Love And The Way It Goes von Kalahari (~Reborn-Oneshot-Sammlung~) ================================================================================ Until We Die ------------ Until We Die We lie everyday... Mit einem lauten Knall flog die Tür auf, wobei sie fast aus den Angeln gerissen wurde – genau wie damals. „VOOII!! Xanxus!! Du kannst dich doch nicht den ganzen Tag im Büro verbarrikadieren!“, schrie Squalo, als er zugleich mit dem Auffliegen der Tür das Zimmer betrat, seine Stimme klang laut und nervtötend an mein Ohr. „Schnauze, Abschaum!“, wies ich ihn kalt und beherrscht zurück. „VOOII!! Dummer Boss, du wirst hier drinnen noch versauern!“ Ein Glas verfehlte nur knapp seinen Kopf – absichtlich. „VOOOOOOIII!!!!“ Genervt wand ich meinen Blick vom im Licht schimmernden Whisky ab und hob ihn, um den Störenfried, erstmals seit er das Zimmer betreten hatte, verächtlich an zu sehen. Er hatte derweil die Tür wieder geschlossen – seltsam, dass sie noch immer nicht aus den Angeln gefalle war, wobei mich das in diesem Haus wirklich nicht ins Erstaunen bringen konnte – und war gerade dabei den Raum bis zu meinem Schreibtisch zu durchqueren. „Wenn du so weiter machst, haben wir bald keinen Whisky mehr“, versuchte er mir zu drohen. Doch ich hob nur verächtlich eine Augenbraue: Na und? Squalo bekam scheinbar einen Wutanfall, den ich gekonnte ignorierte. Warum sollte ich mich auch darüber aufregen – Abschaum war es nicht wert sich über ihn aufzuregen. „Teme, verfluchter Boss! Was fällt dir ein?!“ Eine Frage, die ich nicht zu beantworten gedachte und auch nicht brauchte, immerhin war ich ihm ja keine Rechenschaft schuldig! „Man kann doch nicht vom Rumsitzen, Trinken und Schlafen leben!“, warf er mir weiter vor. Sein Unmut über mein Schweigen, war ihm deutlich anzusehen. Doch auch ich gab mir nicht im Geringsten Mühe meine Genervtheit über diese unerwünschte Konversation zu verbergen, als ich mich doch zu einer knappen Antwort herabließ: „Was geht dich das denn an? Oder denkst du, dass ich dir Rechenschaft schuldig bin? Wohl kaum!“ Ich lachte kurz auf. „Dies trifft allerdings eindeutig auf dich zu.“ Ich zweifelte daran, dass Squalo erkannte, dass ich mit dieser Aussage auf den Umstand hinweisen wollte, dass er sich unerhört mir gegenüber benahm. Allerdings war ich auch nicht gewillt ihm das zu erklären. „VOOOII! Ich bin immer noch der Strategiekapitän. Was kann ich dafür, wenn du deinen verdammten Arsch nicht hochkriegst; du solltest dich mal lieber um deine Angelegenheiten kümmern!“ „Schnauze, Abschaum!“ Es fiel mir schwerer als gedacht ruhig zu bleiben, obwohl ich doch genau wusste, wie sinnlos es war sich aufzuregen. „Wenn du so weiter machst, wirst du die Varia genauso zu Grunde richten, wie dich selbst!“, er stand jetzt direkt vor meinem Schreibtisch und hatte sich dort mit verschränkten Armen aufgebaut. Ich schenkte ihm einen verächtlichen Blick meinerseits – es war doch sowieso alles vergebens. Doch wie erwartet redete er einfach weiter. Sinnlos. „Man kann dich nicht einen Moment aus den Augen lassen! Allein bekommst du rein gar nichts hin.“ Für einen kleinen Augenblick konnte ich die Überraschung und den Unglaube, welche mich bei diesen Worten erfüllten, nicht völlig verbergen. Es konnte doch nicht sein?! Nein! Es war unmöglich. Blödsinn, alles Blödsinn! Verärgert zog ich die Augenbrauen zusammen und runzelte leicht die Stirn. Seine Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt – allerdings nur, weil er mich damit überrumpelt hatte, nicht weil ich seinen Vorwürfen wirklich gewillt war ein offenes Ohr zu schenken. Viel eher war mir völlig egal, was er mir vorwarf, doch dass er mir ausgerechnet DAS vorwarf verwunderte mich letztendlich doch. Konnte so viel Zufall sein? Es war doch nur ein einfaches Spiegelbild, ein Spiegelbild des Vergangenen. Nur eine Lüge! Begreifen erfüllte mich urplötzlich, welches aber sogleich wieder von Erstaunen überschattet wurde. Wenn er dazu wirklich in der Lage war, warum wählte er ausgerechnet das? Die Frage, warum ihm ausgerechnet das Wohl der Varia so wichtig zu sein schien? Warum musst er mir gerade das vorwerfen – und nicht etwas anderes. Nachdenklich griff ich nach meinem Glas, drehte es, schwenkte den Whisky kurz hin und her, bevor ich ihn herunterkippte. Blödsinn! Irrelevante Nichtigkeiten – nicht mehr. Lügen! Abschaum! Gefasst stelle ich das Glas zurück. „Du halst mir doch nur die ganze Arbeit auf, weil du selbst gar nicht dazu fähig bist!“ Ich lachte kalt auf, lehnte den Kopf leicht nach hinten, und blickte ihn überlegen grinsend an. Alles Abschaum! „Kein Wunder, dass du gegen diesen Mittelschüler verloren hast!“ Mein Kopf sackte zurück in eine normale Position, für einen Moment fixierten ihn meine Augen dunkel. Jetzt war er definitiv zu weit gegangen, so eine Unverfrorenheit ließ ich mir von niemandem gefallen und von meinen Untergebenen schon gar nicht! Mit einer raschen Bewegung fegte ich ein Glas vom Tisch, welches irgendwo an einem Möbelstück in tausend Einzelteile zersprang. „Schnauze, Abschaum!! Du brauchst wohl eine Abreibung!“ Vielleicht, vielleicht war es ja doch wahr. „VOOII! Bist du bei deiner vernachlässigten Kondition überhaupt in der Lage dazu?!“ „Für dich reicht es allemal!“ Ja, so musste es sein – es war Wirklichkeit! „Das glaubst du doch selbst nicht – beweis es!“ „Wenn du feige davonlaufen willst, dann solltest du jetzt lieber die Beine in die Hand nehmen, Abschaum!“ „VOOOII!! Niemals! Vor dir habe ich keine Angst!“, noch immer stand er mit verschränkten Armen vor mir und schnaubte gerade verächtlich um seinen Worten mehr Nachdruck zu verleihen. Kampflustig glitzerten mir seine Augen entgegen. Das war zu viel! Kurz entschlossen griff ich nach einer der vollen Whiskyfalschen vor mir und schleuderte sie dem langhaarigen Abschaum vor mir direkt ins Gesicht. Sie schoss auf sein Gesicht zu, direkt darauf zu – und dann hindurch, zerschellte irgendwo, woran genau bekam ich schon gar nicht mehr mit – ich wollte es auch gar nicht wissen. Es war doch alles nur- Scheiße! Ich hatte doch recht, es war alles nur eine Lüge! Eine Illusion. Ich hatte es doch von Anfang an gewusst. Warum hatte ich nicht auf meinen Kopf gehört? Warum hatte ich meine Intuition – nein, vielmehr mein Herz, entscheiden lassen? Ich begriff nicht, wie ich mich von so einem Trugbild hatte blenden lassen können, wieso ich nicht bemerkt hatte, dass die Worte, die mir mein Herz einflüsterte, die einfachste Möglichkeit beinhalteten, diese Situation zu interpretieren. In mir spürte ich Hoffnung zersplittern. Kraftlos als wäre alle Energie plötzlich aufgebraucht, ließ ich mich zurück in den Sessel fallen. Wenn ich darüber nachdachte, dann wurde mir fast schlecht bei der Erkenntnis, dass ich wirklich angefangen hatte die Stimme meines Herzens als eine mögliche Option der Wahrheit zu betrachten, obwohl ich doch immer darauf verzichtet hatte, in dem Wissen, dass das Herz eines Menschen der schwächste Teil seines Selbst war. Unglaube ergriff mich, als mir allmählich das ganze Ausmaß der Situation bewusst wurde: Ich hatte es besser gewusst und dennoch zugelassen, dass sich Hoffnung in mir aufbauen konnte, nur um jetzt einem erstmals in meinem Leben in so einem großen Ausmaß auftretendem Schmerz zu weichen. Für einen Moment hasste ich mich dafür, so die Kontrolle über mich selbst verloren zu haben. Zugleich erfüllte mich das Bedürfnis endlich wieder das Ruder zu übernehmen, sodass ich kurzentschlossen all diese überflüssigen, nutzlosen, - ja beinah schon verweichlichten - Gedanken verbannte. Aus meinem Kopf, aus meiner Seele, einfach weg von mir. Ich ließ mein Gesicht wieder zu einer perfekten, kalten, abweisenden Maske werden, die noch nicht mal ein Ausdruck der Wut oder Verachtung aufzeigen würde. Doch sie war nicht nur kalt, unnahbar und undurchdringlich, sondern vor allem auch leer. Doch mit der Leere kam ich klar – war sie doch oftmals ein stetiger Begleiter meines Lebens gewesen. Leere hatte ich empfunden, als ich erfuhr, dass ich nicht der leibliche Sohn des Neunten war. Leere hatte mich erfüllt, als ich gegen diesen widerlichen Mittelschüler verloren hatte. Leere hatte ich schon so oft empfunden, dass ich sie in diesem Augenblick als äußerst angenehm empfand – erlösend – und sie gerade zu willkommen hieß – wenigstens etwas war geblieben. Leider gesellte sich zu dieser erlösenden Leere bald noch eine weitere Empfindung. Nur schwach drang sie zu mir durch, doch sie hinterließ einen Gedanken, der mich einfach nicht wieder loslassen wollte. Ich hatte versagt! Nicht den anderen, der Varia, gegenüber. Nein, denn das hatte ich bereits vor Jahren, allerdings störte mich dieser Umstand nicht im Geringsten – die anderen waren mir immer egal gewesen. Famiglia – so ein Quatsch! Nun hatte ich mir selbst gegenüber versagt! Und dies traf mich hart, denn Versagen war eine Schwäche, die ich niemals akzeptieren konnte. Wer versagte, der hatte es nicht verdient sein jämmerliches Leben länger auf dieser Welt zu verschwenden! Müde schloss ich die Augen, vernahm am Rand das Geräusch sich entfernender Schritte. Ich blickte ihm nicht hinterher – es war doch sowieso alles sinnlos! – Es war vorbei! Plötzlich verklangen seine Schritte, er musste vor der Tür stehen geblieben sein und dann vernahm ich wieder seine Stimme: „Du solltest aufhören damit. Du musst etwas verändern! – Bevor es zu spät ist.“ Den letzten Satz hatte er nur leise ausgesprochen, doch ich hatte ihn dennoch deutlich vernommen. Fast hätte ich aufgelacht. Bevor es zu spät war? Es war doch schon längst zu spät! Dennoch klangen seine Worte seltsam ernst, dringlich – so als ob sich, noch etwas ändern könnte. So als ob es noch von Bedeutung war, wenn ich ihn jetzt ansah, ihm antwortete oder gar seinem Wunsch, seiner Bitte, folge leistete. Es war zwecklos, dass wusste ich nur zu gut, darum rührte ich mich nicht, schnaubte nur verächtlich. Tat so, als ob mich das alles nichts angehen würde. Dafür konnte ich seine Schritte wieder hören – er kam zurück. Hatte er noch immer nicht aufgegeben? Ich konnte es kaum glauben – aber vielleicht war es genau das, was ich denken sollte. Meine Wahrnehmung spielte mir einen Streich – einen sehr üblen Streich. Einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, dass es vielleicht doch am Alkohol lag. Doch selbst wenn es so war, was änderte es noch? Gar nichts. Ich hielt meine Augen weiterhin geschlossen, wollte endlich schlafen – wich ihm aus. Meine Ohren vernahmen, dass er wieder vor dem Schreibtisch zum Stehen kam. Ich nahm an, dass er mich wieder ansah – wohin sollte er auch sonst gucken. Überraschend musste ich gerade jetzt an die zertrümmerte Whiskyfalsche denken, die vermutlich irgendwo hinter ihm auf dem Boden lag. Es war alles eine Lüge! Eine verfluchte Lüge! „Ich gehe jetzt!“ Drei Worte, drei Worte in die Stille des Raumes geworfen, in die Reichweite meines Gehörs. Drei Worte von immenser Bedeutung und zugleich so unwichtig wie Wimpernschlag. Drei Worte, die von Entgültigkeit und Abschied zeugten – es waren drei Worte, doch nicht die drei Worte die ich hören wollte. Ich wusste nicht, ob es mir lieber gewesen wäre, wenn er einfach wortlos gegangen wäre. Ich wusste es nicht – ich wusste vieles nicht, besonders nicht in diesem Moment! Dieses Wissen tat weh, irgendwo in mir, klein und unbedeutend, sodass ich es kaum wahr nahm. Doch galt es nicht als erstrebenswert sich möglichst viel Wissen anzueignen? In diesem Moment zwängten sich unzählige Fragen vom Rande meiner Gedanken in das Zentrum meines Kopfes. Fragen auf die ich so schnell keine Antworten finden konnte. Fast schon kam ich mir verlassen vor, im Meer aus Unwissenheit. Doch es gab etwas, über das ich mir im Klaren war: Ich wusste, dass es vorbei war! Stille war wieder eingetreten – bedrückend, erdrückend. Ich wusste, dass das jetzt meine letzte Chance war, ich wusste, dass es jetzt seine letzte Chance für mich war – aber ich nutze sie nicht, ließ sie verstreichen. Wozu wollte ich eine Chance, wenn sich doch sowieso nichts änderte? Wozu wollte ich es in Worte fassen, wenn diese ihn doch sowieso niemals erreichen würden– sie ihn nicht mehr erreichen konnten? Wenn ich keine Antwort mehr erhalten würde, dann war das Sinnlose entgültig so sinnlos geworden, dass alles Sinnvolle von ihm getilgt worden war. Es war vorbei! Endlich? Und dann wusste ich, dass er fort war. Es gab keine Anzeichen dafür, keine weitere Sinnestäuschung – ich wusste es einfach, aber vielleicht wusste ich es gerade deswegen. Ergebens gab ich dem Teil in mir nach, der sich dem Unaufhaltsamen, der Wahrheit, entgegenstellen wollte – außerdem hatte ich Durst – und öffnete so widerwillig die Augen – ich wusste, doch dass er gegangen war. Als ich in das Zimmer blickte erstreckte sich die erwartete Leere vor mir, doch aus einem unerklärlichen Grund hinterließ sie auch einen bitteren Nachgeschmack, anders als sonst. Die Leere des sonnengefluteten Raums war unangenehm, auf eine merkwürdige Art und Weise, und ich spürte plötzlich dass sich diese Leere auch in mir ausbreitete. Resigniert schloss ich die Augen – ich wollte einfach nur noch schlafen. Ich hasste diesen Tag – wobei, den Tag vor einem Jahr hasste ich noch mehr. Wenn ich es mir recht überlegte, dann hasste ich die ganze Welt. Konnte ich da den 13. März des vergangenen Jahres noch mehr hassen? Scheinbar schon. Es dauerte eine Weile bis mich das vertraute Gefühl des Schlafes überkam, doch zu meinem Bedauern wurde es von Bildern begleitete, an die ich mich überhaupt nicht erinnern wollte. Bilder von dem Tag, Bilder von dem 13. März vergangenen Jahres – Bilder vom Tag seines Todes. ,:’,:’,:’,:’,:’,:’,:’ Es war ein Tag wie jeder andere bis mit lautem Poltern die Tür aufflog, wobei sie fast aus den Angeln gerissen wurde und gegen die Wand knallte, von der daraufhin der Putz herabzubröckeln begann. Squalo war verärgert, konnte sein verfluchter Boss nicht wenigstens einmal etwas anderes tun, als faul herumzusitzen und sich von morgens bis morgens zulaufen zu lassen? Er konnte zwar sehr gut nachvollziehen, dass die Laune eines nüchternen Xanxus noch unerträglicher war, doch sobald er zu voll gelaufen war, schlug die Wirkung der erheiternden Droge ebenfalls allmählich ins Gegenteil um. Verfluchter Teufelskreis! „VOOOOIIIIII!!!“, schuf er sich zunächst etwas Luft. „Schnauze, Abschaum!“, tönte augenblicklich Xanxus’ Lieblingsantwort zurück. „VOOOOII! Du siehst grausig aus“, sein Blick wirkte verärgert. „Was fällt dir eigentlich ein, schon wieder den ganzen Tag zu versaufen?“ Seine Frage wurde kaltblütig ignoriert, doch das war noch lange kein Grund für den Langhaarigen aufzugeben. „Du bist schon wieder seit Tagen nicht nüchtern gewesen und jetzt ist es noch nicht einmal Mittag und du hast dich schon wieder soweit zulaufen lassen, dass du, wenn du heute Morgen noch nüchtern gewesen wärst, dich bis jetzt schon wieder im volltrunkenen Zustand befunden hättest!!“ „Pff, was geht dich das denn an, Abschaum?“, folgte eine gelangweilte Antwort. Der Boss hielt es nicht für nötig, ihn darauf hinzuweisen, dass dieser Ton ihm gegenüber keineswegs angemessen war, der Silberhaarige würde es sowieso nie lernen. So gähnte er herzhaft, ihn ignorierend, doch der Andere verstand es geschickt die Aufmerksamkeit seines Vorgesetzten wieder auf sich zu lenken. „VOOOOOII! Verdammt, ich hab heute Geburtstag, da könntest du dich wenigstens etwas am Riemen reißen“, warf er ihm vor, doch der Angeklagte wusste, dass die Worte und die damit verbundene Forderung nicht ernst gemeint waren, es war viel eher eine Methode ein Gespräch aufrecht zu erhalten und ihn somit gleichzeitig zu ärgern. Squalo machte sich ungefähr so viel aus seinem Geburtstag wie Xanxus aus Abschaum. „Als ob mich der Geburtstag eines Abschaums interessieren würde“, gab der Schwarzhaarige dennoch ‚großmütig’ zur Antwort. „Pah, du könntest dich wenigstens dazu herablassen, kurz zur Party herunter zu kommen!“ „Warum sollte ich?“, gerade noch konnte Xanxus die Überraschung über die plötzliche Ernsthaftigkeit verbergen, welche in das Gespräch Einzug gefunden hatte, damit diese nicht in seiner Stimme mitschwang. „Lussuria regt sich furchtbar auf, du könntest wenigstens seine Mühe würdigen“, warf Squalo ein, wissend, dass Xanxus sich genauso wie er selbst darüber im Klaren war, dass das ganze Thema eigentlich nur eine Farce war – alles andere auszusprechen, nur um DAS eine nicht aussprechen zu müssen. Es war ihre persönliche Art und Weise miteinander zu kommunizieren, vorausgesetzt Xanxus beschränkte sich nicht auf Haare ziehen und Gläser werfen. Wobei die momentane Art der Kommunikation eher von Squalo auszugehen schien, dennoch ließ sich nicht sagen, das der Boss der Varia unterlegen war – in keinster Weise. Es war allgemein kein Wettkampf darum, wer von ihnen das Gespräch dominierte oder für sich gewinnen konnte – es ging viel mehr darum, wie viel der andere zu sagen wagte, zu wie vielen Andeutungen er in der Lage war. Es glich einem Spiel, immer um das Zentrum herum, jeder warf Begriffe ein, die sie immer näher an ihr Ziel brachten. Sie tasteten sich langsam und achtsam – probierten, wie weit sie vordringen konnten. Jahrelang spielten sie schon dieses Spiel, ohne wirklich voranzukommen, allerdings auch ohne zurückzufallen. Sie hielten stur dieselbe Position – es war frustrierend und ermüdend. Squalo hatte es schon lange satt. Er hasste es seit Jahren auf der Stelle zu treten, nicht voranzukommen und sich scheinbar immer wieder im Kreis zu drehen – immer und immer wieder um den sprichwörtlichen heißen Brei. Doch zugleich wusste er auch, dass es aus dieser Situation kein Entkommen gab. Sie waren für immer dazu verdammt umeinander herumzuschleichen, wie zwei feindliche Wölfe: Jede Bewegung, jeden Schritt des Anderen genau zu beobachten und zu analysieren, zu spekulieren, allerdings unfähig einen Schritt, einen Zug zu machen, aus Angst, dass es ein Fehltritt sein würde, der einen von ihnen mit einem Stoß von den Füßen, dem haltenden Boden reißen würde und weiter weg von ihrem Ziel brachte. Sie beide waren Menschen, die vom Risiko lebten, davon regelmäßig alles aufs Spiel zu setzten, doch gerade in diesem Fall war keiner in der Lage dazu alles zu riskieren – für Sieg oder Niederlage. Squalo hasste es, doch auch er fühlte sich unfähig diesen Schritt zu wagen, es war, als wenn er von einer riesigen Mauer stände, überzogen mit Stacheldraht und bestückt mit Fallen. Nur der Gedanke daran diese Mauer bezwingen zu wollen, ließ bereits die Haut der Hände aufschüren, als ob er längst in den Maschendraht gefasst hätte, und auch der Rest des Körpers schmerzte, als wenn er zigmal die fast erklommene Mauer wieder heruntergestürzt wäre. Aber vermutlich war es weniger die scheinbar unbezwingbare Mauer, die ihn aufhielt, als viel mehr Angst – natürlich hätte er sich das niemals eingestanden, auch wenn er sich im Unterbewusstsein schon längst im Klaren darüber war. Allerdings gehörte Angst einfach nicht zu den Empfindungen, die man an seiner Stelle empfand, es war eine eher ungewöhnliche Empfindung für ihn. Und bisher hatte er sich immer geweigert sie zuzulassen, denn Angst war ein Zeichen für Schwäche – oder viel mehr ein Zeichen dafür, dass irgendetwas aus dem Ruder zu laufen drohte und Squalo hasste es ebenso wie sein Boss etwas nicht unter Kontrolle zu haben. Ob der Schwertkämpfer die Gegenwehr noch lange aufrecht erhalten konnte, war ungewiss. Mochte die Schwärze der Nacht, die unendlichen Sterne oder der endlose Himmel eine Antwort darauf wissen – zumindestens jetzt würde sie noch nicht schwinden. Xanxus lachte trocken auf: „Abschaum! Alles Abschaum! Was interessiert mich Lussuria?“ Stimmt, dass hatte er, Squalo, mal wieder erfolgreich völlig verdrängt: Xanxus interessierte sich bekanntlich für niemand anderen – und im Moment scheinbar noch nicht mal für sich selbst. Tz, sollte der Boss doch vor die Hunde gehe! Sollte er doch machen, was er wollte, ihm, war es völlig egal. Und obwohl er so dachte, sprach er es nicht aus – irgendetwas hinderte ihn daran. War es vielleicht doch nicht so? War Xanxus ihm doch nicht egal? Squalo wusste es, wusste wie es wirklich war und dennoch schwieg er – oder vielleicht gerade deshalb. „Verschwinde“, fauchte Xanxus nun, nachdem er sich endlich wieder beruhigt hatte. Ihm platzte gerade der Kragen. Irgendwie war die Stimmung zwischen ihnen heute anders und das passte ihm überhaupt nicht. Generell erkannte er Veränderungen als zumeist positiv an, doch diese war eine von den negativen. Sie war ihm regelrecht unheimlich, irgendetwas beunruhigte ihn daran – aber er weigerte sich, sich weiter mit dem Problem auseinander zu setzten, hielt es für Zeitverschwendung und vor allem seiner Aufmerksamkeit nicht würdig. Ob das wirklich gut so war, würde sich wohl noch zeigen. „Du könntest wenigstens etwas Rücksicht nehmen – zum Wohl aller Beteiligten“, warf Squalo seinem Boss vor. Er war auf einmal wirklich wütend und gereizt, die Müdigkeit, die er eben noch bei diesem aussichtslosen Spiel verspürt hatte, war spurlos verflogen. Er nahm sich vor ein bisschen auf Xanxus’ Gewissen herumzutrampeln – sofern dieser überhaut eines besaß – und spezifizierte seinen Vorwurf nicht weiter. Vielleicht würde es dem Schwarzhaarigen nicht sofort auffallen, welche Mehrdeutigkeit dieser Satz beinhaltete, aber früher oder später würde er sich dessen Bewusst werden und er würde sich daran die Zähne ausbeißen. Dann, so plante der Strategiekapitän, würde er auf eine ‚verwunderte’ Nachfrage Xanxus die Mehrdeutigkeit der Aussage eliminieren und sich an dessen Verwirrtheit ergötzen – er würde bluten und sich aufregen, vielleicht kamen sie damit einen Schritt weiter, vielleicht waren sie dann in der Lage die unsichtbare Mauer zwischen ihnen einzureißen. Ob dieser Plan aufgehen würde blieb vorerst ungewiss, da Xanxus, wie zu erwarten, nur ein kühles Lächeln von sich gab. Er und rücksichtsvoll?! Der Hai spinnte wohl entgültig?!! Verächtlich, aber voller Siegesgewissheit, bereitete Squalo dem ganzen Theater vorzeitig ein Ende, indem er sich wehenden Haares um seine halbe Achse drehte und stürmischen Schrittes den Raum verließ. Der Boss blieb allein zurück, einzig zusammen mit dem untrüglichen Wissen etwas Wichtiges übersehen zu haben, begleitet von einem merkwürdigen Gefühl, welches nichts Gutes verheißen konnte. ,:’,:’,:’,:’,:’,:’,:’ Es war ein Fehler gewesen. Eine weitere Lüge. Eine erneute Verschwendung von Zeit – kostbarer, begrenzter Zeit. Es war der Anfang vom Ende gewesen – in jeglicher Hinsicht. Das wusste er jetzt! Im Nachhinein war es klar gewesen. Die Bedeutung der Worte war nun offensichtlich, doch sie war auch, im Anbetracht der Geschehnisse, unannehmbar verschwendet. Heute, ein Jahr später, erkannte Xanxus, dass er damals den Anderen nicht einfach hätte gehen lassen sollen. Er hätte ihn aufhalten müssen, die Zeit sinnvoll gestalten, der Wahrheit eine Chance geben sollen. Heute wusste er, dass der Himmel von damals – welcher sich nach dem Gespräch verdunkelt hatte, obgleich die Zeiger der Uhr erst in Richtung später Nachmittag gewandert waren und das Wetter draußen bisher von Sommer gezeugt hatte – überschwemmt von einer unheimlichen, gewaltigen, dunklen Wolkenschicht, die unaufhaltsam übers Land wog, die Warnung vor einem drohenden Unheil schon beinah herausgeschrieen hatte. …and keep silent… Rot. Alles rot. Blut. Überall Blut. Ich spürte, wie es langsam aus meinem Körper auf die Straße unter mir sickerte. Es vermischte sich mit dem fallenden Regen, färbte das Wasser in den Pfützen rot. Die leuchtende Farbe vermischte sich mit dem hellen unscheinbaren Glanz meiner hüftlangen Haare. Ich vermutete, dass diese für einen Beobachter wie züngelnde Flammen wirkten – oder doch eher wie ein abstraktes Kunstwerk? Irgendwann wurde das wässrige Blut zu einem roten Faden, der in den Gullydeckeln und Abwasserkanälen verschwand. Stille umgab mich. Leere. Selbst das Tröpfeln des Regens wirkte fern – unerreichbar, aber doch irgendwie nah genug um seine beruhigende Wirkung nicht zu verfehlen. Einsamkeit. Verlassenwordensein. Zurückgelassen. Vergessen? Ich wusste es nicht. Der Blutverlust erschwerte das Denken zunehmend. Mir war schwindelig. Die Stille machte es noch schlimmer. Leise stöhnte ich auf, als ich versuchte mich zu bewegen. Hartnäckig biss ich die Zähne zusammen – ich würde mir keine Schwäche erlauben. Es war zwecklos. Ich hatte keine Chance mehr, dass wusste ich – schon lange. Es war zu spät, dennoch weigerte ich mich noch diese Tatsache zu akzeptieren. Noch. Ich starb. Langsam aber sicher. Kälte erfasste meinen Körper. Ich wusste, sie würde nie wieder gehen. Im Angesicht dieses erbärmlichen Todes stellte sich mir die unscheinbare Frage, ob ich mein Leben wirklich und zu meiner Zufriedenheit gelebt hatte? Ob ich nicht bereute oder unabgeschlossen zurück ließ? Ich hätte fast aufgelacht, als mir bewusst wurde, dass es wirklich etwas gab, was ich zurück ließ, doch mir fehlte die Luft dafür, meine Lunge hob und senkte sich nur mühsam. Ich würde nichts bereuen, dass stand fest. Ich hatte immer nach dem Prinzip gelebt, zu tun, was mir beliebte, also würde es auch nichts zu bereuen geben. Ich irrte mich. Ich bereute. Bereute, nicht das Unaussprechliche ausgesprochen, nicht mit ihm geredet zu haben. Nun würde es kein Zurück mehr geben – keine zweite Chance. Ich hatte nie eine solche zweite Chance bekommen wollen. Was geschehen war, war geschehen. Und jetzt? Wollte ich jetzt eine zweite Chance? Nein! Oder? Ich war mir unsicher, dabei war ich mir nie unsicher – nur heute. Ausgerechnet heute! Heute, wo es hieß: Alles oder nichts. Vergessen? Nein, dass war nicht möglich, sonst hätte ich das schon längst getan und würde hier und jetzt nichts bereuen, würde meine kostbare letzte Zeit nicht ausgerechnet mit Gedanken an ihn verschwenden. Ja, ich bereute es wirklich – ein kleines bisschen, aber genug um etwas wie Schmerz in meinem Inneren zu spüren. Schmerz, der einmal nicht von ihm ausgelöst wurde. Nein, dass stimmte nicht ganz. Indirekt war er schon Schuld. Schließlich verspürte ich wegen ihm diesen Hauch an Reue und Schuldbewusstsein – aufgrund des Wissens, dass ich gehen und alle unausgesprochenen Fragen unbeantwortet zurücklassen würde – so wie ihn. Ich wusste, es würde ihn nicht stören, er würde seine wahren Gedanken nicht zeigen – niemals. Vermutlich war das auch besser so. Dies war nur eine weitere der verstrichenen Chancen, die bereits hinter uns lagen, doch diesmal war es anders, endgültig. Dennoch verändert es die Situation nicht drastisch. In mir wohnte immer noch die Empfindung, dass ich meine letzte Chance noch nicht vertan hatte – noch war dieses Gefühle da, aber bald würde es verschwinde, denn ich wusste schon längst, dass dem so war, dass meine letzte Chance nun definitiv verstrichen war. Abschließend beschloss ich die fast schon wehmütigen Gedanken an ihn fort zu schieben. Wehmut war nichts, was ich für gewöhnlich zum kleinen Kreis meiner menschlichen Empfindungen zählte. Mir war bewusste, dass man nach allgemeinen Maßstäben ziemlich deutlich sagen konnte, dass zumeist „unmenschliche“ Empfindungen durch meinen Körper strömten – zumindest, wenn man sich auf diese schwächlichen Wesen außerhalb der Mafia bezog. Ich selbst hingegen hielt Mordlust, Kampffreude oder Brutalitätsauslebung nicht für unmenschlich, sondern für völlig menschliche Triebe, Gefühle, was auch immer – aber es störte mich auch nicht wirklich, was andere darüber dachten, solange ich dazu stand und stehen konnte. Ein Hustanfall schüttelte mich Für einen Moment dachte ich, ich müsste ersticken. Blut füllte meine Kehle. Dann beruhigte sich mein Körper wieder. Der Regen wischte alles fort. Er wusch das Blut auf meiner Haut fort, doch das dickflüssige Rot floss weiterhin unaufhaltsam aus meinen Wunden, sodass die Arbeit des Regens schnell zunichte gemacht wurde. Lediglich die Spuren des vorausgegangenen Kampfes schaffte der er zu bewältigen, bis auf die Leichen, die irgendwo am Ende meines Blickfeldes lagen. Ich empfand kein Mitleid. Ich empfand nie Mitleid und schon gar nicht für meine Gegner. So erfüllte mich lediglich ein Gefühl von Kälte und Abneigung, als ich an ihren grauenvollen Tod zurück dachte. Normalerweise bevorzugte ich es meine Gegner schnell und unkompliziert zu töten, doch angesichts der Tatsache, dass ich tödlich verwundet war erwies sich dieses Vorhaben als überaus schwierig, sodass es mir letztendlich erst nach mehreren Versuchen gelang sie alle entgültig ins Jenseits zu befördern. Anstrengung hatte meinen Körper erfüllte, die inzwischen vollständig gewichen war – der Regen tat seine Aufgabe: Er beruhigte mich. Sogar den Ärger schwemmte das frisch vom Himmel gefallene Wasser allmählich weg. Ich war ziemlich wütend, weil ich unvorbereitet gewesen war, obwohl ich gar nicht besser auf einen Überraschungsangriff hätte vorbereitet sein können. Ich spielte kurzzeitig mit dem Gedanken, dass ich vielleicht nur so wütend war, weil ich die Auffassung vertrat, dass ein geplanter Überraschungsangriff von uns herausspioniert hätte werden müssen, doch als ich merkte, dass mich dieser Gedanke nicht wirklich weiter brachte und mich im Kreis drehen ließ verwarf ich ihn rasch wieder. Ich war nicht in der Position mir um unwichtige Dinge Gedanken zu machen. Eigentlich sollte ich stolz auf mich sein, denn ich hatte alle Gegner eliminiert, aber dies war nun einmal eine Grundregel und Vorraussetzung der Varia, sodass mich dieser Umstand keineswegs mit Genugtuung sondern lediglich mich Gleichgültigkeit erfüllte – es war einfach nichts besonderes oder anerkennungswürdiges. So erfüllte mich lediglich beständig das Wissen, dass ich nicht stark bzw. geschickt genug gewesen war, um dieser Falle lebend zu entkommen, da tröstete es wirklich nicht, zu wissen, dass auch der Feind eine vernichtete Niederlage erlitten hatte. Was waren schon 60 Mann gegen einen einzigen? Was waren schon 60 Leben gegen meines? Nichts? Oder ganz viel? Diese Frage hätte mir wohl nur eine Person beantworten können. Doch ich wusste, dass selbst, wenn er hier gewesen wäre, um mir eine Antwort zu geben, ich niemals eine erhalten hätte, weil er solche Dinge einfach nicht aussprach. Über die Jahre hätte ich vielleicht eine Chance gehabt die Antwort zwischen seinem Verhalten mir gegenüber, sowie seinen Worten herauszulesen, aber mir blieben nun einmal keine Jahre mehr. So musste ich mich mit dem zufrieden geben, was ich dachte, dass machte aber nicht glücklich, sondern verstärkte lediglich die Leere in mir. In Ungewissheit zu schweben war ein furchtbar unangenehmes Gefühl – ein bitterer Schmerz. Etwas nicht zu wissen konnte nur durch den Zustand des Wissenerlangens gestillt werden. Doch was wenn dieses zu erlangende Wissen nicht erreichbar war. Wenn man vor einer verriegelten und verrammelten Tür stand und einem nur Warten übrig blieb – warten darauf, dass jemand das nur leise durch die dicke Tür klingende Klopfen erhörte und sich erbarmte um den Suchenden einzulassen? Wenn dies der Fall war, war dann nicht Wissen erlangen sinnlos. War es dann nicht besser gar nicht erst zu versuchen anzuklopfen? Ich hatte jahrelang geklopft – vergebens. Vielleicht war es zu leise gewesen, aber viel mehr hatte ich den Verdacht, dass die Person auf der anderen Seite der Tür überhaupt nicht gewillt war mir Einblicke in die verborgende Welt hinter der Tür zu liefern. Irgendwo aus der Tiefe meiner Selbst kroch urplötzlich eine unbekannte Kälte hervor – sie war anders als die, die die Finger des Todes mit sich brachten, es war eine Kälte die selbst der Quell des Lebens nicht hätte wieder erwärmen können. Das was ich unerwartet empfand war: Furcht! Der Tod hatte seine Begleiter mitgebracht. Damit hatte ich gerechnet, hatte mich gewappnet und mich mit der entscheidenden Frage im Angesicht des Sensenmannes auseinander gesetzt, doch unvermuteter Weise hatten seine Begleiter in den Tiefen meiner Seele gewühlt und einen Gedanken ans Licht gebracht, der mich geradezu aus der Bahn warf. Was, wenn die Schlösser der Tür überhaupt nicht verschlossen waren? Was, wenn die Tür gar nicht dick und kolossal war, sondern lediglich eine dünne Wand aus Stoff? Was, wenn ich nur hätte eintreten brauchen und die Person hinter der Tür vergebens auf mich gewartet hatte? Furcht drohte sich für einen Moment in mein Herz zu fressen, als ich das Ausmaß dieser Möglichkeit erfasste. Ich war beunruhigt und brauchte einen Augenblick um wieder Ordnung in das Chaos zu bringen, welches diese neu aufgeworfenen Fragen in mir ausgelöst hatten. Und dann drängte sich mir noch eine Überlegung auf: Das gilt nicht nur für mich! Was auch immer es mit dieser Tür auf sich hatte, welches Geheimnis sie nun letztendlich barg, es verlor an Wichtigkeit im Anbetracht des Wissens, dass auch er den Stoffvorhang beiseite schieben hätte können, dass auch er mich auf das Offenstehen der Tür hätte hinweisen können. Es gehören immer zwei dazu! Jetzt erinnerte ich mich wieder daran, dass es genau das gewesen war, was ich immer so gehasst hatte – an ihm, an mir, an der ganzen Situation. Es war nicht die Schuld eines Einzelnen, es war die Schuld von uns beiden! Solange es keinen Zeitpunkt gab, an dem wir beide gleichzeitig den entscheidenden Schritt machten, würde es auch keine Erlösung aus diesem Teufelskreis geben, den wir uns selbst auferlegt hatte. Vielleicht waren wir uns doch ähnlicher als jeder von uns bisher angenommen hatte und vielleicht lag auch genau da das Problem. Schon wieder überkam mich das Bedürfnis zu lachen, was mir aber immer noch aufgrund meines flachen Atems verwehrt wurde. Dieses Problem, was genau es auch immer sein mochte – es spielte jetzt keine Rolle mehr. Es war unbedeutend geworden im Angesicht des Todes, denn es gab immerhin kein Zurück. Trotz dessen fiel es mir schwer keinen weitern Gedanken daran zu verschwenden – es war einfach hoffnungslos. Ich spürte ein Kratzen meine Kehle emporsteigen und begann zu husten. Verzweifelt rang ich nach Luft, spuckte Unmengen an Blut, doch es wurde einfach nicht besser – eher schlimmer. Mir war als ob mir die Lunge aus dem Leib gerissen wurde. Die Schläge meines Herzens wurden unrhythmischer, schwächer. Verzweifelt versuchte ich mich zu beruhigen, doch nur langsam erlangte ich ein Stückchen Kontrolle über meinen Körper zurück. Für einen kurzen Moment lag ich da und versuchte ruhiger zu atmen. Schließlich öffnete ich müde meine Augen. Die Lider fühlten sich schwer an, unendlich schwer – ich wollte nur noch schlafen. Dennoch glitt mein Blick ein letztes Mal zum Himmel. Nun sahen auch meine matten Augen, was mein Körper schon längst gespürt, aber nicht bewusst weiter geleitete hatte: Der Regen wurde weniger. Nur noch wenige Tropfen suchten ihren Weg vom endlosen wolkenverhangenden Himmel zur ebenso dunklen Erde. Das Rot des Blutes um mich herum leuchtete wieder stärker – es hatte den Kampf gegen die Wassermassen gewonnen. Bald würden nur noch unzählige Pfützen von dem vergangenen Regen erzählen, doch selbst dann würde der Himmel nicht wieder aufklären, denn die Nacht war bereits über das Land hereingebrochen und hatte das letzte Tageslicht verschlungen. Müde seufzend schloss ich die Augen wieder – gab damit meinem unstillbaren Verlangen nach Schlaf nach, welches immer stärker aus meinem Inneren hervorkroch. Meine Gedanken trieben umher, wie ein verlorenes Blatt auf dem weiten Meer. Ob es sein Ziel erreichen würde? Ich selbst hatte mein Ziel wohl nicht erreicht, oder doch, immerhin war ich Strategiekapitän der Varia, diente Xanxus treu, hatte nach Herzenslust kämpfen können – ich hatte mein Ziel erreicht, aber nicht vollständig. Ob sie wohl klar kommen würden, ohne mich? Wohl eher nicht. Sie würden bestimmt nur den ganzen Tag faulenzen: Bel würde Fran ärgern, Lussuria würde kochen und den anderen auf die Nerven fallen und Levi würde dem Boss hinterher rennen – und Xanxus? Würde er klar kommen? Vermutlich würde er noch mehr trinken, weil niemand wagen würde ihn aufzuhalten und weil er keine seiner Flaschen an mich verschwenden würde. Würde er es bereuen? Würde er es verfluchen geschwiegen zu haben? Was für eine lächerliche Frage! Natürlich nicht – Xanxus war Xanxus, er würde vermutlich nicht mal einen letzten müden Gedanken an seinen verstorbenen Strategiekapitän verschwenden. Der Hauch eines letzten Lächelns legte sich auf meine Mundwinkel. Schlussendlich hatte ich die Reue und die Wehmut doch nicht vollständig verdrängen können, ebenso wenig wie alle Gedanken an ihn. Ein letzter bittersüßer Gedanke schob sich in mein Gedächtnis: Wenn die Regenwolken sich verziehen und die Unendlichkeit hinter ihnen, welche sie zuvor – für jedes menschliche Auge – verdeckten, wieder frei geben, dann werden Regen und Himmel voneinander getrennt sein. Um mich wurde es Schwarz. Würde der Himmel in die gleiche Schwärze getaucht sein? ,:’,:’,:’,:’,:’,:’,:’ Schon lange musste sich die Dunkelheit der Nacht über das Anwesen gelegt haben. Klar und kalt erleuchtete der hoch am Himmel stehende Mond das Zimmer, warf Schatten – lange, wie kurze – und schuf so Orte, von denen die Vergangenheit ihre widerlich, langen Klauen nach mir auszustrecken versuchte. Selbst der Whisky verlor im fahlen Mondlicht seine verlockende Farbe und wirkte unscheinbar und langweilig wie Wasser. Klirrend zersprang ein Glas an der Wand. Rötliche Flüssigkeit floss an dem rauen Putz herunter und hinterließ dunkle Flecken. Dieser Umstand verschlechterte meine Laune nur noch weiter. Nicht, weil mich die beschmutze Wand aufregte – nein, sie war mir völlig egal – viel mehr störte mich der Umstand, dass der Whisky auf dem Putz lediglich hässliche, dunkle Spuren hinterließ, in Squalos silbrigen, langen Haaren machte er sich viel besser. Verärgert griff ich nach einer weiteren Flasche und ließ den Alkohol genüsslich in meiner Kehle hinabfließen. Der Schlaf aus dem ich erwacht war, war keineswegs erholsam gewesen. Die vor meinen Augen herumspukenden Bilder der Vergangenheit hatten ihr übriges getan. Letztendlich waren die Gespenster der Vergangenheit nur noch lebendiger geworden – spiegelten sich unaufhaltsam vor meinem inneren Auge ab, klangen fern in meinen Ohren nach. Seit unendlichen Minuten holte mich eine verlorene Präsenz ein und erinnert mich auf unangenehme Weise daran, dass die Zeit weiter lief und Vergangenes vergangen bleiben würde. Über vergossenen Whisky soll man nicht klagen. Verärgert öffnete ich die nächste Flasche und begann ihren Inhalt in meinen Magen zu leiten – den Gebrauch von Gläsern hatte ich eingestellt. Das vertraute Getränkt hatte etwas Beruhigend an sich, wenigstens der vielseitige Geschmack blieb erhalten, wenigstens etwas, was sich nicht veränderte. Alkohol war ein wunderbares Nervengift, es erleichterte einem bei zunehmendem Konsum komplexe Gedanken aufzugeben und sich für den Moment zu entscheiden. Ich hatte sowieso schon lange genug, wollte mich schon lange nicht mehr mit lästigen Gedanken herumschlagen – es brachte doch sowieso nichts. Die Flasche fiel achtlos zu Boden, ich gähnte ausgiebig und lehnte mich augenschließend wieder tiefer in meinem Sessel zurück. Müdigkeit überfiel mich, kein Wunder, immerhin war es bereits Mitten in der Nacht und auch selbst trinken strengte irgendwann an. Ich verdrängte das fremdartige Mondlicht, was ins Zimmer trat und mich umgab, ebenso wie den verlockenden Whisky auf dem Schreibtisch vor mir, konzentrierte mich nur auf die angenehme Leere die mich umgab, kombiniert mit dem Rausch des Alkohols. Schlafen war etwas positives, denn Schlafen war eine Art künstlicher Frieden – man hatte Ruhe vor den nervigen Mitmenschen, musste sich über nichts Gedanken machen, ließ einfach alles auf einen Zukommen und selbst ohne den Konsum von Whisky war schlafen angenehm. Sich einfach treiben zu lassen und die Welt da draußen zu vergessen war das zufriedenstellenste Gefühl überhaupt. Schlaf war die natürlichste Form um sich von der Wirklichkeit zu erlösen! Entspannt ließ ich mich von der Schwärze um mich herum aufsaugen – Wirklichkeit wurde zum Traum, Traum zur Realität. Alles war plötzlich leichter, einfacher. Alles verdrehte sich und auch, wenn es falsch war, fühlte es sich richtig an. Ein Teil der endlosen Weite zu sein, nahm das Gewicht einer einzelnen Entscheidung von meinen Schultern. Hier in der Schwärze der Unendlichkeit wirkte die Welt bedeutungslos genug sie zu vergessen, hier war ein Ort, wo man es aushalten konnte – hier war der Ort wo ich gerne war. Hier, wo kein Licht auf die dunklen Flecke meiner Seele fiel fühlte ich mich wohl. Und genau das war der Grund, warum ich mich hier offener verhalten konnte, dass war der Grund, warum ich dem untrüglichen Gefühl in mir, dass in den Tiefen der Dunkelheit etwas wartete, jemand wartete, nachgab und mich auf den Weg machte. Immer tiefer und tiefer, immer nach Vorne schauend, ungeachtet dem, was hinter mit zurück blieb – zwar war hier alles Schwarz und meine Augen hätten keinen Unterschied erkennen können, doch ich ahnte, dass mich jeder Schritt etwas kostete. Dennoch war es mir letztendlich egal, ich hatte nun doch einen Entschluss gefasst – einen Entschluss, von dem mich nichts mehr würde abbringen können. Einzig die Schwärze um mich herum war ein treuer Begleiter auf meinem langen Weg ins Nichts. ,:’,:’,:’,:’,:’,:’,:’ Das sanfte Morgenlicht fiel durch die verstaubten Fensterscheiben auf den mit Gläser und Flaschen überfüllten Schreibtisch, warf übermütig Lichtreflektionen an die Wände und ließ die letzten Tropfen Whisky bernsteinfarben glänzen. Inmitten dessen thronte Xanxus, den Kopf zur Seite gelegt – auf dem Arm abstützend – und schien friedlich zu schlafen. Am Firmament schoben sich dünne, wattige Schäfchenwolken vorbei und hinter ihnen wanderte die Sonne immer höher über den strahlend blauen Himmel, der über Nacht vom Regen sauber gewaschen worden war. Die Finsternis des Himmels war gewichen, in die Abgründe der Hölle, fortgespült vom Regen, auf dass sie für immer, zumindest dort unten, eine gemeinsame Ewigkeit verbrächten.                                                                                                                                     ...until we die. The final End -- *grins* ich hoffe es hat euch gefallen ^^ es war mein erstes XS-FF, aber ich muss sagen, es hat jede menge spaß gemacht es zu schreiben, wobei ich den OS wohl voller zweideutigkeiten und Symbole gepackt hab - naja, wie gesagt, es hat spaß gemacht es zu schreiben, wie es geworden ist müsst ihr selbst beurteilen =D das ende ist ziemlich offen gehalten, was jetzt genau mit xanxus passiert ist eurer fantasie überlassen - mehr oder weniger aber ich denke, jeder der den letzten satz aufmerksam gelesen hat, der kann sich sehr gut denken, wie ich das ende eigentlich sehe =D würde mich sehr über kommis freuen :3 LG Ichiro Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)