Amnesia von Leira (Wer ist man noch, wenn man sich selbst vergisst?) ================================================================================ Kapitel 48: Kapitel 30: The endgame begins ------------------------------------------ Guten Tag, meine werten Leserinnen und Leser - es tut mir Leid, dass es momentan ein paar kurze Wartezeiten gibt, aber keine Bange- zu lange sollten sie nicht mehr werden. Nun, in diesem Kapitelchen geht es nun weiter, mit der Aktion von Vater und Sohn... sehen wir, was daraus wird. Ich wünsche euch wie immer viel Spaß beim Lesen und verbleibe eure Leira :) Until next time! _________________________________________________________________________________ Kapitel Dreißig: The endgame begins Als er angekommen war, atmete er erst einmal tief durch, sah sich unruhig um. Shinichi strich sich den Schweiß von der Stirn, drückte die Tür zu, drehte den Schlüssel um, damit ihn keiner hinterrücks überraschte und ließ sich kurz gegen die Tür sinken, versuchte, seine etwas sehr in die Höhe geschossene Pulsfrequenz wieder in den Griff zu bekommen. Das Adrenalin schien zum Schneiden dick in seinen Adern zu strömen. Er hatte fast den ganzen Weg bis hierher die Luft angehalten, zu sehr hatte ihn die Angst verfolgt, geschnappt zu werden. Er hoffte, sein Vater hatte bisher ähnliche Erfolge verzeichnen können. Als er sich endlich soweit wieder im Griff hatte, wandte er sich den Apparaturen zu, die vor ihm blinkten; ein leises Summen lag in der Luft, es hörte sich an wie ein Bienenschwarm - ein wahrlich gewaltiger Bienenschwarm - und doch war es nur das leise Brummen der Lüfter der Rechner. Es klang nur deshalb so laut, weil es so viele waren. Beeindruckend. Shinichi zog sich einen Drehstuhl heran, rollte vor die Hauptkonsole und ließ seinen Blick über die vielen Monitore wandern, die vor seiner Nase das Geschehen innerhalb der vier Wände der Organisation zeigten. Er sah Scotch im Labor geschäftig von einem Reagenz zum anderen eilen, nervös auf die Uhr schielen – sah massenhaft leere Gänge, leere Zimmer und einen leeren Platz vor dem Gebäude. Also, gehen wir’s an… und hoffen wir, dass es klappt. Vorsichtig strich er mit den Fingern über die Tastatur, schluckte schwer. Dann zog er seinen Zettel hervor und begann die Kolonne aus Zahlen und Buchstaben einzuhacken, die ihm sein Vater in die Hand gedrückt hatte. Offenbar war die Kombination richtig, denn schon bald zeigten hektisch aufblinkende Nachrichten auf den Bildschirmen die gewünschte Mitteilung. Data secured. Password changed. Access to Conference Room Floor Seven denied, doors blocked. Er sank zurück, langsam, als er die Rechner ihre Arbeit verrichten ließ. Dann holte er sein Handy heraus, öffnete den Mailspeicher, zog seine Unterlippe zwischen die Zähne. Rasch warf er einen Blick auf die Uhr, dachte kurz nach. Wir sind etwas spät dran. Das wird knapp… aber was soll’s. Dann drückte er auf „Senden“, schaltete anschließend sein Handy aus. Mal sehen, was ihr draus macht, Hattori. Automatisiert steckte er sein Mobiltelefon wieder weg, ließ seinen Blick wandern, allerdings nicht lange; fast magisch wurde er von einem Monitor angezogen, der rechts über ihm das Bild des Konferenzraums zeigte. Wenn schon mal gerade Zeit ist… Shinichi zog die Mailingliste hervor, zählte schnell die Namen, die darauf standen, um dann die Leute im Konferenzraum abzuzählen. Anspannung ergriff ihn, als Rum erblickte; offenbar war zumindest ein Triumviratsmitglied auf den Leim gegangen. Er jubelte innerlich, als er Cachaça halb verdeckt von zwei Männern entdeckte, begann nun, gezielt nach Absinth zu suchen, und merkte, wie sich ein bitteres Lächeln auf seine Lippen schlich. Der grauhaarige Japaner war nicht zu sehen. Offenbar hatte der Silberrücken der Organisation den Braten tatsächlich gerochen. Ein zynisches Grinsen huschte ihm übers Gesicht, dann seufzte er leise, massierte sich die Schläfen. Mit ihm würden sie sich heute Abend sicher noch gesondert auseinandersetzen müssen. Das wär wohl tatsächlich zu einfach gewesen… Dann hörte er Schüsse fallen, fuhr hoch. Der Krach war ziemlich laut; das hieß, der Schütze war nicht weit von hier. Er starrte die Tür an, merkte, wie sein Adrenalinspiegel abrupt wieder in die Höhe schnellte, fühlte, wie sein Herz zu rasen anfing, schaute sich hektisch um. Er wusste, dass es keine gute Idee war, die Tür zu öffnen. Genau genommen war es sogar eine recht blöde Idee. Allerdings, irgendwann musste er ohnehin raus hier, warten bis er buchstäblich schwarz wurde, war keine Option - und dieses Argument bewog ihn, es doch zu tun; wenn er ohnehin hier drin nicht alt werden konnte, dann warum nicht jetzt… gleich. Eventuell war auch sein Vater in Gefahr und brauchte Hilfe. Er würde es nicht erfahren, wenn er hier blieb. Unwillkürlich zog er die Pistole aus seinem Hosenbund, entsicherte sie; dann ging er zur Tür, leise. Drehte noch leiser den Schlüssel um. Und mit dem, was dann kam, hätte er rechnen müssen, dachte er hinterher. Jemand schlug die Tür, die nach innen aufging, heftig gegen ihn. Der Türknauf traf mit voller Wucht seinen Brustkorb, trieb ihm das letzte Restchen Luft und scheinbar auch den letzten Herzschlag aus dem Leib. Ihm schwindelte, als er sich an die Brust griff, ging in die Knie, keuchte, als er mit Mühe versuchte, wieder einzuatmen. Verdammt. Er schmeckte Blut, hustete, fühlte etwas Warmes über seine Lippen laufen, wusste, die Tür hatte auch seine Nase getroffen. Ehe er sich wehren konnte, stieß ihn jemand vollends um, trat ihm die Waffe aus der Hand, blieb auf seinen Fingern stehen und hielt ihm einen Gewehrlauf unter die Nase. Shinichi merkte, wie in ihm alles zu Eis gefror, schloss kurz die Augen, in der Hoffnung, dass er sich das alles nur einbildete. Allerdings, die Schmerzen in seiner Hand schienen recht real. Und das röchelnde Geräusch, als ihm seine Lungen endlich den nächsten Atemzug gestatteten, war es auch. Und so öffnete er die Augen wieder, blickte der unbarmherzigen Wahrheit ins Gesicht. Sie trug Gins Antlitz. Verdammt. Verdammt. Verdammt. „So sehen wir uns wieder, Kudô.“ Shinichi bäumte sich auf, wollte nach ihm treten, merkte doch, wie unmöglich das schien; immer noch fiel ihm das Atmen schwer, seine Glieder wollten ihm nicht gehorchen - der Türknauf musste seinen Solarplexus getroffen haben. Gin lächelte breit, packte dann seinen Gefangenen am Kragen, zog ihn hoch; nur um ihm in die Haare zu greifen und seinen Kopf und gegen die Wand zu schlagen. Shinichi schrie auf; der Schmerz, der in seinem Schädel explodierte, schien kaum auszuhalten, und kurz fragte er sich noch, ob nun sein Schädelknochen gebrochen war. Lange beschäftigte ihn diese Frage nicht. Die Spannung wich aus seinen Gliedern, als die Dunkelheit ihn einhüllte. Er sackte zusammen, bewusstlos. Auch Yusaku Kudô hatte sein Ziel ohne Zwischenfall erreicht. Und so stand er jetzt hier, im zweiten Serverraum der Organisation, und tippte aus dem Gedächtnis das Passwort ein, änderte es, gab den Befehl zur Türblockade und Datensicherung und merkte, wie sich in ihm doch eine gewisse Anspannung gepaart mit – ja! – tatsächlich freudiger Erregung breitmachte. Bis jetzt lief alles nach Plan. Dann ging die Tür auf und er drehte sich um. Hinter ihm stand Vodka, mit ausgetreckter Pistole. Yusaku musste nicht fragen, um zu wissen, dass der Mann wohl eingeweiht worden war. Ein breites Grinsen machte sich auf dessen Gesicht breit, als er auf ihn zuschritt. Der Schriftsteller grinste ebenfalls, schüttelte dann den Kopf. „Nein, so läuft das nicht.“ Damit duckte er sich, schleuderte den Drehstuhl, der in der Zimmerecke stand, gegen den untersetzten Mann und traf ihn damit, wie ein schmerzerfülltes Keuchen ihm mitteilte, an einer sehr empfindlichen Stelle. Er verzog fast mitleidig das Gesicht, als er sah, wie der Kerl sich krümmte, trat ihm dann die Waffe aus der Hand, hob sie auf und ließ die Kugeln mit einer geschickten Handbewegung aus dem Lager prasseln. „Bestell Absinth schöne Grüße. Zweifellos hat er dich ja geschickt.“ Damit schlug er ihm den Lauf der Waffe gegen den Kopf; mit einem seltsamen Röcheln sackte der wuchtige Mann zusammen, blieb bewusstlos liegen. „Schöne Träume.“, murmelte Yusaku nüchtern, wollte gerade über ihn hinwegsteigen, als er nachdenklich inne hielt. „Wo ist Gin, du rennst doch nie allein…“ Yusaku starrte ihn weiterhin an, merkte, wie ihm siedend heiß wurde, als er erkannte, was hier gespielt wurde. Im Prinzip genau das Spiel, das er erwartet hatte. Und dennoch traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag ins Gesicht. „Nein, verdammt!“ Er taumelte zurück, ohne den auf dem Boden liegenden Vodka noch weiter Beachtung zu schenken. Dann eilte er aus der Tür, war gerade noch geistesgegenwärtig genug, hinter sich abzusperren, bevor er zu rennen begann, alle Vorsicht fahren ließ. Yusaku hoffte nur, dass er Shinichi vor Gin erreichte. Er hatte keine Ahnung, dass er längst zu spät war. Mittlerweile hatten sie sich alle in der Villa der Kudôs versammelt. Und sie alle starrten Sharon an, die in der Küche auf einem Stuhl saß, zwar noch bei Bewusstsein, aber ungeheuer blass im Gesicht. Der Krankenwagen war unterwegs, würde wohl gleich kommen. Sie wusste nicht, ob sie das gut finden sollte oder nicht, Tatsache war aber wohl, es interessierte ohnehin keinen. Ihr Spiel war in ihren Augen gespielt, sie hatte verloren, saß nun auf der Bank und sah den Spielern zu, die sich noch wacker schlugen. Sie dachte darüber ein wenig anders. Not yet, no. My game’s not finished just now. Abgesehen davon bekam sie die Blicke der Anwesenden sehr wohl mit; ihre Anwesenheit war nicht bei allen auf ein positives Echo gestoßen. Genau genommen wohl bei keinem. Und es gab keinen hier, der sie nicht anstarrte. Einige schenkten ihr Blicke voll tiefster Verachtung und Abscheu, unter ihnen Jodie; andere voller Angst, wie die kleine Sherry. Sie warf ihr einen kurzen, etwas längeren Blick zu, wusste, wie dieser auf sie wirkte. Das Mädchen wandte den Kopf um, wurde sichtlich nervös. Ja, Sherry fürchtete sie noch immer. Sie lächelte bitter, aber nicht ohne doch ein wenig amüsiert zu sein. Andere Blicke schienen sie fast zu durchbohren, viele mit etwas Ärger gemischt, andere mit Wissbegierde, oft beides kombiniert; diese Blicke konnte sie verstehen. Man wollte von ihr wissen, wie sie zu ihm kamen, zu Shinichi. Wie sie ihn retten konnten. Dabei könnt ihr das gar nicht. It’s just not up to you, this time… Eine sah sie voller Enttäuschung an, mit ein wenig Zorn, und viel Trauer. Yukiko. Nur einen Blick konnte sie so gar nicht deuten, und das war der Blick, der sie beunruhigte. Ran. Sie sah sie an; sie starrte nicht, sie schaute sie an, ruhig. Ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt, eine Gelassenheit ausstrahlend, die sie stutzig machte. Sharon wusste, dass sie sich fürchtete, wie konnte sie nicht; ihr Freund war schließlich in Lebensgefahr. Aber sie rannte nicht auf sie zu, packte sie nicht am Kragen, wie Jodie es gerne täte, oder schrie sie an, überhäufte sie mit Vorwürfen, wozu Yukiko wohl jedes Recht haben würde; sie verkniff es sich, denn so ein Verhalten, das wusste sie, war kontraproduktiv. Ran stand nur da, und sah sie an, mit diesem unergründlichen Blick, der in ihr wohl las wie in einem Buch. Dann lenkte die laute Stimme Heijis die Aufmerksamkeit aller auf sich. „Ich sagte, gib mir das Ding! Du hast kein Recht…!“, Heiji starrte Ai böse an, „rück endlich die verdammte Brille raus, kleines Biest… ich hab lange genug gewartet, ich…“ „Nein! Wir warten!“ „Bis die seine Todesanzeige aufgeben, oder was? Dass sie gerne was über ihn in die Zeitung setzen wissen wir ja.“ Heijis Tonfall klang patzig. „Er wird sich melden, wenn er Hilfe…“ „Und wenn er sich nicht melden kann?! Verdammt!“ „Das…“ „… ist durchaus möglich! Also jetzt rück sie schon raus, oder…“ „Oder was?“ Ais Stimme klang extrem unterkühlt, ihr Blick aus halb geöffneten Augen genauso kalt wie stur. „Lass sie in Ruhe. Die Brille hilft dir ohnehin nichts.“ Shuichi hielt eine ihnen allen nur allzu bekannte Brille in die Höhe. Ai warf ihm einen perplexen Blick zu. „Woher…?!“ Sie griff hektisch in ihre Jackeninnentasche, zog das gleiche Modell hervor. „Der Professor hatte noch eine.“ Ein überlegenes Grinsen huschte über Shuichis Lippen. „FBI, schon vergessen? Eine gewisse Grundintelligenz ist Einstellungskriterium.“ Er lächelte das reduzierteste Lächeln das Heiji je gesehen hatte; dann wandte er sich wieder der Brille zu. „Der Punkt blieb mitten in der Pampa stehen, an einer Stelle, an der wir auch schon gesucht haben. Der alte Kudô wusste wohl, dass du ihn verwanzt hast. Und so, wie du mich ansiehst, wusstest du wohl auch, dass er es wusste.“ Heiji schaute in der Tat einigermaßen missvergnügt drein. „Jaaa… ich ahnte es, als er mich abgehängt hat. Aber ich hatte gehofft, er vergisst das im Eifer des Gefechts.“ „Hat er nicht.“, meinte Akai trocken. „Weiß ich jetzt auch.“, erwiderte Heiji bissig. Ran hingegen schien die beiden gar nicht gehört zu haben. Sie schaute Sharon immer noch unverwandt an, trat nun näher, bis sie direkt vor ihr stand. „Wo sind sie?“ Ihre Frage hing im Raum, brachte alle auf einmal zum Verstummen. Sharon starrte sie an, unfähig, ihren blauen Augen auszuweichen, den Blick abzuwenden. In ihnen lag etwas, dem sie sich nicht entziehen konnte. Um wieder handlungsfähig werden zu können, musste sie weg von hier; weg von der Polizei, erst Recht weg vom FBI. Und vor allem weg von ihr. Sie musste sie alle außer Haus bringen, und dann… Well, I was an actress once. Let’s see, how much of her is still left… Sharon hob den Kopf, bedacht langsam, kultivierte das Zittern, dass sie schon seit Minuten schüttelte; es war durchaus echt, aber auf jeden Fall noch ausbaufähig. „Ran.“, murmelte sie dann leise. „Er will nicht, dass du in Gefahr gerätst… I told you once. “ „Das ist mir egal.“ Rans Stimme war leise, aber bestimmt. „Sie haben mir auch einen Part zugedacht, in ihrer Geschichte. Ich bin dafür da, um auf ihn aufzupassen. Ich kann das nicht, wenn ich nicht weiß, wo er ist.“ Zögernd streckte sie ihre Hand aus, berührte Sharons Finger. Die Frau sah auf, ihr klaren blauen Augen unverwandt auf Rans blasses Gesicht gerichtet. Es durfte nicht zu schnell gehen. Sonst glaubte ihr niemand ihre Geschichte. „Your part is, to sit here and wait for him. And this… I told you as well. Du erinnerst dich?” Sie seufzte, strich sich mit kalten Fingern über die Stirn. „Aber…!“ „No.“ Nun war es Heiji, der sich ebenfalls einschaltete. „Jetzt aber, hörn se mal! Ich glaube kaum, dass sie das Recht haben, seine Entscheidungen für ihn zu treffen. Nun sagense uns schon, wo dieses verdammte Hauptquartier steht!“ Heiji schnaufte ärgerlich, hatte seinen Zorn, das sah man nur allzu deutlich, nur noch mit Mühe im Griff. Jodie hatte sich gegen die Küchentheke gelehnt, bedachte Sharon, dann Yukiko mit einem musternden Blick. Sie konnte nicht sagen, ob Vermouth wieder eine ihrer Shows abzog, deshalb schätzte sie, ihre ehemalige Schauspielerkollegin wäre ein guter Indikator, falls es so war. Allerdings, das musste sie sich eingestehen, war die Frau momentan wohl beschäftigt mit ihren eigenen Problemen. Trotzdem, und das war nicht zu übersehen, bedachte Yukiko Kudô ihre ehemalige Freundin mit einem misstrauischen Blick. Langsam beugte sich die Frau nach vorn, sah Sharon Vineyard sekundenlang schweigend ins Gesicht. Die Killerin schluckte, wich ihrem Blick aber nicht aus. „Es ist genug, Sharon. Wo sind sie?“ Die Frau schüttelte den Kopf. „Weißt du, es wäre schön, wenn du es uns sagst, bevor du ohnmächtig umkippst.“ Yukiko schluckte, wusste nicht, woher sie den Biss in ihrer Stimme nahm. „Deine Ziele in allen Ehren, und den Wunsch, diese Organisation auszulöschen auch. Aber… ihr habt mir meinen Mann genommen, ich fürchte, was ihn betrifft, da… stehe ich auf verlorenem Posten. Aber meinen Sohn bekommt ihr nicht. Also sag uns nun endlich…“ Ihre Stimme war zu einem gefährlichen Flüstern gesunken. „… wo mein Sohn ist…“ Sharon sah sie an. Sie war immer blasser geworden, in den letzten Minuten, ihr Atem etwas schneller und flacher als vorher. Sie hob die Hand, sah Blut an ihren Fingern, eingetrocknet; langsam steckte sie sie wieder weg. Dann musterte sie Ran, die sie bittend ansah. Den Wettbewerb um das sorgenvollste Gesicht gewinnst du, Angel… auch wenn die Night Baroness dir steil auf den Fersen ist. Sie lächelte innerlich, aber verkniff sich ihre Gedanken. Einen Blick in die Runde konnte sie sich sparen, sie wusste, sie starrten sie alle an, warteten auf eine Antwort, ein Zeichen. Die Stimmung war zum Zerreißen gespannt, die Luft zum Schneiden dick. Wenn er jetzt kam, der Auslöser, dann würden sie laufen, ohne nachzudenken. Würden ihr keine Beachtung mehr schenken; schließlich war sie schwach, besiegt, von ihr ging keine Gefahr mehr aus – weder Fluchtgefahr noch eine andere. Und so inszenierte sie gekonnt ihre Kapitulation. Sie seufzte müde, stöhnte leise, aber schmerzerfüllt auf, als sie sich im Stuhl zurücksinken ließ, die Augen schloss und mit kaum hörbarer Stimme die Worte wisperte, auf die sie alle warteten. Man hätte eine Stecknadel fallen gehört, so still war es. Und sie genoss es. „Das Katsokara Firmengelände. Das… ist es.“ Damit schloss sie die Augen, ihr Kopf sackte leicht zur Seite. Als Ran ihr die Stirn fühlte, spürte sie kalten Schweiß unter ihren Fingern, erschauderte, ekelte sich fast ein wenig. In der Küche trat Totenstille ein. „Woher wissen wir, dass das stimmt?“, murmelte Kogorô fragend. „Tut es.“ Heiji, der in den letzten Minuten still geworden war, weil er eine SMS gelesen hatte, die ihn gerade erreicht hatte, hob sein Handy hoch. „Von Shinichi. Die gleiche Adresse.“ Mit diesem Satz leerte sie sich fast auf einen Schlag komplett, als die Leute vom FBI, Heiji, Kogorô und die Polizei das Haus verließen. Das amüsierte Lächeln, das über die Lippen der Bewusstlosen für Sekundenbruchteile huschte, bemerkte niemand. Zurück blieben nur Ran, Yukiko, Kazuha, der Professor und Ai, die ebenfalls nach draußen rannten, um den Krankenwagen zu empfangen, der ein klitzekleines Verkehrsproblem hatte. Da die Straße von Polizei und FBI zugeparkt war, kam er kaum durch, erst Recht nicht, als sie alle ohne Rücksicht auf Verluste losfuhren. Als sie endlich in die Küche traten, war niemand mehr dort. Heiji unterdessen saß zusammengequetscht mit den Agents Akai und Starling auf der Rückbank des Polizeiwagens, den Meguré wie ein Berserker durch die Straßen Tokios jagte. Neben ihm saß Black, und war wie immer die Ruhe selbst; die Tatsache, dass sein Kollege von der Tokioter Polizei sämtliche Verkehrsregeln missachtete und noch dazu viel zu schnell durch die Stadt bretterte, schien den Briten nicht im Geringsten zu interessieren. Jodie hingegen starrte einigermaßen verwundert nach draußen. „Ich wusste gar nicht, dass ihr das könnt.“ „Wer wir? Und was können?“, murrte Heiji unaufmerksam. „Na, ihr Japaner. Und eure heißgeliebten Regeln so derart zu missachten.“, meinte sie grinsend; allerdings verging es ihr schnell wieder, als der Ernst der Lage sie wieder einholte. Die Sonne war fast untergegangen und langsam gingen die Lichter in Tokio an; ein Straßenzug nach dem anderen wurde illuminiert, ein bezauberndes Schauspiel, eigentlich. Heiji hatte dafür nicht viel Sinn. Er hielt sein Handy in der Hand, dachte an Shinichi – dann an Kazuha. Eigentlich hatte er schon längst vorgehabt, mit ihr zu reden, aber die Tage waren so schnell vergangen; viel zu schnell, um einen klaren Gedanken zu fassen. Abgesehen davon war es ihm unpassend erschienen, mit ihr über… Liebe zu reden. Wo es anderen doch so schlecht ging. Nun saß er hier; er hatte nicht wirklich Angst, nicht wieder zu kommen, aber er wusste, dass er damit potentiell rechnen musste. Shinichi hatte ihnen allen das deutlich genug vorgeführt. Er öffnete das Programm für Textmitteilungen, seufzte leise. Per SMS? Wie schrecklich romantisch, Hattori. Dann zuckte er mit den Schultern. Besser als gar nicht. Mit zitternden Fingern tippte er drei Wörter ein, schickte die Nachricht ab, ohne einen weiteren Kommentar. Dann schaltete er das Handy ab, steckte es ein. Jodie, die gesehen hatte, was er tat und was er geschrieben hatte, sah ihn wortlos an. Er wandte den Kopf. „Ich bitt‘ Sie, sagense einfach nichts.“ Er seufzte, zog sein Baseballcap tiefer in die Augen, ließ sein Kinn auf die Brust sinken. „Wie lange brauchen wir bis dahin?“, fragte Akai neben ihm. Seine Stimme klang wie immer absolut sachlich und ruhig. „Etwa eine dreiviertel Stunde.“, murmelte Meguré unwirsch. Ihm war anzuhören, dass ihm diese Tatsache auch so gar nicht schmecken wollte. „Bis dahin…“, murmelte Jodie, brach ab. „Bis dahin könnte alles zu spät sein, das wissen wir, danke.“ Es war, wie er befürchtet hatte. Der Code war aktiviert worden, aber das Zimmer war leer; noch dazu zeugte eine Blutspur auf dem Boden von einem stattgefundenen Kampf. Daneben lag die Waffe, die er ihm vor einer gefühlten Ewigkeit gegeben hatte; dabei konnte es noch nicht länger als eine halbe Stunde her sein. Der Mann bückte sich, hob die Pistole auf, sicherte sie und schob sie ein. Shinichi… du hättest sie benutzen sollen… Yusaku merkte, wie es ihm eiskalt den Rücken hinablief; es fühlte sich an, als würden tausende Eiskristalle sein Rückgrat entlangriesen. Absinth, du mieses… Dann fiel sein Blick auf die Monitore. Im Konferenzraum war die versammelte Menge in Bewegung geraten; langsam wurde man wohl doch unruhig. Dann griff der erste nach der Türklinke und fand sie verschlossen. Über Yusakus Gesicht glitt ein kurzes Lächeln. Immerhin das hat geklappt. Nun nur noch Absinth finden, und… Dann fiel sein Blick auf eine der anderen Kameras; es war die, die den Platz vor dem Eingangstor zeigte. Beim letzten Check oben in seinem Büro hatte sie nur den leeren Vorplatz gezeigt. Nun stand da eine Gestalt, die ihm leider sehr bekannt vorkam. Hier bist du also. Du hast dich tatsächlich ferngehalten, hast unseren Plan wohl durchschaut. Gerade, als er gehen wollte, bemerkte er eine Bewegung im Augenwinkel, erstarrte augenblicklich. Eine zweite Person war erschienen, die eine dritte über der Schulter Arm trug. Die Personen waren zwar sehr klein abgebildet, aber diese beiden hätte er wie Absinth unter tausenden erkannt. Gin. Und seinen Sohn. Shinichi. Er machte auf dem Absatz kehrt, begann zu laufen. Und schalt sich während all der Zeit einen Narren, mit jedem Schritt, den er machte, jedem Atemzug – er hätte es wissen müssen. Er kannte Absinth. Ihm war klar, dass er in eine ausgemachte Falle lief. Zwar waren sie nur zu zweit, da er Vodka ausschalten hatte können, aber Absinth hatte seinen Sohn, und Gin war ein skrupelloser Mörder, der es kaum erwarten konnte, entweder ihn, den Boss, oder Shinichi zu töten. Das wusste er. Gin seinerseits lud seine Fracht unsanft ab. Shinichi stöhnte auf, kam aber noch nicht zu sich. Absinth nickte zufrieden. „Gut gemacht.“ Der blonde Mann schaute ihn unterkühlt an. „Wer ist es denn nun?“, fragte er scheinbar unbeteiligt; dabei war Absinth klar, dass Gin darauf brannte, die Identität des Bosses nun endlich zu erfahren, obwohl er ahnte, dass er wohl schon einen Verdacht hatte. Gin war nicht blöd. Er grinste, betrachtete dabei eingehend das Gesicht seines Gefangenen. „Sein Vater.“ Gins Gesichtsausdruck blieb starr wie eine Maske. „Tatsächlich?“ „Allerdings.“ Absinth schien fast zu platzen vor freudiger Erregung. „Yusaku Kudô höchstselbst. Ein brillanter Kopf, wie du wohl zugeben musst – hast du doch jahrelang unter ihm gedient.“ Gin äußerte sich dazu nicht, schaute Shinichi mit einem undefinierbaren Blick an, zuckte dann mit den Schultern. „Wie kam er dazu?“ „So wie sein Sohn.“, antwortete Absinth, warf einen abwartenden Blick Richtung Eingang. „Allerdings lief beim Vater die Sozialisation in unsere kleine Gemeinschaft etwas besser. Ihn hier haben wir ja leider nicht umdrehen können. Etwas, das ich wusste, aber was will man machen – wenn der Boss es anders will.“ Gin sah ihn lauernd an. „Warum habt ihr euch seinem Willen gebeugt?“, fragte er schließlich. „Eigentlich hätte er doch sterben sollen, an jenem Tag.“ Absinth bedachte ihn mit einem genervten Blick. „Nicht, dass es dich etwas angeht, aber auch wir haben Statute. Und die besagen, dass wir nur ein Vetorecht haben, sofern Entscheidungen getroffen werden, die die Organisation in ihrer Existenz bedrohen; ihn am Leben zu lassen hätte die Organisation nicht unmittelbar bedroht, daher konnten wir unser Veto nicht einlegen. Diese Statute sind uralt und bestehen seit der Gründung der Organisation – und bisher hat es gut funktioniert mit ihnen.“ Er räusperte sich, verzog das Gesicht. „Und solange wir den Jungen durch die Erpressung, seinem Mädchen was anzutun, im Griff hatten, hat auch alles wunderbar geklappt. Bis er herausfand, wer der Boss war. Anders kann ich mir die Befehlsverweigerung Armagnacs nicht erklären. Wobei ich mich frage, wie lange ihr gestanden hättet, in dieser Gasse... ob er es je über sich gebracht hätte, zu schießen. Die Situation war hochspannend, zu schade, dass sie zu keinem Ende finden durfte.“ Gin rührte sich nicht „Wie dem auch sei; das ist mittlerweile ohnehin alles kalter Kaffee.“ Nachsichtig lächelnd strich er sich übers Kinn, ließ seinen Gefangenen nicht aus den Augen. „Er hat uns ein paar amüsante Tage beschert, etwas Spannung in diesen ausgeleierten, übersättigten, träge gewordenen Betrieb gebracht. Ich denke, mit seinem Ende tut auch ein neuer Anfang dieser Organisation Not. Wie gesagt…“ Absinth schob sein Sakko auf, zog ein silbernes, flaches Etui heraus, klappte es in aller Seelenruhe auf. Wählte ein Zigarillo aus und verstaute das Etui wieder, ehe er sich den Glimmstängel unter die Nase hielt, daran genüsslich roch. Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihn sich zwischen die Lippen steckte, ein Zippo aus seiner Hosentasche holte und sich selbst Feuer gab. „Mir ist ganz Recht, wenn die Organisation heute den Bach runtergeht. Sie war viel zu unterwandert bereits, und einige von uns… schienen es mit ihrer Loyalität auch nicht mehr so ernst zu nehmen.“ Er sog hingebungsvoll an seinem Zigarillo, schloss die Augen, ließ den blauen, intensiv riechenden Rauch durch seine Nasenlöcher entweichen, langsam. Es sah aus, als würde er innerlich brennen. Gin verzog keine Miene, sah ihm unbeteiligt ins Gesicht. „Wie wollt Ihr es handhaben, wenn Ihr die Organisation neu gründet?“ Absinth nahm den Glimmstängel in eine Hand, lachte überheblich. „Als erstes werde ich das Statut wohl verbrennen. Und es wird auch kein Triumvirat mehr geben. Es geht doch nichts über die gute, alte Diktatur.“ Erst jetzt änderte sich auch an Gins Mimik ein Detail; ein bösartiges Lächeln nahm auf seinen Lippen Platz. „In der Tat, ja.“ Dann trat eine Gestalt aus der Tür, näherte sich ihnen langsam. „Sieh an. Damit wären wir dann endlich vollzählig.“ Absinth grinste, breitete die Arme aus. Agasa stand stumm an den Türstock gelehnt, schaute auf die Gruppe, die sich vor ihm befand. Ihm stand die Sorge deutlich ins Gesicht geschrieben; nichtsdestotrotz hatte er keine Ahnung, was er sagen oder tun konnte, um die Situation etwas zu verbessern. Yukiko saß auf dem Stuhl in der Küche schaute Ran nachdenklich an. Sharons Auto war weg; irgendwie hatte sie es geschafft, sie übers Ohr zu hauen und in der Aufbruchsstimmung zu entkommen. Ran schüttelte nur den Kopf, wusste nicht, ob sie die Kraft hatte, daran einen Gedanken zu verschwenden, was die Ex-Schauspielerin jetzt tun würde; sie dachte an Shinichi. Kazuha saß zusammen mit Ai auf der Küchenbank, schwieg bedrückt. Sie hielt ihr Handy in der Hand, starrte auf das Display, das keinen Mucks von sich gab. Die ganze Zeit hatte das Ding sie gewarnt, dass der Akku schwach wäre, aber Kazuha hatte das Ladegerät im Eifer des Gefechts in Osaka vergessen. Sie hatte auch nicht geahnt, dass sie so lange bleiben würde. Bis gerade eben war ihr ihr Handy auch reichlich egal gewesen. Allerdings… Vor einem Moment war eine SMS von Heiji eingegangen; aber als sie sie öffnen wollte, hatte das Ding vollends kapituliert. So’n Mist. Nachdenklich und besorgt gleichermaßen fragte sie sich, was er ihr geschrieben haben könnte, und ob es wichtig war; eigentlich drängte alles in ihr, Ran zu fragen, ob sie probieren könnten, ihre Simkarte in ihr Handy einzulegen, allerdings schien es ihr kein guter Zeitpunkt zu sein, Ran darum zu bitten. Ran knetete ihre Finger, seufzte leise. Dann sah sie auf. „Was… werden Sie jetzt machen, Frau Kudô?“ Ihre Stimme war sehr leise, aber jedes Wort war deutlich zu verstehen. Kazuha und Ai hoben ebenfalls ihren Blick, synchron; Agasa verlagerte sein Gewicht von einem Bein aufs andere. „Wie meinst du das?“ Die Frau sah müde auf. „Nunja…“ Ran schluckte, schmeckte einen bitteren Geschmack im Mund. „Jetzt, da Sie wissen, dass… Shinichis Vater…“ Yukiko seufzte, schüttelte den Kopf. „Wenn ich darauf eine Antwort hätte, Ran, wäre ich um einiges schlauer. Ich plane meine Zukunft nicht, nicht jetzt. Ich…“ Sie schüttelte den Kopf. „Gerade eben ist mir alles egal… das einzige, was ich will, ist dass sie zurückkommen, gesund. Allerdings fürchte ich, das ist ein vergeblicher Wunsch.“ Ein trauriges Lächeln malte sich auf ihre Lippen. Ihre Augen blickten trübe und glanzlos auf die Tischplatte. Dann straffte sie ihre Schultern, stand auf. „Allerdings, was diesen Moment hier betrifft, und die sehr nahe Zukunft, also… sagen wir mal die nächsten paar Stunden… würde ich sagen, wir verlagern unser Wartezimmer ins Wohnzimmer. Und ich mach uns Kaffee. Dann… sehen wir weiter.“ Agasa nickte enthusiastisch. „Und ich geh uns mal schnell ein paar Kekse holen.“ Jetzt erst bemerkten die Damen den Herrn, der bei ihnen verblieben war. Yukiko schlug sich schuldbewusst die Hand vor den Mund. „Hiroshi! Entschuldige meine Nachlässigkeit, ich…“ Er lächelte großväterlich, schüttelte den Kopf. „Schon gut, meine Liebe, schon gut. Mach du den Kaffee, ich komme gleich wieder.“ Ai rutschte von der Sitzfläche. „Wo haben Sie eigentlich noch Kekse, Professor? Hatte ich die nicht alle den Kindern mitgegeben?“ Das kleine Mädchen sah den großen Mann bierernst an. Ran kam nicht umhin zu lächeln bei dem Anblick. Der Professor war rot geworden und geriet ins Stammeln. „Nun, äh… Ai…“ „Sie wissen doch, sie müssen auf Ihre Gesundheit achten!“ Ai wusste nicht, woher sie den Nerv nahm, den alten Mann jetzt auch noch zu tadeln – sie tat es trotzdem, seufzte dann. „Ich helf Ihnen tragen. Und stelle sicher, dass wirklich nichts mehr da ist.“ Damit folgte sie ihm aus der Küche. Ran und Kazuha sahen sich an, fingen dann wortlos an, Geschirr zu holen und ins Wohnzimmer zu tragen. Im Auto der Polizei war an Kaffee und Kekse natürlich nicht zu denken. Die Insassen hatten eine ganz andere Entdeckung gemacht. Sie waren dem Weg gefolgt, den ihnen das Navigationssystem des Polizeiwagens vorgeschlagen hatte und hatten dabei einen am Straßenrand geparkten Wagen bemerkt. „Yusakus Auto.“, murmelte Meguré leise. „Sie sind hier also tatsächlich ausgestiegen.“ Heiji nickte langsam. „Um mich nicht ins Hauptquartier zu führen… und wahrscheinlich, um selber nicht mehr aufzufallen als nötig.“ Er schluckte, rieb sich den Hals, warf dann einen Blick aufs Navigationssystem. „Etwa einen Kilometer noch. Die sind ein ganz schönes Stück noch gelaufen.“ Black nickte langsam. „We’ve got no time to waste.“ Er zog seine Waffe aus seiner Sakkotasche. „Wir sind ihnen schon sehr nah…“ Der Kommissar nickte nur, gab dann Gas; Matsch spritzte zu beiden Seiten weg, der Mann fluchte ungehalten. Akai seufzte resigniert. „Es hat viel geregnet in den letzten Tagen, der Boden wird aufgeweicht sein.“ „Ach nee?“, frotzelte Heiji, fing sich dafür einen düsteren Blick ein. Dann machte der Wagen einen Satz nach vorne – um endgültig stecken zu bleiben. „Sieht so aus, als müssten wir es ihnen gleich tun, und ebenfalls laufen.“ Akai schnallte sich bereits ab. „Aber das dauert…!“ „Ein Vielfaches der Zeit, die wir mit dem Auto bräuchten. Ich weiß.“ Meguré wischte sich übers Gesicht, die Stirn; hob kurz seinen Hut, um sich über sein schütteres Haar zu streichen. „Aber es hilft nichts. Eine andere Möglichkeit haben wir nicht.“ Black nickte langsam. „Furthermore, I suppose, we’ll attract less attention as if we arrive there by car, that could be helpful. Aber Sie sollten Ihre Leute anrufen, damit die auf den befestigten Straßen bleiben und nicht diesem trügerischen Navi folgen.“ Meguré nickte grimmig und stemmte sich aus seinem Sitz. Einen reuigen Blick warf er noch auf sein Auto; dann löste er das Navigationsgerät aus einer Halterung, warf es Heiji zu. „Stells mal auf Fußgänger um. Ich kenn mich mit dieser Technik nicht aus.“, gab er unwillig zu. Kurz darauf hörte man ihn Kommandos in sein Handy brüllen. Heiji verdrehte nur die Augen, klickte sich durchs Menü des Navigationsgeräts und übernahm kurzerhand die Führung ihrer kleinen Expedition. Vor der Haustür des Professors wartete eine Überraschung auf sie. Ai stöhnte auf, unmerklich, als sie die drei Kinder auf den Stufen sitzen sah, schüttelte dann den Kopf, zuerst langsam, dann immer schneller und harscher. Agasa sah sie besorgt an. Er wusste, die Kinder kamen ungelegen und er ahnte, dass sie sie nicht loswerden würden. Egal, was sie sagte. „Ihr geht sofort wieder nach Hause!“, blaffte das Mädchen mit einer Stimme, die man ihr nicht zugetraut hätte. Ihre roten Haare schienen elektrisiert, ihre blauen Augen dunkel vor Wut und Unverständnis. Ayumi, die aufgeregt aufgesprungen war und bereits ein paar Schritte auf sie zugelaufen war, blieb mitten im Lauf stehen, wie angewurzelt, versteinert… festgefroren. Ihr gerade noch freudig erregter Gesichtsausdruck war schlagartig einer anderen Miene gewichen, einer Mischung von Unsicherheit, Sorge und Angst. Ai sah das sehr wohl, biss sich auf die Lippen, bekam fast schon ein schlechtes Gewissen. Allerdings nur fast. Sie ließ ihre kindlichen Augen über die drei Gesichter ihrer Freunde gleiten, stöhnte innerlich laut auf. Nichts im Vergleich zu dem schlechten Gewissen, das ich hätte, wenn euch etwas zustößt. Die Sache mit Kudô reicht eigentlich vollkommen… Sie atmete tief durch, während der Professor an ihr vorbeischritt, ihr das Feld überließ. Sie dankte es ihm mit einem einigermaßen verstimmten Blick; der Professor machte sich hübsch aus dem Staub und ließ die Arbeit an ihr hängen. An der Tür drehte der alte Mann noch einmal um, warf ihr einen Blick zu, bemerkte ihre wütende Miene, seufzte. Ich weiß, was du denkst. Aber du kannst das besser als ich. Auf deine Weise bist du eine der ihren; ich bin nur ein alter Mann. Ein Erwachsener, weit weg von ihrer Welt. Mich hören sie, aber sie hören mir nicht zu. Dir schon. Ai murrte, steckte ihre Hände in die Taschen ihres Trägerkleids, in dem sie wie immer entzückend aussah, schaute dann kurz auf den Boden, ehe sie ihren Blick wieder hob, um sie anzuschauen, als sie sprach. „Ich meine das ernst. Ihr geht sofort wieder nach Hause. Ich diskutiere nicht. Das…“ Sie holte Luft. „… ist nichts für Kinder. Und…“, unterbrach sie unwirsch und mit zusammengekniffenen Augen Genta, der gerade zu einer Entgegnung ansetzte, „kommt mir nicht mit dem Argument, ich wäre auch ein Kind. Das zieht nicht, das wisst ihr. Ich bin kein Kind.“ „Rein körperlich schon.“, bemerkte Mitsuhiko sachlich. „Deshalb stimmt dein Argument auch nicht ganz.“ „Hör auf mit der Haarspalterei!“ „Das tu ich nicht!“ Er funkelte sie wütend an. „Ihr seid unsere Freunde! Wir machen uns Sorgen! Hier war vor ein paar Minuten die Polizei! Und diese verletzte Frau mit den blonden Haaren, die weggefahren ist, als ob der Teufel hinter ihr her wäre! Du kannst uns nicht erzählen, dass alles in Ordnung ist! Irgendwas ist da doch faul!“ Atemlos schnappte er nach Luft, schnaubte dann frustriert. „Und überhaupt, niemand hat uns gesagt, was mit Shinichi eigentlich ist, wie’s ihm geht! Wo ist er? Hat er denn nun sein Gedächtnis schon wieder?“ „Wenn er sein Gedächtnis wiederhat, wollte er sich doch bei uns entschuldigen und mit uns Essen gehen!“ „Genta!!!“ Mistushiko schaute ihn entrüstet an. Ai seufzte, strich sich ihre Haare aus dem Gesicht, ein erfolgloses Unterfangen, wehte sie ihr doch der Wind sofort wieder in die Augen. „Ja, hat er. Und er ist weg.“ Nun war es Ayumi, die ihre Stimme wieder gefunden hatte. „Wohin… ist er denn gegangen?“ Das blonde Mädchen, das eigentlich keins war, merkte, wie sich ihr bei dem Gedanken der Magen umzudrehen schien. „Er ist gegangen, um die Organisation zu vernichten, zusammen mit seinem Vater. Und nein, ich werde euch nicht sagen, wo sie ist. Ich werde auch selbst da nicht hingehen. Ihnen kann keiner helfen, erst Recht keiner von uns. Das… muss er allein machen, diesmal.“ Sie war blass geworden, ihre Stimme hatte bitterernst geklungen. Wohlweislich hatte sie verschwiegen, wer sein Vater war; es ging sie nichts an. Wenn sie schon Probleme hatte mit dem Gedanken, dass er der Sohn dieses Mannes war, wie würde es dann für die Kinder sein? Allerdings… Sie lächelte bitter. Wahrscheinlich würdet ihr es besser wegstecken als ich. Ihr seid nicht so beladen mit Vorurteilen. Die Detectiveboys starrten sie an, wortlos. Dann erschraken sie alle fast zu Tode, als der Professor wieder herauskam, mit fünf bis sechs Schachteln Kekse unter den Armen. Ai sah sie, aber es war ihr egal. Dann wandte sie sich den Kindern wieder zu. „Nun, da ich… fürchte, dass wir euch ohnehin nicht loswerden, und wir alle sowieso zum Warten verdammt sind… kommt meinetwegen mit rüber und wartet dort. Wahrscheinlich ist es sogar besser, ich hab euch im Auge.“ Sie kniff skeptisch die Augen zusammen. „Wer weiß, was euch einfällt.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)