Das Leben eines Mörders von Carreauline ================================================================================ Kapitel 2: Kapitel 2 -------------------- Die Nase blutete immer noch als Sagami den Schlüssel ins Schloss steckte. Ein paar Tropfen fielen in den Schnee, der sich an diesen Stellen rubinrot färbte. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür und warme Luft strömte ihm entgegen. Es roch nach Bratäpfeln und Waffeln: Er war zu Hause. Sagami trat ein und sah sich um. Er liebte die dunkle Holztreppe, die man beim Eintritt ins Haus sofort sehen konnte, und auch sonst das ganze Haus hatte er gern. Es war überwiegend in dunkelbraun und kirschrot gehalten und einen Kamin gab es auch. Mit einem Seufzer der Erleichterung ließ sich Sagami in den großen gepolsterten Ohrensessel fallen der vor dem großen Kamin stand. Seine Nase hatte langsam aufgehört zu bluten als er in das lodernde Feuer sah, das an den kalten Mauern des Kamins leckte. Das Feuer. Wie sehr bewunderte er es. Wärme, Faszination, Unberechenbarkeit, Kraft - die Eigenschaften die sich Sagami auch wünschte. Eigentlich hatte er sie, er wusste es nur nicht. Seine Augen wurden immer schwerer und die Wärme tat den Rest. Aufgeweckt wurde er erst als das schrille Telefon einen Anruf ankündigte. „Hallo?“, murmelte Sagami halb verschlafen und haareraufend. „Yo, ich bin’s! Kannste mal eben vorbeikommen? Brauch’ mal deine Hilfe...“ Sagami wischte sich den Schlaf aus den Augen. „Andrew?“ Die Stimme auf der anderen Seite der Leitung lachte: „Haste geschlafen?“ „Ja, hab’ ich. Bin eingenickt... Du brauchst Hilfe?“ „Hab’ Mathe nich’ so verstanden... “ Über Sagamis Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Klar, bin gleich da!“ Mit diesen Worten legte Sagami den schwarzen, mit Gold verzierten Hörer auf das alte Telefon und sauste auf den Flur. Hastig wickelte er sich den grob gestrickten Schal um den Hals, schlüpfte in seine Schuhe und stürmte in aller Eile aus dem Haus. Es dauerte um die zehn Minuten, bis er das Haus erreichte, in dem sich Andrews Wohnung befand. Es war ein heruntergekommenes, Graffiti verschmiertes Hochhaus das hinter einem riesigen Parkplatz stand. Knarrend öffnete sich die leicht modrige Eingangstür als Andrew Sagami in das Haus bat. Andrews Wohnung bot den kompletten Kontrast zu dem äußeren Erscheinungsbild: Sie sah sehr gemütlich, wenn auch durcheinander aus. Aber das war ja auch kein Wunder – Andrew wohnte schließlich allein. Seine Mutter war gestorben und sein Vater wollte nichts von ihm Wissen. Das benötigte Geld wurde ihm von seinem Vater dennoch monatlich überwiesen. „Hab’ nich’ aufgeräumt, Sagami...“, entschuldigte er sich. „Komm doch rein!“ Andrews Wohnung war in warmen Farben gehalten: Rot, Gelb, Orange und Braun. In seinem Zimmer, welches auch gleichzeitig sein Wohnzimmer war, lagen, weit ausgebreitet, viele dicke Kissen um einen kleinen Mahagonitisch. An den roten Wänden waren Bilderrahmen montiert und in einem goldenen Rahmen über seinem Bett hing ein Bild von seinen Eltern. Erhellt wurde das ganze von einer Deckenleuchte. „Also dann, zeig mal her!“ Sagami rieb sich die Finger. „Naja, also das größte Problem hatte ich da...“ Es war schon dunkel geworden als die beiden Jungs fertig waren. Sie plauderten nur noch, Mathe war vergessen. „Du, Andrew“, meinte Sagami, „ich könnte doch bei dir übernachten, oder was meinst du? Meine Eltern sind ja eh nicht da.“ „Ja, warum auch nicht? Wir wollten ja sowieso mal zusammen Kochen!“ Sie gingen in die Küche, fingen aber nicht sofort zu kochen an. „Ähm... Sagamiiii? Könntest du erst mal den Müll rausbringen? Die Tonne ist voll und wir machen ja gleich noch mehr. Das passt dann gar nicht rein“, bettelte Andrew. Er schnappte sich den Müllsack und hielt ihn Sagami unter die Nase. Ein stechender Gestank stieg diesem in die Nase. „TU DAS WEG!“, würgte er hervor. „Nur, wenn du den wegbringst.“ Andrew setzte seine Unschuldsmiene auf, bei der wirklich jeder weich wurde. Sagami stieß einen Seufzer aus. „Jaah, komm, gib her.“ Ein wenig verärgert, dass er sich hatte breitschlagen lassen, packte er den Müllsack und stapfte das Treppenhaus hinunter. „In die rechte Tonne!“, rief ihm Andrew noch hinterher. Sagami ging quer über den verschneiten Parkplatz zur Rückseite des Hochhauses, wo die Mülltonnen standen. Sie entsprachen dem Bild des Hauses: Heruntergekommen. Teilweise zerschlagen quollen Berge von Müll aus ihnen hervor. Mit einem Gefühlgemisch aus Ekel und Erstaunen warf er den übelriechenden Müllsack zu seinen stinkenden Artgenossen. Plötzlich ertönte hinter ihm eine Stimme: „Ey, Pisser!“ Die Stimme war laut und hart und ließ auf einen Alkohol -und Zigarettenverbraucher schließen. Sagami wirbelte herum. „Na? Wieder bei deinem Freund, dem Schwuchtel?“ Er erstarrte zu Eis: Die komplette Wild Boys –Gang stand vor ihm und auf ihn herab grinste Kevin, ihr Anführer. „Du bist doch auch nicht besser“, stieß Sagami hervor, bereute es jedoch im selben Moment. Schließlich standen vor ihm fünfundzwanzig Leute und er war nur einer. Sie grinsten nur. „Du bist dir wohl dem Ernst deiner Lage nicht bewusst, was?“, sagte Kevin mit einem Tonfall, der vor Verachtung nur so überquoll. Sagami hatte plötzlich einen großen Kloß im Hals, der mit jeder Sekunde zu wachsen schien. Er hatte Angst. Es mischten sich zwar Hass und Abscheu darunter, aber er hatte Angst. Es schien ihm als würde er gewürgt. Ehe er sich versah hatten sie ihn von den Füßen geholt und seine Nase wieder blutig geschlagen. Sagami konnte nicht mehr klar denken, er spürte nichts mehr. Das Einzige was er als sehr schmerzhaft noch einstufen konnte, war ein stetiges Hämmern in seinem Kopf und Fäuste, die von allen Seiten auf ihn einschlugen. Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, als er wieder einigermaßen klar denken und Andrews Gesicht schemenhaft erkennen konnte. „Wer war das?“ Sein schwarzhaariger Freund blickte ihn mit sorgenvoller Miene an. „K-Kevin und seine Gang...“, brachte er mit Mühe und Not zustande. Andrews Gesicht verfärbte sich weißlich. „Komm’ erst mal mit hoch“, forderte er Sagami auf, aber Sagami schüttelte nur den Kopf. „Nein, nein... ist... schon gut. Ich werde lieber doch nach Hause gehen“ „Wie du meinst. Pass aber gut auf dich auf, okay?“ Mit einem müden Nicken verabschiedete sich Sagami und ging Richtung Heimweg. Ca. fünf Minuten von seinem Haus entfernt jedoch änderte sich die gesamte Situation. Es war als hätte man einen Schalter umgelegt. ‚Klick’. Sagami schaute sich um. Wut kochte in ihm hoch, und er rannte schnurstracks zu dem nahen Einfamilienhaus in dem Kevin wohnte. Er klingelte. Kevin öffnete selbst. „Ey! Was willst du denn hier!? Zisch ab, Mann!“ Sein Machogehabe änderte sich jedoch schlagartig, als er von Sagami in sein Haus gestoßen wurde, mit einer Wucht, die er sich nicht erklären konnte. Sein Kopf schlug vor die Wand und als er aufblickte, sah er Sagami vor sich stehen. Aber nicht etwa einen schüchternen, zurückhaltenden und sanften Sagami, ganz im Gegenteil: Sagami starrte mit wutverzerrtem Gesicht und hasserfüllten Augen auf ihn herab. „Soso, der ‚Wild-Boys’-Anführer hat also auch Angst???“ Sagami lachte trocken. „Du kleiner Wurm! Macht es Spaß, sich so zu fühlen?“ Sagami wurde lauter: „Das was ich durchgemacht habe war um einiges grauenhafter als das!!! Aber was du jetzt erlebst werde ich niemals zu spüren bekommen!!!“ Er wurde wieder leise und flüsterte ihm ins Ohr: „Wird Zeit, dass wir das hier beenden!!!“ Kevin wurde noch bleicher als seine weiße Tapete. „W-w-wie meinst d-du das?“ Sagami grinste und nahm etwas hinter seinem Rücken hervor... Ein Schrei gellte durch die Nacht, danach war alles wieder still. Das Blut rann ihm über die Hände, warm und zäh. Der Anblick war grauenvoll: Kevin lag an der Wand, reglos und mit einem Messer in der Brust. Überall war das Blut hingespritzt, das durch den Stich ins Herz ausgetreten war. Sagami benetzte seine Finger mit Kevins Blut und schrieb an die Wand: „MEIN ERSTES PRACHTEXEMPLAR!!! ICH KOMME EUCH ALLE HOLEN!!!“ Er ging ins Bad und wusch sich das Blut ab. Dann ging er aus dem Haus, schloss die Tür und ging heimwärts. ‚Klick’. Er fand sich an der Kreuzung wieder, von der er zu Kevin gegangen war und sah auf die Uhr. „Schon fünf vor neun??!!“ Er konnte unmöglich eine halbe Stunde an dieser Kreuzung gestanden haben. Er prüfte die Batterie. Sie funktionierte. Mit einem Kopfschütteln wandte er sich ab und nach fünf Minuten erreichte er sein Haus. Nachdem er sich die Zähne geputzt hatte verschwand er in seinem Zimmer und kuschelte sich in sein warmes Federbett. Er dachte an Andrew, der jetzt alleine zu Hause saß, genau wie er selbst. Er seufzte noch einmal, drehte sich auf die andere Seite und schlief ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)