Tagebücher von Leira ================================================================================ Sharon ------ Joa. :D Hallo, guten Abend, meine Lieben. Ich danke euch wirklich viiiiieeeelmals für die Kommentare zum letzten Kapitel! Nun sind wir also angekommen, beim drittletzten Kapitel... Sayuris und Jodies Begegnung mit Sharon, die… wohl etwas anders verlaufen wird, als sie sich viele von euch wohl jetzt vorstellen. Ich bin gespannt, was ihr sagt. Für das nächste Kapitel, das letzte Vergangenheitskapitel, kann ich wohl denen von euch, die etwas näher am Wasser gebaut sind, heute schon eine Warnung aussprechen. In diesem Sinne sehen wir uns nächste Woche, gleiche Zeit, gleicher Ort :D Viel Vergnügen mit Sharon, Liebe Grüße, eure Leira :D ________________________________________________________________ Kapitel 31: Sharon Gegenwart Ein unangenehmes Kribbeln breitete sich in ihrer Magengegend aus, als sie am Pförtner vorbeitraten, und es intensivierte sich nur noch mehr, als sie die vielen Gänge im Zellentrakt entlang gingen, bis sie von den Gemeinschaftszellen zu den Doppelzellen bis hin zur Einzelhaft in der Abgeschiedenheit des Hochsicherheitstraktes gelangten. Vor ihnen marschierte eine gut gebaute Gefängniswärterin mit kurzen, schwarzen Haaren und grimmigen Gesichtsausdruck durch die mit Linoleum ausgelegten Gänge, die im kalten Neonlicht giftig grün schimmerten. Neben ihnen reihten sich Zelle an Zelle, manchmal sah man ihre Bewohner, manchmal nicht. Immer wieder wurden Türen für sie aufgesperrt und wieder verschlossen; immer wieder wurden sie angeschaut, von anderen Wärtern, manchmal auch von Zelleninsassen, die durch die kleinen Fenster ihrer Zellentüren blickten, und von denen Sayuri kaum mehr erhaschen konnte, als ein paar Augen, die ihr musternd, manchmal auch neidisch oder aggressiv entgegenblickten. Ihr schauderte, als sie versuchte, mit Jodie Schritt zu halten, und sie fragte sich, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, der Agentin zuzustimmen und mit hierher zu kommen. Sharon Vineyard war hochgradig kriminell, sie war eine Mörderin, und dementsprechend war sie bestraft worden; Lebenslänglich, weil sie immerhin als Kronzeugin gegen die Organisation gearbeitet und ausgesagt hatte; ansonsten wäre auch sie schon längst nicht mehr unter den Lebenden. In Japan galt die Todesstrafe noch, und sie hätte sie verdient. Jodie warf ihr einen beunruhigten Blick von der Seite her zu. Sayuri war kalkweiß im Gesicht, ihre Fingerspitzen waren blau angelaufen, ein Zeichen dafür, dass sie sehr nervös war, ihr Kreislauf langsam absackte. Sie beugte sich ein wenig zu ihr, als sie der grimmig dreinsehenden Wärterin an den Zellen vorbei folgten. „Du brauchst dich nicht vor ihr fürchten, hörst du?“ Das Mädchen nickte nur. Dann stieß die kräftig gebaute Frau die Tür auf, winkte Jodie und Sayuri hinein. An einem Tisch, die Beine locker übereinander geschlagen und trotz der unvorteilhaften Einheitskluft des Gefängnisses immer noch umwerfend gut aussehend, saß sie. Sharon Vineyard. Vermouth. Sayuri blieb wie angewurzelt stehen, starrte die Frau mit aufgerissenen Augen an. Jodie legte ihr sacht eine Hand in den Rücken, schob sie weiter. Die blonde Gefangene hatte bis jetzt desinteressiert und abweisend gewirkt; nun wandte sie den Kopf, als sie ihre Besucher aus den Augenwinkeln herantreten sah. Als ihre Augen Sayuri erblickten, hob sie nur kurz interessiert eine Augenbraue, schwieg sich aber aus. Jodie und das Mädchen nahmen Platz, während die Wärterin den Raum verließ und draußen vor der Tür Stellung bezog, wo sie zusammen mit ihrer Kollegin zwar alles sehen, aber nichts hören konnte. Eine Weile schwiegen sie sich nur an; und schließlich war es Sharon, die das Wort ergriff. „Du hast mich lange warten lassen, my dear. Ich dachte, du kämest viel früher, gemessen an deinem Verhalten seinerzeit am Hafen. Du schienst so wissbegierig... and so angry. Ich dachte, du könntest es nicht erwarten, mir all deine kleinen Fragen zu stellen. The reason I killed your daddy, and burned your house, afterwards, for example. Sind denn deine Fragen immer noch dieselben? Willst du die Antworten heute hören, bist du den heute bereit dazu?” Jodie nickte unwillig. Es demütigte sie, dass diese Frau sie immer noch wie das kleine Mädchen von damals behandelte, aber sie hielt sich zurück. Sayuri zuliebe. Und genau sie war es auch, der Sharon nun ihre Aufmerksamkeit widmete. „Well, then. Perhaps I’ll do you the favour today. Aber es wundert mich, dass du dir Verstärkung mitgebracht hast? Hast du Angst, dich mir allein zu stellen?“ Sie wandte ihren schönen Kopf wieder dem Mädchen zu, schaute sie aus eisblauen Augen interessiert an. Sie lächelte, ein Lächeln, immer noch einer Diva würdig; ihre Lippen immer noch voll und rot, perfekt geschwungen; ihre Zähne immer noch strahlend weiß und gepflegt. „I think I know, who you are...“ Offensichtlich war er bei Ran nicht in Ungnade gefallen, seinerzeit, hatte erreicht, was er sich so sehr gewünscht hatte... eine Familie mit der Frau, die er liebte. „Shinichi Kudô‘s little princess.“ Aufmerksam musterte sie sie. „Du hast viel von ihm.“ Sayuri blickte zur Seite. Die Situation war ihr unangenehm. Sharon hingegen redete weiter; sie schien jetzt erst richtig in Fahrt zu kommen, wandte sich wieder der blonden FBI- Agentin zu. „Und, warum habt ihr ihn nicht gleich mitgebracht? Ich denke doch, er hatte auch noch einige Fragen.“ Sharon schaute die beiden fragend an, und setzte doch einen fast gelangweilten Blick auf. Mit der Reaktion, die ihrer scheinbar harmlosen Frage folgte, hatte sie allerdings nicht gerechnet, und so verließ die Gelassenheit ihr Gesicht, machte einem Ausdruck von Verwirrung Platz, ihr Lächeln ein festgefrorener Schatten seiner Selbst. Sayuri fiel die Kinnlade runter, verlor alle Farbe im Gesicht, wandte sich kreidebleich ab. Die Erkenntnis, warum diese Frau diese Frage geäußert hatte, ließ nicht lange auf sich warten, aber wahrhaben wollte sie sie nicht. Sie bemerkte, wie Jodie sich verspannte, ihre Hände so fest verkrampfte, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Ihr ging es wohl ähnlich wie ihr selbst; auch sie konnte es offensichtlich kaum glauben. Eine Weile war nur das heftige Atmen der beiden Besucherinnen zu hören, die mit Mühe um ihre Beherrschung kämpften. Sharon beugte sich verwundert vor. „What’s the matter with you two?“ Jodie schluckte, schüttelte ungläubig den Kopf. „Don’t tell me… Sag... sag bitte nicht, du weißt es noch nicht.“ Die Blondine schaute sie fassungslos an. Sharon legte ihren Kopf schief, ihr Lächeln glitt ihr nun vollends von den Lippen. Jetzt merkte auch sie, dass etwas ganz und gar nicht stimmte. „Was weiß ich noch nicht...?“, flüsterte sie fragend. Jodie schluckte, warf Sayuri, die aufgestanden war und im Besucherraum hin und her ging, einen ernsten Blick zu. Sie war aufgewühlt, das war ihr anzusehen. Damit hatte wohl auch sie nicht gerechnet. „Hast du... dich auf den Laufenden gehalten, was die letzten fünfzehn Jahre außerhalb dieser Mauern vor sich ging?“, fragte die FBI- Agentin die Ex-Schauspielerin und Mörderin zögernd. Sharon schüttelte bestimmt ihren blondgelockten Kopf. „Nein. Informiert wird man hier nur, wenn man es wünscht; ich wollte keine Nachrichten von der Außenwelt, nachdem ich das Tageslicht ohnehin nie wieder sehen würde. Why should I torment myself with hearing news from an outside world, I’d never again be able to lay my eyes upon? Nein. Ich wollte keine Nachrichten. Ich weiß nicht, was mir entgangen ist.“ Sie schaute von Sayuri zu Jodie. „Was ist denn nun passiert?“ Ihre Stimme klang drängend. Langsam ahnte sie nun etwas; ihr Unwohlsein hatte sich verstärkt, sie spürte, dass etwas Schlimmes passiert war. Die FBI-Agentin seufzte tief, schloss kurz die Augen, fuhr sich mit einer Hand über die Stirn; ihre Finger waren eiskalt, leicht feucht und zitterten. „I never thought, I’d be the one to tell you…” Sharon wurde unruhig; sie warf ihr einen leicht verärgerten Blick zu, sie hasste es, wenn man sie auf die Folter spannte, egal ob die Nachricht, die man ihr überbrachte, gut oder schlecht war. „Nun sag schon...! Don’t make me...“ Jodie öffnete ihre Augen wieder, fixierte ihr Gegenüber, holte tief Luft. Sharon unterbrach sich selber, beobachtete die Agentin, wartete, hing fast an ihren Lippen. Die FBI-Agentin beugte sich langsam vor. Ihre Stimme war leise, aber deutlich hörbar, als sie sprach. „Shinichi Kudô... ist tot.“ Sie atmete gepresst aus, wartete auf die Reaktion ihrer Gesprächspartnerin. Die Frau schaute sie nur an, blinzelte, schien den Sinn der eben gehörten Worte nur sehr langsam zu verstehen. Tatsächlich kam es Sharon vor, wie wenn die Worte durch Watte an ihre Worte drangen, sich einzeln durch das flockige Material kämpfen mussten, bis sie sich zu ganzen Sätzen fügte und sie sie auch endlich verstand. Bis sie kapierte, was sie bedeuteten. „Was...?“, wisperte sie dann langsam, stierte mit unfokussierten Augen auf die Tischplatte. Die Frau vom FBI konnte deutlich sehen, wie sich auf Sharons Unterarmen eine Gänsehaut bildete - sie fröstelte, begann zu zittern. Jodie schluckte. „Er ist tot, Vermouth. Euer Gift hat ihn umgebracht. Shinichi Kudô starb im Alter von vierzundzwanzig Jahren. Sie...“, sie schaute betroffen zu Sayuri, die sich auf die Lippen biss und ihr Kiefer zusammenpresste, um nicht los zu weinen, „hat ihn nie kennen gelernt.“ Jodie schluckte, versuchte den Kloß, der sich in ihrem Hals bildete, hinunterzuwürgen, wartete ab. Wartete auf eine Reaktion, die auch umgehend kam. „Du lügst!“, entfuhr es Sharon; fast schon wütend blickte sie die Agentin an, stand auf, begann, Kreise zu laufen. Sie war hektisch, ihre Bewegungen wirkten fahrig, als sie wild gestikulierte, dabei Jodie immer wieder böse Blicke zuschoss. „Du lügst doch! You’re just kidding! Du willst mich nur ärgern, gib‘s doch zu, das ist deine Art von Rache, das… That can’t be the truth.” “It is.” Jodie nickte langsam. „No!“ Sie schrie sie an, atmete heftig, stützte sich auf der Tischplatte mit beiden Händen ab. „He can’t be dead!“ Sharon war stehen geblieben, stützte sich mit beiden Händen an den Armlehnen von Jodies Stuhl ab. „Das kann nicht wahr sein! Ich war dabei! Ich war dabei, als er die Organisation zerstört hat, und da hat er gelebt, er war neunzehn Jahre alt und es ging ihm gut! Du lügst, Miss Starling! Das sagst du nur, um mich zu zermürben, um mich weichzuklopfen, damit ich dir...“ „It is the truth. The sad truth, one might say, but nevertheless...“ Die blonde Frau vom FBI versuchte, ruhig zu bleiben. „Es ist die Wahrheit. Es tut mir Leid… dass du es so erfahren musstest. Dass du es von mir erfahren musstest.“ Es war klar, dass Sharon tief betroffen war; nur so war sich ihre Reaktion zu erklären. Sie verdrängte die Wahrheit, wollte sie nicht wahrhaben. „Shinichi Kudô ist tot..“, wiederholte sie langsam und deutlich, ließ die Frau nicht aus den Augen. „Ask her.“ Sie warf Sayuri einen Blick zu. „Frag sie, wenn du mir nicht glaubst.“ „Nein.“ Sharon presste ihren Handrücken an ihre Lippen, starrte auf den Boden, schüttelte den Kopf. „Nein. Nein. Nein.“ Jodie schüttelte langsam den Kopf, schaute sie ernst an. „Du kannst mir glauben. Er starb an den Nachwirkungen von APTX 4869. Und er wusste es. Er wusste es neun Monate vorher und musste damit leben, seinen Todestag zu kennen.“ Jodie war etwas lauter geworden, aber hatte sich noch im Griff, beobachtete ihr Gegenüber genau. Trotz des Mitleids, dass sie für Vermouth empfand, konnte nichts sie über die Tatsache trösten, warum er gestorben war. Und dass Sharon die Mörderin ihrer Eltern war. Sie wollte für sie doch gar kein Mitleid empfinden, und deshalb ließ sie auch zu, dass in ihr langsam der Zorn wieder hochkochte, über all das Unrecht, dass diese Frau und die Organisation angerichtet hatten. „Ihr habt ihn umgebracht.“ Diese Aussage, diese Erklärung, schien endlich zu Sharon durchzudringen. Sie hob den Kopf, in ihren Augen blitzte die Erkenntnis, und sie schmetterte sie nieder. Sie wankte zu ihrem Stuhl, griff haltsuchend nach dem Tisch, ließ sich dann schwerfällig auf ihn sinken und sackte merklich zusammen. Ihre Hände glitten von der Tischplatte in ihren Schoß. Ihre Augen waren ausdruckslos, ihr Gesicht leichenblass. „No...“ Sie schüttelte den Kopf, langsam zuerst, dann immer schneller. „No, no, no...“ Sie griff sich mit ihren Fingern ins Gesicht, kratzte sich mit ihren Fingernägeln über ihre Wangen. „Guter Gott, nein... warum er? Warum ausgerechnet er?!?“ Ihr Kopf fuhr ruckartig hoch, ihr Blick huschte verstört von Jodie zu Sayuri. „Mein Gott...“ Die ersten Tränen begannen ihr über die Wangen zu laufen. „Ran... wie... wie geht es ihr...?“ Sayuri drehte sich langsam um, es hatte den Anschein, als würde sie langsam zu sich kommen, nach dem ersten Schock, den ihr die Unwissenheit und die Reaktion Sharons eingejagt hatte. Sie schluckte, wandte sich ihr zu, und der Blick ihrer Augen erschrak die sonst so abgebrühte Ex-Profikillerin zutiefst. Sie hatte seine Augen. Vorhin war es ihr gar nicht ausgefallen, nur die rein äußerliche, offensichtliche Ähnlichkeit; aber, sie hatte ihr nicht genug Beachtung geschenkt. Tatsache war: sie sah ihm nicht nur ähnlich. Aus ihr blickte ihr Vater. „Wie soll es ihr gehen...? Sie kam nie darüber hinweg...“, wisperte das Mädchen tonlos. Sharon starrte sie wie versteinert an. Ihre Betroffenheit stand ihr quer übers Gesicht geschrieben. Sayuri schniefte leise, eine Träne quoll aus ihrem Augenwinkel, perlte ihr über die Wange. Unwillig wischte sie sich weg, schämte sich dafür. Sie war wütend auf die Frau, die da um ihren Vater trauerte, wo sie doch ein Mitglied der Organisation gewesen war, die ihm das Leben genommen hatte. Sie hatte kein Recht, um ihn auch nur eine Träne zu vergießen. Sie nicht. Wut kochte in ihr hoch. „Sie vermisst ihn heute noch. Sie tut alles, um es sich irgendwie leichter zu machen. Sie hat ihn sterben sehen, ihre große Liebe, wie soll es ihr gehen!? Was denken SIE denn?!“ Sayuri schrie, fasste sich aber schnell wieder, hielt sich den Mund zu und schaute wieder weg. Sie wollte raus hier. Jodie neben ihr schaute sie nur an, dann stand sie auf, zog sie sie langsam auf den Stuhl neben sich, setzte sich selber ebenfalls wieder hin, nahm eine Hand in ihre und strich ihr über ihre Finger, hoffte, sie etwas zu beruhigen. Das war ganz und gar nicht so gelaufen, wie sie sich das vorgestellt hatte. Im Stuhl ihr gegenüber saß Sharon wie paralysiert. Man konnte zusehen, wie sie langsam immer mehr den Verstand zu verlieren schien. „Tot... er ist... aber... wie konnte das passieren...? Welche… Nachwirkungen waren denn das…?“, murmelte sie fragend. Langsam hob sie den Kopf, suchte mit ihren Augen die Jodies, schaute sie zerschmettert an. Jodie schluckte. „Ich weiß es nicht.“ „Aber ich weiß es.“ Sayuris Stimme klang beinahe gespenstisch. Sharon und Jodie wandten sich ihr zu, beide sehr angespannt, und warteten. Das Mädchen schluckte, starrte auf seine Finger, als es zu erzählen begann. „Er war... vierundzwanzig, als er die Diagnose kriegte, aber angekündigt hat es sich schon vorher, er wusste nur nicht, was es war. Er... er hatte wohl Schmerzen. Diese... Anfälle. Er... hielt es für... eine Nebenwirkung, mit der er leben musste, vorerst. Er dachte, das wäre... Conans Erbe, oder so ähnlich. Erst als es sich häufte, als es... schlimmer wurde, erzählte er es Tante Shiho. Die untersuchte ihn... und stellte fest;“ Sie holte tief Luft, schniefte vernehmlich, aber schaute nicht auf. „... stellte fest, dass sich seine Zellen umbrachten. Apoptose. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Telomerase das Zellsterben gut ausgleichen können, aber mit jedem Anfall starben immer wieder Zellen. Und mit... seinem Alter kam es, dass... das Zellwachstum einfach nachließ. Es ist natürlich, wenn wir ausgewachsen sind, dann pendelt es sich ein. Nur... reichte dieser Stand einfach nicht, den kontinuierlichen Zellselbstmord aufzuhalten. Der Anfang vom Ende begann damit. Er war auch noch bei anderen Ärzten; sie sagten wohl alles das Gleiche. Und so kam es auch.“ Ihre Lippen zitterten. „Er toppte zwar die Prognose, die Ärzte gaben ihm nur ein halbes Jahr, aber... aber gewinnen konnte er letzten Endes nicht.“ Sharon atmete stockend aus. „Und Sherry?“ „Lebt noch. Sie... setzte sich an ihre Reagenzgläser und fand auch ein Heilmittel, nur ihm half es nichts mehr, da war es längst zu spät. Er zwang sie aber, es zu nehmen, soweit ich das erfahren habe.“ Diesmal war es Jodie, die gesprochen hatte. Sharon schluckte, merkte, wie ihr die Tränen über die Wangen liefen. „Mit vierundzwanzig...?“ Sayuri nickte. „So jung... mein Gott, so jung... und Ran...” Ihre Augen wurden glasig, eine Träne bahnte sich ihren Weg aus ihrem Augenwinkel über ihre Wange. “My pretty angel... surely smiles no more...“ Das Mädchen schaute sie verwirrt an. Jodie seufzte, biss sich auf die Lippen. Lange war es still, nur das unterdrückte Schluchzen der Gefangenen war zu hören. „My darling... es tut mir so leid für dich...!“, brach es dann aus ihr hervor. Sie stand auf, beugte sich vor. Sayuri wich ängstlich zurück. „Wirklich, es tut mir so leid! I’m so sorry, so sorry! Ich… das war so nicht geplant, ich wollte nie, dass er umkommt, dear god… wie muss es für ihn gewesen sein... zu sterben, mit dem Wissen, was er alles nicht mehr erleben wird...“ Sie schluckte hart, fixierte Sayuri mit ihren eisblauen Augen, starrte sie unentwegt an, als ihr ein neuer Gedanke kam, sie sich voller Entsetzen die Hand vor den Mund schlug. „Und wie muss es Yukiko gegangen sein... den eigenen Sohn sterben zu sehen... Yukiko...“ Sie sank zurück auf ihren Stuhl. „Warum zur Hölle leb ich noch?! Why couldn’t I die instead...?“ „Weil du damals den Prototyp gekriegt hast, Sharon, laut Laborprotokoll. Shinichi bekam die die weiterentwickelte Version. Sie unterschieden sich...“ Jodie schluckte. Ihr war die Situation wirklich unangenehm. „Ich denke, es ist besser, wenn wir jetzt gehen.“ Sie stand auf. Antworten würde sie von dieser Sharon heute ohnehin keine mehr bekommen; und sie war sich auch gar nicht sicher, ob sie überhaupt noch Fragen stellen wollte. Sayuri neben ihr schaute die Frau mit einer Mischung aus Angst, Betroffenheit, Wut und Trotz an, nickte nur. Jodie trat zurück, die völlig am Boden zerstörte Sharon nicht aus den Augen lassend, klopfte an die Tür. Die Wärterinnen traten ein, bedeuteten den beiden Besucherinnen zu warten, und legten Sharon Handschellen an, führten sie ab. Sie ließ sich willenlos und mit hängenden Schultern mitnehmen. Von der selbstbewussten Schönheit, die sie zu Anfangs hier getroffen hatten, war nicht einmal ein Schatten mehr übrig; diesen Raum verließ eine kaputte, um Jahre gealterte Frau. Jodie trat unbehaglich von einem Bein aufs andere. Ja, sie hatten sie gebrochen. Aber nicht auf die Art und Weise, die sie eigentlich beabsichtigt hatte. Neben ihr stand Sayuri, ihr Gesicht zu einer Maske erstarrt, ausdruckslos. Sie war bedient für heute, wollte nur noch nach Hause. Als sie das Gebäude verließen, liefen sie James Black in die Arme; er sagte nichts, fragte nichts, bedeutete den beiden nur, ihm zu folgen. Und Jodie hielt es genauso; fragte nicht, warum er hier war; sondern war nur erleichtert, dass er es war. Sie stiegen ins Auto, und er fuhr los. „Beika 221b?“, fragte er, an Sayuri gewandt, drehte sich im Sitz nach hinten um. Sie nickte nur, sagte nichts, schaute aus dem Fenster und schwieg. Schwieg, bis sie vor ihrem Haus hielten, dann stieg sie aus, ohne ein Wort zu sagen, nickte der FBI-Agentin nur noch einmal kurz zu. Dann ging sie, langsam, schleppend, den Weg entlang zum Eingang des Hauses, zog den Hausschlüssel hervor, sperrte auf und fiel fast durch die Türöffnung. Als sie hinter ihr zu fiel, sank sie dagegen und fing zu schluchzen an. Mühevoll schleppte sie sich auf ihr Zimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Ihr Plan, durch einen Spaziergang den Kopf frei zu kriegen, war gründlich nach hinten losgegangen. Sie vermisste ihn mehr als je zuvor. Und das nur, weil sie gesehen hatte, wie sogar seine ehemalige Feindin um ihn trauerte. Es war nicht gerecht. Shiho hatte am Fenster in ihrem Arbeitszimmer gestanden, als das Auto vorgefahren war. Sie hatte die beiden Personen im vorderen Teil des Wagens sofort erkannt, auch die leichte Tönung in der Windschutzscheibe hatte sie nicht täuschen können, und auch die fünfzehn Jahre, die auch an ihren Gesichtern nicht spurlos vorbeigegangen waren, nicht. Jodie Starling und James Black. Sie seufzte leise, wobei sich die Scheibe vor ihrer Nase leicht beschlug. Sie hatte sich denken können, warum die blonde Agentin im Lande war; und warum James hier war, begründete sich wohl damit auch. Allerdings stutze sie, als sich eine der hinteren Türen öffnete und Sayuri mehr herausfiel als ausstieg. Sie wirkte sehr mitgenommen, winkte jedoch den beiden Agenten noch tapfer zu, ehe sie hinter der Mauer, die das Anwesen der Kudôs umgab, verschwand. Der Wagen fuhr wieder an, verschwand; Shiho aber blieb stehen, blickte nach wie vor zum Haus. Ihre Augenbrauen waren fragend in die Höhe gerutscht, ein unbestimmtes Knurren verließ ihre Kehle. Sie konnte sich denken, wo Sayuri gewesen war und sie billigte es nicht. Sie hatte Sharon kennen gelernt, bestimmt. Was hatte das FBI nur geritten, dass sie sie in diesem Zustand mit ins Japanische Staatsgefängnis in Tokio mitgenommen hatten. Es war zu sehen gewesen, wie sehr sie die Lektüre der Notizbücher mitgenommen hatte, jedes Mal, wenn sie ihr über den Weg gelaufen war… es war zu sehen gewesen, wie sehr sie trauerte, und stets war in ihren Augen dieser Wunsch zu sehen gewesen… dieser Wunsch, ihn doch noch kennen zu lernen. Irgendwie. Irgendwie… Und anhand der Niedergeschlagenheit, die nur zu deutlich in ihren Augen zu sehen gewesen war, sah sie, dass dieser Wunsch seinen Höhepunkt erreicht hatte – dafür gab es nur einen Grund. Shinichi war tot. Offensichtlich war sie am Ende der Bücher angekommen, und damit war er ein weiteres Mal gestorben, und damit toter, aber auch lebendiger für sie als je zuvor. So sehr sie wohl auch versucht hatte, das Ende hinauszuzögern, nun war es soweit, und es war schrecklich für sie. Sie hatte ihn festhalten wollen, wie Ran, das war sehr deutlich zu sehen gewesen… so oft, wie sie die Bücher in letzter Zeit weggelegt hatte… konnte der Grund nur einer gewesen sein: das Unvermeidliche aufschieben. Sie hatte es gesehen, in den Tagen, als Sayuri hier gewesen war. Es war auffällig gewesen, wie sie einerseits nicht die Finger von den Büchern hatte lassen können, und andererseits fast nach jeder Seite eine Pause machte. Nun war vorbei… und doch fing es auch gerade erst an; jetzt wusste sie, wer er gewesen war. Sie konnte jetzt ihr Leben weiterführen, mit dem Gedanken, was er für ein wundervoller Mensch gewesen war. Sie wusste jetzt, wer ihr Vater war. Sobald die ersten Wunden wieder etwas verheilt waren, würde sie dadurch umso stärker sein. Sobald sie diesen katastrophalen heutigen Tag abgeschlossen hatte und einigermaßen verdaut hatte, würde es ihr besser gehen. Langsam strich sie sich eine rotblonde Strähne aus ihrem Gesicht hinter die Ohren. Das Leben würde weiter gehen für sie. Auf jeden Fall. Sie würde ihn stolz machen wollen, auch wenn sie diesen Stolz in seinen Augen nicht sehen würde. Sie würde seine Tochter sein… und leben. Leben, ja. Ai sprang neben ihr auf das Fensterbrett, miaute zart. Shiho hob die Hand, begann ihr den Kopf zu kraulen. Leben… Seltsamerweise war das auch sein einziger Wunsch gewesen… dass sie lebten, ohne ihn. Nur das. Einfach… weiterleben. Aus dem Leben das Beste machen, so wie er es versucht hatte. Nicht einfach zu verharren und sich nicht mehr zu bewegen. Nicht aufhören, zu sein… Aber wer von ihnen hatte ihm denn diesen Wunsch erfüllt? Wenn sie es genau betrachtete… war für alle Beteiligten, jetzt vielleicht einmal abgesehen von Sonoko, Eri und Kogorô, die Welt stehen geblieben an dem Tag, an dem er sie verlassen hatte. Ran verdrängte den Gedanken an ihn, weil er so wehtat. Ran hatte Shinichi mit jeder Faser ihres Körpers geliebt, und als es ihn traf, traf es sie nicht minder hart. Er war ein Teil von ihr gewesen, den man ihr entrissen hatte, und die Wunde blutete immer noch, so sehr Ran auch versuchte, es zu verhindern. Er fehlte ihr. Wie viel diese drei Wörter auszusagen vermochten, wurde Shiho am Tag, nachdem er gestorben war, bewusst geworden, und die Erkenntnis hatte sie niedergeschmettert. Sie hatten Ran besucht. Eine Ran, die kaum mehr atmen konnte, kaum mehr weinen konnte, nicht reden und erst Recht nicht lachen… Das Bild von Ran, die im Wohnzimmer gestanden hatte, vorm Fenster, hatte sie nie vergessen. Sie hatte die Arme um sich geschlungen gehabt, so fest, als müsse sie sich selber halten, und das war es wohl auch wirklich, was sie tat. Ihre so lebendigen, blauen Augen waren leer, blickten in den Garten und schienen doch nichts zu sehen. Ihre Haut war blass, ihre Haare hingen ihr ins Gesicht, sie hatte ihren Kopf leicht gesenkt… obwohl das Zimmer voller Menschen war, die sie kannte, die sich um sie kümmern wollten, schien sie nie einsamer gewesen zu sein. Sie wirkte so zerbrechlich, so verletzt, so hilflos… Sie schien sich in ihrer Welt nicht mehr auszukennen… wirkte wie ein Kind, das sich verlaufen hatte und nicht mehr nach Hause fand. Sie war in ihrem Heim, aber nicht mehr zuhause. Alles in ihrem Haus erinnerte an ihn, aber nichts brachte ihn ihr zurück. Shiho schluckte, fuhr sich über die Augen, rieb sie sich, um das Bild zu verscheuchen. Ran hatte sich wieder einigermaßen gefasst, schließlich gab es noch Sayuri- und für sie musste sie funktionieren. Sie lernte ihre Welt neu kennen, wie es schien, fand eine neue Rolle, aber die alte war vergessen… die alte Ran war mit ihm gegangen. Agasa war ein wenig anders; er war einer der wenigen, die es regelmäßig an sein Grab schafften, wohl, weil er sich in gewisser Hinsicht dazu verpflichtet fühlte… es fiel ihm etwas leichter, weil er doch ein wenig mehr Abstand wahren konnte. Er trauerte nach wie vor, aber er lebte. Er war da für sie selbst, für Ran und für Sayuri, die wie eine Enkelin für ihn, war; er kam mit ihrer Ähnlichkeit zu ihrem Vater gut klar, wollte sich um sie kümmern, wollte ihm, so er denn von da oben irgendetwas von hier unten sah, zeigen, dass er sich kümmerte. Ihm fehlte er sicher auch, aber er hatte eine Aufgabe. Für Ran war der Verlust da ungleich schwerer. Yusaku und Yukiko gingen tapfer damit um, keine Frage. Yukiko ging in ihrer Rolle als Oma voll auf, was vorher nie jemand in dem Maße geahnt hätte. Yusaku hatte seine Schwächen, wie sie wusste… aber er versuchte, sich zu arrangieren. Damit leben war allerdings was anderes. Sie vermissten ihn. Sie hatten ihren Sohn verloren, solcher Schmerz verging nie. Und sie selber… sie selber war im Fach „Leben genießen“ wohl auch nicht unbedingt Musterschülerin. Sie hatte seinerzeit das Gegengift genommen ja. Das, und sich nicht zwischenzeitlich doch noch von einem Hochhaus zu stürzen, waren die einzigen Maßnahmen gewesen, die sie ergriffen hatte, um seiner Bitte irgendwie gerecht zu werden. Sie fühlte sich noch genauso schuldig wie am ersten Tag. Sie hatte versagt. Hatte nicht erkannt, was mit ihm los war, war zu langsam mit dem Gegengift gewesen, hatte von vorneherein seine Gesundheit gefährdet, er hatte ihr nie einen Vorwurf gemacht aber sie fühlte sich schuldig. Er hatte alles getan, soviel riskiert, um sie am Leben zu halten- hatte sie beschützt vor Gin und der ganzen Organisation, hatte sie zu Fall gebracht, hatte ihr ihr Leben geschenkt - und sie… kam sich vor, als hätte sie ihm im Gegenzug das seine genommen. Ja, sie fühlte sich schuldig. Verdammt schuldig. Das Gefühl hatte sie nicht losgelassen. Und deshalb sah sie sich als unwürdig, noch am Leben zu sein. Sie seufzte, hörte auf, die Katze zu kraulen, vergrub ihre Hände in den Taschen ihrer Weste und zog die Schultern hoch. Er wollte, dass sie glücklich waren, lebten. Mehr hatte er nie gewollt, und sie alle hatten den Teufel getan, ihm da entgegen zu kommen. Verdammt, wenn er sie von da oben sah, musste ihn die Sorge und das schlechte Gewissen nahezu zerfressen. Siehst du es denn? Sie verdrehte die Augen und biss sich auf die Lippen, legte dann den Kopf in den Nacken. Dass ihr die Erkenntnis erst kam, als sie über alle anderen nachdachte, dass sie erst überhaupt nachzudenken begann, als sie seine Tochter so niedergeschlagen gesehen hatte… dafür schämte sie sich. Dann straffte sie die Schultern, schnappte sich ihre Handtasche und ging… ging nach draußen, sie wollte zum Friedhof. Es gab etwas, was sie ihm sagen wollte. Ein paar Minuten später saß sie zwischen den Gräberreihen im Gras und schwieg, starrte den Grabstein an, berührte mit den Fingern eine Rosenblüte, die vor ihrer Nase hing. Dann holte sie tief Luft. „Mach dich nicht lustig, ich warne dich. Wehe, du lachst.“ Sie räusperte sich, dachte lieber nicht daran, wie sie auf andere Besucher des Friedhofs wirken musste. Durchgeknallt, bestimmt. Mein Gott, was tu ich hier… ich rede mit einem Toten… ich hoffe nur, er hört mich wenigstens… Dann biss sie sich auf die Lippen, atmete durch, fing wieder an, leise, sehr leise zu reden. „Ich… bin hier… weil ich nachgedacht habe. Ja, verdammt ich weiß, ich bin spät dran.“ Sie schluckte. Es war ihr fast unheimlich, aber sie konnte beinahe sein Gesicht vor ihrem inneren Auge sehen. Nervös starrte sie auf ihre Finger, rupfte einen Grashalm nach dem anderen aus, versuchte, ihre Umgebung auszublenden, starrte auf ihre Knie. „Ich hab nachgedacht. Über das, was du gesagt hast, über das Leben. Mach dir keine Hoffnungen, ich bin immer noch der Ansicht, ich bin schuld. Bin ich auch. Lass mir das.“ Unsicher strich sie sich eine rotblonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Der Wind wehte sacht, strich durch die Äste und ließ die Blätter rascheln, die Sonne schien, der Himmel war wolkenlos und unglaublich blau… der Tag schien wirklich ideal, wie geschaffen, für das, was sie vorhatte. Sie hob den Kopf, schaute auf den blankpolierten Marmorstein, sah in ihr eigenes Spiegelbild, irgendwo hinter seinem Namenszug, der in der Sonne golden strahlte. „Ich wollte mich entschuldigen, für meine Unfähigkeit und meinen Unwillen. Du… du hast eigentlich nicht viel verlangt, aber irgendwie… schien es für die meisten von uns doch zu schwer. Du… hast uns so viel bedeutet. Mir besonders. Du… du fehlst mir immer noch, weißt du…?“ Ihre Lippen bebten, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Warum ich mich entschuldigen will ist… weil… ich mich verdammt nochmal gehen lassen hab. Ich hab zwar meinen Beruf und all das… aber im Prinzip waren die letzten Jahre vergeudete Zeit. So hast du nie gelebt und so würdest du von uns auch nicht wollen, zu leben, das hab ich jetzt begriffen. Dir geht’s nicht darum, dass wir einfach am Leben sind… sondern wirklich… leben…“ Sie seufzte, stand langsam auf. „Ich bin hier, um dir zu sagen, dass ich heute damit anfange. Ich versprech‘s. Du musst dir um mich keine Sorgen mehr machen.“ Shiho lächelte in sich hinein. „Ich beginne heute, zu leben. Ich hoffe, du freust dich jetzt. Letztendlich hast du doch mal wieder deinen Willen bekommen.“ Damit drehte sie sich um, ging. Ein erleichtertes Lächeln lag auf ihren Lippen, ein Gefühl von Glück keimte in ihr auf, ein Gefühl… das sie für längst verloren geglaubt hatte. Danke…! Jodie saß in James’ Auto, schwieg lange. Als sie schließlich sprach, klang ihre Stimme heiser. „I didn’t ask a single question. Not one…” Er schaute sie fragend an. „Ich kam nicht dazu. Sie sah... sah Sayuri, und fragte... sie fragte, warum wir ihn nicht mitgebracht hätten.“ Der alte Mann vom FBI starrte sie entsetzt an, kurz vergaß er den Verkehr um sie herum.. „Sag nicht...“ „Doch. Sie wusste es nicht. Sie wusste es wirklich nicht.“ Jodie wandte den Kopf ab. „God... she didn’t know that he had died… she didn’t know at all. Und ich war da mit seiner Tochter und dann bricht sie in Tränen aus… sie...“ Aus den Augen der Agentin perlten die ersten Tränen. „Himmel, James, sie ist seine Tochter! Und sie hat ihn nie kennengelernt! Ich dachte, mein Schicksal wäre hart, weil diese Frau meinen Vater ermordet hat, aber ich durfte ihn wenigstens kennen... ich durfte seine Zuneigung spüren. Ihr blieb das verwehrt... und ihm...“ Sie wandte sich ihm zu. Ihre Schultern zuckten. „Ich denke, er wäre...“ „Shhht...“, James schluckte, dann beugte er sich zu seiner Beifahrerin, zog sie zögernd mit einem Arm zu sich. „Sie hätte es verdient... sie hätte es verdient, ihn als Vater zu haben, sie...“ „Ich weiß...“ James schluckte, dann ließ er die Frau wieder los. „Aber das lässt sich nicht mehr ändern. Sie muss ohne ihn klarkommen und ich denke, sie ist stark… sie wird das schaffen. Schließlich… ist sie seine Tochter.“ Jodie schluckte tapfer, nickte, setzte sich wieder gerade hin und strich sich die Tränen aus den Augen. „Aber wie es für ihn gewesen sein muss... in dem Wissen zu sterben, sie zurücklassen zu müssen, mag ich mir nicht vorstellen. Ich hatte...“ Er schluckte trocken, fuhr sich über die silbernen Haare. „Ich hatte nie Kinder. Aber ich kann mir vorstellen, es war die Hölle für ihn zu wissen, seine Tochter und Ran allein zurücklassen zu müssen.“ Er schluckte schwer. „He was far too young to die... but it seems to be true; the good die young. Always.” Jodie nickte beklommen, dann ließ sie sich von James zurück ins Hotel fahren, in Gedanken jedoch war sie bei dem Mädchen, das sie heute kennen gelernt hatte. Bei Sayuri Kudô. Das Letzte, was sie von Sharon Vineyard, dem einst so glänzenden Stern am Schauspielerhimmel, hörte, war, dass sie starb, ein paar Monate nach ihrem Besuch, unter mysteriösen Umständen. Einsam und allein in ihrer Zelle einschlief, und nie wieder erwachte, ihre Wangen von Tränen nass und scheinbar um Jahrzehnte gealtert. Es überraschte sie nicht. Sharon hatte geglaubt, sie hätte für Gerechtigkeit gekämpft, hätte die Welt ins Gleichgewicht gebracht, als sie ihm geholfen hatte, die Organisation zu besiegen. Das war, wie sie nun wohl hatte eingestehen müssen... nie passiert. Gerechtigkeit gab es nicht. Ein Gleichgewicht auch nicht. Ein guter Mensch hatte verloren, war gestorben... es wurde Zeit, dass auch ein böser Mensch diese Welt verließ, um die Waage, die sich zu Ungunsten des Guten verschoben hatte, wieder auszugleichen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)