The Eyes of Guardian von greenPrincess (Her deepest feelings) ================================================================================ Kapitel 1: Prolog ----------------- Prolog Sie steht direkt vor mir. Ihr Haar weht sanft im Wind und sie streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ich bekomme eine Gänsehaut und am liebsten würde ich sie jetzt umarmen, doch bei jedem Schritt, den ich auf sie zugehe, wird sie ängstlicher. Und dann, als ich direkt vor ihr stehe, schreit sie auf und verschwindet. Schweiß gebadet, wache ich auf. Ich keuche und wische mir das Gesicht am T-Shirtsaum ab. Die Luft flirrt, als unser Auto auf den Parkplatz vor der kleinen Tankstelle fährt. Spencer jammert schon und legt die Ohren an, weil er seit Stunden neben mir im Auto liegen muss. Ich kraule seinen Kopf und er wedelt mit dem Schwanz. „Mom, ich muss mal eine Runde mit ihm laufen.“, sage ich und steige schon aus. „Klar. Lass dir Zeit. Wir fahren heute nicht mehr weiter, dein Dad ist müde und ich habe schon einen ganz platten Hintern vom vielen Sitzen. Ich schaue ob ich ein Motel finden kann.“, sie streichelt mir über den Kopf. Ich bin müde und ausgelaugt, weil ich seit Wochen nicht mehr richtig geschlafen habe. Spencer freut sich so sehr, dass er laufen kann, dass er mich beinahe umreißt. Ich lasse ihn den Weg bestimmen und er läuft, als wäre er hier schon hunderte Male gewesen. Wir kommen an ein paar kleinen Läden und einer Bäckerei vorbei. Bei jedem Schritt werde ich wacher und die Härchen an meinen Armen stellen sich auf. Spencer bleibt vor einer großen Mall stehen und bellt mich überglücklich an. Ich verstehe nicht, was er will, also sehe ich mich um. Er zieht mich noch ein Stück weiter. Vor dem großen, grau-silbernen Klotz sind ein dutzend Tische aufgestellt, die zu einem Café gehören. Viele Jugendliche sitzen dort und erst hätte ich sie beinahe nicht bemerkt. Spencer springt an mir hoch und freut sich, wie wahnsinnig. Ich halte ihn fest und muss lachen, vor Freude. Schnell laufen wir zum Auto zurück, keine Ahnung wie ich es gefunden habe, aber als ich meine Mutter ansehe weiß sie sofort Bescheid. „Wir sind da.“, sagt sie zu meinem Vater und auch er lächelt breit. Kapitel 2: Ein blaues Sofa -------------------------- Ich hasse diese Schönwettertage! Wenn die Sonne einem die Haut vom Knochen brennt und alles und jeder nach Schweiß riecht. Heute ist wieder einmal ein solcher Tag. Schrecklich. Und wie immer an diesen Tagen lieg ich, genervt wie immer um diese Jahreszeit, in der Hängematte vor dem Haus und lese zum aber-millionsten Mal Cecelia Aherns „Ich Schreib dir morgen wieder“. Meine Schwester hat ihren Kopf unter einem nassen Handtuch verborgen. Ihre Haut hat bereits einen angenehmen braun Schimmer, der dank des roten Bikinis, welchen sie trägt, großflächig zusehen ist. Eines der wenigen Dinge um die ich sie beneide. Meine Haut hat immer den gleichen, leichten Olivton, ich werde nie braun, bekomme aber auch glücklicher weise, keinen Sonnenbrand. Da komme ich aber leider nach meinem Vater, der ebenfalls niemals nie nicht braun wurde, weil seine Eltern, die mir nie begegnet sind, eine Latina und ein Perser waren. Vielleicht hätten die beiden dafür sorgen können, dass er uns nicht verlässt, aber dafür sind sie schon viel zu früh gestorben. Ich lese also gerade, als ein großer Laster vor unserem Garten hält und der Fahrer zu mir herüber ruft: „Hey, wo ist die 228?“ Er trug eine Kaki farbene Kappe und eine Sonnenbrille, eben ein Trucker – (Alb)Traum meiner Schlaflosen Nächte. „Direkt neben an, steht doch da!“, rufe ich unfreundlich zurück und zeige zu dem Einfamilienhaus neben unserem. „Danke kleines!“, lacht er und setzt den Wagen noch drei Meter nach vorn. Meine Schwester richtet sich auf, legt das Handtuch weg und zieht ihr viel zu großes Shirt über, dann erhebt sie sich und kommt zu mir. „Ob wir wohl neue Nachbarn bekommen?“, fragt sie aufgeregt. „Vielleicht endlich mal welche, die keine kleinen Kinder haben. Oder einen Hund der Mom in die Blumen kackt.“, entgegne ich abwesend. Ich konnte mir das ständige Geheule, Gekreische und Genöle nicht noch ein Jahr mit anhören. Länger blieben unsere Nachbarn nämlich nie in dem Haus wohnen. Eigentlich komisch, weil es ein sehr hübsches Häuschen ist. Mit einer hellblauen Holzverkleidung und einer Veranda, vorne und einem riesigen Garten, hinten. Angeblich soll das Haus verflucht sein. Sobald jemand etwas grundlegendes, wie Wände oder Fenster verändern will, fangen Nachts die Wasserhähne an zu tropfen, Am laufenden Band gibt es Stromausfälle und die Böden knarzen. Alles Humbug, wenn man mich fragt. Es gibt keine Magie, oder übernatürliche Vorkommnisse. Schon gar nicht in einer kleinen verschlafenen Stadt wie unserer. Um genau zu sein, ist unsere Stadt so ruhig, sie ist sogar zu langweilig für eine dieser Seifenopern, die abends im Fernsehn laufen. Hier gibt es keine Intrigen, keinen Nachbarschaftskrieg, keine gruseligen alten Häuser, über denen permanent schlechtes Wetter herrscht und auch keine Alkoholiker, die zum Spaß Leute quälen. Das einzige, in unserer Stadt, was ein bisschen unheimlich ist, ist Miss Perish, eine ca. siebzig Jährige Dame, die allerdings noch topfit ist. Sie hat sechsunddreißig Katzen und trägt immer nur schwarz. Wenn man sie anspricht, erzählt sie einem Geschichten, von Menschen die angeblich unglaubliche Kräfte haben und die weit, weit, weit entfernt auf einer Insel leben. Humbug. Ich bin der Meinung, sie hatte in ihrer Jugend ein Traumatisches Erlebnis und ist deshalb verwirrt, andere sagen, sie sei ein Junkie gewesen und nun zu arm, für Drogen, also Entzugserscheinungen. Aber wäre sie arm, hätte sie wohl kaum das Geld um die Katzen zu füttern. Aber wie gesagt, Miss Perish ist auch schon die einzige, die so ein bisschen heraussticht. „Sieh mal, ich glaube, jetzt kommen sie.“, Haley klopft mit den Handflächen auf meinen Kopf und gräbt ihre Finger aggressiv in meine Haare. „Aua, verdammt Haley muss das sein? Kannst du nicht deine eigenen Haare ausreißen?“, ich schubse sie weg und durchwuschele meine Locken. „Sie steigen aus!“, sie quietscht unablässig und ihre Stimme ist zu einem fisteligen Ton geworden. Ich brumme vor mich hin, weil es mich immer noch, nicht interessiert. „Ich hole Mom und wir gehen uns vorstellen!“, sie will losrennen, da bemerkt sie, das sie noch immer keine Hose trägt. „Vorher ziehe ich mich noch um!!“ Ich bin immer noch nicht interessiert. Sie verschwindet im Haus. JETZT setze ich mich auf und sehe über den Zaun. Dort stehen Mittlerweile einige Kartons und ein blaues Sofa. Blau? Ziemlich cool. Ich stehe auf und schirme mit der Hand die Sonne ab, welche mir in die Augen scheint. Aus dem Haus sind Stimmen zu hören und ich gehe näher zum Zaun um zu sehen, wem sie gehören. Es ist nur ein Summen, deshalb gehe ich noch näher, bis ich, ohne es bemerkt zu haben, plötzlich vor der Tür, auf der Veranda stehe. Eine junge Frau schaut um die Ecke. Ihr langes blondes Haar liegt in einem lockeren Knoten über ihre Schulter, sie trägt eine Latzhose und ein weißes Tanktop. Sie lächelt mich an und mit einer fröhlichen, frischen Stimme trällert sie: „Oh, hi. Die Klingel funktioniert noch nicht. Mein Mann sucht gerade die Batterien. Du bist bestimmt eine von den Nachbarn, oder?“ Unentwegt lächelt sie, als wolle sie mich hypnotisieren, starrt sie mich dabei direkt an. Für einen Bruchteil einer Sekunde fühle ich mich, wie ein hässliches Entlein. Mit meinen aschbraunen Locken, von denen die meisten denken, es sei eine Dauerwelle und meinen langweiligen grünen Augen, mit meinen hundertsechsundsiebzig Zentimetern und meiner langweiligen Figur, kann ich nie so eine Schönheit ausstrahlen, wie diese Frau, direkt vor mir. Innerlich lasse ich die Schultern hängen und ziehe eine Schnute. „Ja, mein Name ist Hannah.“, ich versuche aus meiner ernsten Miene ein Lächeln werden zu lassen. „Ich wohne neben an, mit meiner Mom und meiner Schwester. Die kommen später, meine Mutter macht sicher noch Salat oder so.“ Sie nickt und lächelt noch breiter. „Ich bin Vivienne, mein Mann Howard, unser Sohn Ridan und unser Hund Spencer … wohnen jetzt hier.“, ein Hund? Super, Mom rastet nachher bestimmt wieder aus. „Wir kommen aus Mexiko und naja... mein Mann wurde versetzt, deswegen leben wir jetzt hier. Ich liiiiiebe das Leben in der Kleinstadt. Wo jeder jeden kennt... herrlich. Und dann so süße Mädchen, wie du, die zur Begrüßung vorbei kommen.“, ihre Stimme wird von Wort zu Wort immer höher, sie stoppt. „Entschuldige. Ich bin immer so … hektisch wenn ich aufgeregt bin.“ „Mom, das bist du doch auch sonst immer.“, eine tiefere, männliche Stimme ist aus dem Flur zu hören. Und schon steht ein Junge, kaum älter als ich, mit tief braunem Haar und wundervoll braungrünen Augen neben ihr und schüttelt lachend den Kopf. Er trägt ein Schwarzes Shirt mit dem Logo einer Band drauf. Und darüber eine Kapuzenjacke. „Ich meine hektisch! Spencer ist gleich in den Pool ge...“, er sieht mich an und wird still. Ich starre ihm direkt in die Augen und es ist, als würde der Moment erstarren. Sein Blick heftet auf mir, wie ein Magnet. Auf meinen Armen, meinem Rücken und sogar meinen Beinen bekomme ich Gänsehaut. Meine Kopfhaut kribbelt und ich bekomme feuchte Hände. Noch nie zuvor hatte ich so ein Gefühl. Die Luft scheint vor Hitze zu flirren aber so angenehm, dass ich es kaum spüre. „Ach, Schätzchen, das hier ist Hannah, von nebenan. Hannah, das ist mein Sohn Ridan.“, damit unterbricht Vivienne den Moment, Ridan, sie hatte den Namen schon erwähnt und ich zucken zusammen. „Hi.“, murmeln wir synchron und lächeln dabei verstohlen. Ich höre ein Kichern hinter mir und fahre herum. Meine Mutter und Haley stehen beide in ihren Sonntagsklamotten auf der Treppe und lächeln. Übertrieben. Jetzt komme ich mir noch blöder vor, in meinem ausgeleierten Top und der verwaschenen Shorts. „Das sind meine Mom und meine Schwester.“, sage ich etwas zu missmutig und deute hinter meinen Rücken. Meine Mutter stellt sich neben mich und überreicht Vivienne eine verschlossene Schale mit Brownies. Wo hat sie die so schnell her? „Willkommen in der Nachbarschaft. Mein Name ist Helen und das sind meine beiden Mädchen, Hannah und Haley. Hannah ist achtzehn und Haley siebzehn.“ Haley ist ganz still geworden und steht nun auf der anderen Seite, neben meiner Mutter. „Das ist aber nett! Ich bin Vivienne und das ist Ridan, mein Sohn, er ist neunzehn. Im Garten ist mein Mann... Schätzchen kannst du ihn mal eben holen?“, sie lächelt Ridan an und streicht ihm über den Kopf. Gespielt genervt zieht er ihn weg und geht durch die Diele in die Dunkelheit. Wir warten. Unterdessen unterhalten sich meine Mutter und Vivienne ausgelassen über die Vorteile vom Leben in der Kleinstadt. Ich sehe zu Haley und wundere mich warum sie so ruhig ist. Außer wenn sie schläft oder sich sonnt, hält sie eigentlich nie den Mund. Sogar beim Essen muss meine Mutter sie erst mehrfach ermahnen damit sie nicht die Hälfte auf den Tisch spuckt. Und dieses, sonst so quirlige Mädchen ist auf einmal zur Gänze verstummt. Sie sieht mich an und wird noch röter als sie, warum auch immer, eh schon ist. Dann lächelt sie stumm und formt dabei mit den Lippen das Wort „R-I-D-A-N“. Ich stutze, aber dank meiner Schwesterlichen Gabe, die bei uns beiden allerdings bloß bedingt wirkt, weiß ich sofort, was sie meint. Sie steht auf ihn. Ich ignoriere diese dümmliche Anwandlung ihrerseits, denn sie ist jede Woche in jemand anderen verliebt und jedes Mal ist er „Die Liebe ihrs Lebens“, wie sie es nennt. „Dad kann gerade nicht. Er versucht die Satellitenschüssel aufzuhängen.“, Ridan kommt zurück und lautstark bellend rennt eine große weiße Wolke an ihm, seiner und meiner Mutter und an Haley vorbei, direkt auf mich zu. Ich reagiere und fange den Aufprall der Hundepfoten an meiner Brust mit den Händen ab. „Na, wer bist du denn?“, die Wolke entpuppt sich als reinrassiger Samojede namens Spencer. „Du bist ja eine süße Wolke!“ Ich hocke mich auf den Boden damit er mich beschnüffeln kann und lasse ihn an meiner Hand lecken, die sicher immer noch nach Essen riechen. (Zum Mittag gab es Hackbällchen Toskana) Ridan hockt sich mir gegenüber und sofort rollt Spencer sich auf den Rücken. „Er mag es am liebsten, wenn man ihn hier krault.“, Ridan nimmt meine Hand und legt sie auf den weißgepflockten Bauch seines Hundes. Aber statt mich auf den Hund zu konzentrieren, rutschen alle meine Gedanken in die Hand, die er so liebevoll festhält. Sie ist unbeschreiblich warm und diese wärme breitet sich gerade in allen meinen Poren aus. „Außerdem ist er hier immer schön warm.“, sagt Ridan. Nicht nur er, denke ich mir. Als er anfängt zu lachen, bekomme ich eine Gänsehaut vom Kopf bis zu den Füßen und sehe schnell zu Haley. Sie starrt verhohlen zu ihm während sie dem Gespräch unserer Mütter lauscht. In ihren Augen spiegelt sich etwas, das ich nicht deuten kann... vielleicht Wut oder Eifersucht. Sie bemerkt meinen Blick und schaut zu Boden. „Ich muss eh eine Runde mit ihm gehen, dann kannst du mir ja die Gegend hier zeigen, okay?“, Ridan steht auf und reicht mir seine Hand erneut. Ich ergreife sie und er hilft mir auf. Ich erhasche einen Blick auf ein Tattoo an seinem linken Handgelenk und schmunzele. Er ist also Waage. Dann bemerke ich wieder die Augen meiner Schwester. „Tut mir leid. Ich muss noch lernen, aber Haley macht das sicher gerne.“, ich lächele ihn wehmütig an und ernte einen liebevollen, vergebenden Blick. „Kein Problem.“, er sieht zu Haley und lässt dabei ganz langsam meine Hand los, einen Finger nach dem anderen. „Würdest du mir die Gegend zeigen?“ Natürlich tut sie das. Sie lächelt und kommt sofort zu uns. Wir gehen gemeinsam die Treppen hinunter und den Gehweg entlang. An unserem Gartentor bleibe ich stehen. „Gute Nacht, Ridan!“, ich lächle ihn an. Spencer tapst auf mich zu und stupst meine Hand mit der Nase an. „Gute Nacht, Spencer!“ „Schlaf gut, Hannah und mach lieber nicht mehr zu lange. Wenn man zu viel lernt, verpasst man die wichtigen Dinge im Leben.“, Ridan streicht mit seiner warmen Hand über meine und lächelt mich dabei an. „Ja, Nana. Dann verpasst du noch irgendwas.“, Haley nannte mich vor Jungs die sie beeindrucken wollte immer so. Dabei war dieser Spitzname nur entstanden, weil sie Hannah bis sie sechs war nicht aussprechen konnte. Ridans Lächeln wurde noch breiter und ich atmete auf. Das konnte nur bedeuten, dass er es nicht so peinlich fand wie ich. Ich drehe mich um und auf dem Weg zur Tür gehe ich so langsam, dass ich noch mitbekomme, das meine Schwester erzählt wie unser Vater damals meinen Hund Posie mitgenommen hat, nur um ihn dann ins Tierheim zu stecken. Ich war damals so traurig, dass ich jedes Mal wenn ich einen Hung gesehen habe, weinen musste. Das ist eines der Dinge, die ich an Haley hasse, sie erzählt Fremden peinliche Dinge über mich, um sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Im Haus lasse ich mir als allererstes ein Bad ein und hole mein Buch, welches meine Mutter aus dem Garten geholt und in mein Zimmer gelegt hatte. Es ist Freitag, also wird Haley entweder mit oder ohne Ridan auf die Geburtstagsfeier von Jasmin Collins gehen. Eines dieser Mädchen, die nichts im Leben erreichen werden, aber trotzdem alles bekommen, weil ihr Daddy reich ist. Bis vor ein paar Jahren wurde ich auch regelmäßig zu ihr eingeladen, aber weil ich nach dem ersten Mal schon keine Lust mehr hatte, ging ich nie wieder hin. Hirnlose Skelette, die auf bindfadendünnen, viel zu hohen Absätzen wie epileptische, anämische Äffchen tanzen? - Nein, danke! Jetzt konnte ich Haley auch zu ihnen zählen. Aber so war das wohl, wenn die Mutter ein Kind demokratisch und eines Laissez-faire erzieht. Ich lege das Buch zur Seite und tauche mit dem Kopf unter Wasser. So kann ich mich am besten entspannen. Es ist ruhig und alle Sorgen scheinen in den Ätherischen Menthol-Rosen Ölen davon zu schwimmen. Ich blubbere und tauche wieder auf. Mit den Händen greife ich nach einem Waschlappen um mir die Augen abzuwischen. Das erste, was ich im Neonlicht des Badezimmers erkennen kann ist Haleys glitzerndes Minikleid. „Du bist ja schon wieder da.“, blubbere ich, mit dem Mund nur einige Millimeter über dem Wasserspiegel. Sie summt vor sich hin: „Ja, Ridan muss noch seine Kisten auspacken... er ist so süüüüß und witzig... schade, dass er nicht mit zu Jas´s Party kommen kann.“, schlauer Junge! „Aber wir wollen mal wieder zusammen spazieren gehen.“ Ich stutze. Sie und freiwillig Gassi gehen mit einem Hund? Sie hasst Hunde. Sie ist einhundert Prozent Katzen Mensch. „Nur dumm, dass wir den blöden Hund mitnehmen müssen.“, ach wirklich, denke ich bei mir. „Der kann mich überhaupt nicht leiden. Er knurrt immer wenn ich auch nur in die Nähe von Ridan komme. Hach, Ridaaaan... er ist einfach ein Traummann...“, sie seufzt und macht eine theatralische Handbewegung. Auch etwas, das nur die Mädchen tun, die mit Jasmin zusammen sind, sinnlose Gesten und übertriebene Seufzer. Sie summt noch ein bisschen, verteilt viel zu viel Rouge auf ihren Wangen und schwebt auf ihren, mindestens, zehn Zentimetern aus dem Raum. Ich fühle mich auf einmal allein und verlassen. Schnell schlüpfe ich aus dem Wasser und trockne mich ab. Meine Haare föhne ich und binde sie zusammen. In meinem dicken Frotteebademantel gewickelt schleiche ich in mein Zimmer und mache das Licht an. Das Fenster ist zu also, Licht wieder aus und Fenster auf. Die kühle Abendluft strömt mir entgegen. Aus meinem Kleiderschrank krame ich ein dünnes Nachthemd in das ich in wenigen Sekunden hinein geschlüpft bin. „Ziemlich mutig, wenn du dich mit offenem Fenster umziehst, obwohl du weißt, dass nebenan jetzt jemand wohnt.“, ich schrecke herum und erstarre zur Salzsäule. Ridan sitzt im Schneidersitz auf meinem Bett und grinst mich frech an. Kapitel 3: Das Fenster gegenüber -------------------------------- Ich kann mich noch immer nicht aus meiner Starre rühren. „Was tust du hier?“, ich zucke mit der Hand. Er steht auf und kommt langsam auf mich zu. Los Körper, befehle ich innerlich. Los, beweg dich. Hau ihm eine runter oder weich wenigstens aus. Aber nichts geschieht. Ridan bleibt wenige Zentimeter vor mir stehen und sieht mich noch immer direkt an. „Hab ich doch gesagt. Mein Zimmer ist da, direkt gegenüber.“, er zeigt aus dem Fenster. „Komische Architekten, dass sie die Fenster auf selber Höhe nur siebzig Zentimeter auseinander bauen. Da kann ja jeder rüber springen.“ Ich werde rot, erstens vor Scham weil ich das nicht bemerkt habe und zweitens, vor Wut, weil ich mich nicht rühren kann. „Das erlaubt noch lange nicht, dass du hier in mein Zimmer kommst.“, fahre ich ihn an. Er lacht und mein Körper wird ganz locker. Ich stolpere nach hinten und lande auf meinem Sofa. „Hey, das sieht ja aus wie unseres. Nur in klein.“, bemerkt er locker, er beugt sich vor und stützt sich mit den Armen links und rechts neben meinem Kopf ab. Das war mir auch schon aufgefallen. Ich liebe mein blaues Sofa und dann taucht nur ein paar Wochen, nachdem ich es gekauft habe, eine Familie auf, die genauso ein Sofa auch hat und zieht dann noch neben uns ein. Zufall? „Ganz schön frech, mich anzulügen und mich dann auch noch mit deiner nervigen kleinen Schwester allein zu lassen, Hannah.“ Angelogen. Für einen Moment denke ich daran, mich zu entschuldigen. Aber ich hab es ja für Haley gemacht. Außerdem ist es doch meine Sache, ob ich lerne oder bade! Sein Gesicht ist nur wenige Millimeter von meinem entfernt und er sieht sehr verärgert aus. Sein Atem duftet nach Pfefferminze. Von ihm geht eine Wärme aus, die ich nicht in Worte zu fassen vermag. Ich sehe ihm direkt in die Augen, aber da ist noch etwas anderes, als Ärger. Ich kann es nicht deuten. Er lächelt als er meinen nachdenklichen Blick bemerkt. „Was ist los, mache ich dich nervös?“, er kommt immer näher und mittlerweile kann ich meinen Herzschlag bis in die Zehenspitzen spüren. „Was willst du?“, frage ich mit fester Stimme. Er grinst mich frech an. „Dich!“ Ich zucke und denke, dass er einen Witz macht. „Mich?“, hake ich nach. Er drückt seine glühende Stirn an meine und haucht die Antwort auf meine Lippen. „Dich, Hannah!“ Ich traue mich nicht, den Mund zu öffnen also senke ich erst den Kopf ein bisschen, so das sein Mund meine Wange berührt. „Warum?“ Flüchtig haucht er einen Kuss auf meine Wange und beim nächsten Wimpernschlag sitzt er wieder auf meinem Bett. Die Stelle an der er mich gestreift hatte, glüht und kribbelt angenehm. „Wie... wie bist du so schnell dorthin gekommen?“, ich stehe auf und gehe auf ihn zu. „Ich sag‘s dir wenn du mich küsst!“, sein freches Grinsen bekommt einen bittersüßen Unterton. Aber wie von selbst komme ich näher, bis meine Füße den Bettrahmen berühren. Und, ohne dass mein Hirn oder der Rest von mir, reagieren kann, liege ich mit dem Rücken auf der Matratze. „Was...“, ich habe mit einhundert Prozentiger Sicherheit, nicht gerührt. „Wie hast du das gemacht?“ „Was soll ich denn gemacht haben?“, Ridan nagelt mich mit Armen und Beinen fest. Seine Hände sind noch wärmer als vorhin. „Na, DAS hier!“, fauche ich und versuche zu zappeln, aber nicht einmal das, funktioniert. „Wie machst du das? Du bist doch mindestens fünf Zentimeter kleiner als ich!“ Von einem Moment zum anderen wird seine Miene kalt und fahl. „Klein?“ „Ich müsste doch eigentlich stärker sein oder... so viele Muskeln kannst du doch wohl nicht unter dem Pulli verstecken. Was ist? Bist du jetzt stumm?“, mein fauchen wird zu einem Schrei. Ridan löst seine Hände und sitzt nun über mir, auf meinen Knien und starrt ins Leere. „Ich bin zu klein.“ „So hab ich das nicht gesagt. Das würde mich nicht mal stören... ich...“, ich zögere und werde rot. Ridan greift meine Hände und zieht mich hoch. In einem einzigen Atemzug zieht er mich in seine Arme und ich sitze auf seinem Schoß. Alles um mich flirrt vor Wärme. „Wie ist das möglich?“, nuschele ich an seine Brust, an welche er meinen Kopf krampfhaft presst. „Bitte, bitte lass mich in deiner Nähe bleiben, Hannah. Bitte lass es egal sein, dass ich kleiner bin als du!“, seine Finger fahren sanft durch mein Haar und in meinen Nacken. „Ich bin nicht wie du, ganz und gar nicht.“, er sagt es so leise, das ich es beinahe nicht gehört hätte. Auf der Straße vor dem Haus fährt mit viel Getöse eine Gruppe Motorräder vorbei und dann ist es mucksmäuschenstill. „Ich kann dir jetzt nicht mehr sagen. Aber eines musst du wissen.“, er hält mich eine halbe Armlänge von sich weg und sieht mir tief in die Augen. „Jeder von uns, Hannah, braucht jemanden, für den er lebt.“ Flüchtig wie ein lächeln streifen seine Lippen meine Wange. Dann ist er weg. Im Zimmer gegenüber schließt das Fenster und die Gardinen werden zugezogen. Ich sitze auf meinem Bett und taste mit den Fingerspitzen über den feurig heißen Abdruck den seine Lippen hinterlassen haben. Nach einer halben Ewigkeit schließe ich das Fenster und versuche zu schlafen, aber ich sinke nur in eine Flut aus Fragen und Verwirrung. Wer oder Was ist Ridan? Was meint er damit, dass jeder jemanden braucht, für den er lebt!? Warum hat er mich geküsst? Und, warum ist mir so unheimlich kalt, nachdem mir bei ihm so warm war? Gegen drei Uhr, gleite ich endlich in eine traumlose Phase ab. Trotzdem bin ich am nächsten Morgen wie gerädert. Kapitel 4: Wie auf brennenden Kohlen ------------------------------------ Ridan Wie wunderschön sie ist. Ich bin noch immer ganz von den Socken, als ich in meinem Bett liege. Müde schließe ich die Augen und lasse die Geschehnisse Revue passieren. Das Mädchen nachdem ich zwei Jahre lang gesucht hatte, lag nun im Bett, keinen Meter von mir entfernt. Ganz deutlich habe ich ihren Gesichtsausdruck vor mir, als sie bei uns auf der Veranda stand. Erschrocken und rot um die Nasenspitze. Ich bekomme eine Gänsehaut, vom Haaransatz bis zu den Zehen und grinse wie bescheuert vor mich hin. Dann gehe ich weiter. Ihre Schwester, die sich mir aufgedrängt hat, gerade als ich allen Mut zusammengenommen hatte. Ihr Geruch, der überall in ihrem Zimmer hängt und mich berauscht, wie wilder Efeu und Lavendel. Ihr nackter Rücken, als sie sich das Nachthemd übergestreift hatte. Und ihre Augen. Dann zucke ich, als ich bemerke, dass sie sauer gewesen war. Ich war einfach in ihrem Zimmer aufgetaucht. Wie konnte ich das wieder gut machen? Nervös laufe ich im Zimmer auf und ab, dann schiebe ich leise den Riegel vom Fenster und öffne es behutsam. Vorsichtig gleite ich heraus und springe von der schmalen Fensterbank unten auf den Lattenzaun. Ich balanciere wie eine Katze vorsichtig, bis vorne zum Gehsteig. Dann lande ich behutsam auf den grauen Steinplatten und atme tief ein. Hannahs unendlich warmer, berauschender Duft liegt wie eine unsichtbare Schnur vor mir. Ich laufe einfach blind drauf los und bin gespannt, wohin es mich führt. Nach einem kurzen Marsch, der durch meine Fähigkeit, besonders schnell zu sein, nicht mühsam war, komme ich an eine alte verlassene Industrielagerhalle. Durch eine Öffnung in der Mauer verschaffe ich mir Zutritt und suche weiter. In der Mitte der Halle bündelt sich Hannahs Duft und ich sehe mich um. Was tut sie hier? , frage ich mich. Außer ein paar wilder Katzen, einiger verlassener Vogelnester und jeder Menge altem Baumaterial gibt es hier nichts Besonderes. Dann verstehe ich plötzlich. Die Ruhe die mich erfüllt ist enorm. Sie durchflutet meinen ganzen Körper und dingt in jede meiner Zellen. Alles legt sich mir offen. Hannah ist ganz und gar wie ich sie mir vorgestellt hatte. Sie liest viel und hat eine kreative Ader, was die vielen Bilder an ihren Wänden erklärt, sie liebt Musik, aber lieber Vinyl als CDs, sie ist schlicht, aber unter ihren wilden Locken steckt sicher eine Kratzbürste. Ich muss lächeln und ich beschließe, mein ganzes Vertrauen in den morgigen Tag zu legen. Also fliege ich wie der Wind nach Hause, in mein Zimmer und schreibe ein paar Zeilen auf ein Blatt Briefpapier. Ich komme mir dabei ein bisschen albern vor, beinahe, als schriebe ich einen Liebesbrief. Als ich fertig bin, verklebe ich den Umschlag und hänge ihn von außen an mein Fenster, in der Hoffnung, sie würde ihn sehen und lesen. Dann, es ist bereits nach drei, schlafe ich endlich ein und Träume von braunen Locken und tief grünen Augen, die mich erschrocken ansehen. In der Luft liegt der Geruch von wildem Efeu und Lavendel. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)