Anders als beim letzten Mal von Rabenkralle ================================================================================ Kapitel 1: Anders als beim letzten Mal -------------------------------------- Anders als beim letzten Mal Atemlos sank ich neben Temari aufs Bett. Sie war erst vor wenigen Stunden im Dorf angekommen und nach gut vier Monaten Durststrecke verschwendeten wir keine Zeit und verschanzten uns auf ihr Pensionszimmer. Normalerweise waren wir am ersten Abend vor Leidenschaft nicht zu halten, doch diesmal war es anders. Sie war anders. Ich wischte mir die Schweißperlen von der Stirn und beobachtete sie von der Seite. Sie starrte apathisch an die Decke und machte den Eindruck, als wäre sie in einer ganz anderen Welt. Vielleicht ein Traum, in dem sie sich ein Leben ohne mich vorstellte. Der Gedanke daran machte mir Angst. Ich drehte mich auf den Rücken zurück und tat es ihr gleich. Die hellen Lichtkegel der Nachttischlampen waren über uns zu sehen und stellten einen krassen Kontrast zu den Schatten, die sich auf der Zimmerdecke ausbreiteten. Der Schatten … Eigentlich genau mein Element – wenn man es denn so nennen konnte –, doch in diesem Moment strahlte er nichts Gutes für mich aus. Erinnerungen an früher kamen in mir hoch. Ich dachte an die Chuunin-Prüfung zurück, bei der ich sie mehr oder minder kennengelernt hatte. Ihre Grausamkeit in den Kämpfen hatte ich lange vergessen, doch nun sah ich sie wieder deutlich vor mir. Dann wie sie mich vor dem Mädchen aus Oto gerettet und später versucht hatte, mich aufzumuntern, als mein bester Freund im Krankenhaus lag und fast durch meine Schuld gestorben war. Ich erinnere mich noch gut an ihr Lächeln, als sie Wochen darauf mit ihren Brüdern das Dorf verlassen hatte. Es hatte etwas menschliches, ja warmherziges an sich und stellte meinen Eindruck von ihr völlig infrage. Ich konnte damals mit Mädchen nichts anfangen, doch ihr Lächeln ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Von da an dauerte es fast zwei Jahre, bis ich sie wieder sah. Sie war inzwischen Jounin und Botschafterin zwischen Sunagakure und Konoha geworden und reiste deswegen zweimal im Jahr zur Vorbereitung der Chuunin-Prüfung hierher und blieb mindestens zwei Monate. Ich wurde in dieser Zeit als ihr Aufpasser abgestellt. Zuerst war ich nicht gerade begeistert von dieser Aufgabe, doch die festen Arbeitszeiten machten mir das Ganze schmackhaft. Ich musste auf keine Missionen gehen und konnte nachts schlafen, was als Shinobi keine Selbstverständlichkeit war. Und dann war da noch Temari. Natürlich hatte sie immer noch eine große Klappe und redete nicht lange drumherum, doch ihr herzliches Wesen gestaltete die Wochen sehr angenehm, sodass ich bald anfing, mich mehr auf sie als auf das Ausschlafen zu freuen. Ich hatte mich in sie verguckt und machte mir auch nicht die Mühe, das vor ihr geheim zu halten. Einen Monat etwa machte sie sich einen Spaß daraus, mich damit aufzuziehen, aber dann gab sie nach und wir fingen an, meinen Job als Leibwächter etwas zu wörtlich zu nehmen. Einfach so. Ohne überflüssige Dates oder übertriebene Romantik. Aus unserer kleinen Affäre wurde bald eine Beziehung und wir wussten auch ohne dass wir die bekannten drei Worte täglich sagten, was wir füreinander empfanden. Drei Jahre lief es so und bald schwirrte mir ein Gedanke im Kopf herum. Ich wollte nicht, dass es auf Dauer bei einer Fernbeziehung blieb und so bat ich sie beim vorletzten Mal, zu mir zu ziehen. Sie konnte mir nicht von jetzt auf gleich zusagen und fragte mich, ob ich bis zum nächsten Besuch auf eine Antwort warten konnte. Ich hatte Verständnis für sie und gab ihr die Zeit. Ich an ihrer Stelle hätte meiner Heimat auch nicht sofort und ohne nachzudenken den Rücken zukehren können. Als sie vor sechs Monaten wieder hier war, hatte sie sich entschieden. Sie meinte noch im Scherz, dass ich nicht erwarten sollte, dass sie für mich kochte – das Kochen war nicht unbedingt ihre Lieblingsbeschäftigung – und dass Kankurou demnächst vorbeikommen würde, um mich zu verprügeln, weil ich ihm seine Schwester weggenommen hatte, aber unter dem Strich sagte sie ja. Und das machte mich glücklich. Sie bat mich zwar, ihr noch ein paar Monate zu geben, damit sie den Umzug und alles weitere organisieren konnte, doch damit konnte ich leben. Weitere vier Monate ohne sie waren nichts im Vergleich zu den Jahren, die uns danach gemeinsam blieben. Ihr Lächeln, mit dem sie mich ein letztes Mal zurückgelassen hatte, brannte sich in mein Gedächtnis ein und ich freute mich so sehr darauf, sie in einigen Wochen wiederzusehen. Schließlich, nach schier endloser Wartezeit, war es so weit. Ich wartete schon den halben Tag am Haupttor, als ich Temari am späten Nachmittag den Weg entlanggehen sah. Entgegen meiner Erwartung hatte sie nur wenig Gepäck dabei, doch meine Wiedersehensfreude ließ mich diese Kleinigkeit vergessen. Es war nicht wichtig, wie viel sie mitbrachte, denn die Hauptsache war, dass sie da war. Sie lief auf mich zu und fiel mir in die Arme. Ich schaute in ihr Gesicht und stutzte. Ihre Wangen waren gerötet und ihr dezentes Make-up um die Augen verwischt. Sie hatte geweint. Ich fragte sie, was los war, und sie antwortete, dass jemand aus ihrem engeren Freundeskreis auf einer Mission gestorben war. Ich gab mich mit dieser Erklärung zufrieden. Bis jetzt. Ich warf ihr noch einen Seitenblick zu. Alles kam mir so unwirklich vor und obwohl die Frau, die ich liebte, neben mir im Bett lag, fühlte ich mich allein. So konnte es nicht weitergehen. Ich musste endlich wissen, was mit ihr war. Ich legte mich zurück auf die Seite und betrachtete das Profil ihres Gesichtes. Sie starrte immer noch in die Luft und schien sich nicht einen Millimeter gerührt zu haben. Ich bekam ein immer schlechteres Gefühl und fürchtete mich so sehr vor dem, was sie sagen würde, dass ich mich kaum traute, danach zu fragen. Aber es musste sein, egal, wie bitter ihre Antwort sein würde. »Temari«, setzte ich an, doch mir fiel keine Frage ein, die irgendwie Sinn ergab, weshalb ich bei einem einfachen »Was ist los?« blieb. Ich bemerkte, wie sich leicht zusammenzuckte, aber das war ihre einzige Regung. Sie antwortete nicht und das ernüchterte mich noch mehr. Kurz entschlossen setzte ich mich auf und suchte ihren Blick. Sie drehte ihren Kopf weg und wich mir so aus. Das machte mich wütend. »Was, verdammt, ist mit dir, dass du mir nicht mal mehr in die Augen sehen kannst?« Meine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, doch mein Ärger war eindeutig aus ihr herauszuhören. Vielleicht war das der Grund, warum Temari mich nicht länger ignorierte. »Ich hab nichts«, sagte sie, wenig überzeugend. »Mir geht’s einfach nicht besonders … Du weißt doch selbst, wie schwer Beerdigungen sein können.« Ihre Antwort brachte mich noch mehr in Rage. Warum tischte sie mir diese Lüge weiter auf? Hielt sie mich für so blöd? »Wer ist denn gestorben, der dir nahe steht?« Ich musste mich regelrecht zwingen, Ruhe zu bewahren. »Gaara, Kankurou, Baki oder Matsuri?« Sie biss sich auf die Unterlippe und ich wusste, dass ich ihre Ausrede durchschaut hatte. Für niemandem außer der genannten Personen würde sie auch nur länger als eine Viertelstunde trauern und ich konnte leicht herausfinden, ob einer von den Vieren gestorben war. Und das wusste sie. »Oder sind doch alle quietschlebendig und du willst mit deiner offensichtlichen Lüge erreichen, dass ich anfange, dich zu hassen?«, provozierte ich sie. »Wenn du denkst, dass das so leicht geht, dann –« Ich brach ab. Tränen standen in ihren Augen, lösten sich und liefen seitlich ihre Schläfen herunter in ihr Haar. Sie presste die Lippen zusammen, doch sie konnte ihr gequältes Atmen und ein leises Wimmern nur bedingt unterdrücken. Meine Wut löste sich bei diesem Anblick in Luft auf. Es tat verdammt weh, sie so zu sehen und ich fühlte mich verantwortlich dafür. Und dass, obwohl ich gar keinen Grund dazu hatte. Ich wandte mich von ihr ab und legte mich zurück. »Wenn du doch nicht hierher ziehen möchtest oder sogar mit mir Schluss machen willst, sag es einfach«, fuhr ich gefasst fort. »Aber rede endlich mit mir. Ich werd’s schon überleben.« Irgendwie. Natürlich wollte ich gar nicht daran denken, dass sie mich womöglich abservierte. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Temari sich mit der Hand über ihr Gesicht fuhr und versuchte, ihre Tränen zu trocknen. »Das ist es nicht …«, setzte sie mit heiserer Stimme an. »Ich …« Sie beendete den Satz nicht, aber das, was sie gesagt hatte, erfüllte mich mit Erleichterung. Sie wollte die Beziehung nicht beenden und das hieß für mich, dass es gar nicht so schlimm sein konnte. Ich schaute sie wieder an und diesmal erwiderte sie meinen Blick. Ich hoffte, ihre vertrauten Augen zu sehen, doch an ihrem abweisenden, fremden Ausdruck änderte sich nichts. Mein gerade aufgekeimtes Hochgefühl löste sich in Rauch auf. Einige Sekunden – vielleicht waren es sogar Minuten – starrten wir uns wortlos an. Ich fühlte mich miserabel, dachte aber nicht daran, die Stille zu durchbrechen. Nun war sie an der Reihe. »Ich«, begann sie schließlich und sog scharf nach Luft, »ich weiß nicht, wie –« Abermals biss sie sich auf die Unterlippe, diesmal so fest, dass sie riss und ein Rinnsal Blut erschien. Sie wischte es weg und fluchte: »Ach, scheiße, ich bin schwanger!« Wieder verspürte ich diese unglaubliche Erleichterung. Ich freute mich und verstand nicht, warum sie darum so ein großes Theater gemacht hatte. Auf einmal kam ich mir völlig dumm vor, weil ich sie zu einer Antwort gedrängt hatte. Es war verständlich, dass sie selbst erst damit fertig werden musste und vielleicht einen passenden Moment abwarten wollte, um es mir zu sagen. Aber das war nun nicht mehr wichtig. »Das ist doch großartig«, sagte ich ehrlich und wollte ihr einen Kuss aufdrücken, doch sie hielt mich leichtem Druck gegen meine Schultern auf Abstand und schüttelte den Kopf. »Du verstehst mich nicht«, flüsterte sie verzweifelt. Ihr Blick ernüchterte mich und eine wage Ahnung kam in mir auf. Nein, das konnte nicht sein, resignierte ich, konnte meine Augen vor dieser Möglichkeit aber nicht weiter verschließen. Ich fühlte mich nach dem ganzen Gefühlschaos der letzten halben Stunde wie in einem Albtraum. Es fiel mir schwer, die Frage vernünftig zu formulieren, ohne dabei halb wahnsinnig zu werden. Dann brachte ich es über mich. »Ist es mein Kind?« Das Echo meiner Worte hallte in meinen Ohren und ich wünschte mir, dass es niemals endete. Ich wollte die Wahrheit gar nicht hören, mich am liebsten für den Rest meines Lebens in der Illusion der letzten Jahre vergraben und nie wieder erwachen. Doch die Realität holte mich ein. »Ja«, sagte sie und lächelte traurig. »Ich hoffe es.« Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)