Tagebücher von Leira ================================================================================ Kaito Kuroba ------------ Aloha! Vielen, vielen Dank für die Kommentare zu den letzten Kapiteln! Ich freu mich ehrlich drüber, von euch was zu hören ^.~ Ich wünsche in diesem Sinne viel Spaß beim Lesen eines weiteren Kapitels aus der Gegenwart *g* MfG, eure Leira ;D ___________________________________________________________ 19. Kapitel: Kaito Kuroba Gegenwart Uuuuund????? Habt ihrs gebraucht? Das Geschenk? Hast du’s gefunden? Ich weiß, zumindest was das Finden betrifft, ist es eine eher rhetorische Frage, zumindest für mich… aber ich muss sie trotzdem stellen… :) Sayuri musste unwillkürlich lächeln. „Jap.“, murmelte sie leise, ließ ihre Augen weiterwandern. Aber wenn ich so drüber nachdenke, glaube ich, auch für dich erübrigt sich diese Frage. Schließlich bist du meine Tochter! *g* Nein, ernsthaft… ich hoffe ja, ihr braucht es gar nicht. Ich hoffe, du musstest diese Suche nicht auf dich nehmen. Und wenn doch… wenn doch… meine schlimmsten Befürchtungen in dieser Hinsicht wahr geworden sind, so hoffe ich… dass es was hilft. Dass das, was in dem Päckchen ist, eure Situation verbessert, vor allem wohl Rans... Ich wollte ein glückliches Leben für euch... und ich wünsche mir, hatte mir wirklich gewünscht, dass Ran das alles… irgendwann verkraftet. Aber nun… Ein paar erfreulichere Themen. Der Fall um Kaito KID ist geschlossen :D Diebstahl vereitelt, Dieb gestellt, eine tadellose Bilanz, wenn man so will. Netterweise hat er sich diesmal nicht als deine Mutter ausgegeben, aber dafür wohl fast alle abgeklappert, die sonst noch in Reichweite waren; den Freund der Hausherrin; die Hausherrin… mich. Jaaa… er hat’s mal wieder nicht lassen können. Aber diesmal war ich ein wenig schlauer als er. Ich hab ihn überrumpelt, mich nicht abhängen lassen, wie es sonst so oft der Fall war, wenn er in seinen weißen Rauchwolken verdampft ist... und ihn gestellt, am Turm des Palais‘. Dort hab ich ihm dann mal den Kopf gewaschen, ich denke, er hatte es bitter nötig. Und weißt du was? Ich glaube, er hat es jetzt begriffen. Endlich begriffen… dass er so, wie er es jetzt versucht, seine Ziele nicht erreicht. Ich hoffe, zu deiner Zeit hat seine Seele auch ihren Frieden gefunden. Ich würde es ihm wünschen. Seelenfrieden wäre ohnehin für alle was ganz Tolles -.- Deiner Mutter und somit auch dir geht’s momentan ziemlich gut soweit. Wir richten dein Zimmer ein, ich überleg mir immer noch Namen für dich… eigentlich solltest du dich auch mal bewegen, so langsam, aber du lässt dich noch nicht so wirklich dazu herab. *g* Sorgen mach ich mir trotzdem noch… um sie alle. Manchmal glaube ich, sie vergessen, was kommt. Einerseits freut mich das, weil sie dann ihr Leben besser genießen können, ohne ewig diesen schwarzen Schatten im Rücken zu spüren, der Wärme und Licht aufzusaugen scheint wie ein Schwamm… Andererseits fürchte ich, sollte der Tag dann da sein, und er wird kommen… dann wird es ihnen den Boden unter den Füßen wegziehen. Nun. Wir werden sehen. Ich sitz ein wenig wie auf glühenden Kohlen, das muss ich zugeben, denn eigentlich rückt die Deadline immer näher (*muahahaha*, was für ein makabrer Scherz… Deadline. *hust*). Aber ich hab noch keine Lust… es fühlt sich jetzt einfach noch so... falsch an. Gut, das kann auch subjektives Empfinden sein. Außerdem... wird das wohl kein Ding sein, dass sich von meiner Zustimmung abhängig macht, aber irgendwie… ich weiß auch nicht… es scheint mir so, als wäre meine Zeit einfach noch nicht gekommen. Jetzt noch nicht. Etwas gibt es noch… Hm. Nunja. Wir werden sehen… wir werden sehen. Ich wünsch dir auf alle Fälle einen schönen Tag, und verzeih, dass der Eintrag diesmal so kurz war; ich schreib das nächste Mal wieder länger, versprochen. Momentan steht nur leider meine Mum vor der Tür und klopft und meckert seit fünf Minuten, weil sie mich für irgendwas braucht. Ich denke, du weißt, wie taub sie auf beiden Ohren ist, wenn man ihr sagt, man hat grad keine Zeit für sie. ;p Für sie hat jeder immer Zeit, aus, basta. *g* Viele Grüße, bis bald! Das war der Eintrag von heute Morgen gewesen. Sayuri hatte ihn gelesen, beim Frühstück; und nun war sie unterwegs in den Straßen Tokios, genoss den leichten Windhauch, der ihr um die Nase wehte, ihr sanft die Haare aus den Augen blies. Die Sonne schien fröhlich vom Himmel, ein idealer Tag für ein Eis auf der Dachterrasse des neuen Einkaufszentrums, wo sie sich mit Shiho treffen wollte. Sie schaute sich die Schaufenster an, genoss die warmen Strahlen, die langsam immer kräftiger wurden, auf ihrem Gesicht, summte leise. Sie war jetzt zwei Tage beim Professor, und sie genoss es, in einem Haus zu wohnen, wo der Name ihres Vaters nicht totgeschwiegen wurde, und wo nicht jemand in Tränen ausbrach, weil sie nach ihm fragte. Sayuri seufzte. Sie hatte mit ihrer Mutter telefoniert, gestern Abend; aber zum Nachhausegehen hatte sie sich noch nicht überwinden können. Ihre Mutter hatte sie auch nicht darum gebeten, wofür sie ihr dankbar war, denn so musste sie nicht erklären, warum sie nicht heim wollte. Noch nicht. Und so blieb sie. Blieb, und lernte eine Shiho Miyano kennen, von der sie vorher nie geahnt hatte, dass sie existierte. Sie hatten anfänglich nur wenig geredet, zu deutlich hatte Sayuri noch das Bild der Shiho vor Augen, die der kleinen Maus das Gift gab... sah noch so deutlich diesen Selbsthass in ihren Zügen, damals, als sie unten im Laboratorium gestanden hatten, hörte noch zu laut das kreischende Quieken des sich quälenden Mäuschens. Aber langsam hatte Sayuri begriffen, dass die rotblonde Forscherin nicht grundsätzlich so war. Die Shiho, die sie dort kennen gelernt hatte, gab es zwar auch; aber sie war nur ein Teil vom großen Ganzen... und so hatten sie begonnen, sich wieder einander anzunähern. Hatten gesprochen. Über das Leben von Ai Haibara, Sherry und Shiho Miyano. Das war auch der Grund, warum sie mit ihr für heute verabredet war; sie wollten in der gemütlichen Atmosphäre eines Cafés über diese Zeiten reden. Sie war viel zu früh dran; aber sie hatte es auf einmal im Haus nicht mehr ausgehalten, wo das Wetter doch so schön war, und sie ja Ferien hatte; und so zog sie los, ihre Umhängetasche baumelte über ihrer Schulter, als sie flott ausschritt. In Gedanken war sie schon bei dem Gespräch, das vor ihr lag... Shiho hatte ihr erzählen wollen, warum gerade sie diejenige gewesen war, die ihren Vater damals so ins Gewissen reden hatte können, als es ihm so schlecht gegangen hatte; als er überlegt hatte, einfach mit allem Schluss zu machen. Sie hatte sie zwar gestern konkret nach der Bedeutung dieses denkwürdigen Tagebucheintrag gefragt, wo ihr Vater etwas über Schwächen zu erzählen versucht hatte, aber Shiho hatte gemeint, um das alles richtig erzählen zu können, solle sie ihr ein wenig Zeit zum Sortieren ihrer Gedanken geben. Heute war es nun soweit. Sayuri blieb stehen, als sie an eine rote Fußgängerampel kam, hielt sich die Hand vor Augen, als die Sonne sie blendete. Als das grüne Ampelmännchen aufblinkte, eilte sie über die Straße, und gerade wollte sie zielstrebig die Straße weiter entlang gehen, als ihr Blick auf die Auslage eines Geschäfts fiel; es war ein Buchladen. Und da sie an Buchläden sowieso noch nie hatte vorbeigehen können, betrat sie auch dieses Geschäft, sah sich neugierig um, bevor sie dann in die Krimiabteilung wanderte. Irgendwie beschlich sie das Gefühl ein neues Faible zu haben. Sie hielt gerade einen Kriminalroman in der Hand, las aufmerksam den Klappentext, als sie hinter sich eine aufgebrachte Stimme hörte, die sich ihr näherte. „Können Sie mir nun sagen, ob Sie mir dieses Buch bestellen können, oder nicht?“ Sayuri drehte sich um, als sie die harsche Stimme eines Mannes vernahm und fühlte sich augenblicklich wie zu Eis erstarrt. Sie war unfähig, sich zu bewegen, unfähig, auch nur klar zu denken. Dann durchbrach die Stimme einer jungen Verkäuferin die Leere in ihrem Kopf. „Kann ich Ihnen noch nicht sagen... ich muss zuerst nachfragen, ob es noch lieferbar ist. Das Buch, dass Sie suchen, ist ja nicht eben eines der neusten Bestseller...“ Sie klang fast ein wenig anklagend, aufgrund der Ursache, dass er ihr soviel Arbeit bescherte. „Dann machen Sie das.“, meinte er hart, einigermaßen entnervt, verschränkte die Arme vor der Brust, wandte sich um und erstarrte nun seinerseits. Sayuri ihrerseits öffnete ihren Mund zu einem lautlosen Schrei; das Buch glitt ihr aus den Händen. Kaito fing sich als erster wieder, drehte sich langsam wieder um, wandte sich der Verkäuferin zu. Ihm war sofort klar, wer sie war. „Wissen Sie was, lassen Sie es. Ich komme ein anderes Mal noch mal vorbei, ich hab ganz vergessen, dass ich noch einen dringenden Termin habe... äh jetzt...“ Damit verbeugte er sich kurz, trat dann auf Sayuri zu, die ihn immer noch starr vor Schreck anglotzte, griff sie am Arm und schob das Mädchen vor sich her hinaus auf die Straße. Draußen schluckte er hart, rieb sich über die Augen. Sie stand vor ihm, atmete heftig, blinzelte, starrte ihn mit glasigen Augen an. Er wusste nicht, wie viel sie von Kudô wusste; aber er hatte eine gute Ahnung, nach diesem Vorfall erst Recht, wie sein Anblick auf sie wirken musste, hatte sie je auch nur ein einigermaßen passables Foto von ihrem Vater gesehen. Sie schien irgendwie weggetreten, schaute ihn nur an, ohne zu blinzeln, und er wusste, woran sie dache. Oder an wen. Sie hob ihre Hand, langsam, in Zeitlupe fast, wie unter Zwang. In ihrem Kopf tauchten die Bilder auf, die Fotos aus den Alben ihres Großvaters, und der Wunsch, der Wunsch ihn anzufassen, ihren Vater, keimte aufs Neue in ihr hoch. Zwar wusste sie, dass der Mann vor ihr... nicht... nicht ihr Vater war, aber der Drang wurde zu groß, sie hielt ihm nicht stand. Sacht berührte mit ihren Fingerspitzen Kaitos Wange; und zuckte zurück, wie als ob sie sich verbrannt hätte. Dann holte die Realität sie ein, flutete wie eine Welle über sie hinweg, spülte wie eiskaltes Wasser all die Trugbilder aus ihren Gedanken, all die schönen Wünsche und Hoffnungen verschwanden. Und da merkte sie, was sie eigentlich tat. Schämte sich dafür. Sayuri senkte schnell den Blick, hielt sich die Stirn, merkte, wie ihr heißes Blut in die Wangen schoss. Er schien wie erstarrt. Diese Sehnsucht, diesen Wunsch in ihren Augen zu sehen war fast mehr, als er ertragen konnte. Zu gern hätte er ihr gegeben, was sie sich wünschte, aber er wusste, dazu war er nicht in der Lage. Die Position, die er leer hinterlassen hatte, war nicht neu zu besetzen. Und so seufzte er leise, beugte sich ein wenig runter zu ihr, sah ihr so gut es ging ins Gesicht, holte er tief Luft; seine Stimme klang leicht rau, als er sie ansprach. „Denk bitte nicht... ich bin nicht...“ Sie blinzelte, schien langsam wieder Herrin über sich selbst zu werden. „Es... es tut mir Leid, entschuldigen Sie bitte, ich bin... bin... dumm. Ich... ich weiß doch eigentlich, wer Sie sind.“, flüsterte sie dann langsam, nachdem sie sich gesammelt hatte. Jedes Wort kam so unendlich schwer über ihre Lippen, sie schämte sich in Grund und Boden. „Aber ich hätte wirklich gedacht,... er übertreibt mit ihrer Beschreibung.“ Langsam atmete sie aus, und wieder ein, biss sich auf die Lippen, rang um Fassung. „Sie sehen ihm wirklich... wirklich unglaublich... ähnlich...“ Ihre Stimme brach. Mit fahrigen Fingern strich sie sich über die Augen. Kaito stand neben ihr, schaute sie besorgt an. „Ist schon gut. Das… das macht doch nichts…“ Langsam hob sie ihren Kopf wieder, tastete sein Gesicht mit ihren Augen ab. „Sie sind Kaito KID.“ „Falsch.“ Er seufzte. „Ich war Kaito KID.“ Er vergrub seine Hände in seinen Hosentaschen. „Und du bist wohl keine andere als Shinichi Kudôs kleines Mädchen...“ Ein Schauer rann ihren Rücken hinab. Kaito seufzte, sah ihr an, woran sie gerade dachte. Er musste sie ablenken, dafür sorgen, dass sie jetzt nicht auf dumme Gedanken kam. Und so zog er sie mit sich, fing an zu erzählen. Alles, alles... nur um zu verhindern, dass sie daran dachte, dass ihr Vater tot war. „Woher... also wie... hat er dir denn erzählt, wie ich aussehe? Du meintest doch... Shinichi hat dir beschrieben, wie ich aussehe...?“ Sayuri schaute ihn an, nickte langsam. „Ja. Er... er hat mir Bücher hinterlassen. Eine Art Tagebuch. Mehrere davon. In einem stand was über Sie.“ Kaito blieb stehen. „Handschriftlich verfasst?“ Sie schaute ihn erstaunt an. „Ja, warum?“ „Ungefähr DIN A4 groß?“ „Ja…“ Ihre Augenbrauen wanderten immer höher. Woher wusste er das alles? Der Ex-Meisterdieb wurde bleich im Gesicht. „Deswegen also...“, wisperte er. Bilder, Gedankenfetzen tauchten in seinem Kopf auf. Sie beide, auf dem Turm... Dunkelheit hüllte sie ein, der Wind zerrte an ihren Kleidern. „Hast du... hast du’s gelesen?“ „Was gelesen?“ „Das... das Buch. Das Buch, in das du deine Briefe reingesteckt hast. Bitte sei ehrlich, einmal in deinem Leben, hast du darin gelesen?!“ Sein drängender Tonfall hallte immer noch in seinen Ohren. Es war eins von den Büchern gewesen... Das Buch, in dem er damals seine Briefe versteckt hatte... nachdem er sie aus Rans Bücherzimmer entwendet hatte... war zweifellos eines von denen gewesen, die er seiner Tochter hinterlassen hatte. Kaito atmete pfeifend aus, und war in diesem Moment ernsthaft froh, dass er seine Neugierde damals hatte zügeln können. Diese Bücher waren in der Tat nur für einen Menschen bestimmt gewesen, und er hätte bestimmt nichts lesen wollen, dessen Inhalt eine derartige Tragweite hatte. Deswegen wolltest du so unbedingt wissen, ob ich in dem Buch gelesen hab... es war eines von denen, die du für sie geschrieben hattest... aber du kannst beruhigt sein, Kudô, Tantei-kun... ich hab kein Wort gelesen. Nicht eins. Kaito blickte auf, schaute geradewegs in die blauen Augen, die dem seines ehemaligen Kontrahenten so ähnelten. „Du wirst es wohl schon oft gehört haben...“, murmelte er langsam, „aber du hast wirklich Kudôs Augen.“ Sie presste die Lippen aufeinander, nickte. „Ja, stimmt. Aber Danke... trotzdem.“ Sayuri starrte zu Boden, kickte einen Kiesel vom Gehsteig auf die Straße. Kaito setzte sich langsam wieder in Bewegung. „Er hat mich damals geschnappt. Bei unserer letzten Begegnung... hat er mich wirklich geschnappt. Und laufen lassen, wusstest du das?“ Ihr Kopf fuhr ruckartig hoch, in ihren Augen lag Erstaunen. Dann schüttelte sie ihr Haupt, dass ihre Haare flogen. „Nein. Nein, das wusste nicht... soweit war ich noch nicht mit Lesen... er hat gesagt, er hätte sie gestellt, aber nicht, dass er sie laufen ließ…“ Kaito grinste, dann nickte er, steckte seine Hände in seine Jackentaschen. „Doch. Er hat mich festgenagelt, hatte mich schon mit Handschellen an das Geländer des Turms gekettet. Das Haus, aus dem ich den Stein entwenden wollte, hatte einen Turm, musst du wissen.“ Er warf ihr einen kurzen Blick zu. „Also, er hatte mich angekettet, und dann hat er mir den weißen Zylinder vom Kopf gezogen und mir mein Monokel abgenommen... geklaut, er hat’s mitgehen lassen, dieser Taschendieb... es muss immer noch bei euch wo rumliegen, eigentlich.“ Kaito verzog genervt das Gesicht, dann fuhr er fort. „... wie dem auch sei, ein Souvenir sei ihm vergönnt, ich hab’s ihm schwer genug gemacht... wenn ich das gewusst hätte...“ Sein Blick verlor sich kurz, dachte daran, wie sich Shinichi Kudô, den Tod vor Augen, eingesperrt in einen Grab gefühlt haben musste... Dann räusperte er sich. „Wie ich ausgesehen habe, das weißt du ja?“ Sie nickte. „Okay. Also, da stand ich, da stand er, und ich hatte eine Scheißangst, ganz ehrlich; ich dachte, jetzt hängt er mich hin. Und dann hat er mir erklärt, warum ich diese ganzen Raubzüge mache, und das hat mir noch mehr Angst eingejagt, wenn ich ehrlich sein soll. Er wusste alles über mich, meine ganze Geschichte, meinen Werdegang und meine Motive, alles, er war mir in dem Moment fast unheimlich, und da wusste ich, ich hab meinen Meister gefunden... Er hat einfach seine Arbeit sehr gründlich gemacht... er war wirklich ein Meister, wenn nicht der Meister, seines Fachs. Er war der Sherlock Holmes der Heisei-Ära.“ Er seufzte, lächelte versonnen. „Mein Vater starb, da war ich noch in der Grundschule.“ Sayuri stutzte ob des abrupten Themenwechsels, schaute ihn etwas verwirrt an. Kaito warf ihr einen kurzen Blick zu, nickte leicht. „Toichi Kuroba, der Magier seiner Zeit. Deine Oma, Yukiko Kudô, hat bei ihm Verkleidungstricks gelernt. Und dein Opa, der liebe Yusaku, hat sich mit ihm geistig duelliert; denn mein Vater war die erste Version von Kaito KID, bevor ich in seine Fußstapfen getreten bin. Shinichi und ich haben dieses Duell sozusagen in die zweite Generation getragen, und dort dann auch beendet.“ Kaito schluckte, fuhr sich langsam mit seinen schlanken Fingern durch die Haare. „Aber der Grund, warum ich dich dir das erzähle, ist der; mein Vater wurde umgebracht. Von einer Organisation, die der, die dein Vater zerlegt hat, gar nicht so unähnlich war...“ Er hielt kurz inne, schaute mit leeren Blick vor sich auf den Boden, während er ruhig einen Fuß vor den anderen setzte. Das Mädchen schaute ihn aus wachen Augen aufmerksam an. Menschen eilten an ihnen vorbei, als sie langsam den Gehsteig entlang schlenderten, aber sie bemerkten sie nicht. Verkehrslärm schallte von der Straße her zu ihnen herüber, aber es interessierte sie nicht. Kaito Kuroba erzählte, und Sayuri Kudô hörte zu. Er räusperte sich. „Hätte ich deinen Vater und seine Ansichten, seine Brillanz und Kombinationsgabe gekannt, wäre ich vielleicht nie soweit gekommen, als Dieb dem Tod meines Vaters auf den Grund gehen zu wollen. Ich hätte ihn drauf angesetzt, und ich bin mir sicher, er hätte den Fall gelöst. Aber wie Jungs halt so sind, sie wollen alles allein machen. Und so war auch ich, und so dachte auch ich, ich fände die Mörder meines Vaters dadurch, mich selber wie ihr zu verhalten. Auf mich aufmerksam zu machen. Das zu klauen, was sie wohl von ihm zu stehlen verlangt hatten. Den Stein von Pandora...“ Er seufzte. „Pandoras Stein?“, hakte Sayuri nach. „Ich kenn nur Pandoras Büchse...“ Kaito lächelte. „Nun. Pandoras Stein gabs auch; von ihm wird erzählt, er würde eine Flüssigkeit produzieren, die unsterblich machen kann... deswegen war wohl auch diese Organisation so dahinter her. Auf alle Fälle versuchte ich, auf diese Weise, also als Kaito KID, als zaubernder Meisterdieb, der aus dem Nichts kommt, nimmt, was er will und wieder verschwindet, ohne das jemand auch nur den Hauch einer Chance hat, ihn zu fassen, diesen Stein zu stehlen. Dabei ergaben sich allerdings ein paar Probleme... ich wusste nicht, wie der Stein aussah, und wer ihn besaß. Und so habe ich die Zeit über immer irgendwelche berühmten, auffälligen Steine geklaut, geprüft, und, weil sie ja nicht waren, was ich suchte, wieder zurückgebracht.“ Er grinste verschmitzt. „Ich denke, dieses Verhalten war es auch, das deinen Vater auf mich aufmerksam gemacht hat. Denn eigentlich hat er sich kaum mit irgendetwas unter Mord oder Erpressung befasst. Aber ein Dieb, der unter derart öffentlichkeitswirksamen Aktionen Preziosen verschwinden lässt und sie hinterher zurückgibt... das weckte wohl sein Interesse.“ Sayuri nickte langsam, dann schob sie sich ihre Tasche, die ihr während dem Spaziergang von der Schulter gerutscht war, wieder hoch. „Also... auf alle Fälle wollte ich diesen Stein klauen. Einen roten Diamanten namens Red Teardrop. Ich hatte alles minutiös geplant... und sogar deinen Vater schön miteinbezogen. Ich hatte eigentlich vorgehabt, mich als er auszugeben, und hinterher mit dem Stein in der Tasche einfach rauszuspazieren, während er irgendwo selig vor sich hinschlummert. Da hat er mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.“ Das Mädchen schaute ihn interessiert an. Kaito seufzte genervt. „Ja, das denk ich mir, dass dich das interessiert. Du kennst ihn nicht, aber du himmelst ihn jetzt schon an. Ja, er war verdammt noch mal clever; aber da hatte er auch Glück.“ Sayuri grinste. „Inwiefern?“ „Erstens wachte er früher als von mir geplant auf, das Schlafmittel wirkte nicht richtig, oder aber, ich brauchte zu lang, um zurückzukommen. Ich wurde etwas aufgehalten von der Polizei und äh… deiner Mum. Und zweitens konnte dein Dad mit Draht Schlüssellöcher knacken, und das war unfair, verdammt! Er war einer von den guten Jungs, ich dachte, das können nur wir Diebe...“ Kaito verdrehte die Augen, hob die Hände, fuchtelte theatralisch mit ihnen in der Luft herum. „Und ich komm also zurück, wunderbar gefaked als Meisterdetektiv, und sehe, mein kleines Verließ ist leer, mein Vögelchen ausgeflogen! Und dann kommt er daher, grinst wie Oskar, und wirft vor meinen Augen meinen Stein in der Luft rum! Hallo?!?“ Sayuri lachte, während Kaito sie von der Seite anblickte, zufrieden lächelte. Sein Plan ging wohl auf; der lockere Erzählstil amüsierte sie, ließ sie ihren Schreck und ihren Schmerz wohl etwas vergessen. „Also ja... da stand er da und lachte. Und ich dachte, ich mache das, was ich immer tue, wenn er mir einen Raubzug vereitelt hat... ich suche mein Heil in der Flucht. Aber er rannte mir nach, ich konnte ihn nicht abschütteln – er schien an diesem Abend einfach wild entschlossen, mich diesmal zu stellen. Und dann waren wir oben, auf diesem Turm, eben... und er hat mich reingelegt.“ Sayuri blinzelte. „Inwiefern?“ „Er hat gemeint, ich soll mir den Stein holen, wenn ich ihn haben will, und nachschauen, ob’s der ist, den ich suche. Und mit dem Angebot hat er mich so aus dem Konzept gebracht, dass ich kurz zu erstaunt war, um zu reagieren. Und er hat meine Schwäche ausgenutzt... rannte heran, zog mich von der Brüstung, kettete mich fest... dann demaskierte er mich, erzählte mir meine Geschichte... und ließ mich wieder laufen. Nie war ich verwirrter als an diesem Abend... und nie hatte ich mehr Angst. Allerdings habe ich in diesen Minuten wohl auch die Lektion meines Lebens gelernt. Kudô... also dein Dad, sagte, er wolle mich nicht hinhängen, etwas, was ich gar nicht glauben konnte... ich dachte, das müsste doch sein großes Ziel sein... Meisterdetektiv fängt Meisterdieb, stell dir die Schlagzeile vor! Aber er hatte anderes im Sinn. Er bräuchte den Ruhm nicht, meinte er, und indem er mich einsperren ließe, sagte er, könnte er die Welt auch nicht verbessern, weil ich ja kein richtiger Krimineller wäre... er... er bat mich nur um eins. Er bat mich, meinen Rachefeldzug aufzugeben, die Seiten zu wechseln und um Gerechtigkeit zu kämpfen. Und ich tat es, er war wirklich überzeugend. Ich hab nie wieder gestohlen. Ich habe seinen Rat befolgt und gekämpft, und zusammen mit der Polizei, mit zwei Kollegen von Shinichi, diesem Osakatyp Hattori, den du wohl kennst, und dem eingebildeten Schnösel Saguru Hakuba, ein weiterer Detektiv in unserem Alter, meine Gerechtigkeit bekommen. Auch diese Organisation sitzt nun ein, und ich bin hier, bin frei, und freue mich... freu mich am Glanz der Sterne, so sie denn Nachts am Firmament herunterblinken... und danke ihm jedes Mal aufs Neue, dass er mir damals so den Kopf gewaschen hat. Wäre er nicht gewesen, wäre ich jetzt tot oder im Knast. Ich verdanke deinem Vater mein Leben, das werde ich ihm nie vergessen...“ Kaito blieb stehen, seufzte leise. Sayuri schaute ihn lange an, schluckte schwer. „Danke, dass sie’s mir erzählt haben...“ Der Mann nickte nur, schüttelte dann den Kopf. „Nichts zu danken, Sayuri.“ Er blickte sie betrübt an. Ihr junges Gesicht war gezeichnet von Schmerz, von Verlust... und sie tat ihm Leid. Er wusste, wie es sich anfühlte. Wie es war, den eigenen Vater zu verlieren. „Trauerst du um ihn...?“, fragte er dann leise. Das Mädchen nickte stumm. „Ja.“ Unwillig wischte sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. „Ja... ich... kenn ihn nicht wirklich, aber ich ver... vermisse ihn...“ Sie wurde rot wie eine überreife Tomate, schaute ihn verlegen an. „Aber ich will Ihnen gar nicht auf den Nerv gehen, Sie kennen mich ja gar nicht und ich fang hier an zu Heulen und...“ Er schüttelte nur den Kopf. „Ich versteh dich, glaub mir. Ich vermisse ihn auch. Deinen Vater... und meinen.“ Sayuri blinzelte, schaute ihn dann flehend an. „Wann... wann vergeht es...? Wann wird es denn besser...?“ Kaito seufzte betrübt. „Nie.“ Er lächelte traurig. „Und glaub mir... auch wenn’s wehtut... das ist gut so. Denn in diesem Fall ist der Schmerz ein Zeichen für Leben... er lebt noch, in dir. Und solange du ihn da noch spürst, wird er nie ganz tot sein. Ich spreche aus Erfahrung.“ Er nickte, um sich selber zu bestätigen. „Also Kopf hoch. Dein Dad würde nicht wollen, dass du so rumhängst... er will bestimmt, dass du an ihn denkst, aber er würde nicht wollen, dass du dich damit quälst, dass er nicht hier ist... Ich denke, für dich hatte er andere Pläne. Er wollte bestimmt, dass du glücklich wirst. Ein schönes Leben führst. Also mach das! Mach was aus dir... mach was aus deinem Leben, aus deinen Talenten, gestalte deine Gegenwart, finde deine Zukunft, aber vergiss die Vergangenheit nicht, vergiss ihn nicht, denn ich denke, auch er hat dich nie vergessen. Denn es ist auch... die Vergangenheit, die aus uns die Menschen macht, die wir sind.“ Sayuri blinzelte ihn an, wischte sich weitere Tränen mit dem Handrücken aus ihren Augenwinkeln, nickte tapfer. „Danke.“ „Schon gut...“, murmelte der Mann, scharrte verlegen mit den Füßen auf den Boden. Das ist das Mindeste, was ich tun kann. Nach allem, was du für mich getan hast... Kudô. Dann riss ihn Sayuri wieder aus seinen Gedanken. „Aber ich danke ihnen wirklich... dass sie mir das alles gesagt haben. Wirklich, Danke...“ Er räusperte sich; dann streckte er zögernd die Hand aus, strich ihr übers Haar, ließ seine Hand auf ihrer Schulter ruhen. „Wie gesagt, es gibt nichts, wofür du mir danken müsstest. Sei stolz auf ihn; sei stolz auf dich... glaub mir, er wäre es. Du bist außergewöhnlich, so wie er es war.“ Kurz drückte Kaito ihre Schulter, dann nahm er seine Hand wieder weg, steckte sie in seine Jackentasche, lächelte sie an. „Und nun... machs gut, Tochter von Shinichi Kudô; vielleicht kreuzen sich unsere Pfade noch einmal, vielleicht auch nicht, wir werden sehen... bis dahin...“ Er verbeugte sich linkisch, grinste breit, warf ihr einen Handkuss zu. Sayuri blinzelte, weil in ihren Augen kurz etwas kratzte; als sie ihre Augen dann wieder öffnete, war Kaito Kuroba weg. Weg. Sayuri drehte sich verwirrt um die eigene Achse, ließ ihren Blick hektisch durch die Menge schweifen, aber nichts, nichts... sie konnte ihn nicht mehr sehen. Er war weg. Wie in Luft aufgelöst. Dann spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter und fuhr herum, schaute geradewegs in Shihos erstauntes Gesicht. „Sayuri, wo steckst du denn? Ich warte schon auf dich, dachte, ich geh dir jetzt entgegen... was ist das da für eine Blume?“ Sie zupfte ihr eine rote Rose aus ihrer Hemdtasche. Sayuri blinzelte die Rose an, dann Shiho. „Das wirst du nicht glauben, wenn ich dir sage, wen ich gerade gesprochen hab...“ Dann zog sie die Augenbrauen hoch. „Aber ist es wirklich schon so spät?“, fragte Sayuri dann überrascht. „Ja... du bist seit zehn Minuten überfällig, junge Dame.“, meinte die rotblonde Forscherin, drückte dem Mädchen die Blume in die Hand, und zog sie dann mit sich. „Und wer oder was hat dich nun aufgehalten?“, hakte sie dann doch nach. Sayuri spähte noch mal über ihre Schulter, aber sie sah nichts mehr. Versonnen blickte sie die Rose an, die er ihr wohl geschenkt hatte. „Kaito Kuroba.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)