Lunacia von Maliondarin (Diener des Wassers) ================================================================================ Kapitel 1: Verfolgt? -------------------- Zwei Wochen waren vergangen. Nacht brach über den Wald herein, in dem Lunacia ein Feuerchen gemacht hatte. Zaghaft streckte sie die Hände aus und wärmte sich an den prasselnden Flammen. Ihr spärliches Reisegepäck lag neben ihr, säuberlichst geordnet. Der weiß angemalte Holzstab, den die Auserwählte zu ihrem Schutz bei sich trug, der braune Lederbeutel, in dem sie ein wenig Brot, Kräuter und eine Buch verstaut hatte, einen Wasserschlauch und natürlich die Halskette. Diese war ein Erbstück, ihre Mutter hatte sie ihr mitgegeben, als sie in die Obhut der Schamanin gegeben wurde. Das silberne Kettchen trug einen silbernen Anhänger mit einem leuchtenden Saphir in der Mitte, die Farbe Blau war ihrem Volk schon immer heilig gewesen. Lunacia ließ sich nach hinten fallen und sah in den Himmel. Die Sterne leuchteten ihr entgegen und spendeten Trost. Die angehende Schamanin war noch nie so lange von ihrer Mentorin und ihrem Dorf getrennt gewesen. Innerlich zweifelte sie nie daran, dass sie auf dieser Reise ihre Erleuchtung finden und so ihre Position einnehmen würde, doch äußerlich wurde sie mit jedem Meter schwächer. Die Rationen waren nur für einen Monat der Wanderung ausgelegt, man hatte ihr nicht mehr Zeit gegeben und gehofft, die Götter würde sie schnell erhören. Jede Nacht betete sie zu ihren Herren und flehte sie an, ihr zu helfen, ihre Erleuchtung finden zu können. Doch bisher hatte sie nie etwas gesehen, hatte nie etwas gespürt und war nie gehört worden. Ob die Götter sie verlassen hatten? Der Tigerkopf unter ihrer Schulter … war es ein Fehler gewesen, die gesamte Zukunft des Dorfes auf ihren Schultern zu errichten? Lunacia betrachtete die Sterne mittlerweile mit unsagbarer Melancholie. Die Augen der Schamanin ruhten auf ihr, dass hoffte sie zumindest, denn genau sagen konnte sie bereits gar nichts mehr. Ob sie überhaupt noch in der Nähe ihres Dorfes war? Die Gezeichnete war an verschiedenen Wäldern vorbei gekommen, einmal hatte sie in der Ferne ein kleines Dorf gesehen, doch sie hatte es gemieden, Fremden zu begegnen. Man hatte sie angewiesen, ihren eigenen Weg zu finden, sich durch alle Situationen zu kämpfen und niemals aufzugeben. Dann schreckte sie hoch. Aufgeregt blickte sie von rechts nach links. Ihre Augen schwirrten in der Dunkelheit umher und doch konnten sie nichts Verdächtiges finden. War da nicht ein kleines Knacken gewesen? Hatte sie nicht einen Luftzug gespürt? Lunacia drehte ihren Oberkörper ein wenig um auch hinter sich die Gegend untersuchen zu können, konnte jedoch nichts sehen. Litt sie unter Verfolgungswahn? Über sich selber lächelnd lehnte sie sich zurück und schüttelte den Kopf. Das war sicherlich nur ein Reh gewesen, dass in der Dunkelheit auf einen Ast getreten war! Beruhigt schloss sie die Augen und glitt ins Land der Träume hinüber. Am nächsten Morgen erwachte sie zeitig. Die Sonne war noch nicht aufgegangen und die Glut ihres Feuers glimmte noch. Verschlafen streckte sich das Mädchen und griff nach ihrem Lederbeutel. Flink brach sie sich ein Stück des Brots ab und steckte den Rest zurück. Während sie an ihrem Brot nagte, klemmte sie den Beutel und den Schlauch unter ihrem Gürtel fest, legte die Halskette um und band sich den Stab auf dem Rücken fest. Dafür nahm sie einige Lederriemen und band diese um den Stab und ihren Bauch und somit auch über das weiße Gewand das sie trug. Die Zeit war gekommen, aufzubrechen. Sie wanderte durch ein kleines Waldstück, immer wieder erfreute sich die Gezeichnete an den Gesängen der Vögel, dem Rauschen der Luft und all den Schönheiten, die der Wald zu bieten hatte. Ihre Beine trugen sie zwischen den Bäumen entlang, aus dem Wald hinaus und auf ein Feld. Dort wuchsen goldene Früchte an riesigen grünen Grashalmen. Sie brach sich eine dieser Früchte ab und besah sich die Oberfläche genauer. Grüne Blätter umschlossen die gelben Körner die die Fruch umgaben. Ein Vogel landete auf ihrer Schulter, zwitscherte und pickte dann nach der Frucht. Das Tier hatte Lunacia auf eine Idee gebracht. Sie streichelte kurz das Vögelchen, dann brach sie die Grasblätter ab und begann, die einzelnen gelben Körner von dem Kolben zu essen. Es schmeckte gut, es erinnerte sie an den Geschmack von Mais! Doch da sie bei ihrer Lehrerin völlig abgeschieden aufgewachsen war, hatte sie noch nie gesehen, wie man Mais anbaute! Mit einer Freude auf dem Gesicht, die strahlte wie die Sonne am Morgen, sprang sie durch das Feld, verstaute einige Kolben in ihrem Beutel und ließ das Feld dann hinter sich. Als es Mittag wurde, erreichte sie einen kristallklaren See. Er glitzerte in der Sonne und die Auserwählte bückte sich. Es war eiskalt, doch wunderschön! Verträumt blickte sie über die Wasseroberfläche. Vorsichtig verstaute sie ihre wenigen Habseligkeiten, füllte vorher noch den Schlauch mit Wasser aus dem See, entkleidete sich und sprang dann in das kalte Wasser. Es belebte ihre Haut und die müden Glieder. Die geschundenen Füße konnten sich im kühlen Nass erholen und Lunacia fühlte, dass die Kraft zu ihr zurück kehrte. Es dauerte lange, bis sie wieder darüber nachdachte, aus dem Wasser heraus zu kommen. Es war so erfrischend und sie fühlte sich im und am Wasser den Göttern näher als an jedem anderen Ort dieser Welt. Am Ufer angekommen, watete sie langsam aus dem Wasser heraus und legte sich auf die Wiese, die an den See angrenzte. Die Sonnenstrahlen trockneten ihren erholten Körper mit der Zeit und als auch die letzten Wassertropfen von ihrem Körper verschwunden waren, zog sie ihre Kleidung wieder an, befestigte ihr Gepäck und lief weiter. Endlich konnte sie wieder durch atmen, frohen Mutes und mit neuer Energie kam sie schnell voran. Doch ihr Marsch wurde schnell wieder unterbrochen. Es war dieses Gefühl, als wenn man sie verfolgen würde. Als stünde hinter dem großen Stein hinter ihr ein Mensch oder eben hinter dem Baum, der dort vor ihr in den Himmel ragte. Lunacia kniff die Augen zusammen, doch erkennen konnte sie Nichts. Was war mit ihrer Umwelt geschehen? Seid mittlerweile drei Tagen fühlte sie sich unruhig! Das war ihr noch nie vorher im Leben geschehen! Mit angespannten Muskeln bewegte sie sich ins Dickicht, in der Deckung der Büsche und Bäume fühlte sie sich deutlich wohler! Den Rest des Tages verbrachte sie im Wald. Entspannend konnte sie sich nicht mehr, immer wieder krochen diese Gedanken in ihr hoch, das Ende läge schon nah vor ihr! Als der Nachmittag zu Ende gehen wollte und die Nacht dämmerte, zog sie sogar den Stab von ihrem Rücken und schlich geduckt weiter. Kurz darauf sollte es sich bezahlt machen, dass sie so vorsichtig gewesen war. Ein Knall zuckte durch den Wald und kurz darauf hörte sie ein unnatürliches Rauschen an ihrem Ohr vorbei zischen. Verdutzt drehte sie sich in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war. Rehe und Hirsche sprangen hinter dem maskierten Man davon, daher war das Donnern wohl gekommen. Der Vermummte hatte den Pfeil lautstark abgeschossen, die Tiere waren hoch geschreckt und der Pfeil war wenige Millimeter an Lunacias Ohr vorbei geflogen. Immer noch zitternd steckte er in einem Baum nicht gerade weit entfernt von der jungen Schamanin. Da sie bereits in einer Kampfhaltung gewesen war, entriss sie ihrer Kehle einen lauten Schrei, rannte, von Büschen verdeckt, auf den Angreifer zu. Behende schwang sie sich an einem herunter hängenden Ast auf den dazugehörigen Baum hinauf. Wie ein Blitz sprintete sie über die Äste und entzog sich dadurch dem Blickfeld des Bandits. Kurz vor ihm stoppte sie, leise und anmutig wie eine Katze schlich sie genau über ihn, ließ sich von ihrem Ast fallen und schmetterte den Stab auf den maskierten Kopf. Wie ein Kartoffelsack brach dieser zusammen und sackte leblos ins Gras. Zuversichtlich rammte Lunacia den Stab neben ihm in den Boden und grinste den Bewusstlosen an. „So leicht mache ich es dir nicht!“, spottete sie. Doch schon im nächsten Augenblick sah sie sich umzingelt von sieben Männern, alle auf die selbe Art maskiert und vermummt. Lunacias Augen zuckten zwischen Ihnen umher und mit ihrem Stab hielt sie die Unruhestifter auf Abstand. Immer wenn einer von ihnen einen Angriff starten wollte, wehrte die Auserwählte ihn leichtfüßig ab, ließ dafür nur ihren Stab in die Richtung vorschnellen und versuchte die Banditen zu entwaffnen. Doch man trieb wohl nur ein Spiel mit ihr. Keiner ließ sich die Waffe entreißen, doch immer öfter traf man Lunacia. Als sie einen unbedachten Vorstoß wagte, trieb man ihr eine Klinge zwischen die Rippen und ein brennender Schmerz durch fuhr ihren Körper. Vor Schmerzen schrie sie auf und zwang die Männer so, belustigt zu lachen. Wut schäumte in ihr auf und sie drehte sich schnell um die eigene Achse. Sie versuchte, den Schmerz so gut es ging zu unterdrücken und nicht zu beachten, doch mit jeder Sekunde konnte sie mehr spüren, wie ein unangenehmes Kribbeln in ihr und um die Wunde herauf zog. Die Gezeichnete biss die Zähne zusammen, doch sie musste nachdenken! Sie hatte so kaum eine Chance! Dann fiel ihr der Ast wieder ein, von dem sie eben noch herunter gesprungen war. Flink streckte sie einen Arm aus, sprang ab und versuchte, auf den Ast zu kommen. Es war verdammt schwer und der Schmerz ließ sie fast wieder herunter fallen, doch sie klammerte sich um das dicke Holz. „Sie ist ein Affe, Männer!“, scherze ein leicht untersetzter Man unter ihr. Ein Anderer erwiderte: „Jagt sie dort herunter, sofort!“, seine Worte hallten durch den Wald und ließen keinen Zweifel daran, dass er ihr Anführer war. Schnell kletterte sie weiter und sprang hinter der kleinen Gruppe wieder vom Baum herunter. Zu ihrem Leidwesen landete sie jedoch auf einer Wurzel, erneuter Schmerz flammte in ihr auf und ein leises Stöhnen entwich ihrem Mund. Der Anführer drehte sich zu ihr um und in ihrer Angst sammelte die angehende Schamanin all ihre Kraft, spannte die Muskeln an, verkrampfte mit den Händen und rannte dann auf den Man zu. Dieser schien völlig überrascht, zögerte einen Moment zu lange und bekam den Stab mit voller Wucht gegen die Beine geschlagen. Wie ein alter, morscher Baum fiel er um, Lunacia setzte mit ihrem Stab nach und zertrümmerte ihm die Kniescheibe. Dieser Kerl würde so schnell nicht wieder aufstehen! Doch nun hatte sie die Aufmerksamkeit der restlichen Männer auf sich gezogen. Langsam wich das Mädchen zurück, an ihrem Rücken konnte sie die beruhigende Kühle eines Felsen spüren. Sie klammerte sich immer noch an ihren Stab, warmes Blut floss mittlerweile an ihrem Körper zu Boden und immer öfter musste sie die Tränen in ihren Augen unterdrücken. Dann umzingelte man sie erneut. Lunacia sah keinen Ausweg mehr, drehte sich um und sprang auf den Felsen. Ein weiterer Angreifer bekam den Stab gegen die Schulter geschlagen, nachdem die Angreiferin auf ihn zugesprungen war. Leichtfüßig rollte sie sich ab, doch nun war sie es, die am Boden lag. So war sie ein leichtes Opfer! Schnell versuchte sie, sich zu erheben, doch die verbleibenden Fünf waren eine für sie unbesiegbare Übermacht. Schmerzen, unerträgliche Schmerzen verzehrten den jungen Körper. Die Gezeichnete weinte, nun konnte sie die Tränen nicht mehr unterdrücken und zurück drängen. Es war, als wollte ihr Körper sie schonen, denn fast sofort glitt sie in eine wohltuende Ohnmacht hinüber. Was in der Zwischenzeit geschah, dass wusste sie nicht. Doch als die Auserwählte das nächste Mal erwachte, sah sie mit verschleiertem Blick in zwei eisblaue Augen. Eine warme Hand legte sich auf ihre Stirn und wischte etwas herunter. Lunacia wimmerte und versuchte, sich aufzurappeln, wurde jedoch mit sanfter Gewalt zurück gepresst. „Keine Angst, ich tue dir nichts.“, sprach der Fremde zu ihr. Seine Stimme war beruhigend und herzlich. Hatte er ihr geholfen? Lunacia ließ den Kopf wieder nach hinten fallen und spürte den kalten Erdboden unter sich. „Du bist in Sicherheit.“, beschwichtigte er sie weiter. Ohne zu wissen, wer die schöne Fremde war, fühlte sich Farakian für sie verantwortlich! Der Krieger nahm das Fliegengewicht hoch auf die Arme, streichelte weiter beruhigend ihre Stirn und trug sie vom Kampfplatz fort. Er säuselte ihr ohne Unterbrechung Worte ins Ohr, damit sie nicht um sich schlug oder trampelte. Nach wenigen Minuten glaubte der Blonde, Lunacia würde mittlerweile schlafen und hörte auf zu sprechen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)