Tagebücher von Leira ================================================================================ Epilog: Epilog- Erinnerungen sterben nicht ------------------------------------------ Seid gegrüßt, liebe, hochverehrte und geschätzte Leserinnen und Leser! (und ich meine das auch so! Das ist keineswegs eine Floskel) Nun- heute ist es soweit; diese in Reinform 233 009 Wörter zählende Geschichte hat ein Ende, nach dem das Leben des Protagonisten es im letzten Kapitel gefunden hat. Vielen Dank für die Kommentare dazu! Ich hab mich sehr gefreut und fühle mich sehr geehrt, dass sich doch einige damit, wenn nicht anfreunden, aber gut damit abfinden haben können. Wie ich es immer gemacht habe, werde ich mich auch bei dieser Geschichte erst am Ende wieder zu Wort melden und überlasse euch hiermit dem Epilog von „Tagebücher“; oder überlasse ihn euch, je nachdem, mit was ihr euch wohler fühlt. In diesem Sinne, viel Vergnügen beim Lesen, bis gleich. ______________________________________________________________________ Epilog- Erinnerungen sterben nicht Gegenwart Sayuri lag im Bett, ihre Tränen waren eben erst versiegt, und starrte an die Decke. Der Besuch bei Sharon hatte sie sehr aufgewühlt; auf gewisse Weise fühlte sie sich hintergangen. Das hier war zu ungerecht. Selbst seine Feinde hatten ihn besser gekannt als sie, seine Tochter... und trauerten zum Teil sogar um ihn. Das war doch nicht fair…! Sie fand das nicht gerecht. Er hatte so früh schon sterben müssen, so grausam... und nicht einmal das Ziel, sie noch zu sehen, hatte er wohl erreicht, wie es den Anschein hatte. Sie konnte nur hier liegen und sich über derartige Ungerechtigkeit beschweren, wie er wohl auch, damals, als… Das war einfach nicht richtig. Er hatte ohnehin schon auf so viel verzichten müssen, dann nicht einmal dieses eine Zugeständnis noch zu bekommen, das war nicht gerecht. Das Leben war einfach nicht gerecht, diese Lehre zumindest hatte sie aus all dem gezogen. Doch dann traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht, ließ sie hochfahren und kerzengerade im Bett sitzen. Woher wusste sie eigentlich, dass er es nicht mehr erlebt hatte? Er hatte seine Bücher beendet... ja. Aber das hieß noch nicht, dass... Dass mit dem Ende der Bücher auch sein Leben zu Ende war. Er hatte es ja bestimmt nicht zugeschlagen und war dann... Sayuri schluckte, fuhr sich mit zitternden Fingern über die Augen. Hoffnung keimte in ihr hoch. Ob ihr Vater… ihre Geburt noch erlebt hatte, konnte ihr ein Mensch ganz sicher sagen. Ihre Mutter. Sie musste es wissen… wissen, ob er einfach willkürlich abgebrochen hatte, mit seinen Büchern… oder ob er es wirklich nicht geschafft hatte. Mittlerweile fragte sie sich ernsthaft, warum sie daran nicht früher gedacht hatte. Sie lächelte bitter, als sie sich die Antwort selber gab. Weil sie mit ihrer Mutter über ihren Vater kein vernünftiges Gespräch führen hatte können, bis jetzt. Nun... vielleicht konnte sie heute ja zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Der Tag war schlimm genug gewesen, es wurde Zeit, dass wenigstens noch eines gut wurde... Sie würde ihrer Mutter sein Geschenk geben. Sie musste es tun. Jetzt. Das Mädchen kramte den Brief und das Päckchen aus der hintersten Ecke ihrer Schreibtischschublade hervor und verließ ihr Zimmer. Ihre Augen waren immer noch rot geweint, als sie, den Plüschteddy zu ihrem ersten Geburtstag fest im Arm haltend, an die Tür zum Schlafzimmer ihrer Mutter klopfte. Ran öffnete ihr, ein Kissen, dass sie gerade frisch beziehen wollte, in der Hand, schaute sie abwartend an. Sie war erschüttert, als sie ihre Tochter so in Tränen aufgelöst sah, und fragte sich doch, warum es sie so erstaunte. Sie hatte doch damit gerechnet, eigentlich. Abwartend schaute sie sie an, seufzte leise. „Also bist du fertig…?“ Sayuri nickte starr. Dann brach es aus ihr heraus, in ihren Augen lag flehende Verzweiflung, ihre Lippen bebten. Sie warf ihre Selbstbeherrschung über Bord, sie musste es wissen, bevor sie hier weitermachen konnte; sie musste wissen, ob sich sein Kampf wenigstens für ihn noch in irgendeiner Weise gelohnt hatte. „Wer… wer hat es denn nun eiliger gehabt?“ Sayuris Stimme klang brüchig. Ran verstand sofort, was sie meinte. Tief atmete sie durch; dann drehte sie sich um, ging zu ihrem Nachttisch und holte aus der untersten Schublade ein Foto hervor. „Du.“ Sie hielt es ihr entgegen, und ein winziges Lächeln war auf ihren Lippen erschienen. Sayuri schaute sie erstaunt an, bevor sie das Foto in ihren Händen anblickte. Ihre Augen wurden groß, als es in die Hand nahm, jeden Quadratzentimeter aufmerksam studierte. Es zeigte ihren Vater, der verdammt blass, aber sichtlich stolz mit einem Baby im Arm in die Kamera lächelte. An ihm lehnte ihre Mutter, gab ihm einen Kuss auf die Wange. Sayuri hielt den Atem an, merkte, wie eine Welle der Erleichterung über sie schwappte, in ihr wohlige Wärme hinterließ. Er war wie auf all den anderen Fotos… Die gleichen Ponyfransen, dieselben Augen. Augen, in denen sie selbst auf dem Foto die Liebe sehen konnte, die er für das kleine Wesen in seinen Händen empfand. Für sie. Für seine Tochter. Sie umklammerte das Foto so fest, dass ihre Hände zitterten. Ihr Vater. Er hatte sie doch noch gesehen... Er hatte sie noch gehalten, ihr noch sagen können… was ihm so wichtig gewesen war. Sayuri brach erneut in Tränen aus. Ran schluckte, zog sie an sich. „Sieben Tage später…“, murmelte sie, ihre Stimme klang heiser. „Nur eine Woche hatte er mit dir… bevor er starb. Er hat sie genossen, das sah man ihm an... und an dem Tag, als er... starb... schien er mit sich im Reinen zu sein. Er hatte erreicht, was er so gern noch erreichen wollte, für das er so gekämpft hatte, aber dann musste er aufgeben, und er tat es... ohne Klagen... ohne Jammern. Er war...“ Sie schluckte. „... sehr tapfer. Ganz im Gegensatz zu mir, ich wollte stark sein, aber ich konnte es nicht... ich wollte ihn unbedingt festhalten... ich... und dann... dann ist er...“ Ran brach ab, sammelte sich. „Und seitdem… seitdem vermisse ich ihn. Es ist so schwer ohne ihn… Ich habe ihn so sehr geliebt, dass ich manchmal glaube, ich bin damals mit ihm gestorben… ein Teil ist das wohl… Du musst das verstehen, ich... ich dachte, ich käme klar damit, damals, aber schon am Tag danach stand fest für mich, dass nichts, gar nichts mehr so war wie vorher, dass ich nicht klar kam damit, dass er weg war, tot war, ich... dachte, es wäre am Einfachsten, mir den Gedanken an ihn nicht mehr anzutun, wo ich ihn doch so sehr vermisse...“ Sie lächelte sanft, strich ihrer Tochter die Tränen von den Wangen. „Wenn ich dich nicht hätte…“ Ran streichelte ihr über den Kopf. Sayuri schluckte, schaute auf das Foto in ihren Händen. Dann erinnerte sie sich an das Päckchen und den Brief, die sie immer noch unter ihrem Arm geklemmt hatte. „Mama,“, begann sie, schniefte, räusperte sich. „Wegen der Sache mit Papas Büro…“ Ran schüttelte den Kopf. „Vergiss es. Ich bin nicht mehr wütend, ich hatte kein Recht, so auszurasten…“ „Nein…“, unterbrach sie Sayuri bestimmt. „Ich war da drin, weil er geschrieben hat, dass da etwas für dich wäre. Ich sollte es holen und dir geben… falls es… falls du… immer noch nicht den Gedanken an ihn ertragen kannst…“ Ran starrte sie an. „Was hat er?“ Sayuri hielt ihr das Päckchen und den Brief entgegen. „Er hat geschrieben, das wär dein Abschiedsgeschenk. Er hat einen Doyle-Roman ausgehöhlt, um es zu verstecken, es muss ihm wichtig gewesen sein, dass du’s nicht einfach so findest, er wollte ja keine alten Wunden aufreißen... und er wollte es dir damals nicht selber geben, weil es ihm zu makaber schien, sich derart von dir zu verabschieden. Und ich denke, seinen Anforderungen zur Übergabe dieses Geschenks wird unsere Situation gerecht.“ Sie drückte ihrer Mutter etwas hilflos die Sachen in die Hände. Ran ließ sich zu Boden sinken, legte das Kissen beiseite. Ihre Tochter setzte sich ihr gegenüber, das Foto immer noch in den Händen. Ran schluckte, öffnete den Brief. Schon beim Anblick seiner Schrift fingen ihre Augen an zu brennen. Hallo Ran-chan… Sie schloss die Augen, drückte den Brief an sich, atmete tief ein. Allein die Anrede… allein die Anrede reichte, um sein Bild in ihrem Kopf so lebendig wie eh und je erscheinen zu lassen… reichte, um sie glauben zu lassen, seine Stimme zu hören. Sie seufzte leise, dann las sie weiter. Wenn du diese Zeilen liest, ist wohl genau der Fall eingetreten, den ich befürchtet habe. Unsere Intelligenzbestie von einer Tochter hat auf meiner Bitte hin den Brief und das Päckchen gefunden, von dem ich in einem der Bücher geschrieben habe, und es als nötig empfunden, es dir zu geben. Also… Lass mich raten, wie dein Leben aussieht. Du sitzt wahrscheinlich abwechselnd daheim oder in der Arbeit, allein, denn du denkst, du bist mir das schuldig. Da kann ich dir wohl sagen was ich will, du wirst deine Entscheidung… selber treffen. Wahrscheinlich lebst vor dich hin, kümmerst dich bestimmt hervorragend um unsere Tochter… aber an mich denken willst du nicht. Wahrscheinlich sind seit meinem Tod so um die 15 Jahre ins Land gegangen, in unserem Haus hängen keine Bilder von mir, und Sayuri wusste, bis sie dich konkret nach mir gefragt hat, vielleicht nicht mal meinen Namen. Ran schluckte. Er hatte sie anscheinend besser gekannt, als sie je geahnt hatte. Vielleicht verfluchst du mich manchmal, und dazu hast du jedes Recht. Vielleicht verfluchst du dich… oder das Schicksal, weil es entschieden hat, dass wir uns treffen sollten… sicher aber ist, dass du, wenn du dieses Schreiben in den Händen hältst und Sayuri die Lage richtig eingeschätzt hat, als sie es dir gegeben hat, mich immer noch zu sehr vermisst, als dass du deinen Frieden finden könntest… Du Dummerchen. Du weißt, dass ich das nicht will. Ich will nicht, dass du dich quälst. Ich will nicht, dass du den Gedanken an mich nicht erträgst, dass du kein Bild von mir anschauen kannst, ohne dass du drohst, den Verstand zu verlieren, das wollte ich nie, das weißt du. Wenn du also nicht willst, dass ich dich wirklich heimsuche, Ran, und wir beide wissen, du glaubst an Gespenster, das ist also keine leere Drohung; dann hörst du auf damit. Jetzt! Ran musste unwillkürlich auflachen. Sayuri schaute sie an. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie ihre Mutter lachen hörte. Also, wie ich das sehe, hast du zwei Optionen, meine Liebe; du kannst mich entweder völlig vergessen (was dir schwer fallen sollte, bedenkt man die Tatsache, dass unsere Tochter existiert; und ich bin eitel genug zu sagen, dass ich nicht will, dass du das tust. Ich will nicht in Vergessenheit geraten. Punkt. Aus. Ende.) oder du… du denkst einfach mal darüber nach, was ich dir am Tag unserer Hochzeit gesagt habe. Solange du an mich denkst, bin ich bei dir… das solltest du doch wissen, oder merkst du es nicht? Oder versuchst du den Gedanken an mich so sehr zu verdrängen, dass du es nicht merken kannst? Ran? Ich hoffe doch, du weißt, dass ich das ernst gemeint habe, damals. Egal was es kostet, solange du mich nicht vergisst, an mich denkst, werde ich bei dir sein… ich hoffe, du fühlst das… so allein du dich auch manchmal fühlst, du bist es nicht. Ich habe damals nicht alles mitgenommen, als ich ging… ich habe mein Herz bei dir gelassen. Es schlägt immer noch für dich. Ran… ich liebe dich. Du bist die Liebe meines Lebens, warst es immer, wirst es immer sein. Ich bin unendlich froh, dass ich dich treffen durfte, dass ich dich fast vierundzwanzig Jahre kennen durfte, dass du mich nicht in den Wind geschossen hast, als ich Mist gebaut hatte, sondern im Gegenteil… mich geliebt hast. Meine Frau geworden bist, mir immer zur Seite gestanden hast und die Mutter meines Kindes bist. Ich bin so unendlich stolz darauf, der Mann an deiner Seite sein zu dürfen, ich hoffe, ich hab’s nicht zu schlecht gemacht, auch wenn ich manchmal wohl etwas schwierig war. Du hast mir so unendlich viel gegeben, dass ich fürchte, ich hab nur die Hälfte jemals zurückbezahlen können… Ein größeres Glück, als dich zu treffen, konnte mir nicht passieren… und ich frage mich manchmal, ob ich es verdient habe. Andererseits denke ich, wem so großes Glück widerfährt, dem muss auch ebenbürtiges Unglück widerfahren, und das geschieht wohl gerade… die Waage muss wohl irgendwie im Gleichgewicht gehalten werden… es tut mir nur Leid, dass du da mit als Gewicht an der Waage fungieren musst. Was ich damit sagen will, ist... ich will, dass du weißt… auch wenn mein Leben manchmal die Hölle auf Erden war, so habe ich neben all meinen Fehlern auch mal eine Sache richtig gemacht… als ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe. Jede Sekunde mit dir habe ich genossen, jeden Augenblick mit dir… sogar unsere Streitereien… und deshalb schmerzt es mich, wenn ich weiß, dass du… nun immer noch so leidest wegen mir. Ich würde dir das so gerne nehmen… mich revanchieren für alles Gute, dass ich durch dich erfahren durfte. Ran, was passiert ist, kann man nicht ändern. Schau nach vorne, ich bitte dich. Freu dich an dem, was du hast, trauere nicht mehr hinterher, was nicht wiederkommen kann… Und vergiss nicht, ich bin bei dir, wenn du mich lässt. Ich habe dich nie verlassen, und ich habs auch nicht vor. Also… auf das wir uns eines Tages wieder sehen, Gib unserer Tochter einen Kuss von mir, Lebwohl, dein Shinichi XXX (<- Da schaust du! Ich habs doch noch herausgefunden, für was dieses dämliche x steht ;D Es ist ein Kuss! Ha! Wie kommt man auf sowas?!) Ran schniefte, weinte und lachte zugleich. Es hatte gut getan, den Brief zu lesen, doch sie fragte sich jetzt dennoch, warum es ihn eigentlich bedurft hatte, um ihr die Augen zu öffnen; die Antwort darauf kam ihr allerdings gleich selber in den Sinn. Er hatte ihr all das immer wieder gesagt, aber es schien, als hätte es davor… einfach nicht genützt. Da war er noch dagewesen… damals hatte sie seine Worte noch nicht gebraucht. Jetzt brauchte sie sie, und sie zu lesen… sie sogar irgendwie fast zu hören… tat unglaublich gut. Es tat so gut. Das war er… Shinichi, wie er immer gewesen war, und wie so oft hatte er auch diesmal Recht gehabt, das sah sie ein. Sie seufzte, ließ ihre Augen noch einmal über die Zeilen gleiten. Ran strich sich die Tränen aus den Augen, zog sie ihre Tochter an sich, gab ihr einen Kuss auf die Stirn, drückte sie an sich. „Ich war so dumm…“, flüsterte sie leise. „Ich war dumm, so dumm…“ Sayuri schmiegte sich an ihre Mutter, seufzte leise. Sie hätte nur zu gerne gewusst, was in dem Brief stand… was es gewesen war, das ihre Mutter so umgekrempelt hatte. Lange saßen sie so da und schwiegen. Dann schob Ran ihre Tochter ein wenig von sich, um das Päckchen aufmachen zu können. Sayuri schaute ihr aufmerksam zu, ihr Kinn in die Hände gestützt, ganz und gar zufrieden mit ihrer Arbeit, und der ihres Vaters. Langsam schien sich doch alles zum Guten zu wenden, es hatte wirklich lange genug gedauert… aber noch wagte sie nicht, vollends aufzuatmen. Etappensiege kannte sie ja schon… es galt aber, den ganzen Wettkampf, nicht nur die Schlacht sondern den Krieg für sich zu entscheiden, und so schwieg sie, wartete ab. Ran unterdessen wickelte das Papier auf, erstarrte, als sie sah, was sich darin befand. Ihre Augen wurden groß. In ihren Händen hielt sie ihr Hochzeitsfoto. Er hatte es wohl nachmachen lassen und gerahmt. Vorsichtig nahm sie das Foto in die Hand, berührte sein Gesicht, zog unwillkürlich die Beine an, kauerte sich zusammen. Sie erinnerte sich, wie glücklich der Tag gewesen war. Einer der… einer der glücklichsten Tage in ihrem Leben, zusammen mit Sayuris Geburtstag und dem Tag, an dem er wiedergekommen war... So hockte sie da, schwelgte in Erinnerungen und merkte, wie der Verlust, den sie erlitten hatte, wie das Loch, dass sein Verschwinden gerissen hatte, wieder von neuem aufbrach – aber diesmal schien es irgendwie richtig. Jeden Moment, den sie sich je eingeprägt hatte, rief sie sich ins Gedächtnis, und trauerte ihm hinterher, aber steckte ihn nicht in die finstere Ecke zurück, aus der sie ihn hervorziehen hatte müssen. Sie wollte sie festhalten, am besten alle auf einmal. Es war alles so schön gewesen. Eigentlich zu schön, um in Vergessenheit zu geraten, viel zu schön. Dann merkte sie, dass hinten am Foto ein Zettel steckte, und ein kleines, sehr flaches Päckchen klebte. Sie stutze, wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann faltete sie zuerst den Zettel auseinander, stutzte, als sie ihre Augen über die Zeilen gleiten ließ. Sie legte ihn auf den Boden, strich ihn glatt, damit Sayuri, die neben ihr saß, sie auch lesen konnte. Auf dem Blatt standen seine Worte; die, die er gesprochen hatte, damals, am Abend ihrer Hochzeit, als die Gäste längst gegangen waren, und sie beide allein am Balkon gestanden hatten und in den sternenübersäten Nachthimmel geblickt hatten. Er hatte sie ihr aufgeschrieben. Denn wahrlich, wirklich sterben wir erst, wenn jede Erinnerung an uns verblasst, wenn unser Name nicht einmal mehr Schall und Rauch ist - erst dann sind wir gegangen - denn dann haben wir nie existiert. Aber solange noch ein Mensch an uns denkt, Ran - solange es nur eine Menschenseele gibt, die sich daran erinnert, wer wir gewesen sind - solange leben wir fort, in den Herzen unserer Lieben, in den Herzen derer, die unseren Namen nicht vergessen haben. Ich werde immer bei dir sein, solange du an mich denkst… solange du nur an mich denkst… In Gedanken wanderte sie zurück in die Nacht ihres Hochzeitstages. Stand wieder auf dem Balkon, mit ihm, schaute sich die Sterne an. Roch die klare, kühle Nachtluft, erinnerte sich an seine Augen, die sie damals so fest angesehen hatten, so entschlossen... erinnerte sich an seine Stimme, die flüsternd an ihr Ohr gedrungen war. Und erinnerte sich an das Gefühl des Trostes, das sie damals verspürt hatte, als sie seinen Worten gelauscht hatte. Welche Hoffnung sie in ihr geweckt hatten. Sie hatte seine Worte niemals vergessen… aber sie hatte vergessen, danach zu leben, so wie sie es sich eigentlich vorgenommen hatte. Der Schmerz hatte sie blind und taub werden lassen. Sie seufzte leise, wandte sich dann ihrer Tochter zu, schob ihr das Blatt hin. „Das ist von ihm. Weißt du, wann er das gesagt hat?“, murmelte sie leise, schaute ihre Tochter an. Sayuri las es leise, dann schüttelte sie den Kopf. „Am Tag unserer Hochzeit. Abends… als alle Gäste bereits gegangen waren, und ich… nun…“ Sayuri nickte, signalisierte ihrer Mutter, dass sie verstand. „Ich hab sie nie vergessen…“, murmelte Ran leise. „Nie. Ich hab… nur nicht mehr daran geglaubt, weil es so weh tat, verdammt… als er starb, es tat so weh…“ Sie schluckte hart. „Aber… er hat Recht. Er hatte es damals und heute nichtsdestoweniger. Ich hab es verdrängt, ich hab mich verschlossen, ich… sah ihn als Teil meines Lebens, der unwiederbringlich verloren ist, hab verlernt ihn als Teil meines Lebens zu sehen, der noch ist.“ Ran atmete durch, umklammerte das Bild mit beiden Händen, lächelte dann langsam. Ja, es stimmte doch, so abgedroschen diese Phrasen auch klangen, sie stimmten. Durch sie lebte er weiter. Durch ihre Liebe wurde er unsterblich. Sie würde ihn nie vergessen, und in ihren Erinnerungen, sowie in seiner Tochter, würde er ewig weiterleben. Das war sie ihm schuldig, nichts anderes hatte er verdient. Denn… er war nie ganz von ihr gegangen. Sorgsam stellte sie das Foto wieder hin, vor sich auf den Boden, begann, mit dem Ehering an ihrem Finger zu spielen. Langsam sah sie auf. „Es tut mir Leid. Ich hab mich benommen wie… ich weiß auch nicht. Ich hätte dir wirklich viel früher von ihm erzählen sollen, ich hätte… ich hab so viele Fehler gemacht. Mein Verhalten war einfach… inakzeptabel, eigentlich.“ Sie strich sich die Haare aus den Augen, atmete langsam aus. „Ich dachte wirklich, er wäre verloren und vergangen, einfach weg. Ganz und gar. Dass er alles Gute, was er brachte, wieder mitgenommen hätte… Dabei stimmt das gar nicht…“ Sie lächelte, gab Sayuri einen Kuss auf die Stirn, berührte sie kurz an der Wange. „Wir haben immer noch die Erinnerung an ihn. Viele kostbare Erinnerungen… und auf jede einzelne sollte man aufpassen …“ Sie seufzte. „Und genau das habe ich nicht getan. So lange nicht getan, obwohl ich es ihm versprochen hatte… ich hatte es ihm wirklich versprochen.“ Sie lächelte bitter, schaute das Foto an. Sayuri schluckte, blinzelte sie an. „Verzeih mir… ich muss mich wirklich bei euch beiden entschuldigen…“ Dann nahm sie das Päckchen, ihre Finger zitterten immer noch leicht; und wickelte es auf. Zum Vorschein kam ein kleines, goldenes Medaillon an einer feingliedrigen Kette. Sie strich mit ihren Fingerspitzen zart darüber; dann klappte sie es auf. In der Fotoseite klebte ein Bild von ihm; auf dem Deckel war mit Emaille eine blaue Blume gemalt, in der Innenseite standen eingraviert drei Worte. Erinnerungen sterben nicht. Ran seufzte tief, wischte sich über die Augen, schaute auf das Medaillon in ihrer Hand. Langsam hob sie die Hände, nahm die Kette mit dem Herz ab, wand ihrer Tochter das silberne Band um den Hals, blickte sie zufrieden an. „Versprich mir, dass du gut drauf aufpasst... ich habs von ihm an seinem letzten Weihnachten gekriegt.“ Sayuri nickte nur, schaute sie sprachlos an, schluckte, als sie mit ihren Fingern nach dem Kristallherz tastete, das ihre Mutter, solange sie sich erinnern konnte, immer getragen hatte; sah dann dabei zu, wie ihre Mutter den Deckel des Medaillons schloss, es sich umlegte, mit ihren Fingerkuppen darüber streichelte. Anschließend stand sie auf, stellte das Hochzeitsfoto auf ihr Nachttischchen. Als sie das getan hat, zog sie Sayuri hoch, lächelte sie an. „Stell das Familienfoto ins Wohnzimmer, Sayuri.“ Ihre Tochter schaute sie überrascht an. „Sicher?“ „Ja.“ Ran nickte entschlossen. „Er hat sich seinen Platz hier verdient… ich hab ihm viel zu lange verwehrt, was ihm gebührt. Einen Platz in unserer Mitte. Den soll er nun haben. Denn…“ Sie seufzte tief, aber befreit auf, schaute aus dem Fenster, vor dem der Wind durch die Zweige fuhr, „solange wir ihn nicht vergessen, bleibt er bei uns. Lebt er weiter… und hat ein Auge auf uns.“ Sayuri lächelte sie an, zufrieden, merkte, wie Erleichterung sie fast zu übermannen drohte. Sie hatten es geschafft, tatsächlich… endlich waren sie wieder das, was sie sein sollten. Eine Familie. Trotz dem Schmerz und der Trauer, die immer noch in ihr herrschten, erlangten nun langsam andere Gefühle wieder die Oberhand. Dankbarkeit. Stolz… und Liebe. Zuversicht. Ran schaute ihr nach, als sie sichtlich gut gelaunt mit dem Familienfoto verschwand, atmete tief durch, griff das Medaillon mit ihrer rechten Hand. In unseren Erinnerungen lebst du weiter... Shinichi. Es war ihr, als würde sie ihn lächeln sehen. _____________________________________________________________ Ja. Das wars nun ^.^ Hiermit bedanke ich mich speziell für alle Kommentare- Ehre wem Ehre gebührt, in alphabethical order ;D -Chris-Vineyard- -Lesca- Ai-alias-Shiho angelwater Anifan Baiju Black_Taipan Dans-Girl DConanFan Diracdet Doro-Li Haineko Itako_no_Anna jena210589 KaitoDC Kikili lorelai-rory le_commisaire Leylis littleangelheart LittleTui mondscheindieb Nightstalcer pluS_cheR_desiR Pirlipat RanKudo revive Ryoko-chan Shelling__Ford Sherry17 Shi_Ran-chan Shini-Girl Stellax3 SuzakuKururugi TimeladyRose vingionis waffelcrepe Ich danke euch sehr, ehrlich...!!! In diesem Sinne- vielen, vielen Dank, an alle, dass ihr diese Geschichte gelesen habt! Wirklich, das bedeutet mir mehr als ihr ahnt… Ich danke auch all den Leuten, die meine Geschichte zu ihren Favoriten zählen- Leute, das ehrt mich! *rotwerd* Nun- nachdem diese Monsterfic nun also ein Ende hat, werde ich mich für die nächsten paar Monate vom Mexxschen Server zurückziehen, zumindest was die großen Fictions betrifft; die nächste steht zwar schon in den Startlöchern, aber wer interessiert ist, muss noch bis Dezember warten. Ich verspreche dafür, dass Shinichi sie überleben wird ^.~ Das kann ich versichern ^.^ In diesem Sinne, würde es mich freuen, im Dezember wieder ein paar von euch zu sehen- Datum wird in meinem Steckbrief bekannt gegeben, wer persönliche Benachrichtigung wünscht, möge mir dies per Kommentar oder ENS mitteilen. In diesem Sinne, machts gut! Eure Leira *verbeug* Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)