So finster wie die Nacht von BinaLuna ================================================================================ Kapitel 21: Kein Abschied ------------------------- Kapitel 21 ~ Kein Abschied „Er geht nicht ran.“ Seufzend ließ Jason sein Handy sinken. Und schaute wieder zur Uhr – zum wahrscheinlich hundertsten mal an diesem Abend. Der große Zeiger hatte die zehn mittlerweile überschritten und draußen war es stockfinster. Ryan hatte schon vor Stunden Feierabend gehabt, war aber nicht nach Hause zurückgekehrt, wie er es üblicherweise tat. Besorgt folgte June seinem Blick. Sie hatte den Schüler mit ihrem Auto gebracht, weil sie fand, dass er im Dunkeln nicht allein unterwegs sein sollte. Besonders nicht, wenn Vampire in der Nähe waren. Der Gedanke daran, dass sie in einer finsteren Ecke lauern konnten, war beunruhigend. Beide saßen schweigend am Küchentisch. Während June sich um das Abendessen kümmerte, hatten sie noch zwanglos miteinander geplaudert. Das Essen war mittlerweile kalt. Die Sorge um Ryan hatte ihnen den Appetit verdorben. Schließlich erhob sich June und räumte den Tisch ab – einfach um sich mit irgendetwas abzulenken. Doch es wollte nicht so recht gelingen. Ryan, wo steckst du nur?, fragte sie sich in Gedanken selbst. Ihr Herz zog sich zusammen bei der Vermutung, dass ihm etwas zugestoßen sein konnte. Das Schloss an der Haustür klackte. Klirrend fiel June das Glas, welches sie in der Hand gehalten hatte, ins Waschbecken. Jason sprang so abrupt auf, dass fast der Stuhl umgefallen wäre, auf dem er saß. Beide hasteten in den Flur. Die nächste Szene hatte etwas Surreales. Im ersten Moment war Jason erleichtert, als er seinen Bruder sah, doch gleich darauf wurde er kreidebleich. Die Frau von dem Foto. Mona trat über die Schwelle, hielt dann aber inne, als wäre sie gegen eine unsichtbare Mauer geprallt. Ryan hatte sie hinein gebeten, das war also nicht das Problem. Es war Jasons Gesicht, das jegliche weitere Bewegung unmöglich machte. June sah geschockt aus. Sie starrte Ryan an. Dieser hob beschwichtigend die Hände. „Ich kann alles erklären“, sagte er schnell. Als einziger blieb er ruhig. Jedoch wunderte er sich insgeheim, dass auch Mona geschockt dreinblickte. Bei June und Jason konnte er ja verstehen, warum sie überrascht waren. Aber Mona. Hatte sie nicht erwartet, dass hier noch andere Leute waren? Mona sah noch immer Jason an. Sie hatte die Hände unwillkürlich vor den Mund geschlagen. „David“, flüsterte sie. Sie zwang sich zur Ruhe, was ihr allerdings nicht so recht gelingen wollte. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt dieses Gesicht zu sehen. Und jetzt, da es endlich soweit war, wusste sie nicht, was sie tun sollte. Natürlich war das nicht ihr David. Er war schon lange tot. Dennoch war die Ähnlichkeit verblüffend – erschreckend geradezu. „Ich kann alles erklären“, wiederholte Ryan als er merkte, dass ihn alle ignorierten. „Ich frage mich wirklich, wie du das erklären willst“, versetzte June schneidend. Ihr Tonfall ließ Ryan zusammenzucken. „Sie ist ein Vampir“, sagte June. „Vielleicht war sogar sie es, die uns angegriffen hat. Und was machst du? Bringst sie mit in deine Wohnung? Ich fasse es nicht.“ „Sie hat mich um Hilfe gebeten“, verteidigte sich Ryan kleinlaut. „Lass es mich erklären, June. Sie wird von ihresgleichen verfolgt. Ich konnte sie nicht einfach im Stich lassen.“ June wich einen Schritt zurück. „Doch“, widersprach sie. „Genau das hättest du tun sollen.“ Sie ging in die Küche um ihre Tasche zu holen und drängte sich dann ohne ein weiteres Wort an Ryan vorbei aus der Wohnung. Ryan griff nach ihrem Handgelenk, doch June machte sich los. „Fass mich nicht an!“, fauchte sie ihn an und rannte dann ins Treppenhaus. Fassungslos sah er ihr hinterher. Dann wanderte sein Blick zu Jason und Mona. Er fasste einen Entschluss. „Verzeihung, ich...“ Er deutete hastig auf die Tür. „Ich bin sofort wieder da. Dauert nur eine Sekunde. Versprochen.“ Augenblicklich rannte er June hinterher. Er konnte sie so nicht gehen lassen. Jason und Mona blieben allein zurück, taxierten einander mit unschlüssigen Blicken. Das war die Frau aus seinen Träumen. Und sie war diejenige auf dem Bild. Daran bestand für Jason kein Zweifel. Einerseits brannte er darauf zu erfahren, wer sie war – andererseits wäre er am liebsten wie June Hals über Kopf aus der Wohnung gerannt. Momentan überwog noch die Wut auf Ryan, weil er Mona einfach mitgebracht hatte ohne Jason oder June vorzuwarnen. Letztendlich war es Jason, der die Stille beendete. „Was hast du eben gesagt?“ „Was?“ Mona fuhr zusammen, als er sie so unvermittelt ansprach. „Als ihr durch die Tür gekommen seid. Danach hast du etwas gesagt. Was war das?“ Jason schaute sie finsterer an, als es unbedingt notwendig war. Angst hatte er seltsamerweise keine. Er war eher ein klein wenig wütend. Durch Leute wie sie, war sein Leben vollkommen aus den Fugen geraten. Er wusste, dass er sie nicht allein dafür verantwortlich machen konnte, doch es lag viel Ablehnung in seiner Haltung. „Das war nichts weiter“, winkte Mona ab. Oh, David. Wer war dieser Junge? Mona wurde zusehends unruhiger. Die Gedanken in ihrem Kopf überschlugen sich fast. Konnte er Davids Wiedergeburt sein? Wenn ja, dann war das Schicksal grausam sie ausgerechnet auf diese Weise wieder zueinander zu führen. Mona musterte Jason vorsichtig. Es wäre so viel einfacher, wenn sie ihn hätte hassen können, nachdem er sie verraten hatte. Aber dafür konnte ja dieser Junge nichts. Er erkannte sie ja nicht einmal. „June! Nun warte doch mal eine Sekunde.“ June dachte freilich nicht im geringsten daran einfach stehen zu bleiben. Sie hatte ihren Wagen erreicht, schloss die Tür auf und wollte einsteigen. Ryan drückte dagegen, sodass die Tür wieder ins Schloss fiel. Er berührte June leicht am Arm, doch sie schlug wieder seine Hand weg. „Ich sagte, du sollst mich nicht anfassen.“ „June, bitte...“, brachte Ryan hervor. „Es ist nicht so, wie du denkst. Ich glaube nicht, dass diese Mona uns etwas antun will.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hätte sie doch niemals hergebracht, wenn ich denken würde, sie könnte dir oder Jason etwas antun.“ „Nichts antun? Verdammt, Ryan! Sie ernährt sich von Blut. Das mag für dich altmodisch klingen, aber ich finde schon, dass sich das gefährlich anhört.“ Verdammt? Ryan wusste nicht, was er tun sollte. So hatte er June noch nie erlebt. Sie fluchte sonst nicht und sie schrie ihn auch nicht an. Außer ihr kannte er keinen Menschen, der so viel innere Selbstbeherrschung besaß, wie sie. Allerdings war derzeit nichts mehr davon bemerken. „Du hättest anrufen können?“ „Was?“ Ryan sah sie verwirrt an. „Du hättest anrufen können“, sagte June erneut. „Jason und ich haben uns Sorgen gemacht. Du bist nach der Arbeit nicht nach Hause gekommen. Es war draußen schon dunkel.“ Ohne, dass sie es verhindern konnte, stiegen Tränen in ihre Augen. „Ich dachte, die wäre etwas zugestoßen. Und was machst du? Hilfst einem Vampir.“ Sie stieß ihn leicht gegen die Brust. „Ich hatte solche Angst um dich, du Trottel!“ Am liebsten hätte Ryan sie in den Arm genommen, aber er fürchtete, dass sie ihn in ihrer derzeitigen Verfassung ohrfeigen oder anschreien würde. Dennoch musste er sich arg zusammenreißen um es nicht zu tun. „Es tut mir leid.“ June wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. „Mit – es tut mir leid – ist es diesmal nicht getan.“ Ryan hob hilflos die Hände. Was sollte er noch tun? June schaute sie zu ihm auf. „Mit tut es leid“, fuhr sie langsam fort. „Solange sie hier ist, werde ich nicht wiederkommen.“ Ihre Stimme klang nun wieder gefestigt – und so endgültig, dass Ryan erschrak. Doch blieb ihm nichts anderes übrig, als ihre Entscheidung zu akzeptieren. Er wollte sie auf Knien anbetteln zu bleiben, aber sein Problem wäre damit nicht gelöst. Würde er June ein zweites mal verlieren? Er wusste nicht, ob er das noch einmal durchstehen könnte. Ein letztes mal schaute June zu ihm, dann stieg sie in ihr Auto. Er hielt sie nicht mehr fest. Sie zögerte für eine Sekunde, startete dann den Wagen und fuhr davon. Kein Blick zurück, kein Wort des Abschieds. Jason wartete an der Haustür auf seinen Bruder. Als er dessen niedergeschlagen Gesichtsausdruck bemerkte, ahnte er schon, was geschehen war. Er stellte keine unnötigen Fragen. Stattdessen trat er einen Schritt beiseite und ließ Ryan hinein. „Mona ist im Wohnzimmer“, war alles, was der Junge sagte. Ryan nickte. Wie sollte es jetzt weitergehen? Ebenso wie Mona, die bei ihrer Flucht keinen Plan gehabt hatte, hatte er jetzt auch keinen. Bis vor kurzem war ihm seine Handlung noch richtig vorkommen, jetzt war er sich nicht mehr sicher. Er ging in die Stube hinüber, gefolgt von Jason, welcher offenkundig nicht mit Mona allein sein wollte. Die Vampirin saß auf dem Sofa in der Ecke. „Sorry, dass es hier so unordentlich ist“, meinte Ryan. Albern so etwas zu sagen, fand er schon im selben Moment, als er es ausgesprochen hatte. Aber irgendetwas musste er schließlich sagen. Von Nahen betrachtet, sah Mona gar nicht gefährlich aus. Eigentlich sogar wie ein ganz normaler Mensch, wenn man einmal von ihren Augen und der durchscheinend blassen Haut absah. „Es wird wohl das Beste sein, wenn du heute Nacht hier bleibst“, sagte Ryan zu Mona. Dann stutzte er plötzlich. Was geschah eigentlich, wenn die Sonne aufging? Er musterte die Frau unsicher. „Äh, schläfst du in einem Sarg, oder so?“ „Nein, aber ich brauche die Dunkelheit“, erwiderte Mona ruhig. Dass sie Tages-, aber kein Sonnenlicht ertragen konnte, behielt sie für sich. Sie wollten diesen Fremden nicht mehr erzählen, als unbedingt notwendig. Denn das waren sie – Fremde. Obwohl einer von ihnen David zum Verwechseln ähnlich sah. „Hm, man kann die Zimmer hier nicht vollständig abdunkeln, aber es wäre möglich“, überlegte Ryan. „Habt ihr einen Keller?“, fragte Mona schnell. Ein abgedunkelter Raum hätte tatsächlich gereicht, aber der Blick, den Jason ihr aus der anderen Ecke des Zimmers zuwarf, bewog sie dazu sich ein anderes Plätzchen auszusuchen. Ryan wirkte nicht so, als wäre er glücklich darüber eine Frau – Vampir oder nicht – dort unter zu bringen. Trotzdem nickte er. „Ja, haben wir. Aber ist das nicht zu unbequem?“ Mona schüttelte den Kopf. „Nein, es wird schon gehen.“ „Und mit so etwas soll Mona diese Leute kontaktiert haben?“ Lionel warf einen skeptischen Blick auf den kleinen, eckigen Kasten, der dort vor ihm stand und den man auf- und zuklappen konnte. „Äh, ja.“ Bram schien ein wenig nervös. Er wusste nicht, ob er eine Strafe zu erwarten hatte, weil er Mona indirekt geholfen hatte. Er drückte einen Knopf und kurz darauf flackerte ein Bild über den Monitor. Lionel zuckte zurück. Wenn man sein eigentliches Alter bedachte, war es ein Wunder, dass er nicht mir dem Finger darauf zeigte und „Hexenwerk“ schrie. „Können wir irgendwie feststellen, wem sie geschrieben hat?“, wollte Lionel wissen. „Negativ“, erwiderte Bram. „Ich kenne ihr Passwort nicht.“ Lionel schaute ihn finster an. Bram wusste nicht, ob das an seiner Antwort lag und daran, dass Lionel nicht wusste, was ein Passwort war. Eve saß neben den beiden Männern, hatte sich aber bisher nicht in deren Gespräch eingemischt. Als Lionel damit begann Bram einen Vortrag über Verantwortung zu halten, warf Eve einen Blick auf den Laptop. An Technik war sie nicht sonderlich interessiert, aber ihr war gerade langweilig und so drückte sie ein paar Tasten. Als sich plötzlich ein Dokument öffnete, hob sie eine Augenbraue. „Er küsste sie leidenschaftlich und drängend, während seine Hand ihren Oberschenkel hinauf wanderte. Sie schrie auf, als er sie zwischen...“ „EVE!“ Lionel war knallrot angelaufen. Eve schaute zu ihm auf, war sich aber keiner Schuld bewusst – als hätte sie gar nicht verstanden, was sie dort gerade vorlas. Es handelte sich dabei übrigens um den neuesten Vampirroman, an dem Bram gerade arbeitete. Nachdem er gerade seine Jugendbuchreihe abgeschlossen hatte, schrieb er nun etwas für Erwachsene. Plötzlich hatte Bram Lionels Strafpredigt vollkommen vergessen. Er betrachtete Eve mit leuchtenden Augen und griff nach ihren Händen. „Ich wusste gar nicht, dass deine Stimme so unglaublich sexy klingt“, sagte er – ganz angetan von dem, was er gerade gehört hatte. „Darf ich dich um einen Gefallen bitten? Würdest du vielleicht das Hörbuch lesen, wenn die Geschichte veröffentlicht wird? Du bist perfekt dafür.“ Eve zuckte bloß mit den Schultern. „EVE!“ Lionel spürte wie ihm die Situation entglitt. Streng wandte sich an Bram. „Das war dann alles.“ „Aber ich...“, wollte Bram protestieren. „Kein aber, wenn du nicht sofort gehst, dann fliegt dein geliebter Taplop aus dem Fenster“, drohte Lionel. Seine Augen funkelten finster. „Es heißt Laptop“, korrigierte Bram ihn. „RAUS!“ Eilig schnappte sich Bram seinen Computer, drückte ihn an seine Brust und verschwand aus dem Zimmer. Er ahnte schon, dass er damit einer schlimmeren Strafe entging. Lionel lehnte sich seufzend in seinem Stuhl zurück, als die Tür ins Schloss fiel. Wenn es um Eve ging, dann verstand er keinen Spaß. Eve schaute ihn gelassen an. „War das wirklich nötig?“ „Ja, war es“, schnaubte Lionel. Das Thema war damit für ihn beendet. Das Schlimmste war, dass Bram recht hatte – ihre Stimme klang tatsächlich sexy. Mit einem mal kam sich Lionel ziemlich schäbig vor. Er war auch nicht besser, als andere Männer. Als Eve auf einmal vor ihm stand, schreckte er aus seinen Gedanken. Sie hatte die Hände links und rechts neben ihm abgestützt. „Lass es langsam angehen“, sagte sie und verließ dann ebenfalls das Zimmer. Lionel starrte die Tür an und kam sich dabei vor, wie ein Idiot. Auf was waren ihre Worte bezogen? Als Jason am darauf folgenden Morgen in die Küche kam, brannte dort bereits Licht. Er rieb sich mit dem Handrücken über die Augen. Verschlafen schaute er zu Ryan hinüber, der gerade Kaffee machte. „Warum bist du schon so früh auf den Beinen?“ Ryan wandte sich nicht um. Er zuckte leicht mit den Schultern. „Konnte nicht schlafen“, antwortete er einsilbig. Langsam fiel die Benommenheit von Jason ab und er erinnerte sich wieder an alles, was gestern vorgefallen war. An Mona und an den Streit zwischen June und Ryan. Flüchtig blickte der Junge sich um. „Mona ist im Keller, falls du sie suchst.“ Ryan blickte sich über seine Schulter hinweg um. „Schon klar.“ Jason nahm am Küchentisch platz und beobachtete seinen Bruder eine ganze Weile ohne etwas zu sagen. „Frag schon.“ Jason fühlte sich ertappt. „Willst du nicht zu ihr fahren?“ Er sprach von June. Wieder ein Achselzucken. „Sie will mich nicht sehen.“ „Und?“ Seufzend drehte sich Ryan an. „Sie will mich nicht sehen, aber ich will unbedingt zu ihr. Okay? Zufrieden? Jetzt habe ich es gesagt.“ „Ich bin erst zufrieden, wenn du es auch tust“, gab Jason zurück. Er ahnte, wie sehr es Ryan quälen musste mit June zerstritten zu sein. Die beiden gehörten einfach zusammen, fand er. Ryan wirkte unschlüssig. Kurzerhand griff Jason nach Ryans Autoschlüsseln und warf sie diesem zu. „Nun geh schon“, sagte er fast schon ungeduldig. Ryan nickte. „Und ich kann dich...?“ „Mich hier allein lassen?“ Jason zog eine Augenbraue hoch. „Klar, unser Vampir schläft ja schließlich.“ Er blickte auf seine Armbanduhr. „Außerdem muss ich eh bald zur Schule.“ Jetzt zögerte Ryan nicht länger. Er schloss die Finger um die Autoschlüssel, holte seine Jacke und verließ anschließend die Wohnung. Ryan hatte sich keinen Plan zurecht gelegt. Dementsprechend unsicher, war er nun auch, als er vor Junes Wohnung stand. Würde sie ihn überhaupt herein lassen? Er beschloss, es auf einen Versuch ankommen zu lassen und klingelte. Als er hörte, wie Innen das Schloss geöffnet wurde, schluckte er und trat einen Schritt zurück. June wirkte nicht überrascht ihn zu sehen. Allerdings ließ sich auf ihrem Gesicht nicht ablesen, ob sie sich freute oder verärgert war. „Hi“, murmelte Ryan kleinlaut. „Können wir reden? Bitte.“ June nickte und ließ ihn in die Wohnung, ehe sie selbst in die Küche vorging – wortlos. Sie ist mir immer noch böse, dachte Ryan. Sein schlechtes Gewissen plagte ihn. June setzte sich. „Rede“, sagte sie kühl. Es versetzte Ryan einen Stich, als sie ihm derart deutlich die kalte Schulter zeigte. So kannte er sie nicht. Das war nicht seine June. In seinem Leben hatte er bereits viel Unsinn angestellt, aber stets hatte sie Ruhe bewahrt und ihm den Rücken gestärkt. Ein Gefühlsausbruch wie am gestrigen Abend passte nicht zu ihr. „Es tut mir leid.“ Ryan setzte sich ihr gegenüber, sah sie flüchtig an. „Ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Dabei habe ich geglaubt, ich würde einmal etwas Gutes tun.“ Manchmal war er einfach zu gutherzig und konnte nicht nein sagen. „Wenn Mona uns etwas hätte antun wollen, dann hätte sie es gleich getan. Ich bin nicht naiv – ich weiß schon, dass sie uns jederzeit angreifen könnte, wenn sie hungrig ist. Aber ich versuche darauf zu vertrauen, dass es nicht geschieht.“ Erst jetzt wurde Ryan selbst bewusst, wie unsicher das überhaupt klang. Er bereute nicht Mona gerettet zu haben, aber sie konnte nicht bleiben. „Du verstehst überhaupt nicht, warum ich wütend bin“, sagte June leise. Zögerlich wagte es Ryan ihr in die Augen zu schauen. „Was willst du damit sagen?“ June verschränkte ihre Finger ineinander, weil sie nicht wollte, dass Ryan sah, wie ihre Hände zitterten. „Es geht mir gar nicht wirklich um Mona“, fuhr sie fort. „Es geht mir um dich. Du hast nicht einmal gemerkt in welcher Gefahr du geschwebt hast. Du warst freundlich, aber dabei einfach nur leichtsinnig. Und ich? Ich hatte Angst um dich.“ Endlich begriff Ryan, wovon sie sprach. Es spielte keine Rolle, dass Mona ein Vampir war oder das Ryan ihr geholfen hatte. Es ging einzig darum, dass Ryan hätte sterben können. Und damit hätte er June allein gelassen. Er nahm seinen Mut zusammen, ging zu ihr hinüber und zog sie ohne zu fragen in seine Arme. „Es tut mir leid, June.“ June klammerte sich an seinen Schultern fest, als sie spürte, dass ihr wieder Tränen in die Augen stiegen. „Es ist selbstsüchtig von mir, aber ich will dich nicht verlieren“, flüsterte sie mit erstickter Stimme. Ryan war der wichtigste Mensch in ihrem Leben und würde es immer bleiben. Deswegen trug sie noch immer seinen Schmuck und hatte seine Fotos in ihrer Wohnung stehen, obwohl sie sich getrennt hatten. „Du wirst mich nicht verlieren“, versprach Ryan. Er drückte sie sanft an sich, als könne er sie so vor allem Übel beschützen. „Du musst mir vertrauen. Ich bleibe bei dir.“ June nickte schniefend. „Ich vertraue dir.“ Sie wollte ihn nicht anschreien oder mit ihm streiten. Das hatte sie nie wirklich gewollt. Er bedeutete ihr alles und ein Leben ohne ihn konnte sie sich praktisch gar nicht mehr vorstellen. Junes Worte waren Balsam für Ryans Seele. Er liebte sie noch immer und hoffte, dass er ihr das auch eines Tages sagen konnte. Fortsetzung folgt.... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)