Tagebücher von Leira ================================================================================ Beschäftigungstherapien ----------------------- Hallo, meine sehr verehrten Leserinnen und Leser! Vielen Dank für die Kommentare zum letzten Kapitel! Ehrlich, ich kann euch gar nicht sagen, wie dankbar ich für Rückmeldungen bin, vor allem, weil ich ja wirklich lang gezögert hab, ob ich die Fic hier lade oder nicht... Ich hab heute mal nochmal nachgezählt und kann euch nun sagen- ihr habt noch 7-8 Wochen vor euch; dann ist diese Geschichte zu Ende. Es geht vorwärts. Ob und was danach von meiner Seite noch kommt, darüber reden wir, wenn wir hiermit durch sind ^.^ Wenn ihr dann nicht ohnehin die Schnauze voll habt von Leira'schen Monsterfics *lacht* Aber in diesem Sinne, viel Vergnügen mit einem wenig ereignisreichen Kapitel; ein kleines Intermezzo für zwischendurch und hauptsächlich dafür da, um die Frage zu beantworten: Was passiert eigentlich mit Shiho...? In diesem Sinne... viel Vergnügen, eure Leira :D PS: Das nächste Kapitel kommt nächste Woche etwas später (Donnerstag) weil ich außer Landes bin *g* _____________________________________________________________________ Kapitel 26: Beschäftigungstherapien Vergangenheit „Ran.“ Sie saßen beim Frühstück, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee lag in der Luft und die noch sehr zurückhaltende Frühlingssonne warf vorsichtig ein paar Strahlen durch das Fenster. Mittlerweile war März; und so langsam brach nun doch der Winter, egal wie widerwillig auch immer, seine Zelte ab in Tokio. „Ran.“, wiederholte Shinichi, als seine Angebetete sein Rufen nicht erhörte, gar nicht reagierte sondern weiterhin mit starrem Blick ihr Beobachtungsobjekt fixierte, und schaute von seiner Zeitung auf, warf ihr einen angesäuerten Blick über die Seiten hinweg zu. Ein schweres Seufzen entrang sich seiner Kehle, als er schließlich die Zeitung sinken ließ. „Ran… bitte… bitte versteh das nicht falsch, du weißt, ich liebe dich über alles, du weißt, ich verstehe dich, wirklich, das tu ich… aber... du nervst.“ Ran, die ihm gegenüber am Frühstückstisch saß, mit beiden Händen ihre Kaffeetasse hielt, und immer noch observierte, was sie schon seit einer halben Stunde nicht aus den Augen ließ, nämlich ihn, ihren Gatten, zog leicht verärgert die Augenbrauen zusammen. „Ich tu... was? Na, nun hör aber mal…!“ Shinichi stöhnte innerlich auf. Es war abzusehen gewesen, dass sie das in den falschen Hals bekam. Vielleicht wollte sie das ja auch… er wusste es nicht. „Was ich damit sagen will...“, er schluckte, suchte nach Worten, „... ist... dass... deine überbordende... Fürsorge... mir langsam aber sicher die Luft zum Atmen und den letzten Nerv raubt. Ich kann...“ „Himmel, du wärst vor zwei Tagen fast gestorben, du musst verstehen, dass...“, fing sie an, mit erhobener Stimme aufgebracht ihre Meinung kundzutun, als er sie wiederum das Wort abschnitt. „Ich kann ja verstehen, dass du dich sorgst!“ Er schrie den Satz fast, um sich Gehör zu verschaffen, knallte die Zeitung auf den Tisch. Ran schwieg, verschränkte die Arme vor der Brust und schaute ihn beleidigt an. Seine Züge wurden milder, als er leise aufseufzte. „Ich kann verstehen, dass du dich sorgst. Ich kann verstehen… dass du Angst hast. Wirklich.“, wiederholte er sanft, warf ihr einen liebevollen Blick zu. „Aber versteh doch, das was du machst, ist… ein wenig zu viel des Guten. Außerdem bringt es auch nichts, wenn du mir rund um die Uhr auf der Pelle sitzt - wir wissen beide, wenn es soweit ist, wird es soweit sein, und der... Tod...“, sie zuckte bei dem Begriff merklich zusammen, „wird sich nicht aufhalten lassen, ob du nun dabei bist oder nicht. Lass mir doch ein wenig Raum, Ran. Wenigstens ab und an. Es irritiert, wenn du vor der Toilette wartest, weißt du.“ Er wurde rot. Ran ließ ihre Arme sinken. „Ich weiß.“ Auch auf ihren Wangen breitete sich ein rosa Schimmer aus. „Und wenn ich die Bücher schreibe, würd ich da auch gern meistens meine Ruhe haben. Wenn ich Gesellschaft will, dann komme ich schon… aber ich will dich nicht ständig neben, vor oder hinter mir sitzen, stehen oder liegen haben, denn egal was du sagst, ich bin mir sicher, wenn du nicht gerade emotional neben dir bist, du versuchst zu lesen, was ich da verzapfe.“ Ran öffnete den Mund um zu protestieren, aber Shinichi unterbrach sich. „Aber das sei mal dahingestellt. Vielleicht tust du’s auch nicht, darum geht’s mir auch gar nicht. Mir geht’s… ums Prinzip. Es ist einfach nicht immer so angenehm, deinen Atem im Nacken zu haben... wenn auch zugegebenermaßen, ab und an ist es das wohl...“ Er griff sich unwillkürlich an den Hinterkopf, lächelte verlegen. „Aber momentan komm ich mir meistens vor wie ein Verbrecher, der im Begriff ist, eine große Schandtat zu verüben, wenn du das tust. Und du kannst doch deine Zeit auch sinnvoller nutzen.“ „Ich weiß...“, murmelte Ran, verknotete ihre schlanken Finger leicht beschämt, seufzte leise, strich sich dann über ihren Bauch. „Ich weiß das ja, aber…“ Shinichi wollte gerade zu einer weiteren Bemerkung ansetzen, als es an der Haustür klingelte. „Geh schon.“, meinte er, dankbar für die Unterbrechung des Gesprächs, das in einer weiteren Diskussionsrunde geendet hätte, denn Rans aber war im Grunde genommen schon der Auftakt gewesen; stattdessen stand er nun langsam auf und tappte in die Eingangshalle. Ran starrte ihm hinterher, seufzte lange. Sie wusste ja, er hatte Recht, und sie hatte es wohl wirklich etwas übertrieben – aber das Bild von ihm, wie er auf dem Wohnzimmerfußboden lag, totenblass und kaum am Leben, ging ihr nicht mehr aus dem Kopf. Seine Stimme, sein Betteln und Flehen und der Gedanke, der Gedanke… dass er starb, verfolgten sie. Der Gedanke, dass er aufhörte, zu leben, und dass sie es nicht verhindern konnte. Nichts tun konnte. Sie ertrug es kaum, dieses Gefühl, das sie so intensiv wie vor zwei Tagen noch nie gespürt hatte, sie aber jetzt kaum mehr losließ... das Gefühl, ihn zu verlieren. Mit jedem Tag, der verging, der sie näher an sein Ende brachte, begriff sie umso mehr, wie sehr sie ihn liebte. Wie sehr sie ihn brauchte. Und so... überwachte sie ihn, kontrollierte sie jeden seiner Schritte, obwohl sie wusste, wie sehr ihn das nerven musste. Und wie wenig es nützte. Aber sie wollte bei ihm sein, in seinem Wachen wie seinem Schlafen, jede Sekunde des Tages. Glaubte wohl, durch ihre Anwesenheit könne sie das Unvermeidliche verhindern. Sie wusste, dass sie sich etwas vormachte. Und dennoch tat sie es. Shinichi öffnete die Tür mit Schwung und schaute dann einigermaßen erstaunt den vier Personen ins Gesicht, die vor ihm standen. „Was macht ihr denn hier?“, brach es schließlich aus ihm hervor. Heiji räusperte sich, verschränkte die Arme vor der Brust und trat ein. „Wir haben gehört, was du angestellt hast.“ Shinichi starrte ihm hinterher, warf dann Shiho, die neben Kazuha und Sonoko die Eingangshalle betrat, einen angesäuerten Blick zu. Seine Stirn legte sich in Falten, als er sich zu ihr umdrehte, sie am Arm festhielt. „Konntest du deine Klappe nicht halten?!“, zischte er ihr leise zu. Unterdrückter Ärger schwang in seiner Stimme mit. Sie warf ihm nur einen gelassenen Blick zu und schüttelte den Kopf in mildem Unverständnis, zog ihren Arm aus seinem Griff, tippte ihn in die Rippen, was ihm ein leises Ächzen entlockte. „Freu dich doch.“, meinte sie trocken. Er verdrehte die Augen, warf die Tür hinter sich mit einem Fußtritt ins Schloss. „Und was wollt ihr jetzt hier?“, rief er ihnen hinterher. Heiji drehte sich um, lachte ihn breit an. „Wir geh’n ein Fußballspiel ansehen.“ Shinichi zog interessiert die Augenbrauen hoch. Okay, das Ganze nahm anscheinend doch eine erstaunlich erfreuliche Wendung. „Wie das denn?“, fing er an zu sticheln. „Du willst dich meinetwegen der Folter aussetzen, ein ganzes Spiel anzusehen? Das dauert mindestens 90 Minuten, plus Halbzeitpause, eventuell Nachspielzeit und Elfmeter, also...“ „...besteht nicht mal der Hauch einer Chance, dass er mitkommt.“ Ran war in der Tür erschienen, stemmte sich die Hände in die Hüften, funkelte Heiji böse an. Sie gab mit ihrem gerundeten Bauch in dieser Pose eine imposante Figur ab, das musste man ihr lassen. Heiji sah sie mitfühlend an, schüttelte jedoch den Kopf. „Ran, nun schau doch mal…“ "Vergesst es." Sie ließ ihn gar nicht ausreden, war innerhalb von Sekunden fast in Rage geraten. Er konnte sie ja verstehen, dass sie auf ihren Shinichi aufpassen wollte, aber… Heiji schüttelte erneut den Kopf. So ging’s ja nun auch nicht… schließlich hatte er noch ein Leben, dass er leben konnte. Also sollte man ihm das nicht noch mehr einschränken, als es das ohnehin schon war. Ran war blass geworden, langsam trat sie näher, baute sich vor Heiji auf. „Du weißt anscheinend, was passiert ist, also wie kommst du nur auf diese hanebüchene Idee, ihn für so lange außer Haus...“ „A...aber Ran...!“, fing Shinichi an zu protestieren, kam allerdings nicht weit, als er ihren bitterbösen Blick auffing. Es würde nicht leicht sein, sie zu überzeugen. Heiji trat ihr entgegen. „Ran... komm schon... es tut ihm bestimmt mal gut, wieder unter Leute zu kommen…“ „Nein.“ Ran lehnte sich gegen den Türstock, kniff die Lippen zusammen, verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Nein.“, wiederholte sie bestimmt. „Ihr könnt euch aus dem Kopf schlagen, dass ich ihn gehen lasse. Nicht, nach dem, was passiert ist. Das müsst ihr doch einsehen… es tut mir ja Leid, aber…“ Shinichi seufzte tief. Hier gab es nur einen Weg - Naturgewalt gegen Naturgewalt. Wollte er sich durchsetzen, durfte er das nicht mit Betteln und Erklärungen versuchen. Er musste ein Statement setzen. Er wollte schließlich gerne mal wieder raus... und wenn Heiji schon mal mit ihm zum Fußball ging… Im Prinzip glich das einem Wunder, und Wunder durfte man nicht vorbeiziehen lassen. Er warf seinem besten Freund einen kurzen Blick zu, dann räusperte er sich, straffte die Schultern. Heiji zog die Augenbrauen hoch; er ahnte, was die Stunde geschlagen hatte, als er den entschlossenen Blick in den Augen seines Freundes sah. „Wir gehen.“ Seine Stimme klang entschlossen und es war klar, dass er keine Widerworte hören wollte. Ran riss die Augen auf. Irgendwie hatte sie zwar damit gerechnet, aber sie war nun doch überrascht. „Aber - aber wie kannst du!? Du weißt genau...“ „... was ich dir vorhin zu der Sache gesagt hab. Wir sitzen uns ohnehin gerade zu sehr auf der Pelle, da kommt ein wenig Abwechslung doch gerade Recht. Und ich nehm an, um dir ein wenig Ablenkung zu bescheren, sind die Damen da.“ Er warf einen fragenden Blick in Richtung Kazuha, Sonoko und Shiho. Die zwei ersteren nickten bestätigend mit dem Kopf, während Shiho ihn sacht schüttelte. „Ich komm mit euch mit. Als Nanny... eine muss auf euch Kindsköpfe ja aufpassen.“ Ran sah immer noch alles andere als überzeugt aus. „Ihr spinnt wohl. Ihr wart nicht dabei. Ich lass ihn doch nach diesem Zwischenfall nicht allein weg...“ Shinichi seufzte, wandte sich um, zog seinen Mantel vom Haken. „Sag mal, was tust du da?!“, rief Ran entsetzt. „Wir gehen uns das Spiel ansehen. Ich bin dein Mann, Ran, es ehrt mich, dass du dir solche Gedanken machst, aber nicht dein Kind, den Platz wird wer anders einnehmen... und ich will wirklich ein wenig raus jetzt... wir sehen uns nachher. Mach dir einen schönen Tag und versuch, ein wenig abzuschalten. Versuchs, ich bitte dich...“ Er trat auf sie zu, nahm ihre Hände in seine, zog sie an sich, küsste sie sanft auf die Lippen. „Ich werd’ brav sein, ich versprechs, Mama.“ Er zwinkerte ihr zu. Ran schnaubte. „Ich mach mir aber nun mal Sor...“ Weiter kam sie nicht, weil er ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen legte. „Bis später, Ran.“, wisperte er leise, dann drehte er sich um, verschwand mit Shiho und Heiji aus der Haustür, ehe sie noch ein Wort dagegen setzen konnte. Shiho grinste unverhohlen auf dem Weg zum Gartentor. „Na sag’s schon.“ Shinichi seufzte leise. „Danke, Leute.“ Heiji lachte leise. Shinichi wandte sich ihm zu. „Das hört sich lustiger an, als es ist. Sie macht sich unglaubliche Sorgen, dabei weiß sie, wie es enden wird... ich kann sie ja verstehen, ich liebe sie, aber in den letzten Tagen... hat sie mich fast erdrückt... ich konnt keine fünf Minuten mal allein sein...“ Er schluckte, kratzte sich am Hinterkopf, als er in Heijis Auto stieg. „Ich weiß nicht, was ich machen soll... wenn der Ernstfall kommt. Er wird kommen, das wissen wir... das weiß sie... aber allein...“ Shinichi fuhr sich übers Gesicht, Sorge lag in seinem Blick. Heiji schaute ihn nachdenklich an; dann streckte er die Hand aus, drückte kurz Shinichis Arm. „Sie wird nich’ allein sein, Kudô, ich versprech’s dir. Wir werden auf sie aufpassen. Auf sie alle beide.“ Der Tokioter Ex-Detektiv blickte ihn an, blinzelte. „Ich... ich dank dir.“ „Das musst du nich’.“ Damit startete Heiji den Motor des Autos, fuhr los. Ran tigerte im Wohnzimmer auf und ab, zerzauste sich das Haar. „Ihr spinnt doch total...!“ Sie war wütend, Sonoko und Kazuha sahen ihr das deutlich an. Sie war wütend, aufgebracht und voller Sorge, voller Angst. Sonoko seufzte, schaute sie lange an. Dann ging sie hinaus in die Eingangshalle, und kam mit zwei voll gepackten Körben wieder herein. „Ran...“, murmelte sie leise. „Ran, mach dir keine Sorgen. Nach dem Spiel sind sie wieder da. Und wir hatten eigentlich vor, mit dir ein wenig zu feiern...“ „Was denn feiern?!“, fauchte Ran wütend, starrte aus dem Fenster aufs Gartentor, als könne sie allein durch ihre Blicke ihren Mann dazu bringen, wieder durch dieses Tor zu treten und ins Haus zu kommen. Das war Schwachsinn, das wusste sie. Er war auf dem Weg in ein Stadion, würde sich unter tausenden anderen grölenden, lauten, vielleicht sogar schlagenden Fans ein Fußballspiel anschauen... und sich köstlich amüsieren. Ganz sicher seinen Spaß dabei haben. Und in jeder anderen Situation hätte sie es ihm gegönnt. Aber jetzt… hatte sie nur Angst… dass es passierte, und sie nicht bei ihm war. Sie hatte Angst. Ran strich sich die Haare fahrig hinter die Ohren, seufzte laut. „Es gibt nichts zu feiern. Shinichi stirbt in ein paar Wochen, Tagen, vielleicht schon Stunden, ich kann da nicht feiern, das müsst ihr verstehen, welchen Anlass gäbe es auch.... für eine Feier... deshalb will ich ihn ja hier haben… hier… versteht ihr? Was würdet ihr denn an meiner Stelle tun…? Was soll ich denn feiern…? Es gibt nichts zu feiern…“ Sie lehnte ihre Stirn gegen das kühle Glas, merkte, wie ihr eine Träne aus den Augen quoll. Die Sorge zerfraß sie fast. „Shinichi...“, wisperte sie leise. Sonoko räusperte sich, dann sammelte sie sich, trat zu Ran, legte ihr eine Hand auf die Schulter und drehte sie um. Lange sah sie ihr ernst in die Augen, dann lächelte sie sie an, streichelte ihr mit beiden Händen über den Scheitel, über die Haare, bis ihre Hände auf ihren Schultern zu liegen kamen. „Aber Ran, natürlich gibt es einen Grund zu feiern. Dein Baby, Ran. Eure Tochter. Wir machen eine Babyparty. Mit Muffins, Kuchen, Kakao und Luftballons. Wie man halt eine bevorstehende Geburt so feiert. Zwar ist der Brauch wohl amerikanisch, aber Kazuha und ich...“, sie warf ihrer Mitstreiterin einen kurzen Blick zu, „fanden, dass Sayuri-chan auch eine Babyparty verdient.“ Ran schluckte, merkte, wie ihr vor Rührung die Tränen in die Augen stiegen, umarmte ihre Freundin dann. „Das ist so lieb von euch, aber...“ „Kein Aber.“ Sonoko strich ihr über den Rücken, und auch Kazuha kam näher. „Ran. Bitte... glaub’s uns, Heiji und Shiho passen bestens auf Shinichi auf. Sollte sich irgendwas andeuten, bringen sie ihn sofort her. Ansonsten kommense nachm Spiel zurück… Und wir wollen wirklich feiern, mit dir. Wir haben alles dabei! Du willst uns doch jetz’ hoffentlich nich’ auf unseren Muffins sitzen lassen? Die sin’ selbst gemacht!“ Sie zog einen kleinen, mit rosa Glasur und Zuckerperlen verzierten Kuchen aus ihrem Korb, hielt in Ran entgegen. Ran seufzte tief, ließ Sonoko los und nahm den Kuchen in die Hand. „Selbst gemacht?“ „Höchstselbst!“, nickte Kazuha. „Genauso wie die Sandwiches, die Puddingcrème und die Eclairs. Also bitte.“ Sie lächelte breit. „Lass uns doch dein kleines Mädchen feiern, bevor sie dir so viel Stress macht, dassde nich’ mehr zum Feiern kommst...!“ Die werdende Mutter schaute den Muffin gedankenverloren an. „Wahrscheinlich habt ihr Recht.“, wisperte sie dann. „Nicht nur wahrscheinlich, meine Liebe!“, bekräftigte Sonoko ihr kleines Zugeständnis, zog sie mit sich und platzierte sie auf dem Sofa. „So. Und nun lass Kazu und mich mal machen.“, plauderte sie geschäftig, und begann die Körbe auszupacken. Ran seufzte, schnupperte an dem Muffin, den sie immer noch in der Hand hielt, und biss dann hinein, schloss genießerisch die Augen. Der Muffin war mit Vanillecreme gefüllt. Wahrscheinlich war es wirklich gut, eine kleine, klitzekleine Auszeit zu nehmen. Viel Spaß, Shinichi… hoffentlich gewinnt die richtige Mannschaft. Heiji hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt und hielt sich den Kopf, verfolgte träge die Fußballspieler, die unten auf dem Rasen dem Ball hinterher liefen. Nach dreißig Minuten war er eigentlich schon lange bedient. Dann drehte er langsam den Kopf, beobachtete seinen Sitznachbarn, der voller Anspannung das Spiel verfolgte, unterdrückte ein Gähnen und lehnte sich wieder zurück. Allerdings lohnte es sich augenscheinlich, sich das hier anzutun. „Nun mach doch!!!“ Shinichi war zusammen mit den anderen Spirit-Fans aufgesprungen, als ein Spieler dem gegnerischen Tor immer näher kam, fing an, ihn mit den anderen anzufeuern. Heiji seufzte, zog seinen seiner Ansicht etwas zu enthusiastischen Freund wieder auf den Stuhl, lachte dann aber leise. „Glaubstde, er schießt besser, wennsde dich heiser brüllst, Kudô?“ „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“, grinste Shinichi, nippte an seiner Cola. „Außerdem gehört das dazu!“ „Na, wenn das so ist, dann schrei ruhig rum. Aber sei so gut und machs bitte im Sitzen, weil Ran mich kaltmacht, wenn dir was passiert. Du solltest dich nich’ so aufregen.“ „Dann macht’s aber keinen Spaß.“ Shiho neben ihm verdrehte die Augen. „Manchmal benimmst du dich wie ein kleines Kind.“ Im nächsten Moment wurde ihr bewusst, was sie gerade gesagt hatte, wollte sich entschuldigen, als sie das das Lächeln auf seinen Lippen bemerkte. „Nun, ich war auch lang genug eins, oder?“, antwortete er gelassen, nahm erneut einen Schluck Cola. Dann zog eine Bewegung in seinem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit auf sich, die ihn herumfahren ließ. Ein Spieler der Spirits war im Ballbesitz, nicht im Abseits und dem Tor von Big Osaka gefährlich nahe. Shinichi beugte sich angespannt vor, vergaß sowohl Shiho als auch Heiji, als der den Ball auf dem Rasen verfolgte. „Bitte, bitte, bitte…“ Shiho zog die Augenbrauen belustigt hoch, während Heiji ein Gähnen unterdrückte. Dann… „TOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOR!!!!!!!!!“, brüllte die Fankurve der Tokio Spirits wie ein Mann, und er brüllte mit, war aufgesprungen und hielt beide Hände in die Luft. Shiho fing an zu lachen, als sie die Begeisterung auf seinen Zügen sah. Shinichi ließ sich in seinen Stuhl zurücksinken, trank einen weiteren Schluck Cola und verfolgte das Spiel aufmerksam. Sie fing einen Blick von Heiji auf, der gerade zu ihr herübersah. Er lächelte sie erleichtert an, hielt die Daumen hoch. Sie hob ihre Fruchtsaftschorle und prostete ihm zu. Selbst wenn er keinen Sinn für diese Sportart hatte, musste er doch zugeben, dass allein seinen Freund so ausgelassen zu sehen, für alle Qualen hier entschädigte. Mittlerweile war das Wohnzimmer mit hellrosa und weißen Luftballons dekoriert, und auf dem Tisch stapelten sich Leckereien und ein kleiner Haufen Geschenke. Ran saß auf dem Sofa, schaute die beiden jungen Frauen von unten herauf an, die sie erwartungsvoll anblickten. „Nun... es ist überwältigend...!“, presste sie hervor, starrte dann auf die Luftballons. „Aber findet ihr die nicht ein wenig... zuviel?“ Sie wedelte unsicher mit ihrer Hand in der Luft herum. „Willst du damit sagen, zu viel im Sinne von kitschig im Sinne von zu süß im Sinne von zu...“, begann Sonoko sie zu tadeln, stemmte ihre Hände in ihre Hüften. „Ich, äh...“, stammelte Ran, wurde rot. Sonoko und Kazuha drehte sich um, begutachteten die fünfunddreißig Luftballons, die sie mit Mühe und einer sehr ausgelaugten Luftpumpe aufgeblasen hatten. „Doch ja. Is schon kitschig, aber das gehört sich so.“ Sonoko lächelte breit, ließ sich neben Ran aufs Sofa fallen. Auf der anderen Seite nahm Kazuha Platz. „Doch, es is’ schon ziemlich krass...“, bemerkte die junge Frau aus Osaka. „Aber was soll’s. Was muss, das muss.“ Ran begann leise zu lachen. „Und für wen sie die Geschenke?“, fragte sie dann. „Für unsere kleine Madame.“, zwitscherte Sonoko, streichelte über Rans Bauch. „Für meine kleine Patentochter...“ Sie grinste breit, drückte ihr einen Kuss auf den Pullover. Ran lachte, warf ihr einen amüsierten Blick zu, streichelte ebenfalls über ihren Bauch. Kazuha lächelte, zog ein Geschenk heran. „Und da sie’s aber noch nicht aufmachen kann, obliegt dir diese verantwortungsvolle Aufgabe, werdende Mama. Und danach, wenn du alle geöffnet hast, stärken wir uns.“ Ran seufzte leise, dann zog sie mit einem sanften Lächeln das Geschenkband vom Päckchen. Sonoko und Kazuha ließen sich zufrieden in die Sofakissen sinken. Mittlerweile war das Spiel vorbei, und Shinichi, Heiji und Shiho schlenderten gemächlich zum Auto zurück. Auf Shinichis Gesicht lag ein hochzufriedener Ausdruck; die Spirits hatten ihr Heimspiel haushoch gegen ihre Herausforderer gewonnen, und er ließ es sich nicht nehmen, die Höhepunkte des Spiels zu wiederholen, um seiner Begeisterung Luft zu machen. Heiji hingegen schien durch und durch erleichtert, endlich das Stadion verlassen zu können, mimte aber perfekt den aufmerksamen Zuhörer. Für ihn war allein der Gedanke tröstend gewesen, dass er seinem Freund etwas wirklich Gutes tat – das allein hatte ihn diese langen, langen Minuten durchstehen lassen – ansonsten hatte er sich mehr oder weniger zu Tode gelangweilt. Ein Opfer, das er allerdings gern gebracht hatte, wenn er ihn so ansah, und sich an die vergangenen Stunden erinnerte. Shiho war ebenfalls zufrieden. Sie hatten ihn heute erfolgreich ablenken können, er machte einen fröhlichen, munteren Eindruck auf sie. Fußball war das Richtige gewesen; sie hatten Glück gehabt, die Karten noch zu kriegen. Aber sie ahnte auch, dass er jetzt auch gern wieder nach Hause kam; dass er sich wohl auch darauf freute, Ran von ihren Sorgen befreien zu können. Ein fast ein wenig neidisches Lächeln huschte über ihre Lippen. Er tat wirklich alles für sie. Sie seufzte leise, dann schob sie kurz ihre Hand in seine, drückte sie, ließ sie dann wieder los. Shinichi warf ihr einen milde überraschten Blick zu. Dann seufzte er leise, als ihm ein Gedanke kam, der ihn schon lange beschäftigte. „Shiho... ich weiß, ich sollte dich das nicht fragen, aber... weißt du schon... was mit dir... ist?“ Die rotblonde Forscherin geriet kurz aus dem Tritt, blieb stehen, schaute ihn verwundert an, schwieg lange. „Ich werds überleben.“, murmelte sie dann leise, schaute ihn nicht an. Ihre Stimme klang schuldbewusst und die Worte schienen ihr so unendlich schwer über die Lippen zu kommen. Er blickte sie fragend an, wartete darauf, dass sie fortfuhr. „Ich hab unsere Blutproben verglichen, bei mir zeichnet sich noch keine Entwicklung in der Art ab wie bei dir. Und ich... ich hab... hab ein Mittel gefunden... das es stoppt...“ Sie kniff die Augen zusammen, versuchte, mit aller Gewalt, die Tränen zurück zu halten. „Allerdings... erst... erst vor ein paar Tagen... Es wirkt nur in sehr frühem Stadium, leider. Es wird dir... bei dir ist einfach schon viel zu viel...“ Er schluckte, dann zog er sie kurz an sich, drückte sie leicht. „Ist schon gut, Shiho. Es ist... schon gut...“ Sie presste die Lippen zusammen, sagte nicht, was sie dachte, weil sie wusste, sie würden ohnehin nur wieder streiten. Nein, verdammt, ist es nicht. Ist es nicht. Ist es nicht! Es war nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Aber er… Er dachte mal wieder überhaupt nicht an sich, wie so oft. Leise seufzte sie, als Shinichi sie wieder losließ. „Hast du’s genommen?“ Sie schüttelte zögernd den Kopf. „Nein. Ich wollte...“ „Nimm es.“ Es klang nicht wie eine Bitte, eher, viel mehr... wie ein Befehl. Und sie wusste, so war er wohl auch eher aufzufassen. Sie schaute ihn stur an, schüttelte dann den Kopf. „Ich will aber nicht.“ Ihre Stimme klang trotzig. Er wandte sich ihr zu, und sie erschrak. In seinen Augen spiegelte sich Wut. „Du wirst das Mittel nehmen, Shiho. Damit du nicht so endest wie ich. Hast du mich verstanden?“ Seine Stimme klang scharf und schneidend. „Für was hast du es sonst entwickelt, wenn du nicht wenigstens einem von uns das Leben retten kannst?! Wer hat denn erst vor nicht allzu langer Zeit behauptet, der Ort, der nach dem Sprung in den Abgrund auf uns wartet, wär kein schöner Ort? Benimm dich deinem Alter gemäß und hör auf mit diesen kindischen Spielchen. Das Leben ist das Wertvollste, was wir haben, damit zu pokern steht uns nicht zu. Du wirst deins nicht riskieren, nur weil du dich einer Sache schuldig fühlst, die du nicht zu verantworten hast. Du wirst es nehmen. Heute noch. Versprichs mir.“ Shinichi starrte sie an, ohne zu blinzeln. Sein Blick war fest, er würde ein Nein nicht gelten lassen. Und so nickte sie ergeben. Bei jedem anderen hätte sie sich weigern können… aber nicht bei ihm. Noch nie bei ihm. Sie fühlte sich elend, aber sie gab ihm ihr Versprechen und wusste, sie würde es halten. Sie würde ein Versprechen, die sie ihm gab, nie brechen, genauso wenig wie er eins brechen würde. „Gut.“, murmelte er leise. Dann setzte er sich wieder in Bewegung. Shiho liefen stumm die Tränen übers Gesicht. Schnell wischte sie sich weg, riss sich zusammen, damit er es nicht sah. Er sollte nichts merken. Heiji schaute die beiden beklommen an, dann holte er auf, zog seinen Autoschlüssel aus der Hosentasche. Die Stimmung war immer noch angespannt, als sie vorm Haus angekommen waren, und Shinichi nach seinen Hausschlüsseln kramte. Lautes, vergnügtes Gelächter schallte ihnen entgegen, als er die Tür schließlich öffnete, was ihn dazu veranlasste, Heiji und Shiho, die jetzt ebenfalls etwas überrascht drein schaute, einen verdutzten Blick zuzuwerfen. Er zog seine Schuhe und den Mantel aus, schlüpfte in seine Hauspantoffeln und ging durch die Eingangshalle, machte die Wohnzimmertür auf und blieb auf der Stelle stehen wie vom Donner gerührt. Auf dem großen Teppich saßen Ran, Sonoko und Kazuha in einem Haufen Luftballons und Geschenkpapier, jede von ihnen hielt einen Teller mit Kuchen in der Hand, und sie alle schütteten sich aus vor Lachen. Er merkte, wie Heiji und Shiho neben ihn traten, schaute zuerst den einen, dann die andere an. „Danke.“, murmelte er dann nur. Heiji wusste genau, was er meinte. Er nickte ihm nur zu, dann ging er hinein ins Wohnzimmer, wobei er immer wieder einen Luftballon aus seiner Bahn kicken musste. „Ladies! Wir sin’ wieder da!“, verkündete er. „Habt ihr noch was zu Essen für uns?“ Ran, Kazuha und Sonoko schauten auf. „Du denkst aber auch wirklich nur ans Essen, oder, Heiji?“, frotzelte Kazuha, deutete dann aber auf die Sandwichplatte und den Muffinkorb. Shinichi watete ebenfalls durch das Ballonmeer, ließ sich neben Ran zu Boden sinken, die sich leise seufzend an ihn lehnte, legte einen Arm um ihre Hüfte und nahm ein Sandwich vom Tablett, das Heiji ihm reichte. Shiho schluckte, als sie die beiden sah. Bitterkeit stieg in ihr hoch, Schuldgefühle machten sich in ihr breit, ließen ihr kaum mehr Luft zum Atmen. Sie ertrug das nicht... das Leid zu sehen, dass sie ihnen bringen würde. Zwei Menschen, die sich so liebten, durch ihr Gift zu trennen... Kurz stand sie da, unschlüssig, wusste nicht, ob sie bleiben sollte oder doch lieber verschwinden. Dann drehte sie sich um und ging. Ran starrte ihr hinterher, wollte aufstehen, ihr nachgehen, aber Shinichi hielt sie am Boden. „Lass sie.“ „Aber...“ Er seufzte tief, als er sie ansah, lag in seinen Augen ein Ausdruck von Bitterkeit. „Sie hat ein Mittel dagegen gefunden, Ran. Nur dass es... dass es mir nicht mehr hilft. Ihr schon. Und damit... damit kommt sie grad nicht so ganz klar, fürchte ich.“ Shinichi blinzelte, spürte ein unangenehmes Ziehen im Bauch, erst jetzt wurde ihm eines so richtig klar. Dass er es vielleicht hätte überleben können... hätten sie früher über diese Nachwirkungen gewusst. Ran schaute ihn an, merkte, wie ihre Augen zu brennen anfingen, fühlte die Enttäuschung in sich aufkeimen. So kurz, so flüchtig war der Gedanke, der Funken Hoffnung gewesen, als er von dem Gegengift gesprochen hatte. Kaum hatte sie ihn realisiert, war er schon wieder weg gewesen… Hoffnung, Rettung… gab es nicht. Sie biss sich kurz auf die Lippen, dann nahm sie seinen Kopf in beide Hände, küsste ihn zärtlich, schmiegte sich dann an ihn. Er legte ihre Hand auf ihren Bauch, streichelte ihn sanft. Wie kann das Leben nur so verdammt unfair sein… so makaber, so bitter, so… …so unglaublich ungerecht. So ungerecht… Agasa stutzte, als er kurz vor Mitternacht immer noch Licht im Kellerlabor brennen sah, ging langsam die Treppe runter und blieb erschrocken vor der Tür stehen. Er hörte sie schluchzen. Leise drückte er die Tür ein wenig weiter auf, fand seine Mitbewohnerin vor ihrem Computer, auf dem Bildschirm flackerten Zahlen und Formeln. Sie selber saß vornüber gebeugt und schluchzte hemmungslos, neben ihr stand ein Glas Wasser, neben dem eine kleine Kapsel lag. Er trat näher; sie schien ihn nicht zu bemerken. „Shiho?“, begann er vorsichtig. „Shiho, ist der Tag heut etwa nicht gut gelaufen? Geht es ihm denn schon so schlecht?“ Agasa fuhr sich mit einer Hand durch sein weißes Haar. Sein sorgenvoller Blick ruhte auf ihr; er dachte, ihr Zustand rührte daher, dass sie den Nachmittag vielleicht nicht so hatten durchführen können wie geplant. Dass es ihm nach seinem Zusammenbruch neulich so schlecht ging, dass er das Haus nicht mehr verlassen konnte. Der alte Mann merkte, wie sich in seinem Hals ein Kloß bildete. Er schluckte hart, dann legte er ihr eine Hand auf die Schulter. „Shiho, so sag doch was...“ „Der Tag war wunderbar.“ Erleichtert seufzte er auf, aber das Gefühl währte nur kurz. „Was... warum weinst du dann...?“ Ihm wurde unwohl. Langsam drehte sie sich um. Agasa erschrak, zog seine Hand zurück. Sie sah entsetzlich aus. Ihre Augen waren rotgeädert, vom Weinen wund und verquollen. Ihre Gesichtshaut hatte rote Flecken, wie immer, wenn sie sich aufregte, ihre Hände zitterten wie Espenlaub, ihre Haare waren wirr, standen ihr vom Kopf ab und ihr Atem ging flach und stoßweise. „Ich kann ihm nicht helfen. Mir kann ich helfen, aber ihm... ihm... ihm nicht...“ Tränen perlten über ihre Wangen. „Das ist nicht fair! Das ist nicht fair... ich wollte doch ihm helfen... ihm... nicht mir...“ Sie presste ihre Augen zusammen, wischte sich mit einer Hand die Tränen von den Wangen, erfolglos. „Ich wollte ihm sein Leben wieder geben. Ich wollte, dass er Papa werden kann. Dass er bei Ran bleiben kann. Aber ich habs nicht geschafft! Es geht einfach nicht mehr… ich war viel zu langsam, es ist viel zu spät, ich… er…“ Der Professor schloss kurz die Augen. „Was ist mit ihm…?“ „Er verlangt von mir zu leben, wo ich doch lieber sterben will...“ Agasa schaute sie starr an. „Also weiß er es? Alles?“ „Ja.“ „Und... er will, dass du dich rettest.“ „Ja.“ Sie schluckte, strich sich die Tränen von den Wangen. „Ja. Er war nicht… nicht traurig, nicht enttäuscht, wenn doch, hat er es nicht gezeigt. Er hat es… einfach akzeptiert. Ich… und er will, dass ich es nehme. Dass ich mich rette. Unbedingt will er das…“ „Shiho, das war zu erwarten... und du weißt auch, dass er Recht hat...“ Der Professor schaute sie betrübt an, gestikulierte hilflos mit den Händen. „Shiho, du weißt das doch...“ „Ich will aber nicht.“ Sie drehte sich leicht weg von ihm, schaute starr auf den Boden. „Ich will nicht. Was bringt mir diese Welt noch, wenn ich ihn nicht retten konnte... ich hab verloren, versagt... wer bin ich noch... was kann ich noch...“ Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. „Ich musste ihm versprechen, dass ich’s nehme! Wie kann er mir das antun! Manchmal glaub ich, er weiß ganz genau, dass ich alles tu für ihn...“ In ihrem Gesicht stand Entsetzen. „Alles... aber alles ist nicht genug... nicht genug... war es nie, wird es nie...“ Ihre Lippen bebten. „Wenn du es ihm versprochen hast, musst du es nehmen.“ Agasas Stimme klang sachlich, und er bemühte sich auch um einen diesen Ton, ging nicht auf ihre Antwort ein. Er wollte sie wegbringen von der Schiene, auf der sie gerade fuhr. Es ging doch nur um eins... ihre Liebe zu ihm. Sie liebte ihn, seit Jahren, so sehr, dass sie ihm sein Glück mit Ran gönnte, nie versucht hatte, sie zu trennen, ihn unterstützte in jeder Situation... und dass sie es jetzt nicht konnte, ihm jetzt nicht helfen konnte, trieb sie an ihre Grenze. Und wie es aussah... wollte sie, wenn er nicht leben durfte, auch nicht mehr leben. Aber er wusste... Agasa wusste nur allzu genau... dass Shiho ihr Versprechen halten würde. Und so sah er ihr nur wortlos zu, als sie die Kapsel nahm, mit zitternden Fingern in den Mund steckte und mit Wasser runterspülte, auf ihren Zügen ein Ausdruck von Verachtung, von Selbsthass und Widerwillen. Ihre Augen waren zusammengekniffen, und sie schlug sich nach dem letzten Schluck Wasser schnell die Hand vor den Mund, um zu verhindern, alles gleich wieder auszuspucken. Der Professor schaute sie nur an. Er wusste nicht, was er sagen oder tun könnte, um ihr zu helfen. Für sie... gab es keine Hilfe. Sie würde ihr Leben leben, das sicher. Aber in gewisser Hinsicht gab es auch für sie, wie für ihn, keine Rettung mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)