Clouds darken the sky von sinistersundown (Zwischen den Fronten) ================================================================================ A reticent dialouge and a cagey confession ------------------------------------------ Marianne war wirklich froh,‭ ‬als sie endlich vor der Haustür halt machen konnte um den Schlüssel hervor zuholen. Ein wenig nervös schielte sie zu Axel,‭ ‬welcher teilnahmslos neben ihr stand.‭ Er hatte die ganze Zeit kein einiges Wort mit ihr gesprochen. Vielleicht hatte er Hemmungen es ihr zu erzählen‭; ‬zumal es sie auch nichts anging,‭ ‬oder aber er war noch nicht wieder in das Hier und Jetzt gelangt.‭ ‬Aber was immer es auch war,‭ ‬so wollte sie,‭ ‬das es schnell verschwand.‭ Axel so zu sehen tat weh.‭ Er sollte nicht hier sein.‭ Erst recht nicht jetzt und in dieser beschissenen Situation. In Axels Magengegend verkrampfte sich alles vor Wut über sein eigenes,‭ ‬überstürztes und vor allem unüberlegtes Handeln. Hinzukam diese Kälte und das taube Gefühl in jeder Faser seines Körpers. So viel Mist wie in dieser einen Nacht hatte er nicht mal in dem letztem Jahr gebaut. Xemnas kam wahrscheinlich um vor Sorge und Vorwürfen. Er war so ein Idiot. Sie beide,‭ ‬wenn er es genau nahm.‭ Vater und Sohn. Axel schaute weiterhin zu Boden,‭ ‬die Gedanken sehr weit weg.‭ Alles schien sich im Kreis zu drehen und er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.‭ Eigentlich wollte er nur noch seine Ruhe und eine Runde schlafen. Nur noch die Augen schließen und herunter kommen,‭ ‬das wollte er jetzt am meisten. Axel war sich jedoch sicher,‭ ‬dass gerade das nicht möglich sein würde.‭ ‬Und schon gar nicht als Gast,‭ ‬wenn man es so bezeichnen konnte.‭ ‬Der Motorradfahrer mochte es nicht,‭ ‬wenn man ihn einfach so ohne das Wissen anderer Bewohner zu sich nach Hause mitnahm. Aber was blieb ihm schon anderes übrig? Er nahm sich vor, sobald er wieder einigermaßen aufgetaut war, das Haus dankend zu verlassen und sich mit Xemnas zusammenzusetzen, alles aufzuklären und diesen ganzen Scheiß abzuharken. Axel wollte ihm noch ein paar Takte sagen. Selbst, wenn er dabei im Halbschlaf war. Marianne drehte sich zu ihm um, hatte die Tür aufgestoßen und leicht zögernd seine Hand genommen. Sie zog ihn einfach in die Empfangshalle des Hauses. Warme Luft blies ihm ins Gesicht. Seine Haut prickelte und plötzlich war Axel doch dankbar, das Marianne ihn gefunden hatte. Nur, ob das auch für die anderen in Ordnung war, bezweifelte er. In diesem Haus war doch alles möglich. Denn als Marianne die Leinen und ihren Regenmantel weg hängte, kam eine der Putzfrauen um die Ecke und starrte Axel an, als sie ihn erblickte. So, als wenn sie noch nie überraschend Besuch bekommen hatten. Es war eine korpulente Frau mit rötlichem Haar und ihrem Gesichtsausdruck zu urteilen paßte es gar nicht, das Marianne einen Gast mitgebracht hatte. "Marianne...? Wer-", setzte sie an, doch das junge Kindermädchen unterbrach sie schnell und hob beschwichtigend die Hände. "Das ist schon in Ordnung. Er ist der Bodyguard, der auf Roxas aufpassen soll..." Eine bessere 'Ausrede' - welche ja auch unter normalen Umständen absolut zu traf - war ihr leider nicht eingefallen. Stutzend musterte die Alte Axel, welcher sie trübe, abgekämpft und mit müden Augen ansah. Sie rümpfte die Nase, als sie Axels Wunde und seine zerzausten Haare erblickte. Es war offensichtlich, was sie denken mußte. Marianne interessierte das herzlich wenig und sie ließ der Aushilfe das auch stumm zukommen. Dann winkte die Frau kopfschüttelnd ab und wandte sich zum gehen. "Mach was du möchtest, ich weiß von nichts...", murmelte sie und war schließlich verschwunden. Offensichtlich wollte sie jeglichen Ärger mit Tai vermeiden. Sie wußte, wie der Hase laufen würde. Als sie wieder alleine in der Halle waren, sog Marianne scharf die Luft ein und drehte sich mit schuldigem Gesichtsausdruck zu Axel um. Das war wohl nach hinten losgegangen - sie hätte nachdenken müssen. Seinen Job in dieser Situation zu erwähnen, war nicht gerade gut für die ersten Eindrücke der anderen. Allein diese Putzfrau hatte eine nicht gerade prickelnde Vorstellung von Axel bekommen - welche in Wirklichkeit nicht zutraf. Der Blick sprach Bände und wenn sie an eine Tratschtante geraten waren, wäre es umso schlimmer. Das wollte sie Axels Ruf und vor allem Roxas nicht antun. Sie blickte auf. "... ähm, magst du mitkommen... Axel?", fragte Marianne leise und reichte dem Durchgefrorenem abermals ihre zierliche Hand. Dieser schaute zu ihr herunter. Sie hatte ihn beim Namen genannt. Mit ihrer wunderbaren Stimme... Zögernd blickte er Marianne in die Augen. Sie waren hellblau und strahlend, obwohl sich nun ein besorgter Glanz auf sie legte. Und das wegen ihm, dem Idioten... na wunderbar. Noch ein Grund, sich heute selbst zu hassen. Letzten Endes nahm er ihre Hand. Sie war so warm im Vergleich zu seiner. "...okay...", setzte er leise hinzu - seine Stimme war noch nicht wieder zurückgekehrt. Sichtlich angespannt wartete eine junge Frau am Rande einer Seitenstraße. In regelmäßigen Abständen schaute sie auf ihre Armbanduhr und biß sich des öfteren auf die Unterlippe. Sie schien auf jemanden oder etwas zu warten. Jedes Mal, wenn jemand an ihr vorbei ging und womöglich noch einen Blick auf sie warf, schaute sie schnaubend weg. Ihr Äußeres paßte nicht in diese noble Gegend, in welcher viele Wohlhabende lebten und das war der Grund dieser Blicke. Sie wäre auch niemals hierhergekommen, wenn sie nicht etwas Wichtiges zu erledigen hätte. Sie hasste alles in diesem Viertel. Ihre Welt war jenseits dieser pompösen Häuser, genau zwischen Arm und Reich. Schließlich konnte sie aufatmen. Mit schnellen Schritten, und sich immer wieder umsehend, kam ein schwarz gekleideter Mann auf sie zu - es war Tai. Sie hob mit einer abrupten Bewegung eine Hand, schaute ihn beinahe trotzig an. "Man! Weißt du, wieviele Minuten ich hier schon stehe, du Armleuchter?!", zischte sie aufgebracht, als er nah genug herangetreten war. Ihre Augen funkelten bedrohlich. "Halt den Rand Nicole!", entgegnete Tai kühl und hielt somit ihrem giftigem Blick stand. Sie konnte froh sein, das er mit ihr noch Geschäfte betrieb nach allem, was sie schon verzapft hatte. Er hätte sich sicher auch anderer Hilfe bedienen können; leider war diese sture, kleine Furie seine einzigste Chance, herauszufinden wer der Kerl auf Cassandras Fotos war. Wenn es um pikante Informationen zu Personen, bestimmten Personen ging, dann war man bei Nicole an der richtigen Adresse. "Warum konntest du dir keinen anderen Treffpunkt aussuchen, hä? Mir geht diese Gegend mit ihren Geldscheißern' aufn' Sack!". Nachdem sie ihre Meinung aufgebracht flüsternd kund gegeben hatte, kramte Nicole hektisch in ihrer Westentasche und holte eine Packung Zigaretten hervor. Tai reichte ihr mit reserviertem Blick sein Feuerzeug, als sie ihres fluchend wieder weg gesteckt hatte. Ein Danke hielt sie nicht für nötig, lieber schenkte sie ihm einen erwartenden Blick. Sogleich öffnete Tai seine Jacke und zog aus der Innentasche einen Umschlag. "Ich kann im Moment nicht lange fortbleiben. Das würde zu sehr auffallen. Deshalb wollte ich das wir uns möglichst nahe des Anwesens treffen." Tais Gesprächspartnerin zog nur skeptisch eine Braue hoch, spie danach auf den Boden zu Tais Füßen, was dieser mißbilligend registrierte. Woher hatte diese Frau ihre Manieren? Ein Wunder, das er sich überhaupt mit ihr abgab; auch wenn es nur Mittel zum Zweck war. Als Nicole nach dem Umschlag greifen wollte, zog er ihn mit ernstem Blick aus ihrer Reichweite. "Diese Fotos MÜSSEN unbeschadet wieder zu mir zurück! Ist dir das klar, Nico-" "Ja ja, schon gut. Ich pass' schon auf. Die Dinger sind für mich ja auch was wert. Wieviel wolltest du mir noch geben? 300 Mäuse?", fragte sie beiläufig, während sie Tai den Umschlag doch abnahm und ihn mit Bedacht öffnete. Nicole ließ ihren Blick über das Gesicht schweifen, nickte und verzog leicht ihre Miene. Der Kerl auf den Bildern gefiel ihr. Er hatte ein hübsches Gesicht. "Sagen wir 400 wenn es schnell geht. Spätestens nächsten Monat muß ich wissen, wer das auf den Fotos ist, kapiert?". Der Sicherheitsmann gab seiner Stimme einen drohenden Ton, um den Worten Nachdruck zu verleihen. Es war wirklich äußerst wichtig, damit er mit seinem Plan in die Hufe kam... Seine Bekannte stieß einen Pfiff aus und verstaute die Fotos. "Hmm... dann muß dir der Kerl ja wirklich wichtig sein, wenn du für ein paar rasche Infos noch was drauflegst!", bemerkte sie grinsend. Ihre Worte klangen gedämpft, da sie mit der Zigarette im Mund sprach. Die Frau nahm einen letzten Zug, ließ den Glimmstängel auf den Boden fallen und trat ihn aus. Dann schaute sie Tai genau in die kleinen Augen. Nicole wußte genau, wie verschlagen und heimtückisch sie blicken konnten. "Ich werde sehen was sich machen läßt Alter. Kommt halt drauf an, ne?". Ihr Auftraggeber konnte daraufhin nur die Augen verdrehen. Hoffentlich hatte er hiermit keinen Fehler begannen... Die Uhr schlug gerade halb drei, als Marianne eine weitere Tasse heißen Tee aufgoss. Sie hatte die Heizung aufgedreht und Axel eine Decke zum umlegen gebracht. Er hatte sich auch rasch darin eingewickelt. Man sah ihm jedoch an, das es ihm recht unangenehm war, hier zu sitzen. Egal, wie durchgefrohren sein Körper auch war. Es war ruhig in dem großem Raum. Nur wenn der Heizkörper ab und an zischende, teils gluckernde Geräusche von sich gab, wurde die Stille durchbrochen. Selbst das Ticken der Uhr konnte man fast zu deutlich hören. Beiden kam es vor wie ein Countdown. Kurz aufblickend stellte sie Axel seine dampfende Tasse vor sie Nase. Vielleicht ging es ihm danach besser. Er hätte derweil schon wieder seufzen können. Jetzt saß er doch tatsächlich mit dem Mädchen seiner Träume in einem überdimensionalem Zimmer und wärmte seine Glieder. Zu Anfang hatte Axel alles negativ daran gesehen, das Marianne ihn aufgegabelt hatte; zumal es ihn tief in seinem Innerem verletzte, das gerade sie ihn so sah - doch nun mußte er zugeben, das an dieser Sache doch etwas gutes zu finden war. Er war allein mit der hübschen Engländerin. Und er konnte wieder einigermaßen klar denken; langsam spürte er sogar seine Hände wieder. Ohne wirklich zu mosern hatte sich Axel in das Wohnzimmer schleifen lassen und er war sogar bereit gewesen andere Klamotten anzuziehen, die Marianne ihm besorgt hatte; schließlich gab es genug Männer in diesem Haushalt. Doch das, was sie nun machte konnte er patout nicht durchgehen, geschweige denn einfach so auf sich sitzen lassen. War sie Nonne, oder wie? "...du magst mir wirklich nicht sagen warum du dort gesessen hast, oder?", fragte Marianne ein weiteres Mal. Ihre Stimme war ruhig und jedes Wort mit Vorsicht ausgesprochen. Sie ließ sich gegenüber von Axel nieder und versuchte in seinem Gesicht irgend etwas zu lesen, das ihr eine Antwort geben könnte. Er sah überhaupt nicht gut aus. Vollkommen blaß und richtig krank. Axel hatte nicht geantwortet, ihr lediglich einen Blick geschenkt welcher eindeutig aussagte, das sie nicht weiter zu bohren hatte. Und doch bewegte sie etwas dazu, weiterzufragen. Sie wollte verstehen, warum jemand wie Axel dort saß, stundenlang in der Kälte. Wahrscheinlich hatte er familiäre Probleme? Oder ihm war etwas zugestoßen, wobei er sich die Wunde an der Stirn zugezogen hatte...? Natürlich wußte sie, das sie nicht das Recht zu solchen Fragen hatte... aber... Marianne umklammerte fest ihre Tasse, fuhr mit dem Daumen über den Henkel. In ihrem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Schon seit gestern Abend. So viel merkwürdiges hatte sie in letzter Zeit beobachtet und gehört. So vieles, was nicht nur mit Axel zusammenhing. Auch Tais Verhalten ging ihr nicht mehr aus dem Kopf und laut ihrer Intuition würde alles auf etwas sehr, sehr unheilvolles zusteuern. Etwas ging in diesem Haus vor. Und nun war Axel in solch einer Situation. Es konnte nichts gutes verheißen. Marianne war nicht abergläubisch, aber sie traute ihrem Gefühl. Sie wurde unruhig und manchmal wußte sie genau, das etwas geschehen war. Wie damals bei ihrer Mutter oder ihrem Vater. Noch jeweils am selbem Tag hatte sie von all dem Leid erfahren... Schließlich stellte sie ihren Tee auf den Tisch, seufzte leise und blickte zu Axel. Ihre Bemühungen hatten keinen Zweck. "... ich hätte nicht fragen sollen. Excuse me." Marianne sah ihn aufrichtig an. Sie gab es auf. Es war töricht gewesen, zu glauben, sie könne Axel verstehen und ihm helfen. Der Bodyguard war nicht Roxas. Er würde nicht einfach reden, wenn man beharrlich nach seinen Problemen fragte. Nein, nicht dieser Mann. Axel war ganz anders. Er war aufrichtig, hatte Selbstvertrauen und lief mit erhobenem Haupt durch diese Welt, welche von Jahr zu Jahr rauher wurde. Sie hatte sofort gesehen das Axel eine kriegerische Natur hatte, ganz anders als Roxas, welcher seinen Charakter bis jetzt kaum entwickeln konnte. Und doch hatte sie es versucht. Nun ja, es war einen Versuch wert gewesen... "Lass' gut sein..." Axel fuhr sich über das Gesicht, eine kaum merkliche Röte zierte seine Wangen bereits wieder. Seine Stimme war kratzig und sehr leise, demnach war es kein Kunststück zu wissen, das sein Hals schmerzen mußte. Hundemüde war er auch noch immer, aber schlafen wollte er nicht - jedenfalls nicht hier. Aber ob er es fertig brachte, nicht vor Mariannes Nase wegzusegeln, bezweifelte er sehr stark. Es war jetzt schon ein Kampf, die Augen offen zu halten. Momente lang war es erneut still zwischen den beiden. Axel senkte den müden Blick und zog die Decke etwas mehr um sich. Es war ihm wirklich unangenehm hier zu sitzen und zu wissen, das Tai auch in diesem Haus war. Zwar hatte er sich hier noch nicht blicken lassen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis dieser Speichellecker spitz bekam, das Axel hier war. Und auch noch außerhalb seiner Arbeitszeiten - man konnte ja nie wissen, wie Tai diese Tatsache aufnahm. Was nicht hieß, das er - als Biker - Angst vor Tai hatte. Mitnichten. So weit kam es noch! Axel sollte lediglich erst am Wochenende, also übermorgen, anfangen. Jedoch stand das wohl nun auch in den Sternen... es wäre ein Wunder, wenn er nicht krank wurde. Die Aupair nickte nun schlicht und wollte es damit auch abtuen, aber das konnte sie nicht. Sie konnte einfach nicht. Axel hatte bereits nach so kurzer Zeit so viel in ihr bewegt, er stiftete Verwirrung in ihr und langsam schien sie auch zu wissen, woran das liegen könnte. Doch vor allem wollte sie ihm nun helfen. Einfach nur helfen. "...f...falls du...vielleicht doch reden möchtest...", Marianne strich sich nervös eine Strähne aus dem Gesicht und schaute zu der Person ihr gegenüber um sich zu vergewissern, das sie auch noch in der Lage war zuzuhören, "... b...bin ich gerne für dich da und höre dir zu". Vor Schreck legte sie eine Hand auf den Mund. Gott, sie wäre am liebsten im Boden versunken für diese Worte! Marianne war sich gar nicht so schnell bewußt geworden, was sie da einfach so gesagt hatte. Die Lippen hatten sich wie von selbst bewegt. Ihr Herz schlug schneller denn je und ihr wurde heiß. Mehr noch als vorher, seit sie Axel kannte. Inbrünstig hoffte die ehemalige Aupair, das sie mit ihrem Gerede nichts noch schlimmer gemacht hatte, denn sie sollte ja nicht weiter auf Axels Problemen herumreiten... Etwas brachte den Motorradfahrer dazu, den Blick von dem Teppich zu nehmen und aufzuschauen. Es waren die Worte, die soeben zu seinen Ohren gedrungen waren. Ein paar Mal durchforsteten diese Laute seinen Kopf, ehe er wußte, was Marianne meinte. Axel hatte nicht wirklich auf die Bedeutung geachtet sondern auf den Klang ihrer Stimme, die selbst so schön und klar war, wenn sie stotterte. Doch das machte sie ihm sympathischer. "Sie lässt wirklich nicht locker...", dachte er im Stillen und als er sah, das Marianne ihre Worte anscheinend schon wieder bereute weil sie aufdringlich wirkten, hätte er glatt mit den Augen rollen können. Dennoch schien es Axel nicht wirklich zu stören, gerade weil sie ihre Hilfe und ihr offenes Ohr anbot. So nickte er ohne ein Wort. Gewonnen. Marianne stutzte kurz, war überrascht, doch dann schenkte sie ihm ein strahlendes Lächeln - Axel hatte plötzlich das Gefühl, von einem Hochhaus Bungee zu springen, so sehr kribbelte es ihn im ganzem Körper. Es war ein anderes Kribbeln als das, welches er wegen der schwindenden Kälte verspürte... es war berauschend und zog seine Lebensgeister aus ihrem Tiefschlaf. Jedenfalls hatte er den Eindruck. Bei so einem Lächeln wurde doch jeder Mann aus der Reserve gelockt! Die junge Engländerin schien ja wirklich an ihm interessiert zu sein; oder besser gesagt an seinem seelischem Wohl. Das war doch schon mal was, oder? Er war auf jeden Fall an ihr interessiert. Es klopfte an dem Türrahmen. Marianne fuhr erschrocken herum. Weder sie noch Axel hatte mit bekommen, das die Wohnzimmertür aufgegangen war und jemand in der Tür stand. Beide kamen sich nun wie Fliegen in einem Spinnennetz vor. Und die Spinne trat nun mit argwöhnischem Blick näher. Seine Stiefel gaben ein dumpfes Geräusch auf dem Teppich ab und als er stehenblieb, verengte Axel sogleich seine Augen. Man konnte die Anspannung in der Luft schon förmlich auf der Haut spüren. Das konnte noch heiter mit den beiden werden, wenn sie sich schon so giftig ansahen. Und dabei war noch nicht einmal ein Wort gefallen, er hatte lediglich den Raum betreten. Marianne massierte angestrengt ihre Schläfe. Sie konnte auch einen leisen Seufzer nicht unterdrücken, ebensowenig, das sich ihre Nackenhaare aufstellten. Das Tai auch immer zu den unpassendsten Zeiten auftauchen mußte! "Sieh an, wer beehrt uns denn da so frühzeitig?", frohlockte Tai gespielt und grinste so breit, das es schon unheimlich war. Man sah dem Angesprochenem an, wie es ihm in der Faust kribbelte. Axel hätte ihm dieses dreckige Grinsen so gerne ausgetrieben, doppelt und dreifach, solange, bis der Kerl ihm die Schuhe putzen und um Gnade winseln würde. Aber nein, er war leider Gottes an etwas gebunden was sich "Anstand" nannte. Den Respekt hatte er schon bei ihrer ersten Begegnung gestrichen. "Tai... also... das war meine Idee... wenn du jemandem irgend etwas an den Kopf werfen willst, dann mir!" Marianne suchte nach Worten doch am meisten mußte sie sich darauf konzentrieren, die Fassung zu behalten und nicht pampig zu werden. Was hatte Tai nur gegen Axel? Dieser sah sie nun kurz an, schenkte seinem Widersacher aber sofort seine Aufmerksamkeit. Er war gespannt auf dessen Reaktion. Tai ließ sich Zeit. Er reagierte gar nicht auf Mariannes Anspielung, sondern schenkte seine gesamte Aufmerksamkeit ihrem Gast. Der Sicherheitsmann blickte Axel ins Gesicht, so als wollte er durch ihn hindurchsehen um herauszufinden, was der Rotschopf dachte. Zuerst war Axel der Meinung, Tai wollte ihn wieder zur Sau machen oder besser gesagt, eine spitze Bemerkung abgeben, nachdem er sein "Opfer" analysiert hatte; doch er konnte seltsamer Weise an dem Blick sehen, das es diesmal nicht Tais Absicht war. Er betrachtete Axel ganz anders als sonst. Forschend, ja schon fast interessiert. Und vor allem konnte man sehen, das er angestrengt nachdachte. Axel wollte gar nicht wissen, was diesmal in seinem Kopf vorging. Schließlich blinzelte Tai kurz und blickte zu Marianne. "...soso... na gut...", murmelte er und - die beiden wagten kaum zu glauben was sie sahen - wandte sich ab. Tai verließ einfach das Zimmer. Ohne irgend ein Wort. Nichts. Die Tür schloß sich hinter ihm und die beiden waren wieder alleine mit ihrer Tasse Tee und dem Gefühl, das etwas ganz und gar nicht stimmen konnte. Marianne wurde regelrecht schlecht. Eine peinliche Stille legte sich über den Raum. Axel verzog mehr als perplex das Gesicht. Was sollte das denn?! Im Flur angekommen, mußte sich Tai erst einmal grübelnd gegen die nächste Wand lehnen. Warum war ihm diese Möglichkeit nicht schon früher in den Sinn gekommen...? Seit wann war er denn so blind...? Leise über sich selbst lachend, stieß sich Tai wieder von der Wand ab und ging leise seines Weges. Das alles nahm wirklich konfuse Züge an... Er mußte darauf Acht geben, die Fäden in der Hand zu behalten. Nun schienen wirklich alle Figuren das Schachbrett betreten zu haben. Tai brauchte nur noch anfangen zu spielen... Ganz und gar angespannt ging Xemnas im Wohnzimmer auf und ab. Alle paar Minuten schaute er auf die Uhr, wandte sich wieder ab, setzte sich hin und stand dann doch wieder auf. Er wurde noch verrückt. Warum meldete sich Axel nicht bei ihm? Wieso wußte keiner, wo er abgeblieben war? Er war doch schon mal wieder hier gewesen, aber wo war er nun die ganze Nacht geblieben? Xemnas hatte sogar schon im Thirsty Devil angerufen, aber auch dort hatte man ihn seit ihrem gemeinsamen letzten Besuch nicht mehr gesehen. Nicht nur der Superior war äußerst nervös. Auch Marluxia, welcher bei ihm geblieben war. Ihn machte es nicht wirklich zu schaffen das Axel nicht da war, schließlich war der Junge erwachsen, aber es machte ihn kirre, zu sehen wie Xemnas einen Graben in den Boden lief und sich dermaßen verrückt machte. Schließlich schüttelte Marluxia resigniert den Kopf und massierte sich den Nasenrücken. So ging es nun schon über Stunden. "Xem, jetz' bleib doch endlich mal stehen und setz' dich hin! Das hält doch keiner aus wie du hier auf und ab-" "ICH KANN MICH ABER JETZT NICHT EINFACH HINSETZEN UND DÄUMCHEN DREHN'!" Abrupt war er stehengeblieben und hatte Marluxia angeschrien. Er hatte überhaupt nichts mehr unter Kontrolle und so konnte Xemnas auch seinen Tonfall nicht mehr zügeln - die Nerven lagen mehr als blank. Dennoch gab er es auf. Erledigt ließ sich der Superior auf den Sessel fallen, vergrub sein Gesicht in den zitternden Händen. Wieso war alles nur so gekommen? Warum hatte er nicht schon viel früher mit der Sprache herausgerückt? Dann wäre es nicht zu diesem Chaos gekommen und seinem Ziehsohn wäre nichts passiert... Marluxia sah Xemnas an während er gründlich über seine Vermutung nachdachte. Er hatte jede Möglichkeit die ihm einfiel durchgedacht und abgeschätzt, wie sie mit dem Unfall in Verbindung stehen könnten. Und doch war er nur zu zwei logischen Möglichkeiten gekommen: Erstens, es war wirklich ein normaler Unfall gewesen und keinen aus der Familie traf die Schuld daran, oder zweitens: Es hatte wirklich etwas mit dem Testament von Zerina zu tun und das Geld, egal wie hoch die Summe auch war, spielte eine entscheidende Rolle. Der Sensing Nobody tippte jedoch eher auf letzteres. Denn Ansem war schließlich auch noch da; und wer wußte, ob der Kerl nicht seine Finger im Spiel gehabt hatte? Diese Vorstellung letztens hatte er sicher nicht nur veranstaltet um alle über dieses Geheimnis aufzuklären und zwischen Axel und seinem Bruder Streit zu säen. Sicher war dort noch mehr hinter gewesen. Dessen war sich Marluxia sicher. Nach einer langen, stillen Pause für beide, setzte er schließlich zu einer relevanten Frage an. Er war sich absolut bewußt, das es vielleicht nicht der beste Zeitpunkt war, aber dennoch fragte er. "Xemnas. Ich will jetzt mal Klartext von dir hören: Hast du vielleicht schon mal daran gedacht... das jemand hinter Zerinas Geld her sein könnte? Hast du es mal irgendwie in Erwägung gezogen, das das Erbe eine Rolle spielen könnte?" Angesprochener war leicht zusammen gezuckt. Xemnas hob sachte den Kopf und sah Marluxia mit aufgerissenen Augen an. Er schien zu wissen, worauf Marluxia hinaus wollte, und doch war er sich nicht sicher. "Was... meinst du damit? Denkst du etwa... ich...!", erwiderte er der Superior entrüstet, in seinen Augen blitzte der Zorn auf. Er wäre doch niemals auch nur auf die Idee gekommen...! "Hey, stop! Du weißt genau, das ich dir nicht einmal ansatzweise die Schuld an dem Unfall gebe. Du hast nicht gepfuscht bei der Reparatur, das ist klar. Ebenso wie klar ist, das du niemals ein Verbrechen begannen hättest, nur um an Kohle zu kommen. Dafür kenne ich dich zu lange." Marluxia beuge sich vor, stützte einen Arm auf dem Tisch auf. Er sah Xemnas genau in die Augen, sein Blick war sehr ernst. Er würde nun keinen Rückzieher mehr dulden. Entweder, sein Chef sagte nun was er wußte, oder es würde nie klar werden warum Ansem diese Geschichte wieder aufgerüttelt hatte. Und nicht eher würde er hier weggehen. "Also. Dann schieß' mal los. Was ist mit dem Testament?" "...nichts." Marluxia schaute ihn giftig an, drohte ihm stumm. Er beugte sich noch mehr vor, klopfte mit seinem Zeigefinger auf die Tischplatte. "Wenn du jetzt nicht augenblicklich mit der Sprache rausrückst, dann haben wir beide ein Problem! Du weißt, wie ich bin. Ich krieg' dich zum reden. Kein Problem. Brech' ich dir ein zwei Rippen wenn's denn nicht anders geht und du nicht den Mund aufmachst. Ist mir dann auch scheiß egal ob wir uns nun zehn oder zwanzig Jahre kennen. Selbst wenn du mich dafür rausschmeißt. Egal. Dann bin ich halt' draußen. Hauptsache, du sagst endlich wie der Hase läuft, klar?" Marluxias Stimme war mehr als deutlich und gereizt. Xemnas wußte, das es sein voller Ernst war. Sein Kamerad hatte seine Methoden und er scheute sich nicht, sie anzuwenden. Wenn es darauf ankam war es Marluxia Schnurz, wer vor ihm stand. Er schluckte hart, seufzte tief und schaute zu Boden. Erst, als Marluxia ihm mit gewissem Unterton bat, ihn verdammt nochmal anzusehen wenn er mit ihm sprach, schaute Xemnas wieder auf und begann zu erzählen. "... ich habe das Testament, aber das Geld nicht. Ich weiß auch, was darin steht... und wer es bekommen würde." Er lächelte bitter. Zerinas Worte von damals fielen ihm wieder ein. Wie sicher sie diese doch aussprach... "... ihr Ehemann würde das Geld bekommen." Sein Gegenüber zog die Augenbrauen zusammen. Das war ja was... Zerina hätte dann wirklich vertrauen in denjenigen gehabt, da dieser Umstand sicherlich den ein oder anderen gierig gemacht und sie damit in Gefahr gebracht hätte. Und nur jemand der sie wirklich liebte, hätte das Geld dann auch verdient. Es war schon hammerhart, wenn nicht ihre Familie das Erbe bekommen sollte; aber an ihrer Entscheidung konnte man nun auch nichts mehr ändern. Moment. Wollten sie und Xemnas nicht heiraten...? Hatten die beiden nicht so etwas in der Art mal erwähnt? "...du sagtest, du hast das Geld nicht. Ihr wolltet aber schon heiraten, oder? War da nicht was?" Xemnas nickte nach einer Weile. Er erinnerte sich noch genau daran. Zerina meinte, das sie nur heiraten würde wenn sie genau wüßte, das sie den Richtigen und nicht irgendeinen daher gelaufenen, guten Schauspieler ergattert hätte. Diese Frau war schon sehr vorsichtig mit der Liebe gewesen. Und dann hatte sie irgendwann Xemnas gefragt, ob er es sich vorstellen könnte. Er hatte mit Ja geantwortet und ihr die Ehe versprochen. Und wenig später gab es den Unfall. Noch bevor die beiden überhaupt ihre Hochzeit geplant hatten. Selbst Axel hatten sie noch nichts gesagt. Es sollte eine Überraschung werden. Zerina hatte es sich so schön ausgemalt. Selbst Axels Gesicht hatte sie sich bildlich vorgestellt und dabei leise gekichert. "Wie du weißt, haben wir nie geheiratet. Demnach habe ich das Geld auch nicht. Niemand hat es bekommen", fuhr Xemnas fort, schaute derweil aus dem Fenster. Jetzt, wo Marluxia ihn darauf angesprochen hatte, fragte er sich wirklich, ob diese ganze Sache vor zwei Jahren mit dem Geld zusammenhing. Es könnte tatsächlich sein... doch er hoffte, das dem nicht so war. Ein Mensch durfte nicht wegen der Geldgier eines andren sterben. Und wenn Zerina wirklich zwischen die Fronten geraten war, so würde er es demjenigen nie verzeihen das er sie dorthin getrieben hatte. Er könnte für nichts garantieren. "Und wo befindet sich das Geld nun?" Marluxia lehnte sich nun wieder zurück, schaute ebenfalls aus dem Fenster. Die Wolken und der Regen hatten sich noch nicht verzogen. Es war alles nach wie vor grau in grau. Sehr langsam bewegten sich seine goldenen Augen auf seinen Gesprächspartner und kehrten dem Wetter und Treiben draußen den Rücken. Wieso passte es immer perfekt zu den Geschehnissen...? Ein letztes Mal holte Xemnas tief Luft. "Sicher in einem Schließfach der Bank..." Roxas schloß erleichtert seufzend hinter sich die Haustür. Wie froh er doch heute war, zu Hause zu sein - das kam so gut wie nie vor. Er war schon mit schlechter Laune aufgestanden und als er der Meinung war, das es nicht noch schlimmer werden konnte... was wurde es da? Schlimmer. Diesen Schultag würde er wohl niemals vergessen... Roxas hätte es nie für möglich gehalten, das sich Lehrer so weit in sein Leben einmischten. Achtlos stellte er seine Schultasche neben den Ständer mit den Regenschirmen, schälte sich aus seiner Jacke und den Schuhen, tappte zur Küche. "Marianne? Wo bist du...?", rief er mit hörbar niedergeschlagenen Stimme, während er sich ein Glas Limonade einschenkte und es in einem Zug zu leeren begann. Als keine Antwort kam, zuckte Roxas nur mit den Schultern. Dann wird er sie auch noch suchen müssen. War ja klar. Er stellte das Glas wieder ab, fuhr sich kurz durch das Haar und machte sich auf den Weg, sein Kindermädchen ausfindig zu machen. Er mußte ihr unbedingt etwas erzählen! Vielleicht wußte sie Rat. Roxas könnte sich mit diesem Problem an niemand anderen wenden. Schnellen Schrittes machte er sich auf zu ihrem Zimmer, dort, wo sie um diese Zeit meistens war. Alles, was er jedoch fand, war ein leerer Raum. Wunderbar. Roxas hatte wirklich keine Lust mehr. Solche Kleinigkeiten ließen ihn sich an Tagen wie dem hier wünschen, einfach tot umzufallen. Dann wäre alles vorbei und er hätte es vielleicht besser... "Hrm..." Roxas schloß die Tür wieder, ignorierte diesmal die Angestellte die ihm über den Weg lief und kam nun erst auf die Idee, das Marianne vielleicht auch in dem Wohnzimmer sein könnte. Hastig rannte er wieder herunter, riß wenige Augenblicke später die Tür zum Wohnzimmer auf, als er ihre Stimme aus dem Raum vernahm. "Marianne! Du wirst nicht gla-" Abrupt brach Roxas ab. Wie im Zeitraffer sackte seine Hand vom Türgriff und ließ ihn zurückschnappen. Plötzlich stockte ihm der Atem und Roxas war, als wenn ihm ein Kloß im Hals steckte. Er starrte einfach nur gerade aus auf die Person, die dort auf dem Sofa saß und ihn mit kleinen Augen ansah. Der Junge fühlte sich vollkommen vor den Kopf gestoßen. Ihm blieb sogar der Mund offen stehen. Was machte Axel denn hier?! Dieser Anblick war wirklich zu komisch - Roxas sah ihn an wie ein Auto ohne Licht. Richtig perplex und so, als wenn er gerade an seinem Verstand zweifelte. Ohne es zu wollen hatte Roxas Axel damit ein freches Grinsen entlockt. Da war wohl jemand geschockt! "Tag' Kurzer." Sofort schloß Roxas seinen Mund wieder, starrte Axel aber immer noch an. Seine Nackenhaare stellten sich auf und ihm wurde abermals komisch. Ihn befiel wieder dieses Herzrasen, heiße und kalte Schauer wechselten sich ab. War es denn schon... soweit...? Durfte er... Wieso sollte Axel denn sonst da sein...? Früher als vereinbart? Roxas' Stimmung machte einen Sprung von Null auf Hundert. Er freute sich innerlich total, das Axel da war, warum auch immer. Er freute sich einfach ihn wiederzusehen. Schon die ganze Zeit in der er Axel nicht gesehen hatte, verspürte er Vorfreude auf das Wiedersehen; sie war eigentlich immer da gewesen, ganz egal wie verwirrt Roxas wegen diesem Mann auch war. Erklären konnte der junge Hausherr diese Hochstimmung in seinem Innerem aber nicht wirklich. Konnte man sich über jemanden so freuen, den man kaum kannte? Oder war diese Freude anders zu begründen? Nein. Am liebsten wäre er ja freudestrahlend auf Axel zugerannt, wäre ihm sogar um den Hals gefallen. Ja, Roxas war sich sicher, das das geschehen würde - wenn er sich denn hätte rühren können. In ihm rief zwar alles lauthals "Axel ist da", aber Roxas konnte in diesen Augenblicken nicht einen Fuß vor den anderen setzen. Nicht einmal seine Freude konnte er in seiner Mimik zeigen. "Eh... ähm... was..." Mehr bekam Roxas nicht heraus. Kein einfaches "Hallo". Warum lief gerade jetzt alles schief? Axel fuhr sich durch die Haare. Eigentlich hatte er keine Lust, nochmals zu erklären, wie er den Weg hierher in die gute Stube gefunden hatte. Seufzend beugte der Bodyguard sich vor. Wirklich kurz angebunden spann er sich eine Geschichte zurecht, die Stimmen konnte, aber auch nicht zu viel preisgab. Marianne sagte nichts dazu. Sie konnte sich denken, das Axel um den heißen Brei redete; vielmehr war ihr Interesse auf den kleinen Blonden gerichtet. Roxas starrte Axel an, als wenn dieser zwei Köpfe hätte. Sein Blick war erst so perplex und abwesend; neben Roxas hätte jemand tot umfallen oder sich winden können, er hätte es mit Sicherheit nicht bemerkt. Doch nun wechselte er von absolut perplex auf besorgt. Und so besorgt hatte Marianne den Kleinen - wenn sie ehrlich war - noch nicht gesehen. Damals vielleicht, aber... so... Axel hatte fast mit seiner Geschichte geendet, als Roxas ihm schon halb ins Wort fiel. "D... du hast so lange im Regen gesessen? Da wirst du doch krank... Axel..." Die Stimme Roxas' war sehr leise zum Schluß geworden. Offenbar wollte er Axel weder ins Wort fallen, noch kund geben, das er sich sorgte. Selbst seine Stimme hatte ihn nun leicht verraten. Roxas' Augen waren noch immer auf seinen baldigen Bodyguard gerichtet. Sowas konnte er doch nicht machen! Axel durfte jetzt nicht krank werden! Nicht jetzt... Jener legte nun leicht den Kopf schief. War das wirklich aufrichtige Sorge in den Augen dieses kleinen, verwöhnten Bengels? Ein wenig zog er nun die linke Braue hoch, sah kurz verwundert drein; doch es wechselte schnell in ein dünnes Lächeln. Worüber der sich doch den Kopf zerbrach... "Mich kriegt man nicht so schnell klein, Kurzer. Aber trotzdem Danke für deine Besorgnis. Und deine natürlich auch.", setzte er noch hinterher, drehte sich zu Marianne. Okay. Klein bekam man ihn wirklich nicht leicht; aber das er sich gut fühlte, konnte er nicht behaupten. Kopfschmerzen hatten nun die Kälte abgelöst. Axel kämpfte wirklich damit, sich nichts anmerken zu lassen, obgleich er wußte das er diesen Kampf schon vor Stunden verloren hatte - er schlief wirklich schon fast. Es war nur eine Frage von Minuten, bis er wegsegeln würde. Er konnte doch nicht so lange hierbleiben. Das ging nicht! Nicht so! "Ich sollte nach Hause...", nuschelte er eher zu sich, als zu den beiden anderen in diesem Raum. Und er schien nicht mal mit bekommen zu haben, das beide seine Worte wohl vernommen hatten. Denn Marianne und - zu ihrer Verwunderung - besonders Roxas sah ihn nun empört an. "Das kommt gar nicht in Frage. Nicht in dem Zustand...!", hielt Marianne gegen und stand langsam auf. Axel konnte das wirklich nicht ernst gemeint haben. Er würde doch auf halbem Weg an der nächsten Wand lehnen und schlafen. Und vor allem war er dabei, mordsmäßig krank zu werden; mit Fieber rechnete die junge Frau alle Mal. Sie konnte nie und nimmer verantworten, Axel so gehen zu lassen, zumal ihr Gewissen verrückt spielen würde. Allerhöchstens in Begleitung würde sie Axel gehen lassen. Aber erst später. So sah sie ihn nun auch an, schüttelte leicht den Kopf. Axel blickte sie nun fragend an. Er schien wirklich kaum noch etwas mit zu bekommen. "Du wirst noch hier bleiben und wenigstens versuchen, ein wenig schlafen. Danach können wir dich immer noch nach Hause bringen, okay?" Das Kindermädchen war sich überhaupt nicht sicher, ob Tai da mitspielen würde (gerade, weil dieser sich so extrem seltsam verhielt), aber dennoch wollte sie das Axel hier blieb. Es war auf jeden Fall besser. Der Betroffene hatte dazu rein gar nichts gesagt. Nicht einen Ton. Er sah sie nur an. Roxas hatte sich ebenso wenig zu Mariannes Idee geäußert; nur seine Stimmung und Mimik hatte sich wieder geändert. In seinem Kopf schwirrte alles durcheinander, nicht zu letzt die Gedanken, das Axel einfach nicht krank werden durfte und das dieser gerade deswegen noch länger hier blieb. Es bedeutete, das er länger bei Axel sein könnte, das er es genießen könnte das noch jemand da war, der ihn verstand. Selbst, wenn es demjenigen nicht gut ging. Es war nicht gerade fair um nicht zu sagen egoistisch, aber Roxas gefiel dieser Gedanke bis zu einem gewissem Grad. Und dafür schämte er sich sehr. So sehr, das er sich zögernd abwandte, die Augen nach unten gewandt. Was ritt ihn nur dazu, so zu denken? Das würde dann doch fast bedeuten, das er sich freute wenn es Axel schlecht ging! Roxas überkam gerade ein regelrechter Brechreiz. Mit einem Mal schmerzte dieses pochende Etwas, welches ihn Augenblicke zuvor noch mit Glück überhäuft hatte. Der Junge mochte sich gar nicht ausmalen was passieren würde, wenn Axel auch nur ansatzweise wüßte, was in seinem Kopf vorging. Diese ganze Lage um ihn herum und in seinem Innerem bereitete Roxas enorme Kopfschmerzen. Er war so verwirrt und fühlte sich absolut verloren und allein gelassen. Fast jede Minute und jeden Gedanken drehte sich alles nur um einen Menschen, der für ihn bald so nah schien und dennoch so fern war. Der Junge wußte es einfach. Außerdem könnte er niemals den Mut aufbringen Marianne einfach zu sagen, was in ihm vorging oder es zumindest zu umschreiben. Das Letzte Mal war nur ein hin und her gewesen... Erst, als Roxas an der Tür angekommen war, bemerkten die beiden Erwachsenen, das er sich abgewandt hatte. Man sah dem Jungen oft sein Leid an. Es war wie eine Maske, die er immer dann aufsetzte, wenn sein Leben schier unerträglich war. Demnach hatte er sie ständig aufgesetzt, nahm sie so gut wie nie ab. So auch letzte Nacht als sein Kissen von diesem Leid, der Verwirrung und dem Eindruck, von seinen Gefühlen total unterdrückt zu werden, ganz feucht geworden war. Es machte ihm so zu schaffen, nicht zu wissen was in ihm vorging, das er befürchtete zu zerbrechen. Dabei war er doch so viele Jahre unwissend gewesen... "Roxas? Wo willst du denn plötzlich hin?" Sein Kindermädchen hatte sich aus der Sitzecke gedrängt und war nun hinter ihn getreten. Manchmal verfluchte Roxas ihren sechsten Sinn. "Ich... schaue nach, ob das Bett im Gästezimmer bezogen ist..." Diese Worte kamen sehr trocken über seine Lippen. Gleich nachdem er sie ausgesprochen hatte, zog Roxas auch schon die Tür auf und schlich auf den Flur. Seine Schritte waren schnell und fest. Im Moment wollte er einfach nur weg. Weit weg, um die Scham und sein Gesicht nicht zeigen zu müssen. Wie feige und erbärmlich er sich dadurch auch noch vorkam... Ein Seufzer begleitete die langsam verstummenden Schritte auf dem Flur. Marianne schaute noch einmal kurz über ihre Schulter, bevor sie zur Tür ging. "Warte hier einen Moment!" meinte sie zu Axel, als sie verschwand. Marianne wollte Tai ausfindig machen, oder zumindest ihre Vorgesetzte. Einer mußte ja Bescheid wissen. Axel hatte ihr angestrengt nachgesehen. Jetzt wo er allein war, wurde er nur noch müder. Nun gähnte er sogar zum ersten Mal; zuvor hatte er es erfolgreich unterdrücken können. Seufzend fuhr er sich über das Gesicht; in seinen Lidern schien Blei zu hängen. Er wollte doch nicht länger als nötig hier bleiben, verdammt nochmal... Mit einem Mal schien alles ganz schnell zu gehen: Das Ticken der Standuhr wurde immer leiser, die Polster des Sofas knisterten, als er sich wartend zurück lehnte... und ehe Axel noch einen Gedanken erhaschen konnte, war er auch schon eingeschlafen. Wo er doch so lange durchgehalten hatte - irgendwann konnte der Körper einfach nicht mehr und verlangte nach Ruhe. Auf dem Rückweg trafen sie sich wieder. Ihr Schützling zog ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Von Freude war keine Spur zu finden, wo Marianne noch hätte wetten können, das Roxas sich freute. Sie hatte Tai ausfindig machen können; diesmal war er nicht so zurückhaltend. Eine kurze Diskussion entstand, Marianne mußte alles auf ihre Kappe nehmen, aber es war ihr relativ egal. Und das hatte sie Tai auch so ins Gesicht gesagt. Sie ließ sich von ihm doch nicht alles gefallen! Marianne öffnete die Tür während sie mit Roxas redete, obwohl dieser nicht wirklich etwas von sich gab. Als sie aufblickte, mußte sie ein paar mal genauer hinsehen. "Sieh mal! Nun ist er doch tatsächlich auf dem Sofa eingeschlafen!", flüsterte sie und beugte sich leicht zu Roxas vor. Der Angesprochene schaute nun erst richtig hin. Verwunderung fand sich in seinem Gesicht. So, wie Axel dort schlafend saß, den Kopf leicht zur Seite geknickt, erinnerte er Roxas an ein kleines, niedliches Kind. Eines, das friedlich nach einem langem Tag schlief. Er wußte wie absurd dieser Vergleich war aber dennoch mußte er ihn stellen. So entspannt hatte er sich Axel nicht wirklich vorstellen können. Ausgelassen ja, völlig entspannt nicht. Jeden, der Axel nun wecken wollte, hätte er rausgeworfen. Roxas schluckte merklich, nickte dann zaghaft ohne Marianne anzusehen. Er sah nicht wie sie sich lächelnd aufrichtete und Axel abermals ein zauberhaftes Lächeln schenkte, durch den Raum schlich und die Vorhänge sorgsam zuzog, damit das graue Licht, welches durch die dichte Wolkendecke fiel, ihn nicht wecken konnte. Der junge Hausherr reagierte erst wieder auf sie, als sie ihm zuflüsterte Axel nun lieber in Ruhe zu lassen, bis er wieder aufwachen würde. Abermals nickte Roxas stumm und sie gingen, nachdem sich die Tür leise geschlossen hatte. Dann war es lange still. Sein Atem ging so flach das er schon leicht zitterte beim ausatmen. Er traute sich einfach nicht, laut zu sein. Roxas schlich so lautlos wie möglich zu der großen Flügeltür. Fast eine Stunde war nun vorüber gegangen, seit er mit seiner ehemaligen Aupair das Wohnzimmer verlassen hatte um den Schlafenden in seiner verdienten Ruhe nicht zu stören. Diese eine Stunde kam ihm so unendlich lang vor. Zu wissen, das sein Bodyguard hier im selben Haus und er doch nicht bei ihm war, das konnte Roxas sich zum ersten Mal nicht richtig vorstellen. Normal hätte er jeden anderen Bodyguard ans Ende der Welt gewünscht. Aber Axel war nicht "jeder andere". Axel war Axel. Jemand besonderes. Es war schier unvermeidlich gewesen, das ihn seine Füße wieder hierher tragen würden. Außerdem er wußte wieder nicht was ihn dazu trieb, nur das er es tun mußte. Zittrig ausatmend stand Roxas nun wieder vor dem Wohnzimmer und starrte hinauf. Vage erinnerte er sich daran, wie riesig sie ihm in jungen Jahren vorkam. Fast wie eine Tür zum Thronsaal. "Nun mußt du auch hinein gehen, bevor jemand fragt!" hallte eine kleine Stimme durch den Dschungel aus verschiedenen Gedanken. Langsam griff der Junge nach dem Türgriff, zögerte, nahm die Hand sogar wieder herunter ehe er sich einen Ruck gab um sie leise zu öffnen. Leider quietschte das gute Stück ein wenig und er hätte beinahe wieder Kehrt gemacht. Als Roxas schließlich im Raum stand, wäre ihm beinahe das Herz in die Hose gerutscht. Was zum Teufel unternahm er hier eigentlich?! Warum ging er hierher? Es gab hier doch nichts außer jemanden, der es verdient hatte nicht gestört zu werden! Und schon gar nicht von ihm. "Oh man..." Roxas schüttelte den Kopf. Ein wenig betreten schaute er auf seine Beine, welche so sehr zitterten, als wenn der Boden aus Wackelpuddig gemacht wäre. Er hätte heulen können. Warum tat er das nur? Warum gab er einer kleinen, fiktiven Stimme in seinem Kopf nach und war in dieses Zimmer gekommen? Roxas raufte sich die Haare, stockte aber plötzlich, als Axel im Schlaf seufzte - für einen Moment hätte Roxas schwören können, das sein Herz stehen geblieben war. Wenn Axel nun wach geworden wäre, dann war sich dessen baldiger Schützling sicher, wäre er ohnmächtig geworden vor Schreck. Doch es blieb ruhig. Nur das schwerere Atmen Axels konnte man gedämpft vernehmen. Der Biker schlief einfach weiter, eingemurmelt in einer blauen Wolldecke. Eine ganze Weile sah er Axel noch an, ehe er langsam auf ihn zuging. Jeder Schritt war ein Kampf mit sich selbst und doch schaffte er es bis zum Sofa. Er stand nun neben dem Schlafenden, welcher den Kopf von Roxas gewandt hatte. Dieser schluckte, krallte seine Hände in die Hose. Wieder dauerte es sehr lange, bis Roxas die bebenden Lippen einen kleinen Spalt öffnete. "...i...irgendwie...hoffe ich wirklich, das du das v...vielleicht hörst... andererseits auch nicht... also, ähm... du schläfst ja auch..." Roxas sprach leise, aber dennoch mit deutlicher Stimme. Jedes noch so kleine Wort war von Überwindung gezeichnet und es kostete ihn richtig Kraft, sie über die zitternden Lippen zu bringen. Er glaubte auch einfach nicht, das er hier mit einer tief und fest schlafenden Person sprach. Hinzu kam regelrechte Angst. Eine Angst, die er nicht beschreiben konnte. "...ich wollte dir nur s... sagen... das ich dir dankbar bin... weil du mir jetzt schon so viel geholfen hast...", er schluckte einmal schwer, "...und mir meine Hoffnung wieder gegeben hast..." Roxas verkrampfte seine Finger. Die Knochen traten bereits weiß hervor, seine Unterarme zitterten und er rang mit den Tränen. Niemals hätte er damit gerechnet, noch einmal auf irgend etwas zu hoffen. Er hatte einfach aufgegeben, nach dem alles den Bach heruntergegangen war und man sein Vertrauen mit Füßen getreten hatte. Wozu noch hoffen, wenn es nichts mehr gab? Roxas hatte sich damit abgefunden eingesperrt zu bleiben, mit gebrochenen Flügeln dort in seinem goldenen Käfig zu sitzen und nie den Himmel auch nur sehen zu können. Doch nun war plötzlich nach Jahren wieder dieses beflügelnde Gefühl da, das einem Kraft gab zu kämpfen. Und so hatte sogar Roxas sich vorgenommen, wieder in den Kampf zu ziehen um vielleicht diesmal erfolgreich zu sein. Mit der Hilfe eines Einzelnen. "... und weißt du was...? Ich... ich hab dich wirklich sehr gern, Axel..." Obwohl seine Stimme nun sehr brüchig war, gab er sich Mühe, das jedes Wort zu verstehen war. Es war ihm egal, ob er nun etwas lauter geworden war, wichtig war ihm nur, das er es gesagt hatte. Einen kleinen Teil von etwas viel größerem, welches er selbst noch nicht wahrhaben wollte. Doch er wußte, das es da war. AN: Da bin ich wieder... Es hat wahnsinnig lange gedauert, aber nun bin ich endlich fertig. Und froh darüber, jaja... Es wurde zwar viel um den heißen Brei geredet (besonders bei Marianne und Axel mal wieder), aber ich hatte das Gefühl, das es wichtig war für die Handlung. Mehrere Ideen sind mir während des Schreibens gekommen, welche ich sehr motivierend finde. Leider muß ich sagen, das es wieder länger dauern wird, bis es weitergeht. Ich bitte um Verständnis v.v Bis zum nächsten Kapitel. MFG, Sinister-Sundown Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)