Nothing to lose von ChogaRamirez (Arkham Origins) ================================================================================ Kapitel 55: Hallelujah ---------------------- Der vergangene Abend war mit Abstand der schrecklichste meines Lebens. Und ich habe in letzter Zeit einige schreckliche Abende erlebt. Erst die Zurückweisung in der Küche, dann der Streit im Garten, der Schlussstrich in meinem Zimmer - und zu guter Letzt eine Diskussion mit Dad im Wohnzimmer. Harvey hatte sich wegen der miesen Stimmung kurz nach unserem Abgang verkrümelt. Letztendlich ist Dad gar nicht so wütend, wie ich es erwartet habe. Seine Enttäuschung über meine Lügen werden von seiner Sorge verdrängt. Ich habe ihm erklärt, dass ich weiß, was ich tue und seine Argumente, dass er nicht tatenlos zu hause sitzt, während seine Tochter vielleicht erschossen wird, damit entkräftet, dass ich sonst genauso dasselbe tue und um ihn bange. Da sich das Thema durch die Schwangerschaft vorerst ohnehin gegessen hat, haben wir beschlossen, es erst einmal ruhen zu lassen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er mich gut genug kennt, um zu wissen, dass sich das Thema Batgirl für mich noch nicht erledigt hat. Jetzt liege ich völlig übermüdet in meinem Bett und starre die Tür an. Ich habe sowieso kaum geschlafen und meinen unruhigen Schlaf heute Morgen haben die Klänge des Klaviers im Wohnzimmer gestört. Mom hat darauf immer gespielt. Sie wollte es mir beibringen, aber Instrumente zu spielen ist nicht unbedingt mein Geschmack. Jimmy hat sich zumindest den Flohwalzer beibringen lassen. Neugierig stehe ich auf und trete nach draußen auf den Flur, um nachzusehen. Dad spielt nicht, bleibt also nur noch Einer. Bei genauerem hinhören erkenne ich die Klänge von »Halleluja«, ein melancholisches Lied, dass perfekt zu meiner Stimmung passt. i heard there was a secret chord that david played and it pleased the lord but you don't really care for music, do you if it goes like this the fourth, the fifth the minor fall and the major lift the baffled king composing hallelujah Es hatte ein paar Minuten gedauert, ehe ich mich wieder so weit im Griff hatte, dass ich kurz zurück auf die Terrasse konnte, um Jim und auch Harvey, die gerade in Aufbruchsstimmung war, mit wenigen Worten mitzuteilen, wie der Stand der Dinge war. Jim wollte mir deswegen schon eine Standpauke halten, die ich aber abgewürgt habe, indem ich einfach ins Gästezimmer verschwunden bin. Auf eine Diskussion hatte ich nicht die geringste Lust. Ich habe mindestens die halbe Nacht wach gelegen, die Zimmerdecke im Dunklen angestarrt und nachgedacht. Ich habe mich dabei ein wenig wie in Arkham gefühlt. Auch dort habe ich viel zu viel Zeit zum Denken und Alles, was in den letzten Jahren schief gelaufen ist, läuft dann wie eine Endlosschleife in meinem Hirn ab. Irgendwann, als die Sonne gerade dabei ist, aufzugehen, habe ich es nicht mehr ausgehalten und bin hoch ins Erdgeschoss gegangen. Bei einem Blick auf die Eingangstür drängte sich mir wieder der Wunsch, einfach zu verschwinden auf, doch ich konnte ihn erfolgreich zurück drängen. Stattdessen sitze ich jetzt an dem Klavier, was im rückwärtigen Bereich des Wohnzimmers steht und klimpere ein bisschen vor mich hin. Es ist eine gefühlte Ewigkeit her, dass ich gespielt habe und ich bin vermutlich ziemlich eingerostet. Ich habe damals nach dem Selbstmord meiner Mutter mit dem Spielen angefangen, um irgendeinen Ausdruck für meine Trauer zu finden. Vermutlich spiele ich deswegen ausgerechnet »Hallelujah« immer und immer wieder. your faith was strong but you needed proof you saw her bathing on the roof her beauty and the moonlight overthrew you she tied you to her kitchen chair she broke your throne and she cut your hair and from your lips she drew the hallelujah Du sitzt tatsächlich am Klavier, als ich die Tür zum Wohnzimmer öffne. Um dich nicht sofort rauszubringen, lehne ich mich in den Türrahmen, schließe die Augen und lausche deinem Spiel. Ein wundervoller Klang. Wieso habe ich mir früher nichts von dir vorspielen lassen? Seufzend setze ich mich in Bewegung. So viel zu bedauern ... Damit du vorbereitet bist, räuspere ich mich, als ich zu dir in den Raum komme. Ich setze mich auf die Couch und ziehe eine Decke über meine Beine, weil ich noch in den Shorts bin, die ich zum Schlafen trage. "Guten Morgen", sage ich zaghaft. Ich bin unsicher, wie ich mich dir gegenüber verhalten soll. "Darf ich zuhören?" baby i've been here before i've known this room and i've walked this floor i used to live alone before i knew you i've seen your flag on the marble arch but love is not a victory march it's a cold and it's a broken hallelujah Dein Räuspern lässt mich sofort im Spiel innehalten und weil ich mal wieder meine Umgebung nicht genügend beobachtet habe, zucke ich kurz erschrocken zusammen, ehe ich mich wieder zusammen reißen kann. Ich neige leicht den Kopf in deine Richtung, damit ich zumindest aus den Augenwinkeln sehen kann, dass du dich auf die Couch zurück ziehst. Richtig ansehen kann ich dich nicht, denn ich bin mir sicher, dass das nur die erfolgreich verdrängten Erinnerungen von gestern wieder an die Oberfläche zerren würden. "Es ist nur nicht besonders gut ...", gebe ich dann leise zu und zucke kurz mit den Schultern. Ich persönlich halte nicht besonders viel von meinem Klavierspiel. Ich schätze, dass ich nie besonders gut war und dass mein Vater, der es für absolute Zeitverschwendung hielt, auch in dieser Hinsicht recht hatte. Trotzdem spiele ich dort weiter, wo ich mich gerade unterbrochen habe und fühle mich zunehmend unwohl durch die Gewissheit, dass mir Jemand dabei zuhört. there was a time when you let me know what's really going on below but now you never show that to me do you but remember when i moved in you the holy dove was moving too and every breath we drew was hallelujah Ich ziehe die Decke weiter nach oben und lehne mich nach hinten. Von der anstrengenden Nacht bin ich noch immer todmüde. "Mir gefällt es", flüstere ich. "Ich mag das Lied." Ich bin regelrecht erleichtert, dass du weiterspielst. Es ist, als würdest du mich an etwas Intimem teilhaben lassen. "Wieso hast du mir früher nie was vorgespielt? Das Klavier war immer hier." Unter der Decke lege ich die Hände über meinen Bauch. Musik in der Schwangerschaft soll ja gut für das Kind sein. Ein schöner Gedanke, wenn diese Musik vom Vater gespielt wird. maybe there's a god above but all i've ever learned from love was how to shoot somebody who outdrew you it's not a cry that you hear at night it's not somebody who's seen the light it's a cold and it's a broken hallelujah "Na ja ...", erwidere ich mit der Spur eines traurigen Lächelns auf den Lippen, welches du zum Glück nicht sehen kannst, da ich ja schräg mit dem Rücken zu dir auf dem Klavierhocker sitze. "Du hast nie den Eindruck gemacht, dass es dich großartig interessiert, ob ich noch was anderes kann, als mit Computern umzugehen." Wieder zucke ich mit den Schultern und werfe dir über die Schulter einen kurzen Blick zu. "Außerdem spiele ich nicht so gut, dass es sich wirklich lohnt, dabei zuzuhören." Unwillkürlich frage ich mich deswegen, warum du dir das hier wirklich antust. Es ist immerhin nach sehr früh am Sonntagmorgen. "Was machst du überhaupt so zeitig hier unten?" hallelujah, hallelujah hallelujah, hallelujah "Bullshit", seufze ich. "Ich hätte dir damals mit Begeisterung beim Origamifalten zugeguckt. Es ist irgendwie schade. Das Kochen, das Klavierspielen, das Französisch. Ich habe das Gefühl, dass mir einiges entgangen ist ..." Ein Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. So untypisch bescheiden? Vielleicht willst du auch einfach gebauchpinselt werden ... "Ich habe keine Ahnung von Musik. Schlechter als Moms Geklimper ist es zumindest nicht." Ganz automatisch rutsche ich tiefer in das Polster. "Ich hab nicht gut geschlafen. Eigentlich kaum." Müde reibe ich mir über das Gesicht. "Zu viel nachgedacht." Zu viel geweint, spare ich mir, hinzuzufügen. hallelujah, hallelujah hallelujah, hallelujah Mit der Erwähnung des Origami entlockst du mir tatsächlich ein Lächeln, obwohl mir eigentlich gar nicht dazu zumute ist. "Du hast nie gefragt, ob ich dir auch noch was anderes, als den richtigen Umgang mit Netzwerkrelais, zeigen kann", erwidere ich mit einem Schulterzucken. "Und ich habe es nicht für nötig gehalten, dich extra darauf hinzuweisen, dass ich noch mehr Talente habe ..." Ich spiele die letzten Takte und nehme die Hände von den Tasten. "Also für ein Konzert am Flügel reicht es sicher nicht", sage ich und drehe mich zu dir um. "Willkommen im Club", murmle ich mit einem schiefen Grinsen und deute mit einer knappen Bewegung auf meine zerknitternden Sachen, die deutlich davon zeugen, dass ich in ihren geschlafen habe - oder es besser gesagt versucht habe. Zum Glück verdeckt die Brille halbwegs die tiefen Augenringe, die ich von der Nacht habe. "Irgendwelche Musikwünsche?", frage ich dann, um überhaupt irgendwas zu sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)