Amnesia von Leira (Wer ist man noch, wenn man sich selbst vergisst?) ================================================================================ Kapitel 10: Vorbereitungen -------------------------- Hi folks! Vielen, vielen Dank für die Kommentare zum letzten Kapitel! Ehrlich, vielen, vielen, vielen Dank! An dieser Stelle muss ich euch eine... unangenehme Ankündigung machen, fürchte ich. Da ich aufgrund persönlicher, sehr dringender und wichtiger Umstände momentan sehr beschäftigt bin (meiner einer studiert) und wenig Zeit habe, kann es sein, dass diese Geschichte nicht mehr ganz regelmäßig erscheinen kann; das passiert mir zum ersten Mal, ich hätte gedacht, ich kriegs hin, aber ich hab mich wohl geirrt. Ich werde versuchen, keine allzulange Pause entstehen zu lassen, aber es kann sein, dass ab jetzt mal ab und an eine Woche ausfällt. Ehrlich Leute, das tut mir sehr Leid, das könnt ihr mir glauben... Ich möchte betonen, ich breche nicht ab, auf gar keinen Fall, und die FF wird auch weiterlaufen... nur kann es sein, dass sich die Erscheinung eines Kaps mal verzögert. Ich hoffe, ich kann eure Geduld mit einer umso besseren Geschichte belohnen. Ich wünsche euch viel Vergnügen mit diesem Kapitel und verbleibe bis dahin eure Leira _______________________________________________________________________ Kapitel 10: Vorbereitungen „Kogorô, ich hatte heute einen harten Tag vor Gericht, ich bin müde, und deshalb wirklich nicht in der Stimmung für Scherze.“ Ihre Stimme klang ganz eindeutig genervt; und genervt war auch ihr Blick, den sie ihm nun über den Rand ihrer Brille hinweg zuwarf. Sie sah streng aus, wenn sie das tat, und ungeduldig. Wie eine energische und Disziplin fordernde Lehrerin wirkte sie, vielleicht hatte sie deshalb so viel Erfolg in ihrem Beruf; bestimmt schüchterte sie so die ganzen jungen Staatsanwälte ein. Bei ihm funktionierte es immerhin fast; er fühlte sich beinah wie ein ungezogener Schüler, wenn sie ihn so ansah. Allerdings auch nur beinahe, und außerdem - der ungezogene Schüler war jemand anders gewesen. Er hatte Eri von der Kanzlei abgeholt, war mit ihr hierher gefahren, und nun stand er im Flur ihrer Wohnung und hatte ihr gerade erzählt, was es mit Conan Edogawa auf sich gehabt hatte. Die Rechtsanwältin trat entschlossen durch die Küchentür ihres Appartements, schaltete die Kaffeemaschine ein und warf die Jacke ihres Kostüms mit einer lockeren Geste über die Rückenlehne eines Stuhls; ihr Noch-Ehemann folgte ihr zögernd. Die Stunde der Wahrheit war gekommen; Zeit, seiner unangenehmen Aufgabe, ihr die Wahrheit über einen gewissen Westentaschendetektiv zu sagen, nachzukommen. Und er hatte es ihr tapfer berichtet. Alles. Jede Einzelheit, die er wusste. „Es ist kein Scherz. Ich weiß, es ist unglaublich, aber es ist kein Scherz. Er war wirklich Shinichi Kudô… ich meine, gerade du müsstest dich doch um eine Erklärung, wie haarsträubend auch immer sie sein mag, für meinen plötzlich vorhandenen detektivischen Spürsinn freuen. Dir war das doch immer suspekt. Nun, er hat sie gelöst, die Fälle. So gut wie alle. Und wie gut er ist, weiß ganz Tokio…“ Er grinste säuerlich, wurde aber gleich wieder ernst. „Fakt ist, er rennt jetzt in Originalgröße mit diesen Verbrechern rum, gewährt ihnen, mit ihm zu tun und zu lassen, was sie wollen, damit sie Ran in Ruhe lassen. Eri. Ich erfinde solche Geschichte doch nicht einfach! Ich konnts ja selber kaum glauben… Aber wenn man so nachdenkt, dann musst du doch zugeben, Conan war alles, aber kein gewöhnlicher Grundschüler, und er ist Shinichi erstaunlich ähnlich, wenn du dich mal erinnern magst, wie er in dem Alter war.“ Eri schaute ihn an, zog eine Augenbraue hoch. Fakt war, ja, es klang alles sehr plausibel, und sie fand es selber seltsam, aber… sie war geneigt, ihm das zu glauben, was er ihr erzählte, es schien wirklich eine gute Erklärung zu sein, für all die Dinge, die auch ihr an dem kleinen Jungen schon manchmal aufgefallen waren. Und außerdem - sie warf Kogorô einen forschenden Blick aus dem Augenwinkel zu - ihr Mann wirkte nicht, als ob er lügen würde, und sie würde es erkennen, würde er sie belügen. Sie seufzte, strich sich kurz über die Stirn. Kogorô Mori murrte leise unverständliches Zeug vor sich hin, zog eine Zigarette aus seiner Jackentasche und zündete sie an, inhalierte tief, ehe er den Rauch wieder ausstieß. Eri streifte kurz eine Falte aus ihrem Ärmel, ehe sie sich ihrem Mann wieder zuwandte. „Was sagt Ran zu der Geschichte?“ „Sie weiß es nicht. Sie ist mit Sonoko auf Izu und so soll es bleiben, weil wir alle befürchten, wenn sie erfährt, wie es um diesen Holmesverschnitt steht, wird sie nichts unversucht lassen, um ihn zu retten, und sich dabei selbst gefährden. Ich denke, dir ist bekannt…“ „Dass Ran ihn liebt.“ Er seufzte, fuhr sich mit der Hand fahrig über sein Gesicht. Eri sah ihn an; ein ganz kleines Lächeln huschte ihr kurz über die Lippen, dann wurde sie wieder ernst. „Ja. Das ist mir bekannt… es… ist nicht zu übersehen. Aber Kogorô, ernsthaft…“ „Frag Meguré. Frag Professor Agasa. Oder frag Yusaku und Yukiko selber! Und sieh dir nur mal… dieses Mädchen an. Ai Haibara.“ „Sie auch?“ Die Königin des Gerichtssaals blickte auf. „Gut, du hast schon Recht, die beiden kamen mir wirklich nie wie kleine Kinder vor, aber…“ „Weil sie es nicht sind, Eri!“ Kogorôs Stimme klang eindringlich. „Weil sie es nicht sind.“ Er seufzte, zog ein weiteres Mal an seiner Zigarette, blies den Rauch in kleinen Wolken aus. „Das ist die Wahrheit… mach damit, was du willst. Aber du darfst es niemandem sagen, hörst du! Und wenn du ihn siehst… dann geh ihm aus dem Weg, Eri.“ Damit drehte er sich um, wollte ihr Appartement verlassen, als sie ihn zurückhielt. „Nenn mir einen Fall, in dem diese ominöse Organisation ihre Finger hatte. Damit ich etwas in den Fingern habe, Kogorô.“ Ihr Mann schloss kurz die Augen. „Der Eine-Millarde-Yen Raub von vor zwei Jahren. Ais Schwester, Akemi Miyano, wie sie wohl hieß, war daran beteiligt und wurde hinterher von Gin erschossen, das weiß ich von der Kleinen. Shinichi, oder besser gesagt, Conan war bei mir, als wir in dem Fall ermittelten; sie besuchte mich als Masami Hirota, angeblich auf der Suche nach ihrem Vater, tatsächlich auf der Suche nach ihren Komplizen.“ Eri nickte. „Damit kann ich was anfangen.“ „Und was?“ „Ich will prüfen, ob es sie gibt… wenn sie existieren, dann müssen sie Spuren hinterlassen, Kogorô.“ „Aber ist diese Spur nicht schon lange kalt?“ „Das werd ich ja dann sehen.“ Sie drückte auf einen Knopf an der Kaffeemaschine, woraufhin sie surrend zum Leben erwachte und sich die braune Flüssigkeit aus einer Düse in eine Tasse goss. „Ich will sie ja nicht finden, diese Organsiation… der Illusion geb ich mich nicht hin, dass ich das schaffe. Ich will nur wissen, ob es sie gibt. Ein Foto, eine Zeugenaussage. Das würde mir reichen.“ „Tu, was du nicht lassen kannst.“ Damit drehte er sich endgültig um, öffnete die Wohnungstür, trat hinaus auf den Gang und ließ sie hinter sich wieder zufallen. Eri starrte ihm hinterher, nahm dann die Tasse Kaffee, die sie sich gerade gekocht hatte und nippte daran. Dann trat sie an ihren Laptop, klappte ihn auf, fuhr ihn hoch. Nippte an ihrem Kaffee, ließ sich in den Bürostuhl vor ihrem Schreibtisch sinken und startete ein Suchprogramm. Eine Millarde Yen-Raub Als er am Tag nach seiner 'Taufe' aufgewacht war, hatte er zuerst nicht gewusst, wo er sich genau befand. Dann war er aufgestanden, hatte sich umgesehen, und sich gefragt, wie er es nur hatte vergessen können. Die erste Nacht als 'echtes' Mitglied der schwarzen Organisation war ausgesprochen kurz und schlaflos gewesen, und so fühlte er sich auch wie gerädert, als er am Morgen von Sharon zum Frühstück abgeholt worden war. Viel gegessen hatte er nicht, genauso wie sie - es hatte sie nicht überrascht. Er wirkte in sich gekehrt, versunken, geistesabwesend, schien tief beschäftigt mit seinen Gedanken und sie ahnte, über was er sich seinen Kopf zerbrach. Sharon starrte Shinichi an, der jetzt neben ihr herlief wie ein Hündchen neben seinem Frauchen, immer noch scheinbar weit weg in seinen Gedanken. In dem schwarzen Mantel sah er so ungewohnt aus. Wirkte noch blasser, als ohnehin schon – allerdings konnte diese Blässe auch daher rühren, dass er angespannt war, und nervös. Ihm war seine Position in diesem Spiel mehr als klar, und er wusste, wie wackelig die Konstruktion gebaut war, auf der sie ruhte. Ihr war die überaus verantwortungsvolle Aufgabe zugekommen, den Nachwuchs, wie man die Neueinsteiger nannte, herumzuführen. Offensichtlich hatte man beschlossen, ihn jetzt genug gebrochen zu haben, war wohl der Meinung, dass er nicht mehr versuchen würde, abzuhauen. Womit sie wohl Recht hatten. Er würde nicht fliehen. Wegen Ran. Er schaute stur auf den Boden, fühlte sich in seiner Haut nicht wohl, man sah es ihm an. „Morgen, also?“, wisperte er dann. Sie nickte, drückte eine Tür auf, um ihm das Informationszentrum zu zeigen; überall standen Rechner und Monitore auf den Tischen, die Luft schien statisch aufgeladen, und über allem lag das leise Summen der Ventilatoren in den Rechnereinheiten. Langsam führte sie ihn durch die Reihen - was hier getan wurde, brauchte sie ihm nicht erklären. Hier wurde Geschichte geschrieben - die Geschichte der Organisation. Hier schrieb man Erpressermails, Geschichten und Gerüchte über Mitglieder, um ihre Identität in der Öffentlichkeit zu tarnen; man produzierte Spionageprogramme, um sie in die Hardware berühmter Firmen einzuschleusen, die man zu benutzen gedachte, hier fanden Daten- und Geldtransfers statt, wurde Information über Menschen, über Erfindungen, Ereignisse und nicht zuletzt über ihre eigenen Projekte gesammelt, gespeichert, verteilt und archiviert. Dies hier war das Gedächtnis der Organisation. Ein Teil seines Hirns befand sich hier. Der andere Teil saß im Büro des Bosses und rauchte wohl eine Zigarette, so zumindest dachte Shinichi. Er schaute sich um, ohne wirklich etwas wahrzunehmen. Für ihn ging gerade ein Alptraum in Erfüllung. Sharon schritt vor ihm her, achtete nicht auf die fragenden Blicke der Organisationsmitglieder, die kurz von ihrer Arbeit aufsahen, um festzustellen, wer sie störte. Am anderen Ende des Raums trat sie durch die Tür, wartete, bis er neben ihr im Gang stand, schaute ihn nachdenklich an. „Shinichi, ich weiß, es ist nicht leicht für dich, aber du musst dich damit abfinden…“ Der Angesprochene vergrub seine Finger in seinen Manteltaschen, biss sich die Lippe blutig. Dann schaute er auf, in seinen Augen beißender Spott und eine Bitterkeit, die sie bei ihm noch nie gesehen hatte. „Ach ja?! Kannst du mir dann bitte auch verraten, wie ich das anstellen soll? Mich damit abfinden, dass ich hier zum Mörder werden muss, um Ran zu beschützen? Ich liebe sie…“ Seine Stimme wurde leise. „Sharon, zweifellos, ich… ich liebe sie. Aber ich… ich weiß wirklich nicht, ob ich das kann. Jemanden töten. Ich weiß nicht, ob ich das kann… ich…“ Er begann, seinen Kopf zu schütteln. Wortlos packte sie ihn an der Schulter, fest gruben sich ihre Fingernägel wie Krallen durch den Stoff in seine Haut; sie drehte ihn ruckartig herum, schaute ihn scharf an; ihr Blick verfehlte ihre Wirkung nicht. Er zuckte kaum merklich zusammen, wandte dann den Blick ab. Sie griff ihm mit der Hand am Kinn, zwang ihn zum Blickkontakt. „Wenn du willst, dass sie lebt, dann wirst du es tun. I know… this is not the life you wanted to live… but it’s about living at all, isn’t it? Just living… see the sun rise tomorrow…” Sie ließ ihn los, ihr Blick verlor sich. Shinichi lachte bitter. „Ganz ehrlich, Sharon? Mir wär im Moment lieber, Gin hätte mich erschossen, als er die Gelegenheit hatte. Ich weiß nicht, ob ich die Sonne nochmal aufgehen sehen will, wenn Blut an meinen Händen klebt.“ Er schaute weg, starrte konzentriert auf die Fliesen auf dem Boden. „Ich will nicht Richter spielen, ich will nicht Henker sein. Ich will nicht entscheiden müssen, ob ich lieber Rans Leben retten will oder ein anderes… Natürlich will ich nicht, dass Ran stirbt…!“ Shinichi wandte den Kopf ruckartig, blickte in Sharons nachdenkliches Gesicht. „Aber ich weiß nicht, ob ich jemanden für sie töten kann.“ Lange musterte sie sein Gesicht, dann seufzte sie. „Du wirst es herausfinden, wenn es soweit ist.“ Damit setzte sie sich wieder in Bewegung. Auch im Hause Professor Agasas war mittlerweile zuverlässig, als ob nichts geschehen wäre, der nächste Morgen angebrochen, allerdings nach einer überaus unruhigen Nacht. Nach Kirs Bericht hatte sich die Runde erst einmal aufgelöst; zutiefst betroffen waren die Polizisten aufs Revier gefahren um die nötigen Schritte zu tun, um den Deal, über den man ja nun Bescheid wusste, im Revier unentdeckt zu lassen, was ihnen einiges abfordern würde… und sie ihren Job kosten könnte, wenn jemals entdeckt würde, dass sie verhindert hatten, ein potentielles Verbrechen zu entdecken und zu verhindern. Kir hatte sich nach dem Bericht zügig verabschiedet; wenn sie zu lange fernblieb, fiel das auf, und so hatte sie sich auf den Rückweg in die Organisation gemacht. James Black, Shuichi Akai und Jodie Starling waren noch lange beim Professor geblieben, bis auch sie sich in ihr Hotel begeben hatten, nicht allerdings, ohne für den nächsten Tag ein Treffen vereinbart zu haben. Man wollte zumindest den Nachmittag nutzen, um in den Wäldern rund um den Campingplatz nach ihm zu suchen… vielleicht geschah ja das Wunder und es gelang ihm die Flucht. Abends dann wollten sie alle wieder in Tokio sein, um die Entwicklungen, so es welche geben würde, zu besprechen. Der Professor selber hatte am Abend noch einer völlig aufgelösten Yukiko und einen hochnervösen Yusaku einen Besuch abgestattet, um sie persönlich auf den neuesten Stand der Dinge zu bringen. Während Yusaku die Tatsache, dass man aus seinem Sohn einen Mörder machen wollte, mit einem grimmigen Nicken zur Kenntnis genommen hatte, ansonsten aber recht wortkarg war, war Yukiko von einem Extrem ins andere Gefallen; zuerst noch vor Glück weinend, als sie erfuhr, dass ihr Sohn noch am Leben war, im nächsten Moment am Boden zerstört, als der alte Mann ihr erzählt hatte, was man von ihm verlangte. Was er zu tun bereit war, um die, die er liebte, zu schützen. Irgendwann war Hiroshi Agasa dann gegangen, hatte die beiden wieder sich selbst überlassen, hoffte, dass Yusaku es schaffte, seine Frau ein wenig zu beruhigen. Yukiko war ein nervliches Wrack, die Sorge um ihren Sohn fraß sie innerlich auf, verzehrte sie in einem Maß, das der alte Professor nicht für möglich gehalten hatte. Jetzt fragte er sich, warum es ihn wunderte; sie war seine Mutter. In diesen Minuten, als draußen die Sonne gerade aufgefangen war, saß Professor Agasa nun also am Küchentisch, den Oberkörper leicht nach vorne gebeugt, seine Kopf mit einer Hand abstützend, und versuchte eine morgendliche Tasse Kaffee hinunterzuspülen und Ai, die ihm gegenüber saß und sehr lustlos die Haferflocken in ihrem Müsli mit dem Löffel im Teller herumschob, sah wohl genauso aus, wie er sich fühlte. Elend. Sie hatte offensichtlich keinen Appetit, in der Nacht genauso wenig ein Auge zugebracht wie er, was bei ihr aufgrund ihres Kindseins noch einmal in ganz anderen Formen Ausdruck fand; sie war müde, schlapp, konnte sich nicht konzentrieren, war nervös, besorgt und dementsprechend war sie heute auch aufgelegt. Missmutig, leicht reizbar und in sich gekehrt. „Ai, du musst was essen…“ Sie starrte in die Schüssel, legte den Löffel beiseite. Agasa seufzte, vergrub seine Finger in seinen grauen Locken. So kam er offensichtlich nicht weiter. „Ai… nun hör mal…“ Dann hörte er es. Leises Schniefen – und dann sah er sie, eine einzelne Träne, die ihre Nase herablief und in ihr Müsli tropfte. In dem Moment gab Agasa es auf. Der alte Professor stand auf, holte die Schlüssel seines Wagens. „Fahren wir nach Tottori… und danach zum Bahnhof. Das sollte zeitlich gut mit Heijis Ankunft passen, er hat sich vorhin gemeldet, mir mitgeteilt, wann er ankommt.“ Mehr brauchte er nicht sagen. Ai rutschte wortlos vom Stuhl, ging voraus in die Garage. Ihr Leben war ihr nicht wichtig, soviel war ihm klar geworden, in diesen Minuten. Im Moment zählte für sie nur ein einziger Mensch auf dieser Welt – Shinichi Kudô. Er stand in der Tür, wollte keinen Schritt mehr weitergehen, wie’s schien. Vor ihm lag das Labor. Sharon war bereits eingetreten, schaute ihn an, seufzte entnervt. „Na komm schon; worauf wartest du? Wir müssen hier nur kurz etwas abholen, bevor ich mich mit Gin unten am Haupttor treffe, um den morgigen Abend zu besprechen. And I can tell you one thing-“ „Gin wartet nicht gern. Hab ich schon mal wo gehört.“ Er seufzte leise, konnte sich aber dennoch nicht helfen. Er wusste, Ai… beziehungsweise Shiho war hier nie gewesen - sie kannte den Boss nicht und hatte nie einen Fuß ins Hauptquartier gesetzt, aber dennoch… das Labor, in dem sie gearbeitet hatte, musste diesem hier ganz ähnlich gewesen sein. „Kannst du die Drogen nicht selber holen? Was auch immer es ist… Kokain? Heroin?“ Sharon lachte bitter. „Weder noch. Eine Designerdroge aus der Organisation – die Einnahme beschert einem die glücklichsten Momente im Leben, der Entzug die schrecklichsten; hohe Suchtgefahr, fast aussichtslose Abhängigkeit und kein Konkurrenzprodukt weit und breit. Für in Pillen gepresstes Glück zahlen die Menschen Unsummen.“ Sie seufzte. „Such fools, they are… such damned fools…“ „Bringt es sie um?“ „Nein. Die Organisation wäre nicht sehr intelligent, die eigenen Kunden zu töten… damit würde doch die Geldquelle versiegen. Nein. Weder die Substanz selbst noch der Entzug kann töten. Er suggeriert auch keine zum Suizid führenden Wahnvorstellungen, falls du das meinst. Die Droge macht einfach nur glücklich… und wenn das Gefühl verflogen ist, wirst du alles dafür tun wollen, um es wieder zu kriegen. Pass also auf, von wem du hier was zu Essen annimmst.“ Shinichi riss die Augen auf, starrte sie an. „Just a joke, little one.“ Sie lächelte amüsiert, spöttisch, zeigte ihre makellos weißen Zähne. „Just a little, little joke. To cheer you up a bit.” „Haha.“ Shinichi verschränkte die Arme vor der Brust, schaute sie aus zusammengekniffenen Augen an. „Wirklich witzig. Aber woher willst du wissen, dass man das nicht versucht? Mir sowas unterzujubeln?“ „Weil… der Boss will, dass du bei Verstand bleibst. That’s all.“ Shinichi schnaubte. „Wer ist er, Sharon? Wer ist der Boss? Ich denke, es ist wer, den ich kenne, der mich kennt - was ist nun schon dabei, wo ich so weit schon allein gekommen bin, mir den Rest auch noch zu sagen?“ Sharon schaute ihn stumm an. Dann trat sie auf ihn zu, ganz nah, beugte sich zu ihm, bis er ihren Atem auf dem Gesicht spüren konnte. „Shinichi… ich sag dir das nur einmal, und ich meine das ernst, hörst du! Todernst...“ Shinichi schaute in ihre Augen, versuchte in ihnen zu ergründen, was sie so aus der Fassung brachte. „Für dich selbst… für dein eigenes Wohl… frag nicht weiter. Denk nicht weiter nach. Du willst die Wahrheit nicht wissen. Du bist weit gekommen, und dafür gebührt dir Respekt. Nun lass gut sein und forsche nicht weiter.“ Sie trat wieder zurück. Er blickte sie verwirrt an, schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht. Das weißt du.“ „Yeah. Cause you’re the biggest fool of all of them. Du brauchst keinen, der dich zu Grunde richtet, du machst es selber.” Sie schaute ihn böse an, ihre Stimme klang bissig. „Du weißt einfach nicht, was gut für dich ist. Das wisst ihr Moralapostel alle nicht. Und nun sie dich an! Schau dir an, in welche Lage du dich gebracht hast… und Angel.“ Shinichi drehte ruckartig den Kopf, schaute sie prüfend an. „Ich wollte nicht, dass man Ran…“ „Ja, du wolltest das natürlich nicht, das glaub ich dir sogar. Aber vielleicht wird dir jetzt mal endlich klar, du ewiger Besserwisser, dass du mal die Konsequenzen deines Handels überdenken solltest, bevor du dich Hals über Kopf in dein eigenes Verderben stürzt! Und jetzt stehst du hier und jammerst, weil du ein Mitglied werden musst und keinen Menschen töten kannst…“ Sie atmete heftig. „Und alles, was du dann noch tun kannst, ist in deine eigenen Hölle noch zusätzlich Brandbeschleuniger zu gießen, weil du unbedingt die Identität des Bosses ergründen willst! For heaven’s sake, stop it! Lass das endlich!“ Sharon zischte ihn wütend an. „Merkst du’s denn nicht, was du tust? Du bist doch sonst so intelligent, siehst du nicht, wohin dich dein ewiges Detektivspiel führt? Du zerstörst dir dein Leben, du wirst deine Mutter, deine Freunde, deine Ran… nie mehr wiedersehen, weil du vergessen kannst, dass man dich hier so schnell rauslässt – und selbst wenn du irgendwann mal Freigang haben solltest, dann tust du besser daran, dich von ihnen allen fernzuhalten, denn ab jetzt bist du eine Gefahr für sie! Das hast du davon, von deiner Wahrheitssuche… damned fool, you are! Du verdienst dein Leben nicht, verdammt!“ Shinichi schaute weg, beobachtete scheinbar ein paar Luftblasen in einer grünen Flüssigkeit, die in einem bauchigen Gefäß in einer Versuchsapparatur aufstiegen. Als er sprach, erkannte sie seine Stimme fast nicht wieder. Gebrochen. Das war es, was er war. Gebrochen. Und so hörte er sich jetzt auch an. „Du hast ja Recht. Aber wenn ich schon… soweit bin, dass ich eigentlich gar nicht wirklich leben kann… mein Leben nie mehr wieder bekomme… dann, Sharon-…“ Er schaute auf, warf ihr einen erschöpften Blick zu, ehe er seinen Kopf abwandte und angestrengt einen Punkt an der Decke fixierte. „…dann verrat mir, Vermouth, was noch schlimmer sein kann. Der Tod? Vor dem hab ich keine Angst mehr. Ich… werde Ran nie wieder sehen. Ich kann mich nie entschuldigen. Ihr nie sagen, wie viel… wie unendlich viel… sie mir bedeutet. Sie würde es so gern hören, sie hätte es so sehr verdient, ich würde ihr den Gefallen so gern tun, es würde ihr so gut tun, das zu hören, aber ich… ich habs verbockt. Auf dieses Gefühl, richtig gelegen zu haben bei mir, auf all das, was ich ihr geben wollte, muss sie verzichten, wie ich auf alles verzichten muss, was sie mir angeboten hat. Nur treffe ich meine Entscheidung selber, sie nicht. Das… das ist schrecklich unfair, und es tut mir… es tut mir so leid für sie… Nun sag mir, warum soll ich den Tod oder sonstwas fürchten, wenn mein Leben doch ohnehin schon vorbei ist... alles, was es lebenswert machte, auf immer verloren ist.“ Ein lautes Räuspern verließ seine Kehle, er schluckte ein paar Mal hart, wobei sie seinen Kehlkopf bei der Auf- und Abbewegung beobachten konnte. Sie schwieg. Er war erst zwanzig Jahre alt und am Ende seines Daseins angekommen. Und er war sich dessen bewusst. Ihr war ein wenig mehr Zeit vergönnt gewesen. Ihr war ein echtes Leben vergönnt gewesen… Das würde er nicht mehr bekommen. Ein Leben mit Ran… er würde sie nicht lieben dürfen. Der Gedanke stimmte sie traurig - trauriger, als sie geahnt hatte. Dann riss ihn seine Stimme wieder aus ihrer Versenkung. „Schlimmer als es jetzt ist, kann es nicht werden. Nicht mal, wenn der Boss mein eigener Vater wär.“ Sharon holte scharf Luft. Er wandte ruckartig den Kopf, warf ihr einen forschenden, bohrenden Blick zu, verwundert zwar, aber analysierend – sein Herz hämmerte gegen seine Brust, seine Finger wurden mit einem Schlag eiskalt. Adrenalin strömte durch seine Adern, sein Körper war aufs Äußerste angespannt. Dann sah er, was sie wohl so aufgeschreckt hatte, merkte, wie sein Kreislauf wieder absackte, seufzte leise. Ihr Gespräch wäre beinahe mitgehört worden, das war es wohl gewesen, das sie kurz erschrocken hatte, als sie ihn bemerkte. Eine Gestalt eilte auf sie zu, der Mann war keine fünfzehn Schritte mehr entfernt. Shinichi wich unwillkürlich zurück. Dem viel zu interessierten Blick, diesem lüsternen Funkeln in seinen Augen konnte Shinichi entnehmen, dass er diesem Herrn seine momentane Erscheinungsform zu verdanken hatte. Hinter sich hörte er Sharon schnauben. Sie hatte ihre Gedanken wieder geordnet und soweit im Griff, sich ihrem Besucher widmen zu können. „Was willst du!?“, fauchte sie hitzig. Erneut atmete sie heftig aus, holte Luft, bevor sich der Mann, ein schmächtiger Kerl in seinen Dreißigern mit riesiger Hornbrille auf der Nase, auch nur äußern konnte. „Du hast mit ihm nichts mehr zu schaffen! He’s not your business, he never was!“ „Nun lass mir doch den Spaß, Vermouth!” Seine Stimme klang weich, fast ein wenig weiblich, und irgendwie schmierig. Absolut unsympathisch. Der Mann trat näher. Shinichi zwang sich dazu, nicht zurückzuweichen, warf ihm nur einen abschätzigen Blick zu. Der Wissenschaftler betrachtete ihn, leckte sich mit seiner Zunge nervös über die Lippen, in seinen Augen eine seltsame Gier. Er sah aus, als stünde er unter Drogen, und Shinichi war sich nicht sicher, ob dem nicht tatsächlich so war. „Scotch, wir holen nur den Stoff. Sei so gut und bring ihn einfach. Eigentlich sollte Brandy ihn mir geben. Da er offensichtlich anderweitig beschäftigt ist-“ Sharon war ungeduldig, man hörte es ihr deutlich an. „Nun lass mich doch zuerst mal einen Blick auf mein Meisterwerk werfen…“ Mit zitternden Fingern strich er sich eine fettige Haarsträhne aus seinem Gesicht, wollte dann nach Shinichi greifen, der seine Hand allerdings unwirsch beiseite schlug. „Pfoten weg!“, zischte er angewidert. Scotch lächelte nur hämisch. „Wer wird denn gleich so aggressiv sein? Ich will doch nur…“ „Es interessiert keinen, was du willst.“ Ihre Stimme klang kühl und bestimmt, und genauso entschlossen war auch der Schritt, mit dem sie zwischen den Wissenschaftler und sein Experiment trat, die Hände in die Hüften gestemmt, in ihren Augen Ungeduld. „Go, get the stuff! Hurry!“, blaffte sie ihn ungehalten an. Der Forscher zog eine Schmolllippe und trollte sich von dannen, kehrte bald darauf mit einem Päckchen zurück. „Ich mag dich nicht, Vermouth.“, wisperte er mit zusammengekniffenen Augen. „Nein wirklich nicht. Ich denke, ich kann dich nicht leiden.“ „Fine. Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Wir gehen, Armagnac.“ Sie griff Shinichi am Ärmel, zerrte ihn herum, zog ihn mit sich. „Wir zwei Hübschen laufen uns ja bestimmt noch über den Weg, irgendwann!“, flötete Scotch ihnen hinterher. Shinichi verzog angesäuert das Gesicht. Hoffentlich nicht. „Ekliger Kerl.“ „Du sagst es. But brilliant, whatever he does in his subject. Klassische Inselbegabung. In unserer Welt ist er praktisch nicht lebensfähig, aber in seiner kleinen Sphäre voller Reagenzgläser ist er ein Star.” Ruckartig fuhr sie hoch, ihr eigener Schrei hallte gellend in ihren Ohren nach. Neben ihr schreckte Sonoko aus ihrem Nickerchen, aber das bekam sie gar nicht mit. Sie lagen am Meer, in einer kleinen einsamen Bucht, hatten sich einen schönen Nachmittag machen wollen, mit Decken und Picknick, da Makoto seine Tauchschule besuchte… und waren irgendwann, eingelullt von sanften, ruhigen Rauschen der Wellen, im Schatten der großen Felsen eingeschlafen. Mit der Ruhe war es nun allerdings vorbei. Ihr Herz schlug hart gegen ihre Brust, ihr Atem ging schnell und flach, auf ihrer Stirn stand kalter Schweiß und sie zitterte am ganzen Körper. Und das alles aus einem Grund. Ran hatte geträumt. Von Shinichi. Sie konnte sich nicht mehr an alle Details erinnern, aber die Kernaussage und das eindringlichste Bild waren in ihrem Gedächtnis haften geblieben, und auch jetzt, in wachem Zustand, sah sie es noch so deutlich vor sich, dass es ihr die Tränen in die Augen trieb. Sie fing an zu schluchzen, konnte es nicht kontrollieren, japste nach Luft, presste ihre Hand gegen ihr Herz, spürte einen Schmerz, den sie nie gekannt hatte. „Ran!“ Sonokos Stimme drang besorgt, aber irgendwie von weit weg, an ihr Ohr. Dann fuhr sie herum, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. „Ran, Ran, was ist los?“ Sonoko schaute sie erschrocken an, strich ihr die Haare aus dem Gesicht. „Ran!“ Sonoko griff nach ihrem Kopf, hielt ihn fest, zwang sie so, sie anzusehen. „Ran, Ran, was ist denn?!“ Leise Panik schlich sich in ihre Stimme. „Shinichi…“ Ran flüsterte den Namen nur, erlangte langsam wieder die Kontrolle über ihre Atmung, holte tief Luft. Sonoko verdrehte kurz die Augen, seufzte laut auf, fing dann an, ihr über die Haare zu streichen, immer wieder, setzte sich dann neben sie auf die Decke, zog sie an sich. Ran starrte auf das Meer, ihre Gedanken fanden keine Ruhe, überschlugen sich. „Schlecht geträumt, nehme ich an?“, murmelte Sonoko schließlich leise. Über ihren Köpfen schoss eine Möwe auf der Jagd hinweg, um im Sturzflug ins Wasser zu tauchen, ihr heiserer Schrei durchschnitt die Luft. „Ja.“ „Solltest du nicht schöne Träume von ihm haben?“, versuchte das blonde Mädchen ihre Freundin zu necken und erntete ein schwaches Lächeln, das kaum bis in die tränennassen Augen Rans reichte. „Wahrscheinlich. Aber leider war der Traum nicht schön… ich träum nie schön von ihm, wie es scheint. Letztes Mal konnte ich mich ja nicht dran erinnern, aber dieses Mal…“ „Ja?“, ermunterte Sonoko sie, weiterzusprechen. „Dieses Mal…?“ Ran schluckte hart, grub ihre Zehen in den Sand, krallte ihre Finger in die Wolldecke. „Ich will darüber nicht reden… sonst wird es wahr…“ Rans Blick wurde starr, als sie wieder auf das Meer hinausschaute. Bis zum Sonnenuntergang waren es noch ungefähr zwei Stunden; dann würde das Licht der langsam versinkende Sonne das Meer in blutrote Strahlen tauchen, das Wasser färben, durch und durch. Sonoko atmete scharf ein, dann schüttelte sie einmal heftig den Kopf, starrte Ran entschlossen an. „Ran, du musst herausfinden, was mit ihm ist. Ich denke, du drehst sonst noch durch.“ „Da kannst du Recht haben.“ Ran seufzte leise, strich sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die der kühle, salzige Seewind ihr in die Augen tanzen ließ. „Ich weiß ja… ich weiß es ja! Ich werds heut noch mal bei allen versuchen, die ich kenne… ob ich herausfinden kann, wo er steckt, wenn ich ihn schon nicht an die Strippe kriegen kann. Ich mach mir solche Sorgen…“ Abrupt drehte sie sich um. „Himmel Sonoko, was ist, wenn mir diese Träume was sagen sollen? Wenn er nicht nur in Schwierigkeiten steckt, wie wir ja vermuten… Ich muss was tun… verdammt, es muss doch etwas geben, das ich tun kann…“ Sonoko schaute sie nur an, biss sich auf die Lippen. „Nimm mein Handy, ich hab den billigeren Tarif. Wir kriegen jetzt raus, wo er ist.“ Mit diesen Worten reichte sie ihrer besten Freundin ihr Mobiltelefon. Ran warf ihr einen dankbaren Blick zu; dann begann sie zu wählen. Der Professor war gerade auf den Bahnhofsparkplatz gefahren, um auf Heiji zu warten, der vor einer Stunde angerufen hatte, um ihm mitzuteilen, wann sein Zug ankommen würde, als sein Handy erneut zu klingeln anfing. Als er hörte, wer anrief, verfinsterte sich seine Miene vor Kummer, ehe er sprach. „Hallo Ran, was kann ich für dich tun?“ Ai horchte auf, drehte sich zu ihm, schaute ihn aufmerksam an. Agasa warf ihr einen unbehaglichen Blick zu, seufzte. Ran schluckte, merkte, wie ihre Finger eiskalt wurden, als sie sie weiter um den Hörer krallte. „Professor Agasa… ich kann ihn immer noch nicht erreichen… er wollte mich schon vor Tagen anrufen, ich mach mir echt Sorgen, ich…“ „Ach Ran…“ Professor Agasa schluckte, versuchte, seiner Stimme einen väterlichen, beruhigenden Ton zu verleihen. Er konnte ihr anhören, welche Sorgen sie sich wirklich machte, und noch schlimmer war… sie machte sie sich zu Recht. Aber sagen konnte er ihr das nicht. „Shinichi?“, hakte er fragend ein, obwohl im klar war, dass sie nur ihn meinen konnte. „Ja.“ Ihre Stimme klang weinerlich. „Ran, der steckt bis zum Hals in seinem Fall. Er…“ „Haben Sie etwas von ihm gehört? Wie kann ich ihn erreichen? Sein Handy ist immer noch aus…“ „Nun, er…“ „Ja?!“ Sie atmete schnell, griff das Handy mit beiden Händen, presste es fest gegen ihr Ohr. „Hör zu. Ich hab… mit ihm telefoniert. Gestern. Sein… Handyakku ist kaputt. Er kam noch nicht dazu, sich einen neuen zu kaufen, aber du bist die erste, die er anruft, wenn das Ding wieder funktioniert.“ Ai sog scharf die Luft ein. Nie hatte sie den Professor derart lügen gehört. Ran seufzte, beruhigte sich langsam - bis… „Aber wie haben Sie mit ihm telefoniert?“ Agasa musste an sich halten, um nicht laut zu fluchen. „Ich… äh… er hat mich von einer Telefonzelle aus angerufen.“ Langsam atmete er aus. „Wollte nur wissen, ob was für ihn in der Post war. Du kennst ihn doch, denkt nur immer praktisch… deine Handynummer konnte er wohl nicht auswendig… ich soll dir schöne Grüße ausrichten, im Übrigen.“ Er schluckte, hörte Ran am anderen Ende seufzen. „Es geht ihm also gut, ja? Und er meldet sich bald?“ „Ja, Ran. Du hörst sicher bald von ihm. Mach dir nicht zu viele Sorgen.“ „Ist… ist gut.“ „Genieß deinen Urlaub, Ran.“ Er versuchte, überzeugt zu klingen, wollte nicht daran denken, was Shinichi tatsächlich gerade durchmachte, was er ihr verschwieg… „Danke, Professor.“ Sie klang niedergeschlagen. Zwar nicht mehr ganz so besorgt, aber niedergeschlagen… was kein Wunder war, bedachte man, was neben diesem ganzen Mist, den Shinichi momentan am Hals hatte, noch im Raum stand… die Antwort auf Rans Frage. Eine Frage, die Ran wohl langsam wahnsinnig machen musste. Er wünschte, er könnte ihr sagen, wie sehr Shinichi sie liebte… aber er wusste, dass genau das nicht seine Aufgabe war… und ihr damit wahrscheinlich nicht geholfen wäre, während er gleichzeitig dem einzigen, der das Recht dazu hatte, in den Rücken gefallen wäre… Shinichi selbst. „Bis bald, Professor.“ „Ja, bis bald, Ran. Mach’s gut!“ Langsam legte er auf. Ai starrte ihn an, dann hob sie zögernd die Hand, legte sie ihm auf den Arm. „Sie haben das Richtige getan.“ „Ich weiß. Aber warum… warum fühl ich mich dann jetzt so schlecht…?“ Bedrückt schaute er aus der Windschutzscheibe, wischte sich mit zitternden Fingern den Schweiß von der Stirn. Ai seufzte. Dann bemerkte sie eine Bewegung aus dem Augenwinkel. „Heiji ist da.“, murmelte sie leise, deutete mit ihrem kurzen Kinderarm auf die hochgewachsene, schlanke Gestalt, die auf ihren Wagen zueilte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)