er sich weiß färbte. Sein Bruder war gegangen, weil er die übertriebene Fürsorge seiner Eltern nicht mehr ertragen konnte. Weil sie ihm ebenfalls die Freiheit genommen hatten... und gelogen hatten. "Ihr lügt! Ihr lügt doch, verdammt noch mal! Roxas verzog das Gesicht, kniff die Augen zusammen. Aber was war gelogen? Warum schrie er sie damals an...? Vage erinnerte er sich, wie er an jenem Abend aus seinem Zimmer schlich, immer den lauten, streitenden Stimmen nach. Damals kam ihm dieses Haus wie das Schloß eines Riesen vor und er war der Zwerg, ein kleines Wesen das nicht hierhergehörte. Leise und zitternd krabbelte er zum Geländer der Wendeltreppe, halb im Schatten verborgen. Die Angst zierte seine Augen, Tränen stiegen auf. Damals hatte er große Verlustängste, die sich aber mit den Jahren und der Trauer verloren. Immer, wenn seine Eltern sich mit seinem Bruder stritten hatte er Angst. Große Angst. So auch damals, als er an einem Träger des Geländers geklammert lauschte. "Man lauscht anderen nicht. Das ist böse!" hatte sein Bruder oft gesagt. Aber diesmal mußte Roxas einfach lauschen. Diese Worte, die zuerst nur gedämpft an sein Ohr gedrungen waren, zogen ihn an wie ein Magnet, als wenn sie wollten das er mit bekam worum es ging... als wenn es auch ihn betraf, das was sich dort abspielte. Leider war er zu spät gekommen, um den Sinn und vor allem den Grund dieses Streits zu erfahren. Nur wenige Momente später wünschte der Ältere ihrem Vater und ihrer Mutter die Pest an den Hals, nahm sich ein Messer von welchem Roxas bis heute nicht wußte, wie er damals daran gekommen war und ritzte sich den Ballen am Daumen unter schmerzverzerrtem Gesicht auf. Jedoch schien der Schmerz nicht von der Wunde her zu rühren - diese Schmerzen lagen tiefer, seelisch. Roxas wußte noch, das sein Bruder es hasste belogen zu werden, manchmal mehr noch als die Methoden seiner Eltern und wenn er so dermaßen durchdrehte dann war es aus seiner Sicht eine wirklich schlimme Lüge. Cassandra hatte geschrieen, eher gekreischt und gefleht, er solle das Messer weglegen doch Roxas' Bruder hörte sie nicht. Der Jüngere klammerte sich mehr und mehr an das Geländer, konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten. Seine Beinchen zuckten, waren in der Versuchung aufzustehen und dazwischen zu gehen; aber was hätte er mit seinen fünf Jahren schon machen können? Nichts. Er mußte einfach mit ansehen, was geschah. Mußte mit ansehen, wie alles zu Bruch ging und hätte er nur geahnt was geschehen oder was für Auswirkungen dieser eine, verfluchte Abend haben würde, wäre er in seinem Zimmer geblieben, nichts wissend, mit nichts das ihm Tage lang den Schlaf raubte und ihn heftige Alpträume träumen ließ, aus welchen er oftmals gerissen werden mußte. Das Blut tropfte zu Boden, passierte seinen Arm, während er die weißen Wände mit dem Lebenssaft beschmierte, wie ein Zeichen, ein Alarmsignal oder eine Kriegserklärung. Wie ein Versprechen. Wie ein Wort, das in seinem Kopf rauschte. Seine Eltern waren erstarrt. So, als wenn das alles nur ein Traum wäre, ein böser Traum aus dem sie hofften bald zu erwachen. Die Realität konnte doch nicht einfach so grausam zu ihnen sein! Ihr Ältester ließ seinen Blick in Richtung seiner Eltern schweifen, traf dabei durch Zufall den von Roxas. Kurz, nur für einen Bruchteil ruhte sein Blick auf dem Kleinen, seinen Bruder den er so lieb hatte und welcher noch immer in diesem Netz aus Lügen gefangen war. Nichts ahnend da hockte, ihn zitternd anstarrte und noch zu klein war um zu verstehen, was Cassandra getan hatte. Und was er nun tun würde. Sein Blick wurde wehleidig, ein "Leb' wohl" schwang mit, so dünn als wenn es nichts wert war, ehe er verschwand. Und das anscheinend für immer. Roxas starrte noch immer auf das Foto. Ein paar Tage später kam sein Bruder zwar noch einmal zurück um ihm ein Versprechen zu geben, das er nie gehalten hatte. "Ich hole dich hier raus, das verspreche ich dir!" sagte er damals, der Blick sanft und warm. Heute konnte Roxas über dieses Versprechen beinahe nur noch lachen. Wo war er denn? Noch immer hier! Nie war er gekommen um ihn zu holen, nie wieder! Seit Jahren wartete er und schon seit geraumer Zeit hatte er aufgegeben und hingenommen, das er eingesperrt wie ein Vogel war, dem man absichtlich die Flügel gebrochen hatte damit er nicht mehr fliegen konnte. Und erst eine Person schien ihm diese Hoffnung nun langsam wiederzugeben. Roxas hatte nun jemanden, der ihm vielleicht helfen würde, oder ihm wenigstens den Mut gab, die Augen zu öffnen und hinter diese Lüge zu kommen... oder war es töricht von ihm, zu glauben das gerade jemand wie Axel ihm helfen konnte? Jemand, der viel mehr Erfahrungen sammeln konnte, der älter war als er...? Ganz langsam stellte er das Bild zurück. Oftmals war er schon drauf und dran gewesen es zu zerstören, aber etwas hinderte ihn immer und immer wieder daran. Er klammerte sich tief in seinem Inneren noch immer an dieses Versprechen, welches wirklich nur noch an einem seidenen Faden hing und das wußte Roxas. Dafür hasste er sich. Für diese Naivität zu glauben, seinen Bruder wieder zusehen und das er ihn doch noch mitnahm... Aber wer sagte, das er sich noch an Roxas erinnerte, geschweige denn ihn noch erkannte? Zehn Jahre waren eine lange Zeit. Vielleicht war er schon lange nicht mehr in diesem Land oder ihm war etwas zugestoßen? Vielleicht wollte er ihn nicht von hier fortholen? Schon von Anfang an nicht? Konnte das sein... würde es Sinn ergeben? Roxas raufte sich die Haare. Er mußte endlich aufhören, an Vergangenem festzuhalten! Sein Bruder war kein Lügner! Er mußte auf das hören, was jetzt war. Er mußte etwas aus dem machen, was man Leben nannte. Genau, wie es Axel ihm geraten hatte... Xemnas ging so sehr in die Eisen, das er ein wenig nach vorne rutschte. Zweifelnd starrte er auf den Transporter, mit welchem gerade Axels Maschine abgeholt wurde. Seine Augen huschten verwirrt hin und her. Dort stand ein Warndreieck, Teile des Motorrads lagen auf der Fahrbahn. Was zum Teufel war - Der Superior fuhr an die Seite, stieg schnell von seiner Honda ab und riß sich den Helm vom Kopf. Es war doch nicht etwa das eingetroffen, was er insgeheim befürchtet hatte? "Axel!?", gellte er über den Platz und nach kurzem umsehen konnte er den Rotschopf schließlich ausfindig machen. Sofort rannte er auf ihn zu; hinter ihm kamen Saix und Marluxia zum stehen; der Rest hatte bereits andere Wege eingeschlagen. Axel horchte auf, machte sich aber nicht im Geringsten die Mühe, auf Xemnas zu reagieren. Lieber sah er dem Fahrer des Transporters zu, wie er sein Motorrad festschnallte, damit es bei der Fahrt nicht umkippte und noch mehr Schaden nahm. Der Bodyguard wollte nicht mit seinem Ziehvater reden. Nicht jetzt und auch nicht wenn die anderen da waren. Vielleicht würde er auch für die nächste Zeit schweigen, wie es Xemnas über zwei Jahre getan hatte. Aber reden? Nein, dazu war er gerade absolut nicht in der Lage. Axel wußte, das Xemnas ihn sehr wahrscheinlich nicht bedrängen würde, aber so wie er ihn heute erlebt hatte war sich der Fahrer nicht mehr ganz so sicher. Er wollte einfach nur noch nach Hause, zusammen mit seiner Harley die er dann erst einmal in die Garage stellen würde. Und dann würde er sich in seinem Zimmer verkriechen und sich die Birne heiß grübeln... oder er würde um die Häuser ziehen um den Kopf frei zu bekommen. Es gab vieles, was er nun gerne tun würde, vieles was er seinem Vater ins Gesicht schreien würde. Axel war wirklich sauer. Aber vielleicht aus einem anderem Grund, als Xemnas vermuten würde. "Axel! Verdammt noch mal, was ist passiert?!" Xemnas stolperte an die Seite seines Jungen, versuchte einen Blick in dessen Gesicht zu erhaschen. Doch alles was er momentan darin finden würde, war Desinteresse und Leere. Es war still, man hörte nur das Klimpern des Metalls und das reißende Geräusch, wenn die Gurte um Axels Harley festgezogen wurden. Xemnas atmete keuchend aus. Er nahm es ihm noch immer übel und das ließ er ihn nun spüren. Aber er wollte doch nur wissen ob Axel etwas zugestoßen war. Was passiert war und warum... Schmerzend ballte er de Faust. Das "warum" hätte er sich sparen können. Es lag doch auf der Hand - diese plötzliche Enthüllung, die alles über den Haufen geworfen hatte was Axel diese zwei Jahre glaubte. Diese ganzen Gefühle, die er verschlossen gehalten hatte; all das war daran Schuld. Und somit auch... Xemnas hob die Hand, wollte Axel zu sich drehen, um ihm endlich in die Augen blicken zu können, um darin lesen zu können was er nicht schon längst wußte. Als er das kalte Leder von Axels Mororradjacke berührte, drehte sich dieser weg und stieß die Hand seines Vaters unwirsch von sich. Faßte er ihn heute noch einmal an, würde er womöglich explodieren, so geladen war Axel. Äußerlich gab er sich ruhig; er hatte gelernt die Fassung zu bewahren und keine Emotionen zu zeigen, was besonders wichtig war bei seinem Nebenjob. Doch man merkte schnell, das diese Ruhe aufgelegt war wie eine Maske, da er diese wirklich selten privat aufsetzte. Als Axel sich weg drehte, war es für ihn unvermeidbar gewesen, die Wunde an seinem Kopf zu verstecken. Das Blut prangte förmlich auf seiner Stirn, wie ein belehrendes Mal welches ihm immer wieder sagen sollte "das hast du nun davon, Axel. Was fährst du auch ohne Helm los? Dafür hättest du wirklich noch die Zeit gehabt!" Es war nichts schlimmes, sicher, aber es hätte schlimmer kommen können und das wußte er natürlich. Seinem Ziehvater blieben die Worte, die er soeben an Axel richten wollte, im Hals stecken. Die Hand war immer noch in der Luft, dort wo sein Sohn sie von sich gewiesen hatte. Er hatte sich den Kopf verletzt. Xemnas hatte es genau gesehen und sofort krümmte sich alles in ihm. Es hätte sich alles wiederholen können - und das hätte er sich niemals verziehen. Wenn Axel... er mochte es nicht einmal denken. Es war schon schwer genug für beide gewesen, Zerina verloren zu haben; besonders für Xemnas da er sich die Schuld an dem Unfall gab, wie nun auch der Rest wußte. Wie oft hatte er sich damals total abgeschottet und alles, sogar sich selbst aufgegeben? Viele, viele Male. Wenn nun auch noch Axel gegangen wäre wegen diesem verdammten Chaos und Ansem... Nein, daran durfte er gar nicht denken... "Axel...bitte...ich-" Mehr bekam Xemnas einfach nicht zu Stande. Mit vor Sorge und Trauer verzerrtem Gesicht sah er seinen Ziehsohn an, welcher ihm einfach keine Antwort, geschweige denn Beachtung schenkte. Xemnas' Körper bebte vor Emotionen, vor dem Chaos das in ihm herrschte. Selbst Atmen viel ihm so schwer, als wenn er gerade einen Maraton hinter sich gebracht hatte. Heute hatte er mehr Schwäche gezeigt als jemals zuvor. Plötzlich setzte sich Axel in Bewegung, als der Fahrer des Transporters aus dem Laderaum stieg. Er wußte was in Xemnas vorging, schließlich hatte er ein Gespür für so etwas. Aber nicht nur deswegen; auch in ihm tobte ein ähnlicher Sturm der zu eskalieren drohte, wenn er hier nicht bald weg kam. Für heute hatte er wirklich die Schnauze voll und für die nächsten Tage sicherlich auch. Und irgendwelche Worte, ganz egal wie ernst gemeint sie waren, wollte er nun nicht hören. Er sprach den Fahrer an, fragte ihn ob er ihn mitnehmen würde wenn er seine Maschine schon zu Axel nach Hause brachte, wie es abgesprochen war. Nach einem leicht skeptischen Blick willigte der junge Mann ein und Axel machte die Tür auf um seinen Platz als Beifahrer einzunehmen - Xemnas ließ er stehen. Ohne einen Blick oder einer anderen Geste die sagte das es ihm soweit gut ging. Mit geweiteten Augen, nicht ganz bei sich stand der Superior auf der Straße. Xemnas lauschte, wie der Motor mit lautem Rattern anspring, der Transporter wendete und einfach mit seinem Sohn davonfuhr. Die Einzigen, die dem Wagen nach sahen, waren Saix und Marluxia. Beide glaubten, im falschen Film gelandet zu sein. "...die haben doch beide einen am Sender!", nuschelte Marluxia zu sich, bevor er seine Aufmerksamkeit auf Xemnas richtete. Dieser wandte sich gerade wie im Zeitraffer zu beiden um. Saix konnte auch aus dieser Entfernung erkennen, das Xemnas vollkommen fertig mit den Nerven war. Am liebsten hätte er beiden eine gelangt, dafür, das sie im Moment so miteinander umgingen. So etwas hatte er wirklich selten erlebt. Saix murrte, blickte zu Marluxia. Er würdigte ihn nur mit einem kurzem Blick, bis er mit verschränkten Armen zu Xemnas schlenderte. Sie mußten erstmal dafür Sorgen, das ihr Superior heil nach Hause kam. Zu einem anständigem Gespräch würden sie wohl heute nicht mehr kommen, zumal ihr Chef überhaupt nicht auf der Höhe war. "Komm... für heute reicht es...", meinte Marluxia ruhig und legte eine Hand auf Xemnas' Rücken, versuchte ihn so zum Gehen zu bringen. Xemnas blickte ihn nur mit glasigen Augen an. In solchen Momenten wurde ihm oft bewußt, wie glücklich er sich eigentlich schätzen konnte, selbst wenn es solche Probleme wie heute gegeben hatte. Das Leben strafte einen immer wieder von neuem, so hatte er den Eindruck. Aber hinter ihm standen seine Freunde, die ihn immer wieder auffingen oder ihm mal gehörig die Leviten lasen, wenn er mal auf Abwegen war. Diese Menschen, die er mehr als eine Familie ansah, als irgendwelche Verwandten. Und er hatte Axel. Aber was nützte ihm das jetzt? Nicht gerade viel. Er war einfach zu durcheinander und aufgewühlt. Marluxia brachte Xemnas zu dessen Motorrad, sah ihn noch einmal eindringlich an. Sein Gegenüber senkte leicht den Blick und nickte stumm. Tief seufzend wandte sich Marluxia um und schlenderte wieder zu Saix und seiner Maschine. "Was denkst du...?", fragte Saix, als er den grübelnden Blick Marluxias sah und dieser sich den Helm aufsetzte. "Ich denke...", hob er leiser seine Stimme und schwang ein Bein über den Sattel, "... das sich der Gute da in irgend etwas rein reitet! Wenn du mich fragst, stimmt da etwas ganz und gar nicht!" Marluxia nahm das Motorrad vom Ständer und klappte ihn zurück. Er schielte zu Saix. "...es geht vielleicht um mehr. Xemnas scheint tiefer drin zu stecken als gedacht, auch wenn ich immer noch der Meinung bin das er nichts mit dem Unfall zu tun hat, was wirklich von Belangen wäre... Wenn du verstehst, was ich meine. Zerina... ist schließlich nicht gegangen, ohne etwas zu hinterlassen." Saix wirbelte herum, blickte kurz zu Xemnas, welcher leicht teilnahmslos neben seiner Honda stand und wartete. Jetzt sah er zu Marluxia. Seine Augen funkelten bedrohlich. "Du meinst doch nicht das Erbe, oder?!", zischte er seinem Kumpanen zu. Marluxia sagte nichts. Saix knurrte, biß sich kurz auf die Unterlippe und riß seine Maschine vom Ständer. "Alter... DAS wäre wirklich das Letzte, das Xemnas gemacht hätte! Denkst du wirklich, das diese ganze Scheiße vor zwei Jahren nur wegen dem Geld passiert ist?!", flüsterte er gereizt, darauf bedacht das ihr Superior nichts mit bekam von dem, was sie hier spekulierten. Jetzt konnte jedes Gerücht schwerwiegende Folgen haben - für sie und andere. Marluxia sah ihn nur kurz an und startete dann den Motor. "Es gibt nur einen Weg das heraus zu finden. Und glaub mir, ich krieg' raus was da für krumme Dinger gelaufen sind!", meinte er noch, bevor Marluxia ohne ein weites Wort oder dergleichen los fuhr. Er nahm sich wirklich vor, diese ganze Sache aufzuklären und wenn er damit womöglich Streit anzettelte. Der Motorradfahrer war sich ziemlich sicher, das Zerinas Vermächnis - nämlich das Erbe - eine Rolle gespielt hat. Er wußte natürlich nicht genau, was in ihrem Testament gestanden hat, nur das es ein solches Dokument gab und das Zerina eine hohe Summe vererbt hatte. Xemnas hatte ein paar Mal im Delirium darüber gesprochen (weshalb Marluxia auch nicht ganz einschätzen konnte, was an den Aussagen dran war), aber wer der Erbe war oder wo sich das Geld nun befand, darüber hatte nicht eine Silbe verloren. Aber eine Vermutung hegte Xemnas' langjähriger Freund schon. Er befürchtete insgeheim wirklich, das diese junge Frau nur wegen dem Geld sterben mußte. Bald würde er es in Erfahrung bringen, ob er richtig lag... Kleine Steine knirschten unter seinen Stiefeln als Xemnas sich schließlich, unter den wachsamen Augen von Saix, fertig für die Fahrt nach Hause machte. Er brauchte jetzt unbedingt Ruhe. Vielleicht sah Morgen alles schon ganz anders aus; jedoch bezweifelte er das. Ihm schwirrte so viel im Kopf herum, so viele Vorwürfe, Fragen und Gefühle, das es ziemlich lange dauerte bis sie schließlich losfahren konnten. Hoffentlich wurde alles wieder gut...irgendwann, irgendwann bestimmt, wenn der Himmel den Blick auf die Sonne wieder freigab und die Wolken sich verzogen. Doch er wurde das Gefühl nicht los, das alles erst seinen Anfang nahm. Eine Vase ging zu Boden und zerschellte, als Axel wütend seinen Haustürschlüssel gegen diese warf und die Tür zuknallte. Ausdruckslos schaute er auf die Scherben aus weißem Porzellan. Weiß. Warum immer Weiß? Es stand für "Frieden" und "Unschuld"... für eine heile Welt. Doch jetzt kam ihm seine eigene Welt eher zerborsten vor - wie diese Vase. Jeder "Schönheit" beraubt und nutzlos. Axel ballte kurz die Fäuste, seine Handschuhe knirschten. Langsam schälte er sich aus seinen Klamotten, warf sie einfach in die Ecke neben der Gadrobe. Auf die Scherben achtete er nicht, sondern ging einfach an ihnen vorbei. Er betätigte den Lichtschalter als er sein Zimmer betrat. Das Licht brannte entsetzlich in seinen Augen, weshalb er mit der Faust sofort wieder auf den Schalter hämmerte. Nun stand er im Dunkeln, wie Minuten zuvor als er seine Maschine in der kalten Garage zurück ließ. Warum war er überhaupt hier in diese Wohnung gekommen? Er hätte doch gleich draußen bleiben können! Unschlüssig machte er ein paar Schritte zurück. Axel bereute es wirklich, gerade jetzt auch nur einen Fuß in diese Wohnung gesetzt zu haben. Jetzt, wo all diese alten Wunden wieder aufgerissen waren und sich der Schmerz quälend und betäubend langsam in ihm ausbreitete. Sein Herz schlug ihm bis zum Hals; er wußte nicht warum, aber plötzlich erinnerte ihn alles hier, jede Ecke und jeder Gegenstand an sie. An Zerina. Als wenn sie wieder da war, vielleicht jeden Moment durch die Tür kommen würde und etwas vom nächsten Imbiss mit brachte. Als wenn sie lächelnd hinter ihm stand, seinen Namen sagte. Sie war überall. Sie verfolgte ihn. Nach zwei langen Jahren, in denen er versuchte sie aus seinem Gedächtnis, aus allem zu verbannen. Es war alles wieder da: dieses Gefühl, sie immer noch bei sich zu haben obwohl sie vor Stunden erst verstorben war. Wie ein Geist der keine Ruhe fand machte sie sich überall breit, ihr Geruch schien sogar in der Luft zu hängen. Axel zweifelte in diesem Augenblick wirklich an seinem Verstand. Wollte sie ihn nun bestrafen, dafür das er sie einfach vergessen wollte? Wollte sie ihn verrückt machen? Axel begann zu zittern, fuhr herum und preschte abermals Hals über Kopf aus der Wohnung. Wie auf der Flucht raste er durch das Treppenhaus und stürzte hinaus in die Nacht. Es war bereits kurz vor Zwölf, doch das interessierte ihn wenig. Axel rannte einfach nur. Links, Rechts, einfach nur durch die Straßen, Hauptsache weit, weit weg. Weg von alle dem. Wohin ihn seine Schritte führen würden, wollte er nicht wissen. Vielleicht zu Demyx, vielleicht auch in die abgelegenen Stadtteile. Wer konnte das schon sagen. Sein Kopf dröhnte, der Atem ging nach einer Weile fahrig und die Sicht verschwamm, aber er rannte weiter. Ganz gleich, ob der junge Mann am Ende seiner Kräfte war. Vorbei an Passanten, an dem Verkehr der auf den Straßen tobte. Oft wurde er angepöbelt, als er ohne Rücksicht zwischen den Leuten hindurch lief. Axel spürte etwas auf seinen Wangen. Es waren Tropfen, salzige Flüssigkeit, die sich wenig später im seichtem Regen verlor... Behutsam zog Tai das Papier aus dem Umschlag. Schon öfters in der letzten Zeit, nachdem er in den Besitz dieser Dokumente gekommen war, hatte er sich vorgenommen sie zu Kopieren und die Originale wieder an ihren Platz zu bringen, damit er nicht aufflog. Doch immer kam etwas dazwischen. Nun hatte er aber ein paar Minuten Ruhe... hoffte er jedenfalls. Nicht umsonst war er früh aufgestanden. Es war jetzt kurz vor sieben. Die Luft, die durch das offene Fenster kam, war noch frisch und roch nach dem Regen, der sich gestern Nacht über der Stadt ergossen hatte. Zum wiederholtem Male überflog er diese Zettel. Jedes einzelne Wort würde irgendwann für ihn Gold wert sein... ebenso wie diese zwei Fotos. Lange würde er nicht mehr warten. Cassandra würde schon merken, was sie davon hatte... von diesen Geheimnissen - und sie würde alles tun, damit er schwieg... Tai würde ihre Hilflosigkeit schonungslos ausnutzen. Für andere Menschen, wie ihn zum Beispiel, waren diese Geheimnisse absurd, all dieses Getue um Roxas hätte so leicht vermieden werden können. Das sich aus einer recht simplen Angelegenheit ein solches Familiendrama entwickeln würde, hätte er niemals gedacht. Aber das war nicht sein Problem. Verschlagen lächelnd legte er das erste Blatt in den Kopierer, sah sich noch einmal in dem kleinem Büro um. Eine kurze Handbewegung, das Gerät surrte leise und begann mit seiner Arbeit. Ein paar Minuten später hatte er zwei weiße Blätter mit den wichtigen Informationen und einen Bogen Fotopapier in der Hand. Die anderen waren schon recht vergilbt und ließen ihr Alter nicht so leicht erraten. Perfekt. Nun mußte er nur noch die Originale zurückbringen und - Die Tür ging auf. Tai zuckte zusammen und versteckte die Papiere so gut es ging. Langsam drehte er sich um, damit er nicht so hektisch aussah, als wenn er etwas zu verbergen hätte. Es war aber nicht gerade seine Stärke, so plötzlich zu reagieren und sich richtig zu verhalten - er brauchte Zeit. "Ah, da bist du Tai... ich hatte dich gesucht." Marianne lugte durch den Türspalt, in einer Hand die Hundeleinen. Tai fluchte in Gedanken - dieses Weib nervte! "Und warum, wenn ich fragen darf? Ist irgendetwas passiert?", meinte er in der normalsten Tonlage, die er momentan zu Stande brachte. Tai flehte, das sie nichts mit bekam oder mit bekommen hatte. Marianne blickte ihn seltsam an. Sie zögerte leicht, ehe sie ihre Stimme erhob. "...ich ähm...also - warum hast du gelogen? Was hast du in dem Zimmer gesucht...? Das Fenster war definitiv zu gewesen, als ich an der Tür vorbei kam", sagte Marianne und versuchte Tai so fest wie möglich in die Augen zu schauen - sie wollte wissen, was er dort gesucht hatte! Tai war so oder so in letzter Zeit ziemlich ruhig und nachdenklich; richtig seltsam, als wenn ihn etwas beschäftigte. Angesprochener sah sie an, schwieg eine Weile. Da hatte er nun den Salat. Er mußte vorsichtiger sein, das stand fest. "...warum ich gelogen habe...? Weil... dieser Axel bei euch war. Cassandra hatte mich angerufen und ich sollte für sie nach einem Dokument sehen. Sie gab mir die Erlaubnis in das Zimmer gehen zu dürfen...", antwortete er, spann sich nun eine weitere Lüge zusammen und versuchte so sicher wie möglich zu klingen. So unvorbereitet auf etwas zu antworten war wirklich nicht seine Stärke, vor allem wenn es nicht der Wahrheit entsprechen durfte. Er war eher der Typ, der seine Pläne langsam und gut durchdacht anging... Marianne zog eine Braue hoch. Dokument? Cassandra hatte ihn angerufen? Wann war das gewesen...? Die Aupair blickte Tai fragend an, so ganz glauben wollte sie ihm nicht da er unsicher klang, aber dann nickte sie. Nein, sie glaubte ihm nicht. Ganz und gar nicht - und sie würde die Hausherrin nach diesem Gespräch fragen,wenn sie, voraussichtlich erst in ein paar Wochen, wieder zu Hause war. So lange würde Marianne Tai im Auge behalten. Es gefiel ihr gar nicht, das er neuerdings so komisch war. "Okay, ich...werde dann mal mit den Hunden raus gehen..." Marianne blickte noch einmal flüchtig auf den Sicherheitsmann, ehe sie sich hastig von ihm entfernte. Tai sah ihr mit bohrendem Blick nach. Er kochte. Es konnte doch nicht sein, das sie ihn tatsächlich nochmal danach fragte... "...verdammt nochmal...", flüsterte er und blickte nun wieder auf die Fotos. Ein junger Mann war darauf zu sehen. Die Bilder waren schon ziemlich alt, das wußte Tai. Über zehn Jahre bestimmt. Aber um wen genau es sich handelte mußte er erst noch in Erfahrung bringen. Und das dürfte sich als schwierig erweisen. Bis jetzt wußte er nur das alles, was sich in der Vergangenheit dieser Familie oder besser gesagt in der von Cassandra abspielte, mit diesem Mann zusammenhängen mußte. Und das dieser Typ Tais Meinung nach etwas Beunruhigendes an sich hatte. Er hatte sich vorgenommen, diesen Kerl ausfindig zu machen um erfahren zu können, wie er in dieses verworrene Netz paßte. Solange die Besitzer des Hauses nicht da waren, hatte er genügend Freiraum. Vorsichtig packte er die Originale und die Bilder wieder in den Umschlag und verstaute die Kopien. Danach wandte er sich zum gehen. Die Tür schloss sich hinter ihm, Tai blickte sich noch einmal um und vergewisserte sich, das Marianne wirklich mit den Hunden spazieren gegangen war. Ihre Jacke fehlte, und der Regenschirm. Tai atmete auf. Um Roxas brauchte er sich nicht sorgen. Er schlief mindestens noch eine Stunde, ehe er zur Schule gebracht wurde. Leise stieg er die Wendeltreppe hinauf zu Cassandras Zimmer um seinen kleinen Schatz wieder verschwinden zu lassen. Grübelnd schlenderte Marianne die Allee, in der das Anwesen stand, entlang. Regen prasselte auf ihren Schirm und sie freute sich schon darauf, wieder zurück zu können. Dafür das es Frühling war, war es noch relativ frisch und ungemütlich. Aber vorerst mußten Doge und Cooper ein wenig Freiraum bekommen. Die Rüden störten sich nicht an dem kühlem Nass, im Gegenteil, sie mochten Wasser und nahmen jede noch so kleine Pfütze mit. Marianne mußte bitter lächeln. So viele Sorgen hatte sie in letzter Zeit und es wollte anscheinend kein Ende nehmen... erst ihre Mutter, dann diese ganzen Geheimnisse und Roxas' Leiden... und nun auch noch Axel, der ihr nicht aus dem Kopf gehen wollte - und Roxas anscheinend auch nicht. Gestern, am späten Abend hatte er sie noch aufgesucht. Zuerst sagte er ihr, das ihm so langweilig wäre und ob sie nicht vielleicht irgend etwas zusammen machen könnten, sei es nun ein Gesellschaftsspiel oder ein Film den sie schauen konnten. Aber Marianne merkte schnell, das ihn etwas vollkommen andere zu beschäftigen schien. So ließ sie sich erst einmal auf ein Kartenspiel ein und musterte ihren Schützling dabei genau. Er war nicht ganz bei der Sache und sein Blick war ziemlich seltsam...die Aupair konnte es erst nicht richtig interpretieren. Dann äußerte sie einfach eine Vermutung, die ihr im Kopf herum spukte. Marianne schnitt ein Thema an, mit dem sie voll ins Schwarze zu treffen schien - als sie fragte, ob ihm vielleicht sein neuer Begleitschutz nicht mehr aus dem Kopf ging und ob er sich freute, deswegen endlich raus zu können, ließ Roxas doch glatt sein Kartenblatt fallen und starrte sie an. Das Einzige, was Marianne dabei durch den Kopf ging war "voll erwischt". Sie blinzelte. Roxas rührte sich nicht mehr, nur sein Mund klappte immer wieder leicht auf und zu, als wenn er nicht glauben könnte, was Marianne da für eine Frage in den Raum gestellt hatte. Schließlich stammelte er sich nach einer Weile des Schweigens einen Satz zurecht. "W...woher weißt du das, Marianne? Ich hab doch..." Roxas senkte dann den Blick und sah auf seine Skatkarten. Er schien wirklich nicht zu wissen, woran sie das gesehen haben könnte; auch wenn sie eher geraten hatte. "Warum beschäftigt er dich denn so?", fragte sie und setzte sich neben ihn. Lange war es wieder still zwischen den beiden, nur die Decke von Mariannes Bett raschelte ein wenig, wenn Roxas nervös auf seinem Platz hin und her rutschte. "Ich weiß nicht genau... ist es denn normal, wenn er mir nicht mehr aus dem Kopf gehen will und ich ihn immer vor mir sehe, wenn ich die Augen schließe...?", meinte er leise zu ihr, mochte sein Kindermädchen gar nicht ansehen. Es war ihm wohl peinlich darüber zu sprechen. Nervös verkrampfte er die Finger und wartete auf eine Antwort ihrerseits, aber als diese nicht kam, sprach Roxas einfach weiter. Marianne wollte es genauer wissen. Schlimm war es doch nicht, wenn er an Axel denken mußte. Nun gut, vielleicht war es nicht ganz normal, aber bei ihm konnte Marianne es sich schon vorstellen - schließlich steckte Roxas in einer ganz bestimmten Situation. Vielleicht freute er sich einfach so darauf, endlich etwas unternehmen zu können und dachte deshalb an Axel. er mußte ja mit ihm zusammen nach draußen. Und nach allem was sie bisher gehört hatte, auch wenn es nicht viel war... "Ich weiß es einfach nicht. Ich... also ich... fühle mich immer so komisch. Es...ist fast wie Aufregung oder so..." Anders hätte Roxas es langsam nicht mehr beschreiben können. Sein Herz begann wie wild zu schlagen, schneller und immer schneller. Ihm wurde warm und das Blut schoß ihm in die Ohren. Einmal hatte er sich selbst sogar dabei ertappt, wie er Axels Lächeln als "zu ihm passend" bezeichnete. Aber das erzählte er Marianne natürlich nicht. Sie sah ihn an, dachte über das nach, was er ihr sagte. Und da er es schon als Aufregung bezeichnet hatte... "Vielleicht ist es wirklich Aufregung. Am besten du wartest einfach erst einmal ab. Es wird sich sicherlich alles von selbst ergeben. Warten ist manchmal wirklich das Beste, Roxas." Das hatte sie ihm gesagt. Sie war sich sicher, das Warten das Richtige war. Es nützte ihm nicht, wenn er sich verrückt machte. Bestimmt hatte alles eine simple Erklärung und es würde sich alles ergeben. Spätestens, wenn Roxas seinen ersten Ausflug mit Axel unternommen hatte. Dann würde er ihr bestimmt freudestrahlend erzählen, was er erlebt hatte. Und doch. Marianne wurde das Gefühl nicht los, das doch mehr hinter Roxas Erklärung steckte. Allein sein abwesender Blick, sagte etwas anderes... "Als wenn es nicht schon genug wäre, das ich mir den Kopf über diesen Kerl zerbreche...", murmelte die ehemalige Aupair und sah Doge und Cooper beim spielen zu. Sie war während ihrer ganzen Überlegungen ziemlich weit gegangen. Ihre Füße hatten sie wie ferngesteuert in eine abgelegenere Gegend geführt. Hier standen viele Einfamilienhäuser, Bäume und ganze Blumenbeete waren überall angelegt. Es kam schon fast einem kleinem Park nahe. Leider regnete es noch immer. Sie überlegte, ob sie noch weiter zu dem kleinem Waldstück am Bahnhof gehen sollte. Es regnete zwar, aber die Hunde brauchten genug Auslauf. Marianne seufzte und schielte in den grauen Himmel. Dieser paßte leider sehr gut zu ihrer Stimmung. Sie blinzelte, als ein paar Tropfen ihre Augen trafen, wandte schließlich den Blick ab und rief die Rüden zu sich. Die beiden reagierten erst auf die junge Frau, sie mochten Marianne nicht wirklich, aber kamen dann doch hechelnd zu ihr getrottet. So machte sie sich mit den beiden zum Bahnhof auf. Es war ja nicht mehr so weit und eine Abkürzung nach Hause konnte sie auch durch die Schleichwege auch nehmen. Der Regen prasselte nach wie vor auf ihren Schirm. Die Hunde liefen bellend voraus und Marianne mußte aufpassen, das sie nicht zwischen den Bäumen verloren gingen. Ein wenig abseits mit den Gedanken ging sie weiter, der Boden war glitschig und sehr weich vom Regen. Kälter war es hier auch, zumindest empfand sie das so... Plötzlich fing einer der beiden Huskys laut zu kläffen an. Marianne schreckte auf und blickte sich suchend nach den Hunden um. Lange brauchte sie nicht Ausschau zu halten, denn beide liefen auf eine Bank direkt vor ihr zu. Marianne stutzte und beschleunigte ihren Schritt, als sie sah, warum beide auf diese Bank zu liefen; dort saß jemand. "Doge? Cooper, halt! Aus ihr beiden!", rief sie und lief noch ein wenig schneller - wurde aber schlagartig wieder langsamer. Die Rüden saßen nun vor der Bank, doch die Person reagierte gar nicht, sondern starrte nur auf die gegenüberliegende Seite. Die Aupair zögerte noch einen Moment, sie glaubte sich verguckt zu haben, aber dann ging sie doch langsam auf ihn zu. Er reagierte erst als der Regen aufhörte, seine Haut zu durchweichen. Trübe schaute er auf. Marianne blickte ihn besorgt und etwas geschockt an. Erst beim zweitem hinsehen war sich das Kindermädchen sicher, das es Axel war, der dort zusammengekauert wie ein Häufchen Elend saß. Und er zitterte am ganzen Körper. "W...was machst du denn hier draußen...?", fragte sie, hielt ihren Schirm etwas mehr über ihn damit er nicht noch nasser wurde. Er mußte schon sehr lange hier sitzen. Seine Lippen waren blau und er war wirklich durchgeweicht bis auf die Knochen. Müde und sehr erschöpft schien er auch zu sein. Was konnte jemanden dazu bringen, im Regen zu hocken? Noch dazu ziemlich lange? Axel schaute sie einfach nur ausdruckslos an. Einige Strähnen klebten ihm in Gesicht, sein Haar hing schlaff herunter. Warum mußte gerade sie ihn so sehen? Warum? Hätte sie nicht irgendwo anders mit den Kötern lang gehen können...? Er saß wirklich schon Ewigkeiten hier. Die ganze Nacht, vielleicht auch schon länger. Der Bodyguard hatte jegliches Zeitgefühl verloren nachdem er davon gerannt war und es ging ihm auch am Arsch vorbei. Er hatte schon wieder etwas Dummes getan. Das war das Einzige, was ihn nun beschäftigte. Axel merkte noch nicht einmal, wie kalt ihm wirklich war und das seine Haut deswegen schon jedes Gefühl verloren hatte. Marianne sah ihn eine ganze Zeit einfach nur an, sagte keinen Ton. Dann umklammerte sie ihren Schirm fester. "...ist etwas Schlimmes passiert? Sitzt du deswegen hier...?", meinte sie nun ruhig, Besorgnis hörte man dennoch heraus. Wieder sagte er nichts. Eigentlich wollte er etwas erwidern, aber seine Stimmenbänder wollten nicht so wie er. Sie sollte ihn einfach alleine lassen, aber das konnte sich der Motorradfahrer wohl abschminken, so besorgt wie sie ihn ansah... Marianne war wirklich eine der Letzten, denen er Sorgen bereiten wollte. Es reichte schon, wenn er das seinen Freunden und seinem Ziehvater antat, weil er eine ganze Nacht fort war ohne sich ein einziges Mal gemeldet zu haben... Eine Weile war es wieder still. Bis Marianne sich aus ihrer gebeugten Haltung erhob. "So geht das nicht... du verkühlst dich noch und wirst krank... wenn das nicht schon der Fall ist..." Mit diesen Worten griff sie nach Axels Arm und wollte ihn hochziehen. Er war wirklich eiskalt. Im Moment war es ihr egal ob sie ihn kaum kannte, sie wollte nur nicht das er noch länger hier saß. Das konnte sie einfach nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren. Axel mochte ihr nicht in die Augen sehen. Er verkrampfte ein wenig als sie ihn hochzog, da er sich so lange nicht bewegt hatte. Richtig stehen konnte er in den ersten Sekunden auch nicht. In den Beinen hatte er kein Gefühl und es brannte überall, als das Blut wieder ungehindert hindurch floß. "Du bist ja verletzt...!" Axel drehte leicht den Kopf weg als sie die Wunde an seiner Stirn, welche noch von dem Unfall stammte, anfassen wollte. Marianne bemerkte, das Axel es nicht wollte und nahm die Hand wieder herunter. Die Wunde schien nicht frisch zu sein aber es sah auch nicht gerade gut aus. Das getrocknete Blut war an manchen Stellen fast schwarz. Kurz sah sie noch zu ihm auf, ehe sie die Hunde zu sich rief und sich langsam mit ihm in Bewegung setzte. Sie harkte sich bei ihm ein, da er noch recht wacklig auf den Beinen war und schütze ihn mit dem Schirm vor zusätzlichen Regentropfen. Marianne würde Axel erst einmal mit zum Anwesen nehmen. Das war im Moment wohl die beste Option, zumal sie auch nicht wußte wo er wohnte. Nun traten sie stumm den Heimweg an, wobei sich Marianne immer wieder fragte, was passiert war. Würde er es ihr erzählen...? Immer wieder schielte sie zu ihm auf. Sein Blick war leer und glasig. So, als wenn er in dieser Nacht etwas Schlimmes erlebt hätte. AN: Ahhh, ich habe es endlich geschafft, dieses Kapitel fertig zu machen! Ich bin so froh... Wiedermal hat es lange gedauert...aber ich habe nicht mehr ganz so viel Zeit zum schreiben was heißen will, das es unter Umständen nun immer länger dauern wird, bis ein neues Kapitel kommt. Aber ich bin nun mal auch nur ein Mensch. Ich würde mich freuen, wenn ihr über die lange Wartezeit(en) hinwegseht und mir trotzdem treu bleibt (hab da schon so einiges erlebt...). Ich bemühe mich auch! Nun zum Kapitel... Ist mal wieder, meiner Meinung nach, viel passiert. Und es geht immer mehr voran. Denke ich jedenfalls. Vielleicht wird mich die eine oder andere böse anfunkeln, aber ich mußte mal wieder böses mit Axel treiben. Ich finde es unlogisch, wenn immer alles glatt läuft...es gibt immer Steinchen auf den Weg zum Ziel, das kennen wir ja, ne...? Außerdem ist es ja ein Drama und ne Darkfic. Ich hoffe wirklich, das es euch wieder gefallen hat und bedanke mich herzlich für die Unterstützung! Bis zum nächsten Kapitel! Eure Sinister-Sundown. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)