Amnesia von Leira (Wer ist man noch, wenn man sich selbst vergisst?) ================================================================================ Kapitel 5: Fragen ----------------- Guten Abend, meine lieben Leserinnen und Leser! Dieses Kapitel wird geprägt sein von... wieder einigen Gesprächen und einigen Ortswechseln. Ich weiß, das ist vielleicht nicht immer angenehm zu lesen, aber ich hab es leider nicht anders untergebracht in meiner Planung ^.~ Die Personen müssen versammelt werden, bevor es losgehen kann... die Grundsteine müssen gelegt werden. Ich hoffe, es wird euch dennoch gefallen. Des weiteren wird hier in diesem Kapitel etwas bzw. jemand vorgestellt, der Bestandteil meiner Überlegungen zu dieser Geschichte ist und etwas abweicht vom Manga... ich bin gespannt, was ihr sagt. Viel Vergnügen beim Lesen, Liebe Grüße, eure Leira ___________________________________________________________________ Kapitel 5: Fragen Wie viel Zeit vergangen war, wusste er nicht. Er hatte keine Ahnung. Welcher Tag heute war, ob es Morgen, Mittag oder Abend war, wie viele Stunden seit seiner Entführung verronnen waren… er wusste es nicht. Er wusste auch nicht, ob es ihn wirklich interessierte. Er hatte… Durst. Seine Zunge fühlte sich an wie ein ausgetrockneter Schwamm, sein Hals kratzte und war wie ausgedörrt. Zwar piesackte ihn auch ein ganz fieses Hungergefühl, aber der Durst war es, der seine Gedanken beherrschte und ihn tatsächlich wirklich quälte. Conan ließ sich flach auf den Boden sinken, auf dem er bis dahin im Schneidersitz gesessen hatte, seufzte tief, fühlte glatte, kalte Fliesen unter seinen Fingern und starrte an die Decke. Er schätzte mal, ungefähr ein Tag könnte es gewesen sein. Ungefähr ein Tag... war wohl vergangen, seit er entführt worden war. Ein absurdes Gefühl, entführt worden zu sein... nicht nur mal ein paar Stunden eingesperrt in ein Auto, sondern richtig... gefangen. Er lächelte bitter. Er hatte das letzte Mal… am Abend vor seiner Entführung getrunken. Genug vergangene Zeit, um wirklich durstig zu sein, wenn auch noch lange nicht lebensbedrohlich. Ein weiterer lauter Seufzer entfloh seinen Lippen, dann drehte er sich zur Seite, drückte seine heiße Stirn gegen die kalten Fliesen. Pochende Kopfschmerzen hatten sich eingestellt. Er wusste nicht, ob das noch Nachwirkungen des Kampfes mit dieser Frau waren, oder ob das schon Zeichen einer sich anschleichenden Dehydration waren. Eigentlich war es ihm auch egal. Fakt war, dass er eigentlich langsam aber sicher durchdrehen könnte... aber um wirklich auszurasten, dafür hatte er sich wohl zu gut unter Kontrolle. Tatsächlich war nicht nur Durst oder Hunger der Grund dafür, dass er an sich halten musste, um nicht den Verstand zu verlieren; nein… dieses Gefühl ging völlig unter neben dem Gedanken an Ran, an die Kinder und Agasa, all seine Sorgen über sein körperliches Wohlbefinden verblassten zu totaler Bedeutungslosigkeit verglichen mit diesem einen Gefühl. Angst um sie. Und er wusste, keine Angst zu haben, in seiner Situation… wäre töricht. Er hatte wahrlich berechtigten Grund zur Furcht. Das Nächste, was sein Nervenkostüm langsam auseinandernahm und in seine Einzelheiten zerlegte, war auch und vor allem - das Warten. Conan fragte sich, welchen Zweck das alles verfolgen sollte. Warum ließ man ihn so lange allein? Zumindest kam es ihm lang vor, und immerhin quälte ihn der Durst… also ein paar Stunden waren doch sicher schon rum. Wann würde man ihn denn dem Boss vorführen? Würde man ihn ihm überhaupt vorführen oder wartete man nur auf das Okay, um ihn umzubringen? Wer war der Boss überhaupt? Und wie gedachte eben dieser mit ihm zu verfahren, jetzt, wo er ihn in seiner Hand hatte… und wusste, wer er war? Dass er nicht nur ein neunmalkluger kleiner Knirps war, der Grundschüler Conan Edogawa… schlau, aber bis jetzt nicht sonderlich auffallend… sondern Shinichi Kudô, einer der Menschen, von denen er annahm, dass er sie umgebracht hätte? Wann würden sie herausgefunden haben, wie weit er eigentlich schon verwickelt war, in der Sache? Er schluckte, als er an die Sache mit Kogorô dachte, und fragte sich, inwieweit die Organisation langsam durchblickte, was er und was auch das FBI schon alles wussten… Langsam ließ er sich auf den Boden sinken, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf, hörte, fühlte, wie sein Magen leise knurrte und verzog kurz das Gesicht, ehe er nachdenklich zur Decke blickte. Wusste der Boss vielleicht gar nicht, was er mit ihm anstellen sollte? Hatte er Skrupel? Oder hielt ihn etwas anderes zurück? Wollten sie ihn mürbe machen? Warum? Was wussten sie… was wussten sie nicht? Er hatte keine Ahnung. Qualm kräuselte sich zur Decke empor, in feinen, blaugrauen Schwaden, der durchdringende Geruch von Tabak lag in der Luft. Er stand mit dem Rücken zu ihnen, blickte aus dem Fenster, beobachtete seine Mitarbeiter im spiegelnden Glas des Fensters. Durch das Gegenlicht, das die aufgehende Sonne durch das Panoramafenster in den Raum warf, konnte man ihn nicht wirklich sehen; seine ganze Gestalt war eine schwarze Silhouette. Leise räusperte er sich, und die vier Gestalten, die vor ihm standen, zuckten zusammen; die Anspannung war ihren Körperhaltungen deutlich anzusehen. Er lächelte leise, als er sah, was allein diese kleine Geste für eine Wirkung auf seine Untergebenen hatte. Einzig und allein sie stand aufrecht, warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Vermouth. Er wusste genau, was sie darüber dachte, wie er seinen Gefangenen hielt und wie er ihn behandelte. Und er wusste auch, warum sie so dachte. Sie kannte ihn besser hier als alle anderen; kein anderer in der Organisation wusste so gut über ihn Bescheid wie sie. Und das machte sie gefährlich für ihn. Aber gleichzeitig hatte er etwas in der Hand, dass sie ihm gefügig sein ließ. Etwas, mit dem sie genauso verbunden war wie er mit dem Gefangenen unten im Keller. Außerdem war sie ihm nicht grundsätzlich schlecht gesonnen, im Gegensatz zu manchen anderen hier. „Gebt es ihm.“ Mehr sagte er nicht. Aber allein diese drei Worte schlugen ein wie eine Bombe. Vermouths Augenbrauen schnellten nach oben, aber sie hielt sich zurück; Gin jedoch reagierte ungehalten. „Warum? Als kleiner Junge ist er wesentlich ungefährlicher, wenn wir ihn befragen… er ist gehemmt, vielleicht ein wenig verstockt, aber eventuell doch etwas gefügiger, weil er genau weiß, dass er uns unterlegen ist.“ Er lächelte kalt. „Als Conan Edogawa ist er nicht er selbst. Geben wir Shinichi Kudô seine alte Identität wieder, dann wird er es uns wesentlich schwerer machen, etwas aus ihm rauszukriegen, als das ohnehin der Fall sein wird. Er ist dann wieder er… fast erwachsen, viel arroganter als gut für ihn ist, und hoch genug, um uns in die Augen zu sehen… und das macht ihn selbstbewusster. Ich meine, nicht dass das ein Problem sein dürfte… aber dennoch.“ Vodka nickte, zustimmend, während Beaujolais mit einer Locke ihres Haars spielte, sanft lächelte, bevor sie sich äußerte. „Ich gebe Gin Recht. Außerdem… eine Kinderleiche können wir wesentlich ungefährlicher entsorgen, wenn ich das anmerken darf.“ Ihre Stimme klang kalt. „Kleine Kinder fallen oft Unfällen in den Klippen zum Opfer. Sie spielen, rutschen aus und dann…“ Spielerisch schnippte sie mit den Fingern, ein schnalzendes Geräusch durchbrach die Stille. „Nein.“ Die Silhouette bewegte sich nicht. „Wer sagt, dass ich ihn loswerden will, nachdem ich mit ihm geredet habe? Und wer sagt überhaupt, dass ich mit ihm reden will?“ Gin kniff die Augen zusammen, schaute seinen Boss skeptisch an. Vermouth kniff die Lippen zusammen; ihrer ganzen Mimik war anzumerken, wie unzufrieden sie mit der Situation war. „Ich sage es noch einmal, aber ein weiteres Mal wiederhole ich es nicht - gebt ihm das Gegengift.“ Seine Stimme klang endgültig. Er hob die Hand mit der er seine Zigarette hielt, klopfte die Asche, die sich während des Gesprächs an ihrer Spitze gebildet hatte ab, zog an dem glimmenden Stängel, blies den Rauch gegen die Scheibe. Für ihn war die Sache erledigt. Gin warf ihm einen durchdringenden Blick zu; dann verließ er das Büro in Richtung Labor. Vermouth blieb, verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust, wartete, bis die Tür hinter allen anderen ins Schloss gefallen war, ehe sie vortrat, bis sie neben ihm stand, in sein Gesicht sehen konnte. „What the hell are you doing?! Du weißt genau, dass er seine Meinung nicht ändern wird! Was willst du von ihm? Was soll er tun? Do you want him to become like you?!“ Sie zischte die Worte förmlich, und obgleich es eine eindeutige Frage war, erwartete sie keine Antwort. „Er ist so anders als du… Boss. Du hast ihm lange genug zugesehen, you should have realized by now.“ Brüsk wandte sie sich um und verließ ebenfalls das Zimmer. Als die Tür zuknallte, zuckte er nicht einmal zusammen. Als die Tür sich öffnete, fuhr Conan hoch, und geriet ins Taumeln. Kurz war ihm schwindlig, bis er sich an der Rückwand der Zelle abfing. Allein diese Tatsache machte ihm schon schwer zu schaffen, als er sah, wie ausgeliefert er Gin und Wodka war, die den kleinen Raum betraten. Die Tür war schon fast zugefallen, als sie wieder aufgestoßen wurde und auch Vermouth den Raum betrat. In Conans Augen flackerte ein kurzer Funken des Erkennens auf, ansonsten ließ er sich nicht anmerken, dass er über sie irgendetwas wusste. Gin trat an ihn heran, packte ihn am Kragen, hob ihn hoch, bis der kleine Junge mit ihm auf Augenhöhe war. „Ich weiß zwar nicht, warum…“, setzte er an, „aber aus irgendeinem Grund will der Boss, dass du das Gegengift bekommst. Wenn es nach mir ginge, wärst du jetzt schon Geschichte, Kudô, ich hoffe, das weißt du, ich denke doch… du erinnerst dich an mich. Nun…“ Der blonde Mann grinste säuerlich, als er Conan wieder auf den Boden abstellte. „Da es wahrscheinlich in deinen Klamotten ein wenig eng werden wird… musst du dich erst umziehen. Wodka.“ Der untersetzte Handlanger Gins warf dem kleinen Jungen einen Packen Kleidung entgegen, den Conan gerade noch so auffangen konnte. „Na los.“ Gin verschränkte ungeduldig die Arme vor der Brust. Conan schaute sie an, schwankte leicht. „Was?“ Seine Zunge fühlte sich seltsam träge an in seinem Mund, blieb fast am Gaumen kleben, so zumindest schien es ihm. „Umziehen.“ Gin lächelte kühl. Wodka neben ihm kicherte dümmlich, fing sich von Gin einen warnenden Blick ein und war mit einem Mal wieder still. „Du hast zwei Minuten, wenn du dann nicht fertig bist, dein Pech.“ Gin drehte sich um, öffnete die Tür, trat auf den Gang, gefolgt von Vodka. Vermouth schaute ihn an. „Hurry up.“, meinte sie kühl, fast abgebrüht, um ja keinen Anlass zu irgendwelchen Vermutungen zu geben - dann ging auch sie hinaus, warf die Tür zu. Gin starrte sie an, lächelte schmal. „Ich hoffe, du hast kein Mitleid?“ Seine Stimme klang beißend. Vermouth schaute ihm ruhig in die Augen. „Wenn du keins hast, darling…?“ Er zog die Augenbrauen hoch, zündete sich eine Zigarette an, sagte aber nichts mehr. Sie standen keine Minute draußen, als ein leises Klopfen ihnen ankündigte, dass er wohl fertig war. Vodka stieß die Tür auf, hielt sie offen; Vermouth betrat nach Gin den Raum. Als sie ihn stehen sah, in viel zu großen, schwarzen Klamotten, blieb sie abrupt stehen. Sie merkte, wie sich ihre Eingeweide zu verknoten begannen. Jetzt, so wie er da stand, in diesem Berg schwarzen Stoffs, so klein, so verloren wirkend, merkte sie erst wirklich, erfasste sie in allen Facetten, was hier wirklich passiert war; und was gleich passieren würde. Langsam zog Gin ein Glasröhrchen aus einer Tasche in der Innenseite seines Mantels. Sie sah ihm an, dass ihn das nicht überraschte; er hatte sich anhand der Klamotten wohl seinen Teil schon gedacht. Gin drehte den Verschluss ab, ließ die Kapsel auf seine Handfläche gleiten und ließ sich von Vodka eine kleine Wasserflasche geben, die dieser aus einer seiner Manteltaschen zutage förderte. Beides reichte er dem kleinen Jungen, ohne sich zu bücken, oder gar auf den Boden zu knien. „Du weißt, was du zu tun hast.“ In dem weißen, kahlen Raum wirkte seine Stimme noch viel kälter, als ohnehin schon. Conan war kreideweiß im Gesicht geworden, schaute sie nur an, einen nach dem anderen. „Warum will er das?“, fragte er schließlich. „Das wirst du noch früh genug erfahren. Und jetzt mach endlich, meine Geduld ist nicht unendlich belastbar.“ „Genaugenommen ist sie gar nicht belastbar!“, echote Wodka. „Halt die Klappe.“ Gin zog seine Waffe. Conan schaute den glänzenden Revolver ruhig an. „Ich denke nicht, dass… Sie den verwenden dürfen, wenn er schon will, dass ich...“ Abwartend schaute er dem Blonden ins Gesicht. Ein eisiges Lächeln umspielte dessen Lippen. „Ich muss dich ja nicht töten damit. Und jetzt schluck runter!“ Conan verzog das Gesicht. Er wusste, Widerrede oder Trotz brachte ihn hier nicht weiter. Es behagte ihm zwar gar nicht… sich jetzt gleich vor Gin, Vodka und Vermouth zurück zu verwandeln, aber der Situation, in der er steckte, entkam er diesmal wohl nicht. Unbehaglich schaute er auf die Kapsel in seiner Hand, dann hob er sie zum Mund, legte sie sich auf die Zunge. Er schraubte die Flasche auf, setzte sie an die Lippen, trank einen Schluck, spülte das Gegengift runter. Zuerst spürte er nur große Erleichterung, als das Wasser seine Kehle befeuchtete; dann kam der Schmerz. Und zwar aus heiterem Himmel, unerwartet, plötzlich und heftig. Er riss ihn um, zwang ihn zu Boden, als er ihm den Atem raubte, sein Bewusstsein in dunkle Gefilde verführte. Conan versuchte, nicht zu schreien, starrte angestrengt auf den Boden vor sich, griff sich mit einer Hand an die Brust, mit der anderen stützte er sich ab. Er keuchte, stöhnte leise, japste nach Luft. Er bekam keine. Es war entsetzlich. Schweiß brach ihm aus allen Poren, sein Körper schien förmlich zu verglühen. Er fühlte sein Herz schlagen, schmerzhaft, viel zu schnell, und fragte sich, wie viel Belastung so ein kleines Kinderherz aushalten konnte, bevor es aufgab, fragte sich, ob es diesmal vielleicht zu viel sein würde; vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte, seine Wahrnehmung begann sich zu trüben. Er hörte nichts mehr, in seinen Ohren, seinem ganzen Kopf, schien Watte zu stecken. Und es hörte nicht auf. Conan sackte zusammen, sank auf den Boden, spürte kühle Fliesen an seinen Händen, seiner Wange, presste seinen Kopf dagegen, um mehr Kälte abzubekommen, es tat so gut, aber es schwand so schnell… dieses Gefühl von Erleichterung. Dann schrie er. Er konnte nicht mehr, es tat viel zu weh, es war kaum auszuhalten. Er schrie, gellend, markerschütternd - krallte seine Finger in den Boden, bis seine Knöchel weiß hervortraten - und sein Schrei hallte von den Wänden wieder, drang durch die Tür… … an die Ohren eines Zaungastes, dem es bei diesem Schrei eiskalt den Rücken hinunter lief, den der Ausdruck dieses Schmerzes wie ein Schlag ins Gesicht traf, ihn an die Wand stolpern ließ, wo er stehen blieb, gestützt durch festes Mauerwerk. Seine Hände zitterten, als er wartete, bis es aufhörte. Und es hörte auf. Shinichi lag auf dem Boden, sein Atem ging schwach, flach und stoßweise. Vermouth trat zu ihm hin, kniete sich auf den Boden, griff in seine Haare und drehte seinen Kopf, so dass er sie anschauen musste. Er war müde, wirkte sehr erschöpft; seine Augen waren offen, gerade mal so, aber er schien der Bewusstlosigkeit schon deutlich näher. Er schien es wohl überstanden zu haben, ohne weitere Schäden. Sie kniff die Lippen zusammen, nickte, versuchte zu verbergen, wie Erleichterung sich in ihr breitmachte; dann stand sie auf, winkte die beiden anderen mit einer herrischen Geste nach draußen, bevor sie ihnen folgte, nicht, ohne noch einen letzten Blick auf ihn zu werfen. Sie schloss sorgfältig die Tür ab, wartete, bis Gin und Wodka in die entgegengesetzte Richtung verschwunden waren, ehe sie sich der Gestalt zuwandte, die hinter ihr in einer dunklen Ecke stand und dort an der Wand lehnte, sie beobachtete. „Wie geht es ihm, Vermouth?“ „You’ve heard him. Ich denke, das sollte dir alles sagen.“ Ein Schauer schien durch die Silhouette des Mannes zu gehen. „Ich habe dich nicht gefragt, wie er sich angehört hat, oder wie es war. Ich wollte wissen, wie es ihm geht. Also, ich wiederhole meine Frage: Wie geht es ihm?!“ Seine Stimme war befehlend geworden, herrisch. Sie schaute ihn verächtlich an. „Er lebt, boss. Und ich schätze, ich gehe recht in der Annahme, dass das das einzige ist, was Sie interessiert, im Moment. Sir.“ Sie spuckte ihm die Worte fast ins Gesicht, warf ihm die Schlüssel der Zelle zu, dann drehte sie sich um, stolzierte von dannen, nicht, ohne ihr Haar nach hinten zu werfen, wie sie es immer tat, wenn sie aufgewühlt war. Er stand nur da, horchte, bis das rhythmische Klack-Klack ihre Pumps verhallt war, ehe er sich aus dem Schatten bewegte, kurz vor der Tür zur Zelle seines Gefangenen stehen blieb und mit den Fingern darüberstrich. Dann ging auch er, verschwand in der in der Wand versteckten Geheimtür, durch die er gekommen war, getarnt durch die dunkle Holzvertäfelung, die den ganzen Gang verkleidete, und von der keiner etwas wusste. Sie lag im toten Winkel der Kameras, wie alle Geheimtüren in diesem Gebäude. Das ganze Hauptquartier war im Prinzip durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Das Triumvirat wartete auf ihn. Auf ihn und seine Entscheidung, wie er mit seinem Gefangenen zu verfahren gedachte. Er schluckte, fuhr sich müde über die Augen. Sie warteten auf ihn, und er wusste, ihr Entschluss stand eigentlich schon fest. Langsam ging er die Gänge entlang, bis er vor einer großen Eichenholztür angekommen war, stieß sie auf und kam sich fast vor wie ein Schüler, der zum Direktor zitiert wurde, um sich einen Verweis abzuholen. Eigentlich sollte dem nicht so sein… schließlich war er hier der Boss. Sie waren das Triumvirat. Die zweite Kontrollinstanz der Organisation... denn die Geschichte hatte gezeigt, dass Diktaturen selten dauerhaft erfolgreich waren. Man hatte sich hier einen Staat aufgebaut, und bis jetzt hatte er immer funktioniert... allerdings könnte sich das nun ändern. Sie warteten schon auf ihn, drei Männer mittleren bis etwas späteren Alters, saßen um den Tisch herum und schauten ihn abwartend an, als er den Raum betrat. „Ihr könnt ihn nicht töten.“ Kein Gruß, kein Händedruck. Langsam schob er seine Hände in seine Hosentaschen, atmete aus. Das Spiel konnte beginnen... und er wollte es sein, der gewann. Und gleichzeitig auch der, der die Regeln bestimmte. „Er hat so viel Potential, das ist Ihnen doch klar - sowas kann man nicht ungenutzt lassen...“ Einer von den dreien, ein europäisch aussehender Mann mit blauen, eiskalten Augen und blonden, fast weißen Haaren, schaute ihn spöttisch an. „Das ist schon möglich, mon ami, nein, ich würde sogar sagen, da haben Sie Recht. Aber… So sehr wir von Ihren Fähigkeiten überzeugt sind, so müssen wir doch zugeben, in dieser Sache halten wir Sie für…“, er lächelte schmal, „etwas befangen. Sie wollen ihn uns schmackhaft machen, aber seien wir ehrlich, er ist wie ein Wolf im Schafspelz. Eine tickende Zeitbombe, unkontrollierbar. Es stimmt ja durchaus, das ist indiskutabel - er ist brillant.“ Er räusperte sich. „Aber er ist in gleichem Maße sehr gefährlich. Eben weil sie wissen, wie er ist, was er kann, sollten Sie das wissen... wie oft er uns schon sehr nah wahr, gerade in Anbetracht, dass er dieser kleine Junge war; dass noch nicht mehr passiert ist, liegt an der Fähigkeit unserer Männer, nicht an seinem Unvermögen. Außerdem wissen wir alle… wie unabänderlich er an seinem Glauben, an seinen Prinzipien festhält. Er wird sich nicht ausnutzen lassen. Shinichi Kudô dans l'organisation, c'est impossible, je pense.“ Der Mann links neben ihm, ein Afroamerikaner, nickte. „Er sollte längst tot sein. Er hätte schon vor Jahren sterben sollen. Dass Sie das Gegengift ausprobieren wollten - wir wissen alle hier, warum Sie es getan haben - darüber können wir ja noch hinwegsehen. Aber er wird nicht verschont. Wir werden uns morgen mit ihm beschäftigen, herausfinden, wie viel er weiß, herausfinden, wo Sherry ist… denn dass auch sie geschrumpft wurde, steht nachdem, was wir durch ihn herausgefunden haben, außer Zweifel.“ Seine Stimme war tief, dunkel und geprägt von einem schweren Akzent. „Aber ohne es wenigstens versucht zu haben... jemand wie ihn hier...", versuchte der Boss es erneut, schaute dem Afroamerikaner eindringlich in die Augen. Er wusste um sein Charisma, um seine Überzeugungskraft, und er würde den Teufel tun und sie hier ungenutzt lassen. Shinichi Kudô in der Organisation - das wäre die Lösung all seiner Probleme. Arbeitete er für sie, dann arbeitete er nicht gegen sie - und mit seinem Wissen, seinen Fähigkeiten, könnten sie das FBI im Nu einen Schlag versetzen... Der dritte Mann im Bunde, ein Japaner, stand nun auf, strich sich über sein graumeliertes Haar, was auf ein Alter jenseits der Fünfzig schließen ließ. „Schluss jetzt. Es hat keinen Zweck, zu diskutieren. Er wird morgen befragt und anschließend neutralisiert.“ Der Boss wurde langsam ein wenig unruhig, begann, vor den dreien auf und ab zu laufen wie ein Panther in einem zu kleinen Käfig, überlegte; dann blieb er wieder stehen, vor dem Tisch, an dem die drei saßen, stützte sich mit der Handfläche darauf auf. „Das entscheidet ihr nicht alleine. Ich bin immer noch der Boss, und ich will, dass es zumindest versucht wird. Sie drei sind nur…“ „… das Triumvirat, das gewählt wurde, um aufzupassen, dass Sie keine Dummheiten machen. Sie haben Recht, die Entscheidungen fällen immer noch Sie. Nicht wir, da haben Sie Recht. Aber wir sind die, die ein Veto einlegen können, wenn wir der Ansicht sind, Sie schaden unserer Organisation. Dies ist nun der Fall. Shinichi Kudô wird morgen sterben. Er hat sich ohnehin schon eine unerhörte Gnadenfrist rausgeschlagen. Wenn Sie keinen wirklichen Grund haben, wegen dem wir annehmen können, dass er uns tatsächlich gefügig gemacht werden kann, wird er sterben.“ „Nein!“ Der Japaner zündete sich eine Zigarette an, ging zur Tür. „Doch. Und damit ist diese Diskussion beendet.“ Die anderen beiden standen auf, verließen mit ihm den Raum. Er stand nur da, alleine in dem großen Raum, starrte ihnen hinterher, atmete scharf aus - dann ging auch er, ließ die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Auf seinem Gesicht lag ein nachdenklicher Ausdruck, seine Augen, sein Blick schienen unfokussiert, zeugten davon, dass er in Gedanken ganz woanders war. Seines Erachtens war das letzte Wort hier noch nicht gesprochen... derart übergangen zu werden, war etwas, das ihm nicht gefiel. Irgendwann ließ die Erschöpfung nach. Shinichi schluckte, setzte sich leise stöhnend auf, griff nach der Wasserflasche, die man ihm gütigerweise gelassen hatte und trank sie in einem Zug aus. Schwankend erhob er sich, stand auf und sah an sich herunter, strich sich über das schwarze Hemd, seufzte. Er war wohl wirklich wieder er selber. Conan gehörte der Geschichte an. Langsam fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. Aber was brachte ihm seine neu gewonnene alte Identität? Was hatten sie nun vor mit ihm, wofür er extra wieder er selber sein musste? Warum wollte der Boss ihn, Shinichi Kudô, in Originalgröße? Das Gin damit nicht ganz einverstanden gewesen war, hatte er ja nur zu deutlich sehen können. Warum also irritierte der Boss einen seiner fähigsten Mitarbeiter...? Shinichi seufzte laut, rieb sich über die Augen, zuckte dann zusammen, als die Tür aufging. Herein kamen Vermouth und… Kir. Shinichi starrte sie an, versuchte dann, so zu tun, als wäre nichts weiter. Egal, wie oft Vermouth ihn hätte töten können, und es nicht getan hatte; er wusste nicht, wie loyal sie ihrem Boss war, wenn es darum ging Verräter in den eigenen Reihen zu entlarven. Vermouth schaute ihn an. „Ich weiß, wer sie ist.“ „Tatsächlich?“ Er erwiderte ihren Blick ohne zu Blinzeln; schließlich steckte er seine Hände in die Hosentaschen. „Und was will er denn jetzt von mir?“, wechselte er das Thema. „Wer?“ „Sharon…“ Shinichi merkte zu spät, dass er sie mit dem ‚falschen‘ Vornamen angeredet hatte. Sie hob nur eine Augenbraue, schaute ihn tadelnd an. „Vor jemand anderem braucht dir das nicht passieren. Sie weiß Bescheid… und ich weiß tatsächlich genau, wer sie ist, auch wenn dich das jetzt erstaunt. Das wusste ich schon, bevor du es wusstest, Grünschnabel. Sie ist eine NOC, Hidemi Hondo. Und sie verdankt es mir, genauso wie du übrigens auch, falls du es vergessen haben solltest, dass sie noch lebt.“ Shinichi atmete scharf ein. „Na, das freut mich, dass ihr euch angefreundet habt.“, meinte er dann zynisch. „Aber lenk nicht vom Thema ab, was will er denn nun von mir? Warum bringt er mich nicht einfach um? Man möchte meinen, ihm könnte es nicht schnell genug damit gehen, nachdem ich ja eigentlich schon lange tot sein sollte…“ Vermouth wich seinem Blick aus, und er stutzte. Das war seltsam. Überhaupt alles war hier seltsam. Ihr Auftritt hier, ihre Art, und ihre Begleitung. „Er hat noch kein Interesse daran. That’s all.“ Shinichi kniff die Augen zusammen. „Aha.“ Er ließ sich langsam gegen die Wand sinken. „Was will er dann? Und was wollt ihr hier?“ „Ersteres wirst du wohl bald genug erfahren; und letzteres… kannst du dir das nicht denken?!“ Wut flackerte in ihrer Stimme auf. „You stupid fool! Wie konntest du es zulassen, dass man herausfindet, wer du bist?! Verdammt, weißt du eigentlich, in welcher Lage du jetzt steckst? Das ist alles viel schlimmer und gleichzeitig viel komplizierter, als du es dir in deinen kühnsten Träumen ausmalen kannst…!“ Shinichi schaute sie verwirrt an. „Ich hab mich nicht vor diese rothaarige Hexe hingestellt und ihr meine Geschichte erzählt, falls es das ist, was du mir unterstellen magst, Vermouth…“ Er zog die Augenbrauen unwillig zusammen. „Es war ein blöder Zufall. Sie hat mich bei einem… etwas… aufwühlendem Gespräch mit Ran belauscht. Und ich hab… hab mal das Telefon beiseitegelegt, und währenddessen hat Ran… sie hat mich beim Namen genannt. Beim vollen Namen. Daher wird sie’s wissen.“ „Und warum legst du dann das Telefon zur Seite?!“ „Ich… das geht dich nichts an!“, fauchte er. Dann wandte er den Blick ab, drehte den Kopf zur Seite, als seine Wangen zu glühen begannen. Vermouth nahm es dennoch war und auf ihre Lippen schlich sich ein trauriges Lächeln. Einen Kommentar sparte sie sich. Stattdessen trat sie näher. „Wir müssen dich hier rausbringen. Nach Möglichkeit, bevor man dich umgebracht hat, weil du den Boss oder jemanden anderen ärgerst…“ „…wobei letzteres ja meinen Transport hier raus nicht unerheblich vereinfachen würde, nicht wahr…?“, schob er ein, was sie geflissentlich zu überhören schien. „… und das dauert unter Umständen nicht mehr lange. Er will dich noch nicht töten; und ich habe Grund zur Annahme, dass das auch noch nicht allzu bald der Fall sein wird. Nichtsdestotrotz müssen wir die erste Gelegenheit nutzen, die sich bietet. Sieh dich also vor, sei auf der Hut und aufmerksam. Es hängt alles davon ab, dass wir aufeinander Acht geben. Und um Gottes Willen, Shinichi… provozier hier keinen. Don’t make any more mistakes.“ Sie schaute ihn ernst an. „Du hast hier mehr Feinde, als du ahnst.“ Er schaute sie etwas konsterniert an, nickte dann aber. Dann fiel ihm eine weitere Frage ein. „Warum hast du Grund zur Annahme, dass er mich nicht so schnell umbringen will? Wenn ich dich daran erinnern darf, ich sollte schon längst tot sein… also verstehe ich nicht, warum sich das geändert hat…?“ Shinichi schaute sie forschend an. „Weil…“ Sharon schluckte, schaute ihn an. Die Wahrheit konnte sie ihm nicht sagen. Die Wahrheit würde ihn zerstören. „Weil… weil… nun, ich denke, er ist sich bewusst, dass du ein schlauer, fähiger junger Mann bist. Ein schlauer, fähiger, erpressbarer junger Mann.“ Sie schluckte, blickte in sein Gesicht, versuchte herauszulesen, ob er ihr glaubte. „Du meinst, er wird versuchen, mich auf seine Seite zu ziehen? Warum? Ich denke, es dürfte ihm langsam klar sein, auf welcher Seite ich stehe…“ Sharon schüttelte den Kopf. „Ich sagte doch, schlau, fähig, erpressbar. Beaujolais, diese Plaudertasche, this red-haired bitch, i beg your pardn, hat dem Boss und mir von deinem Telefonat mit Ran erzählt; sie hat den Besitzer der Nummer leicht rausfinden können. Sie ist zwar jetzt zum Schweigen verpflichtet, weil er nicht will, dass andere dich mit diesem Wissen kontrollieren, aber… du weißt, was das heißt, und was man mit diesem Wissen anstellen kann. You of all should know that better than anyone else, Shinichi.“ Sie schluckte, dann wandte sie sich ab, winkte Kir mit sich. „Pass auf dich auf. Geh nicht sofort auf Konfrontationskurs, sei so gut… wir sehen uns.“ Damit öffnete sie die Tür und verließ den Raum. Er hörte den Schlüssel im Schloss knacken, seufzte leise, ließ sich langsam gegen die Wand sinken und mit dem Rücken zu Boden gleiten. Ran… Ja… er hatte wirklich einen guten Grund, Angst zu haben, wie es schien. Angst um sie. Auf dem Gang angekommen, hielt Vermouth Kir auf, indem sie ihr kurzerhand den Weg vertrat. „Sag mal… du warst ja sehr still gerade, Kir…“ Die blonde Frau warf ihrer schwarzhaarigen Gefährtin einen Blick aus den Augenwinkeln zu. Die Angesprochene schluckte. „Ich war… war wohl tatsächlich sprachlos. Ich habs dir nicht glauben wollen, als du es mir gesagt hast, vor ein paar Minuten. Ich kannte… kenne ihn ja als Conan…“ Sie schluckte, setzte sich langsam wieder in Bewegung, als Vermouth ebenfalls weiterging. „Ich frage mich, ob Eisuke es weiß. Diese Augen, der Blick… die Haare, einfach alles, ich frag mich, wie wir… so lange so blind sein konnten. Wie ich so lange so blind sein konnte, ich hab in den Nachrichten doch oft genug über Shinichi Kudô berichtet. Und dann über Conan Edogawa und Môri, dem schlafenden Meisterdetektiv.“ Sie seufzte leise. „Ich kenne ihn als Conan ziemlich gut. Und ihn jetzt so zu sehen… und zu wissen, dass er all die Zeit dieser kleine Junge war…“ Langsam atmete sie aus. „Aber sag, Vermouth…“ Sie schaute sich um, vergewisserte sich, dass keine Kamera sie erfasste, und auch sonst kein unerwünschter Mithörer in der Nähe war. Sie blieb stehen. „Sag mir, Sharon, wie willst du ihn hier rausholen?! Du weißt, dass seine Überlebenschancen denkbar gering sind! Ich frag mich sowieso, warum der Boss ihn leben lässt… er war ein Fehler von Gin, warum lässt er ihn nicht umbringen?“ „Genau deswegen, darling.“ Die Blondine fischte sich eine Zigarette aus der Brusttasche ihrer Lederjacke, zündete sie sich an, bemerkte, dass ihre Finger leicht zitterten, als sie daran dachte. An jenen Tag vor drei Jahren. Der 13. Januar 1994. Der Tag, an dem Shinichi Kudô hätte sterben sollen. „Weil er eben ein Fehler von Gin war.“ „Ich fürchte, ich versteh nicht…“ Kir schien verwirrt. Vermouth schaute sie an, lächelte, blies die erste Rauchwolke Zentimeter an ihrem Ohr vorbei. „Was weißt du über den Boss, was ich nicht weiß?“ Kirs Augenbrauen wanderte nach unten, forschend schaute sie die Blondine an. „Ich kenne ihn. Und auch wenn ich dich unterstütze; auch wenn ich Cool Guy retten will… ich werde die Identität des Bosses nicht preisgeben. Es würde… zu viele Menschen ins Unglück stürzen. Außerdem ist es nicht meine Sache, wie du deine Arbeit hier machst. Ich bin deinem Verein nicht verpflichtet… ich gehorche nur mir selbst, und ich gebe nur Informationen preis, die ich preisgeben will. You should have learned this by now.“ Sie warf einen Blick zurück, in den Gang, aus dem sie gerade gekommen waren. „Finde dich damit ab, Hidemi.“ Sie seufzte. „Sieh lieber zu, dass Gin, dieser Irre, die Kleine nicht in die Finger bekommt. Er wird schon längst eins und eins zusammengezählt haben, und ich will nicht, dass sie ausgerechnet ihm in die Finger fällt.“ Die schwarzhaarige Frau mit den ausdrucksvollen Augen schaute nachdenklich vor sich hin. „Wahrscheinlich hast du Recht.“ „For sure, I have.“ Damit stolzierte sie von dannen, ließ eine ziemlich ratlose Kir alleine zurück. Jodie saß mit James und Shuichi im Auto; sie saß allein im Fond, während Shuichi den Wagen lenkte. James warf ihr durch den Rückspiegel einen beruhigenden Blick zu. „Mach dir keine Sorgen. Der Junge ist nicht dumm…“ „Ja, eben. Deswegen mache ich mir Sorgen!“ Ihre Stimme klang heftig. „Genau das ist es doch! Weil er ist, wie er ist, ist er doch in dieser Situation! Wenn Conan Shinichi Kudô ist, und die das jetzt wissen… welchen Grund hätten sie, ihn am Leben zu lassen?! Which damned reason would deter them from killing him instantly?! Eigentlich sollte er doch schon tot sein, mittlerweile kennen wir doch die Geschichte…“ „Wenn du so argumentierst, Jodie… dann kannst du eigentlich aufhören, dich aufzuregen, und gleich mal anfangen, zu heulen und mit den Zähnen zu knirschen und um ihn zu trauern, denn dann ist er schon längst tot. Aber du scheinst das ja nicht zu glauben, nicht wahr?“ Shuichis kühle Stimme klang durch den Wagen, übertönte leicht das Radio, obwohl er nicht eben laut sprach. Jodie seufzte. „I know. Ich weiß das doch. You are quite right…“ Jodie seufzte. Sie kam einfach nicht umhin, sich Sorgen zu machen; sie hatte den kleinen Jungen gern gehabt, einen Narren an ihm gefressen; zu wissen, in welcher Situation er jetzt war, in welcher Gefahr er sich unter Umständen befand, behagte ihr nicht. Dann warf sie einen Blick nach vorn. „Dich scheint das alles ja gar nicht zu erstaunten, Shu.“ Sie bedachte ihn mit einem fragenden Blick, und auch James wandte sich ihm jetzt zu. „Allerdings. Du schienst die Nachricht, dass Ai und Conan in Wirklichkeit schon fast erwachsen sind, nicht besonders brisant zu finden. It seemed, that this fact wasn’t new to you at all.“ Shuichis Augen verengten sich zu Schlitzen. „Ich denke nicht… dass das was zur Sache tut…“ „Doch, das denke ich schon.“ James wandte seinen Blick wieder nach vorne, sein Gesichtsausdruck gesetzt, der Ausdruck in seinen Augen ernst. „Was weißt du über Shiho Miyano? Ihr Name schien dir vorhin nicht neu zu sein, als Jodie ihn erwähnte…“ „Ich…“ Shuichi kniff die Lippen zusammen. „Du kennst sie, nicht wahr?“ James schaute ihn immer noch nicht an. „Du kennst sie aus deiner Zeit bei der Schwarzen Organisation. Als du Rye warst… Dai Moroboshi.“ Shuichi atmete langsam aus. Dann nickte er. Kurz, knapp, eine Bewegung, um keinen Deut ausholender, als sie sein musste. „Wer war sie?“ Shuichi schluckte. „Sherry.“ „Und wer war Sherry? Jetzt lass dir doch nicht alles…“ „Die Chemikerin. Die leitende Forscherin im Projekt APTX. Die Nachfolgerin von Elena und Atsushi Miyano und…“ „Und?“ „Akemis kleine Schwester.“ Jodie und James saßen da, wie vom Donner gerührt. „Akemis Schwester ja. Wegen ihr… wegen ihr hat Gin Akemi erschossen. Benutzt und umgebracht.“ Unterdrückte Wut flackerte in seiner Stimme auf, in seinen Augen blitzte es gefährlich. „Sie hat immer davon gesprochen, Shiho aus der Organisation holen zu wollen. Akemi… Akemi war ja nur ein ganz kleines Licht in ihren Augen. Aber Shiho… Shiho war die Begabte. Sie begriff diesen schweren Stoff, all das Zeug über Gifte und Zellabläufe, all die biochemischen Zusammenhänge, sofort. Und sie war verblendet. Sie wusste am Anfang nicht, was die Organisation war. Und so lernte sie begierig, angetrieben von dem Wunsch, ihren Eltern in ihrer Arbeit nachzufolgen, zu beenden, was sie begonnen hatten.“ Er schluckte, bremste scharf vor einer roten Ampel. „Und dann sah sie es. Erkannte sie es. Sie sah die ersten Leichen… Menschen, gestorben durch ihr Gift. Und sie merkte, was die Organisation wirklich war. Sie wollte weg. Raus. Wie Akemi schon so lange auch. Sie wollten gemeinsam fliehen, aber man ließ sie nicht. Und dann… ohne Shiho etwas zu sagen, machte man Akemi ein Angebot.“ Er kniff die Augen zusammen, presste seine Kiefer aufeinander. „Eine Milliarde Yen für ihre Schwester.“ Black und Jodie schauten ihn an. „Meinst du den eine Milliarde Yen-Bankraub? Hat den Fall… nicht auch Kogorô Môri bearbeitet? Und damit…“ „Ganz recht.“ Akai zog sich eine Zigarette aus seiner Hemdtasche, betätigte den Zigarettenanzünder des Autos. „Akemi hat mich auf dem Laufenden gehalten. Auch, als ich schon draußen war…“ Er drückte den Glimmstängel gegen das heiße Eisen, dann schob er ihn sich zwischen die Lippen, zog tief daran. „Sie hat mir von ihm erzählt. Von Conan. Davon, wie er sie aufhalten wollte. Sie hat mir noch… eine SMS geschrieben, bevor sie zur Übergabe ging. Sie hat den Kontakt nicht abgebrochen… hat mir erzählt, was sie vorhatte.“ Er hat es wohl nicht geschafft… kein Wunder, wie hätte er das auch bewerkstelligen können, in seinem Zustand… wäre er… Er dachte nicht weiter. „Aber was konnte er tun… er war ein kleiner Junge. Sie hat ihn abgehängt, nehme ich an. Ich weiß nicht, ob er bei ihr war, als sie starb…“ Bitterkeit sprach aus seiner Stimme. „Als ich nie wieder von ihr hörte… und auch von Shiho nichts hörte… war mir klar… was passiert war. Irgendwann wird Shiho wohl herausgefunden haben, was geschehen war… dass man ihre Schwester ermordet hatte. Ob sie weiß, warum das passiert ist, weiß ich nicht. Aber das Ergebnis ihrer Überlegungen und Reaktionen läuft jetzt als Ai Haibara herum. Ich nehme an, sie hat sich geweigert, weiter zu arbeiten, wollte sterben… wollte zu ihrer Schwester. Aber auch sie, genau wie er, hat die Zeit betrogen, dem Tod ein Schnippchen geschlagen, unwillentlich…“ Langsam ließ er den Rauch durch seine halbgeöffneten Lippen entweichen. „Er wird bezahlen, für das, was er ihr angetan hat.“ …und ich habe eine gute Ahnung, wer uns da nur zu gern behilflich sein wird… James und Jodie sahen ihn nur an, sagten nichts mehr. In einem anderen Appartement im gleichen Gebäude stand ein blondhaariger, hochgewachsener Mann am Fenster seines Wohnraumes, blies den Rauch seiner Zigarette gegen die Scheibe. Sherry… Ein kleines, grausames Lächeln schlich sich auf Gins Lippen. Der Tag war höchst aufschlussreich gewesen, in der Tat. Jetzt war klar, wie sie damals entkommen konnte. Nachdem er Kudô heute gesehen hatte, war alles klar. Sherry… sie war dieses kleine Mädchen. Das kleine, rotblonde Mädchen, das derzeit wieder in die Grundschule ging… unter dem Namen Ai Haibara. Sehr wahrscheinlich war sie sogar ganz in der Nähe… zum Greifen nah, er brauchte nur die Hand ausstrecken… und dann wäre sie sein. Ihm ausgeliefert, auf Gedeih und Verderb. Eher wohl Verderb. Aus seinen Mund entwich der Rauch, ohne dass er ihn ausblies, langsam… fast elegant wanden sich die blauen Wolken wie Schlangen gleich nach oben. Dann sog er ihn noch einmal ein, um ihn anschließend kräftig auszustoßen und wandte sich um. Auf dem Monitor auf seinem Schreibtisch flackerte ein digitalisiertes Klassenfoto. Es war leicht gewesen, ihr Gesicht auf den Fotos dieser Schule zu finden… er hatte nicht lange suchen müssen... die Vermutung, dass sie sie die gleiche Schule wie Conan Edogawa besuchte, war nahe gelegen und hatte sich als richtig erwiesen, und eine Grundschülerin mit rotblonden Haaren war in Tokio nicht allzu häufig, und so hatte er gesucht, auf welche Schule der Knirps ging und sich sich einfach die Klassenfotos auf der Internetseite der Tokioter Grundschule angeschaut. Bei der Klasse 1b der Teitan war er fündig geworden. Neben der Schule, die sie besuchte, kannte er nun auch ihren Namen. Ai Haibara. Und bald würde er nicht nur ihr Bild gefunden haben… nein. Sondern Ai Haibara alias Sherry alias Shiho Miyano in natura. Bald… Bald. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)