Von Waschmitteln im Supermarkt von Phoenix_Michie (KaZe) ================================================================================ Kapitel 5: Von erotischen Träumen, traurigen Gesprächen über Familie und von den Brüdern Jun & Jui, die im Katezencafé zuhause sind ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- "Wovor hast du denn Angst? Und schieb das jetzt nicht auf deine komischen Horrorgeschichten. Wenn ich dir was tun wollte, hätte ich das wohl schon längst gemacht." Unter seinem verständnislosen Blick wurde ich immer kleiner. Das hatte ich ja toll hinbekommen... "Ich...kann sowas einfach nicht besonders gut...", nuschelte ich, während er eine Augenbraue hob. "Was?" "Na DAS. Dieses...mit Leuten reden, damit keine peinliche Stille entsteht..und um sie kennen zu lernen..", versuchte ich langsam zu erklären. "Hmm..okay...", machte er nachdenklich und musterte mich, dann zuckte er mit den Schultern. "Wer hat denn was davon gesagt, dass wir miteinander reden müssen?" Aus großen Augen starrte ich ihn an. "Wie bitte...?" Er lächelte leicht und lehnte sich gegen den Türrahmen. "Also, lässt du mich rein?" Aber da ich ihn immer noch verwirrt ansah, setzte er mit einer kleinen Erklärung nach. "Pass auf, wir machen das, was wir immer so machen..in unserer Freizeit. Nur..eben zu zweit. Redest du, wenn du alleine bist?" "Ja", antwortete ich wahrheitsgetreu, woraufhin er lachte. Damit schien er nicht unbedingt gerechnet zu haben. "Ich auch. Selbstgespräche sind was Feines. Trifft sich, vielleicht wechseln wir dann doch mal ein Wort miteinander." Er zwinkerte mir zu. Nachdenklich sah ich ihn an, dann nickte ich. "Okay." Ich trat beiseite und ließ ihn ein. Ich war tatsächlich beruhigt und zauberte sogar ein echtes Lächeln auf meine Lippen. Karyu schien mich zu verstehen, somit wusste er, worauf er sich einließ, oder? Da brauchte ich kaum ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn es irgendwie schief lief, aber warum sollte es jetzt noch? Wir machten einfach das, was wir sonst zu Hause machen. ICH machte das, was ich sonst machte. Na schön. "Hab ich dich eigentlich bei irgendwas gestört?", erkundigte sich Karyu, als wir ins Wohnzimmer gingen. Ich schüttelte den Kopf. "Nein, nicht wirklich. Ich hab gelesen." Er nickte nur und ich nagte kurz an meiner Unterlippe. "Hast du Hunger? Ich hatte mir eh grad was kochen wollen.." Ganz auf Konversation und auf das Frage-Antwort-Spiel konnte man eben doch nicht verzichten. Karyu nickte und lächelte. "Ich kann dir gern helfen, oder würde dich das stören?" Ich verneinte und winkte ihn hinter mir her in die Küche. Zusammen kochen würde ja noch mehr Unterhaltungen nötig machen - dachte ich. Nachdem geklärt war, was an Zutaten da waren und was ich daraus machen wollte, machten wir uns an die Arbeit - ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Jeder fand automatisch seine Aufgaben. Es ging schnell und unkompliziert. Punkt für Karyu. Punkt für die richtige Entscheidung. "Wollen wir nebenbei was schauen?", fragte ich ihn später und deutete auf den Fernseher, während wir uns auf die Couch setzten. Karyu nickte und schmunzelte leicht. "Ist ja doch wie geplant, was?" Ich summte leise. "Das ist doch gut, oder?" "Aber ja, auf jeden Fall." Er strahlte mich an und zeigte fragenden Blickes auf mein Regal, in welchem meine DVDs aufgereiht standen. Die 15, die ich hatte... Karyu setzte sich davor und schaute sie durch, warf mir dann einen Blick zu. "Hast du einen bestimmten, den du sehen willst?" Ich schüttelte den Kopf. "Ich mag alle, sonst stünden sie da nicht", meinte ich grinsend, woraufhin er sich lächelnd einen aussuchte und die Disk einlegte. Als er neben mir Platz nahm, machten wir uns über das Essen her und verfielen wieder in Schweigen - aber es war ein angenehmes, kein peinliches, wie ich es befürchtet hatte. Das erleichterte mich und ich konnte mich neben Karyu tatsächlich ein bisschen entspannen. Vollgefuttert lehnte ich mich zurück, sah mich dann kurz um und ergriff die Kuscheldecke, die neben mir am Rand der Couch lag. "Willst du auch eine Ecke?", fragte ich Karyu, der mich mit schief gelegtem Kopf ansah. "Ist dir kalt?" Ich nickte nur, während er nach einem Zipfel griff und sich auch zudeckte. So machte ich das halt hier. Und er schien ganz zufrieden und machte es sich auch gemütlich. Ohne es wirklich zu realisieren, fielen mir irgendwann die Augen zu und ich schlief einfach an Karyus Seite ein. Und dann hatte ich einen kurzen, aber knackigen erotischen Traum, in welchem mein Herz so wild klopfte, dass ich es in meinen Ohren pochen hören konnte. Weiche Lippen auf meinen, sanfte Küsse, und dann war da eine warme Hand, die sich unter mein Oberteil geschoben hatte und sich kosend auf meine Haut legte. Es war so angenehm und schön, dass der Traum mir viel zu kurz erschien und ruhig hätte länger dauern können. Vielleicht wäre dann immerhin noch richtiger Sextraum draus geworden. Ich wachte erst am nächsten Morgen auf. Verwirrt sah ich mich um. Ich lag auf der Couch und war allein - von Karyu keine Spur. Ich schob die Kuscheldecke beiseite und stand auf, bevor ich nach ihm rief, aber in der Wohnung blieb es still. Ich durchstreifte die Zimmer und entdeckte im Flur einen Zettel. »Guten Morgen, Zero. Ich hoffe du hast süß geschlafen ;) Ich hab dich nicht aufwecken wollen und bin nach dem Film nach Hause gegangen. Den Fernseher hab ich ausgemacht und die Wohnungstür sorgfältig geschlossen :) Ich hoffe, ich hab alles richtig gemacht. Es war schön gestern. Vielleicht können wir das ja noch mal machen. Hab einen schönen Tag und bis hoffentlich bald. Karyu« Im ersten Moment musste ich überlegen, ob das so was wie ein Liebesbrief war? Aber darüber wollte ich eigentlich nicht nachdenken. So oder so, die Nachricht war lieb. Es war überhaupt nett, dass er daran gedacht hatte, mir etwas zu schreiben. Mit einem schiefen Lächeln auf den Lippen begann ich den Tag. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Von da an verbrachten wir tatsächlich den ein oder anderen Abend miteinander. Es kam allerdings vielleicht nur ein Mal in der Woche vor, da Karyu im Krankenhaus stark eingebunden war. Ich hatte also immer noch viel Zeit für mich. Ab dem 3. Treffen wagte ich es dann, auch mal länger bei Karyu zu Besuch zu bleiben. Nicht einmal versuchte er, mich einzusperren. Mein Misstrauen legte sich also. Und es fühlte sich eben gut an, nicht ständig allein zu sein... "Oah, ehrlich, was ist das für eine furchtbare Familie." Genervt ließ Karyu seinen Kopf in den Nacken und somit auf die Couch rollen, während ich ihn schmunzelnd betrachtete und schließlich zustimmend nickte. Wir sahen uns an diesem Abend eine Serie an, die einzige, die ich auf DVD hatte. "Bevor ich mir so eine Familie herbei wünsche, bleibe ich lieber ohne", murmelte ich und schob mir eine handvoll Chips in den Mund, sah aber zu Karyu auf, der mich nachdenklich musterte. "Was ist?" "Denkst du das wirklich?" Ich seufzte leise und hob vage eine Schulter. "Das ist wie dem Suizid." "Aha?" Nun hatte ich wirklich sein komplettes Interesse. "Na ja, wenn man davon redet, dann sagen einem alle, warum man es nicht tun sollte. Zum Beispiel, weil Freunde oder Familie einen vermissen würden. Oder was weiß ich, was denen für Gründe einfallen. Aber reicht das denn, um weiterzuleben? Wenn man keine Perspektive mehr sieht und sich nur noch durch jeden Tag quält - muss man dieses Leid weiter durchleben, nur weil einer sagt, der und der wäre sehr traurig, wenn du stirbst?" Karyu summte, während er Lilly streichelte, die neben ihm lag. "Ich kann das Argument dieser Leute schon verstehen. So wie du das sagst, klingst du nämlich recht egoistisch." Ich schnaubte. "Es geht hier ja nicht um mich. Mich würde niemand vermissen, da mich keiner wirklich kennt. Aber diese armen Hunde, die wirklich an Selbstmord denken und die Verwandte und Freunde haben..." Verärgert winkte ich ab. "Ich meine, was ich sagen wollte, ist, dass ich keine Horror-Familie brauche, die mir blutende Magengeschwüre mit ihrem Krach und ihrer Ignoranz bescheren. Da bleibe ich wirklich lieber alleine. Ok?" Karyu runzelte nachdenklich die Stirn, dann seufzte er und nickte mit erhellter Miene. "Ja, verstehe. Vielleicht hast du Recht." Ich nickte. Natürlich hatte ich Recht. "Willst du noch ein Bier?" Karyu hielt mir eine Dose hin, die ich dankbar ergriff. "Darf ich fragen, was mit deiner Familie ist, dass du denkst, allein zu sein?", fragte er dann leise. Mürrisch sah ich auf die gekühlte Dose Bier nieder und zuckte mit den Schultern. "Tot." Er hielt inne, während ich die Dose mit einem trockenen Klicken öffnete. "Wie, alle?" So langsam wurde ich sauer wegen seiner ganzen Fragerei, weswegen ich den Kopf hob und ihn aus schmalen Augen betrachtete. Das war doch ziemlich persönlich. "Ich hab nur Eltern gehabt. War Einzelkind. Können wir das jetzt lassen?" Karyus Blick wurde richtig mitleidig und ich spürte, dass er da jetzt eigentlich nachhaken wollte, aber dieser Scheiß ging ihn einen feuchten Dreck an. Schlecht gelaunt nahm ich zwei Züge von dem Bier, doch sah ich überrascht hinab, als Vivi unvermittelt auf meinen Schoß schlich und es sich dort bequem machte. Was war denn nun los? Bisher hatte ich die Katzen nur streicheln dürfen, mehr war nie passiert. Ich hörte, wie Karyu sich räusperte. "Tut mir leid. Ich hätte nicht so bohren sollen." Ich nickte leicht und presste für einen Moment die Lippen zusammen, dann sah ich den Blonden an. "Und was ist mit dir? Wo ist deine Familie?" Karyu seufzte und lächelte mich schwach an. "Meine Eltern sind auf Hokkaido geblieben, wo ich aufgewachsen bin. Mein Bruder kümmert sich um sie. Ich bin vor 3 Jahren für meine Ausbildung her gekommen." "Willst du zurück?" Er hob die Schultern. "Irgendwann schon, aber erstmal will ich hier so viel lernen wie es geht. Einen exzellent ausgebildeten Krankenpfleger kann man so hoch im Norden immer gut gebrauchen. Ich werde richtig gut Geld verdienen können." Ich brummte nur und sah wieder zum Fernseher. "Ansonsten hab ich keine nennenswerte Familie. Und das mit den Freunden hab ich dir ja schon erklärt. Du bist mein einziger. Die Kollegen im Krankenhaus kann ich leider nicht meine Freunde nennen. Und alle anderen waren in Sapporo, aber ich hab den Kontakt verloren." Er senkte den Blick. "Warum denn? Hast du was angestellt? Haben sie sich nicht mehr gemeldet?" "Nein...ich war es eher, der sich nicht mehr gemeldet hat. Ständiges Mail-Schreiben ist anstrengend auf Dauer und...telefonieren mag ich nicht so. Dann hatte ich viel zu tun. Es hat sich einfach im Sande verlaufen..." Ein bisschen traurig schien er darüber schon zu sein. "Ist schon scheiße", murmelte ich. "Da will man sein Leben leben, seinen Weg gehen...und ist plötzlich so ziemlich alleine. Hätte ich vorher gewusst, wie scheiße das sein kann, hätte ich alles anders gemacht." Langsam nickte Karyu. "Ja...wahrscheinlich. Ich wäre einfach nach Sapporo gegangen anstatt hierher. Das ist zu weit weg. Aber ich hab wirklich geglaubt, dass ich das durchstehe. Na ja, und ich bin davon ausgegangen, hier in Tokyo schnell Freunde zu finden. Hier leben schließlich Millionen von Menschen.." "Und trotzdem ist man einsam. Tja..." Ich zuckte mit den Schultern und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr, dann legte sich Schweigen über uns. "...wie wäre es mit einem Haustier?", schlug Karyu mir ein paar Minuten später vor, als ich im Begriff war, zu gehen. "Sie machen eine Menge aus. Und man hat das Gefühl, gebraucht zu werden. Da ich viel weg bin, habe ich mir das Pärchen zugelegt, damit sie nicht den ganzen Tag alleine sind. Bei dir reicht sicher auch ein Tier. Eine Katze, ein Hund, einen Hasen...?" Ich lächelte schief. "Ein Haustier? Ich hatte früher mal eine Katze...vor 10 Jahren oder so", murmelte ich. "Ich weiß nicht, ob ich das noch könnte - eine Katze halten." Sanft sah er mich an. "Wenn du dir bei was unsicher bist, kann ich gerne helfen. Ich hab genug Erfahrung. Du würdest dich auf jeden Fall besser fühlen mit einem Tier an deiner Seite." "Darüber habe ich noch nie nachgedacht", gab ich zu, während ich Karyus Katzen sehnsüchtig betrachtete. "Tja, dann wirds wohl mal Zeit", meinte Karyu und reichte mir meine Jacke. Ja, vielleicht wurde es Zeit. Ich konnte nicht ahnen, wie schnell es Zeit wurde. "Wie wäre es mal mit frühstücken gehen?", wollte Karyu unvermittelt von mir wissen, weswegen ich ihn überrascht anblinzelte. "Übermorgen habe ich den ganzen Tag frei. Ich hole dich ab und wir gehen in meinem Lieblingscafé frühstücken. Vielleicht machen wir danach noch was, muss aber nicht sein, wenn du nicht willst. Hm?" Erwartungsvoll sah er mich an. "Ich war schon lange nicht mehr aus um zu frühstücken", erwiderte ich langsam. "Aber ich fand sowas immer toll.." Ich lächelte ihn an. "Können wir gerne machen." "Super. Dann hole ich dich übermorgen früh ab. 8 oder 9, was ist dir lieber?" Ich zuckte mit den Schultern und grinste. "8:30 Uhr?", schlug ich vor, woraufhin er amüsiert nickte. "Abgemacht." Und die Verabredung würde ich auch einhalten, statt Zettel zur Absage zu nutzen! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Hastig kämmte ich mir die blonden Haare, die ich mir am Nachmittag zuvor frisch gefärbt hatte - nichts hasste ich mehr als einen dunklen Ansatz! - dann lief ich rasch ins Wohnzimmer und schnappte mir meine Tasche. Da fehlte das Geld, und die Taschentücher, mein Spiegel, mein Lippenpfleger, mein Ausweis - argh, da fehlte alles! Einzig dem Schlüssel verzieh ich es, denn der steckte ja noch im Schloss und mit dem würde ich gleich die Tür abschließen müssen. Die nächste Minute verbrachte ich damit, meine Tasche zu packen - und schon klingelte es. Karyu war da, um mich abzuholen. Gestresst schlüpfte ich in meine Jacke. "Bin gleich da", rief ich in die Gegensprechanlage und ließ den Knopf wieder los, bevor ich Karyus Lachen hören und mich wundern konnte, was er hatte. Ich zog mir noch die Stiefel an und warf einen kurzen Blick in den Spiegel, glättete meine Kleidung und dann machte ich mich auf den Weg. "Du hättest dir ruhig Zeit lassen können, Zero", begrüßte Karyu mich mit einem Schmunzeln auf den Lippen. Er schien sich herausgeputzt zu haben, zumindest fiel mir seine neue Frisur auf, die elegante, enganliegende Kleidung, die seine Beine betonten und noch länger und schlanker wirken ließen.. Und als er sich zum Gehen beiseite drehte, bemerkte ich zum ersten Mal, dass er ja doch tatsächlich einen kleinen Apfelpo hatte - oder hatte ich darauf nur nie geachtet? Ich lächelte leicht und zuckte mit den Schultern. "Hab ein bisschen verschlafen und musste mich beeilen. Ich halte nicht viel davon, mich bei Verabredungen zu verspäten...dich hier unten stehen und warten zu lassen, wäre nicht schön, oder?" "Ach, es regnet doch nicht und kalt ist es auch nicht", erwiderte der Blonde schmunzelnd und winkte mich hinter sich her. "Ich möchte nur das Risiko für einen Herzinfarkt senken.", grinste er frech, weswegen ich ihm gegen die Schulter stupste. "Ja, schon klar, Herr Doktor. Ich bin ja auch schon 50 und lebe total im Stress", erwiderte ich ironisch. "Jetzt ist mir klar, warum du Krankenpfleger und kein Arzt bist", fügte ich hinzu und streckte ihm die Zunge raus, woraufhin er mich aus großen Augen ansah. "Wie bitte? Hey, das ist gemein!" Er zog eine Schnute und schien zu schmollen, musste dann aber doch leise lachen. "Deswegen mag ich dich", sagte er unvermittelt, weswegen ich ihn überrascht ansah. "Weil ich fies bin?" "Schlagfertig, Zero, du bist schlagfertig. Und du sagst, was du denkst. Meistens jedenfalls.", erwiderte er lächelnd. Die U-Bahn-Station kam in Sicht. "Weißt du eigentlich, wohin genau wir gehen?", erkundigte ich mich und er nickte. "Zwei Stationen weiter in Setagaya gibt es ein Neko-Café. Das Nekochaya. Wie wäre es? Oder lieber ein normales?" Verblüfft sah ich ihn an. Ein Café voller Katzen?! "Ehm..ich weiß nicht... Ich hab noch nie eines besucht. Ist das gut?" Nun war es an ihm, mich überrascht anzusehen. "Du warst noch nie in einem Katzencafé? Oh..." Er lächelte. "Dann wird es ja mal Zeit! Natürlich ist es da gut!" Strahlend zog er mich hinter sich her und wir betraten die U-Bahn-Station. Es klang ja eigentlich ganz interessant. Alleine hätte ich mich da aber wohl nicht hingetraut. Ungewohntem, Neuem und Fremdem stand ich erstmal kritisch gegenüber. Ich vermied es, solchem zu begegnen. Aber Karyu war ja dabei und der schien sich bereits auszukennen. Vorsichtshalber fragte ich trotzdem mal nach. "Ah ja, ich war da schon oft. Ich hab Vivi und Lilly erst seit einem Jahr, weißt du. Davor bin ich jede Woche mal ins Café gegangen." Er neigte den Kopf. "Ich hab's einfach mit Katzen. Sie haben mich damals schon beruhigt." Ich lächelte leicht und wir stiegen in die U-Bahn. Ich glaubte ihm gern, dass sie so eine Wirkung auf ihn hatten. Zehn Minuten später betraten wir das kleine, kuschelige Café. An der Theke stand eine Frau mittleren Alters mi einer dunkelblauen Schürze um die Hüfte. "Oh, hallo Karyu. Kommst du uns endlich wieder besuchen. Wie lange ist das her?" Sie lächelte und kam auf uns zu. "Hi. Das ist bestimmt schon vier Wochen her...", antwortete Karyu und umarmte sie kurz. "Darf ich vorstellen? Das ist Zero, ein Freund von mir." Er sah mich an. "Reiko hier gehört das Café.", erklärte er mir. "Hallo, schön dich kennen zu lernen.", sagte sie mit warmer Stimme und ich verbeugte mich etwas schüchtern. "Ich freue mich, dass Karyu mal einen Freund mitbringt. Wie geht es denn deinen Katzen?", fragte sie ihn, woraufhin er wieder richtig zu strahlen begann. "Denen geht's prächtig, danke der Nachfrage." "Sehr schön." Sie deutete tiefer ins Café. "Alles frei bis auf Tisch 4. Es wird erst später voller, also sucht euch einfach was aus." Neugierig folgte ich Karyu. Zwei schwarze Katzen kreuzten unseren Weg und schlichen hinter uns her. Das Café wirkte wie eine kuschelige Höhle. Keine allzu helle Beleuchtung, es war aufgeräumt, aber ein paar Kratzbäume, etwas Spielzeug und das ein oder andere Liegekissen waren natürlich vorhanden. Es roch ein bisschen nach Katze, aber nicht doll. Ich fand es eigentlich richtig angenehm hier. Wir setzten uns an eine kleine Fensterfront und die zwei schwarzen Katzen machten es sich neben uns auf der Eckbank bequem. Schmunzelnd betrachtete ich die beiden. "Kennen sie dich?" "Ja, gut erkannt", antwortete Karyu und streckte die Hand aus, um die Katze direkt neben sich zu streicheln. "Das sind Jui und Jun, Brüder", erklärte er lächelnd. "Gleich bei meinem ersten Besuch hier vor 2 Jahren habe ich mich mit den beiden Jungs angefreundet. Sie sind sehr offen und zutraulich. Streichel Jui mal." Fragend sah ich zwischen dem Kater neben mir und Karyu hin und her. "Wie kannst du die beiden auseinander halten? Sie sind beide schwarz.." Ich erkannte da keinen Unterschied. "Am Fell kann ich es nicht ausmachen, auch nicht an den Augen. Jui ist aber immer sehr still, während Jun oft maunzt. Manchmal dauert es etwas, bis ich weiß, wer wer ist." Er kraulte seinen Kater, der sich auf den Bauch gedreht hatte - und schnurrte. "Siehst du? Deiner war bisher dagegen ganz still, oder?" Abwesend nickte ich und legte vorsichtig die Hand auf das schwarze, glänzende Fell. Während der Kater sich kraulen ließ, gab er keinen Mucks von sich. Karyu behielt recht. "Ist ja der Wahnsinn.." Ich freute mich, dass die beiden so locker in der Gesellschaft von fremden Menschen waren. Mit der freien Hand griff ich nach der Speisekarte und suchte mir etwas raus, da ich Reiko schon auf uns zukommen sah. "Ich hätte gern das Mini-Frühstückset", sagte ich, woraufhin Karyu amüsiert schnaubte. "Mini? Ich nehme das große." Reiko nickte amüsiert und notierte sich das. "Kaffee dazu?" "Einen Cappuccino", bat ich. "Einen großen schwarzen bitte." Aus großen Augen sah ich den Blonden an, während Reiko ging. "Iiieh.." Er grinste. "Hey, was glaubst du, wie ich meine Doppelschichten im Krankenhaus überlebe?" Ich lächelte schief. "Verstehe..." Kurz sah ich auf, da auf dem Schrank schräg hinter Karyu eine weiße, langhaarige Katze lag, die uns beobachtete. "Reiko ist wirklich sehr nett..", murmelte ich dann, woraufhin er nickte. "Nicht wahr? Sie war immer für mich da. Ich muss wohl ziemlich traurig ausgesehen haben damals.. Sie und die Katzen haben sich um mich gekümmert...ja, so kann man das wohl nennen." Er sah mich leicht lächelnd an. "Reiko war es auch, die mir vorgeschlagen hat, Vivi und Lilly mitzunehmen." "Sie kommen von hier?" Er nickte. "Eine der Katzen hier war schwanger und warf 4 Junge. Reiko hat die nicht alle behalten können, das wären zu viel Katzen gewesen. Also hat sie die Jungen abgegeben. Und zwei davon hab ich ihr abgenommen", erzählte er. "Ist eine schöne Geschichte", meinte ich leise, weswegen er nickte. "Ja, das ist es. Gäbe es dieses Café hier nicht, Reiko und die Katzen..." Er schüttelte sachte den Kopf. "Das alles hat mir Halt gegeben." Er sah mich an. "Gibt es etwas, das dir Halt gibt?" Etwas überrascht von der Frage senkte ich den Kopf. Gab es etwas? Da brauchte ich eigentlich nicht drüber nachzudenken. Ich antwortete ihm nicht, und bevor er eine peinliche Nachfrage stellen konnte oder es in unangenehmes Schweigen ausartete, kam Kumiko mit zwei Tablets und reichte uns das Frühstück. Während ich in meinem Kaffee rührte, sah Karyu mich aber weiterhin, wie er wahrscheinlich meinte, unauffällig an. "Ich kann den Job ja übernehmen", meinte er unvermittelt, weswegen ich ihn fragend ansah. "Hm?" "Na ich kann dir Halt geben. Wenn du sonst nichts und niemanden hast, biete ich mich sehr gern an.", schlug er lächelnd vor. Seine Augen glänzten dabei und ruhten aufmerksam auf mir. Ich hob die Augenbrauen. Wenn ich da jetzt ja sagte, würde ich ihn nie wieder los werden, aber was das viel wichtigere war: es würde ihm vielleicht Hoffnungen machen. Und das war das allerletzte, was ich wollte. So ging man nicht mit jemandem um, der verliebt war. Ich seufzte leise und rang mir ein Lächeln ab. "Das ist...nett von dir. Aber ich brauche keinen Halt." Nun war er es, der in seinem Kaffee rührte. "So...?" "So?", hörte ich plötzlich Reikos Stimme, die gerade Gäste an den Tisch neben uns geführt hatte. "Du siehst genauso traurig aus wie Karyu bei seinem ersten Besuch hier. Irgendwas hast du..", meinte sie, woraufhin ich den Kopf schüttelte. "Nein, eigentlich nicht." "Und uneigentlich?" Ich sah sie mit einem gezwungenen Lächeln an. Was sollte das jetzt? "Es ist alles in Ordnung." "Wie du meinst. Aber Halt kann man nicht genug haben. Lass Karyu doch helfen, wenn er unbedingt möchte. Er kann wirklich furchtbar hartnäckig sein." Sie lächelte, während ich schnaubte. Ja, dass er hartnäckig war, hatte ich schon gemerkt. Reiko tätschelte ihm den Kopf und ging dann die Bestellung der anderen Gäste aufnehmen. Karyu grinste nur leicht und widmete sich dem Frühstück, anstatt mich weiter zu bedrängen. Das überraschte mich dann doch. Ich hätte erwartet, dass er versuchen würde, mich zu überreden - was immer ein Ja für Folgen gehabt hätte. So zuckte ich nur leicht mit den Schultern und begann auch zu essen, während sich Schweigen über uns ausbreitete. Die beiden schwarzen Katzen blieben bei uns. ============================================ Fortsetzung folgt ============================================ Und lasst euch gesagt sein, das wir das (vorläufige) Ende. Ein Ende mit Katzen. Ein Ende mit Karyu oder auch ohne ihn :') Aber auf jeden Fall mit Katzen! ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)