Tagebücher von Leira ================================================================================ Prolog: Eine Frage der Identität -------------------------------- Tja, Hallo an euch, verehrte Leser! Schön, dass ihr euch hierher verirrt habt, und ich hoffe, es lohnt sich für euch. Wie nun dem Vorwort zu entnehmen ist, wird dies hier ein Drama, eine traurige Geschichte; allerdings war mir wichtig, dass diese Fanfiction nicht nur traurig wird :D Ich hoffe doch, hier kommt jeder auf seine Kosten. Deshalb wird das hier auch ein Krimi, eine Romanze und... Epik musste ich es wohl oder übel setzen, allein die Länge, die diese Geschichte hat, drängt mich förmlich dazu. Nun. Ich habe lange, lange überlegt, ob ich das hier laden soll... und nach einigem Ringen und einiger Überzeugungsarbeit von gewissen Leuten *aufgewissePersonschielt* habe ich mich nun doch dazu entschlossen, das hier nicht nur für die Schublade, bzw. die Festplatte geschrieben zu haben. Ich wünsche euch viel Vergnügen beim Lesen und verbleibe bis nächste Woche Eure Leira PS: Laderhythmus wie gewohnt Dienstagabends/Mittwochvormittag, ein Kap pro Woche. ________________________________________________________________________________ Prolog: Eine Frage der Identität Heute Ran schaute von ihren Unterlagen auf, als sie ein leises Geräusch vernahm. Neben ihr stand sie, ihre Tochter, und schaute sie fragend an. Sie beide wussten, was jetzt kam. Und sie beide hatten Angst davor, aber jede auf ihre eigene Art, und jede aus einem anderen Grund. Minuten vergingen, in denen keine von ihnen auch nur ein Wort sagte. In denen das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach, das Ticken der Wanduhr war, ein großes, antik aussehendes Monstrum von einer Pendeluhr, die wohl schon seit der letzten Eiszeit in diesem Zimmer stand. Die Uhr schlug. Laut, donnernd- Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Das Mädchen räusperte sich, biss sich auf die Lippen, rang deutlich sichtbar mit sich selber, bevor sie ihrer Mutter die Frage stellte, die ihr schon so lange auf dem Herzen lag. So unglaublich lange. „Wer ist er?“ Die Rechtsanwältin hielt beim Schreiben inne, legte ihren Kugelschreiber auf ihr Blatt und schluckte schwer. Also war es heute soweit. Heute… Sie hatte es kommen sehen - schon zu oft hatte Sayuri Andeutungen gemacht, ihre Frage umschrieben, sie ein wenig gelöchert, nur ein bisschen, in der Hoffnung, ihre Mutter verstünde ihr Anliegen, würde von selber zu reden anfangen - über ihn. Bisher immer erfolglos. Deshalb stellte sie sie nun direkt. „Wer?“, fragte Ran, obwohl die Frage eigentlich überflüssig war. Sie wusste genau, wen ihre fast fünfzehn Jahre alte Tochter meinte. Sayuri blinzelte, holte Luft. Man sah ihr an, wie viel Mut die folgenden Worte kosteten. „Mein Vater. Wer war er? Warum… warum ist er nicht bei uns?“ Sie setzte sich ihrer Mutter gegenüber an den Tisch, in einen der Stühle, in denen sonst Rans Klienten saßen, wenn ihre Mutter sie mal mit nach Hause nahm. Nervös faltete sie ihre Hände in ihrem Schoß. „Du hast mir nie von ihm erzählst, weichst Andeutungen geschickt aus. Deswegen frage ich dich jetzt direkt. Wer war er? Und wo ist er…? Warum ist er nicht hier, liebt er uns nicht? Hat er uns verlassen? Warum trägst du einen Ehering, wenn doch kein Ehemann dazu da ist?“ Sie deutete auf den goldenen Ring am rechten Ringfinger ihrer Mutter. „Wo ist der, der den anderen trägt? Und wer ist er?“ Ihre Stimme klang drängend, und in ihren Augen glimmte Entschlossenheit. Sie wollte Antworten. Jetzt. Ran schluckte, dann stand sie auf, ging zur Tür. Als sie auf den Gang hinaustreten wollte, merkte sie, dass ihre Tochter ihr nicht folgte. „Komm mit, Sayuri.“ Mehr sagte sie nicht. Vor seinem Zimmer blieb sie stehen. Lange starrte sie die Tür einfach nur an. Es war sein Büro gewesen und seit Jahren war es abgeschlossen. Es war fast… fast als ob er immer noch da drin wäre, irgendwie. Die Tür zu öffnen, zu sehen, dass das Zimmer leer war… zu sehen, dass er nicht drin war… sie hatte es nicht übers Herz gebracht. Seit er weg war… war niemand mehr hier gewesen. Nicht einmal seine Eltern hatten danach gefragt, sie gebeten, ihnen den Schlüssel zu geben. Sie rieb sich die Augen, um nicht zu zeigen, wie nahe sie den Tränen war, dann griff sie an ihren Hals, zog unter ihrem Hemd eine Kette hervor, an der ein Schlüssel hing. Sie öffnete den Verschluss, nahm den Schlüssel und sperrte auf. Der Staub wallte auf, als sie den Raum betraten. Ran blinzelte, ihre Sicht verschwamm. Ein heiserer Schluchzer entrang sich ihrer Kehle, sie konnte sich nicht mehr länger beherrschen. Sayuri, die bis jetzt hinter ihr gewesen war, schaute ihre Mutter nur fragend an, wagte nicht, etwas zu sagen. Ran durchmaß den Raum mit großen Schritten, nahm einen Karton, der auf dem Schreibtisch stand, wischte die zentimeterdicke Staubschicht ab und drückte die Schachtel ihrer Tochter in die Arme. Die riss erstaunt die Augen auf, ob des unvorhergesehenen Gewichtes des Kartons. Dann folgte sie ihrer Mutter nach draußen. Ran sperrte die Tür wieder ab. „Was ist da drin?“ Sie schaute zu ihrer Mutter und erschrak. Ran lehnte an der Wand, ihr Gesicht war tränennass, ihre Unterlippe bebte, ihre Hände zitterten wie Espenlaub. „Deine… deine Beziehung zu deinem Vater.“ Damit ging sie, beeilte sich in ihr eigenes Büro zu gelangen, warf die Tür hinter sich zu. Sayuri Kudô starrte ihr hinterher, dann ging sie, mit der Kiste in den Armen, die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Oben angekommen, setzte sie sich mit dem Ding auf den dicken Teppich auf dem Boden in der Mitte des Raums und klappte klopfenden Herzens den Karton auf. Drinnen lagen Bücher. Viele identische Notizbücher, Format DIN A4, und zwanzig sorgsam in Geschenkpapier eingeschlagene Päckchen. Die Bücher waren durchnummeriert, genauso wie die Pakete. Sayuri nahm das erste Buch heraus und schlug es auf. Tagebuch Von Shinichi Kudô Eine klare Handschrift, deutlich lesbar. Der Titel war das einzige, was auf der ersten Seite zu lesen war. Sayuri schluckte schwer, blätterte um, las weiter. Meine liebe Tochter, ich weiß nicht, wann du dieses Buch in deinen Händen halten wirst. Ran, also deine Mutter, und ich hielten es für das Beste, dass du selber den Zeitpunkt bestimmen solltest, an dem du dich reif fühlen würdest für diese Geschichte. Meine Geschichte… Also wirst du heute wohl deine Mutter nach mir gefragt haben. Wir hatten abgemacht, dass dies wohl die beste Gelegenheit wäre, dir das hier zu erzählen; denn wenn du selber fragst, dann heißt das, dass du etwas wirklich wissen willst - und das solltest du auch, denn die folgenden Seiten werden kein Spaziergang sein. Nicht für mich - und nicht für dich. Dennoch hast du ein Recht darauf, es zu erfahren. Nun - du wirst dich wohl fragen, warum deine Mutter dich allein aufgezogen hat; und warum du nun vor dieser Kiste sitzt, mit diesem Buch in deiner Hand. Der Grund, warum ich nicht bei euch bin, ist ein ganz einfacher. Ich bin tot. Das heißt, jetzt noch nicht, aber bald. Zu dem Zeitpunkt, an dem du das hier liest, auf alle Fälle. Schon seit Jahren. Ich werde sterben, in nicht allzu ferner Zeit. Eigentlich… eigentlich schon sehr, sehr bald. Die weiteren Details erspare ich dir an dieser Stelle, das führt jetzt zu weit; ich habe dir die genaueren Umstände weiter hinten aufgeschrieben. Nun, die Ärzte waren sich einig, dass es für mich keine Heilung mehr gibt, schließlich ist das, was mich umbringt, auch keine bekannte Krankheit... Sie entließen mich mit der Diagnose, und der Prognose von einem halben Jahr. Wir haben sie getoppt, immerhin. Diese Seite, die du gerade liest, ist die Letzte, die ich geschrieben habe. Ich habe mit dem Schreiben der Bücher an dem Tag begonnen, an dem deine Mutter mir sagte, dass sie mit dir schwanger ist. Der Sinn dieser Bücher ist, dass du nachvollziehen kannst, wer ich gewesen bin. Ich dachte, es interessiert dich vielleicht, und ich möchte, dass du weißt, dass ich gern dein Vater gewesen wäre, mit dir das gemacht hätte, was Väter so mit Töchtern machen, was weiß ich… Zelten gehen und Angeln, ins Kino gehen, dich für Bücher begeistern, dir meine Ideale vermitteln, dir das Fahrradfahren beibringen und so weiter. Das alles ist mir leider nicht vergönnt, wird uns nicht vergönnt sein… deswegen versuche ich auf diesem Weg, wenigstens ein wenig präsent in deinem Leben zu sein. Ich will, dass du weißt, wer ich gewesen bin, denn ich kann mir vorstellen, dass das für dich wichtig ist. Es tut gut zu wissen, wo seine Wurzeln liegen. Es ist wichtig, dass wir unsere Vergangenheit kennen, denn sie beeinflusst unsere Zukunft - und da ich Teil deiner Vergangenheit bin, wollte ich dir diesen Teil persönlich schildern. Ich denke, du wirst viele Fragen haben, und ich hoffe, ich kann dir einige damit beantworten… denn du hast die Antworten sicherlich verdient. Ich wollte es nicht nur deiner Mutter und deinen Großeltern überlassen… ich wollte, dass du etwas von mir hast. Ich will, dass du weißt, dass du unendlich wichtig bist für mich, auch wenn das hier vielleicht komisch klingen mag. Deshalb die Bücher. In den Päckchen sind Geschenke zu deinen Geburtstagen. Ich hab sie auf zwanzig beschränkt, weil das hier in Japan das Alter ist, an dem ein junger Mensch als erwachsen gilt, obwohl ich dir gern ein ganzes Zimmer voll geschenkt hätte, aber irgendwo muss man wohl Grenzen setzen. Nun. Noch bist du nicht da, aber lange wird’s wohl nicht mehr dauern. Wir werden sehen, wer von uns beiden es eiliger hat… :) In Liebe, dein Vater Shinichi Kudô Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)