Ein Licht in der Dunkelheit von Licht (Wo Hoffnung ist, da ist auch Licht...) ================================================================================ Kapitel 1: Kapitel 1.1 ---------------------- Die Schatten der Bäume lagen lang und dünn auf dem Gras, als die Sonne hinter den fernen Bergen Celantis’ emporstieg und den frühen Morgen ankündigte. Ein Mädchen mit schneeweißem Haar irrte im Wald umher. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich Angst wider. Die Angst, nicht zu wissen, wo man war. Der Wind spielte sanft im Haar des Mädchens und gestattete der Sonne, einen goldenen Schimmer darauf zu legen, so dass es schien, als würde ihr Haar leuchten. Die Kleidung des Mädchens war zerrissen und ihr Gesicht von kleinen Kratzern übersät. „Wer bist du?“, fragte eine kindliche Stimme hinter dem Mädchen und ließ es erschrocken zusammenfahren. „Ich hab dich hier noch nie gesehen“, meinte ein kleiner Junge und schenkte dem Mädchen ein fröhliches Lächeln, als es sich zu ihm umdrehte. Ängstlich wich das Mädchen einen Schritt zurück. „Was ist los mit dir? Hast du dich verlaufen?“, fragte er neugierig weiter und betrachtete sie eingehend. Sie schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht… Es tut mir leid, aber ich glaube, ich kann dir auf keine deiner Fragen eine Antwort geben“, flüsterte sie leise. Der Junge sah sie ungläubig an. Es war ihm unbegreiflich, wie man seinen Namen vergessen konnte. „Ich heiße Cal“, sagte er, als er sich wieder gefangen hatte. „Freut mich, dich kennen zu lernen, auch wenn du deinen Namen nicht weißt!“ Wieder lächelte er sie fröhlich an. Das Mädchen sank zu Boden und schluchzte leise. „Alles in Ordnung?“, fragte Cal nun ein wenig unsicher. Ratlos kniete er sich schließlich neben ihr nieder. Er überlegte, ob er sie vielleicht in den Arm nehmen sollte, doch dann fiel ihm ein, was seine Schwester einst sagte. ‚Menschen ohne Erinnerung reagieren mitunter seltsam. Doch am allermeisten haben sie Angst. Versuche nie, dich einem solchen Menschen aufzudrängen, wenn du dir nicht sicher bist, was du zu tun hast.’ „Warte kurz, vielleicht weiß meine Schwester Rat! Sie ist ganz in der Nähe!“ Er sprang auf und verschwand zwischen den dichten Bäumen. Der Wind schien mit dem Mädchen zu weinen und auch die Vögel verstummten, als er ihr sanft durchs Haar blies. Zwei kleine Vögel flatterten zu dem Mädchen hinunter, landeten auf ihren angezogenen Knien und sangen für sie eines ihrer Liedchen. Sie sah auf und ein kleines Lächeln umspielte ihr verweintes Gesicht. „Ihr habt Recht…“, murmelte sie und strich vorsichtig über deren Flügel. In der Ferne konnte sie die Stimme des kleinen Jungen hören, wie er einen Namen rief. Es dauerte einen Moment und dann erklang die klare, helle Stimme eines Mädchens. Cal hatte sie Yvannie gerufen. Beide kamen allmählich näher und als sie den hohen Farn durchbrachen, flogen die beiden Vögel erschrocken zurück in die Baumkronen. Yvannie, die eben mit Cal aufgetaucht war, sah auf das Mädchen herab, das hilflos am Boden kauerte. Das Mädchen sah zu Yvannie auf. Ihr Gesicht war wunderschön und ihre Augen strahlten eine unheimliche Ruhe und Frieden aus. Als Yvannie ihr verweintes Gesicht betrachtete, kam sie langsam näher. „Was hast du?“, fragte sie und sank neben ihr auf die Knie. „Cal hat mir erzählt, dass du dich nicht an deinen Namen erinnern kannst.“ Das Mädchen nickte langsam und ließ es zu, dass Yvannie sie in den Arm nahm. „Deswegen brauchst du doch nicht zu weinen. Das wird schon wieder“, meinte sie beruhigend und strich ihr durchs Haar. „Das haben mir die beiden Vögelchen auch erzählt…“, flüsterte das Mädchen leise. „Ich bin Yvannie und wenn du mich lässt, dann werde ich versuchen, dir zu helfen.“ Das Mädchen sah ihr dankend in die Augen und nickte kaum merklich, als ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. „Jetzt brauchst du doch nicht mehr zu weinen“, meinte Yvannie, als sie die frischen Tränen bemerkte und strich ihr sanft über die Wange. „Es ist nur… Warum wollt ihr zwei mir helfen? Ihr kennt mich doch gar nicht. Was ist, wenn ich Böses getan habe und dafür bestraft wurde? Und wenn ich euch irgendwann etwas antun werde?“ Cal fing an zu lachen. „Du und Böses getan? Nein, niemals!“ Yvannie warf ihm einen warnenden Blick zu und er verstummte. „An dem was sie sagt, ist durchaus etwas dran, aber warum bist du dir so sicher, dass sie so etwas nicht tun würde?“ Cal dachte nach. „Nun ja, sie sieht nicht so aus, als könnte sie irgendeinem Lebewesen etwas antun.“ Yvannie schüttelte den Kopf. „Lass dich nie vom äußeren Erscheinen eines Wesens täuschen. Dämonen können sich auch hinter wunderschönen Wesen verbergen.“ Dann wandte sie sich wieder dem Mädchen zu. „Wir hoffen einfach darauf, dass du uns bis dahin genug vertrauen wirst und uns als Freunde ansiehst! Und nun komm, ich möchte nicht allzu lange in diesem Wald verweilen.“ „Aber…“ „Schon gut“, meinte Yvannie lächelnd. „Du kannst so lange bei uns wohnen, bis du dich wieder erinnerst. Cal wird sich über eine Spielgefährtin sehr freuen, da bin ich mir sicher.“ Sie warf einen kurzen Blick auf ihren kleinen Bruder, der über das gesamte Gesicht ein breites Grinsen trug. Sie half dem Mädchen auf und gemeinsam machten sie sich auf den Weg, der Sonne entgegen. Unterwegs hob Yvannie noch ihren Korb auf, den sie hatte stehen lassen, als Cal nach ihr rief. „Oh, Erdbeeren!“, jauchzte Cal, als er in den Korb lugte. „Ja, aber die sind nicht für jetzt!“, entgegnete Yvannie, als Cal hineinlangen wollte, woraufhin dieser seine Hand augenblicklich zurückzog. Als sie das Ende des Waldes erreichten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel und verbrannte das ohnehin schon vertrocknete Gras, das sie nun durchschritten. „Wie sollen wir dich eigentlich nennen?“, fragte Yvannie und sah das Mädchen nachdenklich an. Dieses schüttelte den Kopf und senkte den Blick. „Wie wär's mit Sky?“, schlug Cal vor und sah Yvannie und das Mädchen erwartungsvoll an. „Wie kommst du denn auf diesen Namen?“, fragte Yvannie verwirrt. „Ein Name sollte etwas über die Person aussagen, die ihn trägt. Sky bedeutet Himmel und der hat doch nun wirklich nichts mit ihr zu tun.“ „Warum nicht? Sie ist doch wie der Himmel! Ihre Augen tragen seine Farbe und ihr Haar leuchtet wie Sternenlicht“, erklärte er hartnäckig. „Das wäre doch der perfekte Name für sie! Bitte!“ „Na gut, was meinst du, Sky?“ Das Mädchen sah sie an und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Gerne! Das ist ein schöner Name. Ich werde ihn in Ehren halten.“ Vor ihnen kam ein See in Sicht und die Farbe des Grases wechselte allmählich wieder in saftiges Grün über. „Ein schöner See“, bemerkte Sky und ihr Blick glitt in die Ferne. Der See schien lang und oval zu sein, sein Wasser tiefblau. Trotz des schwachen Windes war seine Oberfläche glatt und unbewegt und das Gras fiel an allen Seiten, zum Ufer hin, flach ab. „Der See scheint etwas Besonderes zu sein… nicht wahr?“ Sie sah Yvannie an. „Ja, sein Wasser ist immer ruhig und klar, egal wie das Wetter ist. Selbst der Regen scheint ihn nie zu erreichen.“ „Ein letzter Rest der Magie dieser Welt…“, murmelte Sky verträumt. „Magie? Sag jetzt nicht, du glaubst daran.“ „Ich weiß nicht, woran ich glaube… Erst muss ich meine Erinnerung wieder finden…“ Sky senkte betrübt den Kopf. „Tut mir leid… Ich wollte dich nicht daran erinnern.“ Yvannie legte ihr mitfühlend einen Arm auf die Schulter. „Denk nicht so viel darüber nach. Du bist bei uns herzlich willkommen, egal, wie lange es dauern mag!“ Sky senkte den Blick und nickte schließlich. Sie beschloss, Yvannie so gut sie konnte zu unterstützen. Schweigend liefen sie nebeneinander her und sahen Cal zu, wie er fröhlich im hohen Gras spielte. So erwachsen er sich auch zu verhalten versucht hatte, als er auf Sky traf, so kam nun wieder das Kind in ihm durch, das er noch immer war. Als sie den See erreichten, konnte man hinter einer alten, großen Weide ein kleines Häuschen erkennen. „Dort wohnt ihr?“, fragte Sky, doch eine Antwort erwartete sie gar nicht. Sie wusste bereits, wohin sie ihr Weg führte. Yvannie zeigte ihr den Weg, der an der Weide vorbei zum Haus führte. Es war ein schmaler Weg, der von Gras und Sträuchern überwuchert wurde, die ihn den Blicken Fremder entziehen sollte. Der Eingang war hinter ein paar Seláf-Sträuchern versteckt, deren Blätter hoch und kräftig wuchsen und nur durch das Verschieben eines Steins wurde der Zugang freigegeben. Als sie das Haus betreten hatten, verschloss sich der Eingang wie durch Magie von selbst. „Was…“ Sky sah überrascht und verängstigt zugleich auf den verschlossenen Eingang. „Oh, tut mir leid. Wir wissen selbst nicht, wie es funktioniert. Seit dieses Haus steht, verschließt sich dieser Eingang von selbst wie durch Geisterhand. Doch Geister gibt es nicht, also mach dir keine Sorgen.“ Yvannie schenkte ihr ein aufmunterndes Lächeln und schob sie tiefer, in das Herz des Hauses, hinein. Das Haus schien, obwohl es so klein war, sehr geräumig und gemütlich zu sein. Sky fühlte sich dort sofort wie zu Hause, sagte dies aber nicht. „Hast du Hunger? Ich könnte dir etwas zubereiten!“, schlug Yvannie vor und machte sich sogleich an die Arbeit, ohne Skys Antwort abzuwarten. „Sie kocht wahnsinnig gern“, erklärte Cal grinsend. „Du könntest dich solange waschen, wenn du möchtest.“ Sky sah an sich hinab. „Ja, das wäre vielleicht ganz gut“, flüsterte sie verlegen. Cal stand auf und führte sie wieder nach draußen. „Am besten, du badest im See, dann kann dir auch nichts passieren. Ich werde Yvannie fragen, ob sie etwas zum Anziehen für dich hat!“ Er drehte sich um und verschwand wieder im Haus, der Eingang verschloss sich hinter ihm und ließ Sky alleine stehen. Sie wusste nicht recht, was sie tun sollte, also ging sie langsam auf den See zu. Irgendetwas behagte ihr ganz und gar nicht, doch sie versuchte es zu verdrängen und zog sich aus. Aber sollte sie wirklich in den See steigen? Das Gefühl, das sie überkam, wenn sie daran dachte, jagte ihr einen eisigen Schauer über den Rücken. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und stieg hinein. Ganz langsam, Stück für Stück. Cal hatte ihr gesagt, dass ihr nichts geschehen würde und sie wollte ihm vertrauen. ‚Ein seltsames Gefühl…’, dachte sie, als das kühle Wasser sich um ihren Körper schloss. ‚Auch wenn Yvannie es mir nicht glaubt, der See hat etwas Magisches und sehr Altes. Genau wie diese Weide. Eine alte und reine Magie beherbergen diese beiden…’ Sky dachte nicht weiter darüber nach und schritt so weit in den See hinein, bis sie den Boden unter den Füßen verlor. Gedankenverloren ließ sie sich treiben. Die Kühle des Wassers entzog ihrem Körper seltsamerweise keinerlei Wärme, so dass sie ewig dort hätte treiben können. Als sie den See wieder verließ, sah sie, dass Cal ihr ein Handtuch und frische Kleidung ans Ufer gelegt hatte, von ihm selbst war keine Spur. Ein Lächeln huschte über ihre Lippen, als sie das hellblaue Kleid anzog. Es passte wie angegossen und fühlte sich angenehm weich an. Der Saum war mit silbernen Stickereien verziert und verlieh dem Ganzen einen königlichen Anblick. Immer noch lächelnd ging sie zurück ins Haus. Yvannie war begeistert, wie gut ihr das Kleid stand und wollte ihr auch gleich die Haare zurechtmachen, doch Cal hielt sie zurück. „Können wir nicht zuerst was essen? Ich habe Hunger!“ Yvannie entschuldigte sich und wurde rot. Bei Skys Anblick hatte sie alles andere vergessen. „Klar doch, aber danach darf ich mich an deinen Haaren versuchen, einverstanden? Und dann gehen wir ins Dorf. Ich muss noch ein paar Dinge besorgen und vielleicht kennt dich dort jemand.“ Skys Miene hellte sich auf und hätte sie nicht solch einen Hunger gehabt, wäre sie auf der Stelle aufgebrochen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)