Nur ein Wunsch von Erenya ================================================================================ Kapitel 1: Medusas Augen ------------------------ Die Menschen sind schon eine seltsame Rasse. Sie leben vor sich hin, glauben an Götter und Dämonen, aber die Möglichkeit, dass es Geister wie mich, Niel, gibt, schließen sie aus. Dabei war ich es, der ihnen ihr Leben annehmlicher gestaltete, der ihre Wünsche erfüllte, der eben jener Gott ist, den sie anbeten. Zwar habe ich die Menschen nicht geschaffen, aber meine Kinder, Geister wie Orion, gaben ihnen Erkenntnis, Gefühle, Feuer und Wissen. Und wofür das alles? Damit sie sich gegenseitig bekämpfen? Damit sie unfähig sind zu erkennen, dass sie alle derselben Rasse entspringen und nur Kultur und Hautfarbe sich unterscheiden? Ich gab es auf, diese Kriege beenden zu wollen, auch wenn ich die Wünsche und Bitten der Unschuldigen vernahm. Auch ich lernte etwas über diese Zeit. Die Menschen sind mir entwachsen und ich kann nur noch über kleine Wunder mit ihnen kommunizieren. Ich beobachte sie nur noch, doch hin und wieder erfülle ich leidgeplagten Seelen einen Wunsch. Auch du hattest einen Wunsch und ich werde ihn dir erfüllen, auch wenn ich nur schwer abschätzen kann, was für Auswirkungen er haben wird. Die Menschen sind mir schon lange entwachsen, ebenso wie euer Handeln. **~~** Seine blauen Augen sahen stumm auf das Bento vor sich. Seine Mutter hatte sich wieder besonders viel Mühe gegeben, und das, obwohl sie kaum Zeit hatte. Behutsam nahm er seine Katzenkarotten, aufgespießt auf einen Zahnstocher, in die Hand und betrachtete es von allen Seiten. Nur zu gerne hätte er gewusst, wie seine Mutter es schaffte, dass sie alle gleich aussahen. Irgendwann würde er das auch können, soviel war ihm klar. Mit einem kaum sichtbaren Lächeln schob er sich die Karotte in den Mund. Seine Mutter war eben doch die Beste, egal was die anderen sagten. „Ikkyu-chan~“ Fragend sah der Junge in das lächelnde Gesicht seiner Lehrerin. Sie war eine hübsche Frau mit ihren schwarzen Haaren, die bis zu ihrer Schulter gingen und das Pony hing ihr verspielt ins Gesicht. Ikkyu mochte es, wie sie sich hin und wieder versuchte die Strähne aus dem Gesicht zu pusten, bis sie bemerkte, dass es umsonst war und sie sich mit ihren zierlichen Fingern zur Seite schob. Wie üblich strahlten ihn ihre klaren braunen Augen freundlich an und entlockten ihm ein deutliches Lächeln. Ja, er liebte diese Frau auf seine kindliche Weise. Wahrscheinlich war es nicht einmal richtige Liebe, so wie die Erwachsene sie empfanden. Immerhin war Ikkyu erst ein Grundschüler. Für ihn war wahrscheinlich schon eine kleine Schwärmerei oder Bewunderung gleichzusetzen mit wahrer Liebe. „Du hast aber wieder ein schönes Bento.“ Ikkyu wusste, was die Frau vor ihm sagen würde und dass sie einfach nur eine Einleitung brauchte, um ihre Bedenken kundtun zu können. Und dennoch er freute sich, wenn sie ihn ansprach, egal weswegen es war. „Möchtest du nicht lieber mit deinen Mitschülern essen? Zusammen schmeckt das Frühstück noch besser.“ Sanft lächelte sie ihn an, um ihm nicht das Gefühl zu geben, dass er etwas falsch machte oder dass sie in Wahrheit besorgt um ihn war. Ikkyu merkte nicht einmal, dass sie sich sorgte, denn er hatte kein wirkliches Interesse daran, dauerhaft mit den Mädchen und Jungs seiner Klasse zusammen zu sein. Oder vielmehr wollte er sich niemandem aufdrängen. Seit er von der Vorschule in die Grundschule gekommen war, hatte er es irgendwie versäumt, Kontakte mit seinen Mitschülern zu knüpfen, weil seine Schüchternheit ihm im Weg stand. Noch dazu kannte er niemanden hier. Im Gegensatz zu seinen Klassenkameraden, die scheinbar schon seit der Vorschule miteinander befreundet waren. Leicht mit sozialen Kontakten hatte es Ikkyu nie gehabt, doch irgendwie hatte er in der Vorschule einen Freund gefunden, der nun aber nicht mehr in dieselbe Schule wie er ging. Es störte ihn nicht. Aber er musste seine Klassenlehrerin beruhigen, ohne dass sie noch mehr die Initiative ergriff. „Tomo-chan hat mich heute gefragt, ob wir morgen zusammen essen wollen.“ Unschuldig lächelte er seine Lehrerin an. Sie sollte nicht merken, dass er log. Genauso wie sie sich keine Sorgen mehr machen sollte. „Sie wollte heute die anderen fragen, ob sie einverstanden sind.“ Es klang so natürlich und ehrlich, einfach weil Ikkyu es gewohnt war, die Sorgen der Erwachsenen zu beseitigen. An seiner Mutter hatte er genug üben können. „Es freut mich, dass du doch noch Anschluss gefunden hast, Ikkyu-chan. Wir Menschen sind schließlich nicht dazu bestimmt, alleine zu sein.“ Sanft strich sie Ikkyu über den Kopf. Er konnte ihre Erleichterung spüren. Sie war beruhigt, dass sie sich nun keine Sorgen machen würde. **~~** Zusammen mit Tomo-chan und ihren Freunden hatte Ikkyu am nächsten Tag das Klassenzimmer verlassen. Das Mädchen und ihre Freunde waren direkt zum Schulhof gegangen, um dort bei den Bänken in der Nähe der Bäume zu sitzen. Ikkyu hingegen ging zum Dach, da er von dort den Schulhof im Blick hatte und den richtigen Moment abpassen konnte, um gemeinsam mit der Gruppe wieder in die Klasse zu kommen. Der Plan, den er sich am Abend zuvor erdacht hatte, schien perfekt. Weder Tomo-chan mit ihren Freunden noch seine Lehrerin würden es merken. Da war er sich sicher. Auch heute hatte seine Mutter wieder auf die Schnelle eine liebevoll gefüllte Box für ihn bereitet. Curry mit Zucchiniherzen, Reis und ein paar Litchis als Dessert. Sie hatte sich wahrlich wieder übertroffen. Genüsslich schob sich Ikkyu einen Bissen in den Mund. Sein Blick war auf den Schulhof gerichtet, auf Tomo-chan und ihre Gruppe, die er selbst bis hier oben hin lachen hören konnte. Vielleicht waren es aber auch die anderen Schüler. So genau wusste er es nicht. Es war ihm aber auch egal, denn hier oben, wo er saß, war es ruhig. **~~** Ikkyu konnte selbst nicht glauben, wie gut sein Plan nun schon seit zwei Wochen funktionierte. Niemand hatte Verdacht geschöpft, weder Tomo-chan noch seine Lehrerin. Die Sorgen seiner Lehrerin schienen kein Thema mehr zu sein, was Ikkyu beruhigte, denn er wollte nicht, dass die Frau, für die er schwärmte, sich um ihn sorgte. Sie sollte weiterhin lächeln, weil es dieses Lächeln war, das er so liebte. Wahrscheinlich würde sein Plan auch weiterhin funktionieren, wenn er vorsichtig blieb. „Ikkyu-chan?“ Erschrocken zuckte Ikkyu zusammen, als er die Stimme seiner Lehrerin von der Tür kommen hörte. Mit geweiteten Augen sah der Junge zu seiner Lehrerin, die ihn fragend ansah. Er wusste nicht, was sie dachte, wie sie sein Alleinsein deuten und wie er das alles erklären sollte. „Was machst du alleine hier oben?“ In Ikkyus Kopf arbeitete es. Was sollte er nur sagen, ohne dass seine Lüge auffiel und ohne dass sich diese wunderbare Frau Sorgen machte? „Ich...“ Obwohl ihm keine Ausrede einfiel, setzte er zu einer weiteren Lüge an. Doch er stockte, als er ihr Lächeln sah. „Haben Tomo-chan und die anderen sich mit dir gestritten?“ Ikkyu schwieg. Auch wenn sie ihm gerade eine Ausrede auf dem Silbertablett servierte, er konnte sie nicht weiter anlügen. Selbst wenn es so einfach war, nur zu nicken. Gleichzeitig konnte er ihr aber auch nicht gestehen, dass er sie Tag für Tag belogen hatte, indem er zusammen mit Tomo und ihren Freunden das Zimmer verlassen hatte, um sie glauben zu machen, dass er Freunde hatte. Sie würde ihn hassen, wenn sie es erfuhr. Doch für seine Lehrerin sprach sein Schweigen eine andere Sprache. „Soll ich vielleicht mal mit Tomo-chan reden, damit ihr euch vertragt?“ Panik stieg in Ikkyu auf. Er musste etwas tun. Sofort. „Nicht! Reden sie nicht mit Tomo-chan. Ich... Es ist... Weil...“ Angestrengt suchte Ikkyu in seinem Kopf nach Worten. Alle Erklärungsversuche schienen sich mit seinen Gedanken, die wie ein Tornado alles auf den Kopf stellten, zu vermischen. „Warum?“, hakte sie nach. Er musste es riskieren, anders würde sie es nicht verstehen. Ikkyu musste es jetzt sagen, um ein Unheil zu vermeiden. „Weil ich Sie mag!“ Er schrak zusammen, als unmittelbar nach seinem Geständnis die Tür des Daches zuschlug. Dicht gefolgt von Schritten, die weder von ihm noch seiner Angebeteten kamen. Ihm wurde heiß und kalt zugleich, denn er spürte, dass etwas Schlimmes passiert war. **~~** Ein Seufzen entkam Ikkyus Lippen, als er am Abend nach Hause ging. Die Schule war nach seiner Pause zum Albtraum mutiert, denn einer seiner Mitschüler hatte sein Gespräch mit ihrer Klassenlehrerin mitbekommen. Und dennoch hatte er alles falsch verstanden. Nun dachte jeder, dass er auf Tomo stand, weswegen man ihn nun misstrauisch beäugte. Es schien so, dass man darauf wartete, dass er es dem Mädchen sagte. Selbst seine Angebetete glaubte das, weswegen es ihm noch schwerer fiel, das Missverständnis aufzuklären. Auch wenn noch niemand etwas über seine falsch verstandenen Gefühle für Tomo gesagt hatte, war die Atmosphäre in der Klasse unerträglich gewesen. Er hatte die Blicke der Mädchen auf sich gespürt und in den Gesichtern der Jungs dieses hämische Grinsen gesehen. Die Einzige, die ihn keines Blickes gewürdigt hatte, war Tomo. Zumindest hatte sie sich immer von ihm abgewandt, wenn er sie angesehen hatte. 'Vielleicht ist es gut so...', dachte Ikkyu und blieb an einem Fußgängerübergang stehen, als die Ampel auf Rot gewechselt hatte. Vielleicht war es wirklich besser, dass man glaubte, er schwärmte für ein Mädchen in seinem Alter. Es würde ihm ein paar Tage unangenehm sein, aber danach würde kein Hahn mehr krähen. Das war es, was Ikkyu hoffte. „Ikkyu... Ich möchte mit dir reden.“ Verwundert sah Ikkyu von seinem Bento auf, als Tomo ihn so unerwartet angesprochen hatte. Seit Wochen wollte niemand mit ihm reden, und nun war es ausgerechnet Tomo, die das Klassenschweigen brach. „Was ist denn los, Tomo-chan?“ Ikkyu wusste nicht, was das Mädchen von ihm wollte, immerhin hatten sie bisher nie ein Wort miteinander gesprochen. Noch dazu sah das Mädchen ihn ernst an. Ebenso wie die Blicke der Klassenkameraden nun erwartungsvoll auf ihnen ruhten. „Ich möchte, dass du aufhörst, mir zu folgen und mich zu beobachten. Das ist unheimlich. Ich mag dich nicht so, wie du mich magst. Du bist zu klein.“ Obwohl Ikkyu nichts für dieses Mädchen empfand und die Gerüchte über seine Gefühle für sie nur aufgrund eines Missverständnis kursierten, riss es ihm den Halt unter den Füßen weg. Er spürte die mitleidigen und hämischen Blicke seiner Klassenkameraden. Ikkyu war klar, dass man ihn soeben abserviert und vor der gesamten Klasse gedemütigt hatte. „I-Ich verstehe nicht...“, nuschelte Ikkyu. Er hatte Tomo nie verfolgt, geschweige denn sie beobachtet. Zumindest hatte er es nie so gemeint, wie es Tomo wohl verstanden hatte. „In der Pause... nach der Schule, hör einfach damit auf.“ Angestrengt dachte Ikkyu nach. Ersteres konnte er verstehen, auch wenn er schon seit Wochen nicht mehr auf dem Dach saß. Ebenso wusste er nicht, was sie mit „nach der Schule“ meinte. Er ging nach der Schule schließlich gleich nach Hause. Noch nie hatte er da Tomo gesehen. Er wusste nicht einmal, wo das Mädchen wohnte. Doch wenn er das nun sagte... Niemand würde ihm glauben. „Tut mir leid, Tomo-chan.“ Nachgeben war das einzige was er konnte, auch wenn es wie ein Geständnis klang. Schlimmer werden konnte es nicht. Man würde ihn meiden und somit gäbe es keinen Unterschied zum Anfang. **~~** Erneut hatte sich Ikkyu geirrt. Die Jungs in seiner Klasse lachten ihn wegen seiner Abfuhr aus und die Mädchen wichen von ihm zurück, als wäre er eine Plage. Er fühlte sich geschnitten, verachtet und noch einsamer als zuvor. Doch er ertrug es tapfer, wie man es als Kind eben ertragen konnte. 'Ich bin es gewohnt...' Wieder und wieder sagte sich Ikkyu diese Worte und krallte seine Hände in die Hosenbeine. Es gab wichtigeres, worauf er sich konzentrieren musste. Und solange seine Lehrerin ihn nicht abwies, solange er weiterhin in ihrer Nähe sein und Hoffnung haben durfte, war ihm alles andere egal. „Mein Vater hat mir gesagt, dass sie heiraten wird.“ Ikkyu wusste nicht, wieso er ausgerechnet jetzt auf das Gespräch der beiden Mitschüler vor sich aufmerksam wurde. Es war, als hätte eine fremde Macht ihn dazu getrieben, ihn aufhorchen zu lassen. „Wirklich? Unsere Sensei wird heiraten?“ Es traf ihn wie ein Faustschlag ins Gesicht. Gerade noch hatte er an die einzige Frau gedacht, für die er all dieses Leid ertragen wollte, doch sie, die von seinen Bemühungen nichts wusste, wollte heiraten. Eine Lüge. Nein, ein Irrtum! Das konnte nur ein Irrtum sein, denn sie hatte nie etwas gesagt. Es hatte doch nie irgendwelche Anzeichen gegeben. Traurig und wütend zugleich, erhob sich Ikkyu und verließ, die Tränen runterschluckend, das Klassenzimmer. Er musste sie finden und es aus ihrem Mund hören. Erst dann konnte und würde er es glauben. Schnell lief er in Richtung des Lehrerzimmers. Er war sich sicher, dass sie dort sein würde, denn es waren noch gut fünf Minuten bis zum Unterricht. Sie würde aufgrund der Tatsache, dass sie erwachsen war, höchstens drei Minuten brauchen. Zwei, wenn sie sich wirklich beeilte. „Und du hast es dir wirklich gut überlegt, Mitsuko? Ich will ja nicht an seinen Gefühlen für dich zweifeln, aber er ist nicht gerade das, was man sich als Wunsch-Schwiegersohn vorstellt.“ Ikkyu blieb stehen, als er von weitem seine Lehrerin in Begleitung der Klassenlehrerin aus der Parallelklasse sah. Beide schienen ihn noch nicht bemerkt zu haben, weswegen sich der Junge hinter einer der schützenden Wände versteckte. „Das mag sein, aber ich bin mir sicher, dass er sich ändern wird. Ich bin immerhin auch keine Bilderbuch-Ehefrau. Wir werden schon in unsere neuen Rollen hineinwachsen. Da bin ich mir sicher.“ Es war wahr. Ikkyus Augen weiteten sich, als ihm dieser Gedanke bewusst wurde. Alles was er gehört hatte, war wahr. Seine geliebte Lehrerin würde heiraten. Wen? Und wieso? Ikkyu verstand es nicht. Er spürte nur den Schmerz in seiner Brust. Warum konnte er nicht schon erwachsen sein, oder Mann genug, ihr seine Liebe zu gestehen? **~~** „Halte dich bitte von mir fern, Ikkyu. Ich mag keine kleinen Jungs wie dich. Kein Mädchen mag kleine Jungs.“ An Mikas ernstem Blick erkannte Ikkyu, dass es seine Klassenkameradin ernst meinte, auch wenn er nicht verstand wieso. Sie war heute nicht die erste, die ihm das gesagt oder ihn auf seine Größe reduziert hatte. Kirika hatte ihm geholfen, weil er nicht an sein Buch herangekommen war, das die Jungs seiner Klasse auf den höchsten Schrank befördert hatten. Nicht einmal mit einem Stuhl war es ihm gelungen, heranzureichen. Kirika hingegen, die selbst als Mädchen die größte der Klasse war, hatte ihm ohne Probleme das Buch geben können. „Ist es nicht witzig, dass ich als Mädchen dir helfen muss, weil du so klein bist?“ Sie hatte es vielleicht nicht böse gemeint, aber Ikkyus verletztem Selbstbewusstsein hatte es erneut einen Fausthieb verpasst. Er fing an, seine Größe zu hassen, seinen Namen, der immer spottender aus dem Mund eines Mädchens oder einer Frau klang. Warum konnten sie ihn nicht mögen? Warum quälten sie ihn, indem sie ihn auf die seinem Namen entsprechende Größe zu reduzierten? Wieso? **~~** Die Sterne funkelten Ikkyu aufmunternd zu, doch der Kleine konnte sich irgendwie nicht aufraffen zu lächeln. Es hörte einfach nicht auf. Außer seiner jüngeren Schwester und Mutter schien es wirklich kein weibliches Wesen zu geben, das sich nicht über seine Größe lustig machte. Er war es leid. Nicht nur weil es ihn störte, sondern auch, weil seine Lehrerin diesen Mann geheiratet hatte. Warum? Warum konnte er nicht so ein männlicher Junge sein? Warum mochten ihn sowohl Mädchen als auch Frauen nicht? Wieso konnte er seiner Mutter, die nie da war, nicht von seinem Kummer erzählen? Starr war sein Blick zu den Sternen gerichtet. Vielleicht konnten sie ihm helfen. Irgendwann, als er noch jünger gewesen war, hatte seine Mutter ihm erzählt, dass die Sterne unglücklichen Menschen einen Wunsch gewährten. Dazu musste er ihn nur aussprechen, wenn sich einer vom Sternenzelt löste und seine Reise mit silbernem Schweif antrat. Konnte das stimmen? Nachdenklich und konzentriert ließ er seinen Blick über den Himmel schweifen. Er wollte sie sehen, die Sternschnuppe, die ihm sagte, dass die Sterne für seinen Wunsch bereit waren. Mehr wollte er doch nicht. Und schließlich gab der Himmel das Signal. Mitleidig und vielleicht sogar liebevoller als andere Menschen, die ihm zu helfen versucht hatten. „Ich möchte beliebt bei den Mädchen sein. Bitte, ihr Sterne am Himmel, erfüllt mir diesen Wunsch.“ Es war seine letzte Hoffnung. Alles was er noch hatte und woran er sich klammern konnte. **~~** Ich hatte Mitleid mit dem Jungen, in dem so viel Potential schlummerte. Doch er drohte aufgrund seines mangelnden Selbstvertrauens zu vergehen. Ich gab ihm also ein Geschenk, damit sein Wunsch in Erfüllung ging. Doch erst später bemerkte ich, dass ich dieses Geschenk nicht zurücknehmen konnte. Auch wenn der Junge es nicht mehr wollte. Es sollte ihm dennoch auf die ein oder andre Weise helfen. Aber alles zu seiner Zeit. Sieh dir an, mit wie viel Freude mein Geschenk ihn erfüllte, als er am nächsten Morgen erwachte und bemerkte, dass eine bessere Zukunft vor ihm lag. **~~** Als Ikkyu am nächsten Tag erwachte, hatte er das Gefühl, dass an diesem Tag alles anders werden würde. Er konnte nicht sagen warum, aber er freute sich auf die Schule. Es war zumindest das erste Mal seit Wochen, dass er vor dem Spiegel stand und sich aufrichtig anlächelte. Ja, heute würde ein guter Tag werden. Immerhin hatte er ja auch den Wunsch auf seiner Seite. Deswegen konnte er beschwingt seine Tasche packen, das Frühstück genießen und die vertrauten vier Wände ohne Sorgen verlassen. Er stellte sich nicht einmal die Frage, warum das so war. Es war eben so. „Guten Morgen, Tomo-chan!“ Das Mädchen vor ihm zuckte zusammen, als sie Ikkyus Stimme vernahm. Wahrscheinlich glaubte sie immer noch, dass er sie verfolgte, aber das machte ihm nichts aus. Er hatte heute den Mut, alle Missverständnisse aus dem Weg zu räumen. Heute, an diesem Tag, konnte immerhin nichts mehr passieren. „Was willst du von mir? Ich habe dir gesagt, dass du mich in Ruhe lassen sollst.“ Erbost wandte sie sich zu dem Kleinen. Er sollte sehen, dass es ihr nicht gefiel, denn er sollte damit aufhören und ihr nicht näher als nötig kommen. Ihre Wut wich schlagartig, als sie dem Jungen in die Augen sah. Sie waren wunderschön und strahlten vor Freude. Irgendwie beruhigten sie sie. Warum? Sie verstand es nicht, aber sie verlor sich in seinen Augen. „Ich möchte nur mit dir reden.“ Seine Stimme... Es war das erste Mal, dass sie seine Stimme in dieser Art vernahm. Sie klang anders als damals. Fester und viel erwachsener. „Ich wollte dich nie verfolgen. Ich liebe dich auch nicht. Es gibt da ein anderes Mädchen, das ich mag. Ich wohne hier in der Nähe und du scheinbar auch. Deswegen wirkte es auf dich wohl so, als wollte ich dich verfolgen. Dem war aber nicht so.“ Er wohnte hier in ihrer Nähe. Mehr bekam Tomo nicht mit. Ihr war egal, ob er sie verfolgte oder nicht. Sie wollte es nun sogar irgendwie. Denn dann konnte sie ihm weiter in die Augen sehen, mehr von seiner Nähe spüren. Sie wollte nicht mehr, dass er sich entfernte. „Ikkyu, lass uns Freunde sein.“ Es kam unerwartet für Ikkyu. Und er zögerte auch. Doch schließlich lächelte er und nickte. Wenn Tomo ihm glaubte, dann konnte ab heute alles gut werden. Kapitel 2: Unerreichbar ----------------------- Ihr Menschen seid erstaunliche Wesen. Man glaubt, dass man alle eure Taten vorhersehen kann, und doch überrascht ihr einen immer wieder aufs Neue. Jeder kleine Schubs, den ich euch gab, lief in ungeahnte, aber doch sehr interessante Bahnen. Allerdings sind es gerade große Wünsche, die scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten eröffnen. Sei es ein paar betörender Augen oder der Wunsch, ein geliebtes Wesen zu retten. Doch auch dein Wunsch war sowohl überraschend als auch unbestimmt. Ich frage mich, was du mit dem Wissen alles tun wirst Nun schau mich nicht so an. Weder Orion noch ich werden dich zu einer Tat oder Entscheidung zwingen. Du hast alle Freiheiten der Welt. Aber schauen wir doch erst, wie dein Wunsch weiter verläuft. **~~** Der erste Schultag des neuen Schuljahres war für Ikkyu nicht mehr besonders. Es war ein Tag wie jeder andere, an dem er das Haus früh verließ, die ersten Mädchen seine Aufmerksamkeit forderten und sie sich scheinbar bis zur Schule vermehrten. Er hatte gelernt, damit umzugehen, immerhin war dies der Moment, in dem er die Mädchen und sich glücklich machen konnte. Sie sehnten sich nach seiner Aufmerksamkeit, und in seltenen Momenten wie diesen konnte er sie ihnen geben. Im letzten Jahr der Grundschule hatte er es sich zum Ziel gesetzt, in Sport und den naturwissenschaftlichen Fächern der Beste zu werden. Seltsamerweise, oder vielleicht lag es auch an der Natur des Menschen, förderte es seine Beliebtheit. Dabei hätte er wohl auch dumm wie Stroh und eine Niete in Sport sein können. Es hätte nichts an seiner Beliebtheit bei den Mädchen geändert. Ikkyu hatte gelernt, dass ein ungeschützter Blick in seine Augen alles möglich machte. Sowohl die Mädchen in seinem Alter als auch die reiferen Damen konnten ihm nicht widerstehen, wobei letztere ihn gerne mit kleinen Erkenntlichkeiten überhäufen wollten, die er charmant ablehnte. Als Mann war es schließlich seine Aufgabe, die Damen wie Prinzessinnen zu behandeln und zu beschenken. Es war schon etwas amüsant, denn er musste nichts tun, um ihnen zu gefallen, aber sie taten alles um seine Freunde sein zu können. Dass ihn einige männliche Klassenkameraden deswegen beneideten, war ihm egal. Sie würden ihm nichts tun, soviel stand fest. Niemand wollte sich gegen eine Menge aufgebrachter Mädchen stellen. „Ikkyu, ich hoffe wirklich, dass wir in diesem Jahr wieder in einer Klasse sind.“ Charmant lächelte Ikkyu seine linke Begleitung an. Er wusste nicht einmal mehr ihren Namen, aber das würde sie sowieso nicht bemerken. „Das hoffe ich auch. Am liebsten wäre ich ja mit euch allen in einer Klasse. Wir hätten sicher viel Spaß.“ Eine Lüge. Er war gut darin geworden, das aufrechtzuerhalten, was seine Augen emotional aufbauten. Dabei wusste er nicht einmal, was es war, dass die Mädchen ihm plötzlich wie Parasiten oder Kletten anhafteten. Nun, das war auch nicht so richtig. Eine von ihnen, sie war einfach die angenehmste Person von allen, hielt es nicht für nötig, ihm auf Schritt und Tritt zu folgen. Er hoffte sogar, dass sie auch in diesem Jahr wieder in derselben Klasse waren. Immerhin wusste sie als einzige, wie man diese nervigen Fangirls losbekam. Er mochte sie aber nicht nur, weil sie natürlich war. Ikkyu schätzte dieses Mädchen für ihre Art. Sie war nicht aufdringlich und dennoch hilfsbereit. Noch dazu kam sie ihrer Aufgabe als stellvertretende Klassensprecherin gewissenhaft nach. Sie ließ sich kaum von ihm blenden, auch wenn es nicht abstreitbar war, dass auch sie seinen Augen verfallen war. Dennoch war sie das einzige „Opfer“, das er aufrichtigen Herzens als Freundin bezeichnete. Sein Herz schlug vor Freude, als er ihren Namen auf derselben Klassenliste wie seinen fand. Er ignorierte die Mädchen, die dachten, dass sein Lächeln ihnen galt, weil sie ebenfalls in seiner Klasse waren. Nein, sein Lächeln galt seiner besten Freundin. „Ikki-sama.“ Sie hatte auf ihn gewartet, vor der Treppe, die sie in ihr neues Herrschaftsgebiet brachte. Die dritte Etage, die, wenn man vom Zimmer des Schülerrates absah, einzig dem dritten Jahrgang gehörte. „Rika, schön, dich schon so früh zu sehen. Wie es scheint, sind wir auch in diesem Jahr wieder in derselben Klasse.“ Es waren einfache Worte, die nicht ihnen galten, und doch schrien und quietschten die Mädchen um ihn herum auf, als hätte er als Weltstar gerade verkündet, dass er sie alle lieben würde. Albern und nervig war es. Noch dazu war er sich nicht sicher, ob Rika seinen Gruß gehört hatte. „Seid ruhig und geht endlich in eure Klassen. Gebt Ikki-sama etwas privaten Freiraum.“ Wahrscheinlich hatte Rika, die kühle Prinzessin, nur die Stimme erhoben und Befehle erteilt, um mit ihm alleine zu sein, doch das war ihm egal. Dankbar nickte er, sich einredend, dass sie es wirklich nur für ihn und seinen kurzen Moment der Ruhe getan hatte. Und meist bekam er seine Ruhe, wenn die kühle Prinzessin Befehle gab. „Wird Shinomiya-san nicht wütend, wenn sie Euch mit diesen ganzen Mädchen sieht, Ikki-sama?“ Dezent verzog Ikkyu das Gesicht. Eigentlich hatte er nicht mehr an Nadeshiko Shinomiya denken wollen, doch nachdem Rika fast alle seine Geheimnisse kannte, war es nur klar, dass sie ihn danach fragte. „Sagt nicht, dass es schon wieder vorbei ist.“ Ihre Worte klangen nicht vorwurfsvoll, nicht erbost, sondern eher etwas mitleidig. Vielleicht taten ihr die Mädchen leid, die Ikkyu nach drei Monaten abservierte. „Es sind drei Monate. Drei Monate, in denen ich jede meiner Freundinnen wie eine Prinzessin behandle. Keine kann sagen, dass sie nicht glücklich gewesen wäre. Außerdem, wenn dieser Fluch bestehen bleibt, haben immerhin vier Mädchen im Jahr die Chance, etwas von diesem Glück zu erfahren. Das ist doch nur fair, statt meine Liebe und Aufmerksamkeit wie eine Blume vergehen zu lassen.“ Er ahnte, dass es Rika nicht gefiel und dass sie es nicht gut hieß. Aber sie würde nie an ihm zweifeln. Immerhin fuhr er während dieser drei Monate nie zweigleisig und wimmelte seine anderen Verehrerinnen geschickt ab. Er gehörte in dieser Zeit ganz der Auserwählten. „Wir sollten auch in unsere Klasse.“ Rika hatte so viel, was sie ihm gerne gesagt hätte, so viel was sie wahrscheinlich nur von Ikkyu entfernt hätte. Sie wollte als einzige nicht eine von vielen sein. Sie wollte nicht mit ihm als feste Freundin zusammen sein, denn ihre momentane Position unterschied sie von all seinen Verehrerinnen. **~~** Ikkyu konnte nicht gerade davon reden, dass er die Bibliothek seiner Schule als angenehmsten Ort empfand. Die stummen Blicke der Mädchen ruhten auch hier auf ihm und gerade in solchen Momenten bereute er es, so beliebt zu sein. Nicht nur wegen sich, sondern auch wegen Rika, die sich dem aussetzte. Im ersten gemeinsamen Jahr an ihrer Mittelschule war sie diversen Mobbingangriffen zum Opfer gefallen, weil sie ihm so oft so nahe war. Doch sie hatte sich nicht daran gestört, war nie verzweifelt, sondern hatte immer diese kühle Distanz gewahrt. Ikkyu bewunderte diese Stärke von ihr. Sie wollte alleine, ohne seine Hilfe, damit fertig werden, denn sie hatte erkannt, dass sein Zutun alles nur schlimmer gemacht hätte. Irgendwann, drei Monate nach Beginn dieser Angriffe, Ikkyu wusste selbst nicht wieso, hatten sie aufgehört und die weiblichen Mitschüler lernten einen respektvollen Umgang mit ihr. Vielleicht, so dachte er, hatte es daran gelegen, dass sie ihnen emotional keine Angriffsfläche geboten hatte. Nicht einmal vor ihm weinte sie oder gab sich auch nur einem herzerwärmenden Lächeln hin. Hätte er Rika nicht kennengelernt, so hätte er gedacht, dass alle Mädchen wie seine Verehrerinnen waren. „Ikki-sama...“ Er spürte ihren ernsten Blick auf sich und wandte sich zu Rika, die nur auf eine Aufgabe in ihrem Mathebuch verwies. Es war nicht so, dass sie Hilfe brauchte. Im Gegenteil. Rika war ein kluges Mädchen. Mit ihrem Fingerzeig wollte sie ihn nur wieder auf die Aufgabe fokussieren. Er durfte nicht nachlassen, und sie würde dafür sorgen, dass er es nicht tat. Immerhin wusste sie von seinem Ziel, dass er in diesem Jahr wieder der Beste sein wollte. Er konnte es schaffen, aber nur, wenn er seine Zeit in der Bibliothek angemessen nutzte. **~~** Die Mädchen waren außer Rand und Band, als Matsuda den Basketball zu Ikkyu gespielt hatte. Flink wie ein Wiesel lief der Mädchenschwarm trippelnd übers Feld, bereit den entscheidenden Punkt zu machen. Er war zwar der Kleinste auf dem Spielfeld, aber solange er für das Spiel seine Hände benutzte, war sein Team unschlagbar. Zumindest hatte Ikkyu vor einigen Tagen lauthals verkündet, dass er jedes Spiel gewinnen könnte, wenn es die Hände benötigte. Rika hatte es als etwas großspurig empfunden, doch da sein Team gute Chancen auf den Sieg hatte, wollte sie seinen Worten glauben. Er war ohne Frage geschickt und bisher war jeder Ball, den er geworfen hatte, ein Punktetreffer gewesen. „Los, Ikkyu!“ Sie konnte die Anfeuerungen ihrer Artgenossinnen verstehen, doch noch immer empfand sie dieses Gekreische als lästig. Wobei sie im tiefsten Inneren selbst zu jenen gehörte, die Ikkyu wohl am lautesten anfeuerte. Aber diese Seite wollte sie ihm nicht zeigen. Er mochte so laute Mädchen nicht. Doch ihr war er so nahe, weil sie nicht wie diese pubertierenden Gören war. „Du glaubst wirklich, dass wir dich vorbeilassen, kleiner Ikkyu? Davon träumst du auch nur nachts.“ Wie unüberwindbare Mauern bauten sich vier Spieler seiner Gegner um Ikkyu auf. Es gab kein Vor und auch kein Zurück mehr. Er sah aufgrund ihrer, oder vielleicht doch seiner Größe den Korb nicht mehr. Nirgends war eine Lücke in ihrer Deckung, sodass er nicht abgeben konnte. Er konnte nur blind werfen und hoffen, dass er den Korb traf. Oder dass ein Teammitglied ihn vielleicht fing. Zweiteres war aber eher das größere Problem, da die Mädchenschreie die Rufe seiner Teamkameraden übertönten. „Was ist los, kleiner Ikkyu? Ich dachte, du gewinnst jedes Spiel, bei dem man die Hände benutzt? Oder waren das nur große Töne, um die Mädchen zu beeindrucken? Merk dir eines, Zwerg, sie stehen nicht auf kleine Jungs!“ Natürlich war Ikkyu klar, dass er die Klappe weit aufgerissen hatte, aber es war eine Herausforderung für ihn gewesen. Eine Herausforderung, in der er sich erneut beweisen konnte. Und jetzt war die ideale Gelegenheit. Er konnte es schaffen. Er konnte das Spiel von hier aus gewinnen und danach würde ihn niemand mehr als kleinen Jungen bezeichnen. Selbstbewusst löste sich Ikkyu vom Boden und warf, locker aus dem Handgelenk, den Ball auf den Korb, den er nur ansatzweise erkennen konnte. **~~** Abgeschieden von all den anderen, die ihre Helden feierten, stand Ikkyu auf dem Dach und wischte sich den Schweiß seiner Niederlage von der Stirn. Versagt. Er hatte nicht zu seinem Wort gestanden und hatte verloren. Hätte er nur ein paar Zentimeter höher geworfen, wäre er nur ein paar Zentimeter größer gewesen, sie hätten gewonnen. Seine Größe. Erneut stand sie ihm im Weg. Genauso wie sein Name, den er so sehr hasste zu hören. Jedes Mal, wenn ein Mädchen ihn aussprach, klangen sie belustigt oder spottend. Dabei liebten sie ihn doch. Irgendwie konnte er nicht mit diesem Komplex klarkommen, weswegen er überall der Größte sein wollte. In Sport, in den Naturwissenschaften, überall wo er seine Männlichkeit beweisen konnte. Doch er war gescheitert. „Hier seid Ihr, Ikki-sama.“ Es wunderte ihn nicht, dass sie ihn gefunden hatte. Sie wusste so vieles über ihn, weil sie ihm zuhörte und nicht zu den oberflächlichen Mädchen gehörte, deren Anteilnahme nur geheuchelt war. Sie wusste auch, dass es Momente wie jetzt gab, in denen Schweigen Gold war. Nur deswegen konnte sie sich in einer Geste stummen, aufrichtigen Mitgefühls neben ihn stellen und verstehen, was er im Moment brauchte. Sie brauchte keine Worte, um zu sehen und zu verstehen, dass Ikkyu gerade alles andere als gut drauf war. „Ich habe nachgedacht.“ Die Stille hatte Ikkyu geholfen, seine Gedanken zu ordnen, zu überlegen, wie er mit dieser Niederlage umgehen sollte. Und Rika sollte die Erste sein, die seine Entscheidung hören durfte. „Ich höre damit auf...“ Überrascht, weil sie niemals erwartet hätte, diese Worte aus seinem Mund zu hören, sah Rika ihren Freund an. Sie hatte gehofft, ihn noch häufiger auf dem Spielfeld zu sehen. Doch dass er nach einer Niederlage die Flinte ins Korn warf, passte einfach nicht zu ihm. „Es war doch nur dieses eine Spiel, Ikki-sama. Das nächste gewinnt Ihr garantiert.“ Sie wollte ihn aufmuntern, ihm Mut machen, doch er schüttelte nur den Kopf. War ihr Versuch der Aufmunterung vergebens? „Das meine ich nicht. Ich werde aufhören, ein kleiner Junge zu sein. Ich will die Verabredungen mit den Mädchen, die mir selbstauferlegten Herausforderungen und die Schule, einfach alles, ernster nehmen. Nur dann kann ich ein richtiger Mann sein, der nicht mehr auf seine Größe reduziert wird.“ Rika erkannte, dass die Niederlage sein Ego wirklich stark angekratzt hatte. Aber nicht, weil es eine Niederlage war, sondern weil er sie seiner Größe verdankte. „Ich hasse diesen Namen. Ikkyu, kleiner Junge... Ich hasse ihn.“ Es war nicht das erste Mal, dass Ikkyu ihr das erzählte. Immerhin nannte sie ihn nur aus diesem Grund „Ikki-sama“. „Rika?“ Fragend sah sie nach einigen Minuten weiteren betretenen Schweigens auf. Etwas stimmte nicht, denn seine Stimme klang traurig und sie hatte das Gefühl, dass er ihr etwas Wichtiges sagen wollte. „Du würdest nicht nach drei Monaten mit mir Schluss machen, oder?“ Ihre Augen weiteten sich. Wie ein Traum erschienen ihr seine Worte. Einen Traum, den wohl viele andere Mädchen außer ihr im Stillen herbeiwünschten. Oder von dem sie wollten, dass er wahr wurde. „Du bist anders als die anderen Mädchen. Deswegen würdest du mich nicht nach drei Monaten verlassen.“ Hoffnungsvoll sah er sie an. Sich an alles klammernd, an jene, die ihn nicht verstieß. Sie hatte die Chance, nun zuzusagen, seine feste Freundin zu werden, doch sie wollte es nicht. „Ikki-sama... Ihr solltet nach Hause gehen. Morgen sieht alles wieder besser aus. Eine unvernünftige, unehrliche Liebeserklärung könnte unsere Freundschaft zerstören.“ Sanft lächelte sie ihn an, legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter und gab ihm zu verstehen, dass sie selbst in seinen schwächsten Momenten für ihn da sein würde. **~~** Verliebte Menschen sind seltsam. Sie tun Dinge, für die andere kein Verständnis haben. Mich eingeschlossen. Wir kommt es, dass eure Emotionen über euer rationales Denken gewinnen? Ihr gewinnt Stärke aus eben jenen Gefühlen, die euch gleichzeitig auch schwach machen. Am Ende entscheidet nur, welches Gefühl die Oberhand gewinnt. Ist es die Angst oder die Hoffnung? Was war dein stärkstes Gefühl, als du dich mit deinem Wunsch an mich gewandt hast? Es wäre interessant, das zu erfahren. Aber dafür sind wir nicht hier. Ich werde dir ein Geheimnis offenbaren, das nicht einmal Ikkyu... verzeih, Ikki, kannte. **~~** Die Nacht war weit vorangeschritten, als eine Gestalt, gehüllt in ein viktorianischen Kleid, die schwach erleuchteten Wege entlang lief. Sie fühlte sich machtvoll in diesem Kleid und es gab rein gar nichts, was sie in diesem Moment von diesem Gefühl abbringen konnte. Zielstrebig führte sie ihr Weg in ein kleines Lokal, in dem bereits eine Gruppe von Mädchen auf sie zu warten schien. Zufrieden stellte sie fest, dass ihre kleine Gruppe wieder gewachsen war. Scheinbar sprachen sich die Vorteile ihrer kleinen, anonymen Gruppe herum. „Rika-san, schön, dass Sie kommen konnten.“ Alles war zu ihrer vollkommenen Zufriedenheit. Drei Monate hatte es am Anfang gedauert, sich diesen Respekt zu verdienen, aber nun zweifelte niemand mehr an ihrem Status und Rang, den sie in diesem Bund innehatte. Oder vielmehr, in diesem namenlosen Fanclub. „Ist Shinomiya-san da?“ Ruhig, aber mit giftigem Blick sah sich Rika in der Menge um, die zurückwich und schließlich ein zierliches Mädchen mit braungelocktem Haar freigab. „Wir danken dir für deine Berichte. Sie haben uns allen schöne Stunden geschenkt. Und ich bin mir sicher, dass auch Takehito Mira-san gute und ausführliche Berichte schreiben wird.“ Das Mädchen, das Rika eben als neuste Auserwählte bekanntgegeben hatte, lächelte verlegen und genoss die neidischen Blicke der anderen, die einfach noch nicht dasselbe Glück hatten wie sie und eine Handvoll anderer Mädchen. Dennoch applaudierten sie unter Rikas strengem Blick, denn auch ihre Zeit würde kommen, solange sie sich lange genug zurückhielten und gegen keine Regel verstießen. „Vergesst unsere Regeln nicht. Wer sich in Zurückhaltung übt, steigt im Rang und bekommt so die seltene Chance, mit Ikki-sama ausgehen zu dürfen.“ Wissbegierig hingen die Mädchen an Rikas Lippen und nahmen alle ihre Worte auf. Sie erfuhren von ihr so viele Dinge, die wichtig waren und erhofften sich mehr, als wäre sie die Prophetin. „Und noch etwas, das gilt für euch alle. Ikki-sama hasst den Namen Ikkyu, also merkt euch, dass ihr ihn von morgen an Ikki nennt. Und sorgt dafür, dass sich diese Information herumspricht.“ Sie nickten, zum Zeichen, dass sie verstanden hatten. Und Rika wusste, dass sie dafür sorgen würden, dass auch die männlichen Mitschüler respektvoll mit Ikki sprachen. Auch wenn sie niemals seine feste Freundin werden wollte, wollte sie doch dafür sorgen, dass würdige Mädchen mit ihm gingen. Ebenso sollte er nicht mehr unter seinem Namen leiden. Ihr war egal, was sie tun musste, denn seit sie Ikki das erste Mal in die Augen gesehen hatte, war ihr klar gewesen, dass er für sie unerreichbar war. Kapitel 3: Fluch oder Segen --------------------------- Ich habe viel von deiner Welt mit ihren Menschen gesehen und gelernt. Unter anderem, dass eure Wünsche manchmal nicht euer wahres Begehren sind. Ich frage mich deswegen, ob auch dein Wunsch wirklich das ist, was du willst. Ich fände es wirklich schade, wenn du unglücklich wirst. Immerhin gibt es bei deinem Wunsch nichts, was das Universum verwirrt oder die Gefühle deiner Mitmenschen manipuliert. Dein Wunsch ist unschuldig, aber ich frage mich immer noch, warum du ihn nicht selbst erneut gefragt hast. Sicher hätte er dir deine Fragen beantwortet. Oder konntest du es nicht? Aber gut, ich bin dir dankbar, weswegen ich dir als Wiedergutmachung diesen Wunsch erfülle. Aber denk bitte daran, Wissen kann sowohl Segen als auch ein Fluch sein. **~~** „Willst du heute Nacht nicht bei mir schlafen?“ Als Ikki erwachte, kamen ihm diese Worte wieder in den Sinn. Doch als er neben sich sah, bemerkte er, wie sinnlos diese einfache Frage gewesen war. Der Platz neben ihm war leer, und bis auf ihn war niemand mehr in seiner Wohnung. 'Was habe ich eigentlich erwartet?' Müde fuhr er sich mit der linken Hand durchs Haar. Es war also wieder soweit. Drei Monate waren vergangen und erneut hatte ein Mädchen ihn verlassen. Dabei hatte er gehofft, dass er sie in der Nacht so verausgabt hatte, dass sie noch schlafen würde. Doch er hatte gemerkt, wie sie Punkt null Uhr aufgestanden war, sich angezogen und die Wohnung verlassen hatte. Wie die anderen auch hatte er sie ziehen lassen. Doch im Gegensatz zu seiner ersten Freundin hatte er nun andere Gründe dafür. Schwerfällig angelte sich Ikki seine Boxershorts und schlüpfte in diese, bevor er zum Fenster ging und es öffnete. Wie immer verdrängte die Morgenluft seinen Kummer für einige Augenblicke. Er hatte nicht einmal jemanden, dem er es erzählen konnte, denn selbst seine Freundin Rika distanzierte sich von ihm und tauchte nur noch auf, um die Meute Mädchen von ihm fernzuhalten, wenn er mal wieder in einer Beziehung steckte. „Immerhin hatte sie drei wunderschöne Monate...“ Es waren Worte, die er sich immer sagte, wenn eine Beziehung scheiterte. Worte, die seinen Kummer, der kein Liebeskummer war, etwas milderten. Und dennoch wurde damit auch wieder die Stimme lauter, die ihn fragte, ob er jemals ein Mädchen finden könnte, das wirklich von ihm geliebt werden und für immer an seiner Seite sein könnte. 'Nicht mit diesen Augen...' Ikki wandte sich vom Fenster ab und ging zur Tür. Er brauchte erst einmal eine Dusche, um zu seinem geschauspielerten Selbst zu finden. Für einen Womanizer war es immerhin alles andere als cool, wenn er bei der breiten Auswahl an Damen, die er haben konnte, einer einzigen nachtrauerte. **~~** Ikki war froh, dass die Sonne es heute so gut meinte, denn so wirkte es weniger befremdlich für seine Mitmenschen, wenn er seine Sonnenbrille trug. Ungestört konnte er dank dieser dunklen Gläser durch die Straßen laufen. Gerade an einem Trennungsmorgen konnte er die Ruhe brauchen. Es war schon seltsam, dass er sechs Jahre gebraucht hatte, um zu verstehen, dass seine Augen Schuld an allem waren. Sechs Jahre seines Lebens, die gesamte Grundschulzeit, hatte er geglaubt, dass die Mädchen wirklich mit ihm befreundet sein wollten. Im ersten Sommer an der Mittelschule hatte er dann schließlich mit Hilfe einer Sonnenbrille verstanden, dass es seine Augen waren. Was auch immer dabei passierte, legte einen Zauber auf die Mädchen. Zumindest auf fast alle. Zwei weibliche Wesen waren davon ausgeschlossen, was aber wohl eher an ihrer Blutsverwandtschaft lag. Dennoch war er besonders für seine jüngere Schwester, von der niemand außer ihm etwas wusste, eine Gefahr. Er konnte es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren, dass sie vielleicht ein Opfer von Mobbing durch seine Verehrerinnen und Exfreundinnen wurde. 'Warum müssen sie die anderen quälen? Sie haben mich doch verlassen.' Es war eine Frage, die Ikki immer wieder in den Sinn kam. Denn meist waren es die Mädchen, die ihn nach drei Monaten verlassen hatten, die am schlimmsten jene mobbten, die ihm nahe kommen wollten oder waren. Noch dazu waren es auch sie, die seine Nähe weiterhin suchten und sich wie die Motte nach einem unerreichbaren Licht sehnten. Er hasste sie. Er hasste alle Mädchen, die einfach so seinen Augen verfielen. Die sich nicht nach ihm, dem wahren Ikki, sehnten. Er war nur eine Illusion, geschaffen durch diese Augen. Medusas Augen. **~~** Es fühlte sich wie ein Morgenappell an, als Rika vor die Mädchen trat. Zwar gaukelte die Schuluniform den Außenstehenden vor, dass sie alle gleich waren, doch Rika und die Fans von Ikki wussten, dass die Frau mit dem viktorianischen Stil Anführerin war. Ihre Regeln waren streng, doch sie hatten es ermöglicht, dass jede von ihnen die Chance bekam, einmal Ikkis Freundin zu sein. „Momentan teilen sich zwei von euch den gleichen Rang. Und da nur eine von diesen beiden Ikki-samas neue Freundin werden kann, wird dieser Tag heute ein Stichtag. Heute Abend entscheidet entweder die Punktezahl, wer Ikki-samas Freundin wird, oder ein Quiz. Haltet euch an die Regeln und gebt euer Bestes, damit wir bald wieder ein Date mit Ikki-sama genießen können.“ Ein euphorisches „Ja“ kam von den Mädchen, die sich umwandten und auf den Weg in ihre Klassenzimmer machten. Jede von ihnen hoffte, eine der beiden Glücklichen zu sein, denn solange sie nicht die Freundin oder Exfreundin Ikkis waren, durften sie ihm nicht zu nahe kommen. Zuviel Nähe bedeutete weniger Punkte, und weniger Punkte bedeuteten einen niedrigeren Rang und damit auch weniger Privilegien. Rikas System war damit perfekt. Zumindest glaubte sie das. Für sie war dies ein Weg, wie sie Ikkis Willen ausführen konnte. Immerhin musste doch jemand dafür sorgen, dass Ikkis Liebe gerecht verteilt wurde. Sie als Freundin und Managerin hatte das bei ihrer ersten Begegnung sofort verstanden. **~~** „Ich hoffe, es schmeckt dir Ikki. Ich habe dein Lieblingsgericht gemacht.“ Es war wohl die dritte Bentobox an diesem Tag, die Ikki von einem Mädchen erhalten hatte. So langsam fragte er sich, für wie verfressen sie ihn hielten. Kein normaler Mensch konnte drei Bentos essen oder es sich mit drei Mädchen an drei verschiedenen Orten gleichzeitig teilen. Dennoch lächelte er das Mädchen charmant an und bekundete sein Bedauern, dass er in der Pause schon etwas anderes vor hatte und nicht mit ihr essen konnte. Er sah nur zu deutlich ihre Enttäuschung. Es war derselbe Blick, den die Mädchen ihm schenkten, wenn er ihnen erklärte, dass er nicht mit ihnen zusammen sein konnte, weil er eine feste Freundin hatte. Niemand wusste, dass es eben jene Enttäuschung war, die er mit Beginn der High School auf sich geladen hatte und unter der er wohl am meisten litt. Immerhin wollte er sie nicht unglücklich machen. Doch im Gegensatz zu ihnen konnte er es nicht vergessen. Er hatte sich zurückgezogen, oder vielmehr versteckt, denn er spürte mit jeder Sekunde deutlicher die Last auf seinem Herzen. Und er wusste, dass sie noch schwerer werden würde. Die Mädchen verfielen ihm, er enttäuschte sie, er lud sich die Enttäuschung auf und so weiter. Es war ein Teufelskreis, ein Fluch, eingebrockt durch diese verdammten Augen. Doch das Schlimmste war, er musste diese Bürde alleine tragen, weil es kein Mädchen gab, das in den drei Monaten ihn sah. Keine seiner Exfreundinnen hatte ihn dazu gebracht, ihr aufrichtigen Herzens näher kommen zu wollen. Denn auch sie wollten ihm nie vertraut nahe sein. Der Beweis dafür waren die Bentos mit seinem angeblichen Lieblingsessen. Er fragte sich immer noch, woher sie wussten, was er wohl mochte. Sie, die ihn nur oberflächlich bewunderten. Angewidert biss er in das kunstvoll zurechtgeschnittene Würstchen. Er konnte sie nicht mehr sehen. Genauso wie damals, als seine Schwester an ihm geübt hatte, das Lieblingsessen ihres Schwarms richtig zuzubereiten. Er hatte nur notgedrungen ihre Bentos gegessen, bis sie es wirklich perfekt beherrschte. Leider hatte ihr Bestreben nichts gebracht, aber sie war nicht lange traurig über ihre unerwiderten Gefühle geblieben. Und irgendwie machte es Ikki stolz, dass seine kleine Schwester so stark war. Nur deswegen aß er auch seine so sehr verhassten Würstchen. Sie erinnerten ihn immer wieder daran, dass auch er stark sein konnte und dann, irgendwann, sein wahres Lächeln wiederfand. **~~** Der Abend war angebrochen und obwohl Ikki seine Zeit eher mit Schulbüchern totschlagen sollte, verbrachte er sie in einer kleinen Bar, in der er Drinks mixte, Gläser polierte und den weiblichen Gästen etwas von seiner Aufmerksamkeit schenkte. Er hatte diesen abendlichen Job vor einer Woche angenommen, um seine Wohnung zu finanzieren, und die Bezahlung war wirklich nicht schlecht. Schnell hatte er sich das richtige Mischverhältnis für einen Manhattan oder Sex on the Beach gemerkt. Immerhin machte ihn seine schnelle Auffassungsgabe zu etwas Besonderem. Doch hier in dieser Bar war er ein Mann wie alle anderen auch, denn seine Kollegen gehörten nicht gerade zu der uncharismatischen Sorte. Auch sie wussten, wie sie eine Frau nur mit einem Blick oder einem Lächeln zu einem Flirt verführten. „Ikki, komm mal her!“ Der letzte Tropfen eines frisch gemixten Drinks hatte seinen Weg ins Glas gefunden, als ein Kollege Ikkis nach ihm rief. Der High School-Schüler sah auf zum Billardtisch, an dem ein wirklich charismatischer Kellner mit einer Schar hübscher Damen stand. Es war in der Bar Gang und Gebe, dass sowohl die Kellner als auch die Barkeeper mit dem weiblichen Geschlecht flirteten und den Männern am Billardtisch oder der Dartscheibe die ein oder andere Herausforderung boten. Doch heute sah es bei den Männern eher rar aus und scheinbar suchte sein Kollege jemanden, den er nutzen konnte, um vor den Mädchen Eindruck zu schinden. Charmant entschuldigte sich Ikki bei der Dame, mit der er etwas Small Talk gehalten hatte. Sie lächelte ihn verständnisvoll an, hin und weg von seinen Augen, die sie trotz ihres angestiegenen Alkoholpegels nur zu gut erkennen konnte. „Sag mal, Ikki, hast du schon einmal Billard gespielt?“ Verneinend schüttelte Ikki den Kopf. Er hatte in den letzten Tagen zwar viele Spiele von seinen Standort aus beobachtet, aber selbst war er noch nicht in den Genuss gekommen, mit dem Queue die Kugeln anzustoßen und in die für sie vorgesehenen Löcher zu verfrachten. „Das ist nicht schlimm. Komm, wir bieten den Ladies ein kleines Duell. Ich werde dir auch den ersten Stoß schenken.“ Siegessicher hielt sein Kollege ihm den Queue hin. Gegen einen blutigen Anfänger, so wusste er, würde er nicht verlieren. Doch Ikki, der so selbstbewusst den Queue annahm, verunsicherte ihn. „Senpai, ich hoffe, du bereust es nicht. Ich gewinne jedes Spiel, bei dem man die Hände braucht.“ Selbstbewusst stellte sich Ikki an den Tisch und beugte sich vor, um den ersten Stoß auszuüben. „Die einfarbige Sechs ins hintere, rechte Loch“, verkündete er. Ihm war das spöttische Lachen seines Kollegen egal. Er hatte bereits alles berechnet, eingeschätzt und im Geist durchgespielt. Die einfarbige Sechs würde ins hintere, rechte Eck gehen. Ein begeisterter Aufschrei ertönte, als Ikki seine letzte einfarbige Kugel mit einem sanften Stoß ins mittlere Loch beförderte. Sein Gegner war stark und kannte dieses Spiel besser als er, aber er hatte die ganze Zeit, mit all seinen Stößen, Ikki in die Hand gespielt. Mit einer cleveren Taktik, die er durch ein Pokerface getarnt hatte, war es ihm gelungen, geschickt das Spiel zu lenken. Sein Gegner hatte zwar auch alle halbfarbigen Kugeln versenkt, aber bei der schwarzen waren die Nerven nicht stark genug gewesen. Und nun lag sie vor ihm, die schwarze Acht, inmitten des Feldes. Er hatte fast alle Möglichkeiten der Welt, um sie zu versenken und konnte bei den Damen mit einem äußerst kunstvoll wirkenden Stoß, Eindruck schinden. Doch die Damen waren ihm egal. Ein sicherer Sieg, mit dem er zu seinem Wort stand, war ihm lieber. „Die schwarze Acht ins hintere, linke Loch.“ Selbstsicher und mit genügend Schwung stieß er die weiße Kugel an, die auf die schwarze Acht zurollte und ihre Energie auf diese übertrug. Es war einfachste Physik. Eine kleine Berechnung, die ihm geholfen hatte, seinen Gegner und seine Situation passend zu berechnen. Nur dank diesen Berechnungen war es ihm möglich gewesen, seine Prognose wahr zu machen. Wie schon einige Male an diesem Abend wurden seine Worte wahr und er zum Gewinner. Der Feierabend hatte Einzug gehalten und Ikki legte seine Barkeeperkleidung ab. Er schwelgte immer noch in diesem angenehmen Hochgefühl seines Sieges und war froh, dass sein Kollege diese Niederlage mit einem Lächeln weggesteckt hatte. Er hatte sich sogar noch eine Revanche angetan und auch bei dieser verloren. „Hey, Ikki! Unglaublich, was du dir da geleistet hast.“ Ikki sah zur Tür, von der aus sein Kollege den Raum betrat. Er war recht heiter, was ihn wohl von richtigen High School-Schülern, die soeben eine Niederlage erlitten hatten, unterschied. In seiner Stimme schwang auch kein Groll mit, was Ikki erleichterte. „Du hast wirklich noch nie Billard gespielt?“ Irgendwie konnte er es immer noch nicht glauben, dass ein blutiger Anfänger ihn gleich zwei Mal besiegt hatte, weswegen er einfach hoffte, dass Ikki geflunkert hatte, um im Nachhinein die Damen zu beeindrucken. Es war zumindest keine Seltenheit, dass die Angestellten das taten. Doch so ehrlich wie er es meinte, schüttelte er erneut seinen Kopf. „Ein Naturtalent also? Wie wäre es, wenn wir beiden jeden Abend ein Spielchen machen?“ Der Gedanke daran, abends ein entspanntes Spiel mit einem Kollegen zu machen, gefiel Ikki. Noch dazu gefiel ihm Billard. Nicht weil er gewann, sondern weil er über diese geistige Herausforderung sogar seine Last und die Mädchen vergessen konnte. **~~** Wer hätte gedacht, dass hinter diesem verführerischen Blick so ein leidgeplagtes Genie steckt. Es ist interessant zu sehen, wie stark doch so ein oberflächlicher Schein trügen kann, oder wie schnell ihr Menschen glaubt, euch durch Beobachtungen wahres Wissen anzueignen. Dein Wunsch wird dir natürlich wahres Wissen vermitteln. Du wirst mehr über Ikki erfahren, als die anderen Mädchen in seiner Nähe. Für viele mag es nicht fair erscheinen, aber Ukyo-sans Wunsch ist dir gegenüber auch nicht fair gewesen. Deswegen ist es eine Wiedergutmachung. Ich gebe dir jene Informationen zurück, die du dir selbst erarbeitet hast, indem eine Kommunikation mit Ikki oder den Fanclubmitgliedern erfolgte. Vielleicht ist er dir deswegen verfallen. Du warst immerhin die Erste, die ihn entgegen seines Images, das er aufrecht zu erhalten versuchte, kennenlernen wollte. Im Gegenzug dazu versuchte er, dich kennenzulernen und er erfreute sich daran, dass sein Segen bei dir nicht zu einem Fluch wurde. **~~** Selbst nach Monaten hatte Ikki seinen Spaß am Billard nicht verloren. Er spielte sogar mit der ein oder anderen Dame um irgendwelche belanglosen Dinge wie eine Telefonnummer, einen Kaffee usw. Doch obwohl er für gewöhnlich gewann, hatte er heute, im Auftrag seines Chefs, eine Partie verloren. Sie hatte wohl genug Geld für einen Sieg gegeben, und obwohl sie nur zu gut wusste, dass er sie gewinnen lassen hatte, wirkte sie zufrieden. Immerhin gehörte Ikki diese Nacht ihr. An diesem Abend beachtete er nur sie, gab ihr noch einmal das Gefühl, jung zu sein und dass er sich körperlich nach ihr sehnte und sie begehrte. Noch während ihres Flirts, bei dem er für sie einen besonderen Drink mixte - er versprach ihr, dass er ihm ihren Namen geben würde - stellte sie sich vor, wie seine Lippen die ihren verschlossen. In ihrer Fantasie machte sie Dinge, die verboten waren, weil Ikki wohl einfach zu jung war. „Sind Sie alleine hier?“ Seine verführerische Stimme holte sie zurück in die Realität. Der neue Drink stand bereits vor ihr und sie legte ihre zierlichen Finger an das kühle Glas. Sie bewunderte die rote Farbe und fragte sich, ob er ihr damit, in Verbindung mit seiner Frage, Signale geben wollte, wie der Abend noch verlaufen könnte. „Mein Mann ist auf Geschäftsreise. Ich bin sowohl hier als auch zuhause alleine.“ Sie lächelte charmant, sah ihm wieder in diese unglaublichen Augen und hoffte, dass er ihren Wink verstand. „Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich Sie nachher nach Hause begleiten.“ Glücklich ergab sie sich der Illusion, dass er ihre Andeutung verstanden hatte und sie doch noch von der verbotenen Frucht probieren durfte. Sie war dankbar, dass Ikki ihre Tasche trug und sie sich sicher bei ihm eingehakt hatte. Der letzte Drink war wohl doch zu viel gewesen, vielleicht war sie auch einfach nur trunken vor Vorfreude auf das, was vielleicht nachkam. „Hier wohne ich...“, erklärte sie schließlich nach einigen Metern vor einem Apartmenthaus, in dem nur Gutbetuchte sich ein Luxusapartment leisten konnten. Ikki hatte nicht den geringsten Zweifel, dass sie und ihr Mann vermögend waren, doch gerade die Verführungen des Geldes konnten zu einem Spiel mit dem Feuer führen. „Möchtest du noch auf einen Drink hoch kommen?“ Er sah diese Hoffnung in ihren Augen aufleuchten, doch er wusste bereits, dass er sie enttäuschen würde. „Tut mir leid. Wir sollten das nicht tun. Am Ende bereuen Sie es.“ Liebevoll nahm er ihre Hand und legte ihr die kleine Handtasche hinein. Sie wusste damit, dass er sie nicht nach oben begleiten würde. Und dennoch weiteten sich ihre Augen, als Ikki sich vorbeugte und ihr einen sanften Kuss auf die Wange gab. „Schlafen Sie gut und träumen Sie was Schönes.“ Errötet, mit dem Gefühl, wieder ein dummes, verliebtes Schulmädchen zu sein, sah sie in Ikkis strahlende Augen. Obwohl sie wusste, dass es falsch war, schlug ihr junggewordenes Herz wild und unbändig. Selbst als er sich abwandte und in der Dunkelheit der Nacht verschwand, konnte sie nicht anders, als einen wehmütigen Seufzer zwischen ihre Lippen vordringen zu lassen. **~~** Rika hatte von Ikki erfahren, wo er nun abends arbeitete. Sie hatte nach ihm sehen wollen, ihn dort besucht, ohne dass er davon wusste, und ihn am Billardtisch entdeckt. Selten hatte sie ihn mit diesem glücklichen Funkeln im Gesicht gesehen, was ihr nur deutlich verriet, dass er dieses Spiel genoss und wohl auch liebte. Es war eine Information, die sie mit den Mitgliedern von Ikkis Fanclub teilte. Und noch viel mehr. „Heute hat die Zahl unserer Mitglieder einen Stand erreicht, bei der wir nicht länger ein kleiner Fanclub sind. Wir sind vielmehr ein Verein. Und deswegen sind wir von heute an ein Billardverein und unser Nummer eins Mitglied ist Ikki-sama.“ Kapitel 4: Rivale ----------------- Obwohl wir die ganze Zeit große Sprünge in der Zeit gemacht haben, sind es jetzt nur noch kleine Schritte, die wir machen werden. Auch dieses Mal wirst du die Sicht einer anderen Person sehen, um Ikki etwas näher zu kommen. Es ist der vorletzte Teil unserer Reise, und der letzte, bei dem ich dich begleiten kann. Freue dich auf den letzten Teil und genieße noch etwas unsere gemeinsame Zeit. Und die Zeit, in denen du keiner Rivalität ausgesetzt bist. Wobei Rivalität auch zu Freundschaft werden kann. **~~** Obwohl er den Blick starr in sein Buch gebannt hatte, führten seine Beine ihn sicher zu seiner neuen Universität. Es war ein Leichtes gewesen, dort aufgenommen zu werden, und er hatte sich bei allen möglichen Fächern eingetragen, die seinen scharfen, klaren Verstand förderten. Doch seine Erwartungen an die geistige Herausforderung waren nicht sehr hoch. Schon in der Schule hatte sich niemand mit ihm messen können. „Ich weiß, wir haben uns gerade erst kennengelernt, aber im ersten Moment, als ich dich sah, habe ich mich in dich verliebt. Bitte geh mit mir.“ Eigentlich lagen solche Dinge nicht in seinem Interessenbereich, aber so wie es die Gesellschaft wohl von ihm verlangte, sah er von seinem Buch auf. Die Szene zeigte eindeutig menschliches Balzverhalten. Dieses unscheinbare Mädchen, ihre langen schwarzen Haare glänzten leicht im Licht, die Körperstatur war Standard und selbst ihr Gesicht war nichts Besonderes, schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, gleich am ersten Tag einen stattlichen Freund zu finden. Dennoch gab es sicher das ein oder andere Männchen, das sie als schön bezeichnet hätte. „Tut mir leid, aber ich empfinde nichts für dich. Außerdem haben wir uns eben erst kennengelernt.“ Damit war eigentlich alles gesagt. Ihre Balzversuche waren absolut sinnlos. Dieser gutaussehende Schönling mit hellblauem oder doch weißem Haar hatte immerhin scheinbar klar erkannt, dass diese Beziehung auf Grundlage einer kurzen Kennenlernphase nicht funktionieren konnte. Er unterschied sich immerhin von den anderen triebgesteuerten Wesen seiner Art. „W-Was soll das? Es ist doch eindeutig, dass wir seelenverwandt sind! Du hast mir doch eindeutige Signale geschickt! Oder hast du eine andere? Betrügst du mich?“ Irgendwie war er fasziniert von diesem unlogischen Verhalten, das scheinbar durch Gefühle ausgelöst wurde. Ihre Stimme bekam eine Frequenzhöhe, die selbst eine Sirene übertraf und damit die Aufmerksamkeit aller Umstehenden auf sich lenkte. Für ihn genügte das. Aus einigen Büchern, die er aus Gründen sozialer Studien gelesen hatte, wusste er, was passieren würde. Wieder seine Nase in sein Buch vergrabend, wandte er sich von der Szene ab und ging ins Universitätsgebäude. Die Mathematik war wesentlich interessanter als unlogische Dinge wie Gefühle. **~~** Sein Blick war, für Außenstehende vollkommen ruhig, fassungslos auf das Brett für die Matheprüfungsergebnisse gerichtet. Wie nicht anders zu erwarten hatte er die volle Punktzahl erreicht und damit die beste Note. Doch da stand er wieder, sein ewiger Gegner, seine geistige Herausforderung, Ikkyu. Seit er hier angefangen hatte, war es eben jener, für ihn gesichtslose Ikkyu, der sich in allen Fächern, die auch er belegte, mit ihm den ersten Platz teilte. Ein zweites Genie, ein Gegner, der seiner würdig war. Wer war dieser Mann, der unter Kents Namen stand? „Darf ich mal?“ Kent hatte nicht mitbekommen, dass er in einem halbwegs unlogischen Ausbruch von Freude, die Punkteliste in Beschlag genommen hatte. Der Aufforderung Folge leistend ging Kent aus dem Weg und erkannte den jungen Mann mit der undefinierbaren Haarfarbe vom ersten Unitag. Er hatte ihn schon des Öfteren gesehen, in seinen Sitzungen, und wie üblich war er umringt von Mädchen, die um seine Aufmerksamkeit buhlten. Nachdenklich schob sich Kent die Brille hoch. Es war seltsam, denn trotz aller biologischen Fakten der Partnerwahl war es dieser Student, der scheinbar als potentielles Männchen für alle Frauen in Frage kam. Das konnte doch nicht sein. Seit der ersten Sitzung fragte er sich, was dieser Mann für einen genetischen Code besaß, dass alle Weibchen zu denken schienen, dass nur er für eine Beziehung in Frage kam. „Ikki, du bist wieder auf Platz eins!“ Begeisterte Ausrufe wurden laut, als das Ergebnis des jungen Mannes laut kundgegeben wurde. Doch diese Verkündung führte dazu, dass Kent alle Gesichtszüge entglitten. Dieser Schönling sollte das Genie neben ihm sein? **~~** Kents neustes Studienobjekt, Ikkyu, hatte sein Interesse geweckt. Scheinbar war der Frauenschwarm in wirklich allen Fächern gut. Zumindest in jenen, die auch er besuchte. Seit er wusste, dass es dieser Mann war, hatte er sich alle Informationen über sein Objekt geholt. Schon in der Schule war Ikkyu Klassen- und Schulbester gewesen, Schulsprecher, was er wohl den Stimmen der Damen verdankte, und ehemaliger Barkeeper in einer kleinen Bar, in der er auch Billard gespielt hatte. Seit bereits zwei Jahren lebte er nicht mehr bei seiner Mutter und der drei Jahre jüngeren Schwester, die beide nicht wussten, wo er sich befand. Es hatte für Kent fast den Eindruck, dass Ikkyu untergetaucht war. Dennoch, scheinbar lebte Ikkyu nicht schlecht. Er bezahlte pünktlich seine Miete und das Stipendium hatte er sich mit besten Noten erworben. Alles schien mit rechen Dingen zuzugehen und das faszinierte Kent. Es gab jetzt nur noch eine Sache, die er tun musste, um seine Recherche abzuschließen. Er musste persönlich mit Ikkyu reden. **~~** Dicke graue Wolken hingen über ihren Häuptern und Kent sah verwundert zu Ikkyu, der trotz düsterer Umgebung eine Sonnenbrille trug. Kent war dieses Verhalten unerklärlich. Machte sich der andere über ihn lustig? Soweit er gelesen hatte, gehört das nicht zu dem richtigen sozialen Umgang. „Du wolltest mich treffen?“ Elegant hob Ikkyu eine verschlüsselte Notiz hoch. Kent hatte seine Nachricht als Test kodiert und nun hatte er einen weiteren Beweis dafür, dass Ikkyu ihm geistig ebenbürtig war. „Du hast sogar meine Nachricht entschlüsselt. Ich bin wirklich beeindruckt.“ Mechanisch hob Kent seinen Regenschirm, als er den ersten Tropfen kalten Wassers auf seiner Haut spürte. „Und das war alles?“ Eine interessante Regung zeigte sich in Ikkyus Gesicht. Es war so etwas wie Verwunderung in seiner Stimme, doch seine Augenbrauen neigten sich in eine Position, die Wut bedeutete. Doch er war sich nicht sicher, denn durch seine verdeckten Augen war es schwer, diesen Ausdruck wirklich zu deuten. „Du bist ein interessantes Forschungsobjekt, Ikkyu. Du hast herausragende Noten in den Naturwissenschaften und in Sport, bist im sozialen Bereich sehr begehrt und scheinbar neigen die Weibchen dazu sich mit dir als einzigen paaren zu wollen. Mich interessiert, was für eine plausible Erklärung es für all das gibt. Kein Mensch kann so perfekt sein.“ Ausdruckslos sah Kent den jungen Mann vor sich an. Es war schwer, das angelesene Wissen zu nutzen, wenn Ikkyu seine Sonnenbrille trug. Er hatte es so nicht kommen sehen, als Ikkyu sich von ihm abwandte und ohne zu antworten zurück zum Unigebäude lief. „Ikkyu...“ Es war nicht seine Art, jemandem nachzurufen, aber von Ikkyu wollte er eine Antwort. **~~** Ruhig sah Kent auf das aufgebaute Schachbrett in seinem Büro. Er war Tutor geworden und aus Dankbarkeit hatte man ihm ein Büro überlassen, in dem er arbeiten konnte. Zusammen mit seinem Professor für Mathematik arbeitete er an einer neuen Formel, die die Fundamente bisheriger logischer Mathematik erschüttern würde, wenn sie sich als richtig erwies. Und die Richtigkeit zweifelte Kent nicht an. Die Frage war nur, wie er es beweisen sollte. Sein zweites Forschungsobjekt, Ikkyu, war aber auch noch nicht vom Tisch. Er hatte alles versucht, ihn privat angeschrieben, angesprochen, Rätsel geschickt, die er eindeutig gelöst hatte, doch noch immer schwieg er und ignorierte jeglichen Versuch der Kontaktaufnahme. Die Tür ging auf und verwundert hob Kent den Kopf. In der Regel klopften seine Besucher, noch dazu kamen sie nicht ohne Ankündigung. Doch mit diesem Gast hatte er nicht gerechnet. „Ikkyu...“ Seine Stimme war kühl, monoton, genau wie sein Ausdruck, doch die Tatsache, dass er ohne weitere Worte nur den Namen ausgesprochen hatte, verriet, dass er überrascht war. „Hör auf!“ Dieses Mal trug Ikkyu keine Sonnenbrille, so dass Kent eindeutig erkannte, dass sein Gegenüber wütend war. Auch wenn er nicht wusste weswegen. Doch er wollte diese Gelegenheit nutzen, endlich Antworten zu bekommen. „Setz dich doch.“ Er wies auf die Sitzgelegenheit gegenüber von sich und sah Ikkyu auffordernd an. „Willst du mich veralbern?“ Fassungslosigkeit stand in Ikkyus Gesicht geschrieben. Doch warum? Kent verstand es nicht. Vielleicht hatte er sich falsch verhalten, doch in den Büchern hatte nie gestanden, wie man sich bei dem Wutausbruch einer anderen Person verhielt. Wahrscheinlich würde er später dieses Gespräch rekonstruieren, um sein Fehlverhalten zu finden und in der Zukunft zu beseitigen. Obwohl Ikkyu schon verwundert über das Verhalten des anderen war, ging er zu dem ihm gewiesenen Platz und setzte sich. „Gehen wir es doch logisch an... Womit soll ich aufhören?“ Wie von selbst griff Kent einen weißen Bauern von seiner Seite des Schachfeldes und stellte diesen zwei Felder von seinem Ursprungsplatz erneut ab. „Womit? Mich bei meinem Namen zu nennen!“ Wie Kent griff auch Ikkyu nach einem seiner Bauern und versetzte ihn um ein Feld. „Warum sollte ich es nicht tun? Es ist unlogisch, dich mit einem anderen Namen, als den dir gegebenen anzusprechen. Einen Tisch würde man, abgesehen von einer anderen Sprache, auch nicht anders nennen.“ Es war seine präzise Logik, mit der er versuchte, Ikkyu klarzumachen, warum er ihn nicht anders nennen würde. Spitznamen entzogen sich seinem logischen Denken, ebenso wie das Handeln Ikkyus, der nach seinem zweiten weißen Bauern, den er ebenfalls um zwei Felder vorgesetzt hatte, den schwarzen Bauern von zuvor wieder ein Feld vorsetzte. „Dich kümmert es also nicht, wenn du anderen damit Unbehagen bereitest?“ Unbehagen... Daran hatte Kent gar nicht gedacht. Wie interessant. Vielleicht konnte er in dieser Partie Schach noch das ein oder andere über soziales, nicht rationales Verhalten lernen. Unbemerkt waren die Stunden vergangen und der Mond hatte bereits die Sonne vom Himmel abgelöst. Dennoch war die Partie Schach zwischen Ikkyu und Kent noch immer nicht beendet, doch ein Blick auf das Feld verriet, dass es nicht mehr lange dauerte. „Du willst mir also sagen, dass sich, entgegen aller bewiesenen biologischen Fakten, die Menschen weiblichen Geschlechts in dich verlieben, weil ein Blick in deine Augen sie verzaubert?“ Es war der letzte Zug, den Kent setzte. Das Spiel war ein Abbild ihres gesamten Gespräches, denn obwohl er Ikkyus Behauptung nicht glaubte, gab es keinen Beweis, der sie widerlegte. „Das ist die einzige logische Erklärung. Ich denke... das ist ein Patt.“ Ikkyu hatte genau den Zug gemacht, der das Patt, oder auch Remis, besiegelt hatte. Es war keine Niederlage, aber ebensowenig ein Sieg, was neu für Kent war. Nicht einmal seine Dozenten hatten ihn in diesem Spiel schlagen können, aber Ikkyu hatte vom ersten Zug an auf diese Situation hingespielt, und er hatte es nicht bemerkt. „Wirklich faszinierend.“ Wieder schob sich Kent, in Gedanken versunken, seine Brille hoch. Er hatte nicht gedacht, dass Ikkyu selbst die Königsdisziplin des Denksports beherrschte. „Ich verliere nie ein Spiel, bei dem man die Hände braucht. Und ein Unentschieden ist meines Erachtens nach keine Niederlage.“ Ein zufriedenes Lächeln lag auf Ikkyus Gesicht. Er hatte wieder einmal zu seinem Wort gestanden, selbst aus Sichtweise der Logik. Und zum ersten Mal verspürte Kent deutlich dieses Gefühl, von dem seine Lehrbücher als „Unzufriedenheit“ gesprochen hatten. **~~** Mit aufgespanntem Regenschirm stand Kent vor Ikkyus Wohnhaus und wartete auf seinen Rivalen. Es war eine Art Tradition geworden, dass sie einander abholten und dabei kleine Matheaufgaben austauschten. Ihr kleines Duell von vor einem halben Jahr war immer noch nicht zu Kents Zufriedenheit ausgetragen, und der Frauenschwarm faszinierte das Genie auch immer wieder aufs Neue. „Pünktlich wie immer.“ Es war ein zufriedenes Lächeln, das auf Ikkyus Gesicht ruhte, als er Kent sah, der ihm ohne Umschweife ein neues Rätsel entgegenstreckte. Er hatte sich besonders viel Mühe gegeben, es so schwer wie möglich zu machen, denn sie schenken sich beide nichts. „Ich habe gehört, dass du einen Kurs besuchst, der für deine Verhältnisse doch recht ungewöhnlich ist, Ken.“ Neben seinem Rivalen, unter dessen Schirm, lief Ikkyu den vertrauten gemeinsamen Weg in Richtung Uni. Sein Blick war aber seitlich zu Kent gewandt, der stur nach vorne sah und wie üblich keine Regung zeigte. Er wusste aber durchaus, wovon Ikkyu sprach. „Medusas Blick. Jeder, der ihr, laut der Mythologie, in die Augen gesehen hat, wurde zu Stein. Sie selbst wurde Opfer ihres eigenen Zaubers. Armors Pfeil. Wird man von ihm getroffen, verliebt man sich in die erste Person, die man sieht. Die sagenumwobene Liebe auf den ersten Blick. Biologisch gesehen spielen hierbei andere Komponenten eine Rolle, aber viele Leichtgläubige verfallen der Hoffnung an die Seelenverwandtschaft zu einem Menschen, den man nicht kennt und nur einmal in seinem Leben gesehen hat. Alle drei Dinge haben etwas gemeinsam. Sie brauchen Blickkontakt zu einem Probanden.“ Ikkyu verstand, was sein Rivale sagen wollte. Er hatte sich scheinbar genau über alle Mythen informiert, um zu beweisen, dass Ikkuys Fluch nur Humbug war. „Gehen wir einfach davon aus, dass die Fotorezeptoren weiblicher Probanden andere elektromagnetische Strahlung in ihrem sichtbaren Spektrum wahrnehmen als die männlichen. So werden diese Lichtreize von ihnen anders wahrgenommen und verzerren das Bild, wodurch ihr Gehirn eben jenes verzerrte Bild zu einem anderen umwandelt, weswegen sie dich dann nicht Naturgemäß sehen. Allerdings ist es vollkommen unlogisch, dass die elektromagnetische Strahlung, die sie aufnehmen, eine andere als der männlichen Probanden ist. Ebenso haben meine Untersuchungen ergeben, das eben jenes Bild, dass sie aufnehmen in der Tat dem Bild entspricht, dass du in Natura darstellst. Ich hatte mir durch diese Literatur erhofft, vielleicht etwas Handfestes zu finden, das sich mit den Gesetzen der Biologie vereinen lässt. Doch nichts.“ Die ganze Zeit hatte Ikkyu seinen Ausführungen über Rezeptoren, Strahlungen usw. zugehört, doch kaum dass Kent seine Theorie erläutert, widerlegt und schließlich versucht hatte umzubauen, musste er lachen. Für Kent war diese rationale Denkweise, mit der er gerade konfrontiert wurde, vollkommen typisch. „Du wirst nie akzeptieren, dass es Dinge gibt, die weit über alle Logik hinausgehen, oder? Das zeigt nur, dass du noch nie verliebt warst. Meine Augen und die Liebe, das sind beides Dinge, die sich allen Naturgesetzen und aller Logik entziehen. Aber das, mein Freund, wirst auch du verstehen, wenn die richtige Madam vor deiner Tür steht und du diese Begegnung nicht mehr mit mathematischen Formeln begründen kannst.“ Freundschaftlich klopfte Ikkyu seinem Rivalen auf die Schulter. „Dein Freund?“ Fragend aber ruhig sah Kent zu Ikkyu. Er hatte noch nie einen Freund, aber auch nie einen Rivalen. Als Kind hatte er mal ein Buch über Freundschaft gelesen, und wenn er alle Fakten aus diesem mit den Fakten ihrer Beziehung verglich, so waren er und Ikkyu wohl wirklich Freunde. Doch wie war das geschehen? Wann war es geschehen? Im Geiste ging Kent alle Tage durch, die sie miteinander verbracht hatten. So ganz fand er keine Erklärung dafür. Es war einfach geschehen. Vielleicht hatte Ikkyu Recht und es gab Dinge, die sich aller Logik entzogen. Und vielleicht brauchte er dafür nicht einmal die Liebe, sondern einen guten Freund, um das zu verstehen. **~~** Ikki hat mit Kent wirklich einen guten, engen Freund gefunden und auch Kent wurde durch diese Freundschaft bereichert. Meinst du nicht auch, dass es interessant ist, wie diese Gegensätze sich anziehen? Auf diese Weise faszinieren mich Menschen immer wieder und sie werden es auch in Zukunft tun. … Es tut mir leid, aber unsere gemeinsame Zeit endet nun hier. Wenn du aufwachst, musst du deine Zukunft selbst in die Hand nehmen. Aber ich bin mir sicher, dass du mit guten Freunden, mit Rivalen und mit deinem Herzen, alles richtig machen wirst. Kapitel 5: Wirkungslos ---------------------- Mieru ai no shurui wa hate naku Kodoku to hiki kae ni somaru lie Iro tori dori no oto wo tsuru nuite Karada ga hanatsu bimi naru ondo Es ist eine gewohnte Melodie, die du von deinem Wecker hörst, als er dich daran erinnert, dass du aufstehen musst. Heute ist immerhin ein besonders wichtiger Tag für dich. Der erste Tag als Maid im Maido no Hitsuji liegt zwar schon etwas länger zurück, aber dennoch erlauben es dir die Umstände des Tages, nervös zu sein. Du bist nun schon seit einigen Monaten ein Mitglied im sogenannten Billardverein, der eigentlich nichts weiter ist als der Fanclub von Ikki-san, deinem Kollegen im Café ist. Oh ja, noch heute ist dir dein erster Tag als Maid gut in Erinnerung geblieben und selbst jetzt glaubst du noch, mit der wohl schlimmsten Person dieser Welt zu arbeiten. Und doch hatten auch dich diese blauen Augen in ihren Bann gezogen. Plötzlich war die Welt um dich herum in Vergessenheit geraten und es gab nur noch diesen Mann. Diesen Mann, der jede haben kann, wie dein Vater. Allein der Gedanke an deinen Vater, der Hass auf diesen Kerl, hatte dich gerettet. Du warst seinem Bann entkommen, zu seiner Überraschung, und seitdem hatte er keine Minute ausgelassen, um sich bei dir einzuschleimen. Er schrieb dir SMS, versuchte dir auf der Arbeit nahe zu kommen, bis es dir gereicht hatte und du ihm deine Meinung gesagt hattest. Noch heute spürst du den leichten Schmerz in deiner Handfläche, dem du einer Ohrfeige an Ikki-san verdankst. Wahrscheinlich hatte noch keine Frau ihn so dermaßen abgewiesen und ihm gezeigt, wie sehr sie ihn hasste. Ja, du hasst Ikki-san, und dennoch bist du seinem Fanclub beigetreten. Die Idee dazu war aus einem Gespräch mit Sawa-san entstanden, die selbst noch kein Mitglied der Ikki-Anhängerschaft ist. Zum Glück. Sie ist immerhin deine einzige Vertraute, die einzige Person, mit der du über sein wahres Gesicht reden kannst. Doch auch ihr hattest du nichts von dieser Idee erzählt, sonst hätte sie sich nur Sorgen gemacht, was sie auch tat. Der Fanclub ist immerhin so grausam, dass man ihm wenn möglich aus dem Weg geht. Schnell hattest du alle nötigen Informationen über die Spielregeln gesammelt, hattest sie mit größtem Vergnügen befolgt und warst aufgestiegen. Tag für Tag hattest du dir die albernen Berichte durchgelesen, in denen stand: Wir waren heute mit Ikki einkaufen. Er hat uns gesagt wie schön wir in dem roten Kleid aussehen. Sofort haben wir es uns gekauft, um beim nächsten Treffen Ikki zu gefallen. Er hat sogar unsere Einkäufe getragen. Manchmal hast du über diese Einträge gelacht. Einfach weil sie dieses Wir-Gefühl der Truppe auf lächerlichste Weise darstellten. Doch schon von Anfang an hatte man dir gesagt, dass dies die einzige Möglichkeit sei, wie man das Gefühl bekam, dass auch jene, die nicht Ikki-sans feste Freundin waren, mit ihm ausgegangen seien. Einfach Lächerlich. Und dennoch hast du bis zum gestrigen Abend mitgespielt. Ab heute bist du die Glückliche, die neue Frau an Ikki-sans Seite. Eigentlich war das nicht dein Ziel gewesen, aber nun willst du doch die Chance nutzen und diesem Casanova zeigen, dass er doch nicht jede haben kann. Doch schon der Gedanke alleine mit ihm zu sein, einen auf verliebtes Mädchen zu machen, damit er mit dir geht, lässt deinen Magen Purzelbäume schlagen. Heute ist eben doch ein besonderer Arbeitstag. Heute bist du die erste, die ihn darum bittet, mit ihm zu gehen. Die Frage ist nur, wie du das machen wirst. **~~** „Willkommen, Meister!“ Dein Gruß entlockt den männlichen Gästen wie üblich ein zufriedenes Lächeln. Kein Wunder, in deiner Maid-Uniform siehst du nicht einmal schlecht aus und sicher erfüllst du mit deinem Auftreten vielen Männern einen innigsten Wunsch. Seltsam, einer dieser Männer sieht wie dieser Niel aus deinem Traum aus. Er lächelt dich warm und wissend an. Wahrscheinlich bildest du dir das aber auch nur ein. Mit einem freundlichen Lächeln führst du die neuen Gäste zu einem freien Platz und ziehst noch im Gehen deinen Block und den Stift aus der Tasche. Der Gast ist laut Waka, dem Besitzer des Cafés, immerhin der Feind und Feinde muss man schnell „beseitigen“. Oder, um es einfacher zu sagen, ein schnell bedienter Gast bringt gutes Geld. Alles was du tust, wirkt so natürlich, so als würdest du das schon ein Leben lang machen, und doch liegt dir etwas Unangenehmes im Nacken. Du spürst Ikki-sans Blicke, die dich auf Schritt und Tritt verfolgen, und das, obwohl er sich gerade mit seinen Fans beschäftigt. Doch wie immer ignorierst du es, zeigst ihm die kalte Schulter und bemerkst nicht einmal, wie viel Sehnsucht in diesem einen Blick steckt. „Entschuldigung.“ Deine Aufmerksamkeit richtet sich wieder vollkommen auf den Geisterkönig, der sich entspannt zurücklehnt. Bereit, seine Bestellung aufzuschreiben, gibst du ihm das Zeichen, das er anfangen kann zu reden. Ein paar andere Gäste winken bereits nach dir, scheinbar wollen sie zahlen. Du hast also nicht so viel Zeit. „Gib ihm eine faire Chance, er hat sie verdient.“ Verwunderung macht sich breit, als du die Worte des Geisterkönigs hörst. Du kannst sie nicht richtig einordnen, glaubst aber, sie in einem seltsamen Anflug der Vertrautheit deuten zu können. „Und bringen Sie mir bitte ein handgemachtes Maid-Parfait.“ Nun, vielleicht hast du dich doch geirrt. Ein handgemachtes Maid-Parfait, das war keine unübliche Bestellung, und nachdem Mine-san dir gezeigt hatte, wie es ging, beherrschst du es nun im Schlaf. Dennoch, es ist das erste Mal, dass dich diese Bestellung verunsichert. „Ich möchte einen grünen Tee!“ Etwas Verwirrung macht sich in dir breit, als du den kleinen Jungen gegenüber des Geisterkönigs siehst. Du bist dir sicher, dass du ihm am Eingang nicht gesehen hast. Und doch, als du ihm in die Augen siehst, hast du das Gefühl, dass alles seine Richtigkeit hat. „Nur einen kurzen Augenblick, es kommt sofort.“ Du versuchst stark zu sein und dir deine Verunsicherung nicht anmerken zu lassen, schließlich wäre das nicht so gut für das Geschäft, wenn eine Maid sich schnell verunsichern lässt. Deswegen löst du dich von den beiden Gestalten und gehst in Richtung der Küche. Es ist einfach nur schrecklich, immerhin siehst du fassungslos auf den Becher, in dem das Parfait von dir hergerichtet werden soll. Wie kommt es, dass du plötzlich vergessen hast, wie man diesen Becher zubereitet? Waren es die Kekse zuerst? Oder doch zuerst Joghurt und dann Eis? Du bist dir nicht mehr sicher, aber warum? Mine-san hatte es dir doch so oft gezeigt und du hattest alles verinnerlicht, wie kann es nun verschwunden sein? „Hast du vergessen, wie man es macht?“ Klar und deutlich erkennst du die Stimme hinter dir und es bringt dich in Verlegenheit, dass ausgerechnet er es ist, der es bemerkt hat. Und obwohl du dir diese Blöße nicht geben willst, siehst du ihn hilfesuchend an. Du weißt, dass er dir helfen wird, und gerade jetzt, da Mine nicht da ist, bist du auf ihn angewiesen. „Komm her, ich zeige dir nochmal, wie man das handgemachte Maid-Parfait macht.“ Dicht stellt sich Ikki-san hinter dich, nimmt deine Hände in seine und verschmilzt mit dir zu einer Einheit. Wie bei einem Tanz lässt du dich von ihm, der deine Hände zu den Zutaten führt und sie in der Reihenfolge ins Glas gibt, leiten. Sein warmer Atem gleitet sanft seinen Nacken hinab und löst einen wohlwollenden Schauer auf deinem Rücken aus. „Und zum Schluss gibst du die Kekskrümel auf die Sahne. So macht man ein perfektes Parfait.“ Seine Stimme hallt in deinem Kopf wider, sie verführt dich dazu, dich zu ihm umzudrehen und ihm in die Augen zu sehen, die erneut versuchen, einen Zauber auf dich zu legen. 'Eine von vielen...' Erneut ist es dieser Gedanke, der dich rettet, der dafür sorgt, dass du dich verlegen von ihm abwendest, dein Herz zur Ruhe mahnst und nach dem Parfait greifst. „Danke für deine Hilfe.“ Kurz angebunden wie gewohnt antwortest du ihm, bemüht darum, fest mit deiner Stimme zu bleiben. Er soll keine Schwäche sehen, nicht erkennen, dass du erneut versucht warst, schwach zu werden. „Ich... muss nach der Arbeit mit dir reden.“ Es sind die letzten Worte, die du während deiner Schicht an ihn wendest, ehe du den grünen Tee und das Parfait nimmst und zurück zu dem Geisterkönig gehst, der dich freundlich anlächelt. Er ist wirklich ein unheimlicher Gast, denn in seinen Augen liest du Wissen heraus, das er nicht haben dürfte. **~~** Du hast dir bereits deine Worte zurechtgelegt und wartest im Mitarbeiterzimmer nur noch auf Ikki-san, mit dem du reden wolltest. Du weißt, dass, wenn du es heute nicht tust, du diese Chance nicht wieder bekommst, immerhin musst du heute Abend auch deinen ersten Bericht abliefern. Du bist unglaublich aufgeregt, aber nicht, weil du wie die anderen Mädchen Ikki-san verfallen bist, sondern weil du hoffst, dass er dir glaubt, dass du wirklich mit ihm zusammen sein willst. Er darf schließlich nichts von den Regeln des Fanclubs wissen. „Du wolltest mit mir reden?“ Die Tür geht auf und Ikki-san in seinem schwarzen Anzug tritt ein. Sein Blick liegt sofort auf dich fixiert und es scheint so, als wollte er wieder versuchen, dich zu verzaubern. Dabei sollte er bereits wissen, dass sein Zauber bei dir fast vollständig wirkungslos ist. Du schweigst, denn du suchst noch nach den richtigen Worten, die dich nicht verraten, oder vielmehr, die den Fanclub nicht verraten. Dabei kannst du bei ihm mit offenen Karten spielen. Er weiß, dass du ihm nicht verfallen bist, und er ist auch schlau genug, eine Lüge zu durchschauen. „Was ist?“ Erneut fragt er nach, und wundert sich wahrscheinlich, warum du ihn so lange anschweigst. Und just in diesem Moment kommen dir wieder die Worte des Geisterkönigs in den Sinn. Gib ihm eine faire Chance, er hat sie verdient. Du entscheidest dich also dazu, mit fast vollständig offenen Karten zu spielen. Ihm vorzuspielen, dass du Hals über Kopf in ihm verliebt wärst, ist nicht möglich. Dieses Theater kannst du nicht durchhalten, und das weißt du auch. „Ikki-san, ich will wissen, wer du wirklich bist. Deswegen möchte ich deine feste Freundin sein.“ Es überrascht Ikki-san, als er deine Worte hört. Zumindest gehen seine Augenbrauen nach oben. Er hat wohl nicht mit so etwas gerechnet und war vielmehr auf eine weitere Ohrfeige gefasst. Nun ist er es, der schweigt, und natürlich hoffst du, dass er dich nicht ablehnt, dass die Gerüchte soweit stimmen, dass er die Erste akzeptiert, die ihn um eine Beziehung bittet, wenn er gerade Single ist. Für dich wird dieser Moment zu einem unendlich lang währenden Augenblick. Und obwohl du keine Liebe für ihn empfindest, fragst du dich, warum du so aufgeregt bist. Warum du Angst hast, dass er dich ablehnen könnte. „Du bist die erste, die das zu mir sagt. Und du bist auch die erste, bei der mein Fluch nicht wirkt. Für mich bist du unter all den Mädchen die interessanteste Person, die mir in meinem bisherigen Leben begegnet ist.“ Mit jedem Wort, das er spricht, wächst die Angst, dass er dich ablehnt. Doch er nähert sich dir, treibt dich in die Ecke, an einen der Schränke. Du spürst bereits das kalte Metall durch deine Kleidung hindurch. Es gibt keine Möglichkeit mehr zu fliehen. „Die Idee, dass wir beide uns in einer anderen Beziehung zueinander besser kennenlernen, gefällt mir. Deswegen stimme ich deinem Vorschlag zu. Ich werde dafür sorgen, dass du dich in mich verliebst.“ Sanft umfasst er dein Kinn mit Daumen und Zeigefinger. Sein Gesicht nähert sich deinem, immer deutlicher kannst du das Blau seiner Augen sehen. Du weißt, was er vorhat, doch das geht definitiv zu weit. So leicht bist du nicht zu haben. Und das soll er merken. Du greifst zu deiner Tasche, hebst sie an und drückst sie Ikki-san in die Hände. Er trägt immer die Tasche seiner Freundin, das hast du oft genug nach der Arbeit gesehen. Immerhin versteht er deine Andeutung und weicht mit einem Lächeln zurück. Scheinbar gefällt ihm dieses Spiel, bei dem er sich mehr als gewohnt anstrengen muss. Genau, du bist nur ein Spielzeug für ihn, und deswegen wirst du alles versuchen, damit du dich nicht in ihn verliebst und nicht eine von vielen wirst. „Ich bringe dich dann mal nach Hause.“ **~~** Es ist nun schon ein Monat vergangen, in dem du mit Ikki-san zusammen bist. Du bist gerade dabei deinen, täglichen Bericht zu schreiben und überlegst erneut, wie man dir nicht anmerkt, dass du aus anderen Gründen mit Ikki-san zusammen bist als die anderen. Den ganzen Monat über war er charmant wie kein anderer, schenkte dir Rosen, ging mit dir in schnulzige Liebesfilme, verabredete sich mit dir zu einem Treffen im Park. All das war wirklich nur darauf ausgelegt, dass du dich in ihn verliebst. Mit jedem Tun festigt er nur mehr deine Meinung darüber, dass er wie dein Vater ist. Ein Casanova, jemand, der mit den Frauen spielt, sie aber nicht wertschätzt. Dennoch, du musst diesen Augen nur noch zwei Monate widerstehen. Heute waren wir zusammen im Seapark. Ikki-san hat mit uns die Walshow angesehen. Wir saßen ganz eng beisammen und er gab uns sein trockenes Jackett, als wir einige Spritzer Wasser abbekommen haben. Er hat uns ein Eis spendiert, unsere Lieblingssorte, wie aufmerksam. Schließlich hat er uns nach Hause gebracht und uns einen Gute-Nacht-Kuss auf die Stirn gegeben. Ein Seufzen kommt über deine Lippen, denn es fällt dir mit jedem Tag schwerer, diese Fassade aufrechtzuerhalten. Kunou ni michi bika reta kakera wa Musuu no katamari ni kobo rete Kokoro wa haka naku mieru hikari no Chuujitsu na kyoumei ban Du zuckst zusammen, als dein Handy plötzlich ertönt. Eigentlich hast du dich auf einen ruhigen Abend gefreut, an dem du deinen Gedanken nachhängen und diese ordnen kannst. Schließlich hast du am nächsten Tag wieder ein Date mit Ikki-san, und darauf musst du dich seelisch vorbereiten. Wenn man vom Teufel spricht. Du erkennst den Namen deines Freundes auf dem Display, weswegen du zum Handy greifst und annimmst. „Gut dass du abnimmst. Ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt.“ Etwas stimmt mit seiner Stimme nicht. Sie klingt so leise, so schwach, als hätte er getrunken. Dennoch lauschst du weiter, denn sicher bist du nicht. „Was machst du nur mit mir? Ich erkenne mich selbst nicht wieder und ich bin schon so verzweifelt, dass ich versuche, meinen Kummer zu ertränken. Doch gerade dann bist du der stärkste Gedanke, der aufkommt. Wenn ich schlafe, denke ich nur noch an dich, wenn ich dich lächeln sehe, dann lächle auch ich. Was hast du mit mir gemacht?“ Verzweiflung schwingt in seiner Stimme mit. Ehrliche Verzweiflung, dass erkennst du, denn nun ist auch sicher, dass er angetrunken ist. Und wie sagte deine Mutter einst, Betrunkene lügen nicht. Dennoch bist du dir nicht sicher, was du von der ganzen Situation denken sollst. „Bitte sag etwas. Sprich mit mir. Lass mich nicht in der Sehnsucht nach deiner Stimme und Aufmerksamkeit ertrinken. Ich tue doch alles, damit du meine Gefühle erwiderst, damit du dich wohl fühlst. Was soll ich noch tun?“ Dein Herz klopft wie wild, als dir bewusst wird, was Ikki-san da gerade sagt. Seine Gefühle erwidern? Du fragst dich, ob er dich vielleicht doch liebt. Ob er vielleicht doch in der Lage ist, eine Frau aufrichtig zu lieben. „Ich glaube ich hab zu viel getrunken. Vergiss was ich sagte, das ist irgendwie uncool und passt nicht zu dem, was ich sonst immer bin. Versprich mir, dass du es niemandem sagst.“ Schweigen folgt. Doch Ikki-san hat nicht aufgelegt. Es scheint, als warte er wirklich darauf, dass du etwas sagst. Doch was erwartet er? Will er, dass du ihm nun sagst, dass du ihn liebst? Du weißt es nicht. Es gibt nur einen Gedanken, den du laut äußern möchtest. „Zeig mir den wahren Ikki-san. So wie jetzt, ungeachtet dessen, ob es cool ist oder nicht“, wisperst du ins Telefon und hörst vom anderen Ende der Leitung nur ein erleichtertes Seufzen. Du könntest schwören, dass du vor deinem inneren Auge siehst, wie er zufrieden und erleichtert lächelt. Erneut denkst du über die Worte des Geisterkönigs nach. Und zum ersten Mal bist du bereit, ihm wirklich eine Chance zu geben. Ihm die Chance zu geben, unvoreingenommen sein wahres Gesicht zu zeigen. „Ich freue mich auf Morgen. Schlaf gut.“ Du willst gerade noch etwas sagen, als Ikki-san aber schon auflegt und die Stille der Nacht wieder über dein Zimmer herrscht. **~~** Mit einer Karaokebar als Treffpunkt hättest du am wenigsten gerechnet. Doch im Nachhinein gefällt dir Ikki-sans Wahl ganz gut. Hier ist es ruhig, du hast Spaß, und auch in Ikki-sans Gesicht erkennst du, dass es ihn nicht langweilt. Anders als gewohnt versucht er, nicht zu charmant zu sein und dich von ihm zu überzeugen. Er ist nun fast wie ein normaler Junge, der ein Date mit seiner Angebeteten hat und diesen gemeinsamen Moment genießt. An diesen Anblick könntest du dich gewöhnen. „Überlass mir das nächste Lied.“ Dankbar überreichst du Ikki-san das Mikrofon. Er hat deinen Gesang tapfer ertragen, oder viel mehr genossen, denn so schlecht singst du auch nicht, wenn du dir Mühe gibst. Erschöpft setzt du dich auf die Couch und beobachtest Ikki-san, wie er ein passendes Lied aussucht. Im letzten Duett konntest du nicht ganz seine Stimme hören, doch nun, da du ihm lauschen kannst, bist du gespannt, ob er genauso gut singen wie Komplimente machen kann. Die Musik setzt ein, sie passt eindeutig zu Ikki-san, und schließlich singt er die ersten Zeilen und verzaubert dich. Es ist eines deiner Lieblingslieder und er weiß es, weil es dein Klingelton ist. Er hat sogar dafür gesorgt, dass es das Lied ist, das du hörst wenn er anruft. Ai wo kika seru tame no kotoba wo shitteru noni Ai wo kataru tame no kotoba wa nai Naki nurete furue tatte Haruka tooi sugao wa Koi koga reru nukumori no story Sono mimi ni nokoru nowa henai no rondo Irgendwie hast du das Gefühl, dass er allein mit diesem Lied zeigen will, was er für dich empfindet. Du verlierst dich in seiner Stimme, in diesem ehrlichen Lied, dass dir klar macht, dass er anders ist als das, was er vor den Mädchen vorgibt. Und du sollst die einzige sein, die es hört. Mittlerweile empfindest du es als keine schlechte Idee, ihm noch eine Chance zu geben. **~~** Der zweite Monat ist nun vergangen und du hast von Rika eine Nachricht bekommen. Du triffst dich mit der Leiterin des Billardvereins, ohne zu wissen, was sie wollen könnte. Immerhin hast du jeden Tag einen Bericht geschrieben. Allerdings hoffst du, dass sie nicht gemerkt hat, dass du nicht immer ehrlich warst. Du teilst den Ikki-san, den du kennengelernt hast, ungerne. Ikki-san hat schließlich seine Gründe, warum er nur vor dir sein wahres Ich zeigt. Er hat dir so viel von sich offenbart, doch selbst warst du bisher nicht in der Lage, deinen Gefühlen für ihn ein wenig nachzugeben. Wahrscheinlich bist du die erste, die ihm nach zwei Monaten noch keinen Kuss gewährt hat, aber gerade diese Distanz garantiert es dir, dass du ihm näher als alle anderen Mädchen sein wirst. „Es freut mich, dass du gekommen bist. Es gibt da etwas, das ich dir sagen muss.“ Es ist später Abend und du fragst dich, was Rika so wichtiges mit dir zu besprechen hat. Aber ihre Worte sagen dir, dass es wichtig ist. „Dies wird dein letzter Monat sein. Pünktlich am 31. August wirst du mit Ikki-sama Schluss machen. Die anderen Mitglieder des Vereins wollen auch mal seine Freundin sein. Das verstehst du doch sicher.“ Eindringlich sieht sie dich an und endlich fällt es dir wie Schuppen von den Augen. Es ist alles genauso wie in deinem Traum, den du hattest, bevor die Beziehung mit Ikki-san begonnen hatte. Man sieht dir deutlich an, wie fassungslos du über diese Nachricht bist, wahrscheinlich reagiert jedes Mädchen so, das einmal in den Genuss kommen darf, Ikki-sans Prinzessin zu sein. „Solltest du danach immer noch Ikki-sama in Beschlag nehmen, so wäre ich an deiner Stelle sehr vorsichtig. Unfälle passieren schnell.“ Eine Drohung. Wahrscheinlich war das die einzige Möglichkeit, die der Fanclub hat, um Mädchen davon abzuhalten, Ikki-san zu lange für sich zu beanspruchen. Du weißt nicht, was du davon halten sollst, doch als Rika an dir vorbei geht, läuft es dir kalt den Rücken runter. Du weißt, dass sie kaltblütig genug ist, um ihre Drohung wahr zu machen. **~~** Erneut streichst du den vergangenen Tag von deinem Kalender. Es sind nur noch 15 Tage die deine Beziehung mit Ikki-san dauern soll. Doch du willst sie gar nicht beenden. In den letzten Wochen hast du immer deutlicher gemerkt, dass du den wahren Ikki-san liebst und nicht die Kunstfigur, die vom Fanclub geschaffen wurde, ohne dass er es gemerkt hat. Aber du hast auch Angst, denn Rikas Drohung ist dir noch eindeutig in Erinnerung geblieben, doch du traust dich auch nicht, mit deinen Freunden darüber zu reden, und das, obwohl Toma und Shin, deine beiden Jugendfreunde, sicher ein offenes Ohr für dich hätten. Auch mit Sawa-san kannst du darüber nicht reden. Dein Blick richtet sich auf dein Handy. Eigentlich müsstest du einen Bericht schreiben, doch das hast du bereits seit Tagen vernachlässigt. Nicht, weil du Ikki-san nicht teilen willst, sondern weil du es nicht mehr als gerecht ansiehst. Und als hätte das Schicksal diesen Wink gehört, klingelt das Telefon. Es ist Ikki-san. Mit klopfendem Herz nimmst du ab und lauschst seiner Stimme. „Ah, du bist noch wach. Ich bin auf dem Weg nach Hause... Na ja eigentlich bin ich fast schon da. Ich ziehe mir gerade die Schuhe aus.“ Als ob es seine Worte bestätigen sollte, hörst du das Rascheln seiner Sachen. In Gedanken siehst du, wie er seine Jacke aufhängt, wie er sich aus seinen Schuhen schält und das kleine Wohnzimmer betritt. „Ich glaube, ich bin nicht ganz bei Sinnen. Ehrlich, ich habe nur angerufen, um sicherzugehen, dass du wirklich schläfst aber... Die Geräusche deiner Bewegungen konnte ich durch das Telefon hören und ließen mich Dinge denken, was du wohl gerade machst. Ich klinge wie ein perverser Mann, nicht wahr? Dabei hatte ich wirklich gerade das Gefühl, dass du hier wärst. Aber hier ist niemand außer mir.“ Ein von Sehnsucht erfülltes Seufzen ist von Ikki-sans Seite zu hören. Du lächelst, denn er wäre nicht der Einzige, der solche Gedanken hätte. Auch du stellst dir regelmäßig vor, wie er sich in der dir bereits vertrauten Wohnung bewegt, sich ins Bett legt, an das Kissen kuschelt und sich vielleicht dabei wünscht, dass du es bist, was er, statt der Decke, in den Arm nimmt. „Es wäre schön, wenn das alles nicht nur in meinem Kopf passieren würde.“ Seine Stimme gleicht einem Flüstern und dir wird klar, dass er eigentlich müde ist, sich aber nur wegen dir sich wachhält. Es ist einer dieser Momente, in denen auch du bei ihm sein möchtest. Nur zu gerne willst du ihm sagen, dass er nicht alleine ist, dass du immer für ihn da bist, dass du ihn liebst. Schweigen ist auf der anderen Seite zu hören. Erneut weißt du nicht, was du sagen sollst oder ob er verlangt, dass du was sagst. „Eigentlich möchte ich noch viel länger mit dir reden, aber es wäre dreist, dich darum zu bitten und dich um deinen Schlaf zu bringen. Dabei gibt es etwas, worüber ich gerne mit dir reden würde...“ Du hast Angst, denn Sätze wie der letzte enden nie oder eher selten mit etwas gutem. Allerdings, als du gerade nachfragen willst, unterbricht Ikki-san dich. „Lassen wir es. Schlaf gut.“ Du wolltest flehen, darum bitten, dass er wartet, dass er nicht auflegt, doch es ist zu spät. Es ist nur noch das Tuten das erklingt und ein Schrei in deinem Herzen. **~~** Noch ein Tag. Es ist nur noch ein Tag, der dir genehmigt bleibt, doch du bist zu allem entschlossen, jetzt, da auch Ikki-san deine Gefühle erkannt hat. Du bist fest entschlossen, bei ihm zu bleiben, egal was seine Exfreundinnen und Rika sagen. Selbst das weiß Ikki-san, denn ihr seid in eurer Beziehung so weit, dass ihr keine Geheimnisse mehr habt. Du kannst sogar damit leben, dass er immer noch das Playboy-Image aufrechterhält und davon überzeugt ist, dass es seine Augen sind, die dich verzaubern, doch du weißt, dass er anders ist. Immerhin bist du die einzige, die eine wahre Chance hatte, ihn kennenzulernen. „Komm mit.“ Du bist verwundert, als Ikki-san deine Hand in der Pause nimmt. Zuvor war er noch bei Waka gewesen und du hast gehört, dass euer Chef Ikki-san zusammengestaucht hat. Zusammen geht ihr zur Hintertür, wo bereits in der Gasse Rika und seine Exfreundinnen auf Ikki-san warten. „Was hat das zu bedeuten, Ikki-sama? Ich dachte, ihr wolltet mit uns alleine reden.“ Rika ist die Verwirrung anzumerken, genauso wie dir, denn du weißt selbst nicht, was Ikki-san geplant hat. Er hat immerhin nicht mit dir darüber gesprochen. „Ja, ich wollte mit euch reden. Ich will eines klarstellen. Sie und ich werden zusammenbleiben, auch nach drei Monaten. Und wenn ihr versucht, sie von mir zu entfernen, werdet ihr, und besonders du, Rika, es bereuen. Dann werdet ihr eine Seite von mir kennenlernen, die ihr nicht kennt.“ Sanft und schützend zieht dich Ikki-san in seinen Arm. Mit der rechten Hand schlägt er gegen die Wand, um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, und selbst dem zickigsten Mädchen ist in diesem Moment klar, wie ernst er es meint. Doch du bist stolz auf ihn, denn er hat deine Sorgen verstanden und damit deutlich gemacht, dass seine Worte nicht einfach nur leeres Süßholzgeraspel sind. Dir ist klar, dass er dich vor Rika und den Mädchen beschützen wird und dass du mit ihm darüber reden kannst, wenn sie dir ein Leid zufügen wollen. **~~** Ein Blick auf die Uhr verrät dir, dass es schon etwas nach Feierabend ist. Wie gewohnt wartest du an eurem Treffpunkt auf Ikki-san. Es ist der letzte Tag, oder vielleicht auch der erste. Diese Entscheidung liegt nun ganz bei dir und Ikki-san. „Da bist du ja.“ Ein Lächeln liegt auf Ikki-sans Gesicht, als er dich sieht. Du erwiderst es, denn du bist dir sicher, dass du diese Beziehung noch etwas halten möchtest. Zuvorkommend streckt er dir seine Hand entgegen und fordert wie gewohnt deine Handtasche. Du kennst dieses Spiel schon und überlässt sie ihm, immerhin würde er nicht eher Ruhe geben, bevor er sie von dir überreicht bekommt. „Heute ist der letzte Tag des Augusts. Aber ich denke, das ist nicht mehr wichtig, außer wir wollen es als wichtig ansehen.“ Ein ehrliches Lachen kommt von ihm und du kannst nicht anders, als es zu erwidern. Natürlich ist dieser Tag nicht mehr wichtig. Es ist immerhin nicht euer letzter. „Ich kann auch woanders schlafen, weißt du? Wir könnten getrennte Futons nehmen, nur wenn es dich beruhigt. Dennoch musst du damit rechnen, dass ich von heute an versuchen werde, dich zu verführen.“ Dir war zu Beginn seiner Worte gar nicht aufgefallen, was er meinte. Erst jetzt, als er so direkt wird, ist es dir klar, und ein roter, verräterischer Schimmer zeichnet sich auf deinen Wangen ab. Manchmal kann Ikki-san eben doch so fordernd sein. „Natürlich werde ich dich nicht dazu zwingen, aber... akzeptiere es bitte.“ Ein Moment des Schweigens kommt auf. Du hast dich damit bereits abgefunden, weswegen du nur nickst, wissend, dass Ikki-san dich nicht mehr aus den Augen lässt. „Ach stimmt... Wie wäre es, wenn wir üben, wie es ist, zusammen zu leben? Sagen wir für... drei Monate.“ Erneut wirst du röter. Damit hattest du wirklich nicht gerechnet. Wahrscheinlich will er eure Beziehung noch ein Stückchen weiter treiben. Einfach, um sich zu versichern, dass du ihn nicht wie alle anderen verlässt. Dass du wirklich die Einzige bist, die bei ihm bleibt, die er um sich herum haben will. Du spürst seinen Arm, der sich um deine Taille schlingt, dich näher zu ihm zieht, und hörst die Worte, die nur für dich bestimmt sind. „Ich liebe dich.“ Ein erstes Hauchen. „Bleib nahe bei mir.“ Ein weiteres. Das dritte verstehst du nicht ganz, doch du bist dir sicher, dass es genauso romantisch ist, wie das zuvor. Und plötzlich bleibt er stehen und dreht dich zu sich um. Er sieht dir in die Augen, und es ist wohl das erste Mal, dass du dir erlaubst, seinem Zauber zu verfallen. „Ich wollte das schon immer einmal machen. Danke, dass du mir diese Chance dazu gibst.“ Du erkennst, dass ihr im Mittelpunkt auf dem Platz der Shoppingmeile seid. Die Menschen um euch herum können euch sehen, doch es ist egal, denn für Ikki-san könntest du alle Menschen dieser Welt und auch deinen Hass auf deinen Vater vergessen. Er nähert sich dir, legt sanft seine weichen Lippen auf deine und verführt dich zu eurem ersten liebevollen Kuss, der dir klar macht, dass dies der Beginn von etwas neuem in eurer Beziehung ist. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)