When nothing is like it should be von _Hikari-chan_ (Wenn nichts ist, wie es sein sollte) ================================================================================ Kapitel 1: Schicksal? --------------------- Das ist die neue Version meiner Shaman King FF. Der Link zur alten befindet sich in der Beschreibung Falls es jemand nicht weiß: otouto heißt 'kleiner Bruder' ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Keuchend taumelte der braunhaarige Junge durch den Wald, doch er musste sich schon nach wenigen Schritten an einen Baum lehnen. Wie hatte das nur passieren können? Wie hatte er von seinem kleinen Zwillingsbruder besiegt werden können? Sollte er nicht eigentlich stärker sein als er? Nein, er sollte es nicht nur, er war es eigentlich sogar auch. Ja, er war besser als Yo. Warum also? Und er war nicht nur besiegt worden, der Jüngere hatte zu allem Überfluss auch noch seinen Spirit of Fire vernichtet. Was war nur geschehen, dass sein Bruder das geschafft hatte? „Verdammt.” Wütend schlug der Braunhaarige mit der Faust gegen den Baum, bereute es jedoch sofort wieder, als eine Schmerzenswelle, ausgelöst durch die ruckartige Bewegung, ihn durchzuckte. Für einen Moment blieb ihm sprichwörtlich die Luft weg und der Junge sank röchelnd am Baum entlang zu Boden. Wie hatte es nur so weit kommen können? Im Stillen verfluchte Hao, denn so hieß der Braunhaarige, seinen jüngeren Bruder und ließ ihn in Gedanken qualvolle Tode sterben. Er zwang sich, aufzustehen, denn er musste weiter, bevor er gefunden wurde. Mit vor Schmerzen zusammengebissenen Zähnen taumelte Hao weiter. Er hatte zahlreiche Schrammen, zugefügt durch den Aufprall am Boden nach dem Kampf gegen Yo, davongetragen. Doch diese störten ihn weniger, sie schmerzten nicht einmal mehr wirklich. Viel mehr quälte ihn die Wunde, die sich quer über seinen Oberkörper entlang zog und von Yos letztem Angriff stammte. Sie blutete noch immer und das, obwohl Hao seinen Umhang auf sie drückte. Warum war er überhaupt noch am Leben? Hatte der Jüngere wieder einmal nicht ernst gemacht oder es nicht geschafft, ihn zu töten? Diese Frage stellte sich Hao, während er weitertaumelte. Es war nicht das erste Mal, dass er sich darüber Gedanken machte, seitdem er den Kampf mit Yo verloren hatte. Hao war sich ziemlich sicher, dass sein Bruder ihn mit Absicht hatte überleben lassen, das würde genau zu der verdrehten Vorstellung von eben jenem passen. Erneut durchzuckte Hao eine Schmerzenswelle und er schaffte es nur mit Mühe und indem er sich an einem Baum festhielt, auf den Beinen zu bleiben. Ein Stöhnen konnte er allerdings nicht unterdrücken. Wieder verfluchte er Yo leise. Wenn man ihn nun fand, dann würde das mit Sicherheit sein Ende bedeuten und daran war nur sein Bruder schuld. Plötzlich hörte er es im Wald hinter sich rascheln und konnte gleichzeitig die Gedanken einer anderen Person wahrnehmen. Als er erkannte, wer es war, entfuhr Hao ein erneuter Fluch. Wie konnte er es wagen, sich noch einmal bei ihm blicken zu lassen? Dachte er wirklich, er würde noch mit ihm reden wollen? Das konnte er vergessen. Hao versuchte, seine Schritte zu beschleunigen, doch das löste nur weitere Schmerzenswellen aus und schließlich musste der Junge keuchend stoppen und sich erneut an einen Baum lehnen. Beinahe wäre er noch einmal zu Boden gesunken, doch er nahm seine gesamte restliche Kraft zusammen, um stehen zu bleiben. Die Blöße, hier am Boden sitzend, blutend und erschöpft gefunden zu werden, würde er sich nicht geben. Nicht vor ihm. Nicht vor seinem Verfolger. Nein, er würde keine Schwäche zeigen, vor niemandem. Egal, wie er sich fühlte. Kurz zuvor hatte Yo die Szene, die sich ihm bot, noch schweigend betrachtet. Seine Freunde hatten sich in der Küche des Hauses versammelt und feierten den Sieg über Hao. Sogar die Geister vergnügten sich mit. Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich, schließlich hatten sie den wohl stärksten und gefährlichsten ihrer Feinde besiegt. Doch er konnte diese Freude nicht teilen, seine Gedanken waren bei seinem älteren Zwilling. Warum hatte Hao so handeln müssen? Hätte es nicht vielleicht einen Weg gegeben, ihn zu retten? Der Braunhaarige seufzte leise. Jetzt machte es keinen Sinn mehr, darüber nachzudenken; Hao war tot. Und er hatte dafür gesorgt. Das Gelächter seiner Freunde, welches den Raum erfüllte, war für Yo so unangenehm geworden, dass er nur noch weg wollte. Ohne dass er genau darüber nachdachte, stand er auf und wollte mit langsamen Schritten aus der Küche verschwinden, die für einen Moment wegen seiner Entscheidung in Schweigen getaucht war. „Wo willst du hin, Yo?” Für einen kurzen Moment zuckte der Braunhaarige zusammen, als er die Stimme seiner Verlobten hörte. „Nur etwas raus. Ich brauche frische Luft”, antwortete Yo, während er Annas Blick mied. Denn er war sich sicher, dass sie ihm ansehen würde, dass er nicht die ganze Wahrheit gesagt hatte. „Na gut, aber beeil dich.” „Ja, Anna.” Erleichtert verließ der Junge das Haus; er hatte befürchtet, dass Anna ihn nicht gehen lassen würde, doch er hatte es geschafft, er hatte das Haus verlassen können. Ohne darüber nachzudenken, ging Yo in die Richtung, in der der Wald lag. Er wollte nicht durch Dobby Village gehen und womöglich jemandem begegnen, der ihn vielleicht auch noch beglückwünschte, Hao getötet zu haben. So lief er in den Wald, in der Hoffnung, dort seine Ruhe haben zu können. Doch plötzlich hörte er ein Rascheln vor sich und jemanden durch den Wald gehen. Wer war da? Er begann schneller zu laufen, nur, um nach wenigen Metern erschrocken stehen zu bleiben, als er die Person entdeckte, die er zuvor lediglich gehört hatte. Sie stützte sich an einem Baum ab und hatte ihm den Rücken zugedreht, aber dennoch erkannte Yo sie. „H- ... Hao! Aber wie ...?” Als er die Stimme seines Zwillings hörte, drehte Hao den Kopf und sah ihn an. „Das fragst du noch? Du bist wirklich ein Idiot, Yo“, erwiderte Hao hasserfüllt, während er zusah, wie sein Bruder zögernd näher kam. Was machte er hier? Hatte Yo ihn etwa gesucht? Wollte er zu Ende bringen, was er angefangen hatte? „Wenn du mich töten willst, dann nur zu. Wie du siehst, bin ich wehrlos. Du bist doch ein Asakura, also erfülle deine Pflicht als Träger dieses Namens auch und töte mich, otouto.” Wütend sah Hao seinen Bruder an und veranlasste diesen so dazu, geschockt stehen zu bleiben. Dann bemerkte der Ältere mit Genugtuung, wie sehr er die Gedanken des Jüngeren mit diesen Worten in Aufruhr versetzte. „Das war nicht meine Absicht, Hao. Ich bin nicht deshalb hier, ich wusste nicht einmal- ... Wenn ein Asakura zu sein, bedeutet, dich töten zu müssen, komme, was wolle, dann will ich am liebsten keiner mehr sein.” Yo schüttelte den Kopf und ging erneut auf Hao zu. Dieser stieß sich vom Baum ab und ging weiter in den Wald hinein. Er bemerkte zwar, dass der Jüngere ihm folgte, aber er drehte sich nicht um. Doch dann holte Yo ihn ein und packte ihn an der Schulter. „Musst du wirklich noch fragen, warum ich noch lebe? Das solltest du doch am besten wissen, schließlich warst du es, der den Angriff nicht mit voller Überzeugung und Kraft ausgeführt hat.” Langsam drehte Hao sich zu seinem Bruder um und sah ihn wütend an. Ja, es war Yos Schuld. An allem war immer nur der Asakura schuld. „Ich habe doch gar nicht gefragt- ...”, Yo brach ab und schüttelte den Kopf, „Klar weißt du, was ich fragen wollte, du kannst schließlich die Gedanken anderer Menschen hören. Und du hast wohl recht damit, dass ich dich mit Absicht habe überleben habe lassen. Ich schaffe es wohl anscheinend einfach nicht, meinen eigenen Bruder zu töten.” Der Jüngere ließ ein verlegenes Lachen hören und veranlasste Hao so dazu, sich von ihm loszureißen. Warum konnte sein Bruder ihn nicht einfach in Ruhe lassen? Als Hao weitergehen wollte, durchzuckte ihn erneut ein schrecklicher Schmerz und er sank hustend zu Boden. Fassungslos sah er auf das Blut, das über seine Hand lief und von dort aus zu Boden tropfte. Und das Blut kam keineswegs von seiner Wunde; er hatte es in seine Hand gehustet. Warum musste er ausgerechnet jetzt zusammenbrechen? Warum hier? Warum vor Yo? Kraftlos ließ Hao seinen Umhang los, weshalb er zu Boden fiel und die Wunde an seinem Oberkörper entblößte. „Hao?! Was ist los? Diese Wunde ...” Yos Stimme klang entsetzt, als er die Wunde am Oberkörper seines Bruders bemerkte. „Ja, Yo. Das warst du. Bist du jetzt zufrieden?”, brachte Hao gerade noch so heraus, doch dann musste er erneut husten und fiel nach vorne. Innerlich fluchend, versuchte Hao, sich wieder aufzurichten, doch ihm fehlte die Kraft dazu. Und zu allem Überfluss wurde ihm jetzt auch noch schwarz vor Augen. Würde er jetzt sterben? Verdammter Yo. Das war alles nur seine Schuld. Nur seine. „Nein, ich bin nicht zufrieden, Hao. Wenn es einen anderen Weg als den Kampf gegeben hätte, dann hätte ich ihn gewählt. Ich wollte nie gegen dich kämpfen und dich töten schon gar nicht.” Die verzweifelte Stimme seines Bruders drang wie aus weiter Ferne an Haos Ohren und noch einmal bemühte er sich, den Mund aufzumachen, aus dem auch sogleich ein Schwall Blut herausfloss. „Dafür ist ... es ... jetzt zu ... spät ... Yo”, brachte er unter größter Anstrengung noch heraus, dann versank er vollkommen in der Schwärze und fühlte nichts mehr. Entsetzt sah Yo zu, wie Hao das Blut aus dem Mund quoll. War das wirklich seine Schuld? Hatte er das angerichtet? Er hatte sich gewünscht, dass er Hao mit seiner letzten Attacke nicht töten würde, aber ihm so zuzusetzen war auch nicht seine Absicht gewesen. „Hao! Antworte mir, Hao!” Yo packte den Älteren an den Schultern, doch von diesem kam keine Reaktion mehr. Ungläubig ließ der Jüngere ihn wieder los. Sollte er Hao letztendlich nur gefunden haben, um tatenlos zusehen zu müssen, wie er starb? Das konnte doch nicht sein. Das war unmöglich. Zögernd legte Yo ein Ohr an Haos Brust, aber kaum, dass er sie richtig berührt hatte, richtete er sich auch gleich darauf schon erleichtert wieder auf. Haos Herz schlug noch, das hieß, es bestand noch eine Chance für seinen Bruder. „Yo-dono! Was ist hier los?” Der Asakura sah erstaunt nach links, er hatte nicht bemerkt, dass der Samuraigeist ihm gefolgt war. „Siehst du das nicht, Amidamaru? Hao hat ... überlebt. Aber wenn ich nichts tue, dann stirbt er doch noch. Bitte mache mir keine Vorwürfe, ich habe selbst nicht gemerkt, dass ich mich im Kampf zurückgehalten habe. Dennoch wusste ich, dass ich Hao nicht töten wollte. Trotz allem ist er mein Bruder, Amidamaru”, sagte der Braunhaarige leise, während er Hao auf seine Schultern hievte, um ihn zu Faust und den anderen zu bringen. Ob das eine gute Idee war, wusste er nicht, doch ihm fiel im Moment kein anderer Ort ein, in dem er Hao unterbringen konnte. Und wenn er nicht bald Hilfe bekam oder hier liegen blieb, würde er sterben, da war sich Yo sicher. “Ich mache Euch keine Vorwürfe, Yo-dono, ich kann Euch verstehen.” “Danke, Amidamaru.” Erleichtert machte sich der Junge auf den Weg zurück zu seinem Haus. Als er Dobby Village erreichte, wurde es schwieriger für ihn, da er den Leuten ausweichen musste, doch er schaffte es, ungesehen zu seinem Haus zu kommen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ So, das war das erste Kapitel. Ich weiß, dass es länger und teilweise auch etwas anders ist als die erste Version der FF. Sagt mir doch bitte wie ihr es findet, wäre euch dankbar ^^ Kapitel 2: Brüder ----------------- Auch hier endlich ein neues Kapitel ^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Erleichtert betrat Yo das Haus. Doch dann zögerte er. Was sollte er den Anderen sagen? Wie sollte er erklären, warum er nun mit Hao zurückkam? “Yo? Bist du das? Warum kommst du nicht- ... YO!” Der Angesprochene sah zu der Blonden, die gerade eben aus der Küche getreten war, und scharrte verlegen mit einem Fuß auf dem Boden. “Ich kann das erklären, Anna”, murmelte Yo und wich Annas Blick aus. Er hörte ihre Schritte, als sie zu ihm kam, sah jedoch trotzdem nicht auf. Sicherlich würde es gleich Ärger geben, doch das war ihm egal, solange er nur Hao retten konnte. Und sollte ihm das misslingen ... nun, dann würde er sich im Falle eines Angriffs auch nicht mehr darum bemühen, zu überleben. Denn mit der Schuld am Tod seines Bruders wollte Yo auch nicht mehr leben. “Das hoffe ich für dich, Yo. Und du wirst eine gute Erklärung brauchen.” Anna ließ ein Seufzen hören. “Du bist einfach zu freundlich und gutmütig. Aber genau das mag ich an dir”, fügte sie noch leise hinzu, weshalb Yo sie erstaunt ansah. “Anna, ich-”, begann der Braunhaarige, brach jedoch ab, als Hao ein leises, schmerzerfülltes Stöhnen von sich gab und ihm erneut Blut aus dem Mund lief. Nachdem er Anna noch einen kurzen Blick zugeworfen hatte, drängte sich Yo mit seinem Bruder auf den Armen an ihr vorbei in sein Zimmer, wo er Hao auf das Bett legte. Dann drehte er sich um und sah Anna in der Tür stehen; sie war ihm gefolgt. “Wo ist Faust?”, fragte er drängend, während er Anna bittend ansah. Das Mädchen erwiderte seinen Blick ein paar Sekunden lang, ehe sie seufzend nachgab. “In der Küche.” “Danke, Anna.” Schon hatte sich Yo erneut an ihr vorbeigedrängt, bevor er in die Küche stürmte. Und wirklich, dort saßen seine Freunde und feierten immer noch. Für einen kurzen Moment zögerte Yo, weshalb er in der Küchentür stehen blieb. Wie seine Freunde wohl reagieren würden, wenn er ihnen erzählte, dass Hao noch lebte? Sein Blick fiel auf Lyserg und er schüttelte leicht den Kopf. Der Grünhaarige würde es wohl am wenigsten einfach so hinnehmen und er konnte das Risiko, dass Lyserg jetzt versuchen würde, Hao zu töten, nicht eingehen. “Faust?” Auf Yos Frage hin sah der Ältere auf. “Was gibt es, Yo?” Für einen Moment zögerte der Junge. War das wirklich eine gute Idee? Da durchzuckte das Bild des blutenden und womöglich sterbenden Haos seine Gedanken und Yo gab sich einen Ruck. “Komm bitte mit, ich brauche deine Hilfe”, bat er ohne weitere Erklärung und drehte sich ruckartig um, ohne abzuwarten, ob Faust ihm folgte. Wenige Sekunden später war er wieder bei seinem Zimmer angekommen und sah zu seinem Erstaunen, dass Anna noch dort stand. Dann fiel ihm auf, dass die Tür geschlossen war und der Schreck durchfuhr Yo. Mit einem Schritt war er bei der Tür, riss sie auf und erwartete schon fast, einen toten Hao vorzufinden, doch er lag immer noch genauso da, wie Yo ihn hingelegt hatte, und der Jüngere sah erleichtert, dass sich auch der Brustkorb seines Bruders noch leicht hob und senkte. Er lebte also noch. “Ich habe ihm nichts getan, Yo, ich habe hier nur gewartet.” Annas Stimme ließ den Asakura zusammenzucken, bevor er sich umdrehte. “Tut mir leid, Anna.” Yo ließ ein Seufzen hören, doch die Itako schüttelte den Kopf. “Yo? Was ist los? Wobei brauchst du meine Hilfe?” Erneut zuckte Yo zusammen und wandte den Blick zu Faust, der gerade eben den Gang betreten hatte. Unfähig, etwas zu sagen, trat Yo zur Seite, sodass Faust den bewusstlosen Hao sehen konnte. Er sah, wie Fausts Augen sich vor Schreck weiteten und sein Blick von Hao zu Yo wanderte. Erneut fragte sich der jüngere, ob es ein Fehler gewesen war, den Arzt um Hilfe zu bitten, doch er kannte sonst niemanden, der in der Nähe war, um Hao noch retten zu können. Geschweige denn jemanden, der ihm überhaupt helfen wollen würde. “Bitte hilf ihm, Faust. Er darf nicht sterben.” Beinahe schon flehend sah Yo Faust an, doch dieser zögerte. “Ich weiß nicht, Yo. Er ist unser Feind.” “Er ist mein Bruder. Das ist alles, was momentan wichtig ist. Er wird niemandem etwas tun.” Yo schloss für einen Moment die Augen. Es war wohl wirklich ein Fehler gewesen, Hao hier herzubringen. “Yo-”, setzte Faust an, doch der Junge schüttelte den Kopf, bevor er einen Schritt auf Faust zu machte. “Du musst ihn retten, Faust. Er. Ist. Mein. Bruder. Egal, ob er versucht hat, uns zu töten, er ist und bleibt mein Bruder, also hilf ihm, bitte”, bat Yo erneut, während er zu Faust hochsah. Dieser wiederum blickte Hilfe suchend zu Anna. Obwohl er den Blick nicht von Faust abwandte, war Yo sich ziemlich sicher, dass seine Verlobte genickt oder ein Zeichen der Zustimmung gezeigt hatte, denn Faust ließ ein Seufzen hören. “Nun gut, Yo, ich werde ihm helfen. Aber nur, weil ich weiß, dass du mir nicht verzeihen würdest, wenn ich ihn sterben ließe. Ich tue es keinesfalls für Hao, damit das klar ist.” Faust verschränkte die Arme und Yo nickte erleichtert. “Danke, Faust.” Als der Ältere in das Zimmer gehen wollte, folgte Yo ihm, lief jedoch in Faust, als dieser stehen blieb und sich zu ihm umdrehte. “Was tust du, Yo?” “Ich will mit rein.” “Nein, du wartest hier. Ich verspreche dir, ich werde ihm helfen. Anna? Kommst du?” Fausts Blick wanderte zu der Itako und diese folgte ihm mit einem Nicken. Dann schloss sie die Türe und ließ Yo draußen allein zurück. Für einen Moment überlegte er, ob er den beiden trotzdem folgen sollte, aus Angst, dass sie Hao töten könnten, doch dann beschloss er, ihnen ganz einfach zu vertrauen – schließlich waren sie ja seine Freunde – und setzte sich auf den Boden neben der Tür. Mit einem erneuten Seufzen schlang er die Arme um die Knie und legte dann seinen Kopf darauf. Dann wartete er. Er wurde von jemandem getragen. Wer war das? Dann fing er die Gedanken des Anderen auf, sie waren voller Sorge. Yo. Wer sollte sich auch sonst Sorgen um ihn machen? Dieser jämmerliche Narr. Je wacher sein Geist wurde, desto mehr nahm er wahr. Yos Stimme und eine andere. Doch er konnte die Gedanken dieser anderen Person nicht hören. Anna also. Dann die Gedanken ihrer Freunde, die wohl in der Küche saßen und feierten. Wie jämmerlich. Hao versuchte, etwas zu sagen, doch alles, was über seine Lippen kam, war ein schmerzerfülltes Stöhnen. Des Weiteren lief ihm erneut Blut aus dem Mund. Verdammt. Hatte sein Bruder es wirklich geschafft, ihn so schwer zu verletzen? Anscheinend hatte Yo sein Stöhnen gehört, das erkannte er an den Gedanken des Jüngeren und auch daran, dass er sich beinahe sofort in Bewegung setzte. Mit großer Mühe versuchte Hao, die Augen zu öffnen oder etwas zu Yo zu sagen, doch beides erfolglos. Seine Augenlider fühlten sich schwer wie Blei an und kein Ton kam über seine Lippen. Auch fühlte er, wie die Bewusstlosigkeit erneut nach ihm griff, doch er kämpfte dagegen an. Er durfte nicht wieder das Bewusstsein verlieren. Nicht hier. Er musste wach bleiben, gerade hier, in Yos Haus, wo auch dessen Freunde anwesend waren. Ja, er musste bei Bewusstsein bleiben und aufpassen. Er durfte niemandem trauen, auch Yo nicht, egal, wie verlockend es vielleicht wirken mochte. Dann spürte er, wie er abgelegt wurde. Anscheinend auf Yos Bett. Erneut musste er dagegen ankämpfen, sich nicht in die Bewusstlosigkeit fallen zu lassen. Hao hörte, wie Yo nach Faust fragte und zur Küche ging. Kaum war Yo weg, ging die Tür auch schon wieder auf, doch Hao konnte keine Gedanken wahrnehmen. War es Anna? Erneut versuchte er, die Augen zu öffnen und diesmal gelang es ihm. “Dachte ich mir doch, dass du munter bist. Ich hoffe für dich, dass das nicht alles nur ein Trick von dir ist. Denn dann wäre es das Beste für dich, wieder zu verschwinden. Wir werden dich sofort töten, wenn du irgendetwas versuchst.” Ja, das war eindeutig Anna. Hao öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er sah, dass sie schon den Raum verließ und hörte wenige Sekunden später auch, wie sie die Tür hinter sich schloss. Erschöpft machte er die Augen wieder zu. Dieser letzte Kampf hatte ihm anscheinend mehr abverlangt, als er zugeben wollte. Im nächsten Moment wurde die Tür ein erneutes Mal aufgerissen und Yo stand in der Tür. Einen Moment lang spürte Hao den Blick seines Bruders auf sich, dann wurde die Tür wieder geschlossen. Seinen Gedanken nach zufolge hatte Yo Angst gehabt, dass Anna ihm etwas getan haben könnte. Als ob diese Itako das könnte. Als draußen Stimmen laut wurden, versuchte Hao, sie auszublenden. Er musste das nicht hören, er wusste, was Yo von Faust wollte, er hatte es die ganze Zeit in den Gedanken seines Bruders lesen können. Dennoch konnte er jedes Wort auch ausgesprochen verstehen, wie er etwas genervt feststellte. Als die Tür erneut geöffnet wurde und Faust mit Anna den Raum betrat, rührte er sich nicht. Auch nicht, als er hörte, wie der Ältere zwei Sessel zum Bett schob und sich auf den einen setzte, während Anna auf dem anderen Platz nahm. Er würde nicht mit ihm reden, egal, was Faust versuchen würde. “Bist du wach?”, wollte er dann auch schon wissen, doch Hao blieb stumm. “Gerade eben war er es noch”, meinte Anna und Hao konnte das Schulterzucken beinahe schon aus ihrer Stimme heraushören. Faust seufzte. Der Braunhaarige schwieg weiterhin. “Also dann nehme ich eben einfach mal an, dass du jetzt auch noch wach bist. Zuerst einmal-” Faust wurde von einem erneuten Husten Haos unterbrochen und zum wiederholten Male spürte Hao, dass Blut in seinen Husten gemischt war. Er versuchte, den Husten zu stoppen, doch das machte ihn nur noch schlimmer. Verdammt, warum musste er ausgerechnet jetzt so eine Schwäche zeigen? Erschöpft öffnete er die Augen, als der Anfall vorbei war und sah Faust und Anna an. Doch immer noch kam kein Wort über seine Lippen. “Das wirkt nicht sehr gut.” Faust hob das Tuch hoch, das auf Haos Bauchwunde lag und der Junge konnte aus den Gedanken des Anderen heraushören, wie ernst es wirklich um ihn stand, auch wenn dieser kein Wort sagte. “Anna, könntest du bitte Wasser holen? Und ein Tuch, sowie ein Glas auch”, bat Faust und Anna verließ den Raum. Während Anna die Dinge holte, wühlte Faust in seiner Tasche und Hao beobachtete ihn dabei. Dann fand Faust die kleine Flasche, die er gesucht hatte, endlich und zog sie aus der Tasche. Als Anna mit den gewünschten Dingen zurückkam, gab er ein paar Tropfen in das Glas und schüttete dann noch etwas Wasser hinzu. Diese Mischung hielt er Hao entgegen. “Trink das.” Misstrauisch sah Hao ihn an. Wieso glaubte Faust, er würde das hier trinken, nur weil er es ihm befahl? Niemand hatte ihm etwas zu befehlen. Und schon gar nicht dieser schwächliche Schamane. “Das ist bloß ein Schlafmittel. Dein Körper braucht Erholung und damit bekommst du sie. Außerdem wirst du so tief schlafen, dass du die Behandlung nicht mitbekommst. Ich muss die Wunde säubern und nähen, damit sie sich nicht entzündet. Und ich habe nicht das Gefühl, dass du das einfach so erlauben würdest. Deshalb nimm bitte das Schlafmittel. Du kannst dich doch sowieso kaum bei Bewusstsein halten, das sehe ich. Ich habe Yo versprochen, dir zu helfen, und dieses Versprechen werde ich halten. Ich werde dir nichts tun.” Während Faust sprach, ließ Hao ihn keinen Moment aus den Augen. In seinen Gedanken konnte er hören, dass Faust die Wahrheit sprach, aber er würde ihm dennoch nicht den Gefallen tun und dieses Mittel trinken. Erst recht nicht, wenn Faust mit ihm sprach, wie man vielleicht mit einem Kind reden würde, das nichts verstand. Natürlich wusste er, dass die Wunde versorgt werden musste und er wusste wohl auch am besten, wie mühsam es war, bei Bewusstsein zu bleiben. Hao verschränkte die Arme, bereute es aber sofort, als eine Schmerzenswelle ihn durchzuckte. Er keuchte und krümmte sich zusammen, jedoch nur für einen kurzen Moment, dann lag er wieder so reglos da, wie zuvor, obwohl die Schmerzen keineswegs verschwunden waren. Doch er würde sich nicht erneut diese Blöße geben. Die beiden hier waren seine Feinde und Feinden gegenüber würde er keine Schwäche zeigen. “Hör mal zu. Du hast zwei Möglichkeiten. Entweder, ich fessle und kneble dich, damit Faust dich ohne Störungen behandeln kann - und glaub mir, das wäre nicht sehr schön für dich - oder du nimmst jetzt freiwillig das Schlafmittel. Und jetzt denk ja nicht, dass ich es nicht schaffen würde, dich zu fesseln und zu knebeln, dazu bin ich sehr wohl in der Lage. Also entscheide dich, Hao.” Die Itako sah ihn mit einem kalten Blick an und auch wenn er ihre Gedanken nicht lesen konnte, so spürte Hao deutlich, dass sie keine Scherze machte. Mit größter Mühe, aber trotzdem ohne eine Regung zu zeigen, setzte sich Hao auf und warf Faust einen kalten Blick zu, als dieser ihm helfen wollte. Dann nahm er Faust das Glas aus der Hand und trank, während ihn eine weitere Schmerzenswelle, wegen des Aufstehens, durchzuckte. Kaum hatte er das Glas vollkommen geleert, sank er wieder erschöpft in das Bett zurück. Wenige Momente darauf spürte er, wie die Müdigkeit, zusammen mit der Bewusstlosigkeit, nach ihm griff, und obwohl er es versuchte, konnte er nicht dagegen ankämpfen und ließ sich in eine Mischung aus Schlaf und Bewusstlosigkeit fallen. “Danke, Anna.” Fausts Stimme war das Letzte, was er hörte, bevor es endgültig schwarz um ihn wurde, und so wie auch schon Yo zuvor, fragte sich Hao, ob das eine gute Idee gewesen war. Doch nun konnte er es nicht mehr ändern. Als die Türe nach einiger Zeit, die Yo wie mehrere Stunden vorgekommen, aber wohl höchstens eine halbe Stunde bis Stunde gewesen war, wieder aufging, saß Yo immer noch in der gleichen Haltung wie zuvor auf dem Fußboden. Kurz nachdem sie das Zimmer betreten hatte, war Anna wieder heraus gekommen, um einige Dinge zu holen. Auf Yos Frage hatte sie nicht geantwortet, so war ihm nichts anderes übrig geblieben, als zu warten. Schnell stand Yo auf und sah Faust an. “Wie geht es ihm?” “Ich habe die Wunde versorgt. Er sollte also wieder gesund werden. Aber ob das gut ist, bleibt die nächste Frage”, fügte er dann noch murmelnd hinzu, doch das bekam Yo nicht mehr mit, er war schon an Faust vorbei ins Zimmer gestürmt und war Fausts Versuch, ihn aufzuhalten, geschickt ausgewichen. “Lass ihn, Faust. Komm dann in die Küche, Yo, ich habe den Anderen erklärt, was passiert ist, und sie warten auf eine Erklärung von dir.” Anna schloss die Tür und Yo blieb mit seinem Bruder allein zurück. Langsam ging Yo zu dem Bett, auf dem Hao lag, und setzte sich dann auf den Stuhl daneben. Ein weißer Verband leuchtete ihm von Haos Oberkörper, wo die Wunde gewesen war, entgegen. Schweigend musterte er seinen Bruder. Haos Züge wirkten seltsam entspannt, so wie Yo sie zuvor noch nicht gesehen hatte, soweit er sich erinnern konnte, und sein Atem ging ruhiger als zuvor. “Hao?” Yos Stimme war ein Flüstern und als der Andere nicht reagierte, räusperte er sich und versuchte es erneut, dieses Mal etwas lauter. Doch wieder bekam er keine Reaktion zu sehen. Da Hao tief und fest zu schlafen schien, beschloss Yo, zu warten, bis sein Bruder aufwachte. Doch das Warten sollte nicht allzu lange dauern. Schon nach kurzer Zeit zuckte Hao zusammen und seine Lider begannen zu flattern, während er sich unruhig zu bewegen begann. Dann, nach ein paar weiteren Sekunden, öffnete Hao die Augen ganz und sah sich etwas verwirrt um. “Wo ... bin ich?”, wollte er wissen und sein Blick wanderte zu Yo. Für einen Moment spiegelte sich Erkenntnis in Haos Augen und er wollte sich aufsetzten, zuckte jedoch zusammen, als der Schmerz ihn überraschte. Mit verzerrter Miene griff er sich an den Verband und als er den Stoff fühlte, wanderte sein Blick langsam zu Yo, während er wieder in das Bett zurücksank. “Jetzt fällt es mir wieder ein. Du hast mich im Wald gefunden und hergebracht. Und dieser Faust hat mir geholfen.” Haos Blick war an die Zimmerdecke gerichtet und Yo hatte das Gefühl, dass Hao seinem Blick auswich, was wahrscheinlich auch durchaus stimmte. “Wie fühlst du dich?” “Gut, es ist alles in Ordnung. Warum hast du mir geholfen?” Yo sah, wie sich Haos Hände in das Leinentuch, das auf der Matratze lag, krallten, und glaubte, ein leichtes Zittern in Haos Stimme zu hören. Doch er schob es darauf, dass Haos Wunde wohl noch schmerzte. Denn, dass Haos Worte zu seinem momentanen Zustand eine Lüge gewesen waren, dessen war sich Yo sicher, er spürte es irgendwie. “Du bist mein Bruder. Egal, was die anderen oder unsere Eltern sagen, ich will dich nicht töten. Es ist mir nicht egal, was du getan hast, im Gegenteil: Alles in mir schreit danach, dich für das, was du getan hast, zur Rechenschaft zu ziehen. Aber ich werde es nicht tun, ich kann es einfach nicht. Du bist mein Bruder und wirst es auch bleiben, egal, was gewesen ist oder kommen wird.” Der Blick des Jüngeren wanderte bei seinen Worten von seinem Bruder zu Boden, aus irgendeinem Grund konnte er Hao nicht mehr länger ansehen. Doch Hao gab keine Antwort. Nachdem er ein paar Minuten gewartet hatte, stand Yo mit einem Seufzen auf und ging zur Türe. Dort drehte er sich noch einmal um. “Keine Sorge, außer meinen Freunden weiß niemand, dass du hier bist, und ich werde es auch niemandem erzählen. Du bist hier sicher, also ruh dich etwas aus, Hao.” Mit diesen Worten verließ Yo den Raum und ging in die Küche. Dort wurde er bereits erwartet. Als er den Raum betrat, richteten sich sofort alle Blicke auf ihn. Und der Ärger ließ auch nicht lange auf sich warten. “Was sollte das, Yo? Bist du übergeschnappt? Wie kannst du nur Hao hierher bringen?” Wie immer war es Ren, der zuerst etwas sagte. Er hatte an der Wand neben der Tür gelehnt und packte Yo nun am Kragen, um ihn gegen die Wand zu drücken, während er ihn wütend ansah. Doch der Asakura blieb ruhig. “Wo hätte ich ihn denn sonst hinbringen sollen? Das hier ist der einzige Ort, an dem er sicher ist.” Ja, mit so etwas hatte Yo schon gerechnet, daher blieb er ruhig und sah Ren ernst an. “Warum hast du ihn nicht sterben lassen? Dann hätten wir ein Problem weniger.” “Das konnte ich nicht. Er ist und bleibt mein Bruder und deshalb kann ich ihn nicht töten.” Yo schüttelte den Kopf und Ren ließ wütend wieder von ihm ab, um sich auf einen Stuhl am Tisch zu setzen. “Bruder hin oder her. Er ist böse, Yo, und das kannst du nicht ändern, auch wenn du glaubst, dass du das kannst. Tu uns allen einen Gefallen, geh wieder in das Zimmer und töte ihn, Yo”, verlangte nun Horohoro aufgebracht, doch Yo schüttelte den Kopf. “Das kann ich nicht. Ren, könntest du Run töten? Oder du, Horohoro, wärst du imstande, Pilica zu ermorden? Faust, was ist mit dir? Könntest du Eliza umbringen? Jeder hat jemanden, den er nicht töten kann. Und für mich gehört Hao zu diesen Personen dazu. Er gehört zu meiner Familie, warum könnt ihr das nicht verstehen?” Immer noch blieb Yo ruhig, jedoch nur äußerlich. Innerlich war er ebenfalls wütend. Wütend auf seine Freunde, die ihn anscheinend einfach nicht verstehen wollten. “Das ist etwas anderes”, erwiderte Ren kalt. “Nein, ist es nicht. Und momentan ist er verletzt, er kann niemandem hier etwas tun.” “Und was ist, wenn er sich erholt hat? Hast du daran schon einmal gedacht? Er wird versuchen, uns umzubringen”, mischte sich nun auch Lyserg ein und löste so eine weitere Diskussion aus. Während Yo und seine Freunde stritten, wurden ihre Stimmen immer lauter, bis Hao sie auch in dem Zimmer, in dem er lag, verstehen konnte. Nicht, dass das nötig gewesen wäre. Die Wut von Yos Freunden spürte er schon seit er aufgewacht war. Er hätte Yo warnen können, was in der Küche auf ihn wartete, doch es war ihm egal, wenn Yo Ärger bekam, deshalb hatte er nichts gesagt. Doch hatte Yo wirklich von ihm erwartet, dass er hier einfach so liegen bleiben würde? Vorsichtig setzte Hao sich auf und als der Schmerz ausblieb, erhob er sich ganz von dem kleinen Bett. Nein, er würde nicht hier bleiben, dazu gab es keinen Grund für ihn. Ohne ein Geräusch zu verursachen, ging er zum Fenster, öffnete es und kletterte hinaus. Nun begann der schwierigere Teil, denn er musste den Leuten ausweichen, die bereits in Dobby Village unterwegs waren, doch irgendwie schaffte er es und erreichte unbeschadet den Waldrand. Erleichtert betrat er die Dunkelheit des Waldes, in dem Entschluss, sich hier zu verstecken, bis die Wunde völlig verheilt war. Dann würde er weiter sein Ziel verfolgen. Kapitel 3: Streit ----------------- So, hier endlich das neue Kapitel ^^ ~~~~~~~~~~ „Jetzt hört sofort auf! Yo hat Hao nun mal mitgebracht, daran können wir jetzt auch nichts mehr ändern und deshalb bringt es nichts, darüber zu streiten. Und nein, Ren, wir werden nicht hinaufgehen und ihn töten, während er schläft“, beendete Anna den Streit. “Aber ...” Der jüngste Spross der Familie Tao beging den Fehler, den Mund trotz Annas energischen Worten noch einmal aufzumachen, und fing sich daher einen gefährlichen Blick von ihr ein. “Kein aber. Widersprich mir und du putzt und kochst den Rest deines Lebens für uns. Und ja, ich bin problemlos in der Lage, dich dazu zu zwingen”, war die Antwort der Itako und Ren schloss den Mund wieder, ohne noch ein Wort zu sagen. Im nächsten Moment klopfte es an der Tür und Yo stand auf. “Ich gehe schon.” Noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, war der Braunhaarige auch schon aus der Küche verschwunden, froh, den wütenden Blicken seiner Freunde für einige Minuten zu entgehen. Doch auch an der Tür war er keineswegs davor sicher. Kaum hatte er die Türe einen Spalt weit geöffnet, wurde sie auch schon mit einem Ruck weiter aufgedrückt, so dass der Asakura nach hinten stolperte, um die Türe nicht ins Gesicht zu bekommen. “Wo ist er?” Etwas verwirrt starrte Yo zu dem Neuankömmling, als dieser ungebeten das Haus betrat und die Tür nicht gerade leise hinter sich schloss. “Wen meinst du, Silva?” “Hao.” Der Patchee sprach den Namen so verächtlich aus, wie er sich umsah, und dann machte er einen Schritt auf Yo zu. “Wo ist er?”, wollte er noch einmal wissen. “Er ist tot. Du hast doch selbst gesehen, dass ich ihn getötet habe.” Im Gegensatz zu Silva wirkte Yo ruhig. Doch das war nur Schein. Innerlich begann er, nervös zu werden. Wusste Silva wirklich, dass Hao noch lebte und hier war, oder war es bloß eine Vermutung von ihm? Yo dachte an seinen Bruder, der verletzt und wehrlos in seinem Zimmer lag. Nein, wenn Silva ihn jetzt fand, dann wäre das Haos Ende, und das konnte er nicht zulassen. “Lüg nicht, Yo. Du wurdest von einem Schamanen gesehen, als du ihn hergebracht hast. Also sag nicht, dass er nicht hier wäre.” Bei Silvas Worten war es Yo kalt den Rücken hinuntergelaufen. Wieso war er gesehen worden? Er hatte doch aufgepasst! “Er liegt zwei Zimmer weiter. Ich bringe dich zu ihm.” Nun fuhr Yo erschrocken herum. Lyserg war aus der Küche gekommen und stand nun hinter ihm. Silva sah zu Lyserg, dann zu Yo und wieder zu Lyserg zurück. Dann nickte er. Lyserg drehte sich um und wollte Silva zu seinem Zimmer führen, doch Yo packte ihn am Arm. “Wieso tust du das, Lyserg?”, fragte er, als der Grünhaarige sich losriss. “Hao muss vernichtet werden. Und wenn du es nicht tust, dann muss es wohl jemand anderes tun.” Mit diesen Worten ging Lyserg zu dem Zimmer, in dem Hao lag, und Silva drängte sich an Yo vorbei, um dem Diethel zu folgen. Yo hatte keine andere Wahl, als den beiden zu folgen. Wenn Silva schon herausgefunden hatte, dass Hao hier war, dann musste er wenigstens verhindern, dass der Patchee seinen Bruder tötete. Doch dann öffnete Silva die Tür und Yo sah, dass sein Bruder verschwunden war. Er wollte schon erleichtert aufatmen, doch dann spürte er Silvas Blick auf sich und sah, schon beinahe mit einem trotzigen Ausdruck im Gesicht, zu dem Patchee. „Ich sagte dir doch, dass er nicht hier ist. Und Hao war auch nie hier. Derjenige, der zu euch gekommen ist, muss sich getäuscht haben“, meinte Yo gelassen. Hao war in Sicherheit, zumindest vorerst. Das war alles, was zählte. Doch Silva schien das nicht glauben zu wollen. „Wenn du nicht willst, dass du und alle deine Nachfahren – die Nachfahren von euch allen – für immer vom Schamanenturnier ausgeschlossen werdet, dann holst du Hao bis zum Abend her. Und das meine ich ernst, also tu besser, was ich dir sage.“ Silva drehte sich um und verließ das Haus. Mit einem lauten Knall schlug die Türe hinter ihm zu und Yo sah ihm nach. Was sollte er jetzt tun? Und wo war Hao? „Verdammt.“ Yo schlug mit der Faust gegen die Wand. Dann bemerkte er seine Freunde, die vorsichtig aus der Küche spähten, um zu erfahren, was passiert war. Bis auf ein lautes Seufzen eher schweigend packte Yo Lysergs Arm und zog ihn in die Küche zurück. „Silva war gerade hier. Er will Hao haben. Lyserg hat ihm verraten, dass er wirklich hier ist, aber Hao ist verschwunden. Jetzt droht Silva uns und unsere Nachfahren für immer vom Schamanen Turnier auszuschließen“, erklärte Yo schnell die Lage und warf Lyserg dabei einen wütenden Blick zu, der jedoch den Kopf stur abgewandt hatte. „Wenn er herumläuft, dann wird die Wunde aufgehen und könnte sich entzünden“, gab Faust zu bedenken und Yos Blick schnellte zu ihm. Was, wenn Hao irgendwo zusammenbrach und von den Patcheen gefunden wurde? Das musste er doch irgendwie verhindern können. Es war seine Schuld, dass Hao jetzt in dieser Lage war. „Ich muss ihn suchen gehen. Und nachher werde ich eine Lösung für Silva finden“, beschloss Yo und sah seine Freunde abwartend an, ohne dass er wirklich wusste, worauf er wartete. „Ihr werdet Yo begleiten. Nur Lyserg, Manta und Horohoro bleiben hier.“ Alle Blicke wanderten bei diesen Worten ruckartig zu der Itako. Während Yo seine Verlobte nur leicht erstaunt ansah, traf das Mädchen bei den Anderen auf pure Ungläubigkeit. Doch dann nickte Ren. „Gut, wir werden Yo helfen. Kommt.“ Schon war der junge Tao bei der Tür und Yo folgte ihm etwas verwirrt. Er verstand nicht recht, warum gerade Ren so schnell seine Meinung geändert hatte. „Ren, warte. Warum hilfst du mir?“, wollte er deshalb wissen und der Andere drehte sich zu ihm um. „Weil du sonst alleine nach Hao suchst. Und es ist besser, wenn wir dabei sind, wenn er versucht, dich anzugreifen. Dann können wir dir wenigstens helfen“, kam prompt die Antwort. „Genau so ist es. Ich bin immer zu Diensten, wenn du meine Hilfe brauchst“, meldete sich nun auch Ryo zu Wort und Yo sah seine Freunde dankbar an. „Danke, Leute. Dann beeilen wir uns besser.“ Schon war Yo aus der Tür und lief dicht gefolgt von seinen Freunden in Richtung Wald, während Anna mit Manta, Lyserg und Horohoro zurückblieb. Kurz darauf hatten sie den Wald auch schon erreicht und betraten ihn. „Wollen wir uns nicht besser aufteilen?“ Fragend sah Yo seine Freunde an, doch diese schüttelten den Kopf. „Kommt nicht in Frage, Yo.“ Der Asakura gab ein Seufzen von sich, fügte sich jedoch und lief schweigend in den Wald, seine Freunde dicht auf seinen Fersen. Schon nach wenigen Metern entdeckte er eine Person am Wegrand liegen und beschleunigte seine Schritte. Erst als er erkannte, dass es wirklich Hao war, blieb er stehen und drehte sich um. „Bitte wartet hier. Ich will kurz alleine mit ihm sprechen, er wird mir nichts tun, das weiß ich“, bat der Asakura die Anderen und diese nickten, wenn aber auch nur zögernd. „Gut, aber wenn er eine falsche Bewegung macht, dann sind wir sofort bei dir.“ „Danke.“ Schon zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit bedankte Yo sich bei seinen Freunden und lief dann zu seinem Bruder. Besorgt kniete er sich neben Hao und drehte ihn auf den Rücken. Mit Schrecken stellte er fest, dass der Verband um Haos Oberkörper rot und getränkt vom Blut des Älteren war. Faust hatte also Recht behalten, die Wunde war wieder aufgegangen. „Hao? Kannst du mich hören? Bitte sag etwas!“ Yo packte seinen Bruder an den Schultern, während er auf ihn einredete, und sah ihn besorgt an. In Gedanken hoffte er, dass es noch nicht zu spät war, dass er Hao noch rechtzeitig gefunden hatte. „Yo?“ Mit sichtlicher Mühe brachte Hao die Worte heraus und der Jüngere ließ sich erleichtert zurücksinken. „Du bist ein Idiot, Hao. Warum bist du abgehauen?“ Doch anstatt eine Antwort zu geben, drehte Hao stur den Kopf weg und Yo seufzte leise. „Deine Wunde ist wieder aufgegangen. Komm bitte mit zurück, damit Faust sie versorgen kann“, versuchte Yo es noch einmal, doch erneut erfolglos. Der Jüngere zuckte mit den Schultern. „Dann reden wir eben nicht miteinander. Auch gut“, murmelte er und bemerkte dann, dass Hao die Augen geschlossen hatte. „Hao? Hey, Hao!“ Keine Reaktion. „HAO!“ Immer noch nichts. Besorgt sah Yo seinen Bruder an, dann wandte er den Kopf zu Faust und den Anderen und diese kamen sofort angelaufen. „Alles in Ordnung, Yo?“, wollte Ren wissen und der Asakura nickte. „Ja, aber ich glaube bei Hao nicht.“ Die Besorgnis in Yos Stimme war nicht zu überhören, weshalb sich Faust neben ihn kniete. Nachdem er Hao einen Moment lang angesehen und seinen Puls gefühlt hatte, schüttelte er den Kopf. „Es ist nichts, er ist nur bewusstlos“, beruhigte er Yo und hob dann Hao hoch. Yo sprang auf und sah Faust erschrocken an. „Bleib ruhig, Yo, ich trage ihn nur zurück zum Haus. Ich tu ihm nichts“, versicherte der Arzt erneut und Yo wurde etwas entspannter. Dann machte sich der kleine Trupp auf den Rückweg, während Yo immer wieder Blicke zu Hao warf. Er konnte sich jedoch selbst nicht entscheiden, weshalb diese Blicke immer wieder zwischen ärgerlich, besorgt und erleichtert wechselten. Sein Bruder wachte jedoch nicht auf, weder auf dem Weg nach Hause, noch als Faust ihn zurück in Yos Bett legte. Obwohl Yo sich dagegen sträubte, warf Faust ihn aus dem Zimmer, um Hao erneut zu behandeln. Diesmal dauerte es nicht ganz so lange wie beim letzten Mal, bis er wieder heraus kam, aber dennoch kam es Yo erneut viel zu lange vor. „Wie geht es ihm?“, wollte er dann auch sofort wissen und Faust seufzte. „Ich musste die Wunde erneut nähen. Außerdem fürchte ich, dass sie sich entzündet und Hao leichtes Fieber hat“, antwortete Faust. „Aber keine Sorge, er befindet sich nicht in Lebensgefahr, zumindest nicht, wenn die Entzündung nicht schlimmer wird oder das Fieber allzu hoch steigt“, fügte er noch schnell hinzu, als er Yos erschrockene Miene bemerkte. „Das ist alles meine Schuld“ Yo ließ den Kopf hängen. „Ist es nicht, Yo. Du hast getan, was richtig war. Wenn jemanden Schuld trifft, dann Hao wegen seines Verhaltens.“ Der Asakura schwieg. Es machte wohl keinen Sinn, dies mit Faust zu bereden, da für ihn und auch für die Anderen wohl immer Hao der Böse sein würde. „Y- … Yo?“ Als die Stimme hinter ihm ertönte, drehte sich der Asakura um und entdeckte Lyserg. „Ja?“ Sowohl seiner Miene als auch seiner Stimme war anzumerken, dass er Lyserg für den Verrat noch nicht vergeben hatte, und daran, wie der Andere den Kopf senkte, war zu sehen, dass dieser es ebenso wusste. „Es tut mir leid, Yo. Ich hätte Hao nicht verraten dürfen und ich entschuldige mich dafür.“ Nun zog Yo erstaunt die Augenbrauen in die Höhe. Warum entschuldigte sich Lyserg dafür? Das passte nicht wirklich zu ihm. Doch als Anna hinter Lyserg auftauchte, wurde Yo klar, was geschehen sein musste. Das würde auch erklären, warum Anna gewollt hatte, dass Lyserg im Haus blieb und nicht mithalf, Hao zu suchen. „Wenn du nicht willst, dann musst du dich nicht entschuldigen, nur weil Anna dich dazu zwingt, Lyserg.“ „Aber ich …“ „Ich glaube, das reicht jetzt. Yo? Wir haben eine Idee, wie wir Hao vor Silva schützen können“, stoppte Anna den Grünhaarigen, der sofort ruhig war. Erstaunt sah Yo seine Verlobte an. „Wirklich?“ Anna nickte und erklärte Yo und den Anderen leise den Plan. Wenige Momente später nickte Yo erfreut. „Das kann klappen; die Idee ist gut. Dann lasst uns gleich alles vorbereiten. Anna, holst du Silva? Oder warte … geh du, Lyserg“, bat Yo und die Anderen nickten. Lyserg zögerte einen Moment, doch dann verließ er das Haus, während die Anderen in dem Zimmer verschwanden, in dem Hao schlief. Kapitel 4: Überschäumender Hass ------------------------------- Hier endlich das nächste Kapitel ^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Silva?“ Vorsichtig betrat Lyserg den Souvenirshop, in dem er den Patchee entdeckt hatte, und zog den Kopf leicht ein. Sofort war der Ältere bei ihm und sah auf ihn herab. „Ja, was ist? Habt ihr euch doch entschlossen, Hao auszuliefern?“ Lyserg nickte. „Ja, haben wir. Bitte komm mit mir. Er ist momentan bewusstlos, du wirst also keine Probleme haben, ihn zu töten.“ Schnell drehte sich Lyserg um und verließ den Shop, dicht gefolgt von Silva, nachdem dieser Kalim den Laden übergeben hatte. Kurz darauf erreichten sie auch schon das Haus und betraten es. „Ich bin wieder da!“, rief Lyserg und wurde schon im nächsten Moment von Silva am Kragen gepackt und zu sich herumgedreht. „Warum rufst du so laut? Willst du Hao warnen?“ „Nein. Ich will Hao genauso tot sehen, wie du, immerhin hat er meine Eltern getötet, falls du das vergessen haben solltest.“ „Gut, dann lass mich vorbei.“ Silva ließ den Jüngeren los und drängte sich an ihm vorbei auf den Flur, den er entlang ging, während er immer wieder Türen aufriss, um zu sehen, ob Hao sich in einem der dahinter liegenden Zimmer verbarg. Dann blieb nur noch Yos Schlafzimmer. Silva riss die Türe auf und blieb erschrocken stehen. Alle hatten sich um das Bett versammelt, in dem Hao lag. Doch als Silva seinen Blick auf den Boden vor dem Bett richtete, weiteten sich seine Augen. Dort lag ein zweiter Hao. Einer von beiden musste also der Falsche sein. „Was soll das hier werden?“ Wütend sah Silva von Einem zum Anderen und Anna zuckte unschuldig aussehend mit den Schultern. „Ich weiß nicht, was du meinst. Hao ist verletzt und Yo war von dem Kampf erschöpft. Und da das hier Yos Zimmer ist und gleichzeitig das einzige, in dem noch ein Bett frei war, haben wir Hao eben auch hier hereingelegt.“ „Findest du das etwa lustig? Spiel hier nicht die Dumme, Anna. Welcher der beiden ist Hao und welcher ist Yo?“ Silva ging auf die Blonde zu, blieb allerdings erneut stehen, als er ihren Blick sah. Wenn Blicke töten könnten, dann wäre er wohl gerade eben gestorben. „Rühr mich ja nicht an, Silva, oder es ist das Letzte, was du tust. Ich weiß nicht mehr, welcher der beiden Yo und welcher Hao ist. Sie sehen gleich aus, was wohl an der Tatsache liegt, dass sie Zwillinge sind. Wusstest du das etwa nicht?“ „Doch, das wusste ich, aber du solltest trotzdem wissen, welcher der beiden Yo ist, er ist schließlich dein Verlobter. Also spiel nicht die Unwissende, Anna, und sag mir, welcher Hao ist.“ Die Wut in Silvas Stimme war deutlich zu hören, aber dennoch blieb er, wo er war. Anna währenddessen sah nachdenklich von Yo, der auf dem Boden lag, zu Hao und dann wieder zu Yo. Dann schüttelte sie den Kopf. „Ich weiß es wirklich nicht mehr. Entweder, du tötest einen der beiden auf gut Glück und riskierst es, den Falschen umzubringen, oder du lässt es bleiben. Du kannst natürlich auch versuchen, herauszufinden, wer von den beiden Hao ist, aber wenn er vorher aufwacht, wird das für dich sicher auch nicht so toll ausgehen.“ Silvas Augen schossen Blitze, während er in Gedanken seine Möglichkeiten durchging. Anna indessen konnte ein leicht schadenfrohes Lächeln nicht unterdrücken. „Ich denke nicht einmal daran, es sein zu lassen. Ich werde- … du kleine- … verdammt!“ Mit einem Schnauben drehte sich Silva um und verließ den Raum; einen Moment später hörte man die Haustüre knallen. Lachend setzte sich Yo auf und zog sich die Perücke vom Kopf, um sie anzusehen. „Das war genial. Ich habe Silva noch nie so wütend gesehen“, brachte er immer noch lachend hervor, doch als er zu Hao sah, wurde er augenblicklich wieder ernst. Das war knapp gewesen. Zu knapp für seinen Geschmack. „Wo hattest du das Ding eigentlich her, Chocolove?“ Yo richtete den Blick auf seinen Freund und dieser zuckte mit den Schultern. Dann fing er die Perücke auf, die Yo ihm zuwarf. „Ich wollte sie für einen meiner Witze verwenden. Aber das geht jetzt wohl nicht mehr, da ihr sie schon kennt“, erwiderte dieser schmollend und erntete dafür fassungslose Blicke von seinen Freunden. „Du hast nur Glück, dass der da gerade bewusstlos ist“, murmelte Lyserg und deutete auf Hao, doch Chocolove zuckte nur noch einmal mit den Schultern. Dann stöhnte Hao leise auf und sofort ruhten alle Blicke auf ihm, die meisten wütend oder hasserfüllt. Nur Yos Blick war besorgt, als er seinen Bruder ansah. „Ich denke, wir sollten zurück in die Küche gehen, sonst wecken wir Hao noch auf“, schlug Faust vor und alle nickten. Es war klar, dass niemand wollte, dass Hao allzu bald aufwachte, und wenn sie nicht mit Yo befreundet wären, dann würde Hao wohl überhaupt nicht mehr am Leben sein. Schweigend blieb Yo sitzen, als seine Freunde aufstanden und zur Tür gingen, sein Blick war weiterhin auf seinen Bruder gerichtet. „Kommst du, Yo?“ Auf die Frage seiner Verlobten hin schüttelte Yo den Kopf. „Ich bleibe hier. Zumindest, bis er aufwacht.“ „Gut, sei aber bitte vorsichtig, Yo. Versprich es mir.“ „Sicher, ich verspreche es, Anna.“ Yo drehte den Kopf und lächelte für einen Moment, was von Anna mit einem Nicken quittiert wurde. Dann waren Hao und Yo allein und Yo seufzte erleichtert auf. Auch wenn er nicht die gleichen Fähigkeiten wie Hao besaß und somit auch keine Gedanken lesen konnte, so hatte er durchaus die Anspannung im Raum fühlen können und auch den Hass, den vor allem Lyserg Hao entgegenbrachte, doch er hatte nichts daran ändern können. Yo war ebenfalls bewusst, dass das sicher nicht Silvas letzter Besuch gewesen sein würde, was ein weiterer Grund dafür war, weshalb er bei Hao bleiben wollte. Als Faust ihm wenig später etwas zu essen brachte, rührte sich Yo nicht. Erst als Faust sich über Hao beugte und ihm seine Hand auf die Stirn legte, zuckte Yo zusammen und sah Faust an. „Was tust du da?“, verlangte er zu wissen, während er Faust immer noch misstrauisch nicht aus den Augen ließ. „Ich überprüfe nur, ob sein Fieber gesunken ist. Mach dir keine Sorgen, Yo. Ich hab dir doch versprochen, ihm zu helfen, und dieses Versprechen werde ich auch halten. Warte einen Moment“, bat Faust, bevor er aufstand und das Zimmer verließ. Kurz darauf kehrte er wieder zurück, in den Händen hielt er eine mit Wasser gefüllte Schüssel, über deren Rand ein weißes Tuch hing. Schweigend sah Yo zu, wie Faust das Tuch ins Wasser tauchte und auf Haos Stirn legte. „Das sollte gegen das Fieber helfen, solange er bewusstlos ist. Und wenn er aufwacht, bring ihn nach Möglichkeit dazu, eine davon zu schlucken.“ Faust drückte Yo eine Tablettenschachtel in die Hand, die der Junge scharf musterte. „Das ist ein zusätzliches Medikament gegen das Fieber. Ich denke, er wird es eher nehmen, wenn es von dir stammt, als von einem von uns anderen“, fügte Faust hinzu, als er Yos Blick bemerkte, und der jüngere Asakura nickte. „Danke, Faust.“ Yo legte die Tabletten neben die Schüssel und Faust verließ den Raum wieder. Sobald Faust gegangen war, veränderte sich Yos Gesichtsausdruck, denn nun musterte er seinen Bruder niedergeschlagen. Es war seine Schuld, dass es Hao jetzt so schlecht ging; wenn er nicht gegen ihn gekämpft hätte, dann wäre sein Bruder jetzt wohl nicht so verletzt. Plötzlich zuckte Hao zusammen, riss die Augen auf und traf genau auf Yos Blick. Dieser brauchte einen Moment, bis er realisiert hatte, dass Hao wach war, und sah seinen Bruder erleichtert an. „Hao? Wie geht es dir?“, fragte er, doch Hao hatte die Augen bereits wortlos wieder geschlossen. Leise seufzte Yo. Erschrocken zuckte Yo zusammen und sah sich um. Er war eingeschlafen, ohne es zu merken, und inzwischen war es mitten in der Nacht. Doch warum war er gerade jetzt aufgewacht? Hatte er etwas gehört oder … „Nein … bitte … nicht …“ Ruckartig drehte Yo seinen Kopf, um Hao anzusehen, als dieser sprach, und jetzt wusste er auch wieder, was ihn aufgeweckt hatte: Hao hatte so wie gerade eben im Traum gesprochen. „Hao?“ Besorgt nahm Yo das Tuch von Haos Stirn und merkte dabei, dass Hao richtig zu glühen schien. War das Fieber so stark angestiegen? Yo stand auf, um das Tuch erneut in die Schüssel mit dem Wasser zu tauchen, und bei dieser Bewegung fiel eine Decke von seinen Schultern. War Anna etwa hier gewesen und hatte sie ihm umgelegt? Das würde wohl noch am ehesten erklären, wo die Decke herkam. Als das Tuch wieder feucht und kühl genug war, ging Yo zurück zum Bett, um es erneut auf Haos Stirn zu legen, während sein Bruder sich unruhig hin und her wälzte und seine Augen sich unter den Lidern bewegten. Träumte er schlecht? Das würde auch erklären, warum er im Schlaf gesprochen hatte. Als er das Tuch auf Haos Stirn legte, berührte Yo ihn für einen Moment und Hao wurde augenblicklich ruhiger und hörte auf, sich herumzuwälzen. Verwirrt sah Yo ihn an. Lag das an seiner Berührung gerade eben oder war der Traum einfach vorbei? Yo zuckte mit den Schultern. Er wusste es nicht, aber vielleicht würde er Hao am nächsten Morgen danach fragen, wenn er daran dachte. Yo beobachtete seinen Bruder noch einige Minuten, um sicherzugehen, dass dieser auch wirklich wieder ruhig schlief, dann legte er seinen Kopf neben Haos auf das Bett und schon nach wenigen Minuten schlief auch Yo wieder tief und fest. Am nächsten Morgen blinzelte Yo verschlafen und blickte dann direkt in die Augen seines Bruders. „Hao! Du bist wach! Wie fühlst du dich?“ Yos Freude war nicht zu überhören, doch Hao drehte den Kopf nur gleichgültig so, dass er zur Decke sah. „Besser. Warst du die ganze Nacht hier?“ Die Stimme des Älteren war kaum mehr, als ein Flüstern, und Yo nickte. Da fiel ihm ein, worum Faust ihn am letzten Abend gebeten hatte. „Faust hat gesagt, du sollst die hier nehmen, wenn du wach bist. Die helfen gegen das Fieber. Bitte nimm sie, Hao.“ Während er sprach, hatte Yo schon nach den Tabletten gegriffen und eine aus der Schachtel genommen, um sie Hao hinzuhalten. Dieser sah erst die Tablette und dann Yo misstrauisch an. Einen Moment später nickte er allerdings, nahm die Tablette und schluckte sie wortlos hinunter. „Danke, Hao.“ Yo richtete sich auf und beugte sich nach vorne, um das Tuch auf Haos Stirn noch einmal abzunehmen und erneut kühlen, bevor er es anschließend vorsichtig wieder auf der Stirn seines Bruders platzierte. Dabei berührte er den Älteren ein weiteres Mal leicht und dieser schloss die Augen, während er tief ein- und ausatmete. Erschrocken zog Yo die Hand zurück, aus Angst, Hao in irgendeiner Weise wehgetan zu haben. „Du hast mir keine Schmerzen bereitet, Yo. Im Gegenteil. Wenn du mich berührst, dann … habe ich das Gefühl, dass es mir dadurch besser geht. Als ob du mir etwas von deiner Kraft abgibst.“ Yo sah Hao verwirrt an und dieser drehte den Kopf erneut zu seinem Bruder. „Ich weiß nicht, warum, aber es ist so, Yo“, antwortete Hao erneut auf Yos Gedanken, bevor dieser sie überhaupt aussprechen konnte, und der Jüngere schüttelte den Kopf. „Mir ist auch egal, warum. Und nachdem du wieder mal meine Gedanken gelesen hast, solltest du das wissen, Hao.“ Ein schwaches Lächeln zeigte sich auf Yos Gesicht und nachdem er einen Moment gezögert hatte, griff er dann doch nach Haos Hand. Wenn es wirklich stimmte und er Hao so helfen konnte, dann würde er das tun. Es war seine Schuld, dass es Hao nun so schlecht ging, also wollte er ihm helfen, und das, so gut er konnte. Doch Hao entzog ihm seine Hand. „Lass das, Yo. Ich brauche deine Hilfe nicht, ich komme auch gut alleine zurecht. Das bin ich bis jetzt immer.“ Yo zog seine Hand wieder zurück und schwieg eine Weile. Er sah auf den Boden, während Hao an die Decke starrte. „Silva war gestern hier“, murmelte Yo dann nach einer Weile, da er das Gefühl hatte, dass Hao es besser erfahren sollte. Sofort sah sein Bruder ihn erschrocken an. „Was- … was wollte er? Woher wusste er …?“, wollte er wissen, während seine Augen Yos fixierten. „Er hat gesehen, wie ich dich hergetragen habe, und …“ Yo schloss für einen Moment die Augen, um Haos Blick zu entgehen. „Und Lyserg hat mich verraten“, sprach Hao Yos Gedanken aus und der Jüngere nickte. „Bitte, Hao, du darfst ihm nicht böse sein. Er-“ „Keine Sorge, Yo, das bin ich nicht. Ich habe nichts Anderes von ihm erwartet. Schließlich hasst er mich. Und es ist ja auch nicht gerade so, als ob ich es nicht gewöhnt bin, verraten zu werden.“ Auch wenn es von Hao wahrscheinlich nicht beabsichtigt war, so konnte Yo durchaus den Schmerz in dessen Stimme hören, und es war kein Schmerz, verursacht durch die Wunde, sondern eher durch den erneuten Verrat. „Hao …“ „Vergiss es einfach. Ich brauche dein Mitleid nicht, Yo, das habe ich nie gebraucht und werde ich auch nie brauchen. Erzähl mir lieber, warum ich noch lebe. Wie seid ihr Silva losgeworden?“ Haos Stimme klang kalt und Yo fragte sich, ob er sich das gerade eben vielleicht doch eingebildet hatte. „Wir haben Silva mit einem Trick hereingelegt, durch eine Perücke.“ Hao quittierte Yos Worte mit einem Nicken und Yo sah seinen Bruder einen Moment lang schweigend an. „Bist du wütend, Hao? Hasst du mich? Ich würde es verstehen.“ Yo hatte die Frage gestellt, bevor er genauer darüber nachgedacht hatte, und jetzt wurde ihm bewusst, dass er Angst vor der Antwort hatte. Er wollte nicht, dass Hao ihn hasste, doch im nächsten Moment wurde ihm klar, dass Hao seine Gedanken wahrscheinlich sowieso gelesen hatte. „Du kannst ehrlich antworten, Hao, ich werde nicht sauer auf dich sein“, fügte er noch schnell hinzu und Hao zuckte leicht mit den Schultern, woraufhin er schmerzerfüllt das Gesicht verzog. „Nein, ich hasse dich nicht. Auch wenn ich am liebsten sagen würde, dass ich es tue. Doch du bist- …“ Hao brach ab und schwieg einen Moment. „Eigentlich sollte ich dir dankbar sein. Als erstes hast du mich nicht getötet, so wie die Asakura vor dir, und dann schützt du mich auch noch vor deinen Freunden und Silva. Aber dennoch kann ich dir nicht dankbar sein“, beendete Hao dann seinen Satz und sah Yo gequält an, woraufhin dem Jüngeren klar wurde, dass Hao seine Worte wirklich so meinte, wie er sie sagte. Er wollte gerade noch etwas antworten, doch in dem Moment ging die Tür auf und Yo fuhr herum. Lyserg stand plötzlich im Zimmer und hatte seinen Blick stur auf den Boden gerichtet. „Anna schickt mich. Es gibt Frühstück und sie sagte, ich soll dich holen.“ Yo nickte und stand auf. „Ich komme nach dem Frühstück wieder, Hao, und bring dir auch etwas zu essen mit“, versprach Yo seinem Bruder und sah ihn an. Verwirrt stellte er dann allerdings fest, dass dieser die Augen schon wieder geschlossen hatte, doch dann zuckte er mit den Schultern und verließ den Raum, um in die Küche zu gehen. Schweigend ging Lyserg neben ihm her. Zu Yos Erstaunen wartete Mikihisa in der Küche auf ihn. Yo blieb im Türrahmen stehen und sah ihn einen Moment lang an, dann betrat er die Küche ganz und setzte sich an den Tisch. „Was willst du hier?“, wollte Yo von seinem Vater wissen, kaum, dass er saß. „Silva hat mir erzählt, dass Hao noch hier ist und dass du ihn nicht besiegt hast. Er hat mich gebeten, mich darum zu kümmern.“ Mikihisas Stimme klang völlig ruhig und Wut durchzuckte Yos Gesichtszüge. „Also bist du auch hier, um ihn zu töten? Warum könnt ihr ihn nicht einfach in Ruhe lassen?“ Yo sah seinen Vater wütend an, doch dieser verschränkte nur gleichgültig die Arme. „Weil er eine Gefahr für uns alle ist, Yo, das musst du doch verstehen. Und als Asakura ist es nun mal unsere Aufgabe, ihn alle fünfhundert Jahre wieder zu töten, bis wir einen Weg gefunden haben, zu verhindern, dass er erneut ins Leben zurückkehrt.“ „Wenn das so ist, kann ich dir nur das gleiche sagen, wie das, was ich schon zu Hao gesagt habe: Ich will kein Asakura mehr sein, wenn es in dieser Familie nur darum geht, Hao zu töten. Das ist nicht fair. Das ist einfach nicht fair!“ Wütend sprang Yo auf und sah seinen Vater an. „Setz dich wieder, Yo. Denk doch einmal daran, was Hao allein in diesem Leben schon für Unheil angerichtet und was er vor allem unserer Familie angetan hat.“ Doch Yo setzte sich nicht. Stattdessen starrte er seinen Vater wütend an. „Ihr seid doch selbst schuld an den Dingen, die er getan hat. Schließlich habt ihr begonnen, indem ihr versucht habt, ihn direkt nach seiner Geburt, als er noch ein Säugling war, zu töten. Habt ihr auch nur versucht, ihn zu verstehen? Oder versucht, ihn noch einmal in die Familie zu integrieren? Nein, denn für euch zählen ja nur die Fehler, die er einmal gemacht hat. Jeder macht Fehler, das ist menschlich. Er ist mein Bruder und ich werde ihm nichts antun. Und aus genau demselben Grund, werde ich auch verhindern, dass irgendjemand sonst ihm etwas tut. Ich werde ihn beschützen.“ „Yo …“, begann sein Vater, doch Yo schnitt ihm mit einer Geste das Wort ab. „Nein, ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich will nichts mehr davon hören.“ Immer noch wütend sah Yo seinen Vater an, bis dieser seufzte. „Schon gut, Yo, ich habe verstanden. Für den Moment werde ich ihm nichts tun, also setz dich wieder und frühstücke mit uns.“ Für einen Moment zögerte Yo, doch dann kam er der Bitte nach und setzte sich wirklich wieder, behielt seinen Vater jedoch im Blick. „Anna? Ich habe eine Frage, vielleicht weißt du ja die Antwort darauf. Und zwar scheint Hao aus einer Berührung von mir Kraft zu schöpfen. Weißt du den Grund dafür?“ Fragend sah Yo nun zu seiner Verlobten, die ihrerseits mit den Schultern zuckte. „Ich denke mal, das geschieht, weil ihr Zwillinge seid. Ihr seid miteinander verbunden. Und wenn es dem Einen schlecht geht, kann ihm der Andere mit einer Berührung Kraft geben“, antwortete Mikihisa an Stelle von Anna und Yo drehte sich ruckartig zu ihm um. „Ich habe Anna gefragt.“ „Und ich habe für Anna geantwortet, als sie es nicht wusste. Du bist immer noch mein Sohn, also kannst du ruhig auch mich fragen. Yo-“ Plötzlich hallte ein lautes Klirren durch das Haus, gefolgt von einem Schrei. Erschrocken weiteten sich Yos Augen. „Das war Hao. Irgendetwas muss passiert sein.“ Schon im nächsten Moment war Yo aus der Küche und zu dem Zimmer gelaufen, in dem Hao lag. Obwohl er merkte, dass seine Freunde ihm folgten, reagierte er nicht darauf und riss die Tür zu seinem Zimmer auf. Entsetzt beobachtete er die Szene, die sich ihm bot. Hao saß mit dem Rücken zur Wand an einer Seite des Zimmers und vor ihm stand Silva. Vor dem Fenster lagen Glassplitter und das Fenster selbst war zerbrochen, was wohl das Klirren erklärte. „Silva!“ Wütend rief Yo den Namen des Patchee. Ihm war klar gewesen, dass Silva wiederkommen würde, aber er hatte gehofft, dass es nicht so schnell geschehen würde. Und vor allem, dass Silva Hao nicht erwischen würde, wenn dieser allein war. Der Angesprochene sah den jüngeren Asakura an und Yo konnte den Hass und die Wut in Silvas Augen sehen. „Was tust du hier, Silva? Das hier ist eine Angelegenheit der Asakura, nicht der Patcheen.“ Mikihisa hatte hinter Yo den Raum betreten und sah Silva an. „Anscheinend seid ihr aber nicht in der Lage dazu, ihn zu töten. Deshalb werde ich das jetzt erledigen.“ Silva wandte den Blick von den beiden ab, um erneut Hao anzusehen, ehe er auf ihn zuging. „NEIN! Das darfst du nicht tun!“ Yo spürte noch, wie Mikihisa versuchte, ihn festzuhalten, doch er wich dessen Hand aus und lief zu Hao, ehe Silva ihn erreichen konnte. Schon im nächsten Moment stand Yo mit ausgebreiteten Armen und ernstem Gesicht vor seinem Bruder, bereit, ihn mit seinem Leben zu schützen, falls dies nötig werden sollte. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass Silva Hao nun tötete. „Geh aus dem Weg, Yo. Du wirst mich sowieso nicht aufhalten können. Nicht noch einmal. Er muss sterben.“ Die Wut in Silvas Stimme war nicht zu überhören. Stur schüttelte Yo den Kopf und mit jeder Sekunde, die verging, wuchs sein Entschluss, Hao zu beschützen. „Yo, geh aus dem Weg. Ich will dich nicht verletzen müssen. Ich will nur Hao, sonst nichts“, wiederholte Silva, doch Yo rührte sich nicht vom Fleck. „Bitte tu, was er sagt, Yo. Das ist es nicht wert.“ Yo zuckte zusammen und sah für einen Moment zu seiner Verlobten. „Doch, das ist es, Anna.“ „Nein, Yo, Anna hat Recht. Du musst das nicht für mich tun. Ich brauche deine Hilfe nicht. Gegen Silva komme ich auch allein an.“ Der Jüngere fuhr herum und sah seinen Zwilling scharf an, als dieser sprach und keuchend aufstand. Erschrocken merkte Yo, dass Hao schwankte, und machte einen Schritt auf ihn zu, als Hao umzukippen drohte, doch Hao schlug Yos Hand weg und schüttelte wütend den Kopf, woraufhin er das Gesicht für einen Moment verzog. Dennoch hatte Yo seinen Bruder für einen Moment berührt und so bemerkt, dass Haos Fieber keineswegs gesunken war und auch die Wunde ihm noch zu schaffen machen schien. „Nimm doch bitte ein Mal meine Hilfe an, Hao. Nur ein Mal.“ „Das habe ich bereits. Und ein Mal ist mehr, als genug. Ich brauche niemanden. Das habe ich noch nie und das wird sich auch nicht ändern.“ Hao stieß sich von der Wand ab und Yo versuchte, ihn davon abzuhalten, zu Silva zu gehen, woraufhin er einen Schlag in den Magen von Hao bekam. Eines musste er Hao wirklich lassen, auch wenn er verletzt war, so wusste er, was er wollte, und nahm keine Hilfe an. Aber etwas Anderes hatte er nicht wirklich erwartet, das hätte wohl nicht zu Hao gepasst. Starr vor Entsetzen sah Yo zu, wie sein Bruder auf Silva zuging und wie dieser unwillkürlich einen Schritt zurückging. „Was ist los, Silva? Wolltest du mich nicht töten? Los, tu es. Aber vergiss nicht, in fünfhundert Jahren werde ich zurückkommen, und du, oder eher deine Nachfahren, werden bereuen, dass du mich getötet hast.“ Haos Stimme klang kalt und gefühllos und Yo bewunderte Hao unwillkürlich dafür, dass er in solch einer Situation ruhig bleiben konnte. Er selbst konnte es ja eindeutig nicht. Für einen Moment drehte Hao den Kopf, um Yo anzusehen, und in diesem Augenblick wurde Yo klar, dass Hao jeden seiner Gedanken lesen konnte. Entschuldigend zuckte er mit den Schultern, doch dann weiteten sich seine Augen erschrocken, als er sah, was Silva hinter Hao tat. Während er aufsprang, um seinen Bruder mit sich zu Boden zu reißen, hatte Silva seinen Totem, Pole Hou, den er in dem Moment, als Hao abgelenkt zu sein schien, gestartet hatte, auf Hao gerichtet und abgefeuert. Zusammen wurden die Zwillinge gegen die Wand geschleudert und erneut klirrte Glas, als der Totemic Soul Blast, der Angriff des Totem Pole Hou, das Fenster über ihnen zerbrach. Als Yo sich aufrichtete, durchzuckte ihn ein Schmerz an seinem Arm, und als er hinsah, entdeckte er Blut, das daran hinunterlief. Anscheinend hatte er Glück im Unglück gehabt, denn der Totemic Soul Blast hatte ihn nur gestreift. Außer einer Schramme konnte er keine Wunde an seinem Arm entdecken. „Was sollte das, Silva? Du hast Yo getroffen!“ „Das war nicht meine Absicht, Mikihisa. Doch wenn Yo sich in den Weg wirft, dann lässt sich das nun mal nicht ändern, dann ist er selbst schuld, wenn er verletzt wird.“ „Yo! Bist du verletzt?“ Der Angesprochene drehte den Kopf und sah seine Verlobte zu ihm laufen. Seinen Vater sah er nicht an. Jetzt spielte er den Besorgten und das nur, weil er getroffen worden war. Er hatte ihm noch nicht verziehen, dass Hao ihm egal zu sein schien. „Alles in Ordnung, Yo-dono?“ Amidamaru tauchte ebenfalls neben Yo auf und der Junge nickte. „Ja, nur eine kleine Schramme. Mir geht es gut.“ Obwohl die Lage so ernst war, brachte Yo ein Lächeln zu Stande, um die beiden zu beruhigen, sah dann aber erschrocken zu Hao, als dieser ein leises Stöhnen von sich gab. „Hao!?“ Alarmiert entdeckte Yo die Blutspur, die sich über Haos Gesicht zog. Hatte Silva ihn erwischt? Er hatte doch versucht, ihn zu schützen. Zu seiner Erleichterung sah Hao ihn an und setzte sich auf. „Ich habe nichts abbekommen, Yo. Und ich habe dir gesagt, dass ich deine Hilfe nicht brauche. Ich komme auch gut alleine zurecht.“ Erneut lächelte Yo nur als Erwiderung auf Haos Worte; es ging ihm wohl wirklich gut. Als Hao aufstand, erhob sich Yo ebenfalls wieder und sah zu Silva. Dieser hatte Haos Rettung durch Yo beobachtet und auf seinem Gesicht zeichnete sich noch mehr Wut ab, als zuvor schon. Noch bevor jemand von den Anwesenden reagieren konnte, hatte Silva schon einen zweiten Totemic Soul Blast aus seinem Totem Pole Hou abgefeuert und sowohl Hao als auch Yo und seine Freunde erwischt. Diesmal gab nicht nur ein weiteres Fenster, sondern gleich die ganze Wand nach, und die Freunde wurden mit Hao und Mikihisa nach draußen, auf den hinteren Hof des Hauses, geschleudert, wo sie bewusstlos liegen blieben. Niemand von ihnen bekam mit, wie Silva zu dem Loch in der Wand ging, von dort aus auf den Hof sprang und vor Hao stehen blieb. Angewidert und voller Hass sah Silva auf den Jüngeren herab. „Verräter.“ Kapitel 5: Gefangen ------------------- „Was-… Was ist passiert?“ Verwirrt setzte sich Yo auf und sah sich um. Als er seine bewusstlosen Freunde und seinen Vater bemerkte, fiel ihm jedoch alles wieder ein. Erschrocken suchte er nach Hao, doch dieser war verschwunden. Genau wie Silva. „Leute. Wacht auf!“ Yo lief von Einem zum Anderen, bis alle wieder bei Bewusstsein waren. Bis auf einen kleinen Schnitt in Annas Gesicht und die Schramme an Yos Arm war niemandem etwas passiert. „Hao ist verschwunden, wir müssen ihn suchen. Wahrscheinlich hat Silva ihn mitgenommen.“ Abwartend sah Yo seine Freunde an, doch diese sahen zu Boden oder wichen seinem Blick auf andere Art aus. „Lass ihn einfach, Yo. Er ist es nicht wert. Soll er doch sterben.“ Lyserg war der Einzige, der etwas sagte, als Yo ihn ansah. „Rede nicht so über ihn! Ich muss zumindest wissen, ob er noch lebt, und ihm helfen, falls es so ist. Die Patcheen dürfen ihn nicht töten.“ Yo wollte in den Wald laufen, doch jemand hielt ihn zurück. Als Yo den Kopf drehte, sah er seinen Vater, der den Kopf schüttelte. „Bleib hier, Yo. Ich verstehe dich, aber wenn Hao wirklich bei den Patcheen sein sollte, kannst auch du ihm jetzt nicht mehr helfen. Und es besteht immer noch die Hoffnung, dass er noch lebt. Wenn Silva ihn getötet hätte, dann hätte er ihn wahrscheinlich einfach hier liegen lassen. Aber Hao ist verschwunden. Also hat er ihn vielleicht mitgenommen, um mit dem Rat einen Weg zu suchen, wie sie verhindern können, dass Hao in fünfhundert Jahren wiedergeboren wird.“ Verwirrt sah Yo seinen Vater an, dann sah er erneut zum Wald. „Wenn das wirklich so sein sollte, dann müssen wir ihn befreien, solange er noch lebt.“ Erneut wollte Yo loslaufen, doch Mikihisa hielt ihn ein weiteres Mal fest. „Denk doch mal nach, Yo. Du würdest nicht einmal in seine Nähe kommen, wenn dein Vater recht hat, mit dem, was er sagt.“ „Aber, Ren …“ „Bitte lass uns erst einmal abwarten, Yo“, bat nun auch Manta. Der Asakura sah seine Freunde lange an, dann nickte er und folgte ihnen schweigend zurück ins Haus. „Wo- … Wo bin ich? Was ist passiert?“ Verwirrt setzte sich Hao auf, während er, ohne es zu wissen, die gleiche Frage stellte, wie wenige Momente zuvor schon sein Bruder. Als er sich mit dem Rücken an die Wand lehnte und sich umsehen wollte, bemerkte er, dass er alles nur verschwommen sah. Irritiert rieb er sich die Augen, woraufhin seine Sicht wieder klarer wurde. Gleichzeitig fühlte er jedoch auch etwas Klebriges an einer Seite seines Gesichtes und fuhr mit den Fingern darüber. Als er sie daraufhin ansah, bemerkte er erschrocken, dass Blut an ihnen klebte. Blut? Irritiert sah er es an und fragte sich dabei, wo es herkam. War es seines oder Yos? Noch einmal griff sich Hao an den Kopf und zuckte zusammen, als er eine Platzwunde an der Schläfe berührte. Nun wusste er, dass es eindeutig sein Blut war. In dem Moment, in dem er die Wunde berührte, wurde er sich dann auch der Kopfschmerzen bewusst, die er hatte. Ein leises Stöhnen entfloh seinen Lippen und Hao schloss die Augen. Verdammt, warum hatte er zugelassen, dass Silva ihn entführte? Warum hatte er ihn nicht schon längst getötet? Lag es daran, dass der Patchee ein Nachfahre von ihm war? Oder daran, was er in Silvas Gedanken gelesen hatte, als er ihm bei Yo gegenübergestanden hatte? Er verstand es einfach nicht. Woran lag es, dass er selbst nicht mehr wusste, warum er etwas tat oder nicht? Lag es an Yo? An seiner Nähe zu ihm? Hao schüttelte den Kopf und zuckte zusammen, als ein leises Klirren ertönte. Sofort fuhr sein Kopf hoch und er sah sich aufmerksam um, bis er in der Zelle gegenüber ein kleines Mädchen entdeckte. Für einen kurzen Moment weiteten sich seine Augen erschrocken und im selben Augenblick hob das Mädchen den Kopf. „Opacho!?“, entfuhr es Hao, doch das Mädchen antwortete nicht und senkte den Kopf wieder. Doch der Asakura hatte sie erkannt. „Opacho? Warum bist du hier?“, wollte er wissen, doch er bekam keine Antwort. Stattdessen stellte er fest, dass die Schultern des kleinen Mädchens zuckten und ihre Gedanken mehr als durcheinander waren. Weinte sie etwa? Noch bevor er erneut etwas sagen konnte, hörte Hao, wie sich ihnen eine weitere Person näherte, und erkannte sie als Silva. Wer auch sonst könnte solch einen Hass auf ihn haben? Er musterte Opacho noch einen Moment, dann legte sich Hao wieder auf den kalten Zellenboden und schloss die Augen, in der Absicht, so zu tun, als ob er noch bewusstlos wäre. Er hörte, wie Silva an seine Zelle trat, dann klirrten Schlüssel, bevor der Andere aufsperrte und eintrat. Anscheinend hielt Silva ihn wirklich noch für bewusstlos. Schmerz durchzuckte seinen Kopf, als der Patchee ihn an den Haaren hochhob und zu sich drehte. In diesem Moment schlug Hao die Augen auf und sah, wie Silva zusammenzuckte. „Was ist los? Wolltest du mich nicht töten?“ Mit Genugtuung bemerkte Hao, wie Silvas Gedanken in Aufruhr gerieten, doch schon im nächsten Moment wurde er losgelassen und schlug hart auf dem Boden auf. Schweigend und sich erneut an der Wand abstützend, stand Hao wieder auf und sah Silva an. „Warum zögerst du, mich zu töten? Hasst du mich vielleicht doch nicht so sehr, wie du vorgibst? Oder hast du einfach nur Angst?“ Haos Stimme klang ruhig, doch sein Blick war kalt. Silva machte einen Schritt zurück, zuckte dann jedoch zusammen, während sein Gesichtsausdruck plötzlich wütend wurde. „Glaub ja nicht, du wüsstest irgendetwas über mich! Ich habe keine Angst vor dir und werde nie welche haben, weder vor deinem Blick, noch vor deinen Worten, also bilde dir bloß nichts ein!“ Hao hob eine Hand und fing Silvas Schlag ab, ohne den Anderen aus den Augen zu lassen. „Willst du mich wirklich angreifen? Dir sollte klar sein, dass du keine Chance gegen mich hast. Soll ich dich töten, um es dir zu beweisen? Dann würde sie genauso aufwachsen müssen, wie dein Vorfahre, mein Kind. Das würde dich keineswegs besser machen, als mich.“ Ein kaltes Grinsen zeichnete sich auf Haos Gesicht ab. Ja, er wusste genau, was Silva durch den Kopf ging und was seine Ängste waren. Jedoch war es auch nicht schwer, das zu erraten. Und Silvas geschockter Gesichtsausdruck verriet Hao, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte, da wäre es nicht einmal nötig, die Gedanken des Anderen zu lesen, wenn er die Wahl gehabt hätte. Beinahe schon kraftlos ließ Silva seine Hand an die Seite zurückfallen, als Hao sie losließ. „Wie gesagt: Du weißt nichts über mich. Gar nichts. Und ich habe nicht die geringste Ahnung, von wem du redest, wen du meinst. Also hör mit diesem dummen Geschwätz auf, es wird dir sowieso nichts bringen. Bis wir einen Weg gefunden haben, dich endgültig zu töten, wirst du hier drinnen bleiben, ohne Möglichkeit zur Flucht“, zischte Silva wütend, dann drehte er sich um und verließ die Zelle wieder, ohne noch einmal zurückzusehen. Erstaunt bemerkte Hao, dass Silva vergessen hatte, die Zelle wieder abzuschließen. Dann zuckte er leicht mit den Schultern. So viel dazu, dass er hier eingesperrt bleiben würde, ohne Möglichkeit zur Flucht. Silva war doch selbst schuld, wenn er nicht absperrte. Nachdem er noch einige Augenblicke gewartet hatte, verließ Hao die Zelle vorsichtig und sah sich erst einmal um. Nachdem er zufrieden festgestellt hatte, dass niemand in der Nähe war, ging er in die Richtung, in der er einen Ausgang zu finden hoffte. Als er an Opachos Zelle vorbeikam, wurde das Schluchzen für einen Moment krampfhaft, als das Mädchen versuchte, sich zu beruhigen. Nach einem kurzen Zögern blieb Hao schließlich stehen und öffnete die Zelle. Sie war nur mit einem Riegel verschlossen, der aber so hoch oben angelegt war, dass Opacho nicht herankam. „Danke.“ Die Stimme der Jüngeren war kaum mehr, als ein Flüstern, doch Hao hatte sie genau gehört. Dennoch tat er so, als hätte er das nicht getan und ging weiter, ohne sich umzudrehen. „H- … Hao-sama.“ Der Angesprochene zuckte leicht zusammen, drehte sich jedoch nicht um und ging wortlos weiter. Es schmerzte ihn genauso, wie Opacho, doch er wollte nicht, dass sie wegen ihm noch größere Schwierigkeiten bekam. Denn inzwischen war er davon überzeugt, dass es niemandem gut tat, mit ihm zu tun zu haben. „Bi-bitte … Ha-Hao-sama.“ Hao blieb stehen und schloss für einen Moment die Augen, dann drehte er sich um. Er konnte Opacho nicht im Stich lassen, nicht schon wieder seinen einzigen Freund verraten. Diesen Fehler würde er nur wieder ewig bereuen, so, wie es damals auch gewesen war, mit … Wütend auf sich selbst schüttelte Hao den Kopf, um die Gedanken zu vertreiben, und sah dann Opacho an. Das Mädchen lag auf dem Boden und Hao bemerkte eine Verletzung an ihrem Bein. Hilfe suchend sah Opacho ihn an und Hao ging die wenigen Schritte zu ihr zurück, dann kniete er sich vor sie. „E-es tut mir … l-leid, Hao-sama. Ich … h-hätte dich nicht … a-alleine lassen dürfen, a-aber du warst … s-so gemein und h-hast … mir s-solche Angst … ge-gemacht, b-bitte verzeih … m-mir“, schluchzte Opacho erneut, doch Hao schüttelte nur leicht den Kopf. Erneut zögerte er. Was sollte er tun? Sollte er einfach weitergehen und Opacho ihrem Schicksal überlassen? Konnte er das? Opacho war einer der wenigen Menschen, in deren Gegenwart er sich wohl fühlte, sie hatte nie irgendwelche hasserfüllten Gedanken ihm gegenüber gehabt, im Gegensatz zu den Anderen. Was also sollte er tun? Wenn er sie hier zurückließ, dann würden die Patcheen sie vielleicht töten. Konnte er das verantworten? Es fiel Hao schwer, das weinende Mädchen anzusehen und gleichzeitig mit dem Gedanken zu spielen, einfach weiterzugehen. Doch bevor er dazu kam, einen Entschluss zu fassen, hörte er noch weit entfernte Schritte. Mehrere Menschen. Das konnte nur bedeuten, dass es die Patcheen waren. Noch einmal sah er Opacho an. Wenn er sich jetzt nicht entschied, war es auch zu spät für ihn. Eine Tür in der Nähe wurde mit lautem Krachen zugeschlagen und ließ Hao für einen Moment aufschauen. „Bitte … Hao-sama“, brachte Opacho noch einmal hervor und in dem Moment stand Haos Entschluss fest. Ohne ein Wort zu sagen, hob er die Kleinere einfach hoch und setzte sie auf seine Schultern, wie schon so oft zuvor. Doch im selben Moment durchzuckte ein stechender Schmerz seinen Bauch und Hao zuckte zusammen. „Alles in Ordnung, Hao-sama? Du … bist verletzt. Deshalb auch die Verbände um deinen Oberkörper, oder?“ Hao wusste, dass Opacho die Verbände schon längst bemerkt hatte, und sie hatte auch schon vermutet, dass er wohl verletzt war, also überraschte ihn diese Frage nun keineswegs. „Ja, aber es ist nichts weiter Schlimmes. Nur ein Kratzer. Es geht schon“, brachte er mit zusammengebissenen Zähnen heraus und war froh, dass Opacho seine Gedanken nicht hören konnte. Denn die Wahrheit war, dass die Wunde schmerzhaft pochte und wohl auch bald wieder anfangen würde, zu bluten, wenn er sich nicht beeilte. „Sicher?“ „Ja.“ Mehr brachte Hao nicht hervor, denn schon im nächsten Moment knallte die Tür auf, die zu dem Gang mit den Zellen führte, und er konnte die Gedanken der Patcheen hören, als sie für einen Moment erschrocken innehielten. „Er ist frei! Los, hinterher!“ Im selben Moment, wie der Ruf erklang, lief Hao, so gut er konnte, los. Doch es fiel ihm nicht leicht, denn die Verletzung schmerzte durch das zusätzliche Gewicht. Aber eines war für Hao klar, er würde Opacho nicht absetzen, denn mit ihrem verletzten Bein würde sie den Patcheen nie schnell genug entkommen, und hier zurücklassen konnte er sie einfach nicht. Während er weiterlief - oder eher weiterstolperte - spürte Hao, wie Opacho sich nach hinten drehte, um zu den Patcheen zu sehen. Sie kommen näher, Hao-sama. Opachos Gedanken waren definitiv an ihn gerichtet und Hao versuchte augenblicklich, schneller zu werden. „Hao-sama!“ Gleichzeitig mit Opachos Ruf stolperte Hao zur Seite und wich gerade noch rechtzeitig einem Totemic Soul Blast von Silvas Totem Pole Hou aus. Er hatte von Anfang an gewusst, dass der Ältere dabei war. Und nicht nur das, Silva führte die Patcheen an. Aber er musste nicht mehr weit kommen, er sah schon die Tür am anderen Ende des Ganges und dahinter war der Wald. Er musste es nur bis dorthin schaffen, dann konnte er hoffentlich vollends entkommen. Doch die Patcheen kamen immer näher und Hao wusste, dass es knapp werden würde. „Opacho? Wenn wir draußen sind, läufst du in eine andere Richtung, als ich. Sie werden hinter mir her sein. Geh zu Luchist, bei ihm bist du in Sicherheit“, bat Hao das Mädchen, so, dass nur sie ihn hören konnte. „Aber, Hao-sama …“ „Kein aber, Opacho, tu, was ich dir sage.“ Hao bemerkte, wie Opacho bei seinen harten Worten erneut die Tränen in die Augen traten, doch das konnte er momentan nicht ändern. Noch einmal musste er einem von Silvas Angriffen ausweichen, dann erreichte er endlich die Türe und riss sie auf. Und wirklich, vor der Tür wartete der Wald auf ihn. Sofort setzte er das Mädchen auf den Boden und sah es an. „Lauf, Opacho.“ Das Mädchen nickte und humpelte in den Wald davon. Mit einem Blick über die Schulter erkannte Hao, dass ihn die Patcheen beinahe eingeholt hatten, dann lief er ebenfalls in den Wald. Jedoch in eine andere Richtung, als Opacho. Kapitel 6: Der Anfang ... ------------------------- Keuchend lief Hao durch den Wald. Er hatte es geschafft, er war bis hierher gekommen, jetzt musste er nur noch den Patcheen entkommen. Als er einen kurzen Blick zurück warf, waren sie nicht mehr zu sehen, denn die Bäume und Büsche, durch die Hao lief, verdeckten sie und somit auch ihn. Gut. Schnell ging Hao einige Schritte zur Seite, weg vom Weg, und versteckte sich hinter einigen besonders hohen Büschen. Schweigend rutschte er zu Boden und lehnte sich an einen Baum. Seine Wunde pochte schmerzhafter, als zuvor, doch noch war der Verband nicht blutig, was wohl ein gutes Zeichen war. Als Hao die Patcheen kommen hörte, schloss er die Augen, während er hoffte, dass sie weiterlaufen würden. Und wirklich, sie liefen vorbei, sie hatten ihn nicht bemerkt. Hao wollte schon erleichtert aufatmen, doch da erkannte er, dass nicht alle gegangen waren. So schnell es ihm möglich war, sprang er zurück auf die Füße und wollte weiter in den Wald hineinlaufen, doch er wurde am Arm gepackt und zurück gegen den Baum geschleudert, an den er sich gerade noch angelehnt hatte. Leicht benommen schüttelte Hao für einen Moment den Kopf, ehe er sich langsam wieder aufrichtete und Silva ansah, der inzwischen vor ihm stand. Als er die Gedanken des Anderen las, wollte er ausweichen, doch Silva hatte ihn schon wieder gepackt. „Du entkommst mir nicht.“ Mit wachsender Wut spürte Hao, wie Silvas Griff fester wurde. „Oh, doch. Du hast nicht den Mut, mich hier und heute zu töten, das weißt du genau so gut, wie ich.“ „Du lügst! Ich habe sehr wohl den Mut!“ Ein Grinsen breitete sich auf Haos Gesicht aus, trotz der Lage, in der er sich befand. Silvas Reaktion hatte ihm verraten, dass er genau ins Schwarze getroffen hatte. Im selben Moment lockerte sich Silvas Griff und Hao riss sich los. Während er schon dachte, entkommen zu sein, stolperte Hao von Silva weg, doch dessen Gedanken wandelten sich von verunsichert in wütend und im nächsten Moment spürte Hao auch schon, wie er erneut am Arm gepackt und zurückgezogen wurde. Doch dieses Mal fester, als zuvor. Ein stechender Schmerz fuhr durch Haos Arm und er musste sich auf die Lippe beißen, um nicht aufzuschreien. Kraftlos ließ er den Arm an der Seite herabhängen, außer Stande, ihn zu bewegen, während der Schmerz ihn stöhnen ließ. Hasserfüllt sah er Silva an und bemerkte, wie dieser leicht zusammenzuckte. „Das wirst du bereuen, Silva“, drohte der Jüngere und hob seine unverletzte Hand. Er mochte vielleicht keinen Schutzgeist mehr haben, aber das hieß nicht, dass er sich nicht wehren konnte. Erst recht, wenn es sich bei seinem Gegner um Silva handelte. Er war immer noch ein Omnyouji-Schamane, auch ohne Schutzgeist. Eine kleine Flamme tauchte in Haos Hand auf, doch obwohl er in Silvas Gedanken las, was dieser als Nächstes vorhatte, schaffte dieser es, ihn zu packen, bevor er reagieren konnte. Hao spürte, wie Silvas Hand sich um seine Kehle schloss und er hochgehoben wurde. Im selben Moment blieb ihm die Luft weg und er spürte, wie er immer schlechter atmen konnte. „Vergiss es, Silva, so leicht tötest du mich nicht“, brachte Hao mühsam hervor und hob seine unverletzte Hand, in der sich immer noch die Flamme befand. Doch Silva fing die Bewegung mühelos ab und hielt Haos Arm fest, sodass auch dieser nutzlos war, während er den Griff um seinen Hals verstärkte, sodass Hao mühsam nach Luft schnappen musste. Wut blitzte in seinen Augen auf. Glaubte Silva allen Ernstes, dass er nun wehrlos war, nur weil er beide Hände nicht verwenden konnte? Hao schloss für einen Moment die Augen und hörte im selben Moment Silvas siegessichere Gedanken. Das Grinsen erschien erneut auf Haos Gesicht und als er die Augen wieder öffnete, loderten Flammen vor seinem Gesicht auf. Zufrieden spürte er, wie Silva ihn erschrocken losließ, und hörte, wie er nach hinten stolperte. Hustend sank Hao zu Boden, während er nach Luft schnappte. Als er wieder halbwegs zu Atem gekommen war, sah Hao zu Silva, der seinen Blick hasserfüllt erwiderte. Er machte jedoch keine Anstalten, sich ihm noch einmal zu nähern, sondern blieb in, wohl wie er dachte, sicherer Entfernung stehen, während die Flammen immer noch vor Haos Gesicht loderten. Durch einen gedanklichen Befehl Haos verschwanden sie wieder, ganz im Gegensatz zu Silvas wütendem Blick. „Damit hast du nicht gerechnet, nicht wahr, Silva? Ich bin nicht so jung, wie ich aussehe, und ebenfalls nicht so schwach. Das solltest gerade du wissen.“ Hao sah Silva direkt in die Augen, doch dieser gab keine Antwort. Hao ging langsam auf Silva zu, während er erneut eine kleine Flamme in seiner Hand erscheinen ließ und den Älteren dabei mit ernstem Blick fixierte. Mit Genugtuung bemerkte er, wie Silvas Wut stieg, ein Teil davon sich aber gleichzeitig in etwas änderte, das Angst ähnelte. Und wirklich, einen Moment später wich Silva einen Schritt zurück, direkt vor die aus der Erde herausragende Wurzel eines großen Baumes. Vielleicht … Erneut machte Hao einen Schritt auf Silva zu und dieser wich wieder zurück, doch dieses Mal stürzte er tatsächlich über die Wurzel und schlug mit dem Kopf auf dem Boden auf. Hao wartete einen Moment, doch Silva rührte sich nicht. Vorsichtig ging Hao zu ihm und sah auf ihn herab. „Silva?“ Keine Reaktion. „Silva?!“ Immer noch keine Reaktion. Doch Hao stellte fest, dass sich Silvas Brustkorb leicht hob und senkte. Er war wohl nur bewusstlos geworden. Mit einem Schulterzucken, durch das er sogleich mit einem stechenden Schmerz belohnt wurde, wandte er sich ab und machte sich auf den Weg durch den Wald. Seinen Arm konnte er nicht bewegen, schon die kleinste Erschütterung reichte aus, um ihm starke Schmerzen zu bereiten, und Hao dachte unwillkürlich darüber nach, welche Verletzung er sich da wohl zugezogen haben mochte. Während er durch den Wald stolperte, sah er sich die ganze Zeit über aufmerksam um und lauschte auf das kleinste Geräusch. Er wusste nicht, wohin die anderen Patcheen gegangen waren oder wann Silva wieder aufwachen würde, also beschloss er, dass es besser war, vorsichtig zu sein. Denn wenn man ihn jetzt erneut fand, würde ein Kampf wohl nicht mehr so glimpflich für ihn ausgehen. Doch nicht nur sein Arm schmerzte, auch die Wunde an seinem Bauch schien wieder aufgegangen zu sein, wenn Hao nach dem roten Fleck ging, der sich nun auf dem Hemd, das er von Yo bekommen hatte, ausbreitete. Nach einer Weile spürte Hao, wie ihm leicht schwindelig wurde, und er blieb deshalb stehen, um sich an einem der Bäume anzulehnen. Erneut fragte er sich, warum er seit dem Kampf gegen Yo ständig das Gefühl hatte, so schwach zu sein. Er verstand nicht, warum, oder wollte es vielleicht auch nicht verstehen, und dennoch spürte er, dass sich etwas in ihm veränderte. Ob zum Guten oder Schlechten, das vermochte er noch nicht zu sagen. Mit seiner unverletzten Hand wischte sich Hao das Blut aus dem Gesicht, das aus der Wunde an der Schläfe kam, die immer noch zu bluten schien, wenn auch schon schwächer, als zuvor, und ließ sich dann an dem Baum herabsinken, bis er ganz auf dem Boden saß. Gleichzeitig bemerkte Hao, dass seine Haut heißer als sonst zu sein schien. Anscheinend hatte er immer noch Fieber. Das würde auch die Erschöpfung erklären, die er durchgängig verspürte. Für einen Moment schloss er die Augen. Unruhig saß Yo auf seinem Stuhl und blickte immer wieder nach draußen. Seine Gedanken schweiften, wie so oft in letzter Zeit, zu Hao ab. All die zusätzlichen Qualen, die ihm die Patcheen bereiten würden, wären wohl seine Schuld. Er wusste, wie sehr die Patcheen Hao hassten, und doch hatte er zugelassen, dass sein Bruder in ihre Hände geriet, anstatt ihn sofort zu töten und ihm das zu ersparen. Ein schneller Tod wäre besser für ihn gewesen, doch Yo hatte in seinem Eigennutz fehlerhaft gehandelt. „Yo.“ Annas Stimme riss den Jungen aus seinen Gedanken und er sah zu ihr. „Was ist?“ „Du machst dir Sorgen um Hao, oder?“ Yo nickte langsam, ein trauriges Lächeln im Gesicht. „Eigentlich lächerlich, oder? Ich weiß, dass er stark ist, sogar stärker als ich. Aber dennoch kann ich nicht anders. Und jetzt ist er vielleicht gerade in Gefahr, wenn nicht sogar schon tot.“ Yo ließ ein Seufzen hören und erneut wanderte sein Blick zum Fenster. „Ich denke immer noch, dass es so am besten ist, Yo. Der Schamanenrat wird sich um Hao kümmern. Er ist nicht mehr unser Problem, also musst du dir keine Gedanken mehr wegen ihm machen. Vergiss ihn einfach.“ Ruckartig drehte Yo den Kopf und sah seinen Vater an, der ihm gegenüber am Tisch saß. „Am besten?! Denkst du wirklich, dass es so am besten ist? Ich kann Hao nicht so einfach vergessen, er ist mein Bruder, auch wenn du das anscheinend nicht wahrhaben willst. Du kannst das ja vielleicht verdrängen, aber ich nicht. Ist dir wirklich egal, was mit ihn passiert?“ „Ja, es ist mir egal, was mit ihm geschieht, Yo. Es ist für uns alle am besten, wenn er tot ist.“ Mikihisas Stimme zeigte nicht einmal ansatzweise ein Zeichen von Mitgefühl oder Reue; im Gegenteil, er blieb so ruhig und gelassen, dass Yo wütend aufsprang. „Das ist doch völliger Unsinn! Hao kann sich ändern, so wie jeder andere auch. Er hat sogar schon damit begonnen, da bin ich mir sicher. Und wenn du dir etwas mehr Gedanken um ihn machen würdest und er dir nur etwas wichtiger wäre, dann hättest du das sicher auch bemerkt. Aber das alles interessiert dich wohl scheinbar überhaupt nicht, dir ist nur die verdammte Ehre dieser Familie wichtig! Was mit deinem Sohn geschieht, ist dir doch völlig egal!“ Wütend starrte Yo seinen Vater an. Es waren nicht nur die abgeklärten Worte seines Vaters, die ihn so aufbrachten, vor allem der ruhige, kaltherzige Tonfall ließ Yo vor Wut erzittern. „Du irrst dich, Yo. Es ist mir nicht egal, was mit meinem Sohn geschieht. Für dich würde ich jederzeit mein Leben geben, darauf kannst du dich verlassen.“ „Nur für mich? Und was ist mit Hao? Siehst du ihn etwa nicht als deinen Sohn an? Er ist mein Bruder, mein Zwilling, somit also dein Sohn, ebenso, wie ich es bin, und das weißt du, egal, ob du dir einzureden versuchst, es wäre anders.“ Nun stand Mikihisa ebenfalls auf. „Hao ist kein guter Mensch, Yo, und er wird auch nie zu einem werden. Die Aufgabe unserer Familie ist es, unsere Gefühle hintenanzustellen und Hao jedes Mal aufs Neue zu töten, alle fünfhundert Jahre. Also nein, ich sehe Hao nicht als meinen Sohn an. Das bist nur du.“ „Das ist so typisch für euch! Wie soll er sich denn auch ändern, wenn ihr ihm nie die Chance dazu gebt und ihn stattdessen jedes Mal so grausam behandelt? Das war doch schon immer so und jetzt wundert ihr euch, warum er so geworden ist! Natürlich ist er nicht ganz einfach und auch nicht der beste Mensch auf Erden, aber bei so einer Behandlung muss doch jeder so werden, wie er es jetzt ist. Aber das wollt ihr natürlich nicht verstehen, ihr seid doch alle gleich!“ Ohne darauf zu achten, dass Anna seinen Namen rief und Mikihisa etwas murmelte, rannte Yo blindwütig aus der Küche. Es war ihm egal, was die Anderen dachten, er wollte nicht mehr hören, was sie ihm zu sagen hatten, denn irgendetwas sagte ihm, dass Hao sich in Gefahr befand und er konnte dieses Gefühl einfach nicht ignorieren. Und genau dasselbe Gefühl führte ihn auch in den Wald. Je weiter er sich durch das Unterholz vorarbeitete, desto stärker wurde auch das Gefühl, das ihm sagte, dass sich Hao in der Nähe befand. Doch bevor er Hao finden konnte, fand er jemand anderen. „Silva!“ Erschrocken kniete sich Yo neben dem Älteren auf den Boden und sah ihn an. „Sag doch was, Silva!“ Ohne nachzudenken packte er Silva an den Schultern und schüttelte ihn leicht, doch es kam keine Reaktion von ihm. Dann bemerkte Yo das Blut am Kopf des Anderen. Hatte Silva gegen Hao gekämpft? Oder gab es einen anderen Grund dafür, dass er hier im Wald bewusstlos am Boden lag? Was sollte er nur tun? Noch einmal versuchen, Silva zu wecken, um ihn danach zu fragen und somit womöglich der Auslöser dafür sein, dass Silva erneut begann, Hao zu suchen, falls er ihm seinen Zustand zu verdanken hatte? Oder ihn einfach liegen lassen und riskieren, dass er starb? Nein, letzteres konnte er nicht tun, aber seinen eigenen Bruder möglicherweise ans Messer liefern konnte er genauso wenig. Angestrengt überlegte er einen Moment. „Amidamaru?“ Auf Yos Frage hin tauchte der Samurai-Geist neben ihm auf. „Was ist, Yo-dono?“, wollte er ruhig wissen, ohne sich an dem bewusstlosen Silva sonderlich zu stören. „Hol die erste Person, die du finden kannst, egal ob es sich dabei um einen Patchee oder einen anderen Schamanen handelt, und sag ihm, dass Silva hier verletzt liegt. Ich muss Hao suchen“, bat der Asakura den Geist und dieser nickte, wenn auch nur nach einem kurzen Zögern, das Yo jedoch ignorierte. „Danke, Amidamaru.“ Mit diesen Worten stand Yo auf und ließ Amidamaru allein. „Hao?!“ Ruckartig öffnete der Junge die Augen wieder und sah Yo auf sich zulaufen. Verdammt, warum hatte er nicht gehört, dass jemand kam? Warum war er plötzlich so unaufmerksam? Lag das am Fieber? Bis Yo ihn erreichte, hatte er sich schon mühsam auf die Beine gebracht. Der jüngere Asakura blieb nun bei seinem Zwilling stehen und sah ihn besorgt an. „Geht es dir gut, Hao? Ist alles in Ordnung?“ „Wie hast du mich schon wieder gefunden? Ich sagte doch, ich brauche deine Hilfe nicht“, antwortete Hao kalt, ohne auf Yos Frage einzugehen. Er hatte ihn nie um Hilfe gebeten. Warum also kam sein Bruder immer wieder zu ihm und wollte sie ihm aufdrängen? Er kam auch gut genug allein zurecht. „Ich hatte so ein Gefühl, dass du hier bist. Was ist mit deinem Arm? Und woher kommt das Blut? Ist die Wunde wieder aufgegangen? Und warum hast du Blut an der Schläfe? Hat Silva dich verletzt?“ Hao seufzte genervt, um Beherrschung bemüht. Er war weder an einer Unterhaltung noch an sonst irgendetwas interessiert, das Yo ihm anbieten konnte. „All das geht dich nichts an. Wie oft soll ich dir denn noch sagen, dass ich keine Hilfe von dir will, bis du es verstehst? Verschwinde endlich, Yo. Oder nein, vergiss das, ich gehe.“ Wütend wollte Hao an Yo vorbeirauschen, doch dieser packte ihn am Arm, sodass Hao scharf die Luft einzog. Yo hatte die Verletzung erwischt, weshalb ein stechender Schmerz durch seinen Arm fuhr. Doch auch Yo schien das nicht entgangen zu sein, denn er ließ Hao los, fast so, als hätte er sich verbrannt. Seit wann war sein Bruder so aufmerksam? Irgendwie tauschten sie langsam die Rollen. „Tut mir leid. Du bist schuld daran, dass Silva verletzt hier in der Nähe liegt, hab ich nicht Recht? Die anderen Schamanen werden bald hier auftauchen, denn ich habe Amidamaru geschickt, um Hilfe zu holen. Also komm jetzt bitte mit, Hao, bevor sie dich auch noch finden. Nimm doch einfach Hilfe an, wenn sie dir jemand anbietet, auch wenn du vielleicht Angst davor hast, demjenigen zu vertrauen. Ich verspreche dir, dass ich dich nicht verraten werde. Also bitte vertrau mir, Hao, bitte.“ Der ältere Asakura spürte den ernsten Blick seines Bruders und drehte sich ganz zu ihm. Doch bevor er antworten konnte, begann sich alles um ihn herum zu drehen und er kippte nach vorne. „Hao!“ Er hörte Yos erschrockenen Ruf, spürte, wie sein Bruder ihn auffing und erschrak. „Du glühst ja richtig. Das Fieber ist schlimmer geworden! Bitte komm mit zurück, Hao, du brauchst wirklich Ruhe.“ Der Ältere zögerte einen Moment, dann nickte er ergeben. Was hatte er schon zu verlieren? Auf einen Vertrauensbruch mehr oder weniger kam es jetzt auch nicht mehr an. Dazu hatte er schon zu viele über sich ergehen lassen müssen. Er folgte Yo langsam und während des ganzen Weges zurück nach Dobby Village sagte keiner der beiden ein Wort. Hao war das nur recht. Und das nicht nur, weil er nicht wusste, was er zu Yo sagen sollte. Er verspürte einfach nicht das Bedürfnis, zu reden. Im Gegenteil: Hao brauchte seine gesamte Konzentration, um nicht zu stolpern, denn immer wieder wurde ihm schwindelig oder beinahe schwarz vor Augen. Yo hatte wohl wirklich Recht, das Fieber schien gestiegen zu sein. Aber dennoch fand er die Zeit, sich zum wiederholten Male zu wundern, warum Yo ihm immer wieder helfen wollte, egal was geschah. Er verstand einfach nicht, warum Yo es nicht lassen konnte und immer wieder nach ihm suchte, wenn er verschwand. Er konnte und wollte nicht glauben, dass er für Yo wirklich so wichtig sein sollte, egal was er sah oder was er in den Gedanken des Anderen hörte. Dafür war die Angst, wieder einmal verraten zu werden, zu groß. Nach einer Weile erreichten die Beiden dann endlich das Haus und Hao zögerte einen Moment, folgte Yo dann allerdings doch hinein, als dieser ihm einen kurzen Blick zuwarf. Leise schloss der Jüngere die Tür hinter ihnen und bedeutete Hao, ebenfalls leise zu sein. Dann schlich er an der Küche vorbei. An den Gedanken seines Zwillings erkannte Hao, dass sich Mikihisa wohl in der Küche befand, und da er diesem nicht unbedingt begegnen wollte, war auch er leise. Doch anscheinend umsonst. „Yo! Ich weiß, dass du wieder da bist. Und Hao auch. Ich habe euch kommen sehen. Also denk nicht, dass du dich einfach vorbeischleichen kannst.“ Noch während er sprach, tauchte Mikihisa in der Tür auf und Hao senkte für einen Moment den Blick. Doch schon im nächsten Augenblick wunderte er sich, warum er es überhaupt getan hatte, und sah Mikihisa direkt in die Augen. „Ja, ich bin hier. Aber nur, weil Yo es wollte. Was willst du jetzt tun? Silva holen? Ich denke nicht, dass er in der Lage ist, mich zu töten, er liegt nämlich irgendwo verletzt im Wald.“ Wut war in Haos Stimme zu hören. Es war ein Fehler gewesen, zurückzukommen, das war ihm klar, aber genau so gut wusste er, wie wichtig es Yo gewesen war. Und seltsamerweise hatte er den Drang verspürt, einfach mal zu tun, um was ihn Yo bat, so merkwürdig es sich für ihn auch anfühlte. „Und das ist dein Verdienst? Es ist mir egal, wer dich zur Strecke bringt, sofern du nur endlich stirbst!“ Mikihisas Stimme klang ebenso wütend, wie die seines älteren Sohnes, und er machte einen Schritt auf diesen zu. Doch gerade, als Hao sich auf einen Angriff gefasst machen wollte, stellte sich Yo zwischen ihn und ihren Vater. „Das lasse ich nicht zu. Ihr dürft Hao nicht töten. Warum kannst du ihn nicht endlich akzeptieren? Und was Silva betrifft: Hao kann nichts dafür. Silva hat ihn angegriffen, Hao hat sich nur gewehrt. Das ist alles“, mischte sich nun auch der Jüngste der drei Asakura ein und erntete erstaunte Blicke, sowohl von Hao, als auch von Mikihisa. „Woher willst du das mit Silva wissen, Yo?“ „Ja, woher weißt du das?“, wurde Mikihisa auch von Hao unterstützt, doch Yo zuckte lediglich mit den Schultern. „Ich- … ich weiß es einfach, ich habe da so ein Gefühl. Und das sagt mir, dass es so war.“ Hao konnte die Verwirrung in Yos Stimme hören, anscheinend konnte er sich wirklich nicht erklären, woher er das wusste. Und geraten war es nicht, das erkannte Hao ebenfalls. Yo war fest von seinen Worten überzeugt. „Auch egal. Fakt ist, dass Hao sterben muss. Er ist böse, versteh das endlich, Yo.“ Erneut senkte Hao unwillkürlich den Blick bei den Worten seines Vaters. Yo konnte wohl sagen, was er wollte, an der Meinung Mikihisas über ihn würde es nichts ändern. Doch Yo selbst schien das noch nicht einsehen zu wollen. „Nein, er ist nicht böse. Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand ihn tötet. Du bist so herzlos. Hao ist genauso dein Sohn, wie ich, und dennoch willst du ihn die ganze Zeit über tot sehen. Bedeutet dir denn deine Familie wirklich so wenig?“ Ein seltsamer Unterton hatte sich in Yos Stimme geschlichen und Hao zuckte leicht zusammen. Ihm war durchaus bewusst, dass er für all das hier verantwortlich war. Wenn er nicht wäre, dann würde Yo jetzt nicht mit Mikihisa streiten. „Ich bin nicht herzlos. Mir ist meine Familie mehr als wichtig. Und genau deshalb muss Hao sterben: damit wir alle in Frieden leben können. Und selbst wenn du dich dagegen sträubst, die Aufgabe der Familie Asakura ist es nun mal, Hao zu vernichten, wenn er wiedergeboren wird und das weißt du auch, Yo. Ich bringe nur zu Ende, was ich bei eurer Geburt nicht tun konnte und was du vorgestern nicht tun konntest. Versteh doch bitte, Yo, dass es so am besten ist.“ Mikihisas Tonfall hatte von wütend zu kalt gewechselt. „Nein, ich verstehe es nicht. Ich will es nicht verstehen. Was soll gut daran sein, wenn ihr Hao tötet? Das kann einfach nicht gut sein. Ich weiß, dass er sich ändern kann, ich weiß es einfach. Also …“ „Es tut mir leid“, unterbrach Hao seinen Zwilling, ehe er realisierte, was er da gerade getan hatte. Warum hatte er das eben gesagt? Hatte Yo Recht und er veränderte sich? Wollte er das denn überhaupt? Er wusste es nicht. Doch seit Yo ihn nach ihrem Kampf hierher gebracht hatte, hatte Hao immer wieder das Gefühl, als würde die Mauer, die er um sein Herz errichtet hatte, zu bröckeln beginnen, egal, ob er wollte oder nicht. Und das war wohl auch der Auslöser für die Entschuldigung eben gewesen. Hao hielt den Kopf weiterhin gesenkt und spürte dabei sowohl Yos, als auch Mikihisas überraschten Blick auf sich. Er wusste, dass keiner der beiden mit diesen Worten gerechnet hatte. „Was hast du eben gesagt?“ Mikihisas fassungslose Frage unterbrach die Stille, die sich langsam über den Raum ausgebreitet hatte. „Es … tut mir leid“, wiederholte Hao ebenso leise, wie zuvor. Seltsam, wie schwer es sein konnte, vier kleine Worte auszusprechen. Aber dennoch fühlte er, dass es richtig war. „Was tut dir leid, Hao? Du hast nichts falsch gemacht. Es gibt keinen Grund für dich, dich zu entschuldigen!“ Yo drehte sich zu ihm um, doch immer noch sah Hao nicht auf. „Hao! Antworte gefälligst! Was tut dir leid?!“ Hao wurde unsanft von Mikihisa gepackt, der Yo anscheinend zur Seite geschoben hatte, und zuckte unwillkürlich zusammen, als der Schmerz in seiner Schulter bei der groben Berührung stark pulsierend zurückkehrte. Hao brauchte seine gesamte Beherrschung, um sich nichts anmerken zu lassen. Denn eines hatte er früh lernen müssen: Zeige deinem Gegner gegenüber niemals Schwäche. „Du solltest wissen … wofür die Entschuldigung … ist“, brachte der Ältere der Zwillinge zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Zu seiner Erleichterung ließ Mikihisa ihn wieder los und Hao hörte, wie auch Yo erleichtert aufatmete. Dann bemerkte er, dass sich Mikihisa an das eine Mal erinnerte, als er ihn verbrannt hatte, und Hao nickte. „Ja, genau das“, bestätigte er und Mikihisa sah ihn erstaunt an. „Bitte gib ihm noch eine Chance. Er ist dein Sohn, genauso wie ich“, versuchte Yo seinen Vater erneut davon zu überzeugen, Hao am Leben zu lassen, und der Angesprochene nickte leicht. „Vielleicht hast du Recht. Er wirkt verändert. Irgendetwas an ihm ist anders.“ Mikihisas Stimme klang nachdenklich und Hao bemerkte, dass er immer leiser wurde. Verwirrt sah er auf und im nächsten Moment spürte er, wie Yo ihn erneut stützte. „Hao!“ Auch Yos Stimme erreichte Hao nur wie aus weiter Ferne und obwohl er sah, dass Yo und Mikihisa etwas miteinander besprachen, konnte er nicht entschlüsseln, um was es sich handelte, egal wie sehr er sich anstrengte. Genau in dem Moment, als sein Blick wieder unscharf wurde, fühlte er, wie er ruckartig hochgehoben wurde. Von Mikihisa. Doch Hao war nicht in der Lage, sich zu wehren, denn plötzlich schien es ihm, als wäre ihm sämtliche Energie entzogen worden. Lag das am Fieber? Er spürte, wie er auf einem Bett abgelegt wurde, und kurz darauf beugte sich jemand über ihn. Es kostete ihn einige Mühe, Faust zu erkennen, doch dann drehte Hao den Kopf zur Seite. „Y … Yo?“ Hao sah, wie ein Umriss neben Faust auftauchte, kniff die Augen zusammen und konnte so auch erkennen, dass sich die Lippen der Person bewegten, doch erneut verstand er nichts und schloss die Augen. Dann spürte er, wie jemand sich auf seine andere Seite setzte und seine Hand nahm. Er drehte seinen Kopf zu dieser anderen Person und öffnete die Augen wieder, doch er konnte auch sie weder klar sehen, noch ihre Worte oder Gedanken hören. Erschrocken sah Yo, wie Hao nach vorne kippte. Schnell machte er einen Schritt auf seinen Bruder zu und fing ihn auf, bevor er zu Boden stürzen konnte. „Hao!“ Besorgt sah Yo seinen Bruder an; er hatte das Gefühl, als wäre seine Haut noch heißer, als zuvor schon, doch er konnte es nicht mit Sicherheit sagen. „Was ist mit ihm?“, wollte nun Mikihisa wissen. „Er hat Fieber, schon seit heute Morgen, aber es ist seitdem anscheinend gestiegen. Außerdem scheint die Wunde von unserem Kampf wieder aufgegangen zu sein. Zumindest ist sein Hemd blutig. Und irgendetwas scheint mit seinem Arm zu sein“, erklärte Yo, während er seinen Bruder weiter besorgt ansah. Haos Augen waren glasig und Yo bezweifelte, dass Hao viel von dem, was um ihn herum passierte, mitbekam. „Faust ist hinter dem Haus. Geh ihn holen, ich bringe Hao währenddessen ins Schlafzimmer.“ „Aber …“ Mikihisa ließ ein Seufzen hören. „Geh schon, Yo, ich werde ihm nichts tun. Ich habe doch gesagt, ich gebe ihm noch eine Chance.“ Yo zögerte noch einen Moment, dann nickte er und lief los, während Mikihisa Hao hochhob. Schnell rannte der jüngste Asakura den Flur entlang, bis er die Tür erreichte, die nach draußen führte. Kaum hatte er sie aufgerissen, entdeckte er Faust. Zusammen mit allen anderen. „Schnell, Faust, Hao ist zusammengebrochen.“ Auf Yos Worte hin seufzte der Angesprochene zwar, erhob sich aber langsam, während Yo es vorzog, die missbilligenden Blicke seiner Freunde zu ignorieren. Dann führte er Faust zu dem Zimmer, in dem Hao bereits auf einem Bett lag, und sah zu, wie der Ältere sich über seinen Bruder beugte. „Y- … Yo?“ Haos Stimme war leise, aber dennoch hörte Yo ihn. Er ging auf die andere Seite des Bettes und nahm die unverletzte Hand seines Bruders, während er sich neben ihn setzte. „Ich bin hier, Hao. Keine Sorge, es wird alles gut“, versprach er leise, doch sein Bruder gab ihm keine Antwort, sein Blick war immer noch glasig und an die Decke gerichtet. „Eliza, das Desinfektionsmittel und frische Verbände, bitte. Und bring auch gleich das fiebersenkende Mittel mit.“ Während Yo mit Hao geredet hatte, hatte Faust dessen Hemd geöffnet und den Verband abgenommen, sodass nun auch Yo auf die Wunde sehen konnte, die er seinem Bruder zugefügt hatte. Erschrocken zuckte Yo zusammen. Die Ränder der Wunde waren rot und schienen entzündet zu sein und so, wie er zuvor befürchtet hatte, blutete die Wunde wieder. Er spürte Haos Blick auf sich, doch immer noch war er glasig. „Es tut mir leid, Hao, das wollte ich nicht. Wirklich nicht“, flüsterte Yo leise, aber sein Bruder schien ihn und seine Worte immer noch nicht wirklich wahrzunehmen. Zumindest reagierte er nicht. Dann begann Faust, die Wunde zu desinfizieren, und Yo sah, wie Hao das Gesicht verzog, während sich seine Hand fester in Yos krallte. „Sein Arm hat auch irgendetwas, Faust, er hat ihn vorher nicht bewegen können, glaube ich. Und er hat auch irgendeine Wunde an der Schläfe“, erklärt Yo dann leise dem Älteren, als dieser fertig damit war, die Wunde an Haos Oberkörper zu säubern, und einen neuen Verband herumwickelte, nachdem er Hao zusammen mit Yo geholfen hatte, sich aufzusetzen. Hao schien sich währenddessen nicht entspannen zu können; sein Atem ging flach und schnell. Und noch immer spürte Yo die Hitze seines Körpers. „Ich schau mir die anderen Wunden gleich an.“ Vorsichtig ließ Faust Hao auf das Bett zurücksinken. Bis auf die knappe Reaktion beim Desinfizieren zuvor hatte Hao noch in keiner Weise gezeigt, dass er mitbekam, was geschah, und langsam fragte sich Yo, ob er sich ernsthafte Sorgen machen musste. Denn das passte nicht zu Hao; er hatte erwartet, dass er sich sträuben oder zumindest etwas sagen würde, selbst wenn es nur Beschimpfungen wären. Doch dass er lediglich teilnahmslos auf dem Bett lag und alles mit sich geschehen ließ, machte Yo beinahe schon Angst. Stand es wirklich so schlimm um seinen Bruder? Währenddessen war Faust mit dem Verbinden von Haos Oberkörper fertig geworden und nun begann er, sich vorsichtig Haos Arm anzusehen, weshalb der ältere Asakura das Gesicht erneut vor Schmerz verzog und die Augen schloss. Scheinbar schien er wenigstens die Schmerzen wirklich mitzubekommen, was Yo einerseits etwas beruhigte, andererseits aber Schuldgefühle in ihm hervorrief. „Faust …“, begann Yo deshalb alarmiert, doch der Angesprochene ließ Hao schon wieder los. Unter Yos beunruhigtem Blick entspannte er sich wieder und wandte den Kopf zu ihm um, sodass seine glasigen Augen direkt auf die seines Bruders trafen. „Die Wunde an der Schläfe ist nicht wirklich schlimm, sie muss nicht genäht werden, aber sein Arm ist ausgekugelt. Ich werde ihm zuerst das fiebersenkende Mittel geben und dann den Arm wieder einrenken. Aber ich warne dich: Das wird ziemlich schmerzhaft für ihn werden.“ Faust sah den jüngeren Asakura ernst an, bis dieser nickte. Daraufhin goss Faust eine klare Flüssigkeit in ein Glas und gab dieses dann Hao. Er trank es auch hier ohne Widerworte oder Gegenwehr, also würde wenigstens das Fieber sehr wahrscheinlich bald besser werden. „Ich werde jetzt seinen Arm wieder einrenken und er wird höchstwahrscheinlich schreien, aber es gibt keine andere Möglichkeit. Wehe du mischst dich ein“, warnte Faust Yo noch einmal, sobald er das leere Glas auf den Boden neben sich gestellt hatte, und Yo nickte ergeben. Schweigend sah er zu, wie Faust Haos verletzten Arm mit festem Griff packte und eine schnelle Bewegung machte. Im selben Moment hallte, wie von Faust vorhergesagt, ein Schmerzensschrei durch das Haus, während Haos Hand sich einmal mehr in Yos krallte. Dann herrschte für einen Moment Stille, die jedoch nach einigen Sekunden von einem schmerzvollen Wimmern Haos durchbrochen wurde. Doch dann brach auch das ab und Haos Züge wirkten auf einmal entspannter, als zuvor. „Hao?!“ Erschrocken sah Yo seinen Bruder an und Faust stand auf. „Er ist nur bewusstlos geworden, keine Sorge, Yo“, antwortete Faust und ging zur Tür. Doch schon im nächsten Moment, bevor Faust es selbst tun konnte, wurde sie aufgerissen und Yo sah seine aufgeregten Freunde im Türrahmen stehen. „Alles in Ordnung, Yo? Wo ist dieser Schrei hergekommen?“ „Ja, es ist alles in Ordnung. Geht schon mal runter, ich komme gleich nach“, antwortete der Asakura ohne auf die letzte Frage der Anderen einzugehen. Seine Freunde zögerten zwar, doch Faust nahm ihnen die Entscheidung einfach ab, indem er den Raum verließ, sodass Yo, nachdem Faust die Tür hinter sich geschlossen hatte, erneut allein mit Hao zurückblieb. Als er einen Blick aus dem Fenster warf, bemerkte er, dass es bereits dämmerte, und ließ ein Seufzen hören. Er hoffte wirklich, dass es Hao morgen besser gehen würde. Hao spürte, wie ein Tuch die Wunde an seinem Bauch berührte, und zuckte zusammen, da das Mittel, das auf dem Stoff verteilt war, ziemlich brannte. Doch dann wurde es wieder entfernt und der Schmerz verschwand. Wie in einer Art Trance musste er einfach zulassen, dass man ihn aufsetzte und ihm einen neuen Verband anlegte. Es war ihm nicht möglich, sich dagegen zu wehren, auch wenn er wollte, denn seine Kräfte reichten gerade mal dafür aus, sich bei Bewusstsein zu halten. Verdammtes Fieber. Warum machte es ihn nur so fertig? Inzwischen hatte er wenigstens erkennen können, dass es Yo war, der neben ihm saß, während Faust ihn behandelte. Wie sollte es auch anders sein? Plötzlich berührte Faust den Arm, den Silva ihm zuvor verletzt hatte, und Hao verzog das Gesicht, als ein starker Schmerz sich in seinem Arm ausbreitete. Doch dann ließ Faust ihn wieder los und der Schmerz verschwand. Hao hörte gedämpfte Stimmen, konnte jedoch nichts von dem verstehen, was gesagt wurde. Die Stimmen kamen wie über große Distanz zu ihm und waren sehr dumpf. Gleich darauf hielt ihm jemand eine Flüssigkeit an die Lippen und Hao trank sie. Die Kraft, sich zu wehren, hatte er auch dieses Mal nicht. Kurz darauf berührte Faust erneut seinen verletzten Arm und machte eine Bewegung. Gequält schrie Hao auf, als ein Schmerz, unendlich viel schlimmer, als der zuvor, durch seinen Arm fuhr. Was hatte Faust getan? Sobald es ihm wieder besser ging, würde er dafür büßen. Entsetzt bemerkte Hao, wie ein Wimmern über seine Lippen kam, als der Schmerz nur langsam besser wurde, und er ließ sich in die Bewusstlosigkeit sinken. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)