Tagebücher von Leira ================================================================================ Wunsch ------ Guten Tag liebe Leserinnen und Leser! Vielen, vielen Dank für eure Kommentare zum letzten Kapitel! *freu* Ehrlich, ich kanns wohl nicht oft genug sagen, wie sehr ich mich darüber freue. Nun- also weiter geht's im Text; und im Fall. Ich wünsche schönes Lesen, bis nächste Woche, Eure Leira :) __________________________________________________________________________ Shinichi saß am Küchentisch, schlürfte lautstark seinen heißen Kaffee und blätterte eine Seite um. Es war ein Morgen wie jeder andere – der erste Gang seines Frühstücks war wie meistens eine Tasse sehr starken Kaffees, und vor ihm lag wie immer die Tageszeitung. Wenn Ran dann kam und Frühstück machte, hatte er meistens den ersten Teil schon durchgelesen und die erste Tasse schon intus. Ran stand an der Tür und schaute ihn an. Beobachtete, wie seine Augen über die Zeilen glitten, wie er mit drei Fingern die Ecke der nächsten Seite schon festhielt, sie gedankenverloren knetete. Wie er immer wieder die Kaffeetasse an seine Lippen setzte, sich manchmal über die Haare oder die Augen strich. Wie die Sonne in seinem Rücken aufging, seinen Schatten auf den Tisch vor ihm warf. Lauter frische Gerüche strömten in ihre Nase… frisch zu bereiteter Kaffee, der leicht herbe Geruch des Aftershaves, sein Shampoo; die Luft, die den Duft von Nadelbäumen aus dem Garten hereintrug, ja selbst die Zeitung roch frisch nach Druckerschwärze. Sie lächelte. Aber dann fiel ihr das Lächeln fast von den Lippen, nur ein Blick hatte gereicht, um sie in die Realität zurückzuholen. Der Kalender. Er sah sie aus dem Augenwinkel, bemerkte, wie erschrocken sie dreinblickte. „Guten Morgen, Ran.“ „Guten Morgen…“, wisperte sie, rührte sich nicht von der Stelle. Das Lächeln, das sie sich jetzt aufsetzte, sah gezwungen aus. Shinichi seufzte, schaute sie traurig an. „Warum tust du dir das an…? Warum denkst du immer… daran? Sollte es nicht langsam… Gewohnheit sein...?“ „Shinichi, ich…“ „Sag’s mir. Warum?“ Ran schluckte, schloss kurz die Augen. Er schlug die Zeitung zu, schaute sie abwartend an. „Ich kann nicht anders…“ „Ran.“ Er schaute sie durchdringend an. Ran ließ ihre Augen über ihn gleiten, schluckte, räusperte sich, ehe sie zu sprechen begann. „Der Tag, an dem du morgens nicht mehr da sitzt…“, begann sie dann leise, „wie soll ich ihn anfangen…? Was soll ich tun, wenn ich morgens reinkomme, und dann der Kaffee nicht gekocht ist, die Zeitung nicht geholt ist, wenn keiner hier sitzt und sagt: Guten Morgen, Ran…; und dabei lächelt?“ Sie schluckte, presste ihre Lippen zusammen. Sie wollte nicht weinen, nicht schon wieder. „Was soll ich tun, wenn es morgens hier unten nicht mehr nach Frische riecht… nach frischem Kaffee, nach Bäumen und Druckerschwärze, nach deinem Aftershave… nach dir? Was soll ich morgens tun, wenn du nicht mehr da bist?“ Sie flüsterte diese Worte nur, aber er hörte ihre Verzweiflung, die aus ihr sprach. „Was nur? Was...?“ Sie stand da, hauchte dieses Wort. Es brach ihm fast das Herz. Langsam stand er auf, ging um den Tisch herum, nahm sie in die Arme. Lange Zeit sagte er nichts; das Ticken der Uhr und das gelegentliche Brodeln der Kaffeemaschine waren die einzigen Laute, die die Stille durchbrachen. Schließlich räusperte er sich, begann zu reden, flüsterte leise in ihr Ohr, während er sie immer noch festhielt. „Dann wirst du hereinkommen und das Fenster aufmachen, um die frische Morgenluft herein zu lassen; danach setzt du den Kaffee auf. Als nächstes holst du die Morgenzeitung aus dem Postkasten, und wenn du zurückkommst, ist die erste Tasse durchgelaufen. Und dann setzt du dich hier hin…“ Er drückte sie auf seinen Platz. „Und wirst dein Brötchen essen, deinen Kaffee trinken, und es wird frisch duften, nach Druckerschwärze, nach Himbeermarmelade, nach Kaffee und Morgengrauen… und nach Lilien und Lavendel, Ran. Deinem Parfum. Nach dir. Dann gebührt dir der erste Auftritt am Morgen… der Herrin des Hauses.“ Er lächelte sie liebevoll an, strich ihr über die Haare, übers Gesicht. Sie schloss die Augen, schmiegte ihre Wange in seine Handfläche. „Ich werde das nicht ertragen können, Shinichi…“ „Doch, das wirst du.“ Seine Stimme klang ernst. „Du wirst weiterleben und glücklich sein. Vielleicht nicht gleich, aber irgendwann...“ Sie schlug die Augen auf, schaute ihn an. „Das geht nicht.“ „Doch.“ „Glaub mir, das geht nicht…“ „Ran!“ Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. Seine Stimme klang bestimmt. „Versprich es.“ „Warum sollte ich das tun...?“ Ihre Stimme war leise. Anklagend und fragend zugleich schaute sie ihn an. Er schluckte, seufzte tief. Ließ die Hände sinken. „Weil ich sonst nicht in Frieden gehen kann… Ran.“ Sie blickte ihn an, nahm dann sein Gesicht in ihre Hände. „Es ist dir wichtig oder…?“ „Was soll die Frage? Natürlich ist es das.“ Sie schluckte. Sah dieses drängende Flehen in seinen Augen. Tief atmete sie ein und wieder aus, musste sich zu diesen Worten zwingen, und doch sagte sie sie; sprach sie aus. „Also schön… ich versprechs…“ Er lächelte, gab ihr einen sanften Kuss auf die Lippen, ganz kurz. „Danke…“, wisperte er, zog sie an sich. Sie legte ihre Arme um ihn. „Aber es wird mir so schwer fallen, so schwer, Shinichi…“ Er kniff die Augen zusammen, presste sie fest an sich. „Ich weiß…“ Sie atmete tief durch, schaute an die Decke. Die Gelegenheit schien zweifelsohne günstig, um ein bestimmtes Thema anzuschneiden. „Shinichi?“ Er horchte bei dem fragenden Ton in ihrer Stimme auf. „Ja?“ Irgendwie gefiel ihm der Blick in ihren Augen nicht. Sie drückte ihn ein wenig weg von sich, schaute lange auf den Boden, bevor sie sich schließlich wieder traute, ihm ins Gesicht zu sehen. „Hast du schon mal daran gedacht…?“ „Woran?“ „An… an… nunja…“ Sie druckste herum. Er seufzte. „Ran, raus mit der Sprache. Ich kann nicht Gedankenlesen…“ Ran starrte ihn an, in ihren Augen brannte es. „An ein Baby...“ Sie biss sich auf die Lippen. Die Worte waren leise, zögernd über ihre Lippen gekommen, allerdings meinte sie sie ernst. Jedes einzelne von ihnen. Zuerst war er einfach nur sprachlos. Er starrte sie fassungslos an, sein Mund klappte auf, in seinen Augen spiegelte sich Entsetzen. Dann schüttelte er den Kopf. Erst langsam, dann immer heftiger. „Bitte!“ Ran starrte ihn mit flehenden Augen an. „Nein!“ Sie hielt ihn an beiden Handgelenken fest, als er gehen wollte. „Shinichi!“ „NEIN!“ Shinichi schluckte, atmete heftig, versuchte, sich wieder in den Griff zu bekommen. „Das kann nicht dein Ernst sein, Ran.“, murmelte er dann langsam. „Doch.“ Sie nickte bestimmt. „Ich will... ich will ein Kind mit dir. Wenn wir… wenn du… nicht… dann würden wir doch sicher auch eine Familie gründen!“ Sie schaute ihn fest an, fast vorwurfsvoll, begann zu zittern. Er zögerte. „Ja… sicher… aber jetzt ist die Sachlage doch ganz anders. Wahrscheinlich würde ich nicht mal die Geburt mehr miterleben, Ran. Du musst das verstehen. Ich will keine Kinder in die Welt setzen, um die ich mich nicht kümmern kann… ich will dich nicht als allein erziehende Mutter zurücklassen, ich will das nicht…“ „Das macht mir nichts aus!“ Ran schaute ihn bettelnd an. „Bitte! Ich will, dass etwas von dir zurückbleibt…“ Er schüttelte vehement den Kopf. „Deswegen kriegt man keine Kinder, Ran. Es wird mir ähnlich sein, aber es wird nicht ich sein. Es wird mich nicht ersetzen können. Und das wäre nicht fair… ihm gegenüber… Es hat ein Recht auf seine eigene Persönlichkeit, als das geliebt zu werden, was es ist, nicht als das, was es sein soll.“ „Aber ich hätte mit dir so oder so eine Familie gründen wollen…! Das musst du doch wissen… ich liebe dich… ich… wir sind verheiratet…“ Er schaute sie traurig an. „Das weiß ich doch… aber… Ich will keine Verzweiflungstaten wagen, die so folgenschwer sind… du musst das verstehen, es wäre nicht richtig. Unter normalen Umständen hätten wir das geplant, und ich wäre bei dir, um mit dir unser Kind großzuziehen. Wenn ich… du wirst noch so jung sein, Ran. Du wirst dein ganzes Leben noch vor dir haben, einen anderen finden… was willst du da mit einem Kind…“ Sie starrte ihn wortlos an. „Wie kannst du nur so reden…?“ Shinichi schluckte. „Sowas nennt man logisches Denken. Auch wenn du jetzt sagst, du willst nie einen anderen haben, woher willst du das wissen, Ran? Woher willst du das wissen… vielleicht läuft dir eines Tages jemand über den Weg...“ Ran hob ihre Hand strich ihm übers Haar. „Ich würde nie einen anderen wollen, ich weiß es einfach. Und ich will, dass du der Vater meines Kindes bist…“ Er sah sie traurig an, schüttelte ein letztes Mal sacht, aber bestimmt den Kopf. „Nein, Ran. Das ist mein letztes Wort. Ich gehe jetzt. Wir wollen den Täter heute schnappen, du brauchst nicht auf mich warten.“ Shinichi befreite sich aus ihrem Griff und verließ das Zimmer. Sie stand noch lange da und schaute ihm nach. Shinichi… Er ahnte nicht, dass diese Frage schon lange keine rhetorische Frage mehr war. Sie suchte nicht seine Zustimmung, sie hatte sein Verständnis gesucht. Sie hatte seine Unterstützung haben wollen… eine Voraussetzung, für das Geständnis, das sie ihm machen musste. Nur leider… Leider war seine Reaktion nicht so ausgefallen, wie sie gehofft hatte. Und so stand sie da, strich langsam mit ihrer Hand über ihren glatten Bauch. Sie war schwanger. Sie wusste es seit drei Tagen. Und seit drei Tagen überlegte sie, wie seine Reaktion ausfallen könnte… sie wollte nicht mit der Tür uns Haus fallen. Und offensichtlich waren ihre Bedenken diesbezüglich nicht unbegründet gewesen. Sie war schwanger… sie erwartete sein Kind, das war Fakt. Aber sagen… sagen konnte sie es ihm nicht. Nicht so. Er saß im Auto auf dem Weg zum Hotel, in ihm herrschte Chaos. Rans Kinderwunsch ging ihm nicht aus dem Kopf. Er war sich sicher, dass das nur ein Akt der Verzweiflung war. Sie wollte ihn nicht gehen lassen - aber da sie gegen Dämonen kämpfte, gegen die sie machtlos war, versuchte sie irgendwie, wenigstens ein paar Zugeständnisse vom Schicksal zu bekommen. Aber so lief das nicht. Ja, es stimmte - er hätte mit Ran gern eine Familie gegründet. Aber nicht so, nicht unter diesen Umständen. Er wollte nicht der Vater von Kindern sein, die ihn nie kennen lernen würden. Er wollte Ran nicht allein lassen mit seinem Sohn oder seiner Tochter. Er wollte ihr nicht die Zukunft mit jemand anderem verbauen - oder wenn schon nicht verbauen, dann wenigstens nicht schwieriger gestalten als unbedingt nötig. Wer wollte schon eine Frau mit einem Kind, das nicht sein eigenes war…? Shinichi seufzte. Wie sollte es jetzt weitergehen? Er war sich nicht sicher, inwieweit er ihr etwas unterstellen durfte, aber er war skeptisch. Shinichi seufzte, fuhr sich müde mit einer Hand über sein Gesicht. Das Leben war nicht fair. Nicht nur, dass sein Schicksal grausam war - nein; Fortuna hatte auch noch einen sehr makaberen Sinn für Humor. Er hielt vor dem Hotel, schaltete den Motor aus. Heiji, der wie immer bereits wartete, stieg ein. „Du weißt schon, dass ich eigentlich mehr oder weniger raus bin aus den Ermittlungen?“ Der Osakaer Detektiv zwinkerte ihm schalkhaft zu und stutzte dann. „Kudô? Is was?“ Shinichi biss sich auf die Lippen. Einerseits würde es gut tun, mit jemandem darüber zu reden, über Ran und ihre Bitte, und Heiji wäre hierfür wohl wirklich nicht die schlechteste Wahl… andererseits wollte er auch niemanden damit belasten. Und irgendwie hatte er auch das Gefühl, dass das keinen was anging. „Kudô?“ Shinichi blinzelte, wandte den Kopf. „Fährst’de dann los oder wartestde, bis das Auto von selber anspringt und uns ins Revier kutschiert?“ „Entschuldige.“ Shinichi ließ den Wagen an, fädelte in den Verkehr ein. „Was is los?“ „Nichts.“ Heiji runzelte die Stirn. „Ach komm schon, das glaubste dir doch selber nich’. Ich dachte, ich bin dein Freund, ich hab immerhin für dich gelogen…“ „Wozu ich dich nicht gezwungen hab!!“, brauste Shinichi auf. Heiji fuhr zusammen. „Okay… was is los…?“ Shinichi verdrehte die Augen. „Auch gut. Du willst, dass ich rate, schön, dann rate ich.“ Er betrachtete den Ehering an der rechten Hand seines Freundes. „Da wir im Fall Fortschritte machen, tippe ich auf Stress mit Ran.“ Shinichi hielt vor einer roten Ampel, seufzte tief. Unruhig umklammerte er mit den Händen das Lenkrad. „Heiji, wenn ich dir das sage… das verstehst du doch nicht… man muss in der gleichen Situation sein, um es zu kapieren…“ „Zweifelst du etwa an meinem Einfühlungsvermögen?“ Heiji warf seinem Freund aus zusammengekniffenen Augen einen schrägen Blick zu. Der junge Detektiv seufzte leise. „Shinichi… wenn du es keinem sagst, wirstde nich’ herausfinden können, ob er dir bei der Entscheidung helfen kann. Und oft hilft’s ja auch, einfach drüber zu reden, und die Lösung kommt dann von ganz allein.“ Heiji schaute ihn aufmunternd an. „Diesmal nicht.“, murmelte Shinichi leise, gab Gas und fuhr an, als die Ampel auf Grün schaltete. Er warf einen Blick in Heijis Gesicht. Und er wusste, wenn er nichts sagte... würde es ihn innerlich auffressen. Außerdem... Heiji war sein bester Freund. Also warf er seine Bedenken über Bord, holte tief Luft. „Also schön...“ Heiji nickte, setzte sich auf, schaute ihn aufmerksam an. Shinichi starrte auf die Straße, als er endlich sprach. „Ran… Ran will ein Baby.“ Seine Worte gingen im Gedudel des Radios fast unter. Er presste die Lippen aufeinander. Heiji, ganz im Gegenteil, stand der Mund jetzt offen. Er schaltete das Radio aus. „Sie will ein… ein Kind? Von dir?“ Shinichi warf ihm einen genervten Blick zu. „Ja, von wem denn sonst, Hattori?!“ „Entschuldige… war ne blöde… Frage.“, murmelte Heiji leise, lehnte sich zurück. „Hm.“ Heiji verschränkte die Arme vor der Brust. „Aus der Tatsache, dass du mit Ran da wohl gestritten hast, schließe ich, du willst keins?“ „Ja. Das heißt, Nein, das stimmt so auch nicht ganz.“ Shinichi schluckte. Er merkte, wie ihm bei den Gedanken daran Verzweiflung zu übermannen drohte. Heiji sah ihm das an. „Hey… hey, Kudô…“ Er schluckte. „Entschuldige, die Frage war…“ „Nein.“ Shinichi fuhr sich über die Augen. „Nein, das war eine ganz normale Frage, Heiji. Du brauchst mich nicht wie ein rohes Ei behandeln…“ Er seufzte tief. „Die Wahrheit ist, ich hätte gern mit Ran eine Familie gegründet. Wirklich gern. Aber so…“ Er setzte den Blinker und lenkte das Auto um die Kurve. „Nicht so, Heiji. Ran ist dreiundzwanzig. Sie wird kaum älter sein, wenn ich… wenn ich…“ Er brach ab. „Sie wird ihr Leben noch vor sich haben, darauf will ich hinaus. Sie kann sich neu verlieben, vielleicht heiraten, mit einem anderen dann eine Familie gründen. Sie will davon nichts hören, sie sagt, sie liebt… liebt nur mich, und daran würde sich nichts ändern, aber wer… wer kann schon in die Zukunft sehen? Und ich will ihr ihre Chancen nicht verringern… und ein Kind würde das wohl. Und außerdem… will ich… will ich eigentlich keine Kinder in die Welt setzen, um die ich mich nicht kümmern kann, verstehst du? Ich will sie mit der Aufgabe nicht allein lassen… ich… ich… weiß es auch nicht so Recht. Es ist… es ist so… es ist einfach nicht…“ Er atmete aus und schwieg. Bis sie das Revier erreicht hatten, verließ kein Wort mehr seine Lippen. Heiji sah ihm an, wie er um seine Fassung kämpfte, nur mühsam die Oberhand behielt. Was ihm alles vorenthalten und genommen wurde, war unerträglich. Es is’ nicht fair, Kudô. Was dir widerfährt, das is’ nicht fair… Gerechtigkeit kann es nicht geben, wenn es solche Schicksale gibt wie deins. Heiji schluckte, dann hob er den Arm, drückte ihm kurz die Schulter. Er konnte sich nur denken, wie es in Shinichi momentan aussehen musste. Schweigend stiegen sie die Treppen zum Büro des Kommissars empor. Meguré erwartete sie bereits. Heiji warf er einen eher skeptischen Blick zu. „Du weißt schon…“ „Jaja. Ich bin nur dabei, um auf den Kleinen aufzupassen.“ Er tätschelte Shinichi den Kopf. Der dankte es ihm mit einem finsteren Blick. Meguré seufzte. „Also schön, es ist ja eh egal, was ich sage, oder? Aber keine Wortmeldung von deiner Stelle bitte. Du kriegst keine Infos mehr. Du gibst ihm auch keine.“ Er blickte Shinichi scharf an. „Ja...“ Der Kommissar verdrehte die Augen. „Ich meine das ernst. Das ist eine heikle Angelegenheit. Es könnte sein, dass er Heiji angreift, ich will das gern vermeiden. Wir haben es mit einem Psychopathen zu tun.“ „In der Tat…“, murmelte Shinichi leise. Sie ahnen gar nicht, wie Recht sie damit haben. Meguré starrte ihn an. Er konnte die Last auf seinen Schultern förmlich sehen. Irgendetwas beschäftigte Shinichi, irgendetwas machte ihm das Leben gehörig schwer. Aber wusste nicht, was. Er räusperte sich. „Nun, der Plan für heute Nacht ist Folgender... Wir teilen uns auf.“ Er zog einen Plan auf den Tisch, auf dem viele rote Punkte zu sehen waren; jeder einzelne von ihnen markierte eine Disco, eine Bar oder einen Club. „Da wir leider nicht alle Bars besetzen können, müssen wir uns mit den beliebtesten zufrieden geben.“ Und so kam es, dass sich Heiji und Shinichi wenig später im ‚Courtyard’ wieder fanden. Shinichi seufzte, schaute frustriert in seine Cola. Heiji saß vor seinem Bier. Der Tokioter Detektiv warf ihm einen leicht angesäuerten Blick zu. „Bist du nicht im Dienst?“ „Nein, nicht offiziell, das weißte doch, Kudô“. Er grinste. „Ich bin heut nur schmückendes Beiwerk.“ Er fuhr sich durch die Haare, warf einen Blick auf einen der drei Polizisten in Zivil, die sie begleiteten. „Aber der Kerl is’ ja auch nicht übel, oder? So ein schöööner Mann.“ Heijis Stimme troff vor Sarkasmus. Shinichi warf ihm einen Blick zu. Tatsache war wohl, dass der Typ Model werden hätte können, ja. Allerdings war ihm das im Moment reichlich egal. „Saijo, ja. Aber… also wenn du nach Männern Ausschau halten willst, sind wir hier im falschen Etablissement.“, murmelte Shinichi stichelnd. Ein amüsiertes Lächeln glitt über seine Lippen. „Haha.“, bemerkte Heiji trocken. „Sag du mir lieber, obste schon ein potentielles Opfer gefunden hast.“ „Ja, in der Tat, das hab ich.“ Er grinste, als Heiji sich fast verschluckte. „Echt jetzt?“ „Aber sicher.“ Shinichi nickte in Richtung Bar. „Die Bardame selbst.“ Heiji unterzog sie einer eingehenden Begutachtung. „Ja, doch, die könnt ins Schema passen.“ Er seufzte. „Ran brauch ich das aber nicht sagen, dass du in Bars in Null komma nix die heißesten…“ „Heiji, Klappe. Sei so gut.“ Shinichi warf ihm einen gereizten Blick zu, nippte an seiner Cola. „Meine Herren, du stehst aber unter Strom.“ Heiji nahm einen großen Schluck Bier. „Tja, du nicht? Ich weiß nicht…“, murmelte Shinichi, zog mit seinem Daumen Spuren in das kondensierte Wasser an seinem Colaglas. „Irgendwie hab ich ein ungutes Gefühl…“ Er zerfurchte sich die Stirn. Heiji schaute ihn fragend an. „Inwiefern?“ „Naja…“, begann Shinichi leise, schaute sich um. „Überleg mal. Der Mörder weiß erstaunlich gut über mich Bescheid, findest du nicht? Er merkte, dass ich einen Hänger hatte… er weiß von meiner Hochzeit… wir haben extra einen falschen Termin angegeben! Die Presse war gar nicht da… eigentlich dürfte keiner wissen, dass wir jetzt verheiratet sind…“ Heijis Augen weiteten sich vor Erstaunen, als er aus den Gedankengängen seines Freundes seine Schlüsse zog. „Dann wirste entweder beschattet, oder…“ „… oder der Täter ist irgendeiner aus meinem Bekanntenkreis. Es könnte fast jeder vom Revier sein… ich glaube jetzt mal weniger, dass man meine Freunde dazu zählen kann…“ Heiji grinste ihn zynisch an. „Danke für die Blumen.“ „Bitteschön.“ Shinichi holte Luft, lehnte sich langsam zurück. „Aber potentiell ist eigentlich jeder Hochzeitsgast und jeder aus dem Polizeirevier der Täter, denn im Revier wusste man, wann ich und Ran heiraten. Es war auch leicht zu erraten; dann, wenn alle hohen Tiere außer Haus sind.“ Shinichi seufzte tief. „Herr Kudô?“ Shinichi sah auf, als die zwei anderen Polizisten, Itakura und Kano mit Namen, sich an ihren Tisch setzten. „Was gibt’s, meine Herren?“, meinte er gelassen. „Keinerlei Auffälligkeiten, bis jetzt.“, meinte Itakura. Er war groß und sehr hager mit einer Nase, die an einen Geierschnabel erinnerte. Kano neben ihm war ein eher fülliger kleiner Mann mit Brille. „Kommissar Meguré hat nur gerade durchgegeben, dass alle auf Stellung sind. Er selbst befindet sich nur wenige Häuser weiter.“ Shinichi nickte als Zeichen, dass er gehört hatte, warf einen kurzen Blick zur Frau an der Bar. Die beiden verabschiedeten sich und bezogen wieder ihre Posten. Shinichi wandte langsam den Kopf, schaute Heiji gedankenverloren an. „Was mach ich, wenn es wirklich ein Polizist ist?“ Heiji nahm einen großen Schluck aus seinem Glas. „Du meinst, wegen Meguré und unserem kleinen Theater?“ Shinichi seufzte. „Ja, genau. Ich meine… wegen mir brauchen wir uns ja… keine Sorgen machen.“ Er schluckte. „Aber dein Ruf wär’ ruiniert Heiji. Wir können ihm nicht die Wahrheit sagen.“ Heiji klopfte ihm auf die Schulter. „Mal mal nicht den Teufel an die Wand, Kudô. Noch wissen wir ja leider nur recht wenig über unseren Täter, außer…“ „… dass er ein Psychopath ist.“, vollendete Shinichi seinen Satz, trank seine Cola aus und ging zur Bar, um sich eine neue zu holen. „Genau.“, murmelte Heiji leise, beobachtete ihn, wie er an der Theke auf sein neues Glas wartete. „Ein Psychopath…“ Und so verrannen die Stunden. Niemand bemerkte etwas Auffälliges, keinem der drei Polizisten fiel etwas Verdächtiges ins Auge und auch Shinichi und Heiji saßen mehr oder weniger gelangweilt an ihrem Tisch. Heiji hatte mittlerweile ein Glas Wasser vor sich stehen, er wollte sich ja schließlich nicht betrinken. Etwas angewidert schaute er auf Shinichis viertes Glas Cola. „Herrgott, wie kannst du das Zeug nur trinken, Kudô?“ „Koffeinersatz. Ich blende den Geschmack aus.“, erwiderte der Angesprochene ruhig. Er wandte sich um, schaute nach seinem Team. Er sah nur Kano, also piepte er die anderen beiden kurz an, die sich sofort pflichtgemäß meldeten. „Alle auf Position.“, murmelte er. Heiji stöhnte leise auf, wischte sich den Schweiß von der Stirn, warf einen Blick zur Bar. Die Frau stand immer noch an der Theke, lächelte und mixte Cocktails. „Ist auch gut so, es wird langsam richtig voll hier…“ Shinichi zog die Augenbrauen hoch. „Wundert dich das? Es ist Happy Hour. Gar keine schlechte Masche von dem Besitzer, die auf Sonntag zu legen… am Freitag und am Samstag kriegt er bestimmt auch ohne billigen Alkohol genug Besucher.“ Heiji nickte zustimmend. „Da haste Recht.“ Es war kurz vor Mitternacht, als die zwei Detektive bemerkten, wie die Bardame mit einem ihrer Kollegen kurz redete und dann verschwand. Shinichi stand ruckartig auf. Heiji schaute ihn an. „Kudô, nicht aufregen. Sie kann auch nur kurz auf die Toilette gegangen sein…“ „Aber was ist…?!“ „Ja, schon gut. Gehen wir sie suchen.“ Shinichi nickte, begann, sich durch die voll gepfropfte Tanzfläche zu schieben. Ungeduldig warf er immer wieder einen Blick auf die Uhr. Mitternacht kam und ging. Es war bereits drei Minuten nach 0 Uhr, als er es endlich schaffte, zur Bar zu kommen, und wollte gerade der Bardame hinterher, die durch einen Gang hinter der Bar verschwunden war, als sich ihm ihr Kollege in den Weg stellte. „Es tut mir Leid, aber du darfst da nicht weiter.“ Shinichi wurde langsam wirklich nervös. Er merkte, wie es anfing… dieses flaue Gefühl im Magen, sein Herz, das bis zum Hals schlug. „Wo ist ihre Kollegin?“, fragte er drängend. „Sie wollte kurz eine rauchen. Warum… hey!“ Shinichi schob sich an ihm vorbei, fing an zu laufen. Bitte, bitte… Heiji, der sich ebenfalls aus der Masse der tanzwütigen Tokioter Jugend herausgewühlt hatte, zeigte nur seine Polizeimarke, rannte seinem Freund hinterher. Shinichi rannte an den Toiletten für die Mitarbeiter und an der Küche vorbei, auf der Suche nach dem Hinterausgang. Sein Herz hämmerte in seiner Brust, er keuchte. Ihn ihm keimte Angst - und ein furchtbarer Verdacht. Bitte… lass sie leben… Gehetzt rannte er weiter, um die Ecke, den nächsten Gang entlang.. Dann fand er den Hinterausgang, stieß außer Atem die Tür auf und- „Nein...“ Er hauchte das Wort, der Wind trug es von seinen Lippen. Kurz schien die Zeit still zu stehen. Dann brach unter ihm der Boden weg, sein Herz setzte für einen Schlag aus. Er taumelte, wankte gegen die Hausmauer, atmete stoßweise. Langsam ging er in die Knie, starrte hinauf in den Himmel, in das bleiche Gesicht des Mondes, der wohl wieder einmal der einzige Zeuge dieses Verbrechens gewesen war. „Nein…!“ Er hielt sich die Hand vor seinen Mund, in seinen Augen ein Ausdruck puren Entsetzens. Verzweiflung stieg in ihm hoch, mischte sich mit einer unbändigen Wut, eine Mischung, die toxisch sein konnte. Sie lag da, blass wie das Mondlicht, ihre schwarzen, seidigen Haare um ihren Kopf ausgebreitet, ihre Lippen leicht geöffnet, ihre Augen aufgerissen. Sie war tot. Die Bardame war tot. „Nein. Nein. Nein.“ Der Geruch von Blut stieg ihm in die Nase. Er würgte, ihm wurde fast übel. „Nein…“ Er starrte ununterbrochen die Frau an, die vor ihm auf dem Boden lag. „Bitte… das… das darf nicht wahr sein… das kann einfach nicht wahr sein…!“ Er merkte, wie sein Puls zu rasen begann, sein Atem immer schneller, immer flacher wurde. „Kudô!“ Heiji bog um die Ecke, lief hinter ihm in die Gasse, sah die junge Frau auf dem Boden liegen, erstarrte kurzzeitig. Dann sah er seinen Freund am Boden knien, starrte ihn besorgt an, packte in an den Schultern, zog ihn hoch, schüttelte ihn sacht. „Shinichi, beruhig dich… ich bitte dich…“ „Nein… nein…“ Der Angesprochene war immer noch kreidebleich im Gesicht. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. „Heiji…“, flüsterte er dann leise. „Heiji, höchstens vier Minuten… er kann höchstens vier Minuten weg sein…! Wir waren so nah dran! Und wir konnten es wieder nicht verhindern…!“ Er sackte kraftlos gegen die Wand, hielt sich den Kopf. „Wir konnten wieder nichts tun…“ Heiji starrte ihn lange wortlos an. Die Qual in seinen Augen war unübersehbar. „Wieder… wieder nichts tun…“ Shinichis Augen schauten blicklos ins Leere. Heiji erschrak bei dem Anblick. Zusammen mit dem fahlen Mondlicht, dass seine Gesichtsfarbe gespenstisch blass aussehen ließ, wirkte er mit diesen Augen fast… Er schluckte. „Ran hat Recht. Es macht dich kaputt.“ Shinichi schaute ihn kurz aus dem Augenwinkel an. „Und wenn schon.“ Seine Stimme klang emotionslos. Er wandte seinen Blick wieder auf die Leiche der jungen Frau zu seinen Füßen, die mit gebrochenen, leeren Augen in den Himmel blickte. In ihren Haaren hingen die Perlen. Eine Einzige rollte noch… kullerte ihm vor die Füße. „Und wenn schon…“, wiederholte er leise. Heiji starrte ihn an, dann griff er ihm in die Sakkotaschen, zog sein Handy heraus, rief Meguré an, schilderte ihm die Lage. Hinter ihnen stürmten die ersten Leute auf die Straße, Schreie des Entsetzens wurden laut. Heiji legte auf, verschaffte sich brüllend Gehör, drängte die Schaulustigen zurück, wobei ihm die drei Polizisten, als sie ebenfalls am Tatort auftauchten, Hilfe leisteten. Shinichi schluckte, fing sich langsam wieder. Sein Kopf begann wieder zu arbeiten. Fast schon mechanisch holte er seine Handschuhe aus der Sakkotasche, kniete sich neben die Tote, öffnete ihre Hände, und fand, was er suchte. In der einen Hand einen Zettel; in der anderen zwei Perlen. Die Perlen ließ er in eine Tüte gleiten. Es war offensichtlich, dass sie zu den anderen in ihren Haaren gehört hatten. Offensichtlich hatte er diesmal eine Kette aufgetrennt, und die Perlen über ihre Haare regnen lassen. Warum? Hat er geahnt, dass es diesmal zeitlich enger werden könnte? Dass er keine Zeit haben würde, sie ihr so sorgfältig in die Haare zu stecken? Warum? War es wirklich… jemand den er kannte? Er schluckte entfaltete den Zettel. Sie lachten über mich und sagten, ich sei nicht gerade schön; ich gab ihnen zurück, in den Austern, die auch nicht schön wären, steckten Perlen. Shinichi starrte den Zettel in seiner Hand an. „Kudô.“ Heiji, der hinter ihn getreten war, hielt ihm eine Tüte hin. „Kudô…“ Er wedelte leicht mit der Hand. Shinichi reagierte nicht, schaute immer noch wie hypnotisiert auf den Zettel. Dann wanderten seine Augen wieder zu ihr, in ihr Gesicht. Die Blutlache, in der ihr Kopf lag, breitete sich immer weiter aus. Ein purpurner See, der im Mondlicht fast schwarz schien. Und in ihm lagen die Perlen. Gerade hatte er sie noch lachen sehen. Es war keine zehn Minuten her, da hatte sie noch gelebt. Gelebt. Er fing an zu zittern, konnte es nicht kontrollieren. „Ich bin ein Versager…“, flüsterte er. „Kudô!“ Heiji trat vor ihn, packte ihn an der Schulter. Dann stutzte er. Shinichi hob den Kopf, blinzelte. Es schien, als würde er erwachen, aus einem Traum - einem Alptraum. Und er sah, dass ihn dieser Nachtmahr immer noch nicht ganz losließ. Heiji hielt ihm noch mal die Tüte hin. Shinichi hob langsam den Arm und ließ den Zettel hineinfallen. Heiji schluckte, nickte, verschloss die Tüte und gab sie, zusammen mit der, in der die Perlen lagen, nach einer kurzen Erläuterung der Spurensicherung, die aus einem nahe gelegenen Lokal herangeeilt war. Man hatte jeden heute abkommandiert, egal welchen Rang er bekleidete. Umsonst. Dann wandte er sich wieder seinem Freund zu. „Kudô, komm. Ich fahr dich nach Hause. Komm schon.“ Er zog ihn von der Mauer weg. Shinichi hielt sich den Kopf, bemerkte, dass er die Handschuhe noch anhatte, streifte sie achtlos ab, ließ sie zu Boden fallen. „Ich bin ein Versager… schon wieder konnte ich sie nicht retten, Heiji…“ Seine Augen waren leer. Heiji schluckte, dann griff er ihn am Oberarm, zerrte ihn mit sich. Er wusste, Widerrede war zwecklos. Aber irgendetwas musste passieren. Etwas, was ihn von dem Fall ein wenig löste, der ihn zu verschlingen drohte, ganz; mit Körper und Seele, Haut und Haar. Kommissar Meguré stellte sich ihnen in den Weg. „Was ist los mit ihm?“ Heiji starrte ihn an. „Wir kamen wohl drei, vier Minuten zu spät. Deswegen ist er ein wenig down… ich fahr ihn nach Hause.“ „Aber…“ „Herr Kommissar.“ Heiji fixierte den alten Mann streng. „Sehen Sie ihn sich doch an. Sie wissen, was er für’n Moralapostel ist. Er kann Ihnen jetzt ohnehin keine Hilfe sein, also bring ich ihn jetzt heim. Ich bin mir sicher, morgen wird er zum Rapport kommen. Aber nich’ jetzt. Gute Nacht.“ Er drehte sich um, ging ein paar Schritte, dann wandte er sich noch mal um. „Ich nehme an, Sie lassen alle Besucher des Lokals sowie die Angestellten untersuchen? Wegen der Tatwaffe?“ Meguré nickte. „Ja, natürlich. Warum fragst du?“ Heiji schluckte. „Befragen sie die drei Polizisten auch, die mit uns Dienst hatten.“ Der Kommissar starrte ihn an. „Warum?“ Heiji schaute ihn ernst an. „Ich will wissen, wo sie waren. Wir haben sie nicht gesehen...“ Und weil ich Ihnen nicht sagen kann, warum sie verdächtig sein könnten. Deswegen kann ich Sie auch nicht darum bitten, eine Durchsuchung zu machen… das ist der einzige Hinweis, den wir einsammeln können, ohne unser Blatt aufzudecken. Denn wenn wir eine Untersuchung anberaumen… dann werden nicht nur Sie fragen, warum sie verdächtig sind, und diesen Grund können wir Ihnen noch nicht nennen… nein. Sollte es einer von den dreien sein, dann wird er merken, dass wir ihm auf der Spur sind. Und das soll er nicht. Er stierte auf den Boden. Shinichi neben ihm schwieg. Der Kommissar nickte zögernd. „Gut.“ „Danke.“ Damit wandte er sich um und ging energischen Schrittes von dannen, Shinichi immer noch im Schlepptau. Meguré sah ihnen hinterher. Das ist doch nicht das erste Mal, dass dir ein Täter knapp davonkommt, Kudô… aber noch nie hast du dich hinterher derart gehen lassen. Noch nie hat es dich so getroffen… was ist los mit dir? Heiji klingelte an der Haustür. Shinichi lehnte am Türstock, biss sich die Lippen blutig. Der Polizeichef aus Osaka schüttelte sorgenvoll den Kopf. „Ich hätte Meguré nicht anlügen sollen. Es wär besser gewesen für dich. Du…“ „Hör doch auf…“ Shinichi schluckte, starrte auf seine Hände. Ihm war, als klebte Blut daran. „Shinichi, es bringt dich um. Das is doch kein Leben mehr, verdammt. Hör auf damit. Gib ihn ab…“ „Halt die Klappe, Hattori!“ Shinichi starrte ihn wutentbrannt an. „Verdammt, ich sterbe doch ohnehin! Hört auf, mir ständig mit diesem Argument zu kommen! Zuerst Ran, jetzt auch noch du!“ Er atmete schwer. Dann ging die Tür auf. Ran stand da, ihr Blick wanderte von einem zum anderen. Die beiden Männer starrten sich an. Anspannung lag in der Luft. An Shinichis Gesicht blieb sie etwas länger haften; er war auffallend blass. Irgendetwas musste passiert sein. Dann huschten ihre Augen zu Heiji, schauten ihn fragend an. Er blickte sie nur ernst an, senkte den Kopf. Shinichi drückte sich wortlos neben Ran vorbei in die Eingangshalle. Heiji schluckte, nickte ihr zu und folgte ihm. Er war wütend, das merkte man. Sie waren es beide. Und das war… war nicht gut. Heiji und Shinichi… stritten sich eigentlich so gut wie nie. Der Osakaer Polizist holte tief Luft; er konnte sich einfach nicht mehr beherrschen, konnte sich nicht mehr zurückhalten. Einen Fall unbedingt lösen wollen war das eine; sich derart zu quälen, sich die Schuld am Tod der Opfer geben, so derart rücksichtslos sich selbst gegenüber zu sein… das war etwas ganz anders. Und so konnte es nicht weitergehen. „Verdammt noch mal, Kudô! Wie kann man nur so stur sein! Du hast dich nicht gesehen grad eben... Du verhältst dich nich’, wie du dich sonst immer verhalten hast. Du…“ „Was geht es dich an!?“ Shinichi drehte sich um. „Du bist nicht mehr objektiv!“ Shinichi stand da, wie zur Salzsäule erstarrt. Er holte tief Luft, dann wandte er sich um, verschränkte seine Hände hinter seinem Hinterkopf, beugte sich nach vorn, schien seinen Kopf mit beiden Händen zu Boden drücken zu wollen. Heiji biss sich auf die Lippen. Er wusste, das hatte gesessen. Er sah… so gebrochen aus. Er wusste wohl… wusste wohl, dass er Recht hatte. Aber zugeben konnte er es nicht. Noch nicht. Ran schluckte, ging langsam zu ihm. Sie ahnte, was passiert war. Er war ihm wieder entkommen. Eine weitere Frau hatte heut Nacht ihr Leben gelassen… Sie beugte sich nach unten, um ihm ins Gesicht blicken zu können, und es war, wie sie vermutet hatte. Schmerz. Er hatte die Augen zusammengekniffen, in seinen Zügen lagen Schuld und Selbstvorwurf. „Shinichi…“, seufzte sie sanft. Langsam, vorsichtig, umschlang sie seinen Körper mit ihren Armen, drückte ihn an sich. Sein Kopf ruhte auf ihrer Schulter, aber er erwiderte ihre Umarmung nicht. Heiji schluckte schwer. Das hier wuchs sich zu einer Katastrophe aus. Sie konnten ihm den Fall nicht wegnehmen. Er würde sich nutzlos vorkommen, überflüssig… die Ohmacht, die Schuldgefühle würden ihn zerfressen, die Gefahr, dass er sich gehen ließ, wenn man ih zwang, diesen Fall ungelöst aufzugeben - diesen Fall, der ihn so mitnahm - war zu groß. Außerdem schien es der Täter auf ihn persönlich abgesehen zu haben. Wer auch immer dahinter steckte, wollte das Kudô litt, und das gründlich. Und er würde ihn nicht in Ruhe lassen, nur weil er den Fall nicht mehr bearbeitete. Nahm man ihm den Fall nicht weg, drohte er daran zu zerbrechen. Irgendetwas musste passieren, oder er kam unter die Räder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)