Im Schatten der Samurai von Bambusbesen (Sasori X Deidara X Gaara) ================================================================================ Kapitel 108: Der Flur der Herberge ---------------------------------- Deidara hielt inne und sah zurück auf die Stadt im Tal, die unter der dünnen Schicht frisch gefallenen Schnees einen friedlichen Eindruck erweckte. Doch dieser Schein entsprach nicht der Realität. Morioka versank im Krieg. Das Volk erhob sich gegen ihren Daimyô. Die Rônin hatten nach einigen Wochen ihr Ziel erreicht und konnten die Gegend endlich verlassen, samt Belohnung. Aber der Blonde hatte das Gefühl, er ließ einen Teil von sich hier zurück. Den Teil, den er vergessen hatte. Würde er die Lücken in seinem Gedächtnis je wieder komplett füllen können? Haku meinte, die Chancen standen gut, dass er sich wieder erinnerte, weil er nur ein paar Stunden bewusstlos gewesen war. Die Kopfschmerzen und der Schwindel waren nach ein paar Tagen verblasst. Nur noch gelegentlich pochte es hinter seiner Stirn. „Deidara, beweg deinen Arsch!“ Kakuzus Stimme hallte genervt zu ihm herüber. Seufzend wandte er seinen Blick von Morioka ab und zog den grauen Umhang enger um die Schultern, damit der scharfe Wind keinen Weg darunter fand. Dem Weg folgend schloss er zu den anderen Kriegern auf. Seine Aufmerksamkeit blieb bei Hidan hängen. Der Silberhaarige bewegte sich seltsam steif. Hatte Kakuzu ihn wieder zusammengeschlagen? Das wäre nichts Neues. Der alte Rônin verprügelte seinen Partner, wenn er über die Stränge schlug. Deidara würde mit so einem Partner keine Aufträge durchführen wollen. Er hätte schon längst einen anderen Partner verlangt oder wäre weggegangen. Aber Hidan stand vermutlich auf die Schmerzen. Von ihm ließ er sich ja auch in unregelmäßigen Abständen im Stockkampf verkloppen. Hidans Geist war nicht ganz in Ordnung. Aber das konnte man von allen Akatsuki behaupten. Konan möglicherweise ausgenommen. Sie hielt es jedoch mit einem Haufen fragwürdiger Kerle aus. Das machte sie ähnlich seltsam wie den Rest. Wie würde es nun weitergehen? Sollte er zuerst mit den anderen Rônin in den Geisterwald zurückkehren oder sich im Anschluss an die Überfahrt nach Shikoku von ihnen trennen und nach Matsuyama gehen? Er vermisste Gaara. Deidara wachte gern an ihn geschmiegt auf. Er vermisste seinen Geruch, das Gefühl seiner kurzen Haare zwischen seinen Fingern, die ruhige Stimme, seine Leidenschaft, einfach alles an Gaara. Ungefähr acht Wochen hatte dieser Auftrag in Anspruch genommen. Die Reise zurück in den Süden fügte noch weitere Wochen hinzu. Die letzten warmen Tage in Shikoku würden bereits vorbei sein, wenn sie endlich wieder in Gaaras Reich angelangten. Schnee fiel auf der Insel zwar nicht, aber die Temperaturen sanken dennoch spürbar ab. Hoffentlich hatte Deidara nicht zu viel verpasst. Sorge nagte in seinem Inneren. Haku hatte von einem bevorstehenden Krieg gesprochen. Nagoya war nicht zum ersten Mal mit Shikoku verfeindet. Lediglich der Angreifer hatte gewechselt von einem alten, durchtriebenen Daimyô zu einem jungen, rachsüchtigen Möchtegern-Daimyô aus dem Uchiha-Clan. Dieser Clan machte nur Ärger! Wie gern würde Deidara einfach erneut zu der wieder aufgebauten Burg in Nagoya gehen und Sasuke umbringen. Das wäre eine Mission nach seinem Geschmack. In die Burg eindringen, alle Gegner töten und nach einem guten Kampf eine anständige Mahlzeit und Sex mit dem Liebsten. Er sollte Gaara dazu bringen, ihm diesen Auftrag zu erteilen. Allein bei dem Gedanken daran kochte sein Blut vor Freude. Allein das Wissen um die unliebsame Ehefrau seines Rotschopfes dämpfte diese innere Vorfreude auf einen wirklich spannenden Kampf. Deidara vertraute Gaara, aber die Angst konnte er nicht einfach abstellen, dass sie ihm Gaara irgendwann doch wegnahm. Wie gern würde er sie auch einfach töten. Unweigerlich drängten sich Erinnerungen an Sasoris letzten Besuch in seinen Träumen während O-bon aus den Tiefen seines Geistes an die Oberfläche. „Bring sie doch um.“ Das waren die Worte seines Meisters gewesen. Dann wäre Sakura zumindest keine Gefahr mehr für ihre Beziehung. Irgendwann würde aber eine andere Frau kommen, die ihre Ehe erneut auf die Probe stellte. Als Daimyô brauchte Gaara eine Ehefrau und einen Erben. Schwer seufzte Deidara. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen. Wie sollte das nur gut gehen? Er wollte nichts lieber, als Gaara nehmen und mit ihm verschwinden. Weit weg von den politischen Konstrukten, die sie einsponnen wie gierige Spinnen ihre Beute und ihnen ihr Leben aussaugten. Sie könnten umher wandern, Japan bereisen und sogar über das große Meer segeln, um China kennen zu lernen oder die vielen anderen Länder dieser Welt. Ein blaugraues Auge blickte zum blauen Himmel hinauf. Das wäre schön. Frei sein… wie der Wind. Kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichte die fünfköpfige Gruppe ein kleines Dorf mit einer einfachen Herberge. Knurrend wie immer bezahlte Kakuzu den Betrag. Wenigstens zwang er sie nicht dazu, bei Schnee im Freien zu übernachten. Reiste man mit Kakuzu, musste man sich darauf einstellen, unter den Sternen zu nächtigen, solange das Wetter es zuließ. Der Blonde konnte damit umgehen. Als Rônin war man daran gewöhnt, tagelang umherzustreifen und keinen gemütlichen Futon und ein Dach über dem Kopf zu finden oder sich leisten zu können. Die in die Jahre gekommene Besitzerin führte sie die Treppe hinauf und den Gang entlang. Routiniert glitt Deidaras Blick umher, um sich zu orientieren. Als sie um die Ecke bogen, kam ihm der Flur sehr bekannt vor. Aber Herbergen sahen sich oft ähnlich, weil das Schema des Hausbaus an geregelte Maße der Bauteile angepasst war. Plötzlich schoss plötzlich ein scharfer Schmerz durch seinen Kopf. Ein gequälter Laut glitt über seine Lippen. Die Hände flogen hoch und pressten sich gegen die Schläfen. Hinter dem fest zusammengepressten Lidern spielten sich allerlei Szenen ab, die er zuerst nicht einordnen konnte. Über Karin kniend schnitt er ihr die Kehle durch. Die gescheiterte Verhandlung mit Sasuke. Akatsuki, die Suigetsu als nutzlose Geisel enttarnten. Gaara, der von Narutos Tod erfuhr. Die Wache vor Gaaras Zimmer in den Herbergen auf der Heimkehr. Das Gespräch in den Räumlichkeiten des Daimyô. Unsicherheit über das Fortbestehen ihrer Ehe. Deidaras Rückzug zu Akatsuki, der Auftrag und die Gefühlsmixtur von Hilflosigkeit, Frust und Angst. All die Bilder, die vielfältigen Gefühle und Geschehnisse prasselten auf ihn ein und brachten ihn zu Fall. Die Szenen vor seinem inneren Auge verschwammen zu einem bunten Klumpen. Allmählich verblassten sie und entließen Deidara in die aktuelle Zeit. Jemand rüttelte an seiner Schulter. Sein Name wurde gerufen. Erst nahm Deidara ihn nur wie durch dicken Stoff wahr, dann gewann die Stimme an Klarheit. Haku. Schmerzen setzten sich hartnäckig in seinem Kopf fest. Ein mattes Stöhnen kam über seine Lippen. Das waren seine Erinnerungen, oder? Die Zeit, die er vergessen hatte. Einiges davon passte zu Hakus Erzählungen. Er konnte sich wieder an die verlorenen Wochen erinnern. Aber das waren so viele Fragmente gewesen. Es fiel Deidara schwer, sie in die richtige Reihenfolge zu bringen. Wieder rief Haku seinen Namen. Langsam hob Deidara die Lider und stemmte sich zittrig in eine sitzende Position. Er fühlte sich unendlich erschöpft von der Fülle in seinem Kopf. Der Schwarzhaarige kniete neben ihm und musterte ihn mit einem besorgten Blick. Die anderen standen in geringer Entfernung, warteten offenbar, dass Haku eine Diagnose stellte. „Was fehlt dir?“, fragte dieser. Deidaras linke Hand fand ihren Weg zu seiner Schläfe und massierte behutsam. „Ich habe meine Erinnerungen zurück… glaube ich, hm“, murmelte er. Ein warmes Lächeln huschte über die feinen Lippen Hakus. „Das freut mich.“ Genervtes Seufzen wurde von seinen Ohren aufgefangen. „Jetzt geht das Theater wieder los.“ Zabuza machte sich nicht einmal die Mühe, leise zu sprechen. Ein mahnender Blick von Haku traf ihn. Dann widmete der Jüngere dem Blonden wieder seine Aufmerksamkeit. „Sonst geht es dir gut?“ Deidara deutete ein leichtes Nicken an. Haku wirkte zufrieden. „Dann gehen wir in unser Zimmer und du ruhst dich aus.“ An die offensichtlich erschrockene Besitzerin gewandt sprach er: „Bereitet bitte sofort einen der Futons vor.“ Eilig bejahte sie und schob die Tür zu dem ihnen bestimmten Zimmer auf. Heute Nacht teilten sie sich zu fünft einen Raum. Kakuzu schonte ihre Reisekasse und es war ohnehin nur noch dieser Raum frei. Deidara fuhr sich mit der Hand durch die Haare und erhob sich vom harten Flurboden. Seine Beine fühlten sich etwas wacklig an. Ein Futon klang sehr verlockend. Hinlegen und schlafen wäre ein Segen. Hunger hatte er nun keinen mehr. Erst einmal musste er mit den ganzen zurückerhaltenen Erinnerungen zurechtkommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)