Der Hund und der Wolf von Kiryava ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- Von der Hafenstadt Saltpans führte ein Weg in östlicher Richtung ins Landesinnere. An manchen Stellen war es kaum mehr als ein Pfad, der sich zwischen Bäumen und Hügeln durch die Landschaft schlängelte. Kleine Dörfer lagen versteckt in den Senken oder in den Hainen. Die meisten Menschen, die den Weg benutzten, stammten aus diesen Gemeinden. Es waren einfache Leute, Bauern und Fischer, deren Karren Spuren in der vom Regen feuchten Erde hinterließen. An diesem Tag waren zwei Mönche unterwegs. Einer von ihnen hatte die Kapuze seiner Kutte tief ins Gesicht gezogen. Unter dem Schatten, den der grobe Stoff warf, konnte man ein breites, von dunklen Bartstoppeln übersätes Kinn sehen, dessen eckige Form auf eine niedere Abstammung hindeutete. Er war schon älter, ein Arbeiter mit groben Händen und starken Armen. Sein Begleiter führte ein helles, cremefarbenes Pferd am Zügel. Es war ein edles Tier, vermutlich ein Schlachtross, dessen langer, schmaler Kopf im Takt seines sicheren Schrittes nickte. Der Mönch, der es führte, war kaum älter als 16 mit klaren, ehrlichen Augen und einem dichten, schwarzen Haarschopf. Er folgte dem älteren Mönch wie ein Knappe seinem Ritter. Die beiden waren schon eine Weile unterwegs, doch ihr Tempo hatte nur wenig abgenommen. „Und du bist dir ganz sicher, dass sie nach Süden gegangen sind?“, fragte der Mönch mit der Kapuze den Jungen. Dieser nickte stumm. Seufzend wandte sich der Mann wieder nach vorne und richtete seine Augen auf den Weg. „Wenn du es mir nicht unter Eid geschworen hättest, William, ich hätte dir nicht geglaubt.“ Der junge Mönch lächelte wissend. Vermutlich hätte er sich die Geschichte selber nicht abgenommen, wenn er sie nicht erlebt hätte. Noch immer fragte er sich manchmal, ob er nur geträumt hatte und gleich in seiner kleinen Zelle aufwachen würde. Wolkenverhangen spannte sich der Himmel über ihnen und die Luft roch nach Regen. In den letzten Tagen hatte es oft geregnet, doch die beiden Reisenden waren seit ihrem Aufbruch verschont geblieben. Auf einmal berührte der junge Mönch, William, den älteren an der Schulter und deutete dann ein Stück entfernt in den Wald hinein. Zwischen den Bäumen stand ein großes, schwarzes Pferd. Unter seinem seidigen Fell zeichneten sich kräftige Muskeln ab. Es handelte sich eindeutig um ein Schlachtross, ausgebildet zum Kämpfen. „Was macht denn ein solches Pferd ohne Reiter hier?“, wunderte sich der ältere Mönch. „Schau, es ist sogar noch gesattelt. Wir sollten nachsehen, ob etwas passiert ist. Vielleicht braucht jemand unsere Hilfe.“ Doch der junge Mönch hatte den schmalen Pfad bereits verlassen und lief auf den Rappen zu. Sein eigenes Pferd führte er dabei hinter sich her. Je näher er kam, desto weiter wich der fremde Hengst zurück. Der Alte folgte seinem Mitbruder so schnell er konnte, erkannte jedoch wieder einmal, dass seine Beine nicht mehr so kräftig waren, wie früher. Kurz verlor er seinen Begleiter aus den Augen, sah ihn dann aber wieder hinter einem hohen Gestrüpp auftauchen und heftig winken. Hastig schloss er zu ihm auf, um zu inspizieren, was der Junge entdeckt hatte. Mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt lag ein Mann dessen halbes Gesicht von einer grässlichen, roten Narbe entstellt war. An der Hüfte hatte er eine tiefe Wunde, aus der bereits eine große Pfütze Blut auf den Boden gelaufen war. Eine weitere Wunde war an seinem Bein, in seinem Nacken und direkt über seinem Ohr. Allerdings musste sich vor nicht allzu langer Zeit jemand der Wunden angenommen haben, denn sie waren mehr schlecht als recht verbunden. Die Augen des Mannes waren geschlossen und er rührte sich nicht. Auf dem Boden lag ein rostiges Langschwert und ein metallener Helm in Form eines Hundekopfes, der allerdings oben schwarz verkohlt war. Umgehend sank der alte Mönch neben dem Verletzten auf die Knie, um zu überprüfen, ob er noch atmete. Sein junger Begleiter sah ihm nervös zu, wobei er von einem Fuß auf den anderen trat. Die kundigen Hände des Alten, der mit der ruhigen Art eines Heilers handelte, untersuchten die Wunde. Schließlich nickte er und schaute zu seinem Gefährten auf: „Er lebt noch William. Schnell, hilf mir ihn auf das Pferd zu schaffen. Wir können ihn noch retten.“ Keinem der Mönche fiel auf, dass in der weichen Erde um den Verletzten herum, die Hufabdrücke eines weiteren Pferdes waren, vermischt mit einer Anzahl sehr kleiner Fußspuren, wie sie ein Kind von neun oder zehn Jahren hinterlassen würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)