Tödliches Geheimnis von AnniPeace (Die Legende der geflügelten Rasse) ================================================================================ Kapitel 2: 「日記」 ・ Tagebuch 「Nikki ~ Bad premonition 」 ----------------------------------------------------- Kapitel zwei: 「日記」 ・ Tagebuch 「Nikki ~ Bad premonition 」 Es waren seit dem kleinen Streit zwischen Noriko und Ren nun schon fast zwei Stunden vergangen. Da keiner der beiden hatte nachgeben wollen, waren sie schließlich tatsächlich in unterschiedliche Richtungen gegangen. Keiner der beiden hatte den Wegweiser gesehen, welcher direkt vor ihnen an der Weggabellung im Gebüsch gestanden hatte. Die beiden waren einfach nicht aufmerksam genug gewesen, um auf solche Kleinigkeiten zu achten. Während Ren gerade vergeblich nach Nahrung suchte, kam Noriko auch nicht viel weiter. Sie fühlte sich irgendwie mies, da sie Ren vorhin mit diesen Steinen so zugerichtet hatte...sie wusste auch nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund war sie in diesem Moment nicht ganz sie selbst gewesen...Und Ren hatte leider sehr darunter leiden müssen... Normalerweise war sie eigentlich nicht so gewalttätig. Gut, sie war früher ab und zu mal vor Wut an die Decke gegangen, aber in letzter Zeit nahmen die unkontrollierbaren Wutanfälle des jungen Mädchens immer mehr zu. Sie wollte ja damit aufhören, damit sie ihren neuen Freund nicht direkt wieder verlieren würde, doch im Moment war sie wirklich beinahe unkontrollierbar. Und das Letzte, was sie nun wollte, war erneut alleine zu sein, wieder hilflos nicht zu wissen, was man als Nächstes machen sollte... Sie seufzte schwer. Solche Gefühlsausbrüche waren ihr schon des Öfteren passiert, zwar war dieser nicht so heftig gewesen, aber die Lilahaarige hatte schon oft das Gefühl gehabt, nicht mehr ganz sie selbst gewesen zu sein. Zum Beispiel hatte sie dieses Gefühl erst kürzlich wieder gehabt, als die Soldaten in Daikoku ihre Eltern getötet und anschließend ihre ältere Schwester verschleppt hatten. Da war er wieder, dieser schmerzhafte Stich mitten ins Herz... Sie hatte sie verloren, ihre gesamte Familie war tot...was sollte sie nur tun? Seit jenem Tag wurde sie Nacht für Nacht von grausamen Träumen geplagt. In diesen Alpträumen ging es immer um den Tod ihrer Familie...nie hatte sie etwas auch nur ansatzweise Fröhliches geträumt, das konnte so nicht mehr lange weiter gehen... Eines Tages würde sie vielleicht deswegen noch den Verstand verlieren, falls sie das bis jetzt sowieso noch nicht getan hatte, und das wollte das Mädchen nun wirklich nicht riskieren. Doch ihre Gedanken wanderten zurück zu jener Nacht, in der ihre Familie starb. Sie kam immer wieder ins Grübeln. Wenn sie mal darüber nachdachte, fiel Noriko eigentlich wirklich kein vernünftiger Grund ein, dass Miyuki hätte entführt werden sollen. Da alle aus ihrer Familie zur Winged Race gehört hatten und da sie alle gewusst hatten, dass die Menschen Angst vor den geflügelten Menschen hatten, hatten sie sich immer ziemlich unauffällig verhalten, hatten niemals ihre Fähigkeiten eingesetzt und waren niemals geflogen. Wie also hätten die Soldaten erkennen können, was die scheinbar nette Familie von nebenan eigentlich wirklich war...? Die Einzigen Menschen, die jemals etwas von ihrer wahren Identität gewusst hatten, war die Menschenfamilie, die in einem Haus ganz in der Nähe gewohnt hatte. Aber diese hätten eigentlich auch keinen Grund gehabt, um sie zu verraten... Noch dazu kam auch noch die Tatsache, dass diese Menschen vor etwas mehr als 10 Jahren gestorben waren. Sie waren in ihrem Haus gefunden worden, alle vier lagen sie da, mit durchgeschnittenen Kehlen, entweder an den Wunden verblutet oder durch den Sauerstoffverlust erstickt. Sie hätten also eigentlich keinen Grund gehabt, doch hatten die Soldaten vielleicht irgendetwas geahnt? Oder sie mit etwas in Verbindung gebracht? Da kam ihr plötzlich der Gedanke, dass die Soldaten womöglich den Tod dieser Personen auf ihre Familie zurück führten...zu diesen Zeiten wurden Mitglieder der Winged Race sehr oft für Tote unter den Menschen verantwortlich gemacht, insbesondere dann, wenn diese toten Menschen eine spezielle Verbindung zu einem oder mehreren Mitgliedern der Winged Race hatten. Doch sie hatten niemals etwas Falsches getan! Hatten die Soldaten tatsächlich gedacht, dass sie diesen Tod einfach ihrer Familie in die Schuhe schieben könnten? Schließlich war dann doch irgendwie durchgesickert, dass ihre Familie Angehörige der Winged Race waren... Doch obwohl ihr auch nach dieser ganzen Grübelei und Kopfzerbrecherei kein vernünftiger Grund für den Tod der vier Menschen oder der Entführung von Miyuki einfallen konnte, musste Noriko plötzlich wieder an ihre seltsamen Träume denken...wollte ihr der Traum, den sie Nacht für Nacht von Neuem durchleben musste, vielleicht irgendetwas sagen? Konnte sie womöglich etwa irgendwelche Schlüsse daraus ziehen? Vom ganzen Nachdenken bekam das Mädchen jetzt schon Kopfschmerzen...also verscheuchte sie diese ganzen negativen Gedanken vorerst aus ihrem Hinterkopf und verbannte sie in eine unsichtbare Schublade, welche sie mit einem unsichtbaren Schlüssel abschloss. Die Zeit verging allmählich. Noriko ging nun schon seit einer Weile nur noch durch Büsche Sträucher. Sie kam an vielen Dingen vorbei. Die Landschaft zu diesen Zeiten war einfach atemberaubend: So weit das Auge reichte ragten Wälder mit Sträuchern und Bäumen aus der Erde, das konnte man schon beinahe als Urwald beschreiben. Es gab viele Seen und Flüsse, die einfach perfekt zu dieser "friedlichen" Stimmung passten, sogar die Felse und Berge passten irgendwie in dieses perfekte Bild. Viele Dörfer und Städte lagen versteckt in den Wäldern und nahe den Flüssen, da sie so gut geschützt und auch gut versorgt waren - im Fluss konnte man Nahrung wie Fisch finden und um das Wasser herum wuchsen viele Pflanzen und Kräuter. Diese Kräuter wurden häufig für die Herstellung von Medizin und Salben verwendet. Und Nachts herrschte meist eine angenehme Stille, nur ansatzweise unterbrochen durch leise Tiergeräusche, etwa durch Rufe einer Eule. Das Mädchen holte tief Luft und pumpte so frischen Sauerstoff in ihren Kopf. Diese Waldluft roch zwar etwas forsch und moderig, aber da Noriko in so einer Umgebung aufgewachsen war, fühlte sie sich eigentlich ganz wohl. Sie dachte die ganze Zeit über verschiedene Dinge nach, nur eben nicht über ihre Vergangenheit von vor einer Woche. So kam sie nach einer Weile auch auf Ren und Misa. //Dieser Ren...ist schon eigenartig, aber irgendwie habe ich bei ihm das Gefühl, als würde ich ihn kennen...naja, vielleicht bin ich ihm ja früher schon mal begegnet...//, dachte sie und trat einen kleinen Stein beiseite. Das Mädchen blieb stehen. Etwas war komisch. Sie spürte bei dem Gedanken an den blonden Jungen ein angenehmes Kribbeln im Bauch. Doch sie konnte es nicht gut einordnen, in ihrem ganzen Leben war sie noch niemals verliebt gewesen, deshalb hatte sie diese Gefühle auch anders gedeutet. Oder besser gesagt: Verdrängt. Sie schüttelte kurz ihren Kopf durch, holte noch mal tief Luft und setzte dann ihren Weg fort. "Und Misa ist auch nicht gerade ein normales Mädchen...Ich wette, sie gehört auch zur Winged Race, denn sie hat ja immerhin diese Lichtfähigkeiten...", murmelte sie vor sich hin und achtete nicht auf den Weg. So kam es, dass sie, nachdem sie durch ein paar weitere Büsche gelaufen war, nicht aufpasste und so einen Fuß in die Luft setzte - direkt unter ihr verlief ein Fluss und sie fiel eine kleine Klippe herunter. "WAAAAAAAAAAAAAAAHH~", schrie sie und kniff schnell die Augen zusammen, die sie zuvor weit aufgerissen hatte. Ein paar Tränen liefen auf ihren Augen, die durch den Wind entstanden waren, welcher ihr direkt in die Augen geweht war. //Wieso hab ich nicht darauf geachtet, wo ich hingehe? ...He Moment mal...warum war da kein Haus?! Hab ich etwa Unrecht gehabt?! Ich? Nicht er?!//, dachte Noriko entsetzt und ihr entfiel, dass sie gerade nach unten fiel. Wieder begann sie zu schreien, bis sie mit einer hohen Geschwindigkeit mitten in den kalten Fluss fiel. Kurz verharrte sie unter Wasser, spürte das kühle Nass und öffnete die Augen. Sie sah alles verschwommen, das bekam ihr nicht gut. Sie tauchte so schnell wie möglich wieder auf und spuckte das Wasser aus, welcher beim Einsturz in den Fluss in ihrem Mund gelandet war. "Oh man...wie kann man sich nur so täuschen?", fragte sich Noriko, als sie ihren Kimono auswrang, um das Wasser, welches sich in den Stoff gesogen hatte, wieder herauszubekommen. Das traditionelle Kleidungsstück war schon alleine schwer genug, doch vollgesogen mit Wasser wog es fast doppelt so viel. Das würde eine Weile dauern, bis sie ihren Weg zurück nach oben und zu Ren gefunden haben würde... Der eben Genannte rannte gerade vor einem riesigen Bären davon. "Hey, es tut mir leid, dass ich deinen Honig geklaut habe! Ich habe es nicht gewusst, darum konnte ich es auch nicht vergessen! Tut mir leeeeid!", schrie er, als er es endlich irgendwie schaffte, den Bären hinter sich abzuhängen. Er sah sich um und kratzte sich am Hinterkopf. "Das kann doch nicht wahr sein...ich bin doch nach rechts gegangen, wieso bin ich immer noch nicht an meinem Haus? Habe ich mich etwa verlaufen?", fragte er sich und ging erst mal weiter. In diesem Teil des Waldes wuchsen Pflanzen, wie man sie so normalerweise eigentlich nur im Urwald finden würde. Vor Ren stand ein riesiger Mammut-Baum, um dessen Stamm sich zwei dicke Lianen schlängelten. Dieser kam ihm irgendwie bekannt vor. Aber warum nur? "Achso, jetzt erinnere ich mich wieder! Den Baum habe ich doch vorhin schon gesehen! Wie war das noch mal, an den zwei Lianen links abbiegen?...He, Moment mal! Heißt das, dass ich schon den ganzen Tag lang im Kreis gelaufen bin? Verdammt!", sagte Ren zu sich selbst und haute sich vor die Stirn. Jetzt war er auch noch auf das Niveau gesunken, um Selbstgespräche zu führen...was für eine schreckliche Woche für ihn... "Das verstehe ich nicht, ich hatte doch früher immer einen so guten Orientierungssinn...", seufzte er. Ein lautes Grummeln ertönte. "Oh man, ich hab Hunger...", jammerte der Blonde und ging zu Boden. Während sein Gesicht den kalten und teilweise auch feuchten Erdboden berührte, dachte Ren ein wenig über seine aktuelle Situation nach. Nachdem er aber für seinen Geschmack lange genug nachgedacht hatte, bewegte sich sein Körper kriechend vorwärts. Er kroch so eine Weile weiter durch die Gegend, stieß sich den Kopf an vielen Dingen wie Steinen oder Baumstämmen, bis er vor einem besonders morsch wirkenden umgestürzten Baumstamm Halt machte. Als der Blonde seinen Kopf etwas an hob, sah er sein Geschmacksparadies. Auf diesem wuchsen mehrere Arten von Pilzen. Es gab rote, blaue, gestreifte und sogar einen bunten. Ren sprang erleichtert auf und nahm sich wahllos von jedem etwas. Eigentlich mochte er Pilze nicht besonders, aber in diesem Falle war ihm alles Essbare recht und zumindest brauchte er nun nicht selber kochen. Erleichtert über das Letztere musste er wohl oder übel etwas Grinsen. Seine Kochfähigkeiten waren nämlich unter aller Würde, nicht mal einen verhungernden Reisenden würde er freiwillig so etwas zu essen geben. Ein paar der eben erworbenen Pilze steckte Ren sich also direkt in den Mund, ein paar andere stopfte er für später in seine Taschen. Na bitte! Und seine Mutter hatte immer gemeint, er wäre für einen Ausflug in den Dschungel nicht geeignet! Ha! Wie sehr sie sich doch damals getäuscht hatte! "Da siehst du es Mutter! Ich kann alleine Essen besorgen ohne es vorher kochen zu müssen, Überleben, und am aller besten...", fing er an, dann trat er wieder durch ein paar Büsche. "Kann ich den Weg zurück zu unserem Haus finden! Hahahahahahaha-", sagte er, dann verging ihm das Lachen, als er in das verdutzte Gesicht von Noriko blickte. "Äh...", machte Ren und kratzte sich verlegen am Kopf. "Ren was machst du denn hier!? Ich dachte, du wolltest nach rechts gehen!", fragte Noriko verwirrt und stand vom Flussboden auf. Sie war total durchnässt. Ein schlechter Zeitpunkt um ein Bad zu nehmen, wie Ren fand. "Tja...das dachte ich eigentlich auch...", gab Ren zu und seufzte. Dann ließ er sich auf den Boden sinken und kramte in seiner Tasche nach den restlichen Pilzen. Er steckte sie sich alle auf einmal in den Mund und schluckte. "Äh...Ren?" "Was ist?" "Was isst du da bitte?" "Pilze. Sehr delikat. Willst du auch welche?", fragte Ren und grinste. Noriko schlug sich eine Hand vor die Stirn. "Du solltest nicht wahllos irgendwelche Pilze vom Urwald essen. Wer weiß, ob die giftig sind oder sonst irgendwie gefährlich sein könnten...", murmelte sie und ging wieder an Land. Sie hatte die Farben und Muster bemerkt. Und dem nach sahen diese Pilze nicht sehr gesund aus... Ren zuckte mit den Schultern und steckte sich noch mehr in den Mund. Er schmatzte und grunzte laut, während sein Mund sich immer und immer mehr füllte. Plötzlich stand er ganz still da, seine Augen weiteten sich und die Pupillen wurden riesig. Die restlichen Pilze, die noch in seiner Hand steckten, fielen mit einem lauten und dumpfen Geräusch zu Boden und Ren begann leicht zu zittern. "Ren! Was ist los? Geht’s dir nicht gut?", fragte die Jüngere leicht besorgt. Ren antwortete ihr nicht sofort. "Oh man, ich sagte dir doch gerade eben noch, du sollst die Pilze nicht essen...", erklärte Noriko und lief auf ihn zu. Ren begann plötzlich, wie ein Irrer zu lachen. "He...hehe...heheheheheh! Oh man, diese Pilze sind echt der Hammer, du musst auch welche essen No-chaaaan~", sagte Ren und ging wackelnd im Kreis umher. Er starrte Noriko mit offenem Mund an und schrie plötzlich los. Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen. "Was ist jetzt los?!", fragte sie sich und machte sich auf die Antwort des Blondes gefasst - Dass, was er ihr dann sagte, hatte sie wirklich nicht erwartet. "Oh mein Gott, Noriko! Wieso hast du mir nicht gleich gesagt, dass du brennst!?", schrie Ren und schubste Noriko zurück in den Fluss. Diese fiel mit voller Wucht hinein, wurde erneut durchnässt und schnappte nach Luft. Sie verschluckte sich und Wasser lief in ihre Lunge. Als sie begann röchelnd zu husten, ließ sie anschließend den Kopf hängen, ihre nassen Haare bedeckten ihr Gesicht. Sie biss sich auf die Lippe und sah Ren mit einem Mörderblick an. Nun war sie wieder von oben bis unten nass. Nicht, dass sie inzwischen wieder trocken gewesen wäre, es ging ihr in diesem Fall nur um das Prinzip. "Jetzt grins doch nicht so blöde, No-chaaan~" "ICH GRINSE ÜBERHAUPT NICHT!!!", schrie Noriko und sprang auf. "Verdammter Mist! Warum ist er auch so dämlich und frisst diese dämlichen Pilze?!", sagte sie zu sich selbst und zerrte Ren am Arm mit sich, da er immer noch wie ein Irrer grinste und nur geradeaus sah. Er rührte sich alleine keinen Meter vorwärts. Der Junge hing wieder irre grinsend seinen eigenen Gedanken nach, die irgendwelche seltsamen Vorstellungen enthielten. Dann schrie er erneut laut auf. "Oh mein Gott! Wie sind wir hier nur hin geraten?! Mitten auf den Ozean?!", schrie Ren. Noriko schlug sich wieder eine Hand an die Stirn. Dieser Typ hatte sie ja nicht mehr alle! Worauf hatte sie sich da nur eingelassen...? "Memo an mich selbst: Ren vor giftigen Pilzen fernhalten...lieber selber welche davon essen...könnte jetzt nicht schaden...", sagte sie seufzend zu sich selbst und schob Ren vorwärts. Misa streifte durchs Gebüsch. Warum war es nur so furchtbar schwer, ein Mädchen zu finden, welches den Krieg beenden können würde?! Sie seufzte. Diese Leute, denen sie vorhin begegnet war, schienen sehr nett zu sein. //Das Mädchen war lustig, und der Kerl schien auch nett...wie schade, dass sie nicht von der Winged Race sind, dann hätten wir zusammen nach dem Mädchen suchen können...//, dachte sie und streifte weiter durch den Wald. Als sie nach einer Weile eine Pause machen wollte und sich an einem Baumstamm anlehnte, begriff sie etwas. Noriko hatte sie und den Typen doch eingeeist...irgendwas Besonderes musste sie also sein! Und der Typ sah auch nicht gerade überrascht von dem Eis aus...und er sah auch nicht gerade schwach aus...vielleicht sollte sie die Beiden noch mal aufsuchen und selber fragen. Wenn sie zur Winged Race gehören würden, könnten sie, wenn sie etwas mehr als Misa selbst wüssten, ihr dieses anvertrauen und ihr so weiter helfen... Ihr Entschluss stand fest! Misa sprang schnell auf und dachte nach. Die beiden hatten ihr nicht gesagt, wo sie hin wollten...aber an dieser Weggabelung hatten sie sich nicht einigen können, ob sie nun nach rechts oder nach links gehen sollten... //Also, der Kerl wollte nach rechts gehen, Noriko wollte nach links gehen. Links oder rechts?//, dachte Misa und überlegte. Wenn sie nach rechts gehen, und zuerst den Typen finden würde, könnte sie ihn ganz vorsichtig nach der Herkunft fragen. Wenn sie ihre weiblichen Reize spielen lassen würde, könnte sie bestimmt die eine oder andere nützliche Information aus ihm heraus kitzeln...aber der Typ sah nicht gerade nach einem Orientierungsgenie aus... Vor ein paar Tagen war ihr ein braunhaariger Typ über den Weg gelaufen, der die ganze Zeit blöde gegrinst und nach dem Weg zum Kiseki-See gefragt hatte, obwohl er genau von dort kam...aber der blonde Kerl würde bestimmt nicht so bescheuert sein... Wenn Misa aber nach links gehen würde, müsste sie mit Noriko alleine nach dem anderen Kerl suchen...Die beiden würden streiten, das war schon mal so sicher, wie die Tatsache, dass der braunhaarige Typ bestimmt immer fünf Tage früher losreisen müsste, wenn er pünktlich irgendwo ankommen wollte, selbst wenn es nur der Mülleimer war. "Lieber nach rechts!", murmelte Misa zu sich selbst und lief los. Nach einer Weile schon kam sie wieder an die Weggabelung, an der sie ein paar Stunden zuvor die beiden Streithähne getroffen hatte. Sie sah genau hin und entdeckte ein Schild. Auf dem Schild stand: Rechts: Anwesen der Kenka-Familie Links: Steile Klippe (Vorsicht, Ausrutschgefahr) Geradeaus: Büsche //Wohin wollten die beiden vorhin wohl...naja, ich werde nach rechts gehen! Vielleicht kann mir ja jemand von der Kenka-Familie weiterhelfen...//, dachte Misa und ging fröhlich und lächelnd nach rechts. Was sie nicht wusste, war, dass in dem Haus schon seit zehn Jahren niemand mehr von der Kenka-Familie lebte... Noriko war fuchsteufelswild. Ren, den sie immer noch hinter sich her schliff, war total unzurechnungsfähig und lief trotzdem bereitwillig mit. "Was würde er nur machen, wenn ich in Wahrheit ein blutrünstiger, bärtiger Killer wäre?", dachte Noriko laut. Ren horchte auf. "Wie bitte? AHHHHHH, lass sofort meine Hand los! Lass sie los, du Irrer!", schrie Ren und zog kraftlos an seinem Arm. Noriko’s Geduld platze und sie explodierte beinahe. "HALT ENDLICH DIE KLAPPE UND KOMM MIT!", schrie sie und stampfte pampig weiter. Als sie an einem großen Felsen vorbei kamen, stolperte Ren mit den Füßen über die Beine eines dunkelblonden Jungens. Ren sagte nichts und rappelte sich wieder auf. Der Typ jedoch stand auf und sah sich etwas um. "Verzeihung...könnt ihr mir zufällig sagen, wo hier meine Freunde sind? Komische Geschichte, ich hab mich wohl verl..." "WOHER SOLLTE ICH DENN BITTE WISSEN WER UND WO DEINE FREUNDE SIND?! NIMM GEFÄLLIGST EINEN KOMPASS MIT UND LASS DEINE BEINE NICHT HERUM LIEGEN!", brüllte Noriko, sodass der Junge von der Wucht des Schreies gegen die Felswand prallte. "Aber...aber ich kann keinen Kompass lesen..." "MIR DOCH EGAL!", motzte Noriko weiter und rannte los, Ren hinter ihr schien mit jedem Körperteil gegen irgendetwas zu stoßen. "Vielleicht kann Yami mir helfen...", sagte der Junge noch, ehe er sich wieder auf den Boden setzte. "Hilfe...der blutrünstige, bärtige Killer will Vergeltung...", murmelte Ren und lachte wieder verrückt. Noriko blieb stehen. Sie sah ihn mit einem Blick an, bei dem jeder blutrünstige Killer mit Bart Reißaus genommen hätte. "Noch ein einziges Wort...", sagte Noriko klar und deutlich. Ren verstand, er lachte aber trotzdem weiter. "Ehehehehehe...Vergeltung! Desu~" Ren sagte die ganze restliche Zeit nichts mehr. Noriko hatte es tatsächlich irgendwie geschafft, dass er den Mund hielt. Es lag wahrscheinlich nicht nur an einem großen Klumpen Erde, den Noriko ihm aus Wut in den Mund gesteckt hatte, sondern eher daran, dass er mit einer geschwollenen Lippe durch einen Kinnhaken seitens Noriko nicht mehr reden konnte, aber trotzdem war er lieber leise. Sie dagegen schien sich auch endlich wieder abzureagieren. Den Dampf so herauszulassen tat ja so gut...immer wenn sie einmal innerlich und äußerlich explodierte, konnte sie für einen kurzen Moment lang vergessen, in was für einer Lage sie sich eigentlich befand. Es gab seit einem Jahrzehnt einen furchtbaren Krieg und die Winged Race waren kurz vor der Niederlage. Niemand wusste, wie der Krieg aufzuhalten war und die einzige Hoffnung schien dieses eine Mädchen zu sein... Und dann kam auch noch das Erlebnis von letzter Woche hinzu. Wie Noriko’s Eltern und Zwillingsschwester grausam von Soldaten ermordet worden waren...vor ihren Augen. Und Noriko wusste nicht einmal genau, warum dies eigentlich geschehen war... Lag es etwa tatsächlich nur daran, dass sie und ihre Familie der Winged Race angehörten, und in Daikoku gelebt hatten? Der Gedanke von vorhin kam ihr wieder in den Sinn... Wenn es daran gelegen hatte, dann war das ein ziemlich mickriger Grund. Es war einfach nur grausam gewesen, und Noriko wollte ihre Rache. Und sie würde sie auch ganz sicher noch bekommen...die Zeit würde ihr schon sagen, wann und wo. "Ah...ich glaube mein Kopf erholt sich langsam wieder...", meinte Ren und Noriko ließ seinen Arm los. "Das ist gut. Wir sind übrigens jetzt da...", meinte Nori und deutete zu dem großen Haus, vor denen die beiden nun standen. Es handelte sich um ein sehr großes Haus. Es bestand aus mehreren Stockwerken, und über jedem war ein traditionelles Dach errichtet worden. Am Rand des obersten Daches hingen ein paar Laternen, damit nachts auch durch etwas Licht alles Mögliche zu sehen war. Jedes Stockwerk hatte mehrere Fenster, die Türen des Erdgeschosses waren traditionelle Schiebetüren, wie die Türen in einem Dojo. Der Boden bestand weitgehend aus Holz von Kiefern, doch die Räume innen waren von Angestellten Ren's Familie mit Tatamimatten ausgerichtet worden, sodass man darin auch barfuß umher gehen, und seine Sandalen ausziehen konnte. "Du hast recht...das ist das Haus meiner Eltern...", sagte Ren tonlos und die beiden gingen näher an das Haus heran. An der Tür klebte eine schleimig wirkende, gelbe Flüssigkeit. "He...was ist das?", fragte sich Ren und nahm etwas davon mit seinem Finger auf. Er steckte den Finger in den Mund und probierte. Dann schüttete er angeekelt den Kopf und hielt sich den Magen. "Uäähhh...das schmeckt wie der Honig von diesen großen Wespen...", stellte er sich schüttelnd fest und seufzte leicht. Ein lautes Grummeln ertönte, und Ren hielt sich seinen nun schmerzenden Bauch. "...ohhh, mein Magen tut so weh...", beschwerte er sich. "Ja, schon klar. Da hast du dich gerade erst von diesen anscheinend giftigen Pilzen erholt, und dann isst du vom erst besten Schleim, den du siehst?!" "Ich bin von Natur aus neugierig..." Noriko schlug sich wieder ihre Hand gegen die Stirn. "Dann wunder dich gar nicht erst, wenn du plötzlich krank wirst, ist ja kein Wunder...echt, wie kannst du nur so rücksichtslos sein?", fragte sich die Lilahaarige und schob sich den rechten Ärmel hoch. "Was machst du jetzt?", fragte Ren, dessen Gesicht noch immer schmerzerfüllt war. Noriko rollte mit ihren Augen. "Ich heile dich, und wenn du mich noch weiter nervst, stopf ich dir wieder den Mund...wo ist der Lehmklumpen?", fragte sie, und grinste leicht. Ren biss sich sofort auf die Lippe. Dann beobachtete er gespannt, wie langsam eine Art blaue Masse aus Noriko's Fingern tropfte. Sie formte sich in der Luft zu unerkennbaren Dingen, und kroch dann langsam auf Ren zu. Die Masse bildete eine Faust und haute ihm auf den Mund, sodass er diesen vor Schmerz leicht öffnete. Sofort wanderte die Masse in seinen Mund, und verteilte sich anschließend in seinem Magen. Es dauerte noch einen Moment, bis Ren sich nicht mehr verkrampfte und seinen Bauch los ließ. "Hat es geklappt?", fragte Noriko gespannt, immerhin hatte sie ihre Fähigkeiten schon länger nicht mehr anwenden können. Der Blonde schien einen Moment zu überlegen, als er dann lächelte und ihr zu nickte. "Danke, das war klasse No-chan.", sagte er. Sie lächelte als Antwort ebenfalls ein Mal, dann gingen die beiden schweigend noch ein bisschen näher an das Haus heran. Worauf hatte sie sich nur eingelassen, als sie beschlossen hatte, mit Ren zusammen durch die Gegend zu ziehen...? Die beiden betraten dann schließlich das Haus. "Sag mal Ren...wonach willst du jetzt eigentlich suchen?", fragte Noriko, und erinnerte sich daran, dass Ren nach etwas Bestimmten gesucht hatte. "Tja...wenn ich es gefunden habe, wirst du es sehen...", meinte Ren abweisend und ging los. Was war denn jetzt in ihn gefahren? Seit wann war er so...kalt und abweisend? Hatte er vielleicht seinen Lieblings Plüschbären vergessen? Bei diesem Gedanken musste die Jüngere leicht lächeln, und ein leises Kichern kam ihr über die Lippen. "Was ist los?", fragte Ren, vollkommen vertieft in seine Gedanken. "Ach, nichts..." "Gut, dann bleib jetzt hier stehen oder sitzen und beweg dich nicht vom Fleck. Und rühr nichts an!", erklärte Ren und ging schnell los. Die Richtung konnte Nori nicht genau bestimmen, sie kannte sich ja nicht in diesem Haus aus. Er könnte also überall hin unterwegs sein. Doch...Moment mal... "Hey! Soll das heißen, ich soll nicht mit suchen?", fragte Noriko verwirrt. "Genau!", meinte Ren und ging weiter. "Hey! Das ist aber nicht fair!", schrie Nori ihm hinterher und trat gegen die Tür. "Manno...", sagte sie und streckte die Zunge raus, genau in die Richtung, in die Ren eben verschwunden war. Schade, dass er es nicht sehen konnte... Doch warum saß Noriko eigentlich noch hier herum? Wann hatte sie sich denn jemals an irgendwelche Vorschriften gehalten? Sie sprang wie vom Blitz getroffen oder wie von Ren gebissen auf und lief in die entgegen gesetzte Richtung. Sie schenkte weder den großen Schränken mit kostbarem Geschirr, weder den kunstvollen Gemälden von großen Männern oder schönen Frauen irgendwelche Aufmerksamkeit, sie stiefelte einfach drauf los. Noriko stand dann plötzlich vor einer großen Tür, vor die sie eben wegen ihrer Unaufmerksamkeit beinahe gelaufen wäre. Mit viel Kraft und Mühe stemmte sie diese auf und betrat den Raum. Überall nur Spinnenweben und Staub. Sie ging etwas weiter rein und sah sich in der Gegend um. Dieser Raum schien so etwas, wie ein Schlafzimmer zu sein. Ein großes Bett stand in der hinteren rechten Ecke, ein Schrank stand in der Ecke daneben. Gleich neben Noriko stand ein Spiegel mit einem kleinen Tischen. Auf diesem standen die verschiedensten kosmetischen Produkte, wie ein Pinsel samt roter Lippenfarbe, eine kleine Schale mit einem feinen Puder und noch mehr solcher Dinge. "Die Frau, die das hier benutzt hat, muss echt reich gewesen sein...", murmelte Noriko und strich über den staubigen Tisch. Zu den damaligen Zeiten konnte es sich fast keine Frau leisten, Kosmetische Produkte zu benutzen. Diese waren sehr teuer, denn die Herstellung war viel Arbeit. Noriko sah sich weiter um - und entdeckte ein Gemälde. Es zeigte eine kleine Familie: Eine hübsche junge Frau mit Ren’s Haarfarbe saß in einem teuren Kimono auf dem Boden, neben ihr ein junger, lächelnder Mann und vor den beiden saß ein kleiner Junge. "Ren...", murmelte Noriko und strich auch über das Bild. "Warum sind deine Eltern nicht mehr hier?", fragte sie sich laut. Waren sie in den Krieg gezogen und nicht wieder gekehrt? Das war eigentlich unwahrscheinlich, die Frau sah nicht gerade danach aus, als dass sie in den Krieg ziehen würde. Was war also stattdessen geschehen? Wie als Antwort darauf, fiel Noriko’s Blick auf ein kleines Buch, welches in einer Ecke versteckt lag. "Was zum...", fragte sie sich und langte nach dem Buch. Es war mit einem Band zugebunden und verschlossen mit einem Wachssiegel. Das Siegel war ein reichverziertes K. Auf der Vorderseite stand in alten, Kagamischriftzeichen: Das Vermächtnis - Die Wahrheit Was mochte das nur für ein Buch sein? Noriko überlegte, ob sie es vielleicht auf machen sollte... Sie steckte einen Finger unter das Band, um es mit einem Ruck vom Buch zu lösen, als sich plötzlich etwas auf ihrer rechten Schulter absetzte. "KYAAAAAAAAAAAAAAAAAAH~" Ren suchte und suchte, doch er fand es einfach nicht. "Wo könnten sie es denn nur versteckt haben? Sie wussten doch, dass ich es ihr wiedergeben muss!", sagte er verzweifelt und kippte eine Schublade auf dem Boden aus. Wenn er das Armband nicht finden würde...hätte er überhaupt keine fröhliche Erinnerung an seine Vergangenheit mehr... "Oh man! Wo ist es nur? Ich brauche es doch...es...es ist die einzige Erinnerung an sie...", sagte er und suchte hastig weiter. Als er auf einmal einen lauten Aufschrei hörte, sprang er auf und rannte in diese Richtung. //Noriko!// _________________________________________ Nächstes Kapitel: 「女」 ・ Mädchen 「Onna ~ She looks so familiar 」 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)