Tödliches Geheimnis von AnniPeace (Die Legende der geflügelten Rasse) ================================================================================ Prolog: 「伝説」 ・ Legende 「Densetsu  ~ The first meeting 」 ------------------------------------------------------- ~The Legend of the Winged Race~ -Tsubasa no Resu no Densetsu- Prolog: 「伝説」 ・ Legende 「Densetsu  ~ The first meeting 」 *Anmerkung "..." direkte Rede //...// Gedanken ... Flashback oder Traum Ein lautes Poltern ertönte, dann ein Aufschrei. Tief, wie der eines Mannes. Weitere Schreie folgten, Blitze schossen vom Himmel und der Regen strömte in Massen vom Himmel. Ein ungewöhnlich stürmischer Tag. Dunkelgraue Wolken verdeckten den eigentlich sonst immer hellblauen Himmel und tauchten das ganze Land in tiefe Dunkelheit, es schien so, als wäre es schon mitten in der Nacht. Die Soldaten sahen geschockt zu den toten Körpern der kleinen Familie. Blut war überall hingespritzt, die drei Menschen lagen reglos auf dem Boden, ihre Kehlen voller Blut... "Was habt ihr nur getan?", fragte einer der Soldaten vollkommen entsetzt. "Wir waren es nicht! Wir sind unschuldig!", schrie eine blonde Frau abwehrend. "Wir wollten sie gerade besuchen, da fanden wir sie hier tot vor!" Einer der Soldaten kam ein Stück näher und schlug der Frau ins Gesicht. Das Schwert hielt er weiterhin mit der linken Hand fest umklammert. "Schweig sofort, du Monster! Ihr seid eine Bedrohung für die Menschen, ihr verdient es nicht zu leben!", schrie dieser sie an, und zeigte vorwurfsvoll auf die beiden goldenen Flügel, die aus ihrem Rücken ragten. Der Mann neben der Frau kochte vor Wut und griff den Soldaten an. Dieser konnte nicht schnell genug reagieren und er knallte zu Boden, eine leichte Delle in der Nase erschien und ein wenig Blut tropfte auf den Boden. Währenddessen rannte die Frau schnell unbemerkt zu ihrem kleinen Kind. "Lauf davon!" "Aber Mutter! Was ist mit euch?!", fragte das Kind. "Mach dir keine Sorgen Ren, wir schaffen das schon.", sagte die Frau aufmunternd. Das Kind nickte schniefend und konnte nichts anderes tun, als davon zu laufen. Die Frau hatte gelogen. Keine 2 Stunden später waren sie und ihr Ehemann tot . . . Sie bringen Unglück. Vertraut man ihnen, wird einem das Glück und alles Fröhliche genommen. Sie sind es, die unsere Kriege verantworten. Sie töten die Leute, die ihnen nicht gefallen, sie töten die Leute, weil sie Spaß daran haben~ Falls ihr einem von Ihnen begegnet, lauft schnell davon oder tötet ihn. Sie leben fern ab von unserer Welt, in einem dunklen Abbild, nahezu einem Spiegelbild. Die Verbindung der beide Länder... Kommt dem Kiseki-See nicht zunahe, sonst ist es zu spät, und ihr werdet Ihr Opfer... Das Opfer der geflügelten Rasse... Es zählte das Jahr 995, in der Mitte der Heian-Zeit. Im mittelalterlichen Japan herrschte seit 10 Jahren Krieg. Der grausame Krieg herrschte zwischen den beiden größten Ländern, die in der damaligen Welt schon existierten. Die eine Seite war Daikoku - das Land der Menschen. Die andere Seite war Kagami-koku - das Land der geflügelten Rasse, der Winged Race. Die einzige Verbindung zwischen den beiden Ländern stellte ein alter magischer See dar, der Kiseki-See. Kagami-koku war nämlich so etwas wie eine Art Spiegelwelt zu Daikoku. (Kagami-Koku bedeutet nichts anderes als "Spiegel-Land") Alles sah genau gleich aus. Nicht viele Soldaten hatten genug Mut, um von der einen Welt in die andere zu reisen. Man musste Blutgeld bezahlen. Das heißt so viel, dass mindestens einer der Personen sich eine Wunde zufügen musste. Das dabei freigesetzte Blut musste in das Wasser des Sees tropfen und erst dann gewährte der Kiseki-See Einlass. Es gab zu diesen Zeiten eine alte Legende, die besagte, dass es nur einem einzigen Mädchen gelingen könnte, den langen Krieg zu beenden. Dieses Mädchen gehörte der Winged Race an und beherrschte besondere Fähigkeiten. Doch niemand hatte sie jemals gefunden, noch wusste jemand wie sie aussah oder wo sie zu finden war. Sie schien beinahe verschwunden zu sein, und zeigte sich nie einem anderen Mitglied der Winged Race. Einem Menschen war sie auch noch nie begegnet, doch manche Leute hoffen noch immer, dass das Mädchen bald gefunden werden kann, da der Krieg sonst wohl ewig so weiter gehen würde. Und irgendwann würde es dann keine Welt mehr geben... . . . Noriko setzte langsam einen Schritt vor den anderen. Es war nun schon eine ganze Woche her, seitdem sie aus Daikoku geflüchtet war. Dort war es einfach zu gefährlich für sie geworden. Jeder hier kannte die Legende der geflügelten Rasse, die Wesen, die nur Unglück brachten und alles Fröhliche zerstörten. Doch die Legende war wirklich einfach nur eine Legende, denn kein einziges Wort davon war wirklich wahr. Noriko wusste dies am besten, denn sie war selbst so ein Wesen. Sie gehörte auch zur Geflügelten Rasse, der Winged Race. Ihre Beine taten furchtbar weh, denn sie war seit der langen Flucht zurück in ihr Heimatland Kagami-Koku die ganze Zeit nur gelaufen, fliegen konnte sie nicht, da sie auf ihrer Flucht so einiges wegstecken musste. Die Soldaten hatten nicht nur mit normalen Pfeilen geschossen, sondern auch mit Feuerpfeilen. Ein paar davon hatten tatsächlich ihr Ziel getroffen, deshalb war es für Noriko jetzt so gut wie unmöglich, ihre Flügel zu benutzen. An den schwarzen Federn klebte teilweise ihr eigenes Blut, welches an manchen Stellen auch schon leicht verkrustet war. Es war wohl bald an der Zeit, die Flügel zu verstecken, damit sie heilen konnten. Natürlich hätte sie auch ihre Fähigkeiten einsetzen können. Die geflügelten Wesen hatten manchmal das Glück, eine spezielle Fähigkeit ausüben zu können. Noriko’s Fähigkeiten bestanden aus Eisfähigkeiten und zu dem noch Heilkünste. Diese Morphium Heilkünste hätte sie einsetzen können, wenn sie nicht schon geschwächt genug wäre. Mittlerweile war es schon Abend geworden. Noriko beschloss, dass es wohl langsam an der Zeit war, um sich Schlafen zu legen. Vielleicht würde sie morgen früh endlich genug Kraft gesammelt haben, um ihre Flügel selbst heilen zu können. Ihr Weg führte sie durch einen großen Wald, den Noriko schon seit ein paar Tagen durch wanderte. Manchmal gab es eine kleine Höhle oder einen anderen kleinen Unterschlupf, wo sie die Nacht verbringen konnte, doch heute sah es nicht danach aus. Als sie schon verzweifeln wollte, da sie einfach keinen passenden Unterschlupf finden konnte, stand sie auf einmal auf einer kleinen Klippe, an deren Ende sich eine heiße Quelle befand. Ihrer Meinung nach der perfekte Ort, um sich entspannen zu können. Hier würde sie auch in der Lage sein, ihre Flügel zu verstecken, ohne dass es jemand hören würde. Noriko zog langsam ihren Kimono aus, damit dieser nicht zerreißen würde. Ihre Flügel zuckten langsam, während sie sich langsam in Noriko’s Körper zurückzogen. Dieser Prozess tat bei jedem der Flügelmenschen weh, doch aus irgendeinem Grund tat es bei Noriko besonders weh. So kam es, dass sie einen lauten Schmerzensschrei nicht unterdrücken konnte. Als die Flügel sich zurückgezogen hatten und nur noch diese länglichen Narben am Rücken zurückgeblieben waren, raschelte es, und jemand kam aus dem Gebüsch spaziert. "Was ist los, bist du verle...", fing der Junge an, doch weitersprechen konnte er nicht mehr. Noriko war noch immer unbekleidet, da sie noch nicht dazu gekommen war, sich wieder anzuziehen. Sie hatte niemanden hier erwartet und so schrie sie erneut auf, während sie sich schnell ihren Kimono überwarf und den Typen niederschlug. Durch ihre besonderen Fähigkeiten schloss sie den Jungen zusätzlich noch in einen Eisklumpen ein. "PERVERSLING!", rief sie und lief schnell weg. Der Junge schien zu kichern, obwohl er sich nicht bewegen konnte. Aus seiner Nase war Blut geflossen und er dachte einfach nur: //Wahnsinn...// Während das Mädchen eine Weile weiter umhergelaufen war, suchte sie nach einem neuen Unterschlupf, da sie zu diesem perversen Typen nicht mehr zurück gehen wollte. Noriko sah sich um und beschloss dann, auf dieser kleinen Lichtung zu übernachten. Sie suchte etwas Holz zusammen und machte dann anschließend ein kleines Feuer. Plötzlich tauchte der Typ von eben wieder auf. Noriko fuhr zusammen, da sie jetzt nicht mit ihm gerechnet hatte. "Mein Gott!“ Was schleichst du hier so herum, du paranoider Typ!", schrie sie ihn an und ging auf drei Meter Abstand. "Keine Sorge, ich will dir nichts tun." "Warum bist du dann jetzt hier?", fragte sie verwirrt. Der blonde Junge seufzte laut und kratzte sich am Hinterkopf, ehe er mit seiner Erklärung begann. "Nun, vorhin hab ich jemanden laut schreien gehört, da habe ich mir Sorgen gemacht. Also bin ich losgelaufen und habe nach dem Grund des Schreis gesucht...und dich gefunden.", erzählte der Junge und musste am Ende leicht kichern. Noriko sah zu Boden. Das war vielleicht peinlich... "Ach so ist das...dann tut es mir leid, dass ich dich eingefroren habe...", meinte Noriko leicht verlegen und kratzte sich am Kopf. Sowas war ihr auch noch nicht passiert... "Ach, kein Problem...", meinte er sofort und grinste leicht. Seltsam...schien es dem Typen gar nicht komisch zu sein, dass Noriko in der Lage war, ihn einzufrieren? "Sag mal...warum bist du gar nicht überrascht über meine Fähigkeit? Und wie hast du dich überhaupt so schnell befreit?", fragte das Mädchen schnell. Der Junge grinste wieder. Er streckte seinen Arm aus, machte eine seltsame Handbewegung bei dieser ein helles Licht seinen Bewegungen folgte und dann schoss aus der Hand ein Blitz. Noriko schreckte zurück und weitete leicht die Augen. Der Typ...er hatte gerade... "Ich habe auch so eine Fähigkeit! Ich kann Blitze und Donner erschaffen. Du gehörst wohl auch zu der geflügelten Rasse, oder?" Noriko nickte. Er hatte also vorhin ihren Schrei gehört. Der Schrei, den sie nie hatte unterdrücken können, weil es einfach zu sehr wehtat... "Achja, ich war so unhöflich zu vergessen mich vorzustellen. Mein Name ist Ren Kenka. Wie ist dein Name?", fragte der blonde Junge, welcher Ren hieß. "Ich...bin Noriko Sukui...", sagte Noriko. Sie stand immer noch mit geweiteten Augen da und schien wegen irgendetwas sehr aufgewühlt zu sein. "Ist irgendwas?", fragte Ren verwirrt. "Nein nein...ich...ich gehe schlafen!", winkte das Mädchen ab und legte sich hinter einen Baum. "Okay...ich bleibe einfach mal hier, wenn das in Ordnung ist...?", meinte Ren, doch er bekam keine Antwort mehr. Seufzend ließ er sich vor das Feuer fallen. Dieses Mädchen...warum kam sie ihm so bekannt vor? Es ist dunkel... Wir sitzen hier in unserem kleinen Haus, doch etwas ist anders... Jeder hier ist angespannt, warum nur, frage ich mich verzweifelt. Doch plötzlich begreife ich, was vor sich geht... Sie sind wieder da... Sie sind wieder da, und sie wollen sie holen... Was soll ich tun? Ich weiß genau, dass ich nichts ausrichten kann...doch aufgeben? Neben mir bewegt sich etwas. Ich höre Schreie, etwas zerbricht und Blitze fliegen umher. "Noriko!", ruft eine mir vertraute Stimme. Ich wusste es doch, ich kann nichts ausrichten...sie nehmen sie mit, für immer... "Miyuki!" Noriko schreckte mit einem lauten Schrei auf. Schon wieder dieser Albtraum...Nacht für Nacht...immer wieder das Selbe... Ren kam angerannt. "Was ist passiert? Bist du verletzt?", fragte er und zog an etwas an seiner Hüfte. Es war ein Katana, eines, wie die Soldaten des anderen Landes sie benutzten. "A-alles in Ordnung...nur ein Albtraum..." "Sicher?", fragte der Junge und zog eine Augenbraue hoch. Noriko nickte leicht. Warum nur erinnerte sie dieser Junge nur so sehr an sie... Wahr es wegen der selben Haarfarbe? Oder den Blitzfähigkeiten? Aber warum eigentlich vertraute sie diesem zwielichtigen Typen? Zu diesen Zeiten war es besser, wenn man Niemandem vertraute, den man nicht schon ein Leben lang kennt... "Manchmal hilft es einem, wenn man darüber redet...", meinte er und ging einige Schritte näher auf sie zu. Die Lilahaarige wich einige Schritte zurück. "Du kannst mir vertrauen, wirklich! Wir gehören doch zur selben Art!", meinte Ren und zeigte auf seinen entblößten Oberkörper, an dessen Seiten ein paar weißer Flügel zu sehen war. Er konnte die Flügel also nicht einziehen, sondern sie nur verstecken...naja, da hatte er schon mal ein schmerzliches Problem weniger... Noriko seufzte leicht und nickte nur. "Fein, ich erzähle es dir. Meinen Albtraum, warum ich so geschrieen habe und warum ich dir gegenüber so misstrauisch bin. Aber halte mich bitte nicht für verrückt, okay?" Ren schüttelte mit dem Kopf. Dieses Mädchen gefiel ihm. Er wusste nicht wieso, aber es machte ihm jetzt schon Spaß, in ihrer Gegenwart zu sein. Und so begann Noriko mit der Erzählung ihres Albtraumes. ___________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「過去」 ・ Vergangenheit 「Kako ~ This is my story 」 Kapitel 1: 「過去」 ・ Vergangenheit 「Kako ~ This is my story 」 ---------------------------------------------------------- Kapitel eins: 「過去」 ・ Vergangenheit 「Kako ~ This is my story 」 "Also...bevor ich hier her, in mein Heimatland, zurückgekehrt bin, habe ich mit meiner Familie eine lange Zeit in Daikoku gelebt. Auch wenn es dort immer gefährlicher wurde, so wollten wir trotzdem vorerst nicht hier hin zurück kehren, da es hier so trostlos wie noch nie war. Die meisten Leute von unserer Rasse wurden im Krieg getötet, es hatte nicht länger als mehrere Wochen gedauert, ehe nur noch ein Viertel der geflügelten Rasse gelebt hatte. Andere wurden Opfer eines Anschlages der Soldaten. Fast niemand lebte mehr hier in Kagami-Koku und so wollten wir auch nicht zurück. Was hätte man hier schon groß tun können? Ich war äußerlich gerade fünf Jahre alt und hätte mich gerne mit anderen Kinder getroffen, doch hier gab es nie die Möglichkeit, sich zu beschäftigen...Alles so leer und trostlos...Du weißt ja selbst, dass wir Mitglieder der Winged Race sehr lange leben können, fast 1000 Jahre lang, und dass wir mit fünf Jahren schon den Verstand eines 15-jährigen, sowie den Körper eines 10-jährigen besitzen. Die Anschläge auf die Winged Race nahmen zu und niemand unternahm etwas dagegen. Es schien beinahe so, als ob jemand mit allen Mitteln verhindern wollte, dass Kagami-Koku weiterhin existiert. Immer mehr Menschen und auch immer mehr Leute von unserer Rasse wurden umgebracht. Der Krieg verschlimmerte sich in Daikoku. Meine Familie und ich beschlossen, zurück nach Kagami-Koku zu fliehen, auch wenn es dort so trostlos wie noch nie sein würde, dort würden wir immerhin ein wenig sicherer sein, dachten wir zumindest. Vor etwa einer Woche hatten wir schließlich unsere Flucht geplant. Alles war vorbereitet, wir hatten all unsere Sachen gepackt, das Haus sah aus, als wären wir nur auf einem Ausflug und der Kiseki-See war nicht weit entfernt, wir wollten früh am nächsten Tag fliehen, ohne, dass die Soldaten oder ein Mitglied der Menschen mit einem hohen Rang es bemerken würde, alle Mitglieder der Winged Race, von denen man ihre wahre Identität kannte, wurden strengstens bewacht und notfalls getötet. Ich wachte mitten in der Nacht auf. Die Soldaten der Regierung hatten es geschafft, unsere wahre Identität herauszufinden und deshalb waren sie zu uns gekommen. Aus einem mir unbekannten Grund wollten sie meine ältere Zwillingsschwester Miyuki mit sich nehmen...was sie dann auch taten. Irgendjemand musste der Regierung verraten haben, dass wir planten zu fliehen. Die Regierung wollte um jeden Preis verhindern, dass "Einwanderer" zurück in ihr Land gehen würden. Doch wir hatten darauf gehofft, dass sie so einfältig und feige wie viele andere Soldaten seien, denn die waren alle zu ängstlich gewesen, um das Blutgeld am See zu bezahlen. Aber wieder zurück zu der Nacht: Ich und meine Eltern wollten Miyuki verteidigen... Wir hatten keine Chance, die Soldaten kamen in Massen, es war ein Kampf 1000 zu 2. Ich hatte mich nicht mitgezählt, meine Eltern waren Meister der Fähigkeiten, die sie besaßen, aber trotzdem hatten wir keine Chance. Die beiden wurden sofort getötet, ich versuchte mit Miyuki zu fliehen. ...Danach blieb nur eine große Lücke in meinem Gedächtnis zurück, ich kann mich vage erinnern, viele der Soldaten auf einmal erledigt zu haben, Miyuki hatte mir geholfen...dann lag ich plötzlich auf dem Boden, wurde getreten und ausgelacht, und sie zogen meine Schwester an den Haaren hinter sich her. Ich erinnere mich noch an den ängstlichen und beinahe hilfslosen Ausdruck in ihrem Gesicht. Miyuki hatte niemals irgendetwas gefürchtet, sie war die geborene große Schwester. Immer hatte sie mich verteidigt, hatte mir wichtige Sachen erklärt und war immer für mich da... Als ich wieder erwacht war, wurde ich von ein paar Soldaten in Richtung eines großen Vulkanes getragen. Ohne zu wissen, was ich tat, schaffte ich es, auch diese Soldaten lahm zu legen, und ich floh, rannte in die erst mögliche Richtung, die sich mir offenbarte. Meine Flucht gelang nur sehr knapp, da die Soldaten wirklich zu feige gewesen waren, um sich selber eine Wunde zu zufügen. Doch auf meiner Flucht wurde ich von den Soldaten angegriffen. Ich nutzte die Verletzungen als Blutgeld und entkam, doch eine Flügel wurden sehr schwer verletzt, also konnte ich nicht fliegen...", erzählte Noriko und blickte in das helle Feuer. Ren holte tief Luft. Noriko hatte bestimmt seit zehn Minuten dieses furchtbare Gesicht aufgesetzt, sie sah aus wie eine lebendige Tote. Ihr Gesicht war kreidebleich, sie hatte keine Miene verzogen, obwohl es danach aussah, als würde sie sich sehr danach sehnen, sich mal wieder vollkommen auszuweinen, doch was sollte er schon dagegen tun? Die beiden kannten sich vielleicht einen Tag lang, es würde ihr danach vermutlich nur noch schlimmer gehen. Seufzend entschied er, dass es langsam auch mal für ihn an der Zeit war, etwas über seine Vergangeheit zu erzählen. "Das mit deiner Schwester und deinen Eltern tut mir leid...Meine Eltern wurden auch getötet, es war ziemlich am Anfang des Krieges, vor knapp 10 Jahren. Sie wurden für den Tod von drei Menschen verantwortlich gemacht, mit denen wir befreundet waren...Sie befahlen mir zu fliehen, es war das Einzige, was ich in diesem Moment tatsächlich tun konnte. Als ich eine Weile später zurück zu unserem Haus kam, lagen beide tot in unserem Wohnzimmer... Seitdem lebe ich wieder hier in Kagami-Koku.", erzählte nun Ren und Noriko war nicht weniger überrascht, als er eben bei ihr war. "Tja, da sitzen wir beide wohl im selben Boot, was?", fragte Noriko und blickte weiterhin in das helle Feuer. Ren nickte zustimmend. Vielleicht würden die zwei sich ja gegenseitig helfen können... Eine Weile blieben die beiden so sitzen und niemand sagte ein Wort. Die Stille war angenehm ruhig, es war kein peinliches Schweigen zwischen zwei, die sich ihre Liebe nicht gestehen konnten, es war ein Schweigen der Erinnerungen. Niemand wollte diese ruhige Harmonie verändern, es schien perfekt zu sein. Doch als die Stille schon fast eine halbe Stunde andauerte, fasste die Lilahaarige sich ein Herz und fragte: "Hey, Ren...sag mal, was ist dein Ziel? Du willst das mit deinen Eltern doch sicher nicht auf dir sitzen lassen, oder willst du ebenfalls in den Krieg ziehen, du siehst alt genug aus." Der Angesprochene lächelte leicht. "Mein Ziel ist es, die Person zu finden, die den Krieg aufhalten kann. Sicher, ich könnte bestimmt einiges gegen ein paar Soldaten ausrichten, aber in den Krieg zu ziehen ist meiner Meinung nach vollkommen unnötig. Selbst unsere besten Leute sind mittlerweile schon tot, ich denke nicht, dass ich mit meinen 17 jungen Jahren schon etwas ausrichten könnte...", erklärte er und sie stimmte ihm leise zu. Das, was er zuerst erzählt hatte, war ebenfalls ihr Ziel. Denn eine andere Legende besagte, dass nur eine einzige Person in der Lage war, den Krieg zu beenden. Bei Ren hatte das Finden des Mädchens aber auch einen viel wichtigeren Grund. Natürlich war der Krieg schlimm und Ren würde alles dafür tun, dass der Krieg möglichst bald beendet sein würde, doch er wusste noch nicht genau, ob er das Mädchen nur dafür benutzen würde, den Krieg zu beenden...er hatte etwas mit ihr vor, etwas, was vor 10 Jahren, vor dem Anfang des Krieges geschehen war, und nur sie wieder rückgängig machen konnte. Der Blonde seufzte leise auf. Dabei spähte er herüber zu Noriko. Sie schien in ihren eigenen Gedanken versunken zu sein. Wie alt mochte sie wohl sein? Von ihrer körperlichen Statur hatte sie die Größe einer 12-, oder 13-jährigen, doch ein paar andere äußerlichen Argumente sprachen dagegen. Zum einen ihre, seiner Meinung nach, sehr akzeptable Oberweite, zum anderen ihr Gesicht, welches nicht sehr kindlich, sondern eher reif, nachdenklich und erwachsen wirkte. Wie alt mochte sie also wirklich sein, vielleicht 15? Noriko war tatsächlich abgelenkt. Sie schwelgte immer noch in den Erinnerungen an ihre Familie. Warum nur war Miyuki damals mitgenommen worden? Was hatte sie den Soldaten, oder eher der Regierung denn bitte angetan? Die Lilahaarige konnte sich einfach keinen Reim daraus machen. Das Einzige, was sie selbst gerade wusste, war, dass es ihre eigene Schuld war. Wegen ihr war Miyuki vor etwas mehr als einer Woche gestorben. Nur, weil Noriko selbst zu schwach gewesen war und ihren Eltern nicht helfen konnte... //Miyuki...was ist dein Geheimnis?...//, fragte sie sich und zog ihre Beine an den Körper. Eine Weile herrschte Stille auf der kleinen Lichtung. Noriko hing immer noch ihren Gedanken nach, und auch Ren brach das Schweigen nicht. Beide schienen ernsthaft über wichtige Dinge nach zu denken. //Wie werde ich sie wohl am schnellsten finden?//, fragte sich Ren. Es war ja schlecht möglich, dass dieses eine Mädchen irgendwo auf einem Baum hocken würde, mit einem Schild an der Brust auf dem stand "Seht mich an! Ich bin das Mädchen, welches den Krieg beenden könnte, aber ich hab heute irgendwie keine Lust den Krieg zu beenden, weil Samstag ist, und weil ihr mich suchen müsst! Macht es doch selbst!" Der Blonde ballte beide Hände zu Fäusten. Er musste sie finden. Er musste sich rächen. Er musste sie rächen...und seine Eltern auch. Plötzlich erschien Ren die Erkenntnis, nach der er schon ewig in seinen Gedanken gesucht hatte: Wenn Noriko mit ihm kommen und ihm bei der langen Suche nach ihr helfen würde, könnte er sie bestimmt viel schneller finden! Außerdem sah sie ihr auch noch ähnlich, das würde seine Laune sicherlich noch zusätzlich aufbessern. Er sah zur Seite. Noriko schien noch immer vertieft in ihre Gedanken zu sein. Sollte er sie fragen? Würde sie zustimmen? Er dachte zurück an die Zeit, in der noch kein Krieg herrschte. Er dachte zurück an die Zeit, die er mit seiner Kindheitsfreundin verbracht hatte. Sie, der Noriko so ähnlich sah... Warum? Warum sahen sich die beiden nur so ähnlich? Noriko kann es nicht sein! Sie lebte die letzten zehn Jahre lang in Daikoku...aber...wer ist es dann? Lebt sie überhaupt noch? Doch je mehr er nachdachte, desto mehr Kopfschmerzen bereitete ihm die Sache. Damals vor zehn Jahren, war sie einfach vom einen Tag auf den anderen verschwunden und war nie wieder zurück gekehrt...hatte sie ihn selbst etwa nach all der Zeit, die sie zusammen verbracht hatten, in der sie Freude, Spaß und Schmerz geteilt hatten, nicht leiden können? Aber wenn ja, hatte er sie nicht aus ihrer eigenen Welt zurück geholt, und sie wieder zum Lachen gebracht? Außerdem hatte sie ihm doch auch dieses Armband geschenkt, also musste es einen anderen Grund geben. warum... Kurz entschlossen erhob Ren sich und strich sich nervös durch die Haare. Sollte er es nun endlich wagen? Wenn Noriko zustimmen und mit ihm kommen würde, würde ihm selbst es dann vielleicht helfen, sich besser an sie erinnern zu können?...vielleicht half die gemeinsame Zeit seinem Gedächtnis ja auf die Sprünge... Denn Noriko sah ihr nicht nur sehr ähnlich...sie schien sich beinahe auch noch so zu verhalten wie sie...oder kam es ihm nur so vor und er machte sich falsche Hoffnungen, indem er seinem Kopf etwas vorlog, was gar nicht der Wahrheit entsprach? Schließlich brach Ren dann doch endlich das lange Schweigen. "Lass uns doch zusammen suchen.", meinte er mit einem leicht entusiastischen Unterton in der Stimme. Das Mädchen zuckte stark zusammen. "Was?", fragte Noriko überrascht. Sie war die letzten Minuten zwar körperlich, aber nicht gerade geistig anwesend gewesen... "Wenn wir zusammen suchen, ist das noch lange nicht so langweilig, wie wenn wir alleine suchen würden und wer weiß, vielleicht geht das dann auch direkt schneller..." Das leuchtete ein. Noriko lächelte nun leicht und stimmte Ren schließlich zu. Er hatte Recht. Es würde schneller gehen. Sie würde sich nun auch schneller an der Regierung rächen können, wenn das Mädchen bald den Krieg beenden würde. Ein perfekter Plan! Außerdem schien Ren eigentlich ein ganz netter Junge zu sein, er war ja vorhin auch nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Nur schade, dass Ren nicht ganz ihre Ansichten gegenüber des Mädchens vertrat... Ren dachte wieder nach. Da fiel ihm etwas Weiteres ein, worüber sie vorhin geredet hatten. "Ich habe noch eine Frage.", meinte Ren und schaute etwas ernster drein. "Was denn Ren?", fragte die Lilahaarige und pustete sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht, sie wurde durch seinen plötzlichen ernsten Ausdruck im Gesicht ein wenig eingeschüchtert. Der Blonde atmete tief ein und aus - Das, was er gleich fragen würde, sollte jetzt nicht unbedingt komisch klingen. "Deine Flügel...wie schwer sind sie verletzt?" "Hmm? Oh...keine Ahnung...ich kenne mich nicht sonderlich gut mit Medizin aus.", meinte Noriko und sah zu Boden. Das stimmte nicht ganz. Sie hatte zwar tatsächlich nicht wirklich eine Ahnung von Medizin, doch sie besaß ja immer noch ihre Heilfähigkeiten, mit denen sie so gut wie jede Wunde heilen konnte. "Soll ich sie mir mal ansehen? Ich bin zwar auch kein Arzt, aber so schwer wird das wohl nicht sein.", meinte Ren und lächelte wieder. Er war sehr höflich, hatte ausgezeichnete Manieren, dass musste Noriko ihm lassen. Er wusste, wie er sich in bestimmten Situationen zu verhalten hatte, und dass gefiel ihr irgendwie. Er musste wohl aus einer reichen Familie stammen, dort lernte man sowas ja, doch sie selbst hatte von sowas keine Ahnung, sie war in eher ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und hatte niemals solch eine Ausbildung erhalten. Ihre Eltern hätten es ihr durchaus beibringen können, doch dafür war niemals Zeit gewesen. Während andere Kinder glücklich und friedlich zusammen spielen konnten, war sie stets mit ihrer Familie auf der Flucht gewesen. Deshalb hatte sie nie eine richtige Kindheit genießen können. Und deshalb verhielt sie sich auch immer genau so, wie sie wollte. Ganz ohne Manieren oder sowas in der Art. Noriko lächelte nach seiner Bemerkung ebenfalls, doch bei dem Gedanken, ihre Flügel wieder hervorholen zu müssen, wurde ihr ganz schlecht. Trotzdem legte sie sich auf den Bauch und machte ihren Rücken frei. Der Junge musterte ihren freien Rücken. Dort, wo normalerweise bei einem Mitglied der Winged Race die Flügel herauswuchsen, sah man nur zwei längliche Narben. Jedes Mitlgied der Winged Race konnte die Flügel zurück in den Körper ziehen. Ein natürlicher Schutzprozess, denn wenn die Flügel erst einmal zurück im Körper versteckt waren, konnte man nicht mehr zwischen Mensch und geflügeltem Mensch unterscheiden. Der Prozess war eigentlich ganz simpel - doch sehr schmerzhaft. Die beiden langen Narben platzten auf und langsam bahnten sich die Flügel einen Weg nach draußen. Doch durch das Aufreißen der Narben, war der Vorgang äußerst schmerzhaft. Die meisten Personen hatten sich allerdings nach ein paar Jahren daran gewöhnt, sodass sie diese Schmerzen kaum noch wahrnamen. Ren selbst versteckte seine Flügel ebenfalls, er war schon eine Weile unterwegs, und man konnte ja nie wissen... "Du kennst das Gefühl ja, wenn die Flügel zurück in, oder aus dem Körper geholt werden, oder? Doch bei mir ist das dann noch etwas komplizierter...", erklärte Noriko und seufzte schwerlich. Ren verstand nicht ganz, was genau sie damit meinte. "Nun...als wir uns zum ersten Mal getroffen haben, hast du mich doch schreien gehört, oder?", fragte die Lilahaarige leicht zerknirscht. "Ja~", sagte Ren, völlig teilnahmslos. Er verstand die Sache immer noch nicht so richtig. "Das war ein Schmerzensschrei.", sagte Noriko ausdruckslos und schloss ihre Augen für einen kurzen Augenblick. "WAS?!?", rief Ren, vollkommen überrollt mit dieser Nachricht. "Jetzt tu doch nicht so überrascht. Warum hätte ich denn sonst schreien sollen?", fragte die Jüngere sarkastisch. "Tja...vielleicht weil du so mickrig bist und es dir da erst klar geworden ist..." "Bitte was?! Sag das nochmal!" "Vielleicht weil du so mickrig bist und es dir da erst klar geworden ist.", wiederholte sich Ren und er grinste schelmisch. "Ich glaube, ich spinne! Sag das gefälligst NICHT nochmal!!!", schrie Noriko und warf mit einem Kieselstein nach Ren - er wich lachend aus. Die Lilahaarige grummelte leise vor sich hin. Beleidigt sah sie nun in eine ganz andere Richtung und rutschte ein Stück weg von Ren. Auf einmal musste sie wieder an seine Hilfsbereitschaft von vorhin denken und sie beschloss nun, einfach mal nicht direkt so über zu reagieren. Seufzend ließ sie ihren Kopf auf dem Boden nieder und sah Ren nicht direkt in die Augen. Sie biss sich leicht auf die Zunge und stellte die nächste Frage: "Willst du dir die Flügel nun ansehen, oder nicht?" "Ja, will ich.", meinte Ren und Noriko seufzte erneut. Irgendwie fand sie ihn ganz lustig...aber trotzdem auch sehr nervig. Naja, was sollte sie nun auch dagegen tun, als es sich gefallen zu lassen? "Okay...", murmelte sie leise, dann kniff sie die Augen zusammen. Gleich würde es wieder losgehen, sie freute sich nicht wirklich darauf... Fasziniert beobachtete Ren den Verlauf der Dinge. Auch wenn es schmerzhaft aussah, als die Narben aufrissen und die Flügel sich langsam einen Weg nach draußen bahnten, konnte er den Blick einfach nicht abwenden. Das, was er eben beobachtet hatte, hatte er vorher noch nie gesehen, denn er hatte sich selbst dabei niemals zugesehen, wie ja auch, er hatte ja keine Augen im Hinterkopf. Noriko keuchte auf. Das Herausholen der Flügel machte ihr immer wieder aufs Neue zu schaffen. Nicht auszuhalten, aber wenigstens hatte sie diesmal nicht schreien müssen. Sie hatte es unterdrückt, um nicht wie ein kleines, schwaches Mädchen darzustehen, das nichts anderes konnte, als sich ständig zu beklagen, zu weinen oder zu schreien. Ren musterte ihre Flügel leicht interessiert. Solche Flügel hatte er schon mal gesehen, bei ihr... "Schwarze Engelsflügel...die sind sehr selten geworden.", meinte er anerkennend. Noriko lachte verächtlich. "Was ist daran denn bitte so toll? Ich sehe keinen Unterschied zwischen meinen Flügeln, und denen von anderen." Ren zuckte mit den Achseln. Ein weiteres Mal an diesem Tag erinnerte er sich an sie. Auch sie hatte schwarze Engelsflügel gehabt. Als er sie einmal auf die ungewöhnliche Farbe angesprochen hatte, hatte sie mit ihrer wunderschönen Stimme nur zu ihm gesagt "Diese Farbe ist wirklich recht ungewöhnlich. Ich bin eine der letzten Mitglieder der Winged Race, die jetzt noch schwarze Flügel haben!" "Da fällt mir ein, früher waren die Flügel mal weiß...das hat sich glaube ich geändert, als ich das erste Mal in Daikoku war. Sie färbten sich schrittweise immer dunkler und dunkler. Meine Eltern wussten auch nicht, was das sollte. Aber naja...", sagte Noriko leise und schloss leicht die Augen. Dieses Mädchen faszinierte ihn immer und immer wieder. Wenn sich seine weißen Flügel verändert hätten, auch wenn es nur eine einzige Feder gewesen wäre, wäre er direkt zum nächsten Arzt gerannt und hätte voller Angst und Verwirrung gefragt, ob das eine Nebenwirkung der Pubertät oder eine schwere Krankheit sei. Er wollte sich nun dem Untersuchen der Flügel widmen, als ihm zum ersten Mal Noriko’s ungewöhnliche Haarfarbe auffiel. "Deine Haare...ist das Naturhaarfarbe?", fragte er und bewunderte die satte Lavendelfarbe ihrer Haare. "Ja, das ist natürlich...ich bin eigentlich nicht sonderlich stolz darauf, es passt nicht zu mir.", meinte Noriko und kicherte leicht. Ren lächelte leicht und widmete sich nun den Flügeln. Doch sie hatte nicht ganz die Wahrheit gesagt...Früher einmal waren ihre Haare Blond gewesen, doch weder sie, noch ihre Eltern oder Schwester hatten sich einen Reim darauf machen können. Die Untersuchung dauerte eine ganze Weile. Noriko’s Flügel hatten wirklich eine Menge abbekommen, das war sicher. An den Flügeln klebte immer noch leicht verkrustetes Blut, ein paar der schwarzen Federn wirkten krumm und ein paar andere waren leicht angebrannt. Außerdem konnte man ganz deutlich die Stellen erkennen, an denen die Flügel von den brennenden Pfeilen durchbohrt worden waren. Kleine Wunden, die sich leicht entzündet hatten, waren zu erkennen. "Und?", fragte Noriko. "Sieht nicht so aus, als ob du in nächster Zeit wieder fliegen könntest...", meinte Ren leicht enttäuscht. Sie seufzte. "Sowas in der Art hatte ich leider schon befürchtet...kann ich sie wieder reinziehen?" Ren nickte leicht. Und so begann der ganze Schmerz wieder von Vorne, als Noriko’s Flügel sich langsam wieder durch die Narben zurückzogen. Die Verbände, die an manchen Stellen äußerst schlecht angebracht worden waren, erleichterten den Prozess nicht wirklich. Schließlich saßen die beiden wieder am Lagerfeuer. Es war schon relativ spät und dementsprechend dunkel war es auch im Wald. "Brechen wir morgen früh schon auf?", fragte die Jüngere und spielte mit ihren Haaren. "Ja. Bevor wir uns auf die Suche nach dem Mädchen machen, möchte ich aber noch kurz zurück zu dem Haus meiner Eltern. Dort liegt etwas, was einen sehr großen Wert für mich hat, und das würde ich gerne abholen...", erklärte Ren. Noriko nickte sofort. "Kein Problem, können wir machen. Lass uns aber jetzt lieber schlafen gehen, es ist eh schon spät.", erklärte sie und gähnte leicht. "Ach...geh du ruhig schon schlafen, aber ich bleibe jetzt wach. Die paar Stunden schaffe ich schon auch noch.", meinte Ren und grinste leicht. Dieser Trottel, wollte er ihr jetzt den obercoolen Typen vorspielen? Naja, irgendwie war er ja schon ziemlich... //Hör auf zu denken!//, mahnte Noriko sich, bevor sie den Gedanken hätte zuende denken können. das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um sich zu verknallen. Vor allem, da sie Ren erst seit gestern kannte, sie musste sich mal etwas Zeit lassen, und ihn besser kennen lernen. "Nun gut, wenn du meinst...", sagte das Mädchen und erhob sich. Sie streckte sich und gähnte erneut. //Ich war die letzte Woche viel unterwegs...ist doch normal, wenn ich müde bin...//, dachte sie und seufzte leicht. Eigentlich wollte sie auch nicht schlafen. Als sie auf der Flucht war, war sie nicht in der Lage gewesen, sich einen Moment zu entspannen. Sie war damals noch teilweise mit dem Blut ihrer Familie und ihrem eigenen beschmutzt gewesen, und musste die ganze Verluste erst mal verdauen. Nicht so einfach, wenn man den Tod seiner eigenen Familie ertragen musste und auch noch dabei zusehen musste, ohne etwas tun zu können... Seitdem hatte sie nachts, wenn sie es endlich einmal geschafft hatte sich zur Ruhe zu legen, immer wieder diesen schrecklichen Albtraum gehabt und musste jedes Mal in ihren Träumen die schrecklichen Ereignisse noch mal miterleben. Das war einfach zu viel für Noriko und es nagte an ihrer Gesundheit und ihrem Selbstvertrauen... Aber was sollte sie im Moment anderes tun, als sich schlafen zu legen? Ren war ihr noch nicht ganz geheuer, also wollte sie nicht eine ganze Nacht alleine neben ihm sitzen bleiben. Andererseits wäre es dann aber auch nicht so vorteilhaft, sich in seiner Nähe schlafen zu legen...naja... Warum musste es im Moment auch nur so schwer sein, jemanden zu finden, dem man noch vertrauen konnte? Noriko's Vertrauen war durch die Morde an ihrer Familie so gut wie vollkommen zerstört worden... Als sie sich langsam in Bewegung setzte, fingen die Albträume schon langsam an, wieder Gestalt anzunehmen, und sie wollte nicht schlafen... Ich bin so müde... Ich bin so verletzt... Ich habe Schmerzen...doch kann ich nicht aufhören, daran zu denken... Ich muss schlafen...nur so kann ich die schrecklichen Ängste irgendwann einmal besiegen... Sie legte sich in die Nähe eines Baumes und war schon wieder eingeschlafen, bevor sie sich richtig hingelegt hatte. Die letzte Woche war durch und durch zu viel für sie gewesen, und obwohl sie panische Angst davor hatte, musste sie schlafen. Sie würde nie wieder zur Ruhe kommen, und für immer wachzubleiben schadete ihr ungemein. War es trotzdem eine gute Idee gewesen, jetzt schlafen zu gehen? Sie konnte zwar nichts anderes tun, aber egal ob sie schlief oder wach war, so hatte sie doch immer Schmerzen. Im Schlaf durchlebte sie die eine Nacht noch einmal undzwar jedes Mal. Wenn sie dann wieder wach war, musste sie mit den Schmerzen klar kommen, keine Familie mehr zu haben. Außerdem taten ihre Flügel noch immer weh... Schmerzen...Das Leben ist voll von ihnen... Ren beobachtete eine Weile Noriko's schlafendes Gesicht. Er wusste nicht wieso, aber dieses Mädchen erinnerte ihn so sehr an seine Kindheitsfreundin. Sie hatte ebenfalls diese eigenartige Haarfarbe gehabt, und schwarze Engelsflügel auch. Allerdings fiel ihm ihr Name nicht mehr ein. Er fragte sich, wieso das so war. Verdrängte er den Namen nur vorrübergehend, oder wollte er sich einfach nicht mehr daran erinnern, was damals alles geschehen war? //Könnte es vielleicht sein, dass...nein, völlig unmöglich. Sie sagte doch, dass sie die letzten 10 Jahre in Daikoku gelebt hat, und meine Freundin lebte hier mit mir in Kagami-Koku...// Er dachte noch eine Weile lang nach, dann packte auch ihn der Schlaf und laut schnarchend fand er seinen Weg in die Träume der Nacht. Am nächsten Morgen machten sich die beiden Freunde schnell auf den Weg. Es war kein sehr langer Weg, doch es würde trotzdem ein paar Stunden bis dorthin dauern. "Hast du gut geschlafen?", fragte Ren freundlich, als die beiden schon die Hälfte ihres Weges hinter sich gelassen hatten. "Oh, eigentlich ziemlich gut...es war nur zu wenig...", murmelte die Angesprochene und lächelte leicht verlegen. Ren lachte kurz. Lüge... Noriko hatte alles andere als gut geschlafen... Albträume... Schmerzen... Trauer... Aber sie ließ sich trotzalledem nichts anmerken. Sie wollte nicht als das schwache, verletzliche Mädchen dastehen, welches sie aber eigentlich wirklich war...Doch Mitleid wollte sie trotzdem nicht... Sie würde kämpfen, bis zum bitteren Ende... Die beiden kamen schließlich an eine Weggabelung. Sie blieben stehen und sahen sich ein wenig in der Gegend um. "Okay...wir müssen hier rechts abbiegen!", meinte Ren und wollte losgehen, als Nori ihn zurück hielt. "Warte mal, ich erinnere mich an diese Gegend hier, und wenn man nach rechts geht, kommt man an eine Klippe. Wir müssen nach links!", sagte sie besserwisserisch und wollte nach links gehen. Dieses Mal hielt Ren sie wieder zurück. "Nein, nach rechts!" "Nach links!" Ren und Noriko diskutierten noch weiter, weil keiner der beiden nachgeben konnte und wollte. Sie hörten das leichte Gelächter noch nicht. "Ihr streitet euch ja schon wie ein altes Ehepaar!", stellte die Stimme eines Mädchens in ihrem Alter grinsend fest. "Tun wir nicht!", schrien die beiden aufgebracht und ziemlich synchron. "Das ist deine schuld! Was meine? Deine!", sagten beiden wieder vollkommen synchron und sie schnaubten sich gegenseitig an. "Wer bist du überhaupt, dass du so eine Behauptung aufstellst?", fragte Nori bedrohend und ballte die rechte Faust. "Ich bin Misa Harada. Sag mal, wie alt bist du? So zwölf, dreizehn?" "Fünfzehn...aber Moment mal, was geht das DICH an, HÄ??", fragte die Lilahaarige unhöflich. "Für dein Alter bist du aber ziemlich mickrig geraten, Zwergi." "Ach, sei doch still, verdammt!", rief Noriko und ließ Misa voreilig zu Eis erstarren. Diese begann zu leuchten und das Eis schmolz weg. Noriko war einfach zu leicht zu reizen. Ein Glück für sie, dass die meisten Leute ihre Eis-, und Wutattackehn locker wegstecken konnte, und das ohne größere Verletzungen. "Eh..." "Lass das lieber bleiben Zwergi, dass funktioniert bei mir nicht!", sagte Misa lachend und strich sich durch die langen blonden Haare. "NENN MICH NICHT ZWERGI!", rief Nori aufgebracht. Ren neben ihr brach in schallendes Gelächter aus. "Zwergi! Oh verdammt, ich kann nicht mehr!", lachte dieser und haute vor Lachen auf den Boden. Noriko rannte auf ihn zu und schlug ihn laut fluchend nieder, danach frierte sie ihn ein. Doch auch diesmal schmolz das Eis durch Misa, die anscheinend irgendeine Lichtkraft hatte. "Ach, ihr seid doch doof!", sagte Noriko beleidigt und stampfte wütend davon. Ren lag noch immer auf dem Boden, als Misa sich das erste Mal an ihn wandte. "Du bist ziemlich gemein, weißt du das?", sagte sie und verschränkte die Arme. Ren verstand nicht ganz. "Hä, was meinst du denn?" "Na...sich einfach so über seine Freundin lustig zu machen..." "Wa...nein, falsch...sie...ich...wir sind...nicht...äh...", stammelte Ren, völlig aus der Bahn geworfen. Dann riss er sich für einen kurzen Moment zusammen und nahm eine würdevollere Pose ein. "Wie kommst du denn bitte darauf, dass ich mit einer wir ihr zusammen sein könnte?", fragte Ren. Einen Moment später flog ihm ein Stein an den Hinterkopf. "Was soll das Nori-chan?", fragte das Steinwurfopfer und rieb sich die getroffene Stelle. Misa beäugte misstrauisch die Situation. "Naja, vielleicht hab ich mich auch geirrt...", meinte sie und zuckte mit den Achseln. Ren sah sie mit einem ziemlich verwunderten Gesichtsausdruck an, dann erhob er sich. "Hey, Nori-chan! Komm schon, sei nicht mehr sauer, wir müssen weiter!" Als Antwort kam noch ein Stein angeflogen. "Mein Gott...versteh einer die Frauen...", seufzte Ren und ging langsam los. Diesmal kam ein ganzer Felsbrocken angeflogen. Er traf sein Ziel und der Getroffene sackte zusammen. "Idiot!", brüllte Noriko und ging erhobenen Hauptes an Misa und dem halbverkrüppelten Ren vorbei. Dieser versuchte, ihr hinterher zu kriechen, war aber nicht sehr erfolgreich. "Hey, Misa! Hilf mir bitte!", meinte er und deutete so gut es ging auf sein Dilemma. Misa lachte und mit einem kurzen Tritt war das Objekt beseitigt. "Danke! Wir sehen uns!", meinte Ren und rannte grinsend hinter Noriko her. "Komische Leute...naja, mache ich mich eben auch wieder auf den Weg!", sagte Misa zu sich selbst und ging ihres Weges. "Also...gehen wir jetzt nach links, oder nach rechts?", fragte Ren, womit die beiden wieder beim Thema gelandet wären. "Ich gehe nach links!", meinte Noriko von sich selbst überzeugt und stiefelte los. Ren schüttelte leicht den Kopf und ging nach rechts. Wer hatte jetzt wohl recht gehabt? ____________________________________________ Nächstes Kapitel: 「日記」 ・ Tagebuch 「Nikki ~ Bad premonition 」 Kapitel 2: 「日記」 ・ Tagebuch 「Nikki ~ Bad premonition 」 ----------------------------------------------------- Kapitel zwei: 「日記」 ・ Tagebuch 「Nikki ~ Bad premonition 」 Es waren seit dem kleinen Streit zwischen Noriko und Ren nun schon fast zwei Stunden vergangen. Da keiner der beiden hatte nachgeben wollen, waren sie schließlich tatsächlich in unterschiedliche Richtungen gegangen. Keiner der beiden hatte den Wegweiser gesehen, welcher direkt vor ihnen an der Weggabellung im Gebüsch gestanden hatte. Die beiden waren einfach nicht aufmerksam genug gewesen, um auf solche Kleinigkeiten zu achten. Während Ren gerade vergeblich nach Nahrung suchte, kam Noriko auch nicht viel weiter. Sie fühlte sich irgendwie mies, da sie Ren vorhin mit diesen Steinen so zugerichtet hatte...sie wusste auch nicht wieso, aber aus irgendeinem Grund war sie in diesem Moment nicht ganz sie selbst gewesen...Und Ren hatte leider sehr darunter leiden müssen... Normalerweise war sie eigentlich nicht so gewalttätig. Gut, sie war früher ab und zu mal vor Wut an die Decke gegangen, aber in letzter Zeit nahmen die unkontrollierbaren Wutanfälle des jungen Mädchens immer mehr zu. Sie wollte ja damit aufhören, damit sie ihren neuen Freund nicht direkt wieder verlieren würde, doch im Moment war sie wirklich beinahe unkontrollierbar. Und das Letzte, was sie nun wollte, war erneut alleine zu sein, wieder hilflos nicht zu wissen, was man als Nächstes machen sollte... Sie seufzte schwer. Solche Gefühlsausbrüche waren ihr schon des Öfteren passiert, zwar war dieser nicht so heftig gewesen, aber die Lilahaarige hatte schon oft das Gefühl gehabt, nicht mehr ganz sie selbst gewesen zu sein. Zum Beispiel hatte sie dieses Gefühl erst kürzlich wieder gehabt, als die Soldaten in Daikoku ihre Eltern getötet und anschließend ihre ältere Schwester verschleppt hatten. Da war er wieder, dieser schmerzhafte Stich mitten ins Herz... Sie hatte sie verloren, ihre gesamte Familie war tot...was sollte sie nur tun? Seit jenem Tag wurde sie Nacht für Nacht von grausamen Träumen geplagt. In diesen Alpträumen ging es immer um den Tod ihrer Familie...nie hatte sie etwas auch nur ansatzweise Fröhliches geträumt, das konnte so nicht mehr lange weiter gehen... Eines Tages würde sie vielleicht deswegen noch den Verstand verlieren, falls sie das bis jetzt sowieso noch nicht getan hatte, und das wollte das Mädchen nun wirklich nicht riskieren. Doch ihre Gedanken wanderten zurück zu jener Nacht, in der ihre Familie starb. Sie kam immer wieder ins Grübeln. Wenn sie mal darüber nachdachte, fiel Noriko eigentlich wirklich kein vernünftiger Grund ein, dass Miyuki hätte entführt werden sollen. Da alle aus ihrer Familie zur Winged Race gehört hatten und da sie alle gewusst hatten, dass die Menschen Angst vor den geflügelten Menschen hatten, hatten sie sich immer ziemlich unauffällig verhalten, hatten niemals ihre Fähigkeiten eingesetzt und waren niemals geflogen. Wie also hätten die Soldaten erkennen können, was die scheinbar nette Familie von nebenan eigentlich wirklich war...? Die Einzigen Menschen, die jemals etwas von ihrer wahren Identität gewusst hatten, war die Menschenfamilie, die in einem Haus ganz in der Nähe gewohnt hatte. Aber diese hätten eigentlich auch keinen Grund gehabt, um sie zu verraten... Noch dazu kam auch noch die Tatsache, dass diese Menschen vor etwas mehr als 10 Jahren gestorben waren. Sie waren in ihrem Haus gefunden worden, alle vier lagen sie da, mit durchgeschnittenen Kehlen, entweder an den Wunden verblutet oder durch den Sauerstoffverlust erstickt. Sie hätten also eigentlich keinen Grund gehabt, doch hatten die Soldaten vielleicht irgendetwas geahnt? Oder sie mit etwas in Verbindung gebracht? Da kam ihr plötzlich der Gedanke, dass die Soldaten womöglich den Tod dieser Personen auf ihre Familie zurück führten...zu diesen Zeiten wurden Mitglieder der Winged Race sehr oft für Tote unter den Menschen verantwortlich gemacht, insbesondere dann, wenn diese toten Menschen eine spezielle Verbindung zu einem oder mehreren Mitgliedern der Winged Race hatten. Doch sie hatten niemals etwas Falsches getan! Hatten die Soldaten tatsächlich gedacht, dass sie diesen Tod einfach ihrer Familie in die Schuhe schieben könnten? Schließlich war dann doch irgendwie durchgesickert, dass ihre Familie Angehörige der Winged Race waren... Doch obwohl ihr auch nach dieser ganzen Grübelei und Kopfzerbrecherei kein vernünftiger Grund für den Tod der vier Menschen oder der Entführung von Miyuki einfallen konnte, musste Noriko plötzlich wieder an ihre seltsamen Träume denken...wollte ihr der Traum, den sie Nacht für Nacht von Neuem durchleben musste, vielleicht irgendetwas sagen? Konnte sie womöglich etwa irgendwelche Schlüsse daraus ziehen? Vom ganzen Nachdenken bekam das Mädchen jetzt schon Kopfschmerzen...also verscheuchte sie diese ganzen negativen Gedanken vorerst aus ihrem Hinterkopf und verbannte sie in eine unsichtbare Schublade, welche sie mit einem unsichtbaren Schlüssel abschloss. Die Zeit verging allmählich. Noriko ging nun schon seit einer Weile nur noch durch Büsche Sträucher. Sie kam an vielen Dingen vorbei. Die Landschaft zu diesen Zeiten war einfach atemberaubend: So weit das Auge reichte ragten Wälder mit Sträuchern und Bäumen aus der Erde, das konnte man schon beinahe als Urwald beschreiben. Es gab viele Seen und Flüsse, die einfach perfekt zu dieser "friedlichen" Stimmung passten, sogar die Felse und Berge passten irgendwie in dieses perfekte Bild. Viele Dörfer und Städte lagen versteckt in den Wäldern und nahe den Flüssen, da sie so gut geschützt und auch gut versorgt waren - im Fluss konnte man Nahrung wie Fisch finden und um das Wasser herum wuchsen viele Pflanzen und Kräuter. Diese Kräuter wurden häufig für die Herstellung von Medizin und Salben verwendet. Und Nachts herrschte meist eine angenehme Stille, nur ansatzweise unterbrochen durch leise Tiergeräusche, etwa durch Rufe einer Eule. Das Mädchen holte tief Luft und pumpte so frischen Sauerstoff in ihren Kopf. Diese Waldluft roch zwar etwas forsch und moderig, aber da Noriko in so einer Umgebung aufgewachsen war, fühlte sie sich eigentlich ganz wohl. Sie dachte die ganze Zeit über verschiedene Dinge nach, nur eben nicht über ihre Vergangenheit von vor einer Woche. So kam sie nach einer Weile auch auf Ren und Misa. //Dieser Ren...ist schon eigenartig, aber irgendwie habe ich bei ihm das Gefühl, als würde ich ihn kennen...naja, vielleicht bin ich ihm ja früher schon mal begegnet...//, dachte sie und trat einen kleinen Stein beiseite. Das Mädchen blieb stehen. Etwas war komisch. Sie spürte bei dem Gedanken an den blonden Jungen ein angenehmes Kribbeln im Bauch. Doch sie konnte es nicht gut einordnen, in ihrem ganzen Leben war sie noch niemals verliebt gewesen, deshalb hatte sie diese Gefühle auch anders gedeutet. Oder besser gesagt: Verdrängt. Sie schüttelte kurz ihren Kopf durch, holte noch mal tief Luft und setzte dann ihren Weg fort. "Und Misa ist auch nicht gerade ein normales Mädchen...Ich wette, sie gehört auch zur Winged Race, denn sie hat ja immerhin diese Lichtfähigkeiten...", murmelte sie vor sich hin und achtete nicht auf den Weg. So kam es, dass sie, nachdem sie durch ein paar weitere Büsche gelaufen war, nicht aufpasste und so einen Fuß in die Luft setzte - direkt unter ihr verlief ein Fluss und sie fiel eine kleine Klippe herunter. "WAAAAAAAAAAAAAAAHH~", schrie sie und kniff schnell die Augen zusammen, die sie zuvor weit aufgerissen hatte. Ein paar Tränen liefen auf ihren Augen, die durch den Wind entstanden waren, welcher ihr direkt in die Augen geweht war. //Wieso hab ich nicht darauf geachtet, wo ich hingehe? ...He Moment mal...warum war da kein Haus?! Hab ich etwa Unrecht gehabt?! Ich? Nicht er?!//, dachte Noriko entsetzt und ihr entfiel, dass sie gerade nach unten fiel. Wieder begann sie zu schreien, bis sie mit einer hohen Geschwindigkeit mitten in den kalten Fluss fiel. Kurz verharrte sie unter Wasser, spürte das kühle Nass und öffnete die Augen. Sie sah alles verschwommen, das bekam ihr nicht gut. Sie tauchte so schnell wie möglich wieder auf und spuckte das Wasser aus, welcher beim Einsturz in den Fluss in ihrem Mund gelandet war. "Oh man...wie kann man sich nur so täuschen?", fragte sich Noriko, als sie ihren Kimono auswrang, um das Wasser, welches sich in den Stoff gesogen hatte, wieder herauszubekommen. Das traditionelle Kleidungsstück war schon alleine schwer genug, doch vollgesogen mit Wasser wog es fast doppelt so viel. Das würde eine Weile dauern, bis sie ihren Weg zurück nach oben und zu Ren gefunden haben würde... Der eben Genannte rannte gerade vor einem riesigen Bären davon. "Hey, es tut mir leid, dass ich deinen Honig geklaut habe! Ich habe es nicht gewusst, darum konnte ich es auch nicht vergessen! Tut mir leeeeid!", schrie er, als er es endlich irgendwie schaffte, den Bären hinter sich abzuhängen. Er sah sich um und kratzte sich am Hinterkopf. "Das kann doch nicht wahr sein...ich bin doch nach rechts gegangen, wieso bin ich immer noch nicht an meinem Haus? Habe ich mich etwa verlaufen?", fragte er sich und ging erst mal weiter. In diesem Teil des Waldes wuchsen Pflanzen, wie man sie so normalerweise eigentlich nur im Urwald finden würde. Vor Ren stand ein riesiger Mammut-Baum, um dessen Stamm sich zwei dicke Lianen schlängelten. Dieser kam ihm irgendwie bekannt vor. Aber warum nur? "Achso, jetzt erinnere ich mich wieder! Den Baum habe ich doch vorhin schon gesehen! Wie war das noch mal, an den zwei Lianen links abbiegen?...He, Moment mal! Heißt das, dass ich schon den ganzen Tag lang im Kreis gelaufen bin? Verdammt!", sagte Ren zu sich selbst und haute sich vor die Stirn. Jetzt war er auch noch auf das Niveau gesunken, um Selbstgespräche zu führen...was für eine schreckliche Woche für ihn... "Das verstehe ich nicht, ich hatte doch früher immer einen so guten Orientierungssinn...", seufzte er. Ein lautes Grummeln ertönte. "Oh man, ich hab Hunger...", jammerte der Blonde und ging zu Boden. Während sein Gesicht den kalten und teilweise auch feuchten Erdboden berührte, dachte Ren ein wenig über seine aktuelle Situation nach. Nachdem er aber für seinen Geschmack lange genug nachgedacht hatte, bewegte sich sein Körper kriechend vorwärts. Er kroch so eine Weile weiter durch die Gegend, stieß sich den Kopf an vielen Dingen wie Steinen oder Baumstämmen, bis er vor einem besonders morsch wirkenden umgestürzten Baumstamm Halt machte. Als der Blonde seinen Kopf etwas an hob, sah er sein Geschmacksparadies. Auf diesem wuchsen mehrere Arten von Pilzen. Es gab rote, blaue, gestreifte und sogar einen bunten. Ren sprang erleichtert auf und nahm sich wahllos von jedem etwas. Eigentlich mochte er Pilze nicht besonders, aber in diesem Falle war ihm alles Essbare recht und zumindest brauchte er nun nicht selber kochen. Erleichtert über das Letztere musste er wohl oder übel etwas Grinsen. Seine Kochfähigkeiten waren nämlich unter aller Würde, nicht mal einen verhungernden Reisenden würde er freiwillig so etwas zu essen geben. Ein paar der eben erworbenen Pilze steckte Ren sich also direkt in den Mund, ein paar andere stopfte er für später in seine Taschen. Na bitte! Und seine Mutter hatte immer gemeint, er wäre für einen Ausflug in den Dschungel nicht geeignet! Ha! Wie sehr sie sich doch damals getäuscht hatte! "Da siehst du es Mutter! Ich kann alleine Essen besorgen ohne es vorher kochen zu müssen, Überleben, und am aller besten...", fing er an, dann trat er wieder durch ein paar Büsche. "Kann ich den Weg zurück zu unserem Haus finden! Hahahahahahaha-", sagte er, dann verging ihm das Lachen, als er in das verdutzte Gesicht von Noriko blickte. "Äh...", machte Ren und kratzte sich verlegen am Kopf. "Ren was machst du denn hier!? Ich dachte, du wolltest nach rechts gehen!", fragte Noriko verwirrt und stand vom Flussboden auf. Sie war total durchnässt. Ein schlechter Zeitpunkt um ein Bad zu nehmen, wie Ren fand. "Tja...das dachte ich eigentlich auch...", gab Ren zu und seufzte. Dann ließ er sich auf den Boden sinken und kramte in seiner Tasche nach den restlichen Pilzen. Er steckte sie sich alle auf einmal in den Mund und schluckte. "Äh...Ren?" "Was ist?" "Was isst du da bitte?" "Pilze. Sehr delikat. Willst du auch welche?", fragte Ren und grinste. Noriko schlug sich eine Hand vor die Stirn. "Du solltest nicht wahllos irgendwelche Pilze vom Urwald essen. Wer weiß, ob die giftig sind oder sonst irgendwie gefährlich sein könnten...", murmelte sie und ging wieder an Land. Sie hatte die Farben und Muster bemerkt. Und dem nach sahen diese Pilze nicht sehr gesund aus... Ren zuckte mit den Schultern und steckte sich noch mehr in den Mund. Er schmatzte und grunzte laut, während sein Mund sich immer und immer mehr füllte. Plötzlich stand er ganz still da, seine Augen weiteten sich und die Pupillen wurden riesig. Die restlichen Pilze, die noch in seiner Hand steckten, fielen mit einem lauten und dumpfen Geräusch zu Boden und Ren begann leicht zu zittern. "Ren! Was ist los? Geht’s dir nicht gut?", fragte die Jüngere leicht besorgt. Ren antwortete ihr nicht sofort. "Oh man, ich sagte dir doch gerade eben noch, du sollst die Pilze nicht essen...", erklärte Noriko und lief auf ihn zu. Ren begann plötzlich, wie ein Irrer zu lachen. "He...hehe...heheheheheh! Oh man, diese Pilze sind echt der Hammer, du musst auch welche essen No-chaaaan~", sagte Ren und ging wackelnd im Kreis umher. Er starrte Noriko mit offenem Mund an und schrie plötzlich los. Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen. "Was ist jetzt los?!", fragte sie sich und machte sich auf die Antwort des Blondes gefasst - Dass, was er ihr dann sagte, hatte sie wirklich nicht erwartet. "Oh mein Gott, Noriko! Wieso hast du mir nicht gleich gesagt, dass du brennst!?", schrie Ren und schubste Noriko zurück in den Fluss. Diese fiel mit voller Wucht hinein, wurde erneut durchnässt und schnappte nach Luft. Sie verschluckte sich und Wasser lief in ihre Lunge. Als sie begann röchelnd zu husten, ließ sie anschließend den Kopf hängen, ihre nassen Haare bedeckten ihr Gesicht. Sie biss sich auf die Lippe und sah Ren mit einem Mörderblick an. Nun war sie wieder von oben bis unten nass. Nicht, dass sie inzwischen wieder trocken gewesen wäre, es ging ihr in diesem Fall nur um das Prinzip. "Jetzt grins doch nicht so blöde, No-chaaan~" "ICH GRINSE ÜBERHAUPT NICHT!!!", schrie Noriko und sprang auf. "Verdammter Mist! Warum ist er auch so dämlich und frisst diese dämlichen Pilze?!", sagte sie zu sich selbst und zerrte Ren am Arm mit sich, da er immer noch wie ein Irrer grinste und nur geradeaus sah. Er rührte sich alleine keinen Meter vorwärts. Der Junge hing wieder irre grinsend seinen eigenen Gedanken nach, die irgendwelche seltsamen Vorstellungen enthielten. Dann schrie er erneut laut auf. "Oh mein Gott! Wie sind wir hier nur hin geraten?! Mitten auf den Ozean?!", schrie Ren. Noriko schlug sich wieder eine Hand an die Stirn. Dieser Typ hatte sie ja nicht mehr alle! Worauf hatte sie sich da nur eingelassen...? "Memo an mich selbst: Ren vor giftigen Pilzen fernhalten...lieber selber welche davon essen...könnte jetzt nicht schaden...", sagte sie seufzend zu sich selbst und schob Ren vorwärts. Misa streifte durchs Gebüsch. Warum war es nur so furchtbar schwer, ein Mädchen zu finden, welches den Krieg beenden können würde?! Sie seufzte. Diese Leute, denen sie vorhin begegnet war, schienen sehr nett zu sein. //Das Mädchen war lustig, und der Kerl schien auch nett...wie schade, dass sie nicht von der Winged Race sind, dann hätten wir zusammen nach dem Mädchen suchen können...//, dachte sie und streifte weiter durch den Wald. Als sie nach einer Weile eine Pause machen wollte und sich an einem Baumstamm anlehnte, begriff sie etwas. Noriko hatte sie und den Typen doch eingeeist...irgendwas Besonderes musste sie also sein! Und der Typ sah auch nicht gerade überrascht von dem Eis aus...und er sah auch nicht gerade schwach aus...vielleicht sollte sie die Beiden noch mal aufsuchen und selber fragen. Wenn sie zur Winged Race gehören würden, könnten sie, wenn sie etwas mehr als Misa selbst wüssten, ihr dieses anvertrauen und ihr so weiter helfen... Ihr Entschluss stand fest! Misa sprang schnell auf und dachte nach. Die beiden hatten ihr nicht gesagt, wo sie hin wollten...aber an dieser Weggabelung hatten sie sich nicht einigen können, ob sie nun nach rechts oder nach links gehen sollten... //Also, der Kerl wollte nach rechts gehen, Noriko wollte nach links gehen. Links oder rechts?//, dachte Misa und überlegte. Wenn sie nach rechts gehen, und zuerst den Typen finden würde, könnte sie ihn ganz vorsichtig nach der Herkunft fragen. Wenn sie ihre weiblichen Reize spielen lassen würde, könnte sie bestimmt die eine oder andere nützliche Information aus ihm heraus kitzeln...aber der Typ sah nicht gerade nach einem Orientierungsgenie aus... Vor ein paar Tagen war ihr ein braunhaariger Typ über den Weg gelaufen, der die ganze Zeit blöde gegrinst und nach dem Weg zum Kiseki-See gefragt hatte, obwohl er genau von dort kam...aber der blonde Kerl würde bestimmt nicht so bescheuert sein... Wenn Misa aber nach links gehen würde, müsste sie mit Noriko alleine nach dem anderen Kerl suchen...Die beiden würden streiten, das war schon mal so sicher, wie die Tatsache, dass der braunhaarige Typ bestimmt immer fünf Tage früher losreisen müsste, wenn er pünktlich irgendwo ankommen wollte, selbst wenn es nur der Mülleimer war. "Lieber nach rechts!", murmelte Misa zu sich selbst und lief los. Nach einer Weile schon kam sie wieder an die Weggabelung, an der sie ein paar Stunden zuvor die beiden Streithähne getroffen hatte. Sie sah genau hin und entdeckte ein Schild. Auf dem Schild stand: Rechts: Anwesen der Kenka-Familie Links: Steile Klippe (Vorsicht, Ausrutschgefahr) Geradeaus: Büsche //Wohin wollten die beiden vorhin wohl...naja, ich werde nach rechts gehen! Vielleicht kann mir ja jemand von der Kenka-Familie weiterhelfen...//, dachte Misa und ging fröhlich und lächelnd nach rechts. Was sie nicht wusste, war, dass in dem Haus schon seit zehn Jahren niemand mehr von der Kenka-Familie lebte... Noriko war fuchsteufelswild. Ren, den sie immer noch hinter sich her schliff, war total unzurechnungsfähig und lief trotzdem bereitwillig mit. "Was würde er nur machen, wenn ich in Wahrheit ein blutrünstiger, bärtiger Killer wäre?", dachte Noriko laut. Ren horchte auf. "Wie bitte? AHHHHHH, lass sofort meine Hand los! Lass sie los, du Irrer!", schrie Ren und zog kraftlos an seinem Arm. Noriko’s Geduld platze und sie explodierte beinahe. "HALT ENDLICH DIE KLAPPE UND KOMM MIT!", schrie sie und stampfte pampig weiter. Als sie an einem großen Felsen vorbei kamen, stolperte Ren mit den Füßen über die Beine eines dunkelblonden Jungens. Ren sagte nichts und rappelte sich wieder auf. Der Typ jedoch stand auf und sah sich etwas um. "Verzeihung...könnt ihr mir zufällig sagen, wo hier meine Freunde sind? Komische Geschichte, ich hab mich wohl verl..." "WOHER SOLLTE ICH DENN BITTE WISSEN WER UND WO DEINE FREUNDE SIND?! NIMM GEFÄLLIGST EINEN KOMPASS MIT UND LASS DEINE BEINE NICHT HERUM LIEGEN!", brüllte Noriko, sodass der Junge von der Wucht des Schreies gegen die Felswand prallte. "Aber...aber ich kann keinen Kompass lesen..." "MIR DOCH EGAL!", motzte Noriko weiter und rannte los, Ren hinter ihr schien mit jedem Körperteil gegen irgendetwas zu stoßen. "Vielleicht kann Yami mir helfen...", sagte der Junge noch, ehe er sich wieder auf den Boden setzte. "Hilfe...der blutrünstige, bärtige Killer will Vergeltung...", murmelte Ren und lachte wieder verrückt. Noriko blieb stehen. Sie sah ihn mit einem Blick an, bei dem jeder blutrünstige Killer mit Bart Reißaus genommen hätte. "Noch ein einziges Wort...", sagte Noriko klar und deutlich. Ren verstand, er lachte aber trotzdem weiter. "Ehehehehehe...Vergeltung! Desu~" Ren sagte die ganze restliche Zeit nichts mehr. Noriko hatte es tatsächlich irgendwie geschafft, dass er den Mund hielt. Es lag wahrscheinlich nicht nur an einem großen Klumpen Erde, den Noriko ihm aus Wut in den Mund gesteckt hatte, sondern eher daran, dass er mit einer geschwollenen Lippe durch einen Kinnhaken seitens Noriko nicht mehr reden konnte, aber trotzdem war er lieber leise. Sie dagegen schien sich auch endlich wieder abzureagieren. Den Dampf so herauszulassen tat ja so gut...immer wenn sie einmal innerlich und äußerlich explodierte, konnte sie für einen kurzen Moment lang vergessen, in was für einer Lage sie sich eigentlich befand. Es gab seit einem Jahrzehnt einen furchtbaren Krieg und die Winged Race waren kurz vor der Niederlage. Niemand wusste, wie der Krieg aufzuhalten war und die einzige Hoffnung schien dieses eine Mädchen zu sein... Und dann kam auch noch das Erlebnis von letzter Woche hinzu. Wie Noriko’s Eltern und Zwillingsschwester grausam von Soldaten ermordet worden waren...vor ihren Augen. Und Noriko wusste nicht einmal genau, warum dies eigentlich geschehen war... Lag es etwa tatsächlich nur daran, dass sie und ihre Familie der Winged Race angehörten, und in Daikoku gelebt hatten? Der Gedanke von vorhin kam ihr wieder in den Sinn... Wenn es daran gelegen hatte, dann war das ein ziemlich mickriger Grund. Es war einfach nur grausam gewesen, und Noriko wollte ihre Rache. Und sie würde sie auch ganz sicher noch bekommen...die Zeit würde ihr schon sagen, wann und wo. "Ah...ich glaube mein Kopf erholt sich langsam wieder...", meinte Ren und Noriko ließ seinen Arm los. "Das ist gut. Wir sind übrigens jetzt da...", meinte Nori und deutete zu dem großen Haus, vor denen die beiden nun standen. Es handelte sich um ein sehr großes Haus. Es bestand aus mehreren Stockwerken, und über jedem war ein traditionelles Dach errichtet worden. Am Rand des obersten Daches hingen ein paar Laternen, damit nachts auch durch etwas Licht alles Mögliche zu sehen war. Jedes Stockwerk hatte mehrere Fenster, die Türen des Erdgeschosses waren traditionelle Schiebetüren, wie die Türen in einem Dojo. Der Boden bestand weitgehend aus Holz von Kiefern, doch die Räume innen waren von Angestellten Ren's Familie mit Tatamimatten ausgerichtet worden, sodass man darin auch barfuß umher gehen, und seine Sandalen ausziehen konnte. "Du hast recht...das ist das Haus meiner Eltern...", sagte Ren tonlos und die beiden gingen näher an das Haus heran. An der Tür klebte eine schleimig wirkende, gelbe Flüssigkeit. "He...was ist das?", fragte sich Ren und nahm etwas davon mit seinem Finger auf. Er steckte den Finger in den Mund und probierte. Dann schüttete er angeekelt den Kopf und hielt sich den Magen. "Uäähhh...das schmeckt wie der Honig von diesen großen Wespen...", stellte er sich schüttelnd fest und seufzte leicht. Ein lautes Grummeln ertönte, und Ren hielt sich seinen nun schmerzenden Bauch. "...ohhh, mein Magen tut so weh...", beschwerte er sich. "Ja, schon klar. Da hast du dich gerade erst von diesen anscheinend giftigen Pilzen erholt, und dann isst du vom erst besten Schleim, den du siehst?!" "Ich bin von Natur aus neugierig..." Noriko schlug sich wieder ihre Hand gegen die Stirn. "Dann wunder dich gar nicht erst, wenn du plötzlich krank wirst, ist ja kein Wunder...echt, wie kannst du nur so rücksichtslos sein?", fragte sich die Lilahaarige und schob sich den rechten Ärmel hoch. "Was machst du jetzt?", fragte Ren, dessen Gesicht noch immer schmerzerfüllt war. Noriko rollte mit ihren Augen. "Ich heile dich, und wenn du mich noch weiter nervst, stopf ich dir wieder den Mund...wo ist der Lehmklumpen?", fragte sie, und grinste leicht. Ren biss sich sofort auf die Lippe. Dann beobachtete er gespannt, wie langsam eine Art blaue Masse aus Noriko's Fingern tropfte. Sie formte sich in der Luft zu unerkennbaren Dingen, und kroch dann langsam auf Ren zu. Die Masse bildete eine Faust und haute ihm auf den Mund, sodass er diesen vor Schmerz leicht öffnete. Sofort wanderte die Masse in seinen Mund, und verteilte sich anschließend in seinem Magen. Es dauerte noch einen Moment, bis Ren sich nicht mehr verkrampfte und seinen Bauch los ließ. "Hat es geklappt?", fragte Noriko gespannt, immerhin hatte sie ihre Fähigkeiten schon länger nicht mehr anwenden können. Der Blonde schien einen Moment zu überlegen, als er dann lächelte und ihr zu nickte. "Danke, das war klasse No-chan.", sagte er. Sie lächelte als Antwort ebenfalls ein Mal, dann gingen die beiden schweigend noch ein bisschen näher an das Haus heran. Worauf hatte sie sich nur eingelassen, als sie beschlossen hatte, mit Ren zusammen durch die Gegend zu ziehen...? Die beiden betraten dann schließlich das Haus. "Sag mal Ren...wonach willst du jetzt eigentlich suchen?", fragte Noriko, und erinnerte sich daran, dass Ren nach etwas Bestimmten gesucht hatte. "Tja...wenn ich es gefunden habe, wirst du es sehen...", meinte Ren abweisend und ging los. Was war denn jetzt in ihn gefahren? Seit wann war er so...kalt und abweisend? Hatte er vielleicht seinen Lieblings Plüschbären vergessen? Bei diesem Gedanken musste die Jüngere leicht lächeln, und ein leises Kichern kam ihr über die Lippen. "Was ist los?", fragte Ren, vollkommen vertieft in seine Gedanken. "Ach, nichts..." "Gut, dann bleib jetzt hier stehen oder sitzen und beweg dich nicht vom Fleck. Und rühr nichts an!", erklärte Ren und ging schnell los. Die Richtung konnte Nori nicht genau bestimmen, sie kannte sich ja nicht in diesem Haus aus. Er könnte also überall hin unterwegs sein. Doch...Moment mal... "Hey! Soll das heißen, ich soll nicht mit suchen?", fragte Noriko verwirrt. "Genau!", meinte Ren und ging weiter. "Hey! Das ist aber nicht fair!", schrie Nori ihm hinterher und trat gegen die Tür. "Manno...", sagte sie und streckte die Zunge raus, genau in die Richtung, in die Ren eben verschwunden war. Schade, dass er es nicht sehen konnte... Doch warum saß Noriko eigentlich noch hier herum? Wann hatte sie sich denn jemals an irgendwelche Vorschriften gehalten? Sie sprang wie vom Blitz getroffen oder wie von Ren gebissen auf und lief in die entgegen gesetzte Richtung. Sie schenkte weder den großen Schränken mit kostbarem Geschirr, weder den kunstvollen Gemälden von großen Männern oder schönen Frauen irgendwelche Aufmerksamkeit, sie stiefelte einfach drauf los. Noriko stand dann plötzlich vor einer großen Tür, vor die sie eben wegen ihrer Unaufmerksamkeit beinahe gelaufen wäre. Mit viel Kraft und Mühe stemmte sie diese auf und betrat den Raum. Überall nur Spinnenweben und Staub. Sie ging etwas weiter rein und sah sich in der Gegend um. Dieser Raum schien so etwas, wie ein Schlafzimmer zu sein. Ein großes Bett stand in der hinteren rechten Ecke, ein Schrank stand in der Ecke daneben. Gleich neben Noriko stand ein Spiegel mit einem kleinen Tischen. Auf diesem standen die verschiedensten kosmetischen Produkte, wie ein Pinsel samt roter Lippenfarbe, eine kleine Schale mit einem feinen Puder und noch mehr solcher Dinge. "Die Frau, die das hier benutzt hat, muss echt reich gewesen sein...", murmelte Noriko und strich über den staubigen Tisch. Zu den damaligen Zeiten konnte es sich fast keine Frau leisten, Kosmetische Produkte zu benutzen. Diese waren sehr teuer, denn die Herstellung war viel Arbeit. Noriko sah sich weiter um - und entdeckte ein Gemälde. Es zeigte eine kleine Familie: Eine hübsche junge Frau mit Ren’s Haarfarbe saß in einem teuren Kimono auf dem Boden, neben ihr ein junger, lächelnder Mann und vor den beiden saß ein kleiner Junge. "Ren...", murmelte Noriko und strich auch über das Bild. "Warum sind deine Eltern nicht mehr hier?", fragte sie sich laut. Waren sie in den Krieg gezogen und nicht wieder gekehrt? Das war eigentlich unwahrscheinlich, die Frau sah nicht gerade danach aus, als dass sie in den Krieg ziehen würde. Was war also stattdessen geschehen? Wie als Antwort darauf, fiel Noriko’s Blick auf ein kleines Buch, welches in einer Ecke versteckt lag. "Was zum...", fragte sie sich und langte nach dem Buch. Es war mit einem Band zugebunden und verschlossen mit einem Wachssiegel. Das Siegel war ein reichverziertes K. Auf der Vorderseite stand in alten, Kagamischriftzeichen: Das Vermächtnis - Die Wahrheit Was mochte das nur für ein Buch sein? Noriko überlegte, ob sie es vielleicht auf machen sollte... Sie steckte einen Finger unter das Band, um es mit einem Ruck vom Buch zu lösen, als sich plötzlich etwas auf ihrer rechten Schulter absetzte. "KYAAAAAAAAAAAAAAAAAAH~" Ren suchte und suchte, doch er fand es einfach nicht. "Wo könnten sie es denn nur versteckt haben? Sie wussten doch, dass ich es ihr wiedergeben muss!", sagte er verzweifelt und kippte eine Schublade auf dem Boden aus. Wenn er das Armband nicht finden würde...hätte er überhaupt keine fröhliche Erinnerung an seine Vergangenheit mehr... "Oh man! Wo ist es nur? Ich brauche es doch...es...es ist die einzige Erinnerung an sie...", sagte er und suchte hastig weiter. Als er auf einmal einen lauten Aufschrei hörte, sprang er auf und rannte in diese Richtung. //Noriko!// _________________________________________ Nächstes Kapitel: 「女」 ・ Mädchen 「Onna ~ She looks so familiar 」 Kapitel 3: 「女」 ・ Mädchen 「Onna ~ She looks so familiar 」 -------------------------------------------------------- Kapitel drei: 「女」 ・ Mädchen 「Onna ~ She looks so familiar 」 Er rannte durch alle Gänge, da er nicht genau wusste, aus welchem Raum genau der laute Schrei gekommen war. Was war passiert? Hatte sich jemand anderes eingeschlichen? Hatte sie sich vielleicht verletzt? Oder war ihr einfach nur eine dicke Spinne begegnet…? Ren riss ein paar Türen auf. Für den Fall, dass etwas wirklich Schlimmes passiert wäre, hatte er sein Schwert gezogen und starrte dann bedrohlich in alle Ecken des Zimmers. Nichts. Also rannte er schnell weiter zum nächsten Raum. Er durchsuchte das Wohnzimmer, sein eigenes Schlafzimmer, die anderen Räume. Schließlich blieb nur noch das Schlafzimmer seiner verstorbenen Eltern übrig. War Noriko vielleicht dort? Erneut riss Ren eine Tür auf. Und dieses Mal wurde er auch endlich fündig. “Hey, Noriko, was ist passiert!? Warum hast du so geschrien...“, rief er, als sein Blick sich auf das Hauptgeschehen richtete. „Eh…“, machte er und realisierte erst jetzt die Situation, in welcher er sich gerade befand. Vor ihm auf dem Boden lag Noriko, mit tränennassen Augen. Sie schien bewusstlos zu sein. Über ihr stand Misa, eine Hand war ausgestreckt und ihr war ein ziemlich überraschter Gesichtsausdruck in das Gesicht geschrieben worden. „Was ist gerade passiert?“, fragte Ren verwundert und steckte schnell sein Schwert weg. „Tja…ich bin euch gefolgt, weil ich euch etwas Wichtiges fragen wollte.“, fing Misa an. Ren sah sie direkt an und stellte sich auf eine lange Rede ein, wie er es von Frauen gewöhnt war. Und tatsächlich legte die Jüngere auch einen Moment später los: „ Deshalb bin ich zu der Weggabelung zurückgekehrt und habe das Schild studiert, welches ihr offensichtlich vorhin übersehen hattet. Dann bin ich den Anweisungen gefolgt und losgegangen. Ich bin zu dem Haus gegangen und hab euch rein gehen sehen. Also dachte ich mir, dass ich euch bestimmt hier irgendwo finden würde. Ich hatte mir im Übrigen auch vorgenommen, die Familie Kenka zu fragen, ob sie euch hier zufällig gesehen hat, aber außer euch schien Niemand hier zu sein. Ich bin dann hier herum geirrt, bis ich Nori-chan hier in dem Zimmer sitzen gesehen habe. Ich bin zu ihr gegangen, hab ihr eine Hand auf die Schulter gelegt, und…naja, sie schrie plötzlich wie eine Irre los und fiel dann bewusstlos um.“, erzählte Misa und kratzt sich am Kopf. Ren seufzte erleichtert, aber auch belustigt. „Na wenn es sonst weiter nichts ist…“, sagte er und drehte sich wieder um. Doch dann drehte er sich direkt wieder zu Misa und Noriko um. „Ist dir hier sonst noch jemand begegnet? Ein Einbrecher oder sowas in die Richtung?“ „Äh, nein. Wie kommst du jetzt darauf?“, fragte die Blonde und runzelte die Stirn. Ren dagegen winkte ab und dachte nach. Er dachte über verschiedene Sachen nach. Das, was er im Übrigen suchte, war nur ein winziger Teil seiner eben gedachten Gedanken. In solchen Momenten würde man sich am liebsten wünschen, dass man Gedanken lesen könnte. Ob es so eine Fähigkeit wohl auch gab? Bei den Mitgliedern der Winged Race war mittlerweile ja so gut wie alles möglich… Ren seufzte auf - es schien so, als ob er seinen eben gedachten Gedanken schnellstmöglich wieder verscheuchen wollte. Irgendwas geheimnisvolles lag in der Art, wie er sich eben mit seinen Hände durch die blonden Haare gefahren war…Misa wusste leider nicht was, doch es interessierte sie schon irgendwie. Seltsam, dass sie sich solchen Leuten anschließen wollte, im Grunde wusste sie nämlich absolut gar nichts über die beiden. Bis jetzt hatten nur ihre ersten Eindrücke und Vorurteile eine Rolle gespielt. Erster Eindruck von Ren: Netter Typ, ungefähr 17 Jahre alt. Blonde Haare, dunkelblaue Augen. Circa 1,80 Meter groß. Charakter in Ordnung, Stimme: Männlich. Erster Eindruck von Noriko: Ein Mädchen, welches wohl vergessen hat, zum Agressionsbewältigungskurs zu gehen, ungefähr 15 Jahre alt. Lila Haare, hellblaue Augen. Circa 1,50 Meter klein. Charakter: Nervig, schrill, brutal etc… Stimme: Nicht identifizierbar / nur am rumbrüllen. Tja … so wirkten also Vorurteile und erste Eindrücke. Wenn man Menschen nach diesem Schema beurteilen würde…hätte man keine Freunde, weil einem jeder Mensch zu blöd wäre. Die Blonde bestritt auch gar nicht, dass sie nicht ein seltsames Mädchen war, doch war sie doch zumindest normaler als Noriko…oder nicht? //Normal…tja, was ist zu diesen Zeiten noch normal? Normal ist ja mittlerweile so ein breitgetretenes Wort…// Misa musste bei diesen Überlegungen leicht über sich selbst schmunzeln. Ihre Beschreibung schien schon zu Ren zu passen, bei Noriko war sie sich noch nicht ganz sicher. Doch allmählich fiel ihr wieder ein, warum sie überhaupt zu diesem Haus gekommen war. Misa sah rüber zu Ren, welcher anscheinend seid 3 Minuten Selbstgespräche mit der Tür führte. Vielleicht dachte er über so viele Dinge nach, dass in seinem Kopf kein Platz mehr war, und er diese deshalb leblosen Gegenständen anvertraute? "Ähm…Ren?“ Dieser drehte sich alarmiert um und sah verwundert zu Misa rüber. „Was gibt es?“ „Hast du gerade mit der Tür geredet?“, fragte die Blonde leicht schmunzelnd und kicherte vergnügt. Ren räusperte sich und stopfte etwas in den Ärmel seines Oberteils. Misa bemerkte das Stück Papier nicht, doch sie würde wohl noch später erfahren, wem Ren gerade seine ganzen Gedanken mit geteilt hatte… Ren tat gerade irgendwie so, als hätte er etwas zu verbergen. Noriko wäre dies nicht mal aufgefallen, wenn Ren es ihr ins Ohr gebrüllt hätte. Natürlich hätte sie ihn dann erst mal aus Gewohnheit Niedergeschlagen und ihn angebrüllt… Doch Misa wurde schon etwas misstrauisch, als sich der Älteste nervös umschaute, in seinen Ärmel spickte und sich ein paar stumme Worte aus seinen Lippen formten. //Seltsamer Typ…//, dachte Misa und schüttelte nur leicht den Kopf. Ren beruhigte sich schließlich wieder und strich sich leicht durch die blonden Haare. „Um jetzt meine erste Frage zu stellen: Was wolltest du eigentlich von No-chan und mir?“, fragte er neugierig und setzte sich auf den Boden zu Noriko. Misa hatte eigentlich gehofft, dass diese Frage erst später auftreten würde. Nervös spielte sie mit ihren Fingern und sah zu Boden. Dann nahm sie eine Strähne ihrer blonden Haare in die Finger, machte Knoten hinein und flocht sie mit anderen zusammen. Beide bemerkten das Buch nicht, welches zwischen Noriko’s verkrampften Fingern steckte… „Naja…wie soll ich es ausdrücken?“, sagte sie und seufzte leicht auf. „Jetzt sag schon!“, sagte Ren grinsend und starrte die Blonde weiterhin an. Misa nahm noch einmal ihren Mut zusammen. Die Frage, die ihr schon die ganze Zeit über auf der Zunge brannte, schien ihr zu seltsam zu sein, als dass sie sie einfach hätte stellen können. „Naja…als ich euch heute Morgen zum ersten Mal begegnet bin…“ „Jaaa?“, fragte Ren, um ihr das Reden zu erleichtern. Sie seufzte noch einmal und begann dann endlich zu reden: „Also…Du wurdest doch von Nori-chan heute Morgen eingeeist, oder?“ Ren nickte leicht verlegen als Antwort darauf. Misa schenkte ihm ein kurzes Lächeln und sprach dann weiter. Ren wirkte leicht angespannt, schenkte ihr aber trotzdem seine höchste Aufmerksamkeit. „Da du ja vorhin nicht sonderlich überrascht aussahst, als sie dich eingeeist hat, müsstest du eigentlich schon mal was davon gehört haben…aber erst mal noch eine Frage: Ist Noriko ein Mitglied der Winged Race?“ Der Ältere schluckte leicht. Natürlich war sie ein Mitglied der Winged Race, wie hätte sie ihn sonst mit den Eisfähigkeiten fertig machen sollen? Sollte er es ihr sagen? Zu diesen Zeiten sollte man eigentlich niemandem sein Vertrauen schenken, auch wenn er noch so freundlich wirkte. Misa hätte alles sein können, ein Soldat, von der Regierung, vielleicht sogar ein Auftragskiller der Regierung, um alle von der geflügelten Rasse auszulöschen… Ren schüttelte schnell den Kopf. //Oh man…ich glaub, das mit dem Pilz vorhin war doch keine so gute Idee…diese Nebenwirkungen können einem echt auf die Nerven gehen, und anscheinend bin ich noch nicht ganz geheilt…//, dachte er und seufzte. Dann entschloss er sich für die richtige Antwort, seiner Meinung nach jedenfalls… „Äh, ja, No-chan gehört zur Winged Race. Ist ja auch kein Wunder, kein normaler Mensch könnte solche Sachen mit Eis machen, wie sie…“, erklärte Ren und grinste leicht. Misa sah ihn skeptisch an. Ren verstand erst gar nicht, worauf sie offensichtlich hinaus wollte. Ein dickes Fragezeichen stand über seinem Kopf geschrieben, als ihm endlich ein Licht aufging: „Was, du willst wissen, ob ich auch ein Mitglied bin?“, fragte er, als er sich die Sachen einigermaßen zusammen gereimt hatte. Die Jüngere lächelte und nickte leicht. Sie hatte ja auch recht, Ren war ebenfalls ein Mitglied der Winged Race, und auch er besaß besondere Fähigkeiten. Nur war Misa noch etwas skeptisch darüber gewesen, da sie seine Flügel noch nicht gesehen hatte. Konnte er sie etwa auch in den Körper ziehen? Oder konnten dass nur Noriko und sie selbst? Wie als Antwort auf diese Frage stand Ren auf und zog sich sein Oberteil aus – zum Vorschein kamen zwei große weiße Adlerflügel mit silbernem Schimmer und einigen silberfarbenen Federn. Nun waren ihre ersten Fragen erst mal beantwortet. Aber das waren natürlich nicht die einzigen Fragen, die Misa noch im Kopf herum wanderten. Nachdem Ren sich wieder angezogen und hingesetzt hatte, sah er sie wieder mit diesem neugierigen Blick an, den er vorhin schon einmal aufgesetzt hatte. Misa lächelte erneut und setzte wieder zum Sprechen an: „Hast du vielleicht schon mal etwa von der Legende der Winged Race gehört? Sie wurde uns vor ein paar Jahren erzählt, kurz nachdem der Krieg ausgebrochen war. In ihr wird von einem Mädchen gesprochen, welches als einzige in der Lage ist, den Krieg zu beenden. Sagt dir das was?“, fragte die Blonde und beobachtete verwundert, wie Ren’s Finger sich unnatürlich anspannten, und er sich plötzlich auf die Lippe biss. „Ja, ich weiß von der Legende, und ich weiß auch von dem Mädchen und so weiter…“, presste er heraus. Und um neue Fragen seitens Misa zu verhindern, sagte er weiter: „Und falls du nun wissen möchtest, ob Nori-chan und ich auf der Suche nach dem Mädchen sind, kann ich dir versichern, dass wir beide so schnell wie möglich nach dem kleinen Mist…Mädchen suchen wollen. Wir hoffen natürlich auch, dass sie dann endlich den langen Krieg beenden kann.“, beendete Ren seine Rede. Misa nickte leicht. Sie hätte dies womöglich wirklich als nächstes gefragt. Entschlossen sah sie die beiden an. „Ihr müsst es ja gemerkt haben. Ich bin auch ein Mitglied der Winged Race, und ich möchte dich nun fragen, ob ich mich euch anschließen kann! Somit wäre es bestimmt leichter, das Mädchen zu finden.“, stellte die Blonde die Frage, die sie schon von Anfang an stellen wollte. Ren erhob sich wieder. Er schien angestrengt über etwas nachzudenken. Dabei ging der Älteste immer wieder auf und ab. Das sah schon irgendwie komisch aus, musste Misa zugeben… Sie unterdrücke sich ein Lachen, als Ren beim hin und hergehen über Noriko stolperte und neben ihr auf dem Boden landete. „Äh…alles klar, du kannst mitkommen.“, meinte er dann schließlich. Leicht verlegen kratzte er sich am Kopf und wurde etwas rot. „Was? Wirklich?“, fragte Misa begeistert, da sie nun anscheinend nicht mehr alleine gehen musste. Dann wandte sie leicht den Blick zur Seite, wo Noriko noch immer bewusstlos herum lag. „Ähm…glaubst du, sie hat nichts dagegen?“, fragte die Jüngere. Ren winkte ab. „Ach, kein Problem.“, meinte er und krabbelte zu Noriko. Er legte eine Hand an ihren Hinterkopf und stemmte ihn nach oben. „Also. Bist du auch dafür, dass Misa uns begleiten sollte, No-chan?“, fragte er und räusperte sich einmal. Dann nahm er seine andere Hand und legte sie an Noriko’s Mund. Sofort bewegte er diesen, sodass es aussah, als würde die Jüngste sprechen: „Aber natürlich, mein Ren-Schatz!“, sagte Ren, und versuchte Noriko’s Stimme nachzumachen. Misa lachte leicht, schüttelte dann aber auch den Kopf. „Ach, Ren…“, seufzte sie. „Was denn?“, fragte der Blonde. „Also, nachmachen kannst du sie nicht besonders gut…“, meinte Misa und sah die Lilahaarige an. Wie vom Drop erschlagen fiel Ren um. Gleich danach richtete er sich wieder lachend auf und stand auf. „Ist doch nicht so wichtig, Hauptsache ist, dass Nori zugestimmt hat, oder etwa nicht?“, fragte er grinsend und bückte sich. Misa nickte verwundert und beobachtete, wie Ren Noriko langsam hochhob und sie dann den Gang entlang trug. „Jetzt komm schon!“, rief er in Misa’s Richtung. „Jaa~!“, antwortete die Angesprochene grinsend und rannte den beiden hinter her. „Ren, kannst du mir vielleicht erzählen, was du schon so alles weißt? Über den Krieg und so…“, fragte Misa und sah zu Noriko. Sie würde Noriko später vielleicht auch noch mal danach fragen. Womöglich wussten die beiden etwas, was sie selber noch nicht gewusst hatte. „Ach…ich kann dir eine Menge erzählen, was du vielleicht noch nicht gewusst hast.“, meinte Ren und biss sich auf die Unterlippe. Misa nickte leicht. //Hab ich ihn jetzt beleidigt, oder warum ist er plötzlich so seltsam drauf?//, fragte sie die Blonde und schwieg eine Weile. „Also, ich kann dir erzählen, was du hören willst.“, meinte Ren und sah zu Boden. Misa winkte ab. „Erzähl mir einfach alles, was du weißt.“, meinte sie und sah ihn gespannt an. Der Angesprochene zuckte leicht mit den Schultern. „Ganz am Anfang, bevor der Krieg angefangen hat, lebte ich mit meiner Familie hier in diesem Haus in Kagami-koku. Die Soldaten der Regierung wussten damals noch nicht, wie sie von Daikoku nach Kagami-koku kommen sollten, und so gab es nur wenige Leute, die nicht zur Winged Race gehörten, und hier tatsächlich mal gelebt haben. Ich lebte mit meiner Familie und einer anderen Menschenfamilie zusammen in diesem Haus. Es waren sehr nette Leute. Das Kind der beiden Erwachsenen, ein kleines Mädchen, heiterte mich nach einem kleinen…Zwischenfall wieder auf und wir wurden richtig gute Freunde. Eines Tages kam ein blondes Mädchen bei uns vorbei, welches offensichtlich wegen irgendeiner Sache furchtbar sauer auf mich war. Ich hatte keine Ahnung warum, denn ich kannte sie gar nicht. Nachdem dieses Mädchen wieder weg war, wurde in der Nacht darauf meine beste Freundin umgebracht, in der Nacht danach folgten ihre Eltern. Da es ein paar Soldaten irgendwie geschafft hatten, in unser Land einzudringen, hatten sie von der Sache mit den Toten gehört. Anscheinend waren in den beiden Nächten noch deutlich mehr Menschen getötet worden, welche jemals etwas mit der Winged Race zu tun gehabt haben. Die Soldaten flohen, feige wie sie waren, wieder in ihr eigenes Land und erzählten der Regierung von den ganzen Morden. Die Regierung sah dies als eine Rebellion der Flügelmenschen gegen die normalen Menschen und erklärte Kagami-koku den Krieg.“, erzählte Ren und holte nach seiner Erzählung erst mal tief Luft. Misa hielt den Atem an. Das hatte sie wirklich noch nicht gewusst. In der Tat schien nun Alles Sinn zu ergeben, denn Misa schien es bisher seltsam zu sein, dass vor 10 Jahren einfach so eben mal ein Krieg ausgebrochen war. Sie hatte bisher immer gedacht, dass der Regierung einfach langweilig gewesen war. Diese Leute, die zur Regierung gehörten, waren nämlich ziemlich grausam und würden einfach alles tun, um ihr Ziel zu erreichen. Vielleicht sahen sie die Winged Race als Rivalen an, denn diese hatten ja das Glück, dass sie manchmal eine besondere Fähigkeit besitzen konnten. Zum Beispiel so eine Fähigkeit wie Noriko, Ren oder Misa selbst. Vielleicht wollten sie sie deshalb ausrotten, damit die höchsten Leute der Welt, die Regierung, weiterhin grausam über alles herrschen konnten… Aber so wie Ren es erzählte, musste er wohl richtig liegen. So grausam konnten die Leute nicht sein… //Aber trotzdem grausam genug, um so einen furchtbaren Krieg überhaupt anzustacheln…//, dachte Misa bestürzt und sah wieder zu Ren. Dieser legte auch schon mit seiner weiteren Erzählung los: „Noriko hat mir von den letzten Wochen ihrer Familie erzählt. Wenn du das auch hören willst, dann…“, fing Ren an und musterte die noch immer bewusstlose Noriko in seinen Armen. //Sie hat echt nen festen Schlaf…// „Ja, erzähl es mir einfach, ich möchte alles wissen.“, sagte die Blonde und musterte ebenfalls den Körper der Jüngsten. Ren seufzte leicht. „No-chan erzählte mir, dass sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester in Daikoku gelebt hat. Vor etwas mehr als einer Woche, ungefähr zehn Tage, sind nachts plötzlich die Soldaten bei dem Haus ihrer Familie aufgetaucht. Sie wollten ihre Schwester, Miyuki, mit sich nehmen, und sie anschließend umbringen. Warum, weiß selbst Noriko nicht. Ihre Eltern haben schwer gekämpft, Noriko hat versucht ihre große Schwester zu verteidigen. Doch am Ende hat ihnen all der Mut nichts gebracht. Noriko’s Eltern wurden grausam ermordet. Von so tapferen Leuten habe ich selten gehört, sie kämpften gegen die Armee aus Soldaten, obwohl sie ihnen 1000:2 unterlegen waren. Noriko gab ebenfalls ihr bestes…doch anscheinend war ihr bestes nicht gut genug. Miyuki wurde mitgenommen, was danach passierte kann keiner genau sagen. Es steht aber beinahe zu 100 % fest, dass sie schließlich wirklich ermordet wurde. Nachdem Nori diesen Kampf knapp überlebt hatte, musste sie schnellstmöglich aus Daikoku flüchten, und wieder hier her zurück nach Kagami-koku fliehen. Während der langen Flucht wurde sie dauernd angegriffen, sodass sie ihre Flügel nicht mehr nutzen konnte…“, erzählte Ren, und sah anschließend auf den Boden. Misa schluckte hart. Sowohl Ren, als auch Noriko hatten es in letzter Zeit nicht sehr leicht gehabt… Wenn sie selbst an die letzten Wochen dachte…das aufregendste, was ihr in den letzten Tagen passiert war, war, als sie den Braunhaarigen Kerl getroffen hatte, der sich verlaufen hatte. Keine zwei Stunden später hatte sie einen Dunkelblonden Jungen halbverhungert an einer Steinwand lehnen sehen. Sie hatte ihn angesprochen, doch er hatte die ganze Zeit einen Kompass in seiner Hand angeschrien, und dann nach einem Mädchen gerufen… Ren und Nori waren wirklich nicht zu beneiden… „Na, dass hab ich auch noch nie gehört…“, stellte die Blonde fest und seufzte tief. „Du tust mir echt leid Ren.“, fügte sie noch hinzu. Ren nickte still. Die drei gingen noch ein Stückchen weiter, bis Ren wieder etwas einfiel. „Ach, verdammt! Ich hab das Armband doch glatt vergessen…“, fluchte er und legte Noriko an einem Baum ab. „Hä, welches Armband denn?“, fragte sich Misa leise. „Pass bitte kurz auf sie auf, ich bin so schnell wie möglich wieder da!“, rief der Blonde und rannte zurück in die Richtung, aus der sie gerade eben gekommen waren. Misa sah drein wie bestellt und nicht abgeholt. „Na klasse…und jetzt?“, fragte sie sich laut und sah seufzend zu Noriko rüber. Zum ersten Mal fiel ihr etwas an ihr auf. //Ist es möglich…?//, dachte sie und rutschte näher an die Jüngere heran. Kritisch musterte sie jeden Teil von Noriko, bis sie leicht die Augen weitete. //Sie kommt mir so bekannt vor…ist sie es womöglich?...Tora…// Misa erinnerte sich plötzlich daran, dass sie als Kind mit einem Mädchen befreundet war, welches lila Haare hatte. Sie kannte sie nur wenige Wochen, doch waren die beiden damals unzertrennlich gewesen. Doch nach dem plötzlichen Tod ihrer Eltern an dieser ungewöhnlichen Krankheit, hatte sie Tora Shindo niemals wieder gesehen. War es möglich, dass Noriko Tora war? Doch dann schüttelte die Blonde leicht den Kopf. „Unmöglich…ich hätte sie sonst sofort erkannt! Und Tora war ganz anders als Noriko…“, sagte sie zu sich selbst. Als Misa das Thema gerade wieder tief in ihren Gedanken begruben hatte, kam Ren wieder angelaufen. Er lächelte leicht, also musste er wohl erfolgreich gewesen sein. „Hallo, und willkommen zurück Ren!“, scherzte Misa und lachte leicht. Ren stimmte in das Lachen ein. „Ja ja, lach du nur!“ „Tut mir leid, aber das ist schon irgendwie komisch.“ „Was denn?“, fragte der Angesprochene lachend. „Na, dass du totalen Wind um dieses Armband machst, das ganze Haus auf der Suche danach auseinander nimmst, und es nachher einfach vergisst und liegen lässt!“, erklärte Misa und lachte vergnügt weiter. Ren boxte ihr in die Seite. „Lass mich doch!“, erwiderte er ebenfalls noch immer lachend Mittlerweile war es später Abend geworden. Noriko war noch immer nicht aufgewacht. „Also, so langsam mache ich mir wirklich Sorgen um sie…Warum musstest du sie auch so fürchterlich erschrecken?“, fragte Ren an Misa gewandt. Misa seufzte leicht. „Das war wirklich nicht mit Absicht, ich hab es nur getan, damit sie mich bemerkt. Noriko ist da eine halbe Stunde durch das ganze Zimmer gewandert und hat echt jeden Quadratzentimeter nach irgendetwas abgesucht…“, meinte Misa und überlegte. Ren sah verwirrt drein und kratzte sich am Kopf. „Also…das verstehe ich nicht…“, sagte er und zuckte entschuldigend mit den Achseln. //Ich dachte, ich hätte ihr verboten, mir beim suchen zu helfen…Sie hält sich echt an keine einzige Regel…Kein Wunder, wenn sie sich dann so erschreckt. Aber sie hat es auch irgendwie verdient!//, dachte er zerknirscht. Misa beobachtete ihn. Irgendwie schien er wieder etwas abwesend zu sein…seltsam…worüber er wohl nach dachte… „Sag mal Ren…“ „Hmm?“, machte der Angesprochene und schreckte aus seinen Gedanken. „Bitte halte mich jetzt nicht für verrückt, aber vorhin, als du nach deinem Armband gesucht hast, hatte ich Zeit, Noriko etwas genauer zu betrachten. Und da fiel mir auf…dass sie genauso aussieht, wie meine Kindheitsfreundin. Aber sie verhält sich ganz anders und scheint sich auch nicht daran zu erinnern…denkst du, so etwas ist möglich?“, fragte Misa und spähte aus dem Augenwinkel rüber zu Nori. Ren seufzte. „Nun ja, wenn ich wirklich ehrlich sein soll…als ich sie zum ersten Mal gesehen habe, kam es mir auch einen Moment so vor, als ob ich sie kennen würde…aber das ist vollkommen unmöglich.“ „Warum denn?“ „Weil sie mir selbst erzählt hat, dass sie die letzten zehn Jahre in Daikoku gelebt hat, und meine Kindheitsfreundin lebte hier in Kagami-koku…“ //Bis sie schließlich einfach so verschwand…//, fügte er in Gedanken hinzu. Ren wollte noch etwas weiter erzählen, doch plötzlich hörten sie, wie jemand auf die beiden zu gestürmt kam. „DUUUUUUUUUUUUUUUU~“, schrie Noriko und rannte auf Misa zu, welche mit vor Schreck geweiteten Augen immer noch neben Ren am Lagerfeuer saß. „Du hast mich vorhin beinahe zu Tode erschreckt!“, motze die Jüngste und fing damit an, Misa mit irgendwelchen Ausdrücken zu beschimpfen, von denen sie selbst nicht einmal wusste, dass sie sie kannte. „Jetzt komm doch mal runter Zwergi!“, sagte Misa lachend und rutsche in paar Meter zurück. „NENN MICH NICHT ZWERGI!“, brüllte Noriko weiter. Ren brach in schallendes Gelächter aus. Misa stimmte in sein Lachen ein und hielt sich den Bauch. Noriko setzte sich ein paar Meter weiter weg von den Beiden und drehte sich um. Schmollend schenkte sie den beiden keinen einzigen Blick. „Übrigends wird Brutalo uns eine Weile begleiten~“, sagte Ren. „HEY!“, schrie Misa und schlug leicht auf Ren ein, welcher einfach weiter lachte. Noriko drehte ihren Kopf um – und bei dem Blick, den sie den beiden zuwarf, verging ihnen sofort das Lachen, und beide setzten sich wieder stumm ans Lagerfeuer. //Verdammt nochmal!// Als es noch später wurde, entschied Misa, dass Noriko die Nachtwache über das Feuer übernehmen sollte. Diese saß also noch immer schmollend am Feuer und verfluchte Misa innerlich. //Verdammt, was soll das?! Führt sich auf, als wäre sie die Anführerin und kommandiert alle herum…Ich kann die jetzt schon nicht leiden!//, dachte Noriko und hielt ihre Hände ans Feuer. Vorhin beim Essen hatte sie sich die Zunge mehrmals verbrannt. Ren war zum Fischen an den Fluss gegangen und hatte drei Fische mitgebracht. Da Noriko noch immer geschmollt hatte, hatte sie den beiden nicht zugehört, und ihr Fisch wurde dunkler und dunkler. Als sie ihn schließlich doch noch aus dem Feuer holte, war er schon verkohlt und tiefschwarz. „Bist du sicher, dass du das noch essen willst, No-chan?“, fragte Ren und schenkte dem Fischetwas in Nori’s Hand einen angewiderten Blick. Noriko dagegen ließ sich nicht weiter stören. „Ich esse meinen Fisch extra knusprig. Was dagegen?!“, giftete sie und biss einmal zu…sie hatte sich nicht nur die Zunge verbrannt, sondern hatte seitdem auch noch fürchterliche Bauchschmerzen gehabt… Die 15-jährige seufzte laut. Und jetzt musste sie auch noch die ganze Nacht Wache halten…nicht das es sie störte, wenn sie schlafen würde, wären ihr dabei wieder die ganzen Albträume erschienen, aber trotzdem litt sie an Schlafmangel. Dies zeigte sich auch, als sie einmal herzhaft gähnte. „Das ist sooo öde…“, sagte sie und stützte den Kopf auf ihre Hand auf. Dann fiel ihr wieder das Tagebuch ein, welches sie vorhin in Ren’s Haus gefunden hatte. Schnell steckte sie die Hand in eine Innentasche ihres Kimonos, in der sie das kleine Buch schon den ganzen Abend über versteckt hatte. Die Lilahaarige strich mit der rechten Hand über den Einband. „Das Vermächtnis - Die Wahrheit“, las sie den Büchertitel laut vor. Das klang doch schon mal interessant. Vielleicht würde sie durch dieses kleine Buch noch ein paar weitere Informationen erhalten, die Ren ihr bisher verschwiegen hatte. Sie wollte das Buch gerade öffnen, als plötzlich… „Ren! Verdammt, erschreck mich doch nicht so!“, sagte sie erschrocken zu dem Angesprochenen, welcher sie von hinten überrascht hatte. Er grinste leicht. „Tut mir leid…ich wollte dir eigentlich nur sagen, dass du dich schlafen legen kannst, ich übernehme dich Wache von jetzt an.“, erklärte er ihn einem derart freundlichen Ton, wie Noriko ihn noch niemals bei Ren gehört hatte. Sie nickte leicht. „Hey! Was hast du da für ein Buch?“, fragte er und schnappte danach. Noriko begann zu schwitzen. Was, wenn er das alte Buch erkennen, und sie anschreien würde? Nicht auszudenken, wie peinlich das wäre… „Was steht denn da?“, fragte Ren jedoch wider Erwarten, als er verwundert die alten Schriftzeichen musterte. Komisch…konnte er diese denn nicht lesen? Doch Noriko interessierte sich nicht weiter dafür, sondern nahm das Buch aus Ren’s Fingern. „Das ist nichts wichtiges…nur ein altes…öhm…Kochbuch…“, sagte sie abwinkend und versteckte es wieder in ihrer Innentasche. Der Blonde zuckte mit seinen Achseln und setzte sich vor das Lagerfeuer. Erleichtert stand Nori auf und lief zu dem Zelt, welches sie aus Ren’s Haus mitgenommen hatten. Der nächste Tag brach langsam an. Noriko und Misa waren recht früh auf den Beinen, und so entschieden sie sich, dass sie erst Mal ein Bad in dem nahegelegenen Fluss nehmen würde. Lächelnd folgte Ren den beiden. Doch es dauerte nicht lange, bis er gehauen und vom Fluss verbannt wurde. „Bleib hier!“, fauchte Noriko und ging dann zusammen mit Misa zu dem Fluss. Als die beiden fertig mit baden waren, begann eine kleine Diskussion darüber, welche der beiden wohl einen härten Schlag hätte. Natürlich stritten Misa und Noriko wieder, während die drei Freunde sich auf den Weg zurück zu ihrem Lager machten. Ren hatte an einem Baum gewartet, genau so, wie Noriko es ihm befohlen hatte. Im Lager angekommen ging Ren erst mal auf Abstand, und beschloss, etwas zum Essen zu kochen. Das war eigentlich keine gute Idee, was er auch selber fand. Er war nämlich ein ziemlich miserabler Koch…was er auch selber fand, aber niemals zugeben würde…Männlicher Stolz eben und so weiter… Aber zu Noriko’s und Misa’s Glück, fand Ren gar nichts Essbares. Er wühlte in den Taschen, doch fand er trotz aller Wühlerei nichts. „Leute...unser Essen ist weg…“, sagte er bedauernd und schüttelte die Taschen einzeln über dem Boden aus. „WAAAAAS? Wo ist das Essen?!“, fragte Noriko entsetzt. Wie sollte sie denn jemals noch wachsen, wenn nichts Essbares in der Nähe war?! Sie wollte noch etwas erwidern, doch plötzlich hörten die drei leise Essgeräusche über ihnen. Sofort wandte sich ihr Blick zu dem großen Baum, auf dem ein Mädchen mit Feuerroten Haaren saß. Sie ließ sich fallen, schlug einen Salto und kam wieder auf die Füße. In ihrem Mund hielt sie etwas zu Essen zwischen den Zähnen fest. Sie nahm das Reisbällchen aus dem Mund und lächelte leicht. „Ach...das war also euer Essen?“, stellte sie leicht grinsend fest. „JA!“, schrie Noriko und rannte auf das Mädchen zu. Diese wich ihrem Schlag aus und kicherte leise. „Upsi.“ „DIEBIN“, schrie Noriko und motzte noch weiter, während das rothaarige Mädchen vor ihr davon lief. „Wenn ich die erwische…ich schwöre dir, ich mache sie fertig!“, grummelte Noriko und lachte überheblich. Misa dagegen sah nicht sehr überzeugt aus. „Und wie willst du das bitte anstellen Schlaukopf?“ „…Tja…wenn ich das wüsste…“ _____________________________________________ Nächstes Kapitel: 「間違い」 ・ Fehler 「Machigai ~ It's my fault 」 Kapitel 4: 「間違い」 ・ Fehler 「Machigai ~ It's my fault 」 ----------------------------------------------------- Kapitel vier: 「間違い」 ・ Fehler 「Machigai ~ It's my fault 」 Nachdem das Mädchen weggerannt war, beschwerte Noriko sich erst mal eine Weile über die Rothaarige. Sie schien sich gar nicht mehr beruhigen zu können. Ren malte unterdessen mit seinen Fingern Kreise auf den Boden, und Misa spielte mit ihren Haaren. Noriko trat währenddessen gegen einen Baum, verletzte sich dabei am Fuß, hüpfte sich den Fuß haltend gegen denselben Baum, schimpfte über ihre neue Beule und schlug danach mit einem Fächer auf Ren ein. Dieser hielt sich seinen Kopf, damit Nori nicht noch weiter darauf einschlagen konnte. Er würde ja noch dumm werden, wenn sie so weiter machen würde. Aber so nebenbei…war er das nicht eh schon? Noriko ignorierte dies und schlug weiter auf seinen Rücken, seine Haare und seine Arme ein…einfach Alles, was gerade in ihrer Reichweite war. „AU! Aua! Autsch~ Das tut weh Q___Q… Was hab ich denn jetzt wieder gemacht?“, fragte das Opfer betroffen. Noriko schlug weiter zu. „Nichts, aber ich muss meine Wut irgendwo raus lassen~“, sagte sie und haute weiter zu. Ren seufzte laut auf und schob sie beiseite. „HEY!“, schrie Noriko und versuchte näher zu kommen, doch Ren hielt sie mit einer Hand am Kopf zurück. Nori ruderte mit ihren Armen, doch treffen konnte sie ihn trotzdem nicht. „Lass es gut sein No-chan.“, meinte Ren ruhig und fuhr damit fort, Kreise auf den Boden zu malen. Noriko setzte sich beleidigt zwei Meter von ihm weg. „Ich hab Hunger~“, beschwerte sie sich und fiel in sich zusammen. „Reg dich doch nicht so auf~“, motzte Ren und stand auf. Noriko fuhr nun damit fort, herum zu schmollen und sprach kein Wort. Wie eine Antwort auf sein Gerede, knurrte plötzlich Ren’s Magen…und das nicht gerade leise. „Oh man…hab ich Hunger…“, beschwerte er sich und lehnte sich an einen Baum. „Lass es gut sein Ren, reg dich doch nicht so auf~“, zitierte Noriko Ren und grinste. Der Blonde rollte mit seinen Augen und döste vor sich hin. //Hunger…// Plötzlich knurrte Nori’s Magen wieder, und Misa begann damit, lauthals über die beiden zu lachen. „Ihr zwei seid unverbesserlich~“, presste sie zwischen ihren Lachern heraus, und hielt sich den Bauch. Wie aufs Stichwort knurrte der Magen der Jüngsten erneut und dieses Mal lauter als die zwei Male zuvor. „Oh mein Gott…pass bloß auf Misa, Noriko hat dich gerade angeknurrt~“, meinte Ren, und sowohl er als auch Misa brachen wieder in schallendes Gelächter aus. Die Jüngste konnte über das Verhalten der Älteren nur den Kopf schütteln, ihre Augen verdrehen, und sich schließlich zurück ziehen. Wie die beiden anderen sich nur wieder aufführten…einfach nur unmöglich, wie sie fand. Sie setzte sich an einen Baum, welcher ziemlich weit von dem Lager der drei entfernt war. Dann kramte sie in der Innentasche ihres Kimonos und holte wieder dieses alte Tagebuch hervor. Vorsichtig löste sie das Band, welches mit einem verzierten Wachssiegel verschlossen war. Das Siegel war ein reichlich verziertes „K“. Somit wurde Nori’s Verdacht, dass es sich um ein Buch der Familie Kenka handelte, noch unterstützt. Sie wollte es wissen. Alles. Warum Ren nach dem Mädchen suchte, warum er nicht über seine Vergangenheit sprach, und vieles anderes. Vielleicht würde ihr dieses Tagebuch weiter helfen, um den Blonden besser verstehen zu können. Doch wer genau hatte es eigentlich geschrieben? Ren, oder vielleicht jemand anderes aus seiner Familie? Sie würde es sicher gleich heraus finden… Sie schlug die Erste Seite auf. Dort konnte man dasselbe Gemälde sehen, welches sie auch im Schlafzimmer von Ren’s Eltern gesehen hatte: Die junge blonde Frau, neben ihr der nett wirkende Mann, und davor ein blondes Kind, welches ohne Zweifel Ren sein musste. Noriko musste leicht lächeln, als sie das kindliche Lachen von Ren sah. Genauso hatte er die paar Male gelacht, seit sie sich kennen gelernt hatten. Unter dem Bild stand wieder der Titel des Buches, und außerdem standen drei Namen dort. „Ren…Kireina…Nemuri…sind das die Namen von seinen Eltern…?“, fragte sie sich und sah sich die Namen genauer an. Es waren dieselben Kagamischriftzeichen wie auf der Vorderseite benutzt worden, um sie zu schreiben, und Ren konnte sie anscheinend nicht lesen, wie man in der letzten Nacht gemerkt hatte. Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie Ren als Kind gequengelt hatte, um es nicht lernen zu müssen. Wahrscheinlich hatte er sich schmollend auf den Boden geworfen, wie ein Kind, welches sein Essen nicht essen wollte. Doch da fiel ihr noch ein anderer Grund ein: Seitdem der Krieg ausgebrochen war, wurden die alten Schriftzeichen nicht mehr gelehrt und so hätte er sie nur damals lernen können. Damals war er bestimmt nur 7 Jahre alt gewesen, Jungs durften die Schriftzeichen erst ab dem 9. Lebensjahr erlernen. Sie selbst hatte mit ihrer Schwester heimlichen Unterricht von ihrem Vater bekommen, da es Frauen eigentlich verboten war, Sachen wie Lesen und Schreiben zu können. Seit sie vier Jahre alt war, beherrschte Noriko die Fähigkeit, Lesen und Schreiben zu können. Doch sie war schon wieder zu weit vom eigentlichen Thema abgewichen. Die Lilahaarige schlug die nächste Seite im Buch um. Es war tatsächlich alles wie ein Tagebuch geschrieben worden. Mit Datum, Uhrzeit und so weiter. Während Noriko ein wenig darin herumblätterte, fiel ihr eine Seite besonders ins Auge: Dort klebte ein kleines Bild von einem Mädchen. Sie schien so etwa 5 bis 6 Jahre alt zu sein…doch sie sah genauso aus, wie Noriko selbst! Dieselbe Haarfarbe, dieselbe Augenfarbe… Woher hatte der Autor des Tagebuches ein Bild, auf dem sie abgebildet war? Doch da sah sie, dass unter dem Bild ein Name und ein längerer Text standen. Der Name lautete: Tora Shindo Tora? Noriko überlegte. Obwohl diese Tora ihr zum verwechseln ähnlich sah, schien sie trotzdem nicht so zu sein, wie sie selbst. Noch dazu kam, dass die Lilahaarige mit 5 noch blond war…also konnte dass Mädchen auf dem Bild gar nicht sie sein, auch wenn ein anderer Name darunter stand. Hatte Ren jemals etwas von einer Tora erzählt? Hatte er sie jemals mit Tora verglichen, oder sie selbst gefragt, ob sie mal einem Mädchen wie Tora begegnet war? …nein… Doch plötzlich kam eine andere Erinnerung in ihr hervor: Er wollte sich nun dem Untersuchen der Flügel widmen, als ihm zum ersten Mal Noriko’s ungewöhnliche Haarfarbe auffiel. "Deine Haare...ist das Naturhaarfarbe?", fragte er und bewunderte die satte Lavendelfarbe ihrer Haare. "Ja, das ist natürlich...Haarfärbemittel gibt es jetzt noch nicht.", meinte Noriko und kicherte leicht. Ren lächelte leicht und widmete sich nun den Flügeln. Sie hatte nur nicht ganz die Wahrheit gesagt…früher einmal waren ihre Haare blond gewesen…warum sie sich aber lila gefärbt hatten, wusste weder sie, noch jemand aus ihrer Familie. Ja…vielleicht war das ja ein versteckter Hinweis auf die Existenz von Tora Shindo gewesen…vielleicht hatte Ren ja gedacht, dass sie selbst Tora war, sich aber nur noch nicht zu erkennen gegeben hatte… Wenn dem so war, glaubte Ren dann vielleicht, dass sie es ihm nicht verraten wollte? War früher vielleicht etwas Schlimmes passiert, weshalb sie ihn hätte vergessen können? Noriko widmete sich dem Text, welcher unter dem Namen stand. Würde ihr das vielleicht jetzt weiterhelfen? ~Freitag, 13. September 985~ Seit Tora damals ziellos an unserem Haus vorbeigelaufen ist, hat sich viel verändert. Ren war immer so freundlich zu ihr, und sie hat ihm ihr Herz geöffnet. Von dem verschlossenen, kalten Wesen, wurde ein nettes, und aufrichtiges kleines Mädchen. Die beiden verbrachten fast jeden Tag zusammen, und so fand Ren auch heraus, warum sie vorher immer so kalt zu ihm war: Ihre Eltern waren vor einer kurzen Weile an einer ungewöhnlichen Krankheit gestorben, und es war nicht sicher, ob sie diese Krankheit vielleicht auch besaß. Als die Erkenntnis, dass ihre Eltern nie wieder kehren würden, in ihr aufkam, beschloss sie, dass es wohl das Beste wäre, erst einmal auf Abstand von dem großen Haus zu nehmen, welches ohne ihre Eltern nur noch kalt und leer war. Sie besuchte uns jeden Tag. Ren freute sich jedesmal darauf. Schon morgens wurde er hibbelig und konnte sich nicht auf sein Lernen konzentrieren. Das wunderte mich erst nicht, da man den Jungen das Lesen und Schreiben in den alten Schriftzeichen erst mit neun Jahren beibrachte, und der Kleine war gerade sieben geworden. Doch einmal hatte er den ganzen Tag vor der Tür gesessen, und sich erst wieder bewegt, wenn Tora endlich angekommen war. Die beiden waren so niedlich zusammen. Nemuri hatte einmal - nachdem ich ihn unsanft aus seinem täglichen 15-Stunden Schönheitsschlaf geweckt hatte - aus Scherz gesagt, dass die beiden später mal ein gutes Ehepaar abgeben würden – da sind beide ganz rot geworden~ Ich wünschte, ich hätte diese Szene malen, und diesem Text beilegen können, doch stattdessen habe ich lieber ein Bild von Tora gemalt. Ich bin sicher, dass aus ihr mal eine echte Schönheit werden wird. Ren hätte so ein hübsches Mädchen sicher sehr gerne als seine Ehefrau gehabt~ Ich freue mich jeden Tag mehr darüber, dass er es geschafft hat, das Mädchen so zu ändern. Das hat noch niemand jemals geschafft. ~Samstag, 14. September 985~ Etwas ist wirklich seltsam... Ren sagt, dass Tora gestern nicht zum gemeinsam spielen aufgetaucht wäre. Er hätte mehrere Stunden lang gewartet, doch sie sei niemals gekommen. Das ist vorher noch nie passiert. Ihn schien die Sache nicht weiter zu interessieren, doch Nemuri und ich machen uns schon irgendwie Sorgen…sie war noch nie unangekündigt verschwunden… Ob ihr wohl irgendwas passiert ist? ~Donnerstag, 28. Oktober 985~ Seit jenem Tag keine Spur von Tora. Ren wurde jeden Tag unglücklicher, machte sich nach einer Woche ernsthafte Gedanken über die Geschehnisse. Ich frage mich nur, ob er Streit mit Tora hatte, oder ob jemand dem Kind etwas angetan hatte… Ich hoffe, dass sich die ganze Situation noch klären wird…Das arme Kind… ~Mittwoch, 18. Dezember 985~ Immer noch keine Spur. Nemuri hat ein paar unserer Dienstleute auf die Suche nach ihr geschickt… Was ist nur geschehen? Sie wäre niemals einfach weggelaufen, dafür kenne ich sie schon zu lange… Doch es gibt noch mehr seltsame Dinge… Neben uns sind vor einer Weile andere Leute eingezogen, ich glaube, es sind normale Menschen… Das Mädchen, Ayame, hat sich gut mit Ren angefreundet, und spendet ihm Trost, seit Tora nicht mehr da ist… Und neulich kam hier ein kleines blondes Mädchen vorbei, die sich aus irgendeinem Grund fürchterlich darüber freute, Ren zu sehen…doch er kannte sie nicht und hat das auch klar gemacht…und als sie Ayame gesehen hat, wurde sie auf einmal wütend und verschwand…ich hoffe, dass da nicht irgendwas schreckliches passiert ist… ~///////////////////~ Sie sind tot…alle drei sind tot. Ihnen wurde die Kehle durchgeschnitten, sie sind erstickt…wer würde so etwas nur tun? Ich will nicht hoffen, dass hier plötzlich jemand auftaucht, der einen Hass gegen Menschen verspürt… ~///////////////////~ Sie kommen! Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Soldaten kommen durch den Kiseki-See! Irgendjemand hat wohl verraten, wie man von der einen Welt in die andere Reisen kann… Wir müssen schnell flüchten, wer weiß, was sonst alles passiert… In den letzten Tagen wurde von mehreren Morden an menschlichen Familien berichtet, die alle etwas mit der Winged Race zu tun gehabt hat… Die Regierung wird uns die Schuld geben…Das wird alles noch schlimm enden, da bin ich mir sehr sicher… Tora… Sie wird wohl tot sein…ich darf Ren nichts davon sagen, er ist fest davon überzeugt, dass sie wieder kommen wird… -Kireina Kenka- Noriko weitete die Augen. Dieses Mädchen…sie war tot? Wusste Ren davon? Vielleicht nicht… Sie schaute sich die Seite nochmal genauer an. Bei den letzten Einträgen…dort klebten überall Bluttropfen…die nächsten Seiten waren vollkommen mit Blut befleckt. Was war mit diesem Buch geschehen? Und was steckte wohl hinter all den Morden an den Menschen… Hatte die Person, die die ganzen Leute umgebracht hat, vielleicht etwas mit der Auslösung des Krieges zu tun? „Hey No-chan!“ Noriko schreckte auf. Ren war zu ihr gekommen, und sie hatte seine Schritte nicht gehört. Ertappt versuchte sie das Buch zu verstecken. „Ich wollte eigentlich nur sagen, dass mir das Alles von vorhin leid tut. Misa will sich auch entschuldigen. Komm doch wieder zu uns, ohne dich wird einem echt schnell langweilig.“, erklärte der Ältere und grinste bei der letzten Bemerkung. Die Angesprochene nickte schwach und richtete sich auf. Dabei fiel ihr das Buch aus der Hand. Es knallte auf den Boden und dadurch wurden ein paar Seiten geöffnet. Noriko hob es hastig auf und drückte es an sich. „Was hast du da?“, fragte Ren neugierig. „Ach, nur wieder dieses Kochbuch…nichts Wichtiges.“, meinte Nori und winkte schnell ab. „Komm, lass uns schnell zum Lager gehen. ^.^‘“ Ren wunderte sich. Warum las sie dauernd in dem Kochbuch? Was war daran denn so toll? Er war doch viel toller! Sie hätte ihn gerne anstarren können, es wär ihm egal gewesen. …doch Nori schien sich daran nicht weiter zu stören. Sie war zu beschäftigt damit, das Buch zu verstecken. Doch Ren meinte nur „Ist doch egal, ich muss eh noch kochen lernen!“, und grapschte es weg. Noriko weitete ihre Augen, und versuchte schnell, das Buch wieder wegzunehmen, doch Ren hielt es so hoch, dass sie nicht mal mit einem Sprung daran kommen würde. „Haha, ich bin größer als du~“, sagte Ren und grinste. Noriko seufzte. „Ist dir echt früh aufgefallen…aber lies das trotzdem nicht!“, meinte sie, und musste mit ansehen, wie er das Buch aufklappte, und langsam damit begann, darin zu lesen. „Nein, bitte Ren, lass es!“, schrie sie verzweifelt, weil sie nicht wusste, und nicht wissen wollte, wie der Blonde darauf reagieren würde, dass sie sein Tagebuch hatte…oder viel mehr das von seine Mutter…Sie wusste bestimmt zu viel… Ren’s Augen weiteten sich bei jedem weiteren Wort, welches er las. Schließlich schlug er das Buch mit voller Wucht zu, sah sie wütend an, und schickte anschließend eine Ladung Strom durch die Papierseiten, sodass es in seiner Hand verbrannte. Noriko zuckte zusammen, während e sie mit purer Wut, beinahe Hass anstarrte. Sie schluckte, wollte sich entschuldigen, doch kein einziges Wort kam ihr über die Lippen. Schließlich brach Ren die andauernde Stille. „Wie kannst du es wagen, privates Eigentum zu stehlen und darin herum zu wühlen? Das, was dort drin steht, geht niemanden außer mich und meine Familie etwas an!“, fauchte er und drehte sich um. „Außerdem ist sie nicht tot!“, zischte er noch, dann ging er so schnell wie möglich zurück zum Lager. Noriko schluckte erneut. In ihrem Hals nistete sich ein fetter Kloß ein, sodass ihr das Atmen erschwert wurde. War Ren wirklich so wütend, wie es gerade schien? Würde sie jetzt vielleicht wieder alleine wandern müssen? Sie wollte nicht…alleine sein…Das würde sie daran erinnern, dass Ren und Misa die einzigen Freunde waren, die ihr nun geblieben waren…alle anderen Leute, die ihr etwas bedeuteten, waren schon lange tot… Schnell nahm sie ihre Beine in die Hand, und rannte Ren hinterher. Sie sah gerade noch, wie Ren Misa eine Tasche zu warf, und die beiden dann ohne sich noch mal zurück zudrehen los gingen. Sie verabschiedeten sich nicht einmal… Misa war wirklich verwundert. Eben meinte Ren zu ihr, dass sie schnell alles zusammen packen sollte, was ihr wichtig war, und die beiden dann verschwinden würden. Was war denn nun schon wieder passiert? Hatten sich die beiden Turteltauben etwa mal wieder gestritten? Das war doch wirklich nichts neues mehr… Dennoch ging sie lieber mit Ren mit. Er würde sich sicher besser in der Gegend auskennen, schließlich hatte er sein ganzes Leben hier in Kagami-koku verbracht, und Noriko hatte seit zehn Jahren in Daikoku gelebt… Außerdem könnte er sie im Notfall sicher besser verteidigen und so…schließlich war er ein Junge… Noriko sah den beiden angeschlagen nach. Der Kloß in ihrem Hals wurde immer größer, und das schlechte Gewissen meldete sich. warum hast du dieses dumme Buch auch gelesen? Ist alles deine Schuld… warf die Stimme ihr vor. „Halt die Klappe!“, zischte Nori und drehte sich seufzend um. Das war’s dann wohl, mit ihrer Freundschaft… Langsam ging sie zurück. Nach einer Weile schon kam sie wieder an dem Fluss an, in den sie gefallen war, als Ren seine Pilz-Anfälle hatte. Sie starrte auf das klare Wasser und ließ sich schließlich einfach fallen. Das kalte Wasser spritzte auf. Ihre Kleidung sog sich voll und wurde schwer. Sie blieb einfach mit dem Kopf unter dem Wasser. Vielleicht würde ihr die Kälte helfen, ihren Kopf frei zu bekommen. Sie musste es einfach nur positiv sehen, dann würde schon alles wieder gut gehen… Schnell tauchte sie wieder auf und starrte zum Himmel. „Okay…positiv…was gibt es denn positives zu sagen…?...Öhm…Ren ist ein Vollidiot!“, sagte sie und lachte leicht. Dann ließ sie wieder den Kopf hängen. „Ne, das zählt nicht, er war vorher schon blöd…öhm…ach verdammt, mir fällt nichts ein!“, klagte sie und haute einmal auf ihren Kopf. Dann fragte sie sich, warum sie überhaupt in dem Buch gelesen hatte. Pure Neugierde war es jedenfalls nicht, was sie dazu geritten hatte. Sie hatte einfach nur etwas mehr über den geheimnisvollen Ren wissen wollen, mehr nicht. Und sie hatte auch wissen wollen, was es mit dem Mädchen auf sich hatte, welches genauso aussah, wie sie selbst. Eine kleine Träne floss aus ihrem Auge. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein! Warum war sie nur so traurig darüber, dass Misa und Ren weg waren? „…ganz eindeutig liegt es daran, dass ich jetzt keinen Ansporn mehr zum wachsen habe!“, sagte die Lilahaarige, vollkommen von ihrer Antwort überzeugt. Dann seufzte sie wieder, schüttelte den Kopf, und wischte schnell die Träne weg. Dann richtete sie sich auf, ging wieder an Land, und setzte dann ihren Weg fort, mit oder ohne nasser Kleidung, dass war ihr egal. Es war ihr auch egal, wenn sie krank werden würde. Einfach alles war nun egal… Es waren nun bestimmt schon drei Stunden vergangen, seit Ren und Misa so überheblich weggegangen waren. Misa fragte sich schon seit einer Weile, warum Ren überhaupt so sauer war, und was genau nun eigentlich passiert war. Doch egal, wie sehr sie sich ihren blonden Kopf darüber zerbrach, ihr fiel einfach nichts ein, was schlimm genug hätte sein können, dass Ren sich so benahm, wie genau jetzt. Normalerweise war auch immer er der Jenige, welcher sich über Noriko lustig machte, und nicht anders herum. „Also Ren, mir geht diese ewige Schweigerei auf den Senkel, sag mir doch endlich, was so furchtbar schlimmes passiert ist, dass du nicht mehr mit No-chan zusammen reisen willst!“, sagte sie, und Ren blieb auf der Stelle stehen. „Du willst das also wirklich wissen? Okay, ich nenn dir einen Grund: Wie wäre es zum Beispiel damit, dass sie einfach in meinen Privaten Sachen herum schnüffelt, und Sachen über Tora ließt, die sie nichts, absolut gar nichts angehen!“, sagte er und kniff die Augen enger zusammen. Misa sagte nun gar nichts mehr. Sie sah zu Boden und verstand es nun. Später saßen die beiden auf einer anderen Lichtung, und Ren hatte Abstand von der Jüngeren genommen. Er dachte nochmal über alles nach, was an diesem Tag geschehen war. Hatte er vielleicht doch etwas überreagiert? „Irgendwie schon…“, sagte er zu sich und seufzte. In seinem Kopf formte sich das altbekannte Bild von Tora immer wieder zu einem von Noriko, bis die beiden Bilder miteinander verschmolzen. Das bereitete ihm Kopfschmerzen, und seufzend ging er zurück zu Misa, um mit ihr zu reden. In der Zeit, in der Ren mit Misa über die verschiedensten Dinge redete, schlug Noriko sich irgendwie durch den Wald durch. Sie hielt es nicht aus, dass ständig etwas den Weg versperrte, und so schrie sie alles an. Die Bäume, die Äste, die Steine… „Blöder Ast! Geh mir gefälligst aus dem Weg!“, motzte sie und stolperte plötzlich. Wie viel einfacher wäre es denn nun, wenn sie bloß fliegen könnte? Sie würde ja, aber die Flügel waren immer noch nicht geheilt… Was sollte sie tun? Sollte sie vielleicht etwas üben? Würden dadurch die Schmerzen nur größer werden? Würde es helfen…? Sie beschloss, dass es mal wieder an der Zeit war, ein dummes Risiko einzugehen. Also öffnete sie ihren Kimono und biss sich auf die Lippe. Die Schmerzen waren bestimmt wieder unerträglich… Und während sich die langen Flügel langsam wieder einen Weg nach draußen bahnten, hielt sie es nicht aus, und sie stieß erneut einen lauten Schmerzensschrei aus. Nachdem das Gespräch zwischen Ren und Misa nun beendet war, beschlossen die beiden, dass sie nun weiterreisen würden. Misa wusste wirklich nicht, was sie nun machen sollte, denn Ren war aggressiver den je, und schreite ständig irgendwelche Tiere an. Was konnten die denn bitte dafür, dass er so überreagierte? Richtig…absolut gar nichts… „Mensch, ich hab keine Lust mehr! Ist doch jetzt eh alles egal…“, meinte der Blonde und ließ sich gegen einen Baum fallen. Dann schloss er die Augen. Als dann plötzlich ein lauter Schrei zu hören war, erschrak der eben noch so gelassene Ren und riss seine Augen auf. Er atmete schwer, als er vergeblich versuchte, sich einzureden, dass das gerade nicht Noriko’s Schrei gewesen war. War sie etwa in Gefahr…? „Hey, hast du das gerade auch gehört?“, fragte Misa ängstlich und klammerte sich seitlich an Ren’s linken Arm. Dieser jedoch schluckte und schloss wieder seine Augen. „Wovon redest du da bitte? Da war…gar nichts…“, sagte er und döste weiter vor sich hin. Misa jedoch musste ebenfalls schlucken. Was war, wenn das gerade wirklich Noriko war, und sie ihre Hilfe brauchen würde? Stand ihnen Ren’s Stolz im Weg? Noriko machte Flugversuche. Immer wieder sprang sie von Baum zu Baum. Allmählich konnte sie ihre Flügel wieder etwas bewegen, und so hatte sie den einen oder anderen Flügelschlag schon vollziehen können. „Das schaff ich doch mit Leichtigkeit!“, sagte sie von sich selbst überzeugt und ging dann zu einer nahegelegenen Klippe. Sie schien so etwa 30 Meter tief zu sein. Noriko schluckte einmal. War das vielleicht zu schaffen? Sie glaubte schon daran, doch was wäre, wenn… Sie schüttelte ihren Kopf. Kein wenn, und kein aber! Sie würde das hier eiskalt durchziehen, sonst würde sie ja wohl niemals in der Lage sein, jemals wieder zu fliegen. Das spornte die Lilahaarige an, und frohen Mutes ließ sie sich von der Klippe fallen. Die ersten paar Meter ließ sie sich noch im Sturzflug fallen, dann begann sie langsam damit, ihre Flügel zu bewegen. Gerade war sie noch im Sturzflug, doch durch die Flügelbewegungen kam sie sofort in eine waagerechte Haltung, und sie schwebte 20 Meter über dem Boden. Fliegen fühlte sich so unglaublich gut für sie an. Sie fühlte sich frei, frei von allen Sorgen… Doch es kam, wie es kommen musste, und nach ein paar weiteren Flügelschlägen, konnte Noriko sich nicht mehr halten. Ihre Flügelverkrampften sich, sie sah ängstlich zum Boden, und dann stürzte sie auch schon ab. An einen Schrei war gar nicht erst zu denken, hier war absolut niemand, der ihr gerade helfen könnte… Als Noriko auf einmal spürte, wie sie von jemandem aufgefangen wurde, öffnete sie rasch die eben geschlossenen Augen, und blickte zu einem braunhaarigen Jungen mit schwarzen Drachenflügeln auf. Dieser sah zu ihr zurück und grinste. „Ähm…danke…“, sagte sie überrascht, und lächelte vorsichtig zurück. „Kein Problem!“, antwortete der Junge und flog zum Boden. „Du bist wohl schon lange nicht mehr geflogen, was?“, fragte er sie und lächelte weiter. Noriko nickte. Wie hätte sie denn auch fliegen können, ihre Flügel waren doch verletzt. Schließlich kamen die beiden dann auf dem Boden auf, und er setzte sie ab. „Vielen Dank, du hast mein Leben gerettet.“, sagte Noriko noch einmal, aber der Typ winkte nur ab. „Immer wieder gerne~“, sagte er und hob erneut vom Boden ab. Lächelnd sah sie ihm hinterher, und setzte dann ihren Weg fort. Doch plötzlich kam in ihr eine Erkenntnis hoch: //Hat der Typ mir gerade am Po herum gefummelt?//, fragte sie sich, und dachte nach. „Nee, der doch nicht.“, sagte sie und ging lächelnd weiter. Auf einmal krachte es, wie wenn jemand gegen eine Felswand fliegt, und insgeheim hoffte Noriko, dass es Ren war. Dieser stolperte gerade mit Misa durch den Wald, der eigentlich mehr einem Dschungel glich. Niemand von beiden schien in eine bestimmte Richtung gehen zu wollen, und so fragte Misa lieber einmal nach. „Hey, Ren! Wohin gehen wir jetzt eigentlich genau?“, fragte sie und kratzte sich am Kopf. Ren setzte einen verwunderten Gesichtsausdruck auf. „Ich dachte, du weißt, wo wir hin gehen…?“, fragte er verwundert und sah zu Boden. Misa seufzte laut. Warum war Noriko in solchen Momenten nicht da? Sie hätte jetzt bestimmt gewusst, was zu tun war…aber sie war ja nicht da… Noriko hingegen lief durch ein paar Büsche. Seit der Typ sie vorhin gerettet hatte, war sie nicht mehr so negativ gewesen. Es gab ja immerhin noch viele andere Leute, mit denen sie hätte gehen können. Diese Aussage wurde bestätigt, als sie von weitem her eine Stimme hören konnte: „Bitte! Du musst mir unbedingt sagen, wie ich von hier wegkomme! Ich sitze schon seit mehreren Tagen hier fest, und den Kompass kann ich auch nicht lesen!“ Noriko hob eine Augenbraue. Die Stimme kam ihr entfernt bekannt vor. Dann ertönte eine zweite Stimme: „Ich weiß es auch nicht…ich hab Hunger…“ Erneut schien sie so etwas, wie ein Deja Vu zu haben, nur dass es darum ging, etwas schon mal gehört zu haben. Diese Stimme klang wie die des Mädchens, welche ihren Proviant geklaut hatte… Als sie noch ein Stück weiter lief, stand sie wieder vor dieser Felswand, genau wie vor ein paar Tagen. Vor der Felswand stand tatsächlich das rothaarige Mädchen, und an ihr rechtes Bein klammerte sich ein dunkelblonder Junge. Den kannte sie doch auch von irgendwo her…oder? Genau, das war doch der Junge, welcher sie und Ren vor einer Weile verzweifelt nach einem Weg gefragt hatte, um seine Freunde zu finden… Beim Anblick des Mädchens hätte sie es am liebsten sofort angebrüllt, doch sie ließ es lieber bleiben. Sie ging auf die beiden zu und sagte mal eben „Hallo.“ Der Junge sprang sofort auf und legte ihr seine Hände auf die Schultern. „Hör zu, ich kenne dich, und es tut mir leid, dass ich meine Beine habe herum liegen lassen, aber bitte sag mir, wie ich von hier weg komme!“, bettelte er und deutete auf die hohe Felswand. Noriko sah zu seinen goldenen Flügeln. „Warum fliegst du nicht einfach?“, fragte sie und zupfte an einer goldenen Feder. Er schaute sie überrascht an, doch dann winkte er ab. „Ne, das wäre doch viel zu einfach!“, meinte er und grinste. Nori seufzte laut. „Tut mir leid, aber ich habe jetzt wirklich keine Zeit für sowas…“, meinte sie und ging wieder los. Als sie aber wenig später mehrere Schritte hinter sich hörte, drehte sie sich wieder um. Der Junge und das Mädchen waren ihr hinter her gelaufen. „Warum folgt ihr mir?“, fragte sie verwundert. Beide sahen sich an und zuckten dann mit ihren Schultern. Noriko schlug sich eine Hand vor die Stirn. Dann ließ sie sich auf den Boden fallen, und fragte erst Mal nach ihren Namen. „Ich heiße Raiyu!“, antwortete der Junge sofort. Noriko zuckte leicht zusammen, weil sie mit einer so schnellen Antwort wirklich nicht gerechnet hatte. „Ich bin Noriko.“, stellte sie sich vor und beide sahen dann zu dem Mädchen. „Wie ist dein Name?“ „…“ „Wenn der Name doof ist, ist doch egal, ich lache nicht.“ „…“ „Du könntest ihn auch einfach aufschreiben.“, half die Lilahaarige ihr auf die Sprünge. „Darauf habe ich jetzt keine Lust.“, sagte das Mädchen und Noriko fiel schlagartig um. Danach fragte Raiyu nach, und dieses Mal antwortete sie auch. „Yoshino.“, sagte das Mädchen und sah zu Noriko. „Wo sind denn die anderen beiden hin?“, fragte sie mit einem leichten Unterton von Desinteresse. Die Angesprochene seufzte laut auf. „Ist ne lange Geschichte…“, sagte sie und winkte leicht ab. „Ich will sie gerne hören!“, antwortete Raiyu direkt und wieder zuckte Noriko zusammen. Konnte der Typ sich nicht mal ein paar Sekunden mit der Antwort Zeit lassen? „Ich höre auch zu.“, sagte Yoshi und setzte sich ebenfalls hin. Und so begann Noriko, mit der Erzählung der Geschehnisse. „Und dann hat er das Buch verbrannt, und ist einfach weggegangen…“, beendete sie ihre Erzählung nach einer Weile. Sie sah zu den beiden. Raiyu grinste sie immer noch wie ein Irrer an. Yoshi hingegen saß einfach nur still da und schien nachzudenken. Nach zehn Minuten richtete Nori das Wort wieder an Yoshi. „Und?“ Yoshi sah sie genau an. „Worüber haben wir gerade noch mal geredet? Hast du was zu essen?“, fragte sie, und Noriko seufzte erneut auf. „Das hilft mir jetzt nicht wirklich weiter…“, meinte sie und sah dann wieder zu Raiyu. Dieser jedoch starrte die ganze Zeit auf einen Kompass in seiner Hand, dessen Nadel nicht stehen blieb. Sie seufzte erneut auf. Das konnte ja noch was werden… __________________________________________ Kleiner Vorgeschmack auf das nächste Kap (1): Doch Yoshi achtete nicht darauf. Sie kam näher und stellte sich direkt vor Ren. Er schien sie nicht einzuschüchtern, obwohl er einen Kopf größer war. Und dann, ohne Vorwarnung, näherte sie sich seinem Gesicht. Misa und Noriko weiteten die Augen, ihre Münder klappten auf, während sie zu sahen, wie Yoshi Ren abknutschte. „Yoshi?! Hast du ihn gerade geküsst?“, fragte Misa schockiert. „Ein wenig~“, antwortete die Rothaarige. „Warum?“, fragte Nori entsetzt. „Einfach so~“, sagte Yoshi sorgenfrei und grinste leicht. Ren unterdessen sah zu Nori. Sie sah zurück. Der Blonde grinste sie an und kam näher. Noriko zuckte zusammen. „Ren! Komm mir nicht näher! Nein, lass das!“ Kleiner Vorgeschmack auf das nächste Kap (2): Noriko zog langsam ihren Kimono aus. „Sollten wir damit nicht doch lieber warten, bis wir uns etwas besser kennen gelernt haben?“, fragte eine belustigte Stimme hinter ihr. Blitzartig drehte sie sich um und erkannte den braunhaarigen Jungen, welcher vorhin bei ihnen gespannt hatte. „Was willst du, du Stalker?“ Nächstes Kapitel: 「泉」 ・ Quelle 「Izumi ~ There is a cure ? 」 Kapitel 5: 「泉」 ・ Quelle 「Izumi ~ There is a cure ? 」 ---------------------------------------------------- Kapitel fünf: 「泉」 ・ Quelle 「Izumi ~ There is a cure ? 」 Während Noriko schon wieder halb am verzweifeln war, dachte Yoshi eine weitere Weile weiter über etwas nach. Nach ein paar Minuten richtete Raiyu wieder das Wort an die Jüngste: „Ich habe dich vorhin beobachtet…du weiß schon, beim Fliegen und so. Kann es sein, dass du ein paar Probleme hast?“, fragte er, und sofort fing er sich eine Klatsche von Yoshi ein. Geschockt hielt er sich den roten Handabdruck. „Oh ne, jetzt hab ich da deinen Handabdruck! Warum hast du mich gehauen?“, fragte er weinerlich. Yoshi griff zu einer Tasche und holte ein Reisbällchen raus. Sie steckte es sich in den Mund und kaute genüsslich. Nachdem sie drei weitere Reisbällchen gegessen hatte, wandte die Rothaarige den Blick zu Raiyu und Nori und bemerkte, dass beide sie anstarrten. Sie starrte zurück. „Was ist?“, fragte sie gelangweilt und griff nach zwei weiteren Reisbällchen. „Ich wollte wissen, warum du mich geh…HEY! Das waren meine Reisbällchen!“, schrie Raiyu und sprang auf. Yoshi beobachtete ihn. Sie dachte, dass der Blonde jetzt bestimmt denken würde, er würde über ihr stehen. Auch, wenn er das wortwörtlich tatsächlich tat, wollte sie dies nicht, und so riss sie ihm die Beine weg. Raiyu knallte mit voller Wucht auf Noriko’s Schoß, diese begann zu schreien, und schloss ihn dann in einen großen Eisklumpen ein. „Was soll das?“, fragte sie schreiend, und lief dunkelrot an. Raiyu hätte ihr geantwortet, doch er war gerade mit anderen Dingen beschäftigt. „Lass ihn einfach da drinnen, er hat es verdient.“, sagte Yoshi, als Noriko gerade das Eis wegschlagen wollte. Jetzt raffte sie gar nichts mehr. „Ich hab ihn nur gehauen, weil er nach deinen Problemen gefragt hat.“, stellte die Ältere klar. Über dem Kopf der Lilahaarigen schwebte ein dickes rotes Fragezeichen. „Was ist daran denn so schlimm gewesen?“, fragte sie verwundert und setzte sich wieder. Ein paar Minuten vergingen, ehe Yoshi dann endlich beschloss, ihr zu antworten. „Ich wollte dich zuerst fragen.“, sagte sie nur und aß dann ein weiteres von Raiyu’s Reisbällchen. „Warum hast du das dann nicht einfach gesagt, anstatt ihn zu schlagen?“ „Mir war irgendwie danach…“, sagte Yoshi und zuckte mit ihren Schultern. Wie schon häufig an diesem eigentlich wunderschönen Tag, fiel Noriko wie vom Drop erschlagen um. Als Raiyu nach ein paar Stunden von der Sonne wieder aufgetaut war, stellte er die Frage von vorhin erneut, dieses Mal ließ Yoshi ihn in Ruhe. „Ähm, ja ich hab da meine Probleme…“, gab Noriko zu und lächelte leicht. Sie wollte eigentlich nicht weiter darauf eingehen, aber es war ihr aus irgendeinem Grund sofort klar gewesen, dass Raiyu und Yoshi nicht locker lassen würden…naja, zumindest Raiyu nicht. „Was ist denn passiert?“, fragte er mitfühlend und musterte sie von allen Seiten. „Hast du vielleicht Höhenangst?“, fragte er und dachte dabei an eine ganz spezielle Person. Noriko hob eine Augenbraue, dann schüttelte sie den Kopf. „Nein. Das wäre doch bescheuert, wenn ich Flügel zum Fliegen, aber auch Höhenangst hätte.“, meinte sie und winkte schnell ab. „Woran liegt es dann?“, fragte der Blonde weiter und starrte sie ganz genau an. Noriko seufzte mal wieder und zeigte dann zu ihrem Rücken. Raiyu sah dort hin. „Was ist mit deinem Rücken? Juckt er? Soll ich mal kratzen?“, fragte er verwirrt und stand sofort auf. Die Jüngste sah ihn seltsam an. „Quatsch, nein, es juckt nicht! Ich habe Probleme mit meinen Flügeln!“, stellte sie klar und schlug sich eine Hand vor die Stirn. Raiyu grinste, machte dann aber wieder ein verwundertes Gesicht. Er legte eine Hand an sein Kinn und überlegte. „Was ist denn mit deinen Flügeln? Hast du Muskelkater?“ Wieder schüttelte Noriko den Kopf und winkte ab. „Wenn du nicht ernst sein kannst, sage ich ab jetzt gar nichts mehr!“, sagte sie und sah zu Yoshi, welche noch immer genüsslich Raiyu’s Reisbällchen aß. Der Älteste kratzte sich am Kopf. „Seit wann bin ich denn jetzt nicht ernst gewesen?“, fragte er. „Schon die ganze Zeit!“, schrie Noriko ihn an und explodierte. Raiyu schüttelte nur den Kopf. „Versteh einer die Frauen…“, murmelte und lag einen Moment später mit einer fetten Beule neben einem Baum. „Warum bist du so aufgewühlt?“, fragte Yoshi still und sah zu der Lilahaarigen, welche Raiyu gerade eiskalt gegen den nächsten Baum geworfen hatte. Erstaunlich, weil sie bestimmt ganze drei Köpfe kleiner als er war, wie Yoshi fand. „Vergiss es…“, murmelte Noriko und griff nach ihrer kleinen Tasche. //Ich gehe lieber…die beiden sind mir zu seltsam…//, dachte sie und wollte los gehen, bis sie spürte, dass etwas an ihrem Kimono hing. Sie wandte sich um und sah, dass Yoshi sie mit einer Hand am Kimono festhielt, ohne sich umzudrehen. Noriko hätte sich dabei wohl den Arm verrenkt, aber der Rothaarigen machte es anscheinend nichts aus. „Was ist?“ „Ich habe dich etwas gefragt.“, sagte Yoshi ruhig und schluckte. Sie sah kurz zu Raiyu. „Hast du noch was zu essen bei dir?“ „Nein!“, hustete Raiyu und keuchte leise. Er lag noch immer vor dem Baum auf dem Boden. Das Mädchen zuckte mit den Achseln und seufzte. Dann sah sie Noriko wieder so eindringlich wie eben an. Das war wirklich das erste Mal, dass Yoshi richtige Emotionen gezeigt hatte, dachte Noriko und kicherte leicht. Wenn Ren das gehört hätte, würde er… Ihr stockte der Atem, als ihr gerade wieder klar wurde, in welcher Situation sie gerade steckte. Sie biss sich auf die Unterlippe und strich sich ein paar lavendelfarbene Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann ließ sie sich wieder neben Yoshino auf den Boden sinken und kramte in einer Tasche. Als sie fand, wonach sie suchte, machte sie kurz ein glückliches Gesicht: Eine große Flasche gefüllt mit Sake. Sie schmiss sie Tasche weg und öffnete die Flasche. Während sie Schluck für Schluck langsam die Flasche leerte, kam Raiyu langsam wieder angekrochen. Als er zu der Sakeflasche und der Tasche sah, wurde ihm ganz übel…das…das war doch Sakyu’s Flasche, oder? Nervös kaute er an seinen Fingernägeln. Dann riss er Noriko die Flasche weg – sie hatte knapp drei viertel davon geleert. „HEY! Das war meine!“, maulte sie und hickste einmal. Das war das erste Mal gewesen, dass sie jemals Alkohol getrunken hatte, doch ihr Vater meinte immer, dass es einem nach einem Streit dann besser gehen würde. Sie hatte damals noch nicht ganz begriffen, was er damit gemeint hatte, aber Ren und Misa, die beide nicht mehr bei ihr waren, waren nun von einem mächtigen Rausch aus ihren Gedanken vertrieben worden…Für kurze Zeit zumindest… „Ich dachte, du wärst nicht so spießig!“, lallte sie und ihre Wangen wurden leicht rosa. Raiyu hatte derweil ganz andere Probleme. Er hatte diese Flasche auf Sakyu’s Bestellung mitbringen sollen, und wenn sie nichts zu trinken bekam, würde sie… „VERDAMMT! Entweder sie bringt mich um, oder Yuka wird es tun, weil ich mich verlau….ähm zu lange gewandert bin…“, sagte er erschrocken und steckte die Flasche schnell weg. Dann formte er mit Hilfe seine Fähigkeiten ein gläsernes Schloss und schloss damit seine Tasche ab, damit nicht noch mehr von seinen Sachen geklaut werden würde. Noriko stand leicht schwankend auf und sah zu Yoshi. Dann grinste sie breit und zog sie hoch. „Los! Lass uns tanzen…“, nuschelte sie und lachte laut. Yoshi setzte sich wortlos wieder hin und kaute zu Ende, dann zog sie an Nori’s Arm. Sie plumpste neben ihr zu Boden und lallte irgendetwas. Die Rothaarige sah hinauf zum Himmel und stellte fest, dass es schon tiefste Nacht war. Sie sah zu Noriko, welche schon am schlafen war, dann zu Raiyu, welcher kurz vor einem Heulkrampf zu sein schien. Sie lächelte ganz zaghaft und breitete dann ihre Schlafmatte aus, um wenig später auch schon im Land der Träume gelandet zu sein. Ren wachte aus einem unruhigen Schlaf auf. Es war noch nicht einmal Morgen, vielleicht so gegen fünf Uhr morgens, oder auch früher. Er strich sich einmal durch die Haare, gähnte laut und sah dann neben sich. Misa schlief noch immer und war auf ihrer Matte wie ein Fragezeichen ohne den Punkt zusammen gerollt. Der Blonde seufzte leicht und stand dann auf. Ihm war gerade nach einem eiskalten Bad, also steuerte er auf den nächsten Fluss zu und sprang hinein. Den Kopf hielt er ein paar Minuten unter Wasser, dann musste er wieder auftauchen. Diese Nacht war er zu so gut wie keiner ruhigen Minute gekommen, immer wieder hingen seine Gedanken einer ganz bestimmten Person nach… Ja, Ren vermisste Noriko sehr, doch zugeben wollte er es nicht, immer hin sollte er innerlich und äußerlich noch immer sauer auf sie sein. Er hatte Leute, die in privatem Eigentum schnüffelten, noch nie leiden können. Deshalb machte er auch bei Noriko keine Ausnahme. Langsam stieg er wieder aus dem Fluss und setzte sich betrübt ans Ufer. Als das Wasser sich nichtmehr wegen seinen Bewegungen bewegte, konnte er einen Blick auf sein Spiegelbild erhaschen. Müde starrte es ihn an. Das passte Ren gar nicht, und so haute er einmal mit der Faust ins Wasser, und sein Spiegelbild verschwand augenblicklich wieder. Dann steckte er seine Hand in seine Hosentasche und kramte darin. Als er die Hand wieder herauszog, lag ein feines silbernes Armband in ihr. Es hatte einst Tora gehört. Ein paar Tage, bevor sie damals verschwunden war, hatte sie es ihm geschenkt, weil sie wollte, dass er etwas von ihr hatte, an das er sich immer würde erinnern können. Hatte sie damals etwa schon vorausgesehen, dass sie ein paar Tage später verschwinden würde? Der Blonde konnte und wollte nicht daran glauben. Warum hätte sie denn einfach verschwinden sollen? Sie war doch seine beste Freundin gewesen, und beide hatten einander gemocht. Er hatte sie damals sogar wieder aufgeheitert, also warum hätte sie einen Grund gehabt, um ihn und seine Familie zu verlassen? …ihm viel kein Grund dazu ein… Doch er wollte jetzt nicht weiter darüber nachdenken. Gedankenverloren steckte er das kleine Armband wieder zurück in seine Hosentasche, dann starrte er wieder betrübt sein Spiegelbild an. Plötzlich kamen ein paar Fische angeschwommen, einer sah ihn so an, als könnte er seine eben gedachten Gedanken lesen. Er starrte den Fisch an – der Fischstarrte zurück. Nach ein paar Minuten wurde es ihm schließlich zu bunt, und er explodierte. „Was glotzt du so blöd? Guck gefälligst jemand anderen an!“, schrie er und vor lauter Angst schwammen gleich alle anderen Fische auch weg. Ren war es aber sichtlich egal, er sah einfach weiterhin auf das Wasser. Als es sich nicht mehr bewegte, sah Ren etwas Feines auf dem Boden unter Wasser liegen: Es sah aus wie eine Kette mit einem weißen Anhänger, und voller Neugierde griff er danach. Es war tatsächlich eine Kette und der Anhänger bestand aus einem großen weißen Zahn. „Ohhh wooooow~ Ein Vampirzahn!“, sagte Ren begeistert und rannte zurück zum Lager. Schnell rüttelte er Misa wach. „Wach auf wach auf wach auf~“, grölte er und Misa öffnete ein Auge. Sie sah ihn voller Müdigkeit an und fragte verschlafen: „Was denn?“ Ren hüpfte aufgeregt wie ein kleines Kind hin und her und zeigte ihr die Kette. „Guck mal! Eine Vampirzahn Kette! Hab ich eben im Fluss gefunden!“, sagte er aufgeregt und grinste breit. Misa griff nach der Kette und musterte sie lange. „Das ist ein Haizahn.“, stellte sie trocken fest und legte sich wieder hin. Ren drehte sich schmollend weg. „Nein, ein Vampirzahn!“, beteuerte er noch einmal, doch Misa war schon wieder eingeschlafen, also seufzte der Ältere nur und ging auf Nahrungssuche. Als Noriko schließlich auch irgendwann erwachte, tat ihr Kopf höllisch weh. Obwohl sie nur eine dreiviertel Flasche getrunken hatte, hatte sie es anscheinend beim ersten Mal übertrieben. Ihr Kopf brummte und sie hielt ihn sich schmerzerfüllt. „Aua~“, fluchte sie leise, und sofort regte sich etwas ihr gegenüber. Raiyu kam angeflogen und legte ihr sofort eine Hand auf die Stirn. „Was ist los? Hast du Fieber? Ist dir schlecht? Bist du verliebt?“, fragte er hastig und grinste beim letzten leicht. Noriko schüttelte nur den Kopf und richtete sich auf. „Ich hab nur Kopfschmerzen…“ „Das sollte man nicht unterschätzen! Ich kenne jemanden, der jemanden kennt, der jemanden kennt, der eine Freundin hat, und die ist mal an Kopfschmerzen gestorben, und…“ „RAIYUUU!“, schrie Noriko und sah ihn bitterböse an. „Was ist?“ „SEI EINFACH STILL!“, fauchte sie und ließ sich wieder auf den Boden sinken. Raiyu kehrte zurück zu seinem Baum und schmollte. „Musst ja nicht so übertreiben…“, maulte er und malte große Kreise auf den Boden. Die Angesprochene schüttelte nur lächelnd den Kopf und schloss die Augen. „Also, womit hast du jetzt Probleme?“ Noriko öffnete überrascht die Augen und zuckte zusammen, als sie Yoshi’s Gesicht direkt über sich sah. „Oh man, spinnen denn heute alle Leute?“, fragte sie sich kopfschüttelnd. „Hey, das hat sich ja gereimt!“, sagte Raiyu leise und lachte. Noriko schenkte ihm noch einen bissigen Blick und Raiyu ließ schließlich die Schultern hängen. Yoshi stellte sich hin und zog Noriko am Arm zu sich nach oben. „Du hast gesagt, du hast Probleme mit deinen Flügeln, oder?“, fragte sie noch einmal nach. Die Angesprochene nickte leicht. „Ja, ich hab sie mir auf meiner Flucht von Daikoku nach Kagami-koku verletzt. Die Soldaten, die mich angegriffen haben, haben mit normalen und Feuerpfeilen nach mir geschossen…und meine Flügel haben sie getroffen. Deshalb kann ich sie im Moment nicht so gut benutzen…“ „Oh, ich kenne einen Ort, der sie bestimmt heilen kann!“, meldete Raiyu sich zu Wort. Die beiden Mädchen wandten sich zu ihm um und sahen ihn fragend an. Der Blonde lachte leise. „Da ich die letzten Tage durch die ganzen Wälder gewandert bin…“, fing er an, doch Yoshi unterbrach ihn. „Du hast dich verlaufen…“ „SEI RUHIG! *räusper* Ähm, auf meinen extrem langen und geplanten Ausflügen habe ich einen Ort entdeckt, der als magische Quelle gilt. Dort wachsen bestimmte Pflanzen, die alle möglichen Wunden heilen können. Vielleicht sollten wir da mal hingehen.“, erklärte er, und machte ein wichtigtuendes Gesicht. Yoshi und Nori sahen sich an, Noriko nickte ihr zu, und so beschlossen die drei, dass sie zusammen zu dieser heiligen Quelle gehen würden. Die Quelle wurde auch Sei Naru no Izumi genannt, was wörtlich übersetzt tatsächlich „heilige Quelle“ bedeutete. Nach einem circa dreistündigen Fußmarsch kamen sie schließlich bei dieser Quelle an. Sie hätten eigentlich nur eine halbe Stunde für den Weg gebraucht, doch Raiyu war für eine Führung durch Wälder nicht geeignet, da sein Orientierungssinn ungefähr dem einer Bohne entsprach. Doch er beteuerte immer wieder, dass er nur die Landschaften betrachten wollte, und dass sie sich nicht verlaufen hätten. Doch dann standen sie endlich an dieser Quelle, welche von vielen Bäumen umgeben war. Und als Noriko sich hier etwas umschaute, wurde ihr auch bewusst, warum diese Quelle heilend sein sollte: In der Mitte der Quelle wuchs ein riesiger Baum, um dessen Baum sich eine bestimmte Pflanze schlängelte. Sie reichte bis in das warme Wasser und gab anscheinend ihre heilende Wirkung an das Wasser ab, da es sich komplett grün gefärbt hatte, und es nach Kräutern roch. „Wow…das sieht echt sagenhaft hier aus…“, musste Noriko zugeben, und legte ihre Taschen auf dem Boden ab. Raiyu nickte und legte seine Taschen ebenfalls auf dem Boden ab. Dann rieb er sich seine Hände und grinste. „Also…wollen wir jetzt baden gehen?“, fragte er und fing sich direkt wieder eine Klatsche von Yoshi. „Schon gut, schon gut, bin ja schon weg…“, sagte er und lächelte weiter. Nachdem er irgendwo im Gebüsch verschwunden war, setzte Yoshi sich ans Ufer und ließ sie Füße hinein baumeln. „Okay, dann lass uns mal sehen, ob dieses Wasser wirklich hilft…“, sagte Noriko und legte ihre Kleidung ab. Sie wickelte sich nur ein dünnes Tuch um, um nicht vollkommen nackt zu sein. Sie fühlte sich sonst nicht wohl, wenn in der Nähe ein Junge saß, in diesem Fall Raiyu. Als die Lilahaarige schließlich ins Wasser stieg, musterte Yoshi derweil ihren Rücken. „Die Narben…warum sind sie bei dir denn so lang?“, fragte sie ruhig. Noriko zuckte ihre Achseln. „Weiß ich nicht…meine Flügel sind allgemein sehr unpraktisch und viel zu groß für meinen kleinen Körper…“, erklärte sie und tauchte schließlich ein Mal unter. Dann atmete sie tief durch, und holte schließlich ihre Flügel heraus… Nachdem sie wie üblich einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken konnte, tauchte sie wieder unter Wasser, diesmal mit ihren Flügeln. Yoshi hatte ihre Flügel gemustert. Als Noriko wieder aufgetaucht war, sprach sie sie an: „Wer hat denn deine Flügel so schlecht verbunden?“ Die Jüngste musterte einmal kurz die losen Verbände und kicherte kurz. „Ren hat es gemacht…“, gab sie zu und seufzte ein Mal. „Ähm…weißt du zufällig, ob dieses Wasser bald anfängt zu wirken? Ich spüre nämlich gar nichts…“ Als Antwort darauf zuckte die Rothaarige mit ihren Schultern und schloss ihre Augen halb. Eine halbe Stunde verging. Noriko war noch immer im Wasser. Als es ihr langsam zu langweilig wurde, beschloss sie, Yoshi mal anzusprechen. Vielleicht könnte sie ein Mal ein richtiges Gespräch mit ihr führen. „Hey, Yoshi…?“ „…“ „Ich weiß einfach nicht, was ich falsch gemacht habe…gut, ich habe in dem Tagebuch gelesen, aber Ren ist auch nicht perfekt!“ „…“ „Er kann mir nichts vorwerfen…oder doch?“ „…“ „Ich glaube, ich sollte mich entschuldigen…“ „…“ Noriko, die ihre Augen vor einer Weile geschlossen hatte, öffnete sie jetzt wieder und sah Yoshi dankend an. „Vielen Dank. Gespräche mit dir helfen mir immer weiter!“, sagte sie glücklich und Yoshi lächelte ein wenig. Die beiden unterhielten sich noch ein wenig weiter, zumindest redete Noriko, Yoshi nickte ab und zu oder schüttelte manchmal den Kopf. Die Jüngere konnte erfahren, dass Yoshino Mikoto ebenfalls zur Winged Race gehörte, sie die letzten 3 Jahre in einem großen Haus vollkommen alleine gelebt hat, davor in Daikoku lebte, und dass sie auch nach diesem Mädchen suchte. Sie hatte vorgeschlagen, dass die beiden ja zusammen suchen könnten, da mit Ren und Misa im Augenblick absolut nicht zu rechnen war. Als die Lilahaarige nach einer Weile wieder das Wort an sie richten wollte, bemerkte sie, dass Yoshi eingeschlafen war. Lächelnd tauchte Noriko unter und döste selber ein wenig ein. Später stieg sie wieder aus dem Wasser und suchte nach ihrem Kimono. „Was? Wo ist er hin? Hey, Yoshi?“, fragte Noriko und sah zu der Rothaarigen, die inzwischen wieder wach war. „Hast du zufällig meinen Kimono gesehen?“ Die Angesprochene schüttelte den Kopf und zog ihren eigenen aus. Darunter trug sie anscheinend noch einen, und so reichte sie ihr den ersten. „Du kannst den haben. Ich trage im Moment immer zwei, weil hier irgendwo ein Spanner herum laufen soll, der den Mädchen die Kimonos klaut.“, erklärte sie ruhig und stand auf. Noriko hüllte sich dankend in das viel zu große Stück Stoff, doch gerade war ihr alles egal. Als Yoshi dann plötzlich ihre eigenen Flügel rausholte, es waren rot schimmernde Schmetterlingsflügel, fragte Noriko verwundert, warum sie das jetzt tun würde. Yoshi lächelte leicht und griff nach ihrem Arm. Die Jüngere wollte gerade wieder sprechen, als auch Raiyu angeflogen kam und ihren anderen Arm packte. „Hey! Was zum…Was habt ihr beide vor?“, fragte sie verwirrt, als die beiden langsam vom Boden abhoben. „Wir bringen dir jetzt Fliegen bei.“, sagte der Blonde und grinste breit. Und mit einem leisen Aufschrei waren die drei in die Luft gestiegen. Mehrere Stunden lang machten die drei zusammen Flugübungen, und nach einer Weile konnte Nori ihre Flügel auch wieder etwas besser bewegen. Anscheinend hatte das heilende Wasser von der Quelle nicht so viel genützt…aber einen Versuch war es schließlich Wert gewesen. „Okay…jetzt spann mal deine Flügel an, und versuche dabei dein Gleichgewicht zu halten.“, erklärte Raiyu und ließ Noriko los. Sie übte gerade noch auf dem Boden und flog ab und zu mal ein paar Meter, dann sank sie wieder auf den Boden. Jetzt gerade übte sie ihr Gleichgewicht zu halten, und tatsächlich gelang es ihr dieses Mal. „Gut gemacht, No-chan. Also, jetzt könnten wir mal einen Flugversuch starten, was meinst du?“, fragte Raiyu und die Jüngere nickte nur. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, ging sie langsam zum Anfang der Klippe. Es war dieselbe Klippe, von der sie einen Tag zuvor schon mal gesprungen war. Doch dieses Mal war sie sich zu 99% sicher, dass sie es endlich schaffen würde. Und sie musste auch, sonst würde sie am Ende nie wieder fliegen können. Noriko schaute nach unten. Es ging steil bergab und unter ihr war ein großer Wald. Sie atmete tief durch. Raiyu stand noch neben ihr und klopfte ihr auf die Schulter. „Keine Sorge, wenn du dich nicht halten kannst, sind Yoshi und ich ja noch da. Stimmt’s?“, fragte er und sah zu Yoshi, welche kauend einen Daumen hochstreckte. „Gut! Bereit?“, fragte Raiyu, dann flog er schon mal vor. Etwa zehn Meter von Noriko entfernt hielt er an und schwebte in der Luft. Yoshi stand hinter Noriko. Und dann ließ sie sich fallen. Der Boden kam näher, sie schlug mit ihren Flügeln und… Dieses Mal funktionierte rein gar nichts. Noriko’s Flügel verkrampften sich, und sie konnte sie nicht mehr bewegen. Ängstlich drehte sie sich in der Luft und starrte hoch zu Raiyu, welcher sofort nach unten flog. „Keine Sorge, ich fang dich auf!“, versicherte er, und wartete unten. Als Noriko aber ein paar Meter weiter nach rechts fiel, sorgte Raiyu’s Orientierungssinn dafür, dass er stattdessen nach links flog, und so konnte er die Lilahaarige nicht auffangen. „Yoshi?“, rief Noriko, doch diese war gerade nicht zu sehen. Sie schluckte und kniff die Augen zusammen. Sollte es das jetzt gewesen sein? Über ihr hörte sie Raiyu: „Häh? Wo ist No-chan?“ Das war dann anscheinend das Letzte, das Noriko hören sollte, als… Mit voller Geschwindigkeit kam etwas von unten nach oben geflogen und fing sie in ihrem Sturzflug auf. Noriko wagte es nicht die Augen zu öffnen, und so hielt sie sie geschlossen, bis sie überrascht spürte, dass ihr Retter auf dem Boden angekommen war. Noch überraschter war sie, als Noriko nach oben sah und sie bemerkte, wer sie gerade aufgefangen hatte. Ihre Augen weiteten sich leicht vor Überraschung, und nach einer gefühlten Ewigkeit, bewegten sich ihre Kiefermuskeln auch wieder, sodass sie einen vernünftigen Satz zu Stande bringen konnte. „Ren?“ Dieser grinste sie nur an. „Yo!“, sagte er und setzte sie dann auf den Boden. Die Jüngere war zu erschrocken, als dass sie etwas hätte erwidern könnte. Neben Ren landete Misa, die ihre Flügel direkt wieder zurück zog. „Hi No-chan! Lang nicht mehr gesehen, oder?“, sagte sie grinsend. Noriko sah zu Boden und sagte gar nichts mehr. Yoshi kam zu den dreien. „Was ist los No-chan?“, fragte sie mit ihrer üblichen ruhigen Stimme und kniete sich zu ihr. Renn weitete die Augen und erkannte sie sofort. „Hey! Du bist doch die, die unseren Proviant geklaut hat, oder?“, fragte er wütend und zeigte mit einem Finger auf sie. „Na Gott sei Dank hat sie das gemacht, sonst hättest du wirklich noch gekocht…das was ich heute essen musste war echt scheußlich…danke fremdes Mädchen!“, sagte Misa und umarmte die Ältere. Sie sagte gar nichts dazu. Raiyu kam angeflogen und drückte Ren von Noriko weg. „Hey!“, beschwerte sich dieser eifersüchtig. Raiyu blendete ihn jedoch aus. „Nori-chan, ich weiß auch nicht wie mir das passieren konnte! Ist dir was passiert?“, fragte der Älteste und half ihr beim Aufstehen. Sie schüttelte nur den Kopf, sah aber noch immer nicht nach oben. Ren verschränkte seine Arme und drehte sich beleidigt weg. „Tja…anscheinend brauchst du uns nicht…dann gehen wir halt wieder, was Misa?“, meinte er und drehte sich zu ihr um. Misa war allerdings gerade damit beschäftigt, das Rothaarige Mädchen ab zu knuddeln. Ren schlug sich eine Hand vor die Stirn, wollte alleine los gehen, doch etwas hielt ihn davon ab. Er sah nach unten und bemerkte, dass Noriko’s kleine Hand seinen Ärmel fest hielt. Überrascht drehte er sich wieder um und musterte sie. Sie schniefte ein Mal, dann sah sie endlich auf. „Danke.“ Ren kratzte sich am Hinterkopf und grinste. „Kein Problem!“, sagte er wollte sie ein Mal umarmen, doch Raiyu war schneller und nahm Noriko schnell auf den Arm, ehe er vor Ren weglief. „HEY!“, beschwerte sich dieser und lief den beiden hinterher. Raiyu sah zu Noriko. „Ist das dieser überreagierender Kerl, von dem du erzählt hast?“, fragte er und musterte ihn leicht. Die Angesprochene grinste und nickte dann. Raiyu musterte ihn weiter. „Hattest du nicht einen Pilzanfall gehabt?“, fragte er und stellte sich ihm gegenüber. „Ja, kann sein. Und hast du nicht deine Beine im Weg liegen gelassen?“ „Entschuldige, das nächste Mal stell ich ein Schild dort hin.“, sagte Raiyu und beide Jungen fingen mit lautem Gelächter an. Als sich die ganze Situation später geklärt hatte, wurde es langsam Zeit um nach einem Lager zu suchen. Da Yoshino sowieso mit Noriko mit kommen wollte, schloss sie sich direkt der Dreier Gruppe an. Voller Übermut hatte sie Raiyu erst mal einen Kuss auf die Wange geschenkt, wobei Misa strinrunzelnd darüber nachdachte, ob das ihre Art war, einen neuen Freund zu begrüßen. Raiyu hatten sie schließlich irgendwann aus den Augen verloren. Aber vielleicht war er nun endlich in der Lage, um seine Freunde wieder zu finden. Misa, Yoshi, Ren und Noriko saßen zu viert um das warme Lagerfeuer herum und unterhielten sich. Es schien so, als ob Ren Noriko verziehen hatte. „Aber sag mal Ren…“ „Was ist?“ „Warum hast du mir vorhin geholfen? Ich dachte, du wärst so sauer auf mich gewesen?“, fragte Noriko und ein dickes Fragezeichen schwebte über ihrem Kopf. Der Blonde winkte ab. „Ach du weißt schon…neuer Tag, neue Launen und so weiter…“, meinte er und grinste erneut. Noriko hob eine Augenbraue. „Nein, das heißt doch neuer Tag, neues Glück~“, verbesserte sie ihn und Ren zuckte mit seinen Schultern. „Dann eben so herum…ist doch egal, bist du nicht unendlich glücklich darüber, dass ich endlich wieder bei dir bin?“, fragte er und machte einen auf ultrawichtig. Neben ihnen hörten sie Misa und Yoshi leicht lachen. Ren drehte sich zu den beiden um. „WAS GIBT’S DA ZU LACHEN?“, fragte er brüllend doch beide winkten ab. Noriko lächelte glücklich. Endlich hatte sie ihre Freunde wieder. Ihre einzigen Freunde… Misa flüsterte Yoshi etwas zu, und sie formte ihren Mund zu einem leichten Grinsen. „Was, die beiden haben sich echt noch nie geküsst?“, fragte sie extra laut und Ren und Noriko wurden beide rot. Die Rothaarige richtete sich auf und Ren tat es ihr gleich. Doch Yoshi achtete nicht darauf. Sie kam näher und stellte sich direkt vor Ren. Er schien sie nicht einzuschüchtern, obwohl er einen Kopf größer war. Und dann, ohne Vorwarnung, näherte sie sich seinem Gesicht. Misa und Noriko weiteten die Augen, ihre Münder klappten auf, während sie zu sahen, wie Yoshi Ren abknutschte. „Yoshi?! Hast du ihn gerade geküsst?“, fragte Misa schockiert. „Ein wenig~“, antwortete die Rothaarige. „Warum?“, fragte Nori entsetzt. „Einfach so~“, sagte Yoshi sorgenfrei und grinste leicht. Ren unterdessen sah zu Nori. Sie sah zurück. Der Blonde grinste sie an und kam näher. Noriko zuckte zusammen. „Ren! Komm mir nicht näher! Nein, lass das!“, rief sie und drückte Ren von sich weg, welcher grinsend seine Arme um ihren dünnen Körper schlang. Sein Gesicht kam immer näher und dann… klirrrrr Ein leises Geräusch ertönte und Ren war in einem Eisblock eingeschlossen. Misa lag vor Lachen auf dem Boden, Yoshi grinste einfach nur leicht und Noriko saß mit dem Rücken zu den dreien und war vor Scham rot angelaufen. „Mensch No-chan, warum hast du ihn aufgehalten?“, grölte Misa und haute vor Lachen auf den Boden. Noriko schenkte ihr einen Mörderblick und schloss auch sie in einen Eisblock ein, doch Misa befreite sich dank ihrer Fähigkeiten sofort wieder. Sie kicherte leicht. „Du weißt doch, dass das bei mir nichts bringt!“, meinte sie und lachte weiter. Die Jüngste rollte mit ihren Augen und zog aus ihrer Tasche eine alte Karte. Sie zeigte ganz Kagami-koku und war nur an ein paar Stellen leicht angebrannt oder zerknittert. Bis jetzt hatten sie sich noch nie Gedanken über einen möglichen Reiseort gemacht, sie waren einfach los gegangen. Gedankenverloren überflog Noriko die Karte und fand dann den Punkt, an dem sie sich gerade befanden. „Leute, schaut euch das an! Wir sind hier nur ein paar hundert Meter von einer heißen Quelle entfernt!“, stellte sie voller Freude fest und Misa und Yoshi schauten sich das an. Noriko sah zu Misa, Misa sah zu Yoshi, Yoshi sah zu einem Reisbällchen in ihrer Hand, und so wussten die drei, dass sie zu der heißen Quelle gehen würden! Eine halbe Stunde später hatte Misa Ren wieder aufgetaut und ihm genau erklärt, wo sie sich jetzt befinden würden, und dass sie Mädchen jetzt zu der Quelle gehen würden. „Darf ich mitkommen?“, fragte Ren grinsend und fing sich einen Schlag von Nori ein. „Schon gut, war nur ein kleiner Scherz…“, sagte er und winkte ihnen zum Abschied mit einem Taschentuch aus Stoff nach. „Habt eine sichere Reise~“, rief er gutgelaunt und sah sich die Karte dann an. Die drei Mädchen kamen derweil gerade an der heißen Quelle an. „Wow, das sieht toll hier aus!“, schwärmte Misa und langte mit einem Finger in das Waser – es hatte die perfekte Temperatur. Sie quietschte aufgeregt und zog ihren Kimono aus. Yoshi und Nori taten es ihr gleich und alle drei wickelten sich danach in jeweils ein dünnes Tuch, so wie Noriko es bei der heiligen Quelle auch getan hatte. Die drei Mädchen setzten sich müde in die heiße Quelle. Noriko schloss direkt ihre Augen um sich entspannen zu können. Misa und Yoshi machten es sich ebenfalls bequem. Die Blonde versuchte mehrfach vergeblich, ein Gespräch mit Yoshi anzufangen, während Noriko einfach nur vor sich hin döste und sich über nichts Sorgen machte, dann hörten sie ein leises Rascheln. „Was war das?!“, fragte Noriko sofort. „Keine Ahnung…“, sagte Misa. Auf einmal fiel etwas direkt in die Quelle. Misa schrie leicht auf, Noriko tastete nach dem etwas und zog es hoch. Als sie einen Jungen an den Haaren herauszog, schaute sie erst mal ziemlich seltsam drein. Der Junge grinste und lachte leicht. „Yo!“, meinte er und plötzlich floss Blut aus seiner Nase. Die drei Mädchen begannen zu schreien und Noriko schlug den Typen nieder. Keine paar Sekunden später war er auch schon eingefroren. „PERVERSLING!“, schrie Nori und wollte nach ihren geliehenen und zu weiten Klamotten greifen. Von den Schreien alarmiert stürmte plötzlich Ren zu der Quelle. „Was ist passiert?“ Und schon schrieen die drei erneut. Noriko schlug auch Ren nieder - Dann vereiste sie ihn. Wütend packte sie ihre Klamotten und rauschte ab. Misa seufzte schwer und begann langsam damit, die beiden Jungen wieder aufzutauen, Yoshi saß reglos daneben. Als Misa mit dem Auftauen der Junge endlich fertig war, rannte der Braunhaarige Junge auch schon weg. „Hey! Warte gefälligst du Perverser!“, schrie sie ihm nach, ließ es dann aber doch bleiben. Sie verlor so langsam den Überblick. Noriko war unterdessen zurück zum Lager gelaufen. In einer ihrer Taschen, die Ren unbeabsichtigt mit genommen hatte, fand sie Kleidung in ihrer Größe. Noriko zog langsam ihren Kimono aus. „Sollten wir damit nicht doch lieber warten, bis wir uns etwas besser kennen gelernt haben?“, fragte eine belustigte Stimme hinter ihr. Blitzartig drehte sie sich um und erkannte den braunhaarigen Jungen, welcher vorhin bei ihnen gespannt hatte. „Was willst du, du Stalker?“ ________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「悪夢」 ・ Albtraum 「Akumu ~ I want to know the truth! 」 *Kleine Anmerkung: Sakyu und Yuka, von denen Raiyu irgendwann mal geredet hat, sind Charaktere aus der FF von , zu denen Raiyu im übrigen auch gehört ;D Kapitel 6: 「悪夢」 ・ Albtraum 「Akumu ~ I want to know the truth! 」 --------------------------------------------------------------- Kapitel 6: 「悪夢」 ・ Albtraum 「Akumu ~ I want to know the truth! 」 „Als du mich neulich aufgefangen hast, hatte ich nachher das Gefühl, dass du mir am Hintern rumgefummelt hast, und ich dachte zuerst nein! Aber nach deiner heutigen Vorstellung denke ich schon, dass du sowas gemacht hast!“, fauchte Noriko und band ihren Kimono wieder zu. Dieser Typ hatte echt Nerven…erst einen auf nett und unschuldig machen, und dann sowas! „Du bist bestimmt dieser Stalker, über den hier alle reden, oder?“, fragte die Lilahaarige weiter. Der Braunhaarige kratzte sich lachend am Hinterkopf. „Ahh, man redet also schon über mich? Welch Ehre~“, sagte er und verbeugte sich leicht. „Ich geb dir gleich Ehre!“, schrie die Jüngere ihn an und kam wieder ein Stück näher. Plötzlich hielt er einen Kimono hoch, welcher ohne Zweifel der ihrer war. Sie sah ihn verwirrt an und begriff dann, dass dieser Typ nicht nur gespannt hatte, er hatte auch noch ihre Kleidung geklaut! Fauchend kam sie noch näher und griff nach dem Kimono. „Sag mal, sind diese Perversen Sachen die du immer machst eigentlich ein Hobby oder deine Lebenseinstellung?“, fragte sie bissig, als der Typ den Kimono so hoch hielt, dass sie nicht mehr an ihn heran kam. Sie hüpfte hoch und versuchte erneut den Kimono zu erhaschen, doch der Typ lachte nur und hielt ihn noch höher. „Ich würde sagen, eine Mischung aus beidem!“, meinte er und lachte wieder. „Gib mir jetzt den Kimono zurück!“, sagte Noriko wütend und sprang dieses Mal auch hochgenug, sodass sie den Stoff fest halten konnte. Der offensichtlich Ältere von beiden grinste wieder und versuchte, den Kimono durch heftiges Ziehen zurück zu erhalten. Doch nicht mit Noriko! Sie zerrte ebenfalls an dem Kleidungsstück und langsam entfachte etwas, was auf Außenstehende wie Tauziehen wirkte. Als der Typ den Stoff auf einmal los ließ, drohte Noriko auf den Boden zu fallen, doch der Typ fing sie in letzter Sekunde noch auf. Ren, Misa und Yoshi kamen angelaufen. Sie wussten ja, dass Noriko wegen eben wütend war, aber die Geräusche die vom Lager kamen, hörten sich so schlimm an, dass die drei lieber wieder zurück gelaufen waren, um den Geräuschen auf den Grund zu gehen. „Hey, No-chan, was ist lo-“, fing Ren an, doch seine Gesichtszüge veränderten sich, ehe er wieder ausreden konnte. Er machte einen ziemlich dämlichen Eindruck, aber bezüglich der Dinge, die sich gerade vor seinen Augen abspielten, konnte er einfach nicht anders schauen: Vor den dreien stand dieser braunhaarige Spannertyp, welcher Noriko fest in seinen Armen hielt und sie grinsend anstarrte. Sie machte ein verwirrtes Gesicht und starrte ihn seltsam an, was Ren auch nachvollziehen konnte, als er sah, was der Typ im Begriff war zu tun. Er kam ihrem Gesicht immer und immer näher und Noriko schien sich nicht einmal zu wehren. Schmollend und eifersüchtig verschränkte Ren seine Arme und sah in eine andere Richtung. Misa und Yoshi hingegen beobachteten mit vor Aufregung roten Wangen gespannt das Geschehen. „Küss mich, mein Engel!“, sagte der Typ und war fast bei Noriko’s Gesicht angelangt, als die Lilahaarige scheinbar wieder zu sich kam, und dem Typen mit einer pochenden Ader auf der Stirn ihre Faust in den Mund haute. „Küss das!“, sagte sie bissig und befreite sich aus seinen Armen. Beleidigt ging sie zu Misa und Yoshi und die drei gingen dann zurück zu ihren Schlafplätzen. Ren musterte diesen Typen. Er hatte ganz schön Mut, dass musste er ihm lassen. Als der Typ ihn plötzlich grinsend ansah, zuckte der Blonde zusammen und fragte sich, was jetzt wohl kommen würde. Der Junge kam näher und sprach ihn zum ersten Mal direkt an: „Sag mal, hast du das eben gesehen? Sie hat doch tatsächlich meinen Kuss verschmäht! …Sie muss wirklich sehr schüchtern sein…“, sagte er und legte Zeigefinger und Daumen an sein Kinn, wie als ob er überlegen würde. Ren hingegen ließ seinen Kopf hängen und fragte sich, welchem Idioten er denn gerade gegenüber stehen würde. Dann räusperte er sich. „Und wenn sie dich einfach nur zum kotzen findet?“, fragte er dann, wie als ob das die Antwort auf seine Frage wäre. Der Typ schloss seine Augen - Er schien angestrengt über etwas nach zu denken. Doch dann winkte er plötzlich ab. „Ach Quatscht!“, sagte er, vollkommen von sich überzeugt, und beide Jungen begannen lauthals zu lachen. „Ich bin Riku!“, stellte sich der Typ endlich vor. Er hielt ihm eine Hand hin, in die Ren dann auch einschlug. „Ich bin Ren!“ Nachdem sich die beiden Jungs wieder zu den Mädchen gesellt hatten, begannen Misa und Noriko mit dem Kochen, Yoshi sammelte Holz für ein Feuer und Riku und Ren unterhielten sich etwas. „Ahh, du gehörst also auch zur Winged Race?“, fragte Ren und grinste. Riku nickte. „Jep! Und ich schwöre euch, dass ich euch noch helfen kann!“, sagte er überheblich und lachte laut. „Hast du irgendeine besondere Fähigkeit?“, fragte Ren weiter. Riku nickte. „Was kannst du denn machen?“, fragte der Blonde und überlegte. „Ich zeig’s dir, wenn das Holz da ist!“, meinte Riku und hob den Daumen. Ren zuckte mit den Achseln und starrte zu Noriko und Misa herüber. „Wann gibt es denn endlich essen?“, fragte er und sein Magen knurrte. „Dann, wenn du endlich erwachsen wirst!“, sagte Noriko und zerhackte die Zutaten heftiger als nötig gewesen wäre. Misa sah sie erschrocken an. „Oh nein! Dann werden wir ja niemals essen können!“, sagte sie und beide lachten. Ren rollte mit seinen Augen. Yoshi kam mit einem Berg aus Holz angelaufen. Sie warf alles auf Ren. „Da.“, sagte sie und setzte sich auf ihre Schlafmatte. Riku fragte sich, wie sie so viel Holz hatte sammeln können… Der Blonde legte das Holz auf den Boden neben sich und sah zu Riku. Er grinste und schnipste einmal mit seinen Fingern. Die Äste fingen Feuer und dunkler Rauch stieg aus ihnen zum Himmel empor. „Oh, woooooow~“, sagte Ren begeistert und er und Riku begannen zu tanzen. Misa lachte laut und sie und Noriko verteilten schließlich das Abendessen. Alle fünf alberten noch lange herum. Es wurde viel gelacht, nach einer Weile begannen Ren und Riku sogar mit dem Singen, als alle dann schließlich beschlossen sich hinzulegen. Ich sah mich um… Ich war hier an einem Ort, den ich noch nie gesehen habe…wo bin ich? Ich ging etwas in dem Raum umher, als mir plötzlich ein ziemlich unangenehmer Duft in die Nase drang. Was zum Teufel konnte solche Gerüche absondern? Als ich mich weiter umsah, konnte ich einen lauten Aufschrei nur schwer unterdrücken. Neben mir lagen mehrere Menschenleichen. Obwohl sie schon so unangenehm rochen, konnten sie noch nicht lange tot sein… Plötzlich hielt ich es nicht mehr aus, und ein lauter Schrei fraß sich aus meiner Kehle. Geschockt legte ich beide Hände an mein Gesicht, und musste erschrocken feststellen, dass sie nass waren. Ich sah mir das genauer an… Blut… Erneut schrie ich entsetzt auf, als ich erkannte, dass Blut an meinen Händen war, und dass ich dir Menschen getötet hatte. Schnell rannte ich los, versuchte zu entkommen… Doch plötzlich wurde alles schwarz, die Atmosphäre änderte sich… Ich stand nun am Kiseki-See… Blaues Licht flammte auf, als ich langsam in den See hinein gesogen wurde. Ich begriff, dass ich gerade im Begriff war, in die andere Welt zu reisen. In mir spüre ich deutliche Gefühle… Was für welche sind es? Hass? Wut? Rache… Ich wusste es nicht genau, dafür hatte ich das alles schon zu lange durchgezogen… Jetzt gab es kein Zurück mehr… Ich kam auf der Andere Seite an, stieg aus dem Wasser, und… Ein dumpfes Geräusch ertönte, etwas bohrte sich durch meinen Bauch… Und langsam fiel ich zu Boden, während ein letzter erstickter Laut durch meine Kehle rinnt… Schweißgebadet schreckte Noriko aus dem Schlaf. Was für ein seltsamer Traum war das denn jetzt gewesen? Sie schüttelte einmal ihren Kopf durch, als sie bemerkte, dass heiße Tränen ihre Augen runter liefen. Nanu? Sie fühlte sich doch gar nicht traurig…Was war nur los mit ihr? Normalerweise hätte sie doch nie so einen Traum gehabt… Schnell wischte Noriko in ihrem Gesicht herum. Sie atmete noch immer heftig und zischend, als sie einen Blick zur Seite wagte. Zu ihrer Linken schliefen Misa und Yoshi friedlich, ihr Atmen war ruhig und ausgeglichen. Sie sah nach rechts…und musste leicht lächeln. Riku und Ren lagen ganz dicht beieinander, Ren hielt Riku‘s Hand und Riku grinste. Als Ren dann plötzlich ihren Namen murmelte, und im Schlaf lächelte, wurde Noriko knallrot und legte sich schnell wieder hin. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder friedlich eingeschlafen war…friedlich?! Schon wieder träumte sie… Doch dieses Mal war etwas anders…Sie wusste genau, wo sie sich gerade befand. Sie befand sich in ihrem Haus, und alles schien ganz friedlich zu sein. Doch plötzlich wurde die Tür auf geknallt, und jede Menge Soldaten stürmten in ihr Zuhause. Sie richteten drohend ihre Waffen auf Noriko und murmelten sich leise etwas zu. Schnell sah sie sich um. Neben ihr konnte sie ganz deutlich Miyuki erkennen, welche fest ihre Hand hielt. Ihre Eltern sprangen auf und stellten sich vor die beiden, um sie zu beschützen. Ein heftiger Kampf entfachte zwischen Noriko’s Eltern und den Soldaten. Die Kräfte schienen ausgeglichen zu sein, obwohl der Kampf 100 zu 2 war. Jedes Mal, wenn ihre Eltern ein paar Soldaten töteten, schien die doppelte Anzahl danach in den Raum zu stürmen. Die beiden kämpften hart, sie schienen wirklich Meister ihrer Fähigkeiten zu sein, immer hin hatten beide schon etwa 500 Jahre lang Zeit, um ihre Fähigkeiten zu trainieren. *Anmerkung: Mitglieder der Winged Race leben bis zu 1000 Jahre lang, und sehen bis zum Schluss wie junge Erwachsene aus Niemand sah kommen, dass sich ein paar Soldaten von hinten anschlichen. Niemand bemerkte es, bis sich plötzlich einer an Noriko’s Mutter heran schlich, und mit seinem Katana zustieß. Sie gab einen erstickten Laut von sich und fiel dann zu Boden. Das Katana des Soldaten steckte in ihrem Bauch, kam auf der anderen Seite wieder heraus… „OKA-SAMAAAA!“, schrie Noriko verzweifelt und wollte aufstehen, doch Miyuki hielt sie zurück. Ihr Vater bemerkte die Situation und rannte zu seiner Frau. „Izumi, hey, Izumi!“, schrie er und schüttelte sie, doch sie antwortete nicht mehr. Voller Wut und Schmerzen sah ihr Vater zu den restlichen Soldaten und entfachte durch seinen Gefühlsausbruch einen mörderischen Eissturm, welche mitten durch das große Zimmer fegte, und eine Menge Soldaten ergriff. Auch dieses Mal hatten sie es nicht voraus gesehen, als ein zweiter Soldat den vor Schmerz blinden Mann angriff, und sein Katana direkt durch den Kopf stieß. Der Mann konnte nicht mal mehr einen erstickten Laut von sich geben, er fiel direkt um und blieb leblos liegen. „OTOO-SAMAAA!“, schrie Noriko erneut und nahm ihre freie Hand, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen, doch alles nützte nichts, es kamen immer neue Tränen nach. Miyuki neben ihr drückte fest ihre Hand und sah sie entschlossen an, obwohl man auch in ihrem Gesicht den Schmerz ablesen konnte. „Keine Sorge, es wird bald alles gut werden.“, sagte sie entschlossen. „Onee-chan…“, murmelte Noriko und schluchzte. Verwundert darüber, dass ihre Ältere Zwillingsschwester nicht weinte, biss sie sich auf die Lippen und schaffte es irgendwie, die Tränen vorläufig zu stoppen. Voller Hoffnung nickte nun auch sie und sie zog Miyuki näher an sich heran. Wie waren die Soldaten nur hier her gekommen? Sie hatte doch immer gedacht, dass sie nicht wissen würden, wie man den Kiseki-See als Portal benutzen konnte, aber anscheinend irrte sie sich. Noriko glaubte, dass die Soldaten nur wegen dem Krieg hier her gekommen waren, doch sie irrte sich schon wieder, als der Soldat welcher eben ihren Vater umgebracht hatte, grob mit seinen Hände nach Miyuki griff. Die Lilahaarige drückte ihre Schwester noch näher an sich, wurde aber gleichzeitig von einem anderen Soldaten in die entgegengesetzte Richtung gezerrt. „Lasst mich los!“, schrie sie. Miyuki sah ängstlich zu ihr herüber. Keiner von beiden wollte wissen, was genau gleich passieren würde. Der eine Soldat richtete seine Stimme dem anderen zu: „Was hat der Alte noch mal gesagt? Die Blonde oder die andere?“ „Mir wurde nur gesagt, dass ein Blondes Mädchen gesucht wird…“, antwortete der andere Soldat und zuckte mit seinen Achseln. Noriko ahnte bereits, dass sie nun Miyuki mit sich nehmen wollten, doch sie ließ es nicht zu. Ein lauter Aufschrei ertönte, als eine gewaltige Energie von der Lilahaarigen ausging. Langsam aber sicher ergriff ihr anderes Ich von ihr Besitz und zwang sie unter seine Kontrolle. Miyuki sah das alles mit an. //Jetzt hat es sie vollkommen unter seiner Kontrolle…//, dachte sie ängstlich, doch sie schüttelte nur ihren Kopf. Sie wollte auch so mutig wie Noriko sein, und so schloss sie ihre Augen und schickte Elektrizität durch ihren Körper. Der Soldat hinter ihr sackte geschockt zusammen und Miyuki konnte sich endlich aufrichten. Sie sah rüber zu ihrer angeblichen Schwester, welche gerade mit unglaublich vielen Soldaten kämpfte. Diese schloss kurz ihre Augen, öffnete sie schnell wieder und eine gewaltige Menge Eis umhüllte die Soldaten. Dann ergriff Noriko ihre Hand und wollte los rennen. „Komm schon!“, schrie sie und ihre Schwester nickte. Als die beiden gerade das Haus verlassen hatten, bekam Noriko einen kurzen aber heftigen Schlag auf den Kopf. Kraftlos fiel sie zu Boden, während Miyuki gewaltsam vorwärts befördert wurde. Noriko hatte also nicht alle Soldaten einfrieren können… Heftig atmend sah die Jüngere auf. Ihr Blick traf zum letzten Mal den ihrer Schwester, dann wurde alles Schwarz um sie herum. Sie hörte noch die letzten Worte der Soldaten, spürte einen heftigen Tritt in die Seite… „Was sollen wir jetzt mit der anderen machen?“ „Lass sie einfach liegen, die kann sich jetzt eh nicht mehr wehren…“ Mit einem lauten Schrei wachte Noriko erneut auf. Sie begann zu zittern. Schon wieder der Albtraum von jener Nacht…Jedoch war dies das erste Mal, dass der Traum so real gewesen war. Dazu kam, dass sie normalerweise nur von Bruchstücken der Nacht träumte, doch dieses Mal wurde sie seit langer Zeit an das komplette grausame Geschehen erinnert. Ihre Hände verkrampften sich, krallten sich in ihren Lavendelfarbenen Haaren fest, während Noriko langsam anfing zu weinen. Da waren keine gewöhnlichen Albträume mehr… Sie schluchzte laut auf und zitterte wie Espenlaub, während noch mehr Tränen ihren Weg zu Boden fanden. Von dem Schrei erwacht, sprangen alle vier gleichzeitig auf. Während Misa und Yoshi Noriko anstarrten, motzten Ren und Riku sich erst mal wegen der Sache mit der Hand an. „Was soll das?! Lass meine Hand los, du Irrer!“ „Wieso bin ich der Irre? Du hast sie doch so fest umklammert!“ „Hört auf zu streiten!“, schrie Misa die beiden an, und versuchte langsam einen Weg zu finden, um mit Noriko zu reden. Ren kam angerannt und legte seine Hände auf ihre Schultern. „Hey No-chan, was ist los mit dir?“, fragte er vorsichtig, doch als Antwort bekam er nur ein paar laute Schluchzer. Noch immer weinte die Jüngste. Sie zitterte und konnte einfach nicht aufhören, zu schluchzen. Ihre Finger verkrampften sich noch weiter, und einzelne Haare fielen zu Boden. „Noriko?“, fragte Misa, vollkommen überfordert mit der Situation. Endlich hob die Angesprochene ihr Gesicht – Es war vollkommen mit Tränen überströmt. „Ich…ich…ich muss…“, fing sie an, doch die immer wieder aufkommenden Schluchzer erschwerten ihr das Reden merklich. „Was musst du?“, fragte Riku und kniete sich neben Ren. „Ich muss…es wissen…warum…warum wurde sie…mitgenommen?“, sagte Noriko unter Schluchzern, dann brachte sie nichts weiter heraus. //Ich muss es wissen…sonst bringen mich diese Träume noch um…// Vorsichtig schloss Ren sie in seine Arme. Dabei merkte er erschrocken, wie stark sie zitterte…war das jetzt eine Panikattacke? Er sah kurz in ihr Gesicht – Es war kalkweiß. Er seufzte leise und strich ihr über den Rücken. Sicherlich meinte sie, dass sie wissen musste, warum Miyuki von den Soldaten mitgenommen worden war…Er konnte es sich selbst nicht vorstellen. „Beruhige dich erst mal…Schlaf noch eine Nacht drüber…wir können uns auch später noch Gedanken darüber machen…“, versuchte er sie umzustimmen, doch ihre Hände verkrampften sich noch mehr und sie schüttelte heftig ihren Kopf. „Es…es geht…nicht…Wenn…ich wieder schlafe…beginnt alles wieder von Vorne…“, schluchzte sie, und beruhigen konnte sie sich nicht. Nicht nachdem, was sie Nacht für Nacht durchstehen musste. Es würde sie tatsächlich noch irgendwann umbringen…wenn das so weiter gehen würde… Gerade, als die Tränen einigermaßen gestoppt hatten, fing alles wieder von Vorne an, und erneut wurde Noriko von einem Weinkrampf gepackt. Erneut seufzte Ren auf. Er schien angestrengt über etwas nach zu denken. „Was denkst du denn, wo wir die Antwort darauf finden werden?“, fragte der Blonde und löste sich wieder von ihr. „D-daikoku…“, brachte sie hervor, dann biss sie sich wieder auf die Lippe. Ren wandte sich allen zu. Alle nickten sich einzeln zu, und so war entschieden, dass sie als nächstes Ziel zurück nach Daikoku gehen würden, um in Noriko’s Haus nach irgendwelchen Informationen zu suchen. „Okay. Jetzt beruhige dich langsam, wir werden morgen dorthin aufbrechen, dass verspreche ich dir bei meiner Vampir Zahn Halskette!“, sagte Ren und hob seinen Daumen an. Noriko löste ihre Hände von ihren Haaren, sah erneut auf und ihr Mund formte sich zu einem winzigen Lächeln, welches aber nicht viel aussagen konnte, da sie noch immer weinte. Als ein paar Stunden später endlich die Sonne aufging, wusste Noriko, dass es nun an der Zeit war, zurück zum Lager zu gehen. Als es die anderen endlich irgendwie geschafft hatten, sie zu beruhigen, war sie zusammen mit Ren zu einem nahegelegenen Fluss gegangen. Sie hatte es abgelehnt zu schlafen, und so hatte Ren versprochen, dass er auch wach bleiben würde…Das hatte aber anscheinend nicht geklappt, wenn sie sich den schnarchenden Ren neben ihr genauer betrachtete. Er war vor circa zwei Stunden eingeschlafen, und Noriko hatte ihn nicht daran hindern wollen. Es war ihrer Meinung nach schon schlimm genug, dass alle vier ihren Gefühlsausbruch gestern Nacht miterleben mussten. Seufzend erhob sie sich. Anscheinend hatte sie sich zu schnell bewegt, denn einen Moment später verstummte das leise Schnarchen und Ren schreckte auf. „Was ist los? Wo ist der Vampir?“, fragte er verwirrt. Noriko konnte nicht anders, als zu lachen. So gerne hätte sie solche Träume wie Ren gehabt… Die beiden kehrten wenige Minuten später schon zum Lager zurück, wo die anderen inzwischen begonnen hatten, ihre Sachen einzupacken. Sie waren schon so gut wie fertig, sie mussten nur noch ihre Schlafmatten zusammenpacken. Dann gingen sie los, während Noriko leise ihre Karte studierte. Sie spielte ihre Rolle wirklich perfekt…beinahe zu perfekt…Niemand hatte gemerkt, wie schlecht es ihr in Wirklichkeit gerade ging. Auch, wenn sie äußerlich gerade über einen dummen Witz von Riku lachte, so fühlte sie sich innerlich gerade so, als würde sie tatsächlich sterben. Sie fragte sie nur, warum ihre Eltern getötet worden waren, und Miyuki entführt worden war und warum sie in Ruhe gelassen worden war…Warum hatten die Soldaten sie nicht einfach auch getötet? Es schien ihr beinahe eine Sünde zu sein, dass sie noch lebte, weil ihre Eltern deshalb sterben mussten… Dennoch ließ sie sich jetzt nicht unterkriegen, die anderen sollten nichts bemerken, und so tat Noriko die ganze Zeit so, als ob die Situation in der Nacht niemals geschehen wäre… „Okay…so, wie es hier auf der Karte eingetragen ist, scheint der schnellste Weg zum Kiseki-See ein riesiger Wald zu sein. Den müsste man nach meinen Berechnungen eigentlich in knapp zwei Tagen durchwandert haben. Wollen wir da durch gehen?“, fragte sie, und zeigte allen die Karte. Sie stimmten alle zu, denn jeder hier wollte Noriko helfen…sie war so zusagen das Verbindungsstück der ganzen Gruppe. Hätten Ren und Noriko sich nicht getroffen und nicht gestritten, dann hätten sie niemals Misa getroffen. Hätte Noriko nicht heimlich das Tagebuch gelesen, wäre niemals der Streit entstanden, und Yoshi würde jetzt nicht zu ihrer Gruppe gehören. Hätte Noriko nicht damals in der Quelle gebadet, hätte Riku niemals ihren Kimono klauen können… In der Tat hatte Noriko mit allem irgendetwas zu tun. Nach etwa einer halben Stunde Fußweg durch riesige Felder, konnten sie die ersten Bäume des Waldes erkennen. Als sie näher kamen, bemerkten sie, dass vor dem „Eingang“ ein altes Schild stand, auf dem etwas in alten Kagami-Schriftzeichen geschrieben stand. „Häh? Was soll das denn heißen?“, fragte Ren sofort, der diese Schriftzeichen ja niemals gelernt hatte. Da auch Misa und Riku nichts mit den Schriftzeichen anfangen konnten, und Yoshi sich nicht dazu äußerte, beschloss Noriko für sie zu übersetzen. „Hayashi no Kyofu“, las sie vor. „Und das bedeutet?“, fragte Riku, aufgeregt wie ein kleines Kind. „Der Wald des Schreckens.“, übersetzte Noriko und zuckte mit den Achseln. Misa zuckte leicht zusammen. „Denkt ihr…dass da vielleicht ein schreckliches Monster lebt?“, fragte sie, und fiel etwas in sich zusammen. Ren kicherte leise und wandte sich dann an Riku: „Wetten, dass sich die Mädels später wieder fürchten werden?“, fragte er und lachte leise. Riku legte wieder Zeigefinger und Daumen an sein Kind und stellte sich die Situation vor. ~Riku’s Inner Mind Cinema~ Yoshi, Misa und Noriko begannen laut zu schreien. Riku stand genau in der Mitte der dreien. Misa klammerte sich an seine rechte Schulter. Noriko klammerte sich an seine linke Schulter. Yoshi sprang ihm auf den Arm. „Ahhhh, kowai desu~(Ahh, das ist gruselig!)“ ~Riku’s Inner Mind Cinema ende~ Als er sich das vorstellte, begann Riku damit, dämlich zu grinsend und er kicherte ganz abscheulich. Noriko sah ihn tödlich an, dann hielt er lieber seinen Mund und alle fünf gingen langsam los. In dem Wald angekommen, mussten sie aber feststellen, dass es ziemlich dunkel war, mit oder ohne Sonnenlicht. Misa, Yoshi und Noriko nahmen sich an den Händen um nicht gegeneinander zu Laufen. Ren und Riku sahen zu den ineinander verschlungenen Händen, dann sahen sie zu ihren eigenen und schließlich sahen sie sich gegenseitig ins Gesicht. „Nein, lieber nicht.“, sagten die beiden fast synchron und mussten leicht über ihre eigenen Worte kichern. Bei jedem weiteren Schritt wurde es immer dunkler und dunkler. Nach einiger Zeit war es dann so dunkel, dass man überhaupt nichts mehr sehen konnte. So kam es dazu, dass die Mädchen ausversehen ihre Hände losließen und sich so jeder alleine nach Vorne tasten musste. „Misa? Yoshi? Wo seit ihr?“, rief Noriko verzweifelt, als sie schon einige Minuten nichts mehr voneinander gehört hatten. Zur selben Zeit tastete sich auch Ren mit ausgestreckten Händen irgendwie den Weg voran, doch sein einziger Gedanke war nur: //Bitte lass mich kein Mädchen erwischen...// Als er dann etwas seltsames berührte, fasste er etwas fester zu und bewegte seine Hand leicht. Darauf folgte dann ein lauter Schrei. „AHH! Wer ist da??!!“, schrie Noriko’s Stimme laut vor ihm. Ren musste wohl oder übel leicht lachen. „Achso, es war Noriko!“ „PERVERSLING!“ Ein lauter Knall war zu hören. Misa, Riku und Yoshi kamen angerannt, erst jetzt war Misa in den Sinn gekommen, dass sie ja ihre Lichtkraft benutzen könnte. „Nori? Ren? Seit ihr hier irgend...“, fing sie an, doch weiter kam sie nicht, da sie plötzlich laut losprusten musste. In dem schmalen Lichtkegel konnte man deutlich einen großen Eisklumpen erkennen, in den Ren eingeschlossen war. Er blutete aus der Nase. Daneben saß Noriko, mit einem Hauch von rot auf ihren Wangen, die sich mit den Händen an den Po fasste. „Oh mein Gott, das glaube ich jetzt einfach nicht!“, rief Riku und kringelte sich vor Lachen auf dem Boden. Misa seufzte nun und machte sich daran, den Eisklotz mit Namen Ren wieder aufzutauen. „Du brauchst gar nicht so blöd zu Lachen, Riku. Es hat eben ewig gedauert, bis wir dich wieder gefunden hatten!“, meinte Misa und lächelte leicht. „Pah! Nur weil ich mich einmal verlaufen habe...“ „Wenn es wenigstens nur einmal wäre...aber bei dir ist das irgendwie ganz natürlich, das passiert dir anscheinend täglich!“, sagte sie, und der eben wieder aufgetaute Ren fing an zu kichern. Riku schmollte weiter vor sich hin, doch dann gingen sie auch schon weiter. Dieses Mal ging Noriko voraus. Und da Misa ganz am Schluss ging, reichte das Licht nicht aus, um ihr den Weg zu weisen. Plötzlich spürte sie erneut etwas unangenehmes, und sofort entwischte ihr ein Schrei. „Wer war das?“, fragte sie bissig. Misa kam mit ihrem Licht angelaufen. Sie erkannten, dass hinter Noriko kein Anderer als Riku stand, begann dieser unschuldig zu pfeifen. „Oh mein Gott, wer würde denn nur sowas tun?“, fragte er unschuldig und sah sich um. Der erste, den er erkennen konnte, war Ren. „Ahaaaa! Ren du Lustmolch, konntest deine Finger wohl wieder nicht bei dir behalten, was?“, fragte Riku und schüttelte den Kopf. „Ich muss schon sagen, ich bin echt enttäuscht von dir Kumpel!“, sagte er. Ren schüttelte schnell seinen Kopf. Er war rot angelaufen. „Was? Nein, ich bin unschuldig!“ „Tut mir leid, aber das können wir dir einfach nicht gl…AUTSCH!“ Noriko hatte Riku eine rein gehauen. „Tu nicht so unschuldig, jeder hier weiß, dass du es warst!“, sagte sie mit einem eisigen Blick. „Wow, zum ersten Mal passt ihr Äußeres zu ihren Fähigkeiten!“, stellte Ren fest und schlug mit der rechten Faust auf seine Linke flache Hand. Als Noriko auf ihm einen eisigen Blick schenkte, wusste er, dass er jetzt besser leise sein sollte. Weitere Stunden vergingen. Misa musste immer mehr Licht erschaffen, damit alle überhaupt noch ihre eigenen Füße sehen konnten. „Oh man ich bin echt fix und alle…!“, stellte Riku fest und fiel auf den Boden. „Meinst du nicht eher fix und fertig?“, fragte Misa und hob eine Augenbraue. „Nein.“ „Hey, schaut mal, dahinten!“, rief Noriko aufgeregt und zeigte geradeaus: Etwa 100 Meter von hier entfernt wurde es allmählich heller. Schnell liefen sie los, Riku trottete ihnen langsam hinter her. Als sie hinten am Licht angekommen waren, bemerkten sie, dass hier eine große Klippe vorhanden war, welche direkt an den riesigen Wald grenzte. Noriko wagte einen Blick nach unten – Etwas weiter unten war ein zweiter Felsvorsprung, auf dem man eine heiße Quelle erkennen konnte. Und noch weiter unten gab es eine zweite heiße Quelle, die direkt an den nachfolgenden See grenzte. „Wow, das sieht toll hier aus!“, stellte Misa fest. Noriko nickte. „Tja, was wollen wir jetzt machen? Es ist eh schon spät…wollen wir hier unser Lager aufstellen?“, fragte Ren, und die anderen stimmten ihm sofort zu. „Okay…dann schlage ich vor, dass wir am besten erst mal unser Lager hier oben errichten. Wer weiß ob wir dann später noch die heißen Quellen nutzen können.“, erklärte Ren und die fünf teilten sich auf, um Aufgaben wie Holz sammeln oder kochen zu erledigen. Es war nun später Abend geworden, die Dunkelheit streckte sich immer weiter aus. Da das Essen noch eine Weile vor sich hin köcheln musste, beschlossen sie, erst einmal die Quellen zu benutzen, und danach zu essen. An der Klippe waren genau zwei heiße Quellen, eine hoch oben, die Andere direkt darunter. Oben badeten die Mädchen, unten die Jungen. Erst hatte Riku ja widersprochen, da er meinte die Mädchen bräuchten einen Bodyguard, doch nach ein paar schlagfertigen Argumenten seitens Misa und Noriko, überlegte er es sich schließlich doch anders. „Brutalo…“, seufzte Riku und ging mit Ren zusammen zu der anderen Quelle. Da diese Beleidigung für Misa zum Glück nur von Noriko gehört worden war, wurde der Älteste vorläufig verschont. Während sich Ren und Riku dann unten über dies und jenes unterhielten, gab es oben wieder ein paar Schwierigkeiten zwischen Noriko und Misa. „Gib es doch endlich zu!“, rief Misa laut. „NEIN! NIEMALS IM LEBEN!“ „Doch, natürlich!“ „Nein! Und es bleibt dabei!“ „Aber du musst doch zugeben, dass es ziemlich unwahrscheinlich ist, dass du größer als deine 1,52 Meter wirst!“ „Nein! Nie im Leben würde ich das zugeben! Ich...ich werde schon noch wachsen...“ „Wer’s glaubt...“ „YOSHI!“ Noriko war direkt wieder auf 180. Vollkommen geblendet von ihrer Sturheit fing sie an, Eisklumpen zu bilden und diese dann nach den beiden Mädchen zu werfen. Doch es kam, wie es kommen musste: Einer der Eisklumpen wurde von Misa zurück geworfen, er krachte direkt neben Noriko auf den Boden und dieser bekam einen riesigen Riss. Und während der Boden unter Noriko nachgab, fing diese schon an, zu schreien. Ren und Riku dachten sich eigentlich nichts Böses, als plötzlich etwas von oben in ihre Quelle gefallen war. Sie machten nur etwas große Augen und warteten darauf, dass jenes Etwas endlich auftauchte. „Was war denn das jetzt schon wieder?“, fragte Ren und guckte leicht neugierig, während Riku begann, das Schlechteste vom Schlechten zu erwarten. „Oh nein! Was, wenn es ein Soldat ist?“, fragte er hysterisch und ruderte nervös mit seinen Armen. „Hey! Komm mal wieder runter, du Memme!“, schimpfte Ren. Er hatte es gerade eben noch geschafft, in einen halb Wach – halb Schlafend Status zu gelangen, doch wurde ihm das durch Riku’s nervöses Auftreten genommen. „Weichei!“ „Lass mich!“ „Ich töte dich!“ „Klar, wenn du es schaffst!“ Zwischen den beiden entstand eine kleine Prügelei, bei der kein Sieger hervor gehen wollte. Ein paar Blasen stiegen auf, dann streckte Noriko plötzlich ihren Kopf aus dem Wasser. Ren und Riku sahen zu ihr – Sie sah zurück. Riku brauchte gar nichts weiter zu wissen, aus Gewohnheit kippte er direkt hinten über und seine Nase blutete. Ren musste natürlich alles genau mustern. „Wahnsinn...“, murmelte er und setzte ein dämliches Grinsen auf. Blut schoss aus seiner Nase, eher er von Noriko niedergeschlagen, und anschließend in einen Eisklotz einbeschlossen wurde. „PERVERSLING!“, schrie die Jüngste und verschwand schnell, da sie ja immer noch nur dieses leichte Tuch trug. Von weiter oben hörte sie deutlich Misa’s lautes Lachen, und sie konnte sich auch deutlich Yoshi’s leicht grinsendes Gesicht vorstellen. Als sie wieder oben angekommen war, musste sie wohl oder übel leicht über die Situation eben lächeln. Nach diesem anstrengenden Tag ließen sich alle erschöpft auf den Boden sinken, als endlich das Lagerfeuer brannte. Noriko war aus irgendeinem Grund so müde, dass sie sich einfach fallen ließ und direkt einschlief. Eigentlich gab sie aus Spaß nur vor müde zu sein, sie würde im Moment nur ungerne freiwillig schlafen. Sie fiel direkt auf Ren’s Schoß. Dieser wurde direkt knall rot und verlegen. Misa und Riku fingen an, furchtbar zu lachen, Yoshi verzog den Mund zu einem kleinen Lächeln. „Verdammt, hört auf zu Lachen und helft mir gefälligst!“, rief der peinlich berührte Ren, obwohl ihm diese Sache eigentlich gefiel. Er würde es aber natürlich niemals zugeben… Die anderen drei sahen sich an. „Wow...der Mond ist ja heute so wunderbar schön!“, staunte Riku und sah in eine komplett andere Richtung. Yoshi stand auf und ging einfach weg. Misa hingegen sah zur Seite. „Oh, ein Nachtfalter!“, rief sie und rannte diesem schnell hinterher. Ren kochte vor Wut und Scham. „IDIOTEN!“ „Wer? Ich?“, fragte Noriko, die mit ihrem Bauch auf seinem lag und grinste. Ren machte nun wieder sein „Ich verstehe absolut gar nichts“ Gesicht. Noriko schien die ganze Sache einfach nur zu amüsieren. Misa kam wieder angelaufen. Sie hatte das Essen mitgebracht, und alle fingen sofort mit dem Essen an. Zwischendrin herrschte Funkstille zwischen Ren und den drei anderen, doch Noriko aß amüsiert weiter an ihrem Essen. „Hey, Ren…isst du dein letztes Reisbällchen noch?“, fragte Yoshi plötzlich, und starrte seinen Teller an. Ren packte das Reisbällchen und warf es ihr an den Kopf. Sie sagte nichts, sondern steckte es direkt in ihren Mund. Noriko hingegen schien sich damit nicht zufrieden zu geben. Sie haute Ren eine rein und fragte: „War das jetzt nötig?“ „Ja!“, antwortete er instinktiv, und einen Moment später klebten Noriko’s restliche Reisbällchen in seinen Haaren. „HEY! Meine schöne Frisur…“, beschwerte er sich und schmollte. Die Jüngste steckte sich sofort die Finger in die Ohren und tat so, als könne sie ihn nicht mehr hören. Ren sah alle finster an. „Ich geh schlafen…“, murmelte er und setzte das Gesagte in die Tat um. Misa lachte und folgte ihm langsam. Nachdem nun auch endlich Noriko gegen ihren Willen schlafen gegangen war, blieben nur noch Riku und Yoshi zurück, da die beiden sowieso mit der Nachtwache dran waren. Riku blinzelte ab und zu mal kurz zu Yoshi herüber. Diese sah einfach mal zurück. Riku grinste sie an, Yoshi jedoch sah einfach wieder weg und starrte das Lagerfeuer an. Er wusste nicht recht, was er nun tun sollte. Riku wusste, dass Yoshi nicht sehr oft sprach, aber irgendwie würde er sie doch wohl dazu bekommen, wenigstens einmal ein wenig mehr als ein kurzes ‘Ja’ oder ein negatives ‘Nein’ zu sagen... Er dachte scharf nach, bis ihm nach 2 Stunden endlich eine gute Idee eingefallen war. „Hey, Yoshi! Sie mal, ein aufgegessenes Reisbällchen!“ Die Angesprochene wurde plötzlich hellhörig und sprang schnell auf. Sie sah sich schnell mit einem sehnsüchtigen Blick um. Sie rannte umher und schrie: „WO DENN?!?“ Riku begann damit, lauthals zu lachen. Von den lauten Geräuschen gestört, kam Noriko von ihrem Schlafplatz zurück zu der Feuerstelle. Als sie zwei Gestalten erkennen konnte, musste sie zweimal hinsehen, als ihr klar wurde, was genau sich da gerade vor ihren Augen abspielte: Riku lag auf dem Boden und brach fast zusammen vor Lachen, während die sonst so stille Yoshi mit einem gierigen Blick und ausgestreckten Armen um das Feuer lief. „...Ich glaube, ich war zu lange wach...“, murmelte Noriko leise und drehte sich wieder um. Nachdem sie vorgab, wieder eingeschlafen zu sein, riss Riku sich wieder zusammen und sagte unter kurzen Kicheranfällen: „Da fühlt man sich immer gleich viel besser, wenn man sie zum Reden bringt.“ Er schaute nochmal zu Yoshi, welche immer noch umherlief, und begann wieder, lauthals zu Lachen. Als dann plötzlich seine Beine einfroren, wusste er, dass es nun an der Zeit war, die Klappe zu halten. ___________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「四回」 ・ Dämon 「Yokai ~ She is really weird」 Kapitel 7: 「四回」 ・ Dämon 「Yokai ~ She is really weird」 ----------------------------------------------------- Kapitel sieben: 「四回」 ・ Dämon 「Yokai ~ She is really weird」 Der Nächste Tag brach an. Noriko saß in der Nähe des Lagers und döste an einen Baum angelehnt vor sich hin, als sie daran dachte, wie sie sich vorhin vom Lager davon geschlichen hatte. Niemand hätte merken sollen, dass sie mal wieder eine Nacht lang wach gewesen war. Natürlich war es mittlerweile deutlich sichtbar, dass sie schon seit längerer Zeit wach war, denn unter ihren Augen zeigten sich leichte Ränder, und sie sah auch sonst sehr matt und abgeschlafft aus, wie als ob sie krank gewesen wäre. Vorhin hatte die Lilahaarige es trotzdem irgendwie ziemlich einfach gehabt, sich vom Lager zu entfernen, da Riku trotz Nachtwache tief im Land der Träume steckte. Während er halb auf Yoshi lag und schnarchte, sprach sie die ganze Zeit nur von Essen und Reisbällchen. Noriko hatte es ernsthaft schwer gehabt, nicht loslachen zu müssen, als sie dieses Bild angesehen hatte. Nun jedoch war wieder eine schlaflose Nacht vergangen. Sie war es leid, immer wieder in der Nacht durch einen Traum gestört zu werden, da war es ihr schon lieber, wenn sie einfach überhaupt nicht mehr schlafen würde. In der Tat dachte sie die letzten paar Stunden nur über ihre letzten beiden Träume nach. Der zweite war leicht zu durchschauen, sie träumte wahrscheinlich immer noch von jener Nacht, da sie in ihrem tiefsten Herzen daran glaubte, dass alles ganz anders gekommen wäre, wenn sie sich nur mehr angestrengt hätte. Der Traum wollte ihr immer und immer wieder ein schlechtes Gewissen bereiten, und in der Tat hatte er auch ziemlich viel Erfolg damit gehabt. Doch Noriko wollte sich davon erst mal nicht beirren lassen, denn der andere Traum bereitete ihr viel mehr Sorgen. Sie fand es seltsam, dass sie auf einmal einen komplett anderen Traum geträumt hatte. Vor allem war es komisch, da sich Noriko nicht an solche Geschehnisse erinnern konnte. Dieser Traum hatte sich nie im Leben wie ein echter Traum angefühlt, sie hatte eher das Gefühl, dass es jemand vor langer Zeit einmal erlebt hat…doch warum genau dann ausgerechnet sie davon träumen musste…das konnte sie sich allerdings nicht zusammen reimen. Sie hatte aber auch das Gefühl, dass ihr dieser letzte Traum irgendetwas Wichtiges sagen wollte…doch was genau wollte er sagen? Noriko konnte sich beim besten Willen keinen einzigen Reim daraus machen. Sie seufzte schwer und fuhr sich ein Mal durch ihre Lavendelfarbenen Haare. Wo sie schon über seltsame Dinge nachdachte…sie wollte unbedingt wissen, warum sie sich körperlich so sehr verändert hatte. Wie hatte sie es angestellt, dass sich ihre eigentlich weißen Flügel plötzlich pechschwarz gefärbt hatten? Warum wurden ihre natürlich blonden Haare Lavendelfarben? Und warum sah sie deswegen nun genauso aus, wie diese Tora? Je mehr Noriko darüber nachdachte, desto mehr bereitete ihr diese Angelegenheit Kopfschmerzen. „Hey, warum schon so früh wach No-chan?“, fragte plötzlich eine Stimme neben dem Mädchen. Sie fuhr erschrocken zusammen und sah sich nach der Person um. Neben ihr hockte die grinsende Misa, welche ihr zu winkte. „Ach, du bist es nur…“, stellte die Jüngere fest und musterte wieder ihre Hände. Misa hob eine Augenbraue. „Was soll dieses desinteressierte „nur“? Wäre es dir lieber gewesen, wenn dich jemand anderes abgeholt hätte?“, fragte sie leicht beleidigt und drehte sich schnell weg. Die Angesprochene schüttelte schnell ihren Kopf. „Nein, so mein ich das ja gar nicht…ich hab mich einfach nur erschreckt und nicht mit dir oder jemand anderem gerechnet. Das ist schon alles…“, erklärte sie und fuhr sich noch einmal durch ihre Haare. „Na, wenn es weiter nichts ist~“, sagte die Blonde und kicherte leise vor sich hin. „Und jetzt erzählt mal, warum bist du schon so früh wach?“ „Hmm…ich konnte nicht schlafen…“, gab die Lilahaarige zu und sah verlegen zu ihren Händen. Noriko wusste nicht mal, warum sie eigentlich verlegen war, was konnte sie denn bitte dafür, dass ihre Albträume sie nicht ruhig schlafen ließen? Misa sah sie bedauernd an. „Was denn, schon wieder?“, fragte sie und seufzte leise auf. //So kann und darf die Sache nicht laufen…wir müssen etwas unternehmen, sie kann nicht die ganze Zeit wach bleiben…//, dachte die Ältere und wuschelte Noriko schnell durch die Haare. „Mach dir keine Sorgen, und kraus die Stirn nicht so. Wir werden schon irgendwie eine Lösung finden, vertrau mir.“, sagte sie aufmunternd und Noriko musste wohl oder übel leicht lächeln. „Also…wollen wir Ren wecken gehen?“, fragte Misa und kicherte leise. Noriko hob eine Augenbraue. „Ja, du hast richtig gehört…der faule Sack pennt immer noch wie ein kleines Kind…“, lachte die Blonde und auch die Jüngere stimmte in ihr Lachen ein, als beide dann schließlich los gingen, immer hin würden sie ein paar Minuten lang laufen müssen, um wieder zu ihren Freunden zu stoßen zu können. In der Tat lag ein gewisser blonder Jemand gerade auf seiner Schlafmatte und lag noch friedlich in seinen tiefsten Träumen. Doch wenn man wirklich glaubte, dass sein Traum gerade friedlich war, dann hatte er sich aber getäuscht… Er stand in einem großen Raum. Wo dieser Ort hier war, konnte er nicht genau deuten, denn nichts kam ihm hier in irgendeiner Weise bekannt vor. Er sah sich etwas um, doch immer noch konnte er nichts entdecken, was ihm auch nur irgendwie bekannt vor kam. Doch als ihm plötzlich ein ziemlich unangenehmer Geruch in die Nase stieg, lief er weiter und stand dann in einem anderen, viel größeren Raum. Und wie es hier nur aussah… Überall klebte Blut, an der Wand, auf dem Boden, an den zerstörten Möbeln… Auf dem Boden sah Ren deutlich die Umrisse von drei Menschenleichen. Er konnte von weitem natürlich nicht erkennen, dass die Menschen tot waren, doch als er näher kam, sah er sofort, dass alle drei Körper mit Rissen und Blut übersät waren, und keiner der drei bewegte sich noch in irgendeiner Weise, dass Einzige, was man noch in ihrem Blick erkennen konnte, war die reine Angst vor etwas undenkbaren. Was war hier nur passiert…? Als er genauer hinsah, konnte der Blonde tatsächlich noch eine weitere Gestalt erkennen. Es schien sich um ein kleines Mädchen zu halten, denn die Umrisse waren zierlich und fein geschnitten. Als er noch näher zum Geschehen kam, schien ihn die Gestalt zu bemerken, und langsam drehte sich das blonde Mädchen um, als… Mit einem heftigen Stoß in den Magen, wurde Ren aus seiner Traumwelt gerissen. Er bewegte sich schnell und rappelte sich sofort auf. Als er sich einigermaßen beruhig hatte, erkannte er vor sich die Gestalt von Yoshi, welche sich neben ihn gehockt hatte, und ihn nun gierig anstarrte. Sie hatte ihm anscheinend eben in den Magen geschlagen… „WAS IST?!“, fragte Ren, aufgewühlt darüber, dass er eben beinahe etwas Interessantes gesehen hätte. Yoshi vor ihm schien die Ruhe selbst zu sein, in der Tat verhielt sie sich nicht wirklich anders als sonst. Sie tippte ihm mit zwei Fingern auf die Stirn und starrte ihn weiterhin an. „Hunger. Mach mir was.“, sagte sie ruhig, und erhob sich wieder. Der Blonde seufzte leise und richtete sich ebenfalls auf. Traum hin oder hin, an der Tatsache, dass er den Traum nicht zu Ende sehen konnte, konnte er nun eh nichts mehr ändern, also war er auch nicht irgendwie sauer auf Yoshi. Er ging zu der kläglichen Flamme, die gestern Abend noch ein Lagerfeuer gewesen war, und fing langsam an, etwas für alle zu kochen. Währenddessen sah er einmal rüber zu Riku, welcher gegenüber von ihm noch immer schnarchend schlief, und ein großes Stück Holz umklammerte. Ren fragte am besten gar nicht erst, warum Riku gerade mit einem Stück Holz kuschelte, er würde es sowieso bereuen, wenn er erst mal gefragt hätte… Ein paar Minuten später war er auch schon fertig mit seiner Arbeit. Er verteilte das Essen auf mehrere Portionen, und reichte Yoshi eine davon. //So nebenbei…wo sind eigentlich Misa und Noriko?//, wunderte er sich in Gedanken. Dann sah er Yoshi gespannt beim Essen zu. Sie setzte sich erst mal ordentlich hin, legte den Teller auf ihrem Schoß ab und nahm dann einen Bissen. „Na, wie schmeckt das Essen so?“, fragte Ren hoffnungsvoll. Die Rothaarige schluckte, stand dann auf und ging langsam zu Riku herüber, welcher immer noch mit offenem Mund zu schlafen schien. Sie füllte ihm das Essen in den Mund, wodurch der Braunhaarige dann auch aufwachte. Er schluckte ahnungslos, lief von dem Geschmack blau an und kippte schließlich um. „Kein Kommentar.“, sagte Yoshi und beobachtete Riku beim vermeintlichen Überlebenskampf. Ren kratzte sich entschuldigend am Hinterkopf. „Ähm, tut mir ehrlich leid…ich dachte, dass Fliegenpilze mit Schnecken gut schmecken würden…“, erklärte er und sah ebenfalls zu Riku, welcher sich anscheinend nicht mehr bewegte. Yoshi piekste ihm ab und zu mal in die Seite. Noriko und Misa kamen wieder am Lager an. Sie guckten misstrauisch zu Riku rüber. „Was hat der denn schon wieder? Ist er aufgewacht und er hat festgestellt, dass er nicht von 72 Jungfrauen umgeben ist?“, fragte Misa und kicherte leicht. „Das wäre auch gar nicht möglich, Riku-kun ist kein Märtyrer…“, erklärte Noriko und beäugte ihn genau. „Naja…vielleicht doch.“, gab sie zu und ging dann Ren entgegen. „Ne, er wollte keinen Selbstmord begehen…ich hab nur gekocht ^.^“, erklärte Ren und grinste peinlich berührt. Misa starrte ihn an. „Was? Ist das dein Ernst? Was hat er dir denn getan, wolltest du ihn umbringen?“, fragte sie vollkommen schockiert und lief zu dem halbsterbenden Jungen. „Jetzt komm mal runter, ganz so schlecht koche ich nun auch nicht…“, sagte Ren beleidigt. „Und ob…“, murmelte Misa leise und rüttelte dann etwas an Riku rum. Noriko’s Magen knurrte. Schnell rannte sie zu Ren und nahm sich ebenfalls etwas zu Essen. „Oh man, ich hab nen Mordshunger, ich würde sogar welche von diesen komischen Pilzen essen!“, sagte sie und lächelte Ren an. „Hey, werden mir diese Sachen immer nachgetragen?“, fragte er grinsend und dachte an das letzte Mal, als er solche seltsamen Pilze gegessen hatte. Noriko nahm etwas von dem Essen und steckte es in ihren Mund. „NEEEEEEEEEEEEIN! Tu es nicht! Du wirst es noch bereuen!“, schrie Misa, doch die Jüngste zuckte nur mit ihren Schultern und schluckte runter. Alle Blicke lagen auf ihr, als Noriko’s rechtes Auge leicht zuckte. Sie rührte sich nicht, bis sie dann ebenfalls umfiel. „Upps…“, sagte Ren und kratzte sich am Hinterkopf. Misa kam angerannt und haute ihn mit voller Wucht auf den Hinterkopf. „Au! Brutalo! AUUUUU~“, schrie Ren, als Misa vor Wut ein zweites Mal zugehauen hatte. Die Blonde polierte ihre Faust. „Ich sagte doch, dass ich dir verboten habe zu kochen!“, sagte sie wütend und ging zurück zu Riku. Ren zuckte kurz mit seinen Schultern. „Ich hab halt vergessen, dass ich schlechter koche als ein sterbender Waschbär…“, meinte er entschuldigend. //Der immer mit seinen seltsamen Vergleichen…//, dachte Yoshi still und sah zu Misa, welche neben Riku in die Hocke ging, und anfing, an ihm herum zu rütteln. „Das wird nichts bringen…“, sagte Yoshi leise und stach mit einem dünnen Ast in Riku’s Bauch. Misa schien zu überlegen. „Vielleicht kann ich ihn ja wachküssen!“, schlug sie voller Begeisterung vor und grinste schelmisch. „Das ist Schwachsinn.“, sagte Ren und schmiss die Überbleibsel seines sogenannten „Essens“ weg. Doch Misa gab mit ihren Ideen nicht auf, und so beugte sie sich zu Riku’s rechtem Ohr und flüsterte etwas hinein. Sofort sprang der Braunhaarige auf. „Wo ist ein nacktes hübsches Mädchen?“, fragte er begierig und mit geröteten Wangen. Ren konnte darüber nur den Kopf schütteln. „Warum erzählst du ihm so einen Mist?“, fragte er an Misa gewandt. „Ist doch egal, Hauptsache es hat geklappt, oder?“, fragte sie grinsend und stand wieder auf. Ren seufzte. Langsam packten alle ihre Sachen zusammen, denn sie wollten so schnell wie möglich weiter reisen, um heute noch in Daikoku anzukommen. Riku sah zweifelnd zu Noriko. „Glaubt ihr, dass sie in den nächsten paar Minuten noch wach wird?“, fragte er skeptisch und kniete sich zu ihr. Misa zuckte mit ihren Schultern. „Keine Ahnung. Wenn nicht, kann einer von euch sie tragen?“, fragte sie und packte die Matten zusammen. Riku schien nachzudenken. Er legte Zeigefinger und Daumen an sein Kinn und grinste. „Oh oh…was kommt jetzt?“, fragte sich Ren verzweifelt. „Was wäre, wenn wir sie einfach wachküssen würden?“, fragte er von sich selbst überzeugt, und wiederholte so Misa’s Idee von vorhin. Misa kicherte und sah zu Ren rüber, welcher sich eine Hand an die Stirn schlug. „Bin ich hier nur von Idioten umgeben?“, fragte er und sah zum Himmel hinauf. Riku unterdessen näherte sich grinsend Norikos Gesicht. Zeit für Ren, um sich nun einzumischen. Schnell rannte er zu den beiden und haute Riku weg. Dann nahm er Noriko hoch und trug sie so, während Riku schmollend ein paar andere Sachen trug. „War doch nicht ernst gemeint…“, sagte er und grummelte leise vor sich hin. „Sicher ist sicher!“, murmelte Ren und Riku kicherte leise. Als Noriko nach zwei Stunden endlich erwachte, verschwamm alles vor ihren Augen. „Na, endlich aufgewacht?“, fragte Misa und Noriko sah sie fragend an. Als sie dann bemerkte, dass sie getragen wurde, starrte sie verwundert in das Gesicht von Ren. Dieser grinste ebenfalls. „Yo!“ Knallrot sprang die Jüngste von Ren’s Arm runter. Sie sagte nichts mehr, sie ging einfach nur still neben Yoshi durch den Wald. Nach einiger Zeit räusperte sie sich einmal kurz und richtete das Wort an Riku, welcher einen Kompass in der Hand hielt. „Also, wie lange brauchen wir noch, bis wir am Kiseki-See sind?“ Riku starrte den Kompass an. „Hmm…also…wenn wir nach Norden gehen…in etwa 3 Wochen, aber dafür müssten wir die Welt umkreisen, also vielleicht doch eher 5 Monate…wenn wir nach Westen gehen, kommen wir…zurück zu unserem Lager. Jetzt hab ich‘s, wenn wir nach Osten gehen-“, fing Riku an zu erklären, doch Noriko nahm ihm den Kompass weg. „Sag mal, hat dir ernsthaft niemals jemand beigebracht, wie genau man einen Kompass benutzt?“, fragte sie ernsthaft und sah ihn besorgt an. Doch Riku grinste nur leicht. „Natürlich weiß ich, wie man einen Kompass liest! Wenn der rote Zeiger nach Norden zeigt, muss man genau 34,64674 Meter nach rechts gehen, und dann Richtung Süden, dann kommt man im Osten wieder raus!“, erklärte er und strich sich seinen nicht vorhandenen Bart zurecht. „Was genau hast du da gerade erzählt?“ „…keine Ahnung, aber es hörte sich gut an, oder?“, fragte er hoffnungsvoll. Die Lilahaarige seufzte leise. Dann ergriff Misa schnell den Kompass. „Hmm…wenn wir dieser Karte vertrauen können, dann müssten wir in etwa zehn Minuten da sein.“, sagte sie, und deutete auf den Kiseki-See, welcher einen großen Teil der Karte einnahm. Und sie hatte mit ihrer Einschätzung Recht gehabt, es waren nur circa zehn Minuten vergangen, und man konnte geradeaus schon die Umrisse des Sees erkennen. „Klasse!“, freute sich Noriko, und sie lief mit Yoshi an der Hand dem See entgegen. Die anderen drei kamen ihnen nachgelaufen. Zu fünft standen sie am Ufer und keiner schien als erstes durchgehen zu wollen. Der Grund dafür war ganz logisch…eigentlich… „Okay, dann gehe ich als erstes, immerhin wollen wir ja nur nach Daikoku, weil ich diese komischen Albträume habe…“, erklärte Noriko sich freiwillig und sie ging ins warme Wasser des Sees. „Aber No-chan…du weißt, dass du noch etwas tun musst, um auf die andere Seite zu gehen, oder?“, fragte Ren und machte ein leicht besorgtes Gesicht. „Kein Problem für mich…“, sagte die Jüngste und winkte ab. Dann zog sie ihren Kimono ein Stück weiter nach oben, und ganz oben an ihrem Oberschenkel blitzte ein kleiner Dolch. Ren und Riku sahen schnell weg, da sie nicht Misa’s Zorn spüren wollten. „Bist du sicher, dass du das willst? Wir können immer noch umdrehen, und-“ „Ja, ich bin mir sicher!“, sagte Noriko schnippisch, dann ergriff sie das Ende des Dolches und zog ihn aus seiner Halterung. Verglichen mit den Schmerzen, die sie immer hatte, wenn sie ihre Flügel hervorholte, war dieser Schmerz beinahe gar nichts. Und von ihren Worten überzeugt, rammte sie sich den Dolch in ihren Unterarm, und ein paar Tropfen ihres Blutes tropften in das klare Wasser. Sie zog den Dolch heraus und steckte ihn wieder zurück. Ihre Wunde glühte leicht bläulich, dann schloss sie sich sofort wieder und nichts war zu sehen. „No-chan…wie hast du das jetzt gemacht?“, fragte Ren und sein Mund stand leicht offen. Noriko lächelte schief. „Ich hab doch Heilfähigkeiten, bei solchen Wunden muss ich sie gewöhnlich nicht einsetzten, diese Wunden heilen ganz von alleine. Bei größeren Wunden allerdings, muss ich dann die Initiative ergreifen.“, erklärte die Lilahaarige und lächelte etwas. Ren nickte leicht mit dem Kopf. Unter Noriko begann der See zu brodeln, er kochte beinahe. Es stiegen jede Menge Luftblasen und Lichtpartikel auf, und das Wasser färbte sich türkisblau – Es schien etwas zu leuchten. Noriko ging noch weiter in den See, bis sie fast nicht mehr stehen konnte. Ren und die anderen folgten ihr langsam, bis jeder in der Mitte angekommen war. Nun schloss die Jüngste unter ihnen die Augen und murmelte stumm ein paar Wörter vor sich hin. Dann war es Zeit, sich von Kagami-koku zu verabschieden, denn es würde noch eine Weile dauern, bis unsere Freunde wieder hier hin zurückkehren würden. Einer unter ihnen würde sogar nie wieder zurück kehren können, doch davon ein anderes Mal… Sie hatte die Luft angehalten, um nicht nervös zu werden, während sie ein Fluss aus magischem Wasser umhüllte und direkt in die andere Welt transportierte. Es dauerte nicht lange, vielleicht höchstens ein paar Sekunden, und der Mantel aus dem Wasser verzog sich, während die fünf Freunde ihre Augen öffneten. Alles sah genauso aus, wie in Kagami-koku, ihrer Heimat. Derselbe See, die gleichen Bäume, die gleiche Luft… Die Winged Race hatte ihre Heimat beabsichtigt „Kagami-koku“ genannt, denn übersetzt in die heutige Sprache bedeutete es nichts anderes, als „Spiegel-Land“. Dieses Spiegelland sah tatsächlich ganz genau so aus wie Daikoku, der einzige Unterschied bestand in der Bevölkerung. Als Noriko sich zuerst innerlich weigerte, ihre Augen zu öffnen, hatte das einen ganz speziellen Grund. Während ihrer Reise durch den Kiseki-See hatte sie eine schreckliche Vorahnung gehabt. Sie hatte zwar nur Bruchteile von Sekunden Zeit gehabt, um über solche Sachen überhaupt nur nachzudenken, doch trotzdem war ihr der Gedanken gekommen, dass dieser Traum, den sie neulich zum ersten Mal gehabt hatte, vielleicht sowas wie eine Vorhersage sein sollte. Vielleicht sollte er sie davor warnen, nach Daikoku zu kommen, weil mit ihr sonst genau das Selbe geschehen sollte, wie mit der Person in ihrem Traum. Und für einen Moment schien es ihr so, als hätte sie tatsächlich das leise Geräusch eines Pfeiles wahrgenommen…nur für einen winzigen Augenblick war sie kurz zusammen gezuckt, ohne, dass es jemandem aufgefallen war. Die Lilahaarige hatte nun auch nicht mehr länger Zeit, um über ihren kurzen Gedanken nachzudenken, denn alle fünf wurden durch einen lauten Aufschrei aus der Fassung gebracht. „Was war das?“, fragte Misa sofort. Ihre Stimme hatte einen leichten Unterton von Angst. „Keine Ahnung…Glaubt ihr, dass da gerade jemand angegriffen wird?“, fragte Riku. „Nein…das hörte sich nicht wie ein Hilfeschrei an…“, fing Ren an und überlegte. Noriko stimmte ihm zu. „Es hörte sich mehr wie ein Kampfschrei an. Meiner Meinung nach findet hier ganz in unserer Nähe ein kleine Kampf statt…“, teilte sie den Anderen ihre Gedanken mit und die fünf betraten das Ufer des Kiseki-Sees. „Aber aus welcher Richtung kam der Schrei?“, fragte Misa. Die Jüngste dachte nach, die Situation nahm in ihrem Kopf erneut Gestalt an, und… „Da entlang!“, sagte sie laut und zeigte in eine Richtung, etwas nördlich von ihrem genauen Standpunkt. „Worauf warten wir dann noch?“, fragte Ren und grinste Noriko an. Sie weitete ihre Augen. „Nein, bitte nicht, neeeein!“, schrie sie, als Ren seine Flügel hervorholte, Noriko an sich zog und dann abhob, während Riku, Misa und Yoshi den beiden sofort folgten. Es dauerte nicht lange, und von weiter unten konnte man einen erneuten Aufschrei hören. „Da unten muss es sein!“, rief Ren und er setzte zum Sturzflug an. Die anderen folgten ihm sofort, und keine drei Sekunden waren vergangen, als die fünf auf einer Lichtung gelandet waren. In einer Reihe stellten sie sich auf – Ganz rechts Ren, lässig die Arme verschränkt. Neben ihm die zerzauste Noriko, welche nicht ganz bei der Sache zu sein schien. Daneben stand Misa, welche Riku davon abbrachte, Yoshi noch näher zu kommen, als er es eh schon war. „Sei doch kein Spielverderber!“, quengelte er, als Misa ihm eine geklatscht hatte. Ganz deutlich zeichneten sich ihre Finger auf seiner linken Wange ab. Misa schenkte ihm noch einen tödlichen Blick, dann war er auch schon wieder still. „Und wo ist jetzt der Kampf?“, fragte Noriko und lief etwas hin und her. Plötzlich schoss etwas keine 50 Zentimeter von ihr entfernt an ihr vorbei – Es war ein Pfeil, wie die Soldaten sie benutzten. Von links kam eine ganze Truppe von den Soldaten. Sie liefen jemandem hinterher, doch wer genau es war…das konnte man aus der Entfernung noch nicht erkennen. Erst als die drei Gestalten noch näher kamen, sahen sie, dass es drei Menschen waren. „Hey, die gehören zur Winged Race!“, bemerkte Riku und zeigte auf die Flügel, die bei jedem am Rücken hervorschauten. Tatsächlich waren es Leute von der Winged Race. Die drei hoben vom Boden ab, einer schrie laut „Weg da!“, und eine große lila Flutwelle ergoss sich über die Lichtung. Die Freunde handelten schnell und hoben ebenfalls vom Boden ab. Die Welle verschluckte alle Soldaten, obwohl es wirklich viele gewesen waren. Und als sie sich schließlich verzogen hatte, mussten die fünf genauer hinschauen, damit sie begreifen konnten, was genau da gerade passiert war: Die komplette Lichtung war von der „Welle“ überflutet worden, jetzt standen nur noch ein paar mickrige Pflänzchen und der ganze Grasboden war zerstört worden. „Was war das?“, fragte Misa und landete wieder auf dem Boden. „Tut mir leid wegen der Umstände…“, sagte eine Stimme. Direkt neben Misa landete ein großer, schwarzhaariger Junge. Er hatte wohl eben gesprochen. Neben ihm landete dann ein kleines blondes Kind, und neben ihr stand ein regloses Mädchen, mit silbergrauen Haaren. Erneut entschuldigte sich der Junge, dann grinste er Misa an und erklärte die Situation: „Tut mir leid, dass das eben so heftig gelaufen ist…Wir drei sind versteckt durch Daikoku gereist, um etwas über den Krieg herauszufinden, als wir plötzlich von den ganzen Soldaten angegriffen wurden, und so weiter…“, sagte er und grinste wieder. „Ach, das macht doch nichts!“, winkte Misa ab und strahlte. //Was ist denn mit der los?//, fragte sich Ren und hob eine Augenbraue. Doch der schwarzhaarige Typ machte keine Pause, und so redete er direkt weiter: „Mein Name ist Ryoko, aber nenn mich Ryo, das ist irgendwie cooler. Sag mal, Schätzchen, wie ist dein Name?“, fragte Ryoko und lächelte charmant. „Ähm…ähmm, ich bin Mi-misa“, stammelte sie und wurde leicht rot. Sie hatte irgendwie schon immer eine kleine Schwäche für Männer gehabt, darüber musste Noriko leicht schmunzeln. „Ähm, kannst du mir vielleicht verraten, was du da gerade mit den Soldaten gemacht hast?“, stotterte Misa verlegen weiter und begutachtete die große Verwüstung, die der Junge eben mit dieser lila Welle angerichtet hatte. Ryoko grinste leicht und kratzte sich am Hinterkopf. „Ach das…das ist eigentlich nichts besonderes für mich, hat etwas mit meiner speziellen Fähigkeit zu tun…“, erklärte der Junge und die Freunde staunten nicht schlecht. „Wahnsinn…und was hast du für eine spezielle Fähigkeit?“, fragte Ren und richtete so zum ersten Mal das Wort an einen der drei. „Ich kann mit meinem Körper Gift produzieren. Ich habe Unmengen davon zur Verfügung in meinem Körper, und das eben war eine „Gift-Welle“, eine meiner stärksten Attacken. Zuerst wusste ich noch nicht genau, wie genau ich die Soldaten besiegen sollte, doch als ihr dann aufgetaucht seid, hatte ich dann einen Grund, um diese Attacke zu verwenden.“, sagte der Schwarzhaarige und zwinkerte Misa zu. Diese wurde dunkelrot und kicherte lustig. Noriko zwickte ihr in die Seite. „Reiß dich mal zusammen, da kann man ja kaum noch zusehen.“, meinte sie, doch Misa winkte nur ab. Als Ryo dann zu Noriko schaute, grinste er noch breiter und stand dann plötzlich vor ihr. „Hallo meine Schöne, darf ich dich zum Baden einladen?“, fragte er, und Noriko hob eine Augenbraue. „Bitte was willst du?“, fragte sie verwundert, doch da hatte der Schwarzhaarige schon Yoshi gesehen. „Oh, noch so eine Schönheit! Verzeihen sie mir, Madame, dass ich sie nicht schon eher entdeckt habe!“, sagte er und machte einen kleinen Knicks, während er sich Yoshi’s Hand näherte, und ihr einen kleinen Kuss drauf drückte. Riku stellte sich vor die Rothaarige und räusperte sich. „Entschuldigung, könntest du das bitte lassen?“, fragte er und versuchte vergebens, so nett zu klingen, wie nur möglich. Plötzlich sprang das kleine blonde Mädchen auf Ryo’s Rücken und kniff ihm in’s Ohr. „Na, siehst du, deswegen haben wir nie Freunde, du dämlicher Weiberheld!“, sagte sie und zog einmal an dem Ohr. „AUUUU~ Tut mir leid AAUU~ Rin, aber du darfst erst Kommentare abgeben, wenn AUUU~ du so größe Brüste wie die da hast!“, redete sich der Junge raus und piekste mit seinem Zeigefinger in Yoshi’s Oberweite. Sie sah teilnahmslos zu seiner Hand, während Riku nur die Augen weitete und sein Kiefer bis zum Boden fiel. Yoshi packte Ryo’s Hand, griff sehr fest zu und drehte seinen Arm herum. Ein lautes Knacken ertönte, und das Opfer sprang drei Meter weg. //Die ist gruselig…//, stellte er fest und pustete einmal. Das stumme Mädchen hinter den beiden Neuankömmlingen hatte noch gar nichts gesagt, doch nun kam sie einige Schritte nach vorne und stellte sich neben Ryo. „Was gibt’s, Yoko-chan?“, fragte er und lächelte sie an. Sie nahm seinen Arm hoch und begutachtete die Verletzung. Dann sah sie ihn wieder fragend an. „Ähm, keine Sorge, dass tut nicht mehr weh.“, erklärte Ryo, als könnte er die Gedanken des Mädchens lesen. Noriko sah zu Ren. „Weißt du, was mit der los ist?“, fragte sie, doch Ren konnte nur leicht den Kopf schütteln. Misa unterdessen schubste Riku beiseite und zog ihre Karte hervor. „Jetzt mal ein anderes Thema, kennt ihr euch hier zufällig aus?“, fragte sie und hielt Ryoko die Karte entgegen. Dieser nahm sie an sich. „Klar, ich wohne hier schon seit fast fünf Jahren!“, sagte er stolz und grinste. Misa verdrehte leicht die Augen. //War doch klar, dass so ein süßer Typ so seltsam drauf ist…//, dachte Misa und seufzte innerlich. Ryoko studierte die Karte. „Wohin wollt ihr denn, wenn ich fragen darf?“, säuselte er vor sich hin und drehte die Karte in alle Himmelsrichtungen. „Wir suchen nach Nori-chan’s Haus. Sie weiß nicht mehr, wo genau es ist, was ich eigentlich merkwürdig finde, immerhin hat sie die ganze Zeit hier gewohnt, und-“ „Erzähl du mir nichts über Orientierung Riku, du hast dich an einem Tag schon öfter verlaufen, als ich in meinem ganzen Leben.“, winkte Noriko ab, und unterbrach den Braunhaarigen dabei. Ryo drehte noch immer die Karte herum. „Und, hast du irgendeine Ahnung, in welcher Richtung das Haus ungefähr lag, oder ob irgendwas auf dieser Karte hier vielleicht in der Nähe ist?“, fragte der Schwarzhaarige und hielt die Karte verkehrt herum. Das Mädchen, welches Yoko hieß, nahm ihm die Karte ab und drehte sie richtig herum. „Danke Yoko-chan~“, sagte der Junge und grinste leicht peinlich berührt. Noriko sah hoffnungslos zu Ren. Dieser zuckte mit seinen Armen. „Ähm, in der Nähe war ein sehr großer Vulkan…ich habe ziemlich in der Nähe von diesem Dorf da gewohnt…“, erklärte sie weiter. Ryoko nickte und sah sich die Karte genauer an. „Okay, der Karte nach ist…genau hier der Vulkan. Und das Dorf heißt…Kuzan…Karun…ähm…“, fing der Junge an, doch offensichtlich hatte er einige Schwierigkeiten beim Lesen des Namen’s des Dorfes. Yoko haute ihm auf den Kopf. „Da steht Kazan-Mura“, sagte sie in einer Stimme, welche gleichzeitig desinteressiert und ruhig klang. Das war das erste Mal, dass dieses Mädchen überhaupt etwas gesagt hatte. Ryoko kratzte sich erneut am Hinterkopf. „Natürlich, vielen Dank Yoko-chan~“, sagte er. „Also, das Dorf heißt offensichtlich Kazan-Mura und liegt in der Nähe von…hmm? Wie viele Vulkane sind das denn? Die Karte ist an der Seite abgebrannt…“, erklärte der Junge und zeigte die Karte Yoko. Sie nickte nur stumm. „Ich weiß…die Karte hab ich von meiner Schwester bekommen, es war die Einzige, die sie damals noch auftreiben konnte…“, sagte Noriko und nahm die Karte wieder an sich. „Aber ist es nicht eigentlich total egal, wie viele Vulkane da stehen?“, fragte das kleine Mädchen, welches vorhin Rin genannt worden war, und sie zupfte aufgeregt an Ren’s Oberteil. Er sah zu Riku, der zuckte mit seinen Schultern. „Ich denke schon, dass es unwichtig ist, aber vielleicht konnte man dahinten noch etwas anderes erkennen…“, erklärte Misa und sah Noriko über die Schulter. Diese zuckte ebenfalls mit ihren Schultern, und damit war die Sache dann gegessen. „Okay, wenn das Haus also irgendwo dort in der Nähe steht, sollten wir uns vielleicht dort hin auf den Weg machen. Und wenn wir erst mal in die Gegend kommen, erinnert sich No-chan ja vielleicht an irgendetwas…“, sagte Ren, und die anderen vier nickten. Ryoko, Rin und Yoko verabschiedeten sich. „Es war nett, euch mal kennen gelernt zu haben. Vielleicht sieht man sich ja mal wieder!“, sagte Ryo und schickte an alle drei Mädchen einen Luft Kuss. Misa wurde rot, Yoshi rührte sich nicht und Noriko verdrehte nur ihre Augen, dann gingen sie weiter. Noriko drehte sich noch einmal um und stellte überrascht fest, dass Yoko stehen geblieben war, und sie interessiert anstarrte. Ihre offensichtlich dunkelroten Augen musterten sie genau. Die Lilahaarige lächelte sie an, das Mädchen presste ihre Lippen zusammen und drehte sich um. Was sollte das jetzt eben? „Also, ich fand die nett~“, sagte Riku, um die anhaltenden Stille zwischen den fünf Freunden zu brechen. Misa drehte sich zu ihm um. „Das lag nur an dem hübschen Mädchen, welches Ryo-kun begleitet hat, oder?“, fragte sie und grinste leicht. Riku, welcher sich leicht ertappt fühlte, sah schmollend zur Seite, und Ren und Nori mussten lachen. „Und schon ist alles wie vorher~“, sagte die Lilahaarige glücklich. Es war schon spät geworden. Nachdem sich die fünf auf den Weg zu Noriko’s Haus gemacht hatten, wussten sie, dass es noch ein paar Tage dauern würde, bis sie dort angekommen sein würden. Die Hauptsache war aber erst mal, dass sie überhaupt in die Nähe der Gegend kommen würden. Wahrscheinlich lauerten überall Soldaten und Verräter der Menschen, die irgendwelche Leute für Geld verrieten, zum Beispiel, wenn sie in der Vergangenheit mal einem Mitglied der Winged Race geholfen hatte. Deshalb entschlossen sie sich dazu, erst mal ein Lager aufzustellen, da es schon ziemlich dunkel war. Noriko und Misa kümmerten sich um das Essen, Yoshi packte ihre Schlafmatten aus und Ren und Riku kümmerten sich um das Lagerfeuer. „Perfekt!“, sagte Ren, als sie alle zusammen um das Feuer saßen und ihr Abendessen zu sich nahmen. „Sagt mal…“, begann Ren dann, als alle schon zur Hälfte mit ihrem Essen fertig waren. „Kamen euch die drei von heute Mittag nicht auch irgendwie unheimlich vor?“, fragte er und biss von seinem Reisbällchen ab. „Ich fand es komisch, dass diese Yoko nie etwas gesagt hat. Sie schien uns irgendwie nicht wahrzunehmen…was meint ihr?“, meinte Noriko und schaute in die Runde. Riku hob die Augenbrauen. „Nur weil sie nicht so viel sagt, muss sie doch noch lange nicht seltsam sein…Ich meine, guckt euch doch mal Yoshi an. Sie sagt nie etwas, außer, wenn sie mal wieder Hunger hat. Und sie finden wir ja schließlich auch nicht seltsam, versteht ihr, was ich meine?“, erklärte der Älteste und verschlang seinen letzten Bissen. Yoshi nickte. „Ich bin nicht seltsam…“, sagte sie mit ihrer ruhigen Stimme. „Und das ist auch gut so.“, meinte Misa und gab ihr den letzten Rest ihrer Reisbällchen. Es wurde noch später, und so langsam waren alle ziemlich müde und abgeschlafft von der langen Reise. Misa lag neben Noriko und beide sahen sich lange schweigend an. „Glaubst du, dass wir die noch mal treffen werden?“, fragte Misa nach einer Weile. Noriko seufzte. „Keine Ahnung…aber ich wäre irgendwie ganz froh, wenn dem nicht so wäre. Wer weiß, was die noch so für Ziele haben…Nachher sind sie noch irgendwelche Verräter oder sowas in der Art…“, meinte sie und legte sich mit dem Rücken auf ihre Matte. Misa tat es ihr gleich. „Denkst du an einen bestimmten Typ Verräter? Zum Beispiel einer, wie der, der deine Eltern verraten hat?“, fragte die Blonde und Noriko sah sie überrascht an. „Neulich, als du diesen Albtraum hattest, war ich nachts noch wach. Ich hab mich über dich gewundert, da du die ganze Zeit geschrien hast. Du hast irgendwas von deiner Familie geschrien, von einer Miyuki, und…naja, sowas eben…“, erklärte die Ältere. Noriko atmete einmal ruhig aus. Es erinnerte sie wieder daran, warum sie sich gerade in Daikoku befanden. Es erinnerte sie wieder an ihre Schwester, die noch immer als verschwunden galt… Ob sie inzwischen wohl tot war? …Nein, sie durfte nicht so negativ denken…aber in dieser Hinsicht konnte sie einfach nicht anders… „Noriko?“ Noriko schreckte aus ihren Gedanken. „Hmm?“, fragte sie. Sie war nicht ganz bei der Sache. „Ich hab dich gerade etwas gefragt.“, sagte Misa und betrachtete sie unruhig. Die Lilahaarige strich sich ein paar Haare aus der Stirn und entschuldigte sich. „Tut mir leid, ich bin…nur etwas aufgebracht…“, stammelte sie und knabberte an ihrem Fingernagel herum. Die Blonde seufzte. „Ich merk schon…aber du musst dich damit abfinden, wenn du dich nicht zusammen reißt, bist du sehr angreifbar. Falls tatsächlich so ein Verräter auftauchen sollte, dann bist du ein leichtes Fressen für ihn. Lass dich gefälligst nicht unterkriegen, okay?“, sagte Misa und lächelte Noriko warmherzig an. Sie lächelte zurück, und dann drehte sich die Blonde zum Schlafen um. Misa hatte Recht. Noriko durfte sich nicht so leicht von ihren Gefühlen leiten lassen. Sie musste sie in eine imaginäre Schublade stecken, diese abschließen, und dann, wenn niemand gerade da war, könnte sie sie dann aufschließen, und ihren Gefühlen freien Lauf lassen. Es brachte absolut gar nichts, wenn sie ihren Freunden etwas vorheulen würde. Aber jetzt waren diese Zeiten vorbei! Sie würde sich nicht mehr unterkriegen lassen! Sie würde jetzt stark sein, und es den anderen auch beweisen! Und wenn sie erst mal bei ihrem zu Hause sein würde, würde sie auch endlich einen Grund für Miyuki’s Verschwinden finden. Zuversichtlich drehte sich nun auch Noriko um, sodass sie schlafen konnte. Misa, die mit dem Rücken zu ihr lag, spürte, dass Noriko irgendwie positiver war, als noch vor ein paar Augenblicken, und mit einem warmen Gefühl im Bauch und einem breiten Lächeln auf dem Mund, schlief sie wenig später ein. Keine zwei Stunden später wachte Noriko schweißgebadet wieder auf. Sie richtete sich sofort auf. Schon wieder ein Albtraum… Als sie ein nicht sehr schönes Gefühl in sich spürte, atmete sie erst mal tief ein und aus, dann verschloss sie ihre Gefühle und stand rasch auf. Misa und Yoshi schliefen noch, Ren und Riku saßen am Lagerfeuer und redeten irgendetwas. Die beiden waren heute mit der Nachtwache dran, aber sie erledigten ihre Arbeit nicht sehr genau – Noriko bemerkte einen Moment später auch wieso: Als sie den beiden einen Moment zuhörte, merkte sei, dass beide schwer betrunken waren. Doch darüber wollte die Lilahaarige nun nicht nachdenken, sie langte nach ihrem Kimono und lief etwas weiter vom Lager weg. Sie setzte sich nun auf einen umgestürzten Baum und zog die Beine an ihren Körper. Noriko strich sich einige verschwitzte Haarsträhnen aus dem Gesicht. Sie dachte über ihren Traum nach. //Schon wieder…immer und immer wieder…warum? Warum macht mich dieser Traum so fertig?//, dachte sie unglücklich, und unbewusst öffnete sie das Schloss zu ihren Gefühlen. Das unangenehme Gefühl von vorhin schlich sich in ihren Kopf, und sie spürte eine Welle der Frustration. Sie war traurig darüber, dass sie ihre Familie nicht schützen konnte. Sie war verletzt, da sie immer und immer wieder denselben Traum träumen musste. Sie war enttäuscht, da sie es einfach nicht schaffte, ihre Ängste zu besiegen. Ein paar Tränen kullerten. Warum? Warum war sie so unglaublich aufgewühlt? Dieser Traum war doch keine Neuigkeit in ihrem Leben…doch warum machten sie diese Träume immer wieder aufs Neue so schrecklich fertig? Die Lilahaarige erhob sich und strich sich ihre Tränen weg. Sie wollte so unglaublich gerne einmal in ihrem Leben stark sein. Doch das konnte sie nicht, wenn die Schublade mit ihren Gefühlen überzulaufen schien. So konnte es nicht weitergehen…sie musste mit jemandem darüber reden…doch mit wem? Mit wem hätte sie über so etwas geredet? Miyuki… Wo war sie, wenn man sie mal brauchte? Richtig… Wie in Trance sah Noriko in eine bestimmte Richtung. Sie wusste nicht wieso, aber irgendetwas zog sie wie magisch dorthin. Vielleicht lag es daran, dass sie seit mehreren Tagen nicht mehr ordentlich geschlafen hatte, doch so langsam glaubte sie wirklich, dass sie bald durchdrehen würde. Ihre Vermutung wurde unterstützt, als sie auf einmal etwas anderes spürte. Etwas Schlimmes… Sie rannte los, sprang über kleine Büsche und Steine. Ein Mal fiel sie hin und schürfte sich das Knie auf. Doch sofort rappelte sie sich auf und lief weiter. Irgendetwas stimmte nicht, und irgendetwas war wirklich sehr seltsam…nur was? Warum hatte sie so eine schreckliche Vorahnung? Lag es an dem schwachen Schrei, den sie nur wenige Augenblicke später hören konnte? Oder lag es daran, dass sie auf einmal dieses Mädchen von vorhin weinen hörte? Sie ging durch ein paar Blätter, ging an ein paar dichten Bäumen vorbei, und… Das saß sie… Sie schien zu weinen, und sie schien nicht wirklich sie selbst zu sein, doch Noriko erkannte sie wieder. Die Silbergrauen Haare… Die zierliche Gestalt… Das konnte nur diese Yoko sein… Sie, die sie ihr unheimlich war, weil sie sich so seltsam verhalten hatte. Noriko trat auf einen Ast, und sofort drehte sich das Mädchen um. Ihre tiefroten Augen schienen irgendwie zu glühen, und sie sahen nicht gerade freundlich aus. „Wer ist da?“, fragte eine Stimme, die so kalt und unheimlich war, dass sie gar nicht zu dem Mädchen ihr gegenüber passen wollte. „Ähm…ich bin es…Noriko…wir sind uns vorhin begegnet…“, erklärte die Jüngere und ging mit erhobenen Händen auf das verstörte Mädchen zu. Sie stand schnell auf. „Halt! Nicht bewegen!“, sagte sie kalt und strich sich ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Noriko bewegte sich aus Angst nicht mehr weiter. Yoko kam langsam auf sie zugelaufen – Ihre roten Augen musterten sie interessiert. „Du bist…“, fing sie an, und kam noch näher. Ein kalter Schauder lief ihren Rücken hinunter, als sie die süßlich kalte Stimme von Yoko hörte. Kalter Angstschweiß lief ihren Nacken hinunter und sie musste schwer schlucken. „Ich bin…?“ „Du bist…wie ich~“, sagte sie, noch immer benutzte sie diese abscheuliche Stimme. Das Mädchen mit den silbergrauen Haaren stand nun genau vor ihr. „Dachte ich es mir doch~ Du bist…tatsächlich wie ich." „Wie meinst du das?“, fragte Noriko weiter. Noch immer war sie vor Angst wie gelähmt, dabei wusste sie nicht einmal, warum dieses Mädchen, welches sie heute Mittag nicht mal beachtet hatte, sich plötzlich so komplett anders verhielt. Doch dann fiel ihr wieder ein, wie Yoko sie am Ende gemustert hatte. Sie hatte plötzlich irgendwie interessiert gewirkt. Und ihre Augen hatten sie regelrecht vor Neugier verschlungen…hatte es etwas damit zu bedeuten, wie sie sie gerade anstarrte? „Ich meine…dass du auch etwas in dir trägst…“, erzählte das Mädchen und holte Noriko somit wieder zum Boden der Tatsachen zurück. Sie schluckte erneut. Was meinte sie damit? Du trägst auch etwas in dir~ Was trug sie auch in sich? Was wollte dieses Mädchen von ihr? „Schau mich nicht so fragend an…ist dir nie aufgefallen, dass du dich manchmal an bestimmte Uhrzeiten nicht mehr erinnerst, was du dann getan hast? Ist dir nie aufgefallen, dass deine Freunde mal erzählt haben, dass du dich jemals anders als sonst verhalten hast?“, fragte Yoko, und lächelte leicht. Aber es war kein angenehmes Lächeln, es war eins, voller Kälte, einfach nur grässlich. Noriko‘s Herz pochte, als würde etwas in ihrem Inneren Yoko antworten wollen. Yoko lächelte abschätzend. „Es ist wahr…du trägst auch ein Monster in dir~ Zwar nicht so eines, wie ich es besitze, aber deins wird noch früh genug schlimmer werden…“, sagte das Mädchen vor ihr, und ihre roten Augen glühten durchdringender, als jemals zuvor. „Ich…in mir trage ich kein Monster!“, stritt Noriko alles ab, denn sie wollte nicht zugeben, dass sie tatsächlich manchmal nicht wusste, was sie wann genau getan hatte. Und Miyuki hatte ihr früher schon oft ängstlich gesagt, dass sie sich manchmal sehr seltsam verhalten hätte… Sollte das alles jetzt Sinn ergeben? NEIN! Sie schüttelte heftig ihren Kopf und biss sich auf die Unterlippe. „Du kannst es ruhig abstreiten, aber tief in deinem Inneren weißt du, dass ich recht habe…und es weiß es auch.“, sagte Yoko und lachte kalt. Dann ging sie ganz dicht an der Lilahaarigen vorbei. „Solltest du mir jemals wieder begegnen, und sollte ich dann herausgefunden habe, dass du jemandem von unserem kleinen Treffen erzählt hast, wirst du es ganz sicher noch bereuen…“, hauchte die Silberhaarige an ihr linkes Ohr. Als Noriko sich noch einmal umgedreht hatte, war sie verschwunden… Was sollte das alles bedeuten? Was genau meinte sie mit einem Monster? Sollte das alles etwas mit ihrem zweiten Ich zu tun haben? „Ganz schön verwirrend, oder?“, fragte eine Stimme hinter ihr. „Das kannst du laut sagen…“, antwortete Noriko und seufzte. Plötzlich weiteten sich ihre Augen. Wer zum Teufel hatte da gerade mit ihr gesprochen? Sie schluckte. Warum kam ihr diese Stimme nur so furchtbar bekannt vor? Langsam drehte sie ihren Kopf zur Seite. Ihre Augen weiteten sich noch mehr. „Hallo, lang nicht mehr gesehen, No-chan.“, sagte die Stimme freundlich. „Miyuki?!“ ______________________________________ Nächstes Kapitel: 「真実」 ・ Wahrheit 「Shinjitsu ~ I want to talk to you」 Kapitel 8: 「真実」 ・ Wahrheit 「Shinjitsu ~ I want to talk to you」 -------------------------------------------------------------- Kapitel acht: 「真実」 ・ Wahrheit 「Shinjitsu ~ I want to talk to you」 Noriko’s Atem wurde schwerer, sie atmete schnell und zischend. Ihre Augen waren vor Schock geweitet und noch immer flossen ein paar Tränen aus ihnen. War es tatsächlich möglich? Konnte es wirklich möglich sein, dass vor ihr ihre seit einiger Zeit vermisste große Schwester Miyuki stand? Es musste einfach so sein, dieses Mädchen vor ihr sah genauso aus, wie sie selbst, sie sprach mit einer identischen Stimme, und ihre Haltung war genauso grazil wie eh und je. Miyuki war schon immer etwas femininer als Noriko selbst gewesen, doch das war der Jüngeren durchaus bewusst gewesen. Die Blonde vor ihr verzog ihren Mund zu einem sanften Lächeln, ihr Blick sah sie warmherzig und ein wenig einsam an. „M-miyuki…bist du es tatsächlich?!“, fragte Noriko nun endlich, ihre Stimme klang ziemlich kratzig und brach schließlich ab. Das Mädchen nickte leicht und kam ein paar Schritte näher. „Endlich…endlich sehe ich dich wieder~“, sagte sie mit ihrer Stimme. Diese war für die Ohren ihrer jüngeren Schwester wie eine sanfte Melodie, ja, sie hatte sie wirklich sehr vermisst… Miyuki kam noch ein Stückchen näher und legte die Arme um Noriko’s dünnen Körper. „Ich hab dich wieder~“, flüsterte sie in ihr Ohr, und gerade als die Tränen der Lilahaarigen verstummt waren, so brachen sie nun wieder von Neuem aus. Sie legte ebenfalls ihre Arme um das andere Mädchen und drückte sie fest an sich. Ein lautes Schluchzen war zu hören, das erfreute die Blonde wirklich sehr. „Komm schon, beruhig dich wieder~“, sagte sie und lachte leise. Noriko schluchzte erneut. „Ich dachte…tot…warum…ich…d-duu…“, stammelte die Jüngere und wurde wieder durch einen lauten Schluchzer unterbrochen. Ihre ältere Schwester ließ sie los und wischte ihr die Tränen aus den nun geröteten Augen. Dann verschloss sie ihren Mund und schenkte der Lilahaarigen erneut dieses kleine feine Lächeln, welches sie schon immer so sehr an Miyuki geliebt hatte. „Alles ist gut, du lebst, ich lebe auch~ Besser kann es nicht sein.“, murmelte sie und Noriko erinnerte sich daran, dass ihre Mutter das früher immer zu ihnen gesagt hatte, als sie abends ängstlich in ihren Betten gelegen hatten. Sie nickte schwer und zog auch ihren Mund zu einem winzigen Lächeln. Miyuki hob eine Hand und strich Noriko über das Haar. „Ich habe dich wirklich vermisst…doch ich habe jetzt nicht viel Zeit!“, sagte sie und ihr Blick versteifte sich etwas. Der Jüngeren fielen nun zum ersten Mal die vielen Wunden auf, von denen ihre Schwester gekennzeichnet war. Überall waren Kratzer und blaue Flecken zu sehen, und auf ihrer rechten Schulter konnte man deutlich eine große Brandwunde erkennen, die noch nicht ganz ausgeheilt zu sein schien. Sie weitete leicht die Augen und ihr Mund fiel etwas auf. „Aber…aber…wie ist das alles denn nur passiert?“, fragte sie geschockt, doch ihre Schwester schüttelte nur abwehrend den Kopf. „Ist schon okay, das ist jetzt nicht wichtig.“, meinte sie, doch Noriko drückte sie zu Boden. Dann schob sie die Ärmel ihres Kimonos ein Stück weiter nach oben und aktivierte ihre Heilfähigkeiten. Die blaue Masse wanderte aus ihren Fingern und schloss sich um Miyuki’s Brandwunde. Diese leuchtete dunkelblau auf und die Masse verschwand unter der Haut. Doch anders als sonst, heilte die Wunde nicht. Es sah alles noch genauso aus, wie es vorher ausgesehen hatte. Noriko zog ihre Stirn faltig. „Das verstehe ich nicht…“, meinte sie und kratzte sich am Kopf. „Das hat bis jetzt immer funktioniert…“, fuhr sie weiter fort und probierte es erneut. Ein weiteres Mal scheiterte sie an diesem Versuch. Danach lehnte Miyuki es ab, dass Noriko sich weiter um ihre Wunden kümmern würde. „Ich sagte es eben schon, das ist jetzt echt nicht wichtig. Ich muss dir nur etwas erzählen, dann muss ich wieder gehen.“, sagte sie und ihre jüngere Schwester sah sie erschrocken an. „Was ist los? Ich hatte gedacht, dass du vielleicht mit mir mitkommen könntest. Weißt du, ich habe Freunde gefunden, die mir bei der Suche nach dir helfen wollten und sie hätten sicher nichts dagegen, wenn du mit uns mitkommen würdest, um nach dem einen Mädchen zu suchen.“, erklärte die Lilahaarige und sah ihre Schwester flehend an. Doch diese schüttelte nur den Kopf. „Tut mir leid, es geht wirklich nicht. Aber ich bin wirklich froh, dass du mir dieses Angebot gemacht hast.“, sagte sie und ein warmes Lächeln legte sich wieder auf ihre Lippen. Doch für einen Moment schien es so, als ob ein kleiner Schatten durch ihre Augen huschen würde…doch Noriko kümmerte sich um wichtigere Sachen. Die Blonde legte ihr die Arme auf die Schultern. „Ich habe nicht viel Zeit…“, wiederholte sie sich und seufzte leicht. Noriko hob leicht eine Augenbraue. „Warum hast du eigentlich nicht viel Zeit? Wohin musst du denn wieder gehen?“, fragte sie verwirrt und strich sich die letzten Tränen aus dem Augenwinkel. Miyuki schüttelte den Kopf. „Das kann ich nicht erklären, aber wenn ich nicht zurück gehe, dann wird jemand wichtiges sterben!“, erklärte sie, und Noriko stockte der Atem. Sie sah ihre Schwester geschockt an, doch diese schenkte ihr nur wieder dieses warme Lächeln, welches sie schon immer so an ihr geliebt hatte. „Ich muss dir jetzt etwas Wichtiges erzählen, okay?“, sagte sie und sah sie eindringlich an. Noriko stutzte leicht, doch sie hatte ja vorhin schon mal betont, dass sie nur gekommen war, um ihr etwas zu erzählen. Die Ältere sah sie nun noch ernster an und wies sie an, wieder aufzustehen, da sie das Gespräch nicht an diesem Ort führen wollte. Die beiden gingen ein Stück zu Fuß, und währenddessen schien Miyuki furchtbar abwesend zu sein…das sollte wohl nichts Gutes bedeuten… „Nori…hast du dir jemals schon mal Gedanken über das gemacht, was mit dir passiert, wenn du einen starken Gefühlsausbruch hast?“, fragte sie mit einem leicht ärgerlichen Unterton in der Stimme. Noriko schluckte, dann nickte sie leicht. „Ein wenig, ja…ich frage mich nur, woher das kommt, das muss ich wohl noch herausfinden.“, erklärte sie, doch Miyuki winkte schnell ab. „Ich habe es herausgefunden.“, verkündete sie, und die Jüngere weitete vor Überraschung die Augen. „Was? Wirklich?“, fragte sie und ihre Schwester nickte. Die beiden gingen ein Stück weiter, entfernten sich immer weiter weg von dem Lager, in dem die anderen vier immer noch friedlich schliefen. Dann richtete Miyuki wieder das Wort an ihre Schwester: „Früher, als wir noch kleiner waren, ist mir vieles neues aufgefallen. Ich habe dich oft heimlich beobachtet, wenn du wieder einmal einen starken Gefühlsausbruch hattest. Du hast dich dann sofort zurück gezogen, und mit Leuten gesprochen, die gar nicht da waren. Außerdem schien es so, als ob du mit irgendwem in dir drinnen streiten würdest. Da du wahrscheinlich alle Erinnerungen an diese Momente verloren hast, da du in diesen Momenten ja nicht du selbst warst, ist dir wohl auch nicht klar, dass du oft versucht hast, dir das Leben zu nehmen, wenn du nicht du selbst warst. Du hast unzusammenhängende Dinge erzählt, dass du unbedingt zu irgendjemandem zurück gehen müsstest, und wenn ich nicht immer dabei gewesen wäre, wärst du schon unzählige Male sehr schwer verletzt worden.“, fing die Ältere mit der Erzählung an. Noriko musterte sie überrascht, hörte aber trotzdem weiterhin zu. Miyuki holte noch einmal tief Luft, dann sprach sie weiter: „Ich weiß auch nicht, warum sie dich so unter der Kontrolle hatte, aber…nun, hast du schon mal etwas von einem Mädchen namens Tora Shindo gehört?“ Noriko wurde hellhörig, dann nickte sie sofort. Was sollte jetzt Tora damit zu tun haben? Würde sie nun endlich erfahren, warum Tora ihr so ähnlich sah? Was würde ihre Schwester wissen…? „Ja, sie ist Ren’s Kindheitsfreundin und sieht mir irgendwie ähnlich…“, meinte Noriko und Miyuki nickte leicht. „Das mit diesem Ren ist mir neu, aber du hast recht, sie sieht dir unglaublich ähnlich, hast du dich schon mal gefragt, warum das so ist?“, fragte sie weiter. Noriko nickte sofort. „Ich habe mich vor allem darüber gewundert, dass Ren so ein großes Geheimnis um sie gemacht hat…“, murmelte sie vor sich hin und richtete den Blick danach wieder zu ihrer Schwester. Diese lächelte kurz, dann setzte sie wieder ihren ernsten Blick auf. „Ich habe herausgefunden, dass Tora vor ungefähr zehn Jahren am Kiseki-See durch einen Pfeilschuss eines Soldaten in den Bauch umgekommen ist.“, sagte sie und sofort weitete die Jüngere wieder die Augen. //Ich wusste es doch, sie ist also tatsächlich damals gestorben, genau so, wie Ren’s Mutter es in dieses Tagebuch geschrieben hatte…aber warum beharrt Ren nur so sehr darauf, dass Tora nicht tot ist? Glaubt er nicht daran, oder will er nur einfach nicht daran glauben?//, fragte sie sich innerlich und überlegte einen Moment. Dann fiel ihr plötzlich wieder dieser Traum ein. Sie hatte doch davon geträumt, zuerst ein paar Menschen getötet zu haben, und danach war sie durch den Kiseki-See in die andere Welt gereist und etwas war in ihrem Bauch gelandet…sollte dies etwa eine Szene aus Tora’s Erinnerungen gewesen sein? Und wenn das tatsächlich so sein sollte, warum hatte dann ausgerechnet sie davon geträumt? Diese und noch ein paar weitere Fragen schwirrten gerade in Noriko’s Kopf herum, als Miyuki sie wieder zurück aus ihren Gedanken holte. „Seit Tora damals ums Leben gekommen ist, hat ihre Seele dort am Kiseki-See gelebt und war gefüllt mit lauter Rachegefühlen. Und als wir beide kurz darauf zum ersten Mal durch den See nach Daikoku gereist sind, ist Tora’s Seele in deinen Geist eingedrungen und hat ihn gespalten. Ich habe damals auch etwas gemerkt, weil du plötzlich zusammen gezuckt bist, und leise gestöhnt hast. Da wir uns an den Händen gehalten haben, konnte ich für einen Moment ein verzerrtes Bild von einem Lilahaarigen Mädchen in meinem Kopf sehen, das war dann anscheinend Tora…“, erzählte Miyuki und musterte ihre Schwester, während sie ihr all das hier erzählte. Noriko stand der Mund weit offen. Sie konnte das jetzt einfach alles nicht glauben! As hatte das nur zu bedeuten? „Aber…das…wieso?“, stammelte sie und setzte sich erst mal auf den Boden. //Warum ich? Warum musste sie unbedingt in meinen Körper eindringen?//, fragte sie sich und dachte an Ren. Hatte er das vielleicht von Anfang an vermutete? Hatte er vielleicht gedacht, dass sie selbst Tora sei und nur ihr Gedächtnis an all die vergangenen Dinge verloren hatte? Sie wusste es nicht, sie wusste es wirklich nicht… Dann kam eine andere Erkenntnis in ihr hoch: Tora hatte seit diesem Tag in ihr gelebt und war manchmal als ihr zweites Ich in ihr aufgetaucht. Wie hatte sie das nur gemacht? Warum hatte sie das nur gemacht? Sie teilte diesen Gedanken mit ihrer älteren Schwester und diese nickte. Sie blickte nun tatsächlich nicht mehr durch, sie verstand rein gar nichts mehr, alles war nur ein endloses Chaos von Fragen und Wahrheiten, die sie gar nicht erst wissen wollte. „Wie hast du das nur herausgefunden?“, fragte die Lilahaarige vollkommen verstört. „Ich hatte damals Nacht für Nacht Albträume und sah immer und immer wieder dieselben Träume, in denen es immer um Tora und ihr Ableben ging. Sie hat mir wohl indirekt die Antworten geschickt, doch ich konnte diese Informationen noch nie irgendwo einordnen, ich hatte keine Ahnung gehabt, dass das alles irgendwann einmal Sinn ergeben könnte.“, erklärte die Blonde und griff nach der Hand ihrer jüngeren Schwester. „Noriko, ich weiß wirklich nicht wieso, aber anscheinend hat Tora nichts Gutes im Sinn. Sie scheint einen großen Drang nach Rache zu haben, ich weiß nicht wieso und so weiter, aber bitte sei vorsichtig, und versuche es zu kontrollieren. Lass dich nicht unterkriegen, sonst macht sie mit dir genau dasselbe, was sie mit den vielen Menschen gemacht hat, verstanden?“, schärfte sie Noriko ein. Diese schluckte. „Hast du wirklich keine Ahnung, warum Tora all die Menschen getötet hat, die jemals etwas mit der Winged Race zu tun gehabt haben?“, fragte sie schwach, doch Miyuki schüttelte nur wieder den Kopf. „Tut mir wirklich leid, ich kann dir ebenfalls nur das hier sagen. Mehr weiß ich nicht und wir können wirklich von Glück reden, dass ich überhaupt so viel heraus finden konnte, denkst du nicht auch?“ Erneut schluckte die Lilahaarige, dann nickte sie. Erneut ging Noriko’s Atem auffallend schwer und ihr Herz klopfte so laut, dass sie befürchtete Ren und die Anderen könnten von diesen Geräuschen aufwachen. Sie strich sich ein paar Haarsträhnen aus der schweißnassen Stirn und hatte große Mühe damit, dieses sehr beengende Gefühl aus ihrer Brust zu verbannen und in einer Gefühlsschublade zu verstauen. Sie fasste sich ein Herz und fragte ihre Schwester erneut ein paar Dinge, doch die Fragen in ihrem Kopf wurden davon nicht wirklich weniger…im Gegenteil, es schien beinahe so, als ob nach jeder gestellten Frage gleich fünf neue nachrücken würden. Und außerdem schlich sich eine unglaublich schlechte Vorahnung in ihr Bewusstsein…sollte es womöglich war sein…? „Ich glaube…ich hatte auch solche Träume. Diese Träume die ich Nacht für Nacht träume…sie versuchen mir etwas zu erzählen, sie versuchen mich zu warnen. Sie zeigten mir zuerst Mal für Mal wie unsere Eltern starben, dann zeigten sie mir Ausschnitte aus Tora’s Gedächtnis und das Tagebuch von Ren’s Mutter hat auch ziemlich viel erzählt, was in den Träumen dann bestätigt worden ist. In dem Buch stand etwas von einem kleinen blonden Mädchen, welches einmal bei Ren’s Familienhaus vorbei kam und sich aus einem unbekannten Grund furchtbar darüber freute ihn zu sehen. Als er aber sagte, dass er sich nicht daran erinnern konnte, sie jemals getroffen zu haben, sei das Mädchen wütend abgerauscht und eine Nacht später war das Menschenmädchen tot, mit dem Ren damals befreundet gewesen war. Ihre Eltern wurden in der Nacht danach getötet. Und jetzt sag mir…war ich ein paar Mal für längere Zeit verschwunden und wenn ja…glaubst du, dass…dass ich dieses kleine blonde Mädchen war?“, fragte Noriko und stellte so die Frage, die ihr schon von Anfang an auf der Zunge gelegen hatte. Diese Frage war besonders schwer zu formulieren gewesen und es hatte sie wirklich viel Überwindung gekostet, um sie zu stellen. Miyuki schluckte und sah sie unglücklich an – Dann nickte sie. Eine Welt brach in Noriko zusammen. Sie…sie war eine Mörderin, und sie war schwach, unfassbar schwach! Und sie hatte Ren’s Kindheit zerstört… Es war nicht nur Tora, die all diese Menschen getötet hat. Ich habe ihr auch noch geholfen, weil ich verdammt noch mal einfach zu schwach bin! Wie konnte ich mich nur all die Jahre von ihr kontrollieren lassen?! Die Jüngere wollte, vollkommen aufgelöst wie sie war, noch etwas mehr Fragen, denn noch immer kreisten eine Millionen Fragen in ihren Gedanken umher, doch Miyuki sprang schon auf, einen Moment später sah Noriko schon die weißen Engelsflügel mit dem violetten Schimmer, mit denen ihre Schwester gleich wieder verschwinden würde. „Was, du musst jetzt schon gehen?“, fragte Noriko und sah Miyuki unglücklich an. Diese nickte schwer und wollte etwas erwidern…doch sie ließ es lieber bleiben und drückte ihre kleine Schwester stattdessen nur an sich. Noriko wollte sie zurück halten, ihr noch etwas sagen, doch da war die Blonde schon in die Luft gestiegen und keine zwei Sekunden später auch schon wieder verschwunden. Noriko sah ihr leicht verwirrt nach, ihr Atem verschnellte sich erneut und wurde immer heftiger. Sie würde mit dieser neuen Situation in der sie beinahe alles wusste erst mal klar kommen müssen…würde sie das schaffen? Die Schublade mit diesem unangenehmen Gefühl, welche Noriko vorhin noch so sorgfältig verschlossen hatte, öffnete sich plötzlich wieder und sofort spürte die Lilahaarige wieder dieses bedrängende Gefühl, was sie nach Luft schnappen ließ. Aufgebracht und orientierungslos wie sie in diesem Moment war, schaffte sie es doch irgendwie wieder den Weg zurück zum Lager zu finden. Sie hatte Glück, alle schienen noch Seelig zu schlafen, also hatte niemand ihr Verschwinden bemerkt. Sogar Ren und Riku schliefen mittlerweile, der Alkohol hatte sie anscheinend überrumpelt und beide schnarchten um die Wette. Noriko lächelte kurz, doch das Gefühl in ihrer Brust wurde nicht besser. Sie rechnete mit einem Gefühlsausbruch, also entfernte sie sich lieber sofort vom Lager und lief in eine andere Richtung. Sie atmete heftig, spürte viele Stiche in ihrem Inneren. Dann hielt die Lilahaarige endlich inne, sie stand nun direkt vor einem sehr großen und dicken Baum. Wiederwillig musste sie an die vielen Menschen denken, die ihretwegen umgekommen waren und schmerzerfüllt biss sie sich auf ihre Lippe. Ein leises Schluchzen war zu vernehmen, ein paar Tränen flossen, bevor der erwartete Gefühlsausbruch tatsächlich die Überhand ergriff. Noriko stieß einen lauten Verzweiflungsschrei aus und schlug mit voller Wucht gegen den dicken Baumstamm. Die Haut an ihrer Faust platzte auf und eine leichte Delle war in dem Baumstamm zu sehen, dann sank sie am Baum nieder und weitere Tränen folgten. Voller Verzweiflung darüber, was für ein schwaches Mädchen sie doch eigentlich war, haute sie ihren Kopf mehrmals gegen den Baum und weinte laut, dann zog sie ihre Beine an den Körper und vergrub ihr Gesicht in ihren Armen. Wieso hatte sie es damals nicht geschafft, Tora’s Geist abzuwehren? Wie hatte sie sich nur von ihr überreden lassen können, all die unschuldigen Menschen umzubringen? Was hatten sie Tora denn schmerzliches angetan, dass sie so etwas verdient hatten? Was hatte Tora für ein Geheimnis? Noriko wusste auf keiner dieser Fragen eine Antwort. Sie konnte nicht mehr so weiter machen, sie musste etwas ändern. Irgendetwas musste anders werden, sie konnte Tora nicht über ihr Leben bestimmen lassen, das konnte nicht gut enden. Noriko hatte Glück, denn niemand hatte etwas von diesen Geschehnissen gehört. Am Nächsten Morgen wachte sie auf, ihre Augen waren nicht gerötet, doch ihre Hand war verkrustet und angeschwollen. Die Lilahaarige kümmerte sich nicht darum. Zum ersten Mal seit ewiger Zeit hatte sie einmal einen Traumlosen Schlaf gehabt. Das konnte ja so wohltuend sein… Schnell erhob sie sich, bevor die anderen nun doch noch etwas mitkriegen würden. Sie ging zum Lager und stellte nun erleichtert fest, dass alle hier noch Seelig schliefen, genauso, wie sie es gestern Nacht getan hatten. Mit ein wenig Mühe konnte Noriko die ganzen Gefühle und Erkenntnisse von gestern Nacht wieder in einer großen Schublade verschließen, dieses Mal drehte sie den Schlüssel mehrmals um und warf ihn danach weg. Sie suchte nach einer Wasserflasche – sie wurde schließlich fündig – und spritzte sich den Inhalt direkt ins Gesicht. Ihr Atem wurde langsam immer ruhiger und sie strich sich die verwuschelten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Hinter sich hörte sie die anderen langsam aufwachen. Die Jüngste biss sich auf die Lippe, setzte ein falsches Lächeln auf und drehte sich danach schwungvoll um. „Guten Morgen!“, sagte sie strahlend und kümmerte sich um das Frühstück. Misa stand rasch auf und half ihr anschließend, Ren jedoch verschränkte nur die Arme und dachte nach. Er musterte Noriko’s Rücken und dachte nach. //Irgendwas stimmt hier nicht…und ich will lieber gar nicht erst wissen, was genau…//, dachte er und stand auf. Er trat Riku in die Seite, sagte ihm, er solle endlich auch seinen Hintern aus dem Bett bewegen und danach zog er Yoshi die Bettdecke weg. Während des Frühstücks verlief eigentlich alles normal, Misa verkündete, dass sie alle nicht mehr weit von Noriko’s Haus entfernt sein konnten. Noriko bestätigte dies nur, diese Gegend hier kam ihr auch schon bekannter vor, als die andere rund um den Kiseki-See. Während Yoshi, Riku und Misa also schon mal das Lager zusammen packten, suchte die Lilahaarige in ihrer Tasche nach etwas zum Verbinden. Sie hatte die kleine Wunde an ihrer Hand schon soweit geheilt, dass sie nicht mehr ganz so blau war, aber anscheinend verlierten ihre Heilkräfte gerade ihre Wirkung, was man auch an Miyuki’s Verletzung gesehen hatte. „Brauchst du Hilfe?“, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. Sie erschrak sich so sehr, dass sie den Verband und die Wundsalbe hoch in die Luft warf und sich erschrocken umdrehte. Ren hob eine Augenbraue und fing die beiden Dinge geschickt wieder auf. „Ren…ähm, klar, wenn es dir nichts ausmacht…“, meinte Noriko nur und hielt ihm die Hand hin. „Was ist passiert? Die war gestern Nacht doch nicht so geschwollen, oder?“, fragte er und musterte die Schwellung. Noriko kratzte sich am Kopf und hielt schnell mit einer Ausrede her. „Ich hab im Schlaf um mich geschlagen und einen großen Stein getroffen…“, meinte sie und lächelte leicht. Ren sah sie skeptisch an. „Warum hast du im Schlaf um dich geschlagen?“ Noriko überlegte hektisch weiter. „Riku hat versucht mich zu küssen.“, erklärte sie und tatsächlich sah Ren das als eine vernünftige Ausrede an. „Das erklärt alles…“, meinte er und verteilte langsam die Salbe auf Noriko’s Hand. Dann nahm er den Verband und führte ihn vorsichtig um die Hand herum. Er zog ihn fest und grinste. „Das wäre es dann wohl~“, sagte er. Noriko lächelte und bedankte sich. Sie wollte loslaufen, doch der Blonde hielt sie noch zurück. „Warte mal kurz…ich will dir noch was geben…“, sagte er und wühlte ihn seiner Hosentasche. Dann zog er das feine silberne Armband mit den blauen Saphiren heraus und band es um Noriko’s Handgelenk. „Aber…das hat doch Tora gehört?!“, sagte sie und wollte es wieder abmachen. Ren hielt ihre Hand fest und grinste sie schelmisch an. „Jetzt behalte das olle Ding schon, sie weiß es ja nicht~“, meinte er und zwinkerte ihr zu, dann drehte er sich um und half den anderen beim Abbauen des Lagers. Ein leichter Hauch von Romantik lag in der Luft und die Lilahaarige errötete etwas. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, sie sah noch einmal das Armband an. Plötzlich durch lief sie ein starkes Gefühl von Schmerz und Eifersucht, und sie spürte förmlich, dass Tora in ihr das alles mitbekommen hatte. In ihrem Kopf hallten Worte umher, die sie vorher nie gedacht hatte, und ihre Hand wurde gegen ihren Willen zu dem Armband bewegt, um es anschließend ab zunehmen. Zieh es aus…es gehört mir! Doch Noriko hielt ihre Hand fest, sie starrte sie wütend an. //Lass mich in Ruhe, er hat es mir gegeben! Ich lasse mich nicht mehr von dir kontrollieren, also gib es auf!//, dachte sie voller Abscheu und das Wesen in ihr drin beruhigte sich gegen seinen Willen wieder. Danach nickte die Lilahaarige einmal, dann half auch sie beim Abbau des Lagers. Keine zwei Stunden später kamen sie tatsächlich an Noriko’s Haus an. Es sah beinahe noch genau so aus, wie als Noriko es vor einer Weile hinter sich gelassen hatte: Das traditionell gestaltete Dach, an dem schon ein paar Ziegel fehlten, der Garten, welcher ein wenig verwildert war, doch daran hatte sich noch nie jemand gestört. Die Wände, die eigentlich eher kahl wirkten, waren noch immer in derselben hellen Farbe gestaltet, wie damals. Allgemein sah das Haus noch immer kläglich aus. Aber wirklich besser hatte es auch noch nie gewirkt. Noriko mochte dieses Haus wirklich sehr, hier hatte sie die letzten Jahre ihres Lebens verbracht, auch, wenn hier schon die einen oder anderen weniger schönen Dinge geschehen waren. Sie ging etwas näher heran und begutachtete das Innere. In dem großen Raum, aus welchem das kleine Haus nur bestand, lagen die Möbel kreuz und quer, an der Wand und auf dem Boden klebte getrocknetes Blut, ein paar Pfeile und Katanas lagen noch auf dem Boden herum, doch wenigstens waren die Leichen ihrer Eltern nicht mehr hier. Doch wer hatte sie eigentlich entfernt? Nachdem sie geflohen war, hatte sie keine Zeit gehabt, um ihre Eltern zu beerdigen…doch vielleicht hatte dies ja Miyuki getan… Das war die einzige Erklärung, die sie sich jetzt vorstellen konnte… „Also…glaubst du, wir finden hier irgendwelche Anhaltspunkte?“, fragte Riku, welcher Noriko nach gelaufen war und nun die Luft anhielt, da er zum ersten Mal einen Blick in den Raum geworfen hatte. Noriko sah zu Boden und gab keine Antwort, sie drehte sich nur um und lief hinter das Haus. Misa lief ihr nach, sie hatte noch nicht in das Haus gesehen. Yoshi und Ren gingen zu Riku, sie waren nicht weniger überrascht darüber, in welchen Zustand sich das Haus gerade befand. Noriko betrat nun den Garten und sah sich etwas um. Hinten neben den Rosenbüschen standen zwei kleine Kreuze, daneben lag ein kleines Stück Papier. Als die Lilahaarige näher kam und das Blatt aufhob musste sie wohl oder übel lächeln. Das Blatt zeigte ein Bild, auf dem sie selbst mit ihrer Schwester und ihren Eltern abgebildet war. Als sie es umdrehte, bemerkte sie, dass auf der Rückseite etwas in den alten Kagami-Schriftzeichen stand. Sie las den Text – Und ein weiteres Mal musste sie lächeln. Sie legte das Blatt zurück auf den Boden und drehte sich um. Misa sah sie verständnislos an. „Was ist mit dir?“, fragte sie und kam etwas näher. „Ach…gar nichts, ich hab mich nur gerade wieder an etwas aus der Vergangenheit erinnert, das ist alles.“, sagte sie und musste wieder leicht Lächeln. Misa hob skeptisch eine Augenbraue. „Na wenn du meinst…“, sagte sie und zuckte mit ihren Achseln. Nun kam Yoshi um die Ecke gelaufen. „Was ist los, kommt ihr nun rein oder n-“ Yoshi wurde von einem seltsamen Geräusch unterbrochen. Ganz dicht neben ihr war ein Pfeil eingeschlagen. Sie sah sich um und ein überraschter Ausdruck spiegelte sich in ihren Augen wieder. Misa und Noriko sahen sich ebenfalls um – einen Moment später kamen Massen von Soldaten aus dem Wald gestürmt, welcher direkt um das Haus herum wuchs. „Da sind sie, wir müssen sie vernichten!“, schrie einer von ihnen und die anderen stimmten ihm mit einem lauten Schrei zu. „Ren, Riku! Kommt schnell her“, rief Misa in die Richtung des Hauses. Ren hatte anscheinend schon etwas bemerkt, denn keine Sekunde später kam er von oben angeflogen, das Katana in seiner rechten Hand ließ darauf schließen, dass vor dem Haus auch ein paar Soldaten waren. „Wo ist Riku?“, fragte Noriko, als Ren neben Yoshi landete. „Keine Ahnung, er wollte nur schnell hinter das Haus laufen, doch er hat sich wohl verlaufen…“, sagte er und schüttelte den Kopf. Misa’s Gesicht spiegelte Wut wieder. „Wie kann dieser Idiot sich in so einer Situation nur verlaufen?“, fragte sie und wich einem Soldaten aus. Sie und Yoshi holten ebenfalls ihre Flügel hervor und nahmen eine Kampfhaltung ein. Dann ging alles sehr schnell… Noriko hielt sich die meisten Soldaten mit ihren Eisangriffen fern, Misa blendete sie und Ren griff mit Blitzen und Katana an. Yoshi, deren Fähigkeit zum ersten Mal gezeigt wurde, zog an dem Schwertgriff an ihrer Hüfte, sie machte eine Handbewegung und eine Klinge aus Luft bildete sich. Sie griff sehr schnell an, zerschnitt viele von den Soldaten. Auch die anderen drei konnten sehr viele Soldaten fertig machen, doch anscheinend waren es nicht genug, oder es fehlte ihnen einfach nur eine weitere Person, die dann die restlichen Soldaten erledigt hätte. Jedenfalls achteten sie einen Moment nicht auf ihre Abwehr, als… Mit einer schneidenden Bewegung traf der Pfeil sein Ziel, ein Schmerzensschrei ertönte und Yoshi ging zu Boden. Der Pfeil hatte sich genau durch ihre rechte Schulter gebohrt und war auf der anderen Seite wieder heraus gezischt. Sie hielt sich die Wunde und fluchte leise. Noriko sah sich nach ihr um, die Wut auf die Menschen übermannte sie, und… „Yoshi!“, rief Ren laut und lief zu ihr, als er plötzlich ein verdattertes Gesicht machte: Hinter ihm konnte er ganz deutlich kalten Wind spüren, doch das konnte gar nicht sein, es herrschte doch gerade Hochsommer! Er drehte sich schnell um und machte ein noch viel fassungsloseres Gesicht als sein Blick auf Noriko fiel. Ihre sonst eigentlich grünen Augen funkelten in einem unheimlichen dunkelrot und dieser eiskalte Wind schien genau von ihr auszugehen. „Was zum-“, stammelte er fassungslos, dann musste er einen Arm vor seine Stirn halten und ein Auge zukneifen, da nun plötzlich auch noch Schnee durch den Wind dazu kam. Was genau passierte da eigentlich? Noriko konnte von innen nur fassungslos zusehen, wie Tora nun erneut von ihr Besitz ergriff und langsam jeden der Soldaten durch einen sehr starken und heftigen Eissturm tötete. Sie hatte es schon wieder nicht geschafft! Warum nur schaffte Tora es immer und immer wieder, von ihr Besitz zu ergreifen? Sie wollte nicht mehr schwach sein und so erhielt sie die Kontrolle über sich selbst wieder, nachdem alle der Soldaten zu großen Eisblöcken erstarrt waren. Ihre Augen bekamen wieder ihre satte grüne Tönung und sahen rüber zu Misa, Yoshi und Ren – Alle drei starrten sie seltsam an. Noriko schluckte hart und sah schnell zu Boden. „Es…tut mir leid…“, murmelte sie leise und ging auf die drei zu, um nach Yoshi’s Wunde zu sehen. Ren konnte einfach nicht fassen, was genau da gerade eben geschehen war. Auch er musste hart schlucken, denn so hatte er die zierliche Lilahaarige noch niemals gesehen. Er bückte sich zu Yoshi herunter, die die ganze Zeit über einfach nur geschwiegen hatte. Misa und Noriko kamen nun auch bei ihr an und Noriko versuchte auch sofort, die Wunde zu heilen. Doch nichts half, die Wunde wollte sich einfach nicht verschließen. „Tut mir leid, aber meine Heilkräfte scheinen nicht mehr zu funktionieren…“, sagte sie leise und räusperte sich. Riku kam nun um die Ecke gelaufen. Er sah sich peinlich berührt um und kratzte sich am Hinterkopf. „Tut mir leid Leute, ich hab mich wohl irgendwie verlaufen…“, meinte er und grinste, doch keinem der anderen vier war gerade nach Lachen zu mute. Noriko schenkte ihm einen bitterbösen und megawütenden Blick. „Du hättest nur Ren hinterher laufen müssen!“, schrie sie schnaubend. Misa rannte direkt auf den Ältesten zu und verpasste ihm eine direkt ins Gesicht. Als Riku sein Gesicht wieder zu ihr zurück drehte, sah er, dass die Blonde Tränen in den Augen hatte. „Du Idiot! Yoshi ist verletzt worden und das hätte verhindert werden können, wenn du Trottel auch da gewesen wärst!“, brüllte sie und ging an ihm vorbei, nicht ohne einmal seine Schulter gestriffen zu haben. Noriko schenkte ihm einen vollkommen verständnislosen Blick und ging ebenfalls an ihm vorbei. Ren und Yoshi folgten, Yoshi erklärte Ren, dass er sie nicht tragen müsse, weil nur ihre Schulter verletzt war und sie laufen könne, doch Ren hörte ihr nicht zu. Er schüttelte den Kopf in Riku’s Richtung. „Kumpel…das war nicht gut…“ Riku sah zu Boden und steckte seine Hände in seine Hosentaschen. „Tut mir ja leid…“, murmelte er und stolperte den vieren hinterher. Sie gingen zurück zu Noriko’s Haus um nun das Lager auf zuschlagen. Der Tag neigte sich langsam aber sicher dem Ende zu. Noriko hatte sich seit dem Kampf und Yoshi’s Verletzung von den anderen abgesondert und saß jetzt auf einem felsigen Abhang. Sie betrachtete schon seit ein paar Minuten den Sonnenuntergang, welcher in wunderschönen roten Tönen langsam dem Horizont näher kam. Ihre ganzen Gedanken waren nun wieder bei den Geschehnissen, die ihre Schwester ihr gestern Nacht erzählt hatte. Was sollte sie tun? Nach dem, was Miyuki ihr erzählt hatte…hätte sie die anderen kaum noch anschauen können. Miyuki hatte ihr alles erzählt…Sie hätte gerne gewusst, woher sie dies alles wusste. Das konnte sie wohl kaum nur durch Träume erfahren haben…oder doch? //Ich…ich hatte keine Ahnung, dass…//, dachte die Lilahaarige und sah zu ihrem Körper hinab. Ihre Schwester hatte das Geheimnis herausgefunden…das Geheimnis hinter ihrem zweiten Ich, hinter all den Morden an Menschen, die jemals etwas mit der Winged Race zu tun gehabt hatten…und das Geheimnis um Tora. Wenn sie noch mal über alles nachdachte, schien ihr die Begegnung nicht Wirklichkeit gewesen zu sein. Das konnte doch nicht wirklich alles passiert sein…oder vielleicht doch? Das stimmte, warum sollte ihre Schwester sie anlügen? Seufzend richtete Noriko ihren Blick wieder zum Sonnenuntergang. Es war ihre Schuld. Sie war damals zu schwach gewesen, um sie davon abzuhalten… Nun ergab alles plötzlich einen Sinn, ihre äußerliche Veränderung, ihr veränderter Charakter, der manchmal nach außen vor stieß… Wie sollte sie dies alles nur wieder gut machen? Wegen Tora waren schon so viele unschuldige Leute getötet worden…und Noriko hatte tatsächlich unbewusst indirekt dabei mitgeholfen! Tora war es also gewesen…Wegen ihr war damals der Krieg ausgebrochen, und sie war anscheinend die Einzige, die den Krieg wieder beenden könnte…doch das war für sie nun unmöglich, jetzt, da sie nicht länger in ihrem eigenen Körper lebte. das stimmte…seit ihrem Tod vor zehn Jahren, hatte sie in Noriko’s Körper gelebt. Sie hatte Noriko aus Hass vor den Menschen dazu getrieben, all die Menschen umzubringen, die etwas mit ihrer Rasse zu tun gehabt hatten. Doch warum hatte sie dies getan? Warum hasste sie die Menschen so sehr? Diese Frage hatte nicht mal Miyuki ihr erklären können. Doch wenigstens hatte sie ihr irgendwie erklärt, wie sie es mit Tora’s Hilfe schaffen könnte, den Krieg zu beenden. Das war sie den Menschen und den geflügelten Menschen schuldig…das war sie Ren und den anderen schuldig…und all denen, die unschuldig getötet worden waren. Sie würde das tun, was Miyuki ihr gesagt hatte, sie würde- „Hey, No-chan! Was machst du hier so ganz alleine?“ Sie schreckte hoch. Ren kam angelaufen. Sie hatte seine Schritte eben nicht gehört… „Was ist?“, fragte sie, und versuchte sich etwas zu beruhigen. Das stimmte…wenn sie alles tun würde, um den Krieg zu beenden, würde sie nicht mehr in der Lage sein, um mit Ren und den anderen dreien weiter zu reisen. „Ich wollte nur fragen, warum du dich so abseilst. Ist irgendetwas vorgefallen?“, fragte der Blonde und setzte sich neben sie. Noriko zog ihre Beine an ihren Körper, legte die Arme darauf ab und ließ ihren Kopf auf ihre Arme sinken. „Ist kompliziert…“, sagte sie nur. „Verstehe…“, meinte Ren und stützte sich mit seinen Armen auf dem Boden ab. Eine Weile saßen beide still nebeneinander und sahen stumm zu, wie die Sonne langsam weiter zum Horizont sank. Doch dann brach Ren endlich die langanhaltende Stille. „Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, oder?“, fragte er, und sah zur Seite. Noriko sah zu Boden und ihre Haare bedeckten ihr Gesicht. Er sollte nicht unbedingt sehen, wie sie leise vor sich hin weinte. Er hatte recht, er war immer für sie da gewesen. Immer, wenn es ihr schlecht gegangen war, war er da gewesen und hatte sie getröstet. Doch nicht nur er, Misa, Yoshi und Riku waren auch immer für sie da gewesen, und hatten ihr auch schon oft geholfen. Wenn sie jetzt wieder über die Dinge nachdachte, die Miyuki ihr erzählt hatte…war ihr einfach danach, zu weinen. Ren hatte eine Nacht im Schlaf geredet, dass er das Mädchen nicht nur suchen würde, um damit den Krieg zu beenden, sondern dass er sich an ihr rächen würde, für dass, was ihretwegen mit seinen Eltern passiert war. Und so war sich Noriko beinahe vollkommen sicher gewesen, dass Tora’s Morde etwas mit dem Anfang des Krieges zu tun gehabt hatten. Eine andere Erklärung gab es nicht. Das hieß, dass sie indirekt auch für den Tod von Ren’s Eltern verantwortlich gewesen war. Kurz wischte sich die Jüngere die Tränen aus den Augen. Sie wollte es ihm erzählen, wollte ihm die ganze Wahrheit sagen, doch sie brachte es einfach nicht übers Herz. Sie konnte ihm nicht sagen, dass sie daran schuld war…er würde sie hassen… Und so war sich Noriko bei ihrer Entscheidung noch sicherer, sie würde alles dafür tun…doch eine Sache musste sie nun auch noch tun, bevor sie für immer verschwinden würde… „Hey, Ren…“, fing sie an, und wandte sich ihm leicht zu. „Was gibt’s?“, fragte er und musterte weiter den Sonnenuntergang. Noriko nahm all ihren Mut zusammen, und kam ein Stück näher. „Ich denke, ich muss etwas erklären. Aber ich weiß nicht recht, wie ich es anstellen soll…“ Überrascht wandte er sich ihr nun endlich zu. „Was redest du denn?“, fragte er und er wollte noch mehr sagen, doch Noriko legte ihm einen Finger auf den Mund. Dann hob sie endlich den Kopf an und geschockt sah er die Tränen, die aus ihren Augen liefen. „Auch, wenn wir uns immer gestritten haben, auch, wenn ich dich hintergangen habe, du standest steht‘s auf meiner Seite. Und dafür bin ich dir unendlich dankbar.“, fing sie an. Ren neigte den Kopf etwas zur Seite – Er verstand nicht ganz, worauf sie nun hinaus wollte. Sie kam noch ein Stück näher. „Ich würde dir gerne die Wahrheit sagen, doch ich schätze, ich habe zu viel Angst, dass du mich hassen würdest.“ „Das könnte ich niemals!“, stritt Ren sofort alles ab, doch sie legte gleich wieder ihren Finger auf seinen Mund. „Ich danke dir, für alles was du bis jetzt für mich getan hast, aber nun ist es an der Zeit für mich zu gehen.“ Ren’s Augen weiteten sich. „Aber wieso denn das jetzt?“, fragte er, in seinem Inneren wimmelte es nur so von Fragen. Noriko schüttelte einmal sanft den Kopf und lächelte. „Auch, wenn ich dir die Wahrheit nicht sagen kann…du sollst wissen, dass…“ Sie kam nun so nahe, dass ihre Gesichter sich fast berührten. Er konnte deutlich ihren warmen Atem spüren, der nun sein Gesicht bedeckte. Sie kam noch ein Stück näher, sodass sich ihre Lippen einmal berührten. Es war nur ein sehr kurzer Moment gewesen, ihre Lippen hatten die seinen nicht einmal richtig berührt, doch trotzdem reichten die Gefühle in ihm aus, dass sich eine Gänsehaut bildete. Sie ließ von seinen Lippen ab, wanderte mit ihrem Mund weiter zu seinem rechten Ohr, und hauchte ihm ein paar Worte hinein, denen er nicht trauen wollte. Es waren die Worte, die Miyuki auf die Rückseite des Blattes geschrieben hatte. Noriko erhob sich, wandte ihm den Rücken zu und ging näher an die Klippe heran. „No-chan, was wird das jetzt?“, fragte Ren atemlos. Noriko drehte sich noch einmal zu ihm um – Er sah, dass sie lächelte, obwohl noch immer einige Tränen aus ihren dunkelgrünen Augen quollen. Und während sie ihn sanft anlächelte, ließ sie sich langsam fallen. Ren handelte sofort, er sprang auf und ging zu der Stelle, an der Noriko eben noch gestanden hatte. Er wagte einen Blick nach unten – Nichts. Dort war absolut gar nichts, was den Eindruck machen könnte, dass gerade eben ein Mädchen freiwillig die Klippe hinunter gestürzt war. Als sie sich hatte fallen lassen, hatte er später weder einen Aufprall, noch ein anderes Geräusch gehört. Sie hätte nicht weggeflogen sein können, ihre Flügel waren doch verletzt…aber wenn Ren jetzt einmal darüber nachdachte, hatte er ihre Flügel schon eine Weile nicht mehr gesehen. Vielleicht hatte sie es ja tatsächlich irgendwie geschafft, ihre Flügel zu heilen. Doch ihm schwirrten immer noch ihre letzten Worte an ihn im Kopf herum. Was hatte das zu bedeuten? Was meinte sie nur damit? Warum…? Glück ist nichts, was man einfach irgendwo finden kann, man muss es sich verdienen Dieser eine Satz war so vieldeutig, dass er sich keinen Reim daraus machen konnte. Langsam fuhren seine Finger an seine Lippen. Er berührte genau die Stelle, die Noriko eben mit ihren Lippen berührt hatte, und ein wohliges Gefühl machte sich in ihm breit. Er ballte eine Hand zur Faust. Was hatte sie nur gemeint? Warum war sie die Klippe heruntergefallen? „No-chan…warum?“ __________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「友達」 ・ Freund 「Tomodachi ~ Come play with me」 Kapitel 9: 「友達」 ・ Freund 「Tomodachi ~ Come play with me」 -------------------------------------------------------- Kapitel neun: 「友達」 ・ Freund 「Tomodachi ~ Come play with me」 *Anmerkung: Die folgenden Ereignisse haben eigentlich nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun, sind aber trotzdem wichtige Hintergrundinformationen Wenn man die Uhr ein paar Stunden zurück stellen würde, könnte man nun wieder von der Situation ausgehen, dass Noriko zum ersten Mal seit einer Weile auf ihre vermisste große Schwester Miyuki getroffen ist. Doch während sie ihr lang ersehntes Gespräch führte, schlief ein gewisses blondes Mädchen einen nicht ganz erfreulichen Traum. Misa hatte schon lange nicht mehr an ihre Vergangenheit gedacht, sie hatte die Erinnerungen wohl eher verdrängt, und erzählt hatte sie diese, ihrer Meinung nach unwichtige, Geschichte auch niemandem, sie fand dass sie es nicht unbedingt jedem auf die Nase binden müsse. Doch in dieser rätselhaften Nacht brachte ihre Traumwelt sie nun doch dazu, dass sie zum ersten Mal seit einer langen Zeit an ihre Kindheit zurück dachte...und vorallem an das, was sich damals zugetragen hatte... Rückblick in Misa’s Vergangenheit Das Mädchen saß alleine und zusammengekauert an einem kleinen Fluss. Sie blickte in ihr eigenes kleines Gesicht, ihr trauriges Spiegelbild, welches sie aus großen braunen Augen ansah. Ihre blonden Haare hingen schlaff um ihr Gesicht und die Strähnen kitzelten ihre vom weinen rot gewordenen Augenlider. Ihr Spiegelbild sagte ihr deutlich, dass etwas mit ihrem Leben nicht stimmen konnte, wenn man die geschwollene Lippe und den blauen Fleck über dem rechten Auge musterte. Das war natürlich nicht bei einem Sturz passiert, doch immer, wenn jemand den sie kannte sie auf ihre Verletzungen ansprach, musste sie ihm genau das erzählen, da es ihr sonst noch schlimmer ergehen würde. Misa Harada war gerade sechs Jahre alt geworden, als ihr richtiger Vater bei einem Herzstillstand um’s Leben kam. Ihre Mutter heiratete neu und ihr Stiefvater war so gut wie das genaue Gegenteil zu ihrem richtigen Vater. Zuallererst: Er war ein normaler Mensch. Doch Misa und ihre Mutter gehörten zu einer ganz anderen Rasse, der Winged Race, welches ihr Stiefvater natürlich nicht wusste. Jedes Mal, wenn ihm irgendetwas mal wieder nicht gepasst hatte, hatte er seine Wut an Misa raus gelassen. Ihre Mutter versuchte immer sie zu verteidigen, doch es hatte nie geholfen. Letzten Endes war sie wegen einer seiner Aggressionsphasen schließlich ebenfalls um’s Leben gekommen, da sie ihre kleine Tochter ein einziges Mal mutig in Schutz genommen hatte und seitdem musste Misa alleine mit diesem Tyrannen von einem Menschen fertig werden. Sie hatte sich bis jetzt vieles gefallen lassen, die Schläge, wenn das Haus nicht ordentlich genug war, die Schreie, wenn ihm irgendetwas an ihr nicht passte und auch die Beschimpfungen, wenn sie einmal widersprach, das alles hatte sie beinahe tonlos über sich ergehen lassen. Doch dieses kleine Mädchen wusste einfach nicht mehr, was sie nun mit ihrem Leben anfangen sollte. Ihr fehlte die Liebe, die sie von ihrem neuen Vater einfach nicht erwarten konnte. Dafür hatte er einfach ein zu kaltes, zu verschlossenes Herz. Misa war eigentlich immer schon auffallend ruhig und zurückgezogen gewesen. Wenn früher ein paar andere Mädchen mit ihr hatten spielen wollen, so war sie immer schüchtern zu Hause geblieben und hatte ihrer Mutter beim Haushalt geholfen. Wie sehr sie dieses erhalten von damals doch bereute...wenn sie wenigstens ein, oder zwei Mal vor die Tür gegangen wäre, und mit ein paar Kindern gespielt hätte, wäre sie jetzt vielleicht nicht in dieser Lage. Ihre Freunde hätten zusammen mit ihr und ihren Eltern vielleicht eine Lösung finden können, doch ohne Freunde, ohne richtige Familie...was sollte sie nur tun, denn viel länger würde sie das alles nicht mehr ertragen können... Sie strich sich durch ihre Haare und wischte sich über ihr Gesicht, damit ihr Vater sie gleich nicht wegen ihren Tränen beschimpfen würde. Ja, sogar wegen solchen Dingen wurde sie mittlerweile schon von ihm misshandelt. Er würde sowieso schon sauer sein, da sich die Blonde mal wieder viel zu viel Zeit gelassen hatte, um wieder nach Hause zurück zu kehren. Damit das Rot um ihre Augen verschwinden würde, fuhr sie mit beiden Händen durch das Wasser, schöpfte etwas davon ab und spritzte es sich schnell in’s Gesicht. Sie zitterte leicht, da das Wasser wirklich sehr kalt war. Als sie die Augen schloss, um noch einmal kurz zur Ruhe kommen zu können und sie diese danach wieder öffnete, sah sie auf einmal ein fremdes Gesicht im Wasser. Die Blonde zuckte sehr stark zusammen, sie hatte hier mit niemandem gerechnet. Das Gesicht eines Mädchens, so wie es schien, starrte sie bemitleidend an, doch als Misa sich umdrehte, stand absolut niemand hinter ihr. Sie fuhr sich noch einmal durch die Haare, dann stand sie rasch auf und lief zurück in die Richtung, in der ihr Haus lag. Wenn sie dies ihrem Vater erzählen würde...es würde direkt die nächsten Schläge hageln, denn er schärfte ihr immer und immer wieder ein, dass sie nicht lügen solle. Und er bezeichnete wirklich alles als eine Lüge, auch, wenn Misa wirklich die Wahrheit erzählte. Das fremde Mädchen sah ihr hinterher. //Vielleicht versteht sie ja mein Leben…//, dachte sie und seufzte leise. Das, was sie bis jetzt von dem Leben des blonden Mädchens verstanden hatte, war, dass sie es nicht wirklich leicht gehabt hatte…Sie hatte sie schon öfters mal beobachtet und ihr war tatsächlich aufgefallen, dass das Mädchen immer zu diesem einen Fluss kam, wenn es ihr schlecht ging. Sie war beinahe täglich hier, und ihre Verletzungen waren nicht ein einziges Mal verschwunden oder gar besser geworden. „Kann ich nicht irgendetwas tun?“, fragte sich Tora, dann strich sie sich ebenfalls ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht, ehe sie wieder in den Büschen verschwand und nach Hause zurückkehrte. Ein paar Tage später saß Misa wieder am selben Fluss. Sie ließ die Beine in das kalte Wasser baumeln und seufzte laut. An dem einen Tag war sie tatsächlich erneut geschlagen worden, dabei hatte sie sich nur um 15 Minuten verspätet. Dazu kam noch, dass sie die gewünschten Sachen, wegen denen sie ihr Vater überhaupt losgeschickt hatte, am Fluss vergessen hatte, und deshalb hieß es ein weiteres Mal Schläge. Langsam war sie es leid, doch alleine konnte sie auch nichts daran ändern…wenn doch nur ihre Mutter noch leben würde…dann wäre sie wenigstens nicht alleine und die beiden könnten sich zusammen eine Lösung überlegen. Verzweifelt schluckte Misa ihren Frust und ihre Schmerzen hinunter. Sie schloss die Augen, schluchzte einmal leise und faltete dann die Hände zu einem Gebet. An diesem Ort waren wirklich schöne Dinge geschehen. Natürlich waren hier auch traurige Dinge geschehen, aber die schönen Dinge überragten alles. Dieser Ort hatte eine ganz besondere Bedeutung für Misa... Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass sie hier ihrem Vater zum ersten Mal begegnet war. Sie war gestolpert und in den Fluss gestürzt, und ihr Vater war gerade zufällig in der Nähe gewesen. Er hatte sie herausgezogen und sie anschließend mit Hilfe seiner Lichtfähigkeiten getrocknet. Misa’s Mutter, welche selber keine besondere Fähigkeit besaß, war damals sehr angetan von dem jungen Mann gewesen. Das Nächste, was hier geschehen war, war die Hochzeit ihrer beiden Eltern gewesen und – nach Misa’s Mutter – einer der schönsten Tage ihres Lebens gewesen. Nur neun Monate später wurde ihre wunderschöne Tochter geboren – ebenfalls an diesem Fluss. Seitdem hatte Misa eigentlich jeden Geburtstag in ihrem Leben an diesem Fluss verbracht. Und als ihr Vater dann vor einem halben Jahr erkrankt war, war die Blonde jeden Abend hier her gekommen um für ihn zu beten. Selbst in der Nacht als er gestorben war, in der Nacht in der sie eigentlich glücklich wegen ihrem Geburtstag sein sollte, war sie hier her gekommen, und hatte gefordert, dass der Himmel ihren Vater wieder hergeben sollte. Sie hatte nach ihm gebeten, sie hatte geschrieen, sie hatte geweint und alle ihre Spielsachen in den Fluss geworfen um so zu zeigen, dass sie es ernst meinte...doch ihr Vater war an seiner Krankheit gestorben und niemand hatte etwas unternehmen können. Misa wischte ihre Tränen weg. Sie musste endlich einen Weg finden, um ihrem Stiefvater zu entkommen. Sie hatte schon öfters darüber nachgedacht, ihm wegzulaufen, doch durchgezogen hatte sie diesen Plan noch nie. Die Angst, von ihm erwischt zu werden, war einfach zu groß. Sie wollte nicht so enden wie ihre Mutter...obwohl ihr diese Art von 'Leben' irgendwie leichter und schmerzvoller vorkam. Wütend über ihre eigene Feigheit sah sie zu ihrem Spiegelbild in’s Wasser – Und erschrak einen Moment später: Sie sah schon wieder das Spiegelbild von diesem fremden Mädchen. Sie kannte es nicht und sie sah auch keinem ähnlich, den sie jemals gekannt hatte. Schnell drehte sich die Blonde um und dieses Mal war das Mädchen auch nicht weggelaufen. „Hallo~“, sagte sie mit einer unbeschreiblich ausgeglichenen Stimme. Misa schluckte leicht. „H-hallo.“, erwiderte sie die Begrüßung. Sie musterte das fremde Mädchen leicht. Ihre Hüftlangen Haare hatten die Farbe von Lavendel, ihre großen Augen hatten eine dunkelgrüne Färbung und ihr restlicher Körper machte einen zierlichen Eindruck. Misa kannte sie wirklich nicht, doch sie fragte sich ernsthaft, warum dieses Mädchen sie beobachtet hatte. „Was willst du von mir?“, fragte sie nun und versuchte angestrengt den leicht weinerlichen Unterton aus ihrer Stimme zu verbannen - es gelang ihr nicht. Das Mädchen lächelte lieblich. „Mich mit dir anfreunden~“, sagte sie mit derselben ausgeglichenen Stimme, die sie eben schon verwendet hatte. „Ich hab dich hier schon öfters gesehen.“, sagte sie weiter und setzte sich langsam neben Misa. Sie nickte ihr zu und machte keine Anstalten weg zu laufen. „Achso...ja du hast recht, ich komme auch öfters hier her~“, meinte sie und sah wieder zu ihrem Spiegelbild. Das Mädchen musterte sie leicht. „Sag mal…woher kommen immer deine ganzen Verletzungen?“, fragte sie etwas besorgt und hob leicht eine Augenbraue. „Sowas kommt nicht einfach so und jedes Mal, wenn ich dich hier gesehen habe, hattest du solche Verletzungen. Was steckt dahinter?“, fragte sie. Die Blonde sah verwirrt zu ihr hinüber. „Sag mir doch lieber erst mal, wie du heißt. Ich rede nicht gerne mit fremden Leuten.“, sagte sie, diesmal mit einem leicht bissigen Unterton. Das Mädchen kicherte. „Ich bin Tora.“, stellte sich das Mädchen vor. Misa nannte nun ebenfalls ihren Namen. Sie wollte wirklich nicht unhöflich klingen, denn womöglich würde sie nun ihre erste Freundschaft in ihrem ganzen Leben knüpfen – Und davon hatte sie schon ewig geträumt. „Darf ich nochmal auf meine Frage von vorhin zurück kommen?“, fragte Tora und spielte mit einer ihrer Haarsträhnen. Misa bemühte sich mit ihrem Lächeln. „Ich erzähle es dir...aber es ist keine schöne Geschichte und du darfst sie niemandem erzählen.“, sagte Misa. Tora nickte und sah sie genau an. Und so begann Misa mit der Erzählung über ihr Leben. Und obwohl die beiden äußerlich nicht älter als fünf oder sechs Jahre alt waren, so besaßen sie trotzdem durch ihre Herkunft den Verstand eines Erwachsenen, denn Tora war ebenfalls ein Mitglied der geflügelten Rasse. Nachdem ein paar Stunden vergangen waren und Misa ihre ganze Lebensgeschichte erzählt hatte, fühlte sie sich direkt besser. Es tat ja so unglaublich gut, wenn man jemanden hatte, mit dem man über sein Leben sprechen konnte. Die Blonde hatte so jemanden bisher noch nie gehabt, deshalb war sie umso erleichterter, denn sie hatte sich alles von der Seele reden können. Tora musterte sie wieder. Sie hatte die ganze Zeit zugehört, hatte Misa die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen – Und dafür war sie ihr unglaublich dankbar. „Verstehe. Und dein Stiefvater schlägt dich ernsthaft wegen solchen lächerlichen Gründen?“, fragte sie und strich sich ein paar Haarsträhnen aus den Augen. Misa nickte leicht. „Das ist…einfach unfassbar…“, murmelte die Lilahaarige und dachte nach. Sie hatte vor einer Weile einen Einfall gehabt, ungefähr zu der Zeit, als sie Misa die ersten paar Male beobachtet hatte. Ihrer Meinung nach konnte sie etwas tun. Sie hatte schon vor etwa einem halben Jahr ihre ersten Begabungen für eine Fähigkeit gezeigt, als sie mit Hilfe eine blauen Masse, welche aus ihren Händen kam, den gebrochenen Arm eines Vogels geheilt hatte. Sie hatte die ganze Zeit an diesen Fähigkeiten gearbeitet, und als sie dann Misa gesehen hatte, war sie fest entschlossen gewesen, ihre Fähigkeit in den Griff zu bekommen. Zuerst hatte sie den kleinen Vogel gesund gepflegt. Dann hatte sie ihre Fähigkeiten an dem gebrochenen Bein ihrer Mutter getestet, und schließlich hatte sie sogar Krankheiten wie eine Grippe oder Fieber heilen können. „Ich kann dir vielleicht mit deinen Wunden helfen.“, erklärte Tora und lächelte freundlich. Misa weitete überrascht die Augen. „Was, wirklich?“, fragte sie, voller Ungläubigkeit in der Stimme. Die Jüngere nickte erfreut und wies sie an, sich ihr gegenüber hinzusetzen, und ein paar Male tief ein-, und auszuatmen. Misa tat wie ihr geheißen, und Tora schloss ihre Augen. Sie murmelte ein paar Worte vor sich hin und langsam trat eine blau leuchtende Masse aus ihren Fingern. „Was ist das?“, fragte Misa, doch Tora wies sie mit einer leichten Handbewegung hin, weiterhin zu schweigen. Die Masse schwebte in kleinen, welligen Bewegungen zu Misa herüber und verteilte sich auf ihren Wunden. Misa spürte erst ein Kribbeln, dann ein schmerzendes Stechen, danach ein Gefühl von Feuer auf der Haut und schließlich eine angenehme Taubheit. Die Masse war verschwunden, Misa musterte die zuvor geschädigten Stellen – Nichts war zu sehen. Die Blonde strahlte ungläubig und trotzdem glücklich. „Vielen Dank!“, sagte sie und umarmte Tora übermütig. Tora lachte leicht vergnügt. Doch dann weitete Misa wieder ihre Augen und stand rasch auf. „Was ist los?“ „Ich hab es vergessen! Tut mir leid, ich muss jetzt schnell gehen!“, sagte Misa und rannte los. „Okay~“, sagte Tora und starrte ihr verwundert hinter her. Ein breites Lächeln stahl sich auf das Gesicht der Lilahaarigen. Endlich konnte sie eine richtige Verbindung knüpfen. Der Hintergrund war zwar nicht der schönste, aber für sie zählte nur die erste Freundschaft in ihrem Leben – Genauso wie für Misa. Natürlich gab es da noch diesen anderen Jungen aus ihrem Dorf...doch der zählte jetzt nicht. Zwei Monate waren seit dem ersten richtigen Treffen zwischen Misa Harada und Tora Shindo vergangen. Die beiden hatten sich beinahe jeden Tag heimlich an dem Fluss getroffen – Tora hatte fast jedes Mal Misa’s Wunden heilen müssen. Für Misa’s Stiefvater war das schnelle Heilen der Wunden unerklärlich, und er wunderte sich ebenfalls darüber, dass Misa sich nun nicht mehr ganz so schnell einschüchtern lassen ließ. Das ein oder abdere Mal war schon eine schnippische Antwort aus ihrem Mund entwichen, doch ihm war es egal, nach dem zweiten oder dritten Schlag bekam er ja doch immer das, was er haben wollte. Misa wusste tatsächlich nicht mehr weiter. Sie war es leid, jeden Tag aufs Neue wieder geschlagen zu werden. Tora wusste ebenfalls nicht weiter. Sie konnte nur zusehen wie ihre einzige Freundin Tag für Tag misshandelt wurde, und tun konnte sie außer dem Heilen der Wunden auch nicht wirklich etwas. Natürlich war es schon eine unsagbar große Erleichterung für die Blonde, dass die Wunden so schnell wieder verschwanden, doch seelisch war sie beinahe am zusammen brechen... Auch an diesem Tag trafen sich die beiden wieder. Tora war gerade mit dem Heilen fertig geworden. Sie wirkte an diesem Tag irgendwie anders, sie war nicht mehr so gut gelaunt und ausgelassen wie noch an ihrer ersten Begegnung. Auch Misa ging es nicht besonders gut. Heute war der Putztag bei ihr zu Hause gewesen. Zuerst hatte sie verschlafen, dann hatte sie der Meinung ihres Vaters nach nicht gründlich genug geputzt, und anschließend war dann noch das Mittagessen angebrannt. So schlimm wie heute hatte Misa noch niemals ausgesehen, dass konnte sie selber bestätigen. „Ich verstehe einfach nicht, warum du nicht wegläufst. Dieser grausame Mensch…der verdient deine ganze Arbeit nicht mal, als Dank dafür wirst du dauernd von ihm geschlagen! Und trotzdem kehrst du jedes Mal wieder zu ihm zurück. Bitte, erklär es mir, ich verstehe es nicht…“, sagte Tora und schüttelte Misa einmal. Sie ließ den Kopf hängen und ein paar Tränen fielen zu Boden. „Ich weiß es nicht…er macht mir solche Angst…und wenn ich weglaufen würde, und er mich dabei erwischen würde…dann bringt er mich vielleicht tatsächlich irgendwann noch um!“, schluchzte sie und wischte sich die immer wieder kehrenden Tränen weg. „Aber was ist eigentlich mit dir los, du bist doch heute auch anders drauf als sonst immer…“, bemerkte Misa und drehte sich zu ihrer Freundin. Sie sah zu Boden. „Nein…es ist nichts passiert…ich bin nur mit dem falschen Fuß aufgestanden…das ist auch alles~“, versicherte sie und setzte ein großes, falsches Lächeln auf. Doch eigentlich war bei ihr absolut gar nichts in Ordnung. Ihre Eltern waren beide heute Morgen an einer unerklärlichen Krankheit gestorben, und Tora hatte dabei nur zusehen können. Ihre Heilkräfte hatten überhaupt nichts gebracht, im Gegenteil, sie hatten es durch die schlimmen Gefühle während der Behandlung nur schlimmer gemacht und deshalb war sie sehr angeschlagen gewesen. Ihre Mutter hatte ihr versichert, dass es nicht ihre Schuld wäre und das niemand diese Krankheit hätte heilen können, doch die Lilahaarige glaubte daran, dass, wenn sie sich nur genug konzentriert hätte, sie ihre beiden Eltern noch rechtzeitig hätte retten können. Doch sie schüttelte bei ihren Gedanken nur den Kopf. „Ich finde du solltest lernen, dich endlich einmal durchzusetzen. Damit wird das Leben viel einfacher, glaube mir.“, sagte Tora und schaute Misa ernsthaft ins Gesicht. Die Blonde sah in eine andere Richtung. „Du kennst meinen Vater nicht...wenn du dich bei ihm durchsetzen willst, hast du direkt schlechte Karten.“, sagte sie und spielte mit einer blonden Haarsträhne. Tora seufzte. „Na gut…bei dieser Entscheidung kann ich dir auch nicht weiter helfen, dass musst du schon ganz für dich alleine rausfinden.“, sagte Tora und stand schließlich auf. „Ich muss jetzt gehen...ähm...das Abendessen vorbereiten und so...man sieht sich morgen schätze ich mal~“, sagte sie und lächelte Misa noch einmal über die Schulter an. Misa lächelte schwach zurück und stand dann ebenfalls auf. Sie musste etwas an ihrem Leben ändern…und sie würde nun auf Tora hören. Sie hatte vollkommen recht, Misa musste endlich einmal lernen, sich durchzusetzen. Und genau das würde sie nun tun! Während das blonde Mädchen nach Hause lief, und sich einen Plan überlegte, ging Tora zurück zu dem Haus ihrer Eltern. Sie packte alle ihre Sachen zusammen und ging dann schließlich los, um woanders ein neues Leben anzufangen - mit fünf Jahren... An diesem Abend traf Tora Shindo zum ersten Mal auf Ren Kenka, und Misa und Tora sahen sich niemals wieder. „Komm schon, die Flasche ist doch gleich leer!“, feuerte die Blonde ihren Stiefvater an. Dieser war schon dunkelrot angelaufen. „Nein Misa…ich kann nichts mehr trinken~“, sagte er betrunken. Misa hatte ihm alle Sakeflaschen gebracht, die sie in dem kleinen Haus hatte finden können. Es waren genau sieben Flaschen gewesen, und sechs davon hatte der Mann schon geleert. Die letzte Flasche wanderte gerade durch seinen Mund – und somit hatte er alle sieben Flaschen getrunken. Misa klatschte laut. „Bravo! Hast du gut gemacht~ Und nun hast du dir Ruhe verdient, komm, gönn dir ein paar Stunden Schlaf.“, überredete Misa ihren Vater. Dieser grunzte einmal und ließ sich zur Seite fallen – Wo er dann auch schon eine Sekunde später schnarchend einschlief. Misa hatte ihre Chance erkannt. Sie lief schnell zu der rechten hinteren Ecke des Raumes die sie stolz ihr „Zimmer“ nennen konnte und packte alle Sachen die sie nun brauchen würde in eine kleine Reisetasche. Ihr Gepäck bestand aus einem Foto ihrer Eltern, einem Laib Brot und einer silbernen Kette, die einmal ihrer Mutter gehört hatte. Sie band sich diese um ihren Hals und verstaute die beiden anderen Sachen sorgfältig. Als sie sich umdrehte, stand auf einmal ihr Vater hinter ihr. Er hob eine Augenbraue und sah sich ihre Tasche an. „Hey, was soll das, du kleine Göre?! Hast du etwa vor wegzulaufen?“, fragte er nuschelnd und ballte die rechte Hand zu einer Faust. Misa weitete die Augen, sie wusste was gleich passieren würde. Doch sie erinnerte sich an Tora’s Worte und trat gegen die Beine des Älteren. Er, der mit dieser Antwort niemals gerechnet hätte, verlor das Gleichgewicht, geriet ins Schwanken und knallte dann zu Boden. Er richtete sich fluchend ein Stück auf, doch Misa war vorbereitet. Mit laut pochendem Herzen griff sie nach einer der Sakeflaschen, die der Mann geleert hatte. Sie rannte auf den betrunkenen Mann zu und schlug zum ersten Mal zurück. Mit einem sehr lauten Aufschrei schlug sie mit der Glasflasche auf ihn ein, zweimal, dreimal… Als dann schließlich eine deutliche Platzwunde zu erkennen war, ließ sie die Flasche auf den Boden fallen, sie war schon deutlich angeschlagen. Voller Angst im Blick griff sie nach der Tasche und verließ schnell das Haus in der Befürchtung, dass sie ihren grausamen Stiefvater gerade getötet hatte. Sie fühlte den kalten Boden unter ihren Füßen und rannte dann los, in die erst beste Richtung, die ihr in den Sinn kam. Doch der Mann war gar nicht tot gewesen... Das Einzige, was danach mit ihm geschehen war, war, dass er einen schweren Gedächtnisschwund erlitten hatte. Er erinnerte sich weder daran jemals eine Stieftochter gehabt zu haben, noch daran, von derselben niedergeschlagen geworden zu sein, zu Misa’s Glück… ein paar Wochen später kam ein kleines blondes Mädchen zu dem Haus, welches vorher noch niemals zuvor in dieser Gegend gesehen worden war. Als sie das Haus später wieder verließ, lebte ein weiterer Mensch weniger auf der Welt und das Mädchen wurde niemals wieder dort gesehen. Schwer atmend erwachte Misa aus ihrem Traum und sah sich um. Da sie trotzallem so müde war, dachte sie, dass schon alles ruhig sein würde und so schlief sie fast sofort wieder ein. Wie hätte sie auch damit rechnen können, dass Noriko gerade auf ihre große Schwester getroffen war? _______________________________________________ Nächstes Kapitel: 「呪い」 ・ Fluch 「Noroi ~ Smile until the end」 Kapitel 10: 「呪い」 ・ Fluch 「Noroi ~ Smile until the end」 ------------------------------------------------------ Kapitel zehn: 「呪い」 ・ Fluch 「Noroi ~ Smile until the end」 Noriko landete leise auf dem Boden und ging vor Ren’s Augen in Deckung, um nicht mehr von ihm gesehen werden zu können. Ren hatte mit seiner Vermutung tatsächlich Recht gehabt, Noriko’s schwarze Flügel waren vor ein paar Stunden vollkommen geheilt. Es hatte sie eine Menge Anstrengung und Mühe gekostet, da ihre Heilfähigkeiten nicht mehr zu 100 Prozent funktioniert hatten, doch irgendwie war es ihr dann schließlich doch noch gelungen. Sie sah sich noch einmal schnell um, dann lief sie fest entschlossen los in Richtung Wald. Wenn sie erst mal dort angekommen sein würde, würden Ren oder jemand anderes sie nicht mehr erkennen können, das war im Moment das Einzige, was für sie zählte. Noriko durfte nun nicht aufgehalten werden, die Aufgabe, die auf ihren Schultern lastete, war zwar unheimlich schwer und zwang sie innerlich in die Knie, doch es gab keine andere Möglichkeit um den Krieg aufzuhalten. Sie würde es schaffen, sie würde nach zehn langen Jahren endlich den Krieg beenden und den wohlverdienten Frieden sowohl zurück nach Kagami-koku, als auch nach Daikoku bringen. Sie würde ihr Ziel erreichen, davon war sie sicher überzeugt. Sie wollte nicht mehr das schwache kleine Mädchen sein, welches leicht von einer Person wie Tora Shindo manipuliert und kontrolliert werden konnte. Die Lilahaarige würde Tora endlich zum Schweigen bringen… Jene Seele in Noriko’s gespaltenem Geist flüsterte in ihr gerade einige Dinge. Komm schon…du weißt es doch auch…du willst die Sache gut machen oder? Ich kann dir meine Kraft leihen, mit meiner Hilfe wirst du es schaffen! Noriko’s Kopf schmerzte bei diesen Worten, ihre Hände wanderten zu ihren Haaren und krallten sich daran fest, dann begann sie laut zu schreien: „Hör auf! Lass mich endlich in Ruhe, dass alles ist eh einzig und alleine deine schuld! Wenn du niemals in meinen Geist eingedrungen wärst…alles wäre einfacher gewesen und ich wäre jetzt noch zusammen mit meinen Freunden…und mit Ren…“ Bei diesem letzten Wort spürte sie förmlich, dass Tora mit dieser Aussage ganz und gar nicht einverstanden war. Sie fluchte laut und versuchte wieder die Kontrolle über Noriko‘s Körper zu gewinnen. Noriko’s Beine bewegten sich gegen ihren Willen zurück in die Richtung aus der sie gekommen war. Geh zurück! Geh zurück zu ihnen! Wenn du dich umbringst, dann…dann…dann kann ich Ren nie wieder sehen! Tora’s Stimme klang leicht verzweifelt doch die Lilahaarige wollte der Stimme in ihrem Kopf nicht nachgeben. Sie konnte ihre Füße verlangsamen, blieb dann schließlich ganz stehen. Doch Tora wollte einfach nicht aufgeben. Erneut bewegten sich ihre Füße gegen ihren Willen in Richtung Lager ihrer Freunde. Doch die Lilahaarige konnte sich auch dieses Mal erfolgreich gegen das „Monster“ in ihrem Inneren wehren und erlangte somit die komplette Kontrolle über sich selbst zurück, indem sie sich ihre Fingernägel tief in die Handoberfläche bohrte. Vor Schmerz keuchte Noriko auf, dann drehte sie sich schnell um und lief weiter. „Siehst du! Ich werde nicht mehr schwach sein, ich werde mich von nun an immer und immer wieder gegen dich wehren!“, schrie sie laut und mit einem leicht triumphierenden Unterton in der Stimme. Trotzallem spürte sie wieder diese unangenehmen Stiche in ihrem Herzen, je weiter sie sich von dem Lager entfernte. Ob Ren den anderen schon gesagt hatte, dass sie selbst verschwunden war? Sie durfte nicht weiter darüber nachdenken, sonst würde ihr ihre jetzige Aufgabe am Ende noch schwerer fallen, als überhaupt schon so. Als die Lilahaarige noch ein paar Schritte weiter ging, hörte sie auf einmal Stimmen neben sich. Sie schienen direkt aus dem Gebüsch zu kommen, welches sie auch von allen Seiten herum umgab. Und ehe sie sich’s versehen konnte, war sie auch schon von einer Gruppe Daikoku-Soldaten umgeben. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse, um so das Ausmaß ihrer Feinde sehen zu können. Dann bemerkte sie, dass einer der Männer anders war… Er trug komplett andere Kleidung als die Soldaten, trug kein Schwert und keinen Bogen mit sich und schien auch sonst keine Waffen zu haben. Im Gegensatz zu den Soldaten, trug er auch nicht so etwas wie einen Helm auf dem Kopf, sein Kopf war kahl rasiert und ein Kreisförmiges Tattoo konnte mitten auf der Stirn erkannt werden. Es war genau über der Mitte der beiden Augen und sah beinahe aus wie ein drittes Auge. Der Eindruck wurde noch verstärkt, da das Tattoo mit giftgrüner Farbe angefertigt worden war, die Farbe sah fast genauso aus, wie Noriko’s eigene Augenfarbe selbst. Außerdem trug er ein feines Gewand aus Seide und anderen teuren Stoffen, die Hände waren gefaltet wie als ob er gerade beten würde und um die Hände war eine kleine Kette mit einem runden blauen Anhänger gebunden worden. Es handelte sich um eine dunkle Perle. //Ein Priester…das hat mir gerade noch gefehlt~//, dachte Noriko verzweifelt und dachte nach. Es stimmte schon, sie brauchte unbedingt viele Zeugen für ihr Opfer, doch gegen einen Priester konnte sie sich alleine nicht behaupten…dafür war sie wohl oder übel einfach nur zu schwach. Angestrengt versuchte die Lilahaarige die Situation zu überdenken und schließlich kam sie zu dem Schluss, dass es wohl das Beste wäre, nun zu flüchten und nach anderen Soldaten Ausschau zu halten. Von diesem Gedanken überzeugt nickte sie ein Mal und hielt die Hände von sich, als ob sie zwei Leuten neben sich die Hand reichen wollte. Sie flüsterte ein paar Wörter, machte ein paar Handbewegungen und ein dunkelblauer Eisstrahl kam aus beiden ihrer Hände. Der Strahl flog direkt auf die Füße der Soldaten zu und fror sie alle am Boden fest. Schwer atmend und die lauten Flüche der Soldaten ignorierend, drehte sich Noriko schnell um und lief dann weiter in den Wald hinein. Von weitem konnte sie schon Rufe und Stimmen hören und schwer lächelnd hoffte sie, dass es ein großes Lager von Soldaten war, da sie es endlich hinter sich haben wollte. Und obwohl ihr in diesem einen Moment absolut gar nicht danach war, so musste sie trotzdem wohl oder übel breit Grinsen – Nun war also ihre Zeit gekommen…sie hätte es ahnen sollen. Unterdessen rannte gerade ein vollkommen aufgelöster blonder Junge, der zufällig auf den Namen Ren hörte, in irgendeine Richtung, er konnte ernsthaft nicht sagen, ob es die richtige Richtung zum Lager war. Ren wusste nicht genau, was Noriko nun vorhatte, doch er ahnte schon irgendwie etwas. //Es hat bestimmt wieder irgendetwas mit Tora zu tun…//, dachte er. Er wusste wirklich nicht, wie er nun genau darauf kam, doch sein Bauchgefühl sagte ihm, dass es ganz sicher etwas mit seiner Kindheitsfreundin zu tun haben würde. Während der Blonde über solche Dinge nachdachte, merkte er nicht, dass er schon längst wieder am Lager angekommen war. Er rannte also direkt in den armen Riku rein, welcher gerade das Abendessen auf ein paar Tellern getragen hatte. Ren rammte ihn um, die Teller flogen hoch in die Luft und landeten schließlich genau auf dem Kopf des Ältesten. Dieser beschwerte sich auch schon sogleich. „Bist du bescheuert?! Das krieg ich doch nie wieder aus den Haaren! Außerdem habe ich gerade zum ersten Mal gekocht, das war etwas Besonderes für mich!“, motze Riku laut herum doch Ren winkte nur schnell ab. „Das Essen ist jetzt erst mal egal!“, sagte er hektisch und erntete dafür direkt einen vorwurfsvollen Blick seitens Yoshi. Misa, die gerade den Verband der Rothaarigen wechselte, runzelte verwirrt die Stirn und sah ihn seltsam an. „Seit wann lässt du mal eine Mahlzeit aus? Ach ja, hast du jetzt mal mich Noriko gesprochen?“, fragte die Blonde und zog den Verband fest. Der Angesprochene schluckte schwer, dann nickte er zustimmend. „Ja, das hab ich…und das, was sie mir da alles versucht hat zu erzählen…das wird euch nicht gefallen~“, meinte er und begann nun mit der Schilderung der eben geschehenen Ereignisse. „…und dann hat sie mich geküsst, hat mir diesen seltsamen Satz gesagt und ist dann diese Klippe herunter gefallen. Als ich sofort aufgesprungen bin, um nach ihr zu sehen…Ich wollte wirklich wissen, wo sie hin ist, aber es war nichts mehr von ihr zu sehen…“, beendete Ren seine Erzählung und er seufzte laut. Riku schüttelte leicht den Kopf. „Unfassbar…“, meinte er und Ren nickte leicht. „Ich weiß, sie kann doch nicht einfach so gehen!“, sagte der Blonde zustimmend, doch der Braunhaarige schüttelte nur wieder den Kopf. „Nein nein, das meinte ich zwar auch aber ich meinte jetzt eher die Tatsache, dass No-chan dich tatsächlich freiwillig geküsst haben soll! Ich meine…sieh dich an! Und dann sieh mich an!“, versuchte er irgendwie klar zu machen. Ren hob eine Augenbraue und haute ihm eine runter, das war jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um schon irgendwelche Witze über Noriko’s Verschwinden zu machen. Statt seiner antwortete dann Misa kurzerhand auf diesen vollkommen verblödeten Kommentar: „Ich weiß, es ist schon unfassbar, wie gut Ren im Gegensatz zu dir aussieht, ich kann mich auch nur darüber wundern, dass No-chan tatsächlich mal etwas richtig gemacht hat!“ Nun war Riku an der Reihe, um vorwurfsvolle Blicke zu verteilen. „Misa hat recht und außerdem geht es jetzt nicht um solche Kleinigkeiten!“, fauchte Ren und die beiden Mädchen stimmten ihm schnell zu. Misa nickte besonders deutlich. „Ich denke, dass Noriko das nicht gemacht hat, um uns in irgendeiner Weise zu schaden, sie hat sicherlich ihre Gründe um erst mal abzutauchen. Ich bin mir sicher, dass sie in ein paar Tagen wieder bei uns auftauchen wird, immerhin sind wir hier alle Freunde.“, meinte sie. Ren kratzte sich am Kopf und dachte erneut über einige Geschehnisse nach. „Vielleicht ist letzte Nacht auch etwas seltsames mit ihr passiert, immerhin hatte sie diese verletzte Hand…“, überlegte der Blonde laut und Riku wurde hellhörig. „Warum war ihre Hand verletzt?“, fragte er verständnislos. „Ich habe gar keinen Verband bei ihr gesehen. „Sie hat mir nur erzählt, dass sie während sie geschlafen hat einen merkwürdigen Traum gehabt hat. Riku hatte versucht sie zu küssen und dann hat sie mit der Hand auf den Stein gehauen.“, erzählte Ren die Geschehnisse, die Noriko ihm nur einige Stunden zuvor noch aufgetischt hatte. Riku strich sich lächelnd durch die Haare. „Tja, was soll ich sagen, ich bin eben sogar in Träumen von Frauen ein echter Frauenschwarm und Mann!“, meinte er, vollkommen von sich selbst überzeugt. Yoshi hob beide Augenbrauen und sprach nun auch mal: „Soll ich dir sagen, was ich machen werde, wenn du weiterhin solche Märchen erzählst?“, fragte sie und der Braunhaarige nickte aufgeregt. Yoshi winkte Misa zu sich heran, diese bückte sich zu ihr herunter und dann flüsterte die Ältere ihr etwas ins rechte Ohr. Misa begann zu kichern, dann räusperte sie sich. „Was hat sie gesagt?“, fragte Ren stirnrunzelnd und auch Riku machte ein leicht ängstliches Gesicht. „Sie sagte, dass sie dich schrecklich foltern wird, dann wird sie dich umbringen, deine Überlebensreste wird sie klonen, dann wird sie die Klone schließlich bis kurz vor den Tod foltern und schließlich noch die Klone töten. Wenn das nicht reicht, gräbt sie dein Grab auf und tötet dich ein zweites Mal~“, gab Misa die Worte der Älteren wieder und Ren musste sich ernsthaft ein Kichern verkneifen. Riku sah sie erschüttert an. „Aber…aber…aabeeeer-“, fing er an, dann würgte Misa ihn ab, indem sie ihm ein Reisbällchen in den Mund steckte. „Ja ja, deine ganzen Aber‘s kannst du dir abschminken, wir haben wichtigere Dinge zu bereden.“, meinte sie nur und sofort setzte sich der peinlich berührte Braunhaarige auf den Boden und räusperte sich schließlich, um somit zu zeigen, dass er wieder zuhören würde. Riku überlegt kurz und wollte nun doch noch einmal seinen Senf dazu geben, doch Misa haute ihm eine rein und setzte sich auf seinen Rücken. „Schluss jetzt und halt deinen Mund!“, zischte sie, Riku brachte nicht mal ein gestöhntes „B-brutalo!“ heraus. Die Blonde blendete ihn aus und richtete das Wort wieder an Ren. „Neben Noriko’s Bett war gar kein Stein oder sowas in der Art.“ Der Angesprochene nickte nervös. „Das kommt mir alles Spanisch vor!“ „Oh, mein großer Bruder hat mir mal ein paar Worte auf Spanisch beigebracht, einmal hat er mich „Señora Riku“ genannt! Ich weiß zwar nicht, was das heißen soll aber-“ „ Kannst du eigentlich ein einziges Mal in deinem Leben deine verdammte Klappe halten?!“, fragte Misa wütend und drückte seinen Kopf auf den Boden. „Hmpf~“, machte er und dieses Mal setzte die Blonde sich auf seinen Hinterkopf. Er hatte es nun einfach nicht anders verdient, er sollte nun endlich mal den Ernst der Lage betrachten. Misa konnte nur den Kopf über sein Verhalten schütteln. Noriko war verschwunden, vielleicht sogar durch den Sprung von der Klippe verletzt, und Riku hatte nun nichts Besseres zu tun als irgendeinen Mist von sich zu geben. Noch niemals in ihrem bisherigen Leben war sie so wütend auf ihn gewesen. Doch Ren holte sie zurück aus ihrer Gedankenwelt. „Vielleicht ist ihr in der Nacht doch etwas anderes passiert…“, dachte er laut und massierte sich angestrengt nachdenkend die Schläfen. „Das könnte durchaus wahr sein, ich bin ein Mal kurz wach geworden und da habe ich Noriko nirgendwo sehen können. Ich bin fast sofort wieder eingeschlafen, habe aber noch in der Ferne ganz leise einen Schrei gehört. Ich hatte eigentlich gedacht, dass es irgendwas mit meinem Traum danach zu tun gehabt hat aber vielleicht war das ja Noriko…“, erzählte Misa und sah in die Runde. Ren nickte nur auf diese Aussage hinaus und besprach etwas mit Misa, während Yoshi unterdessen auf dem Boden umher zum letzten Teller kroch, der noch übrig geblieben war. Sie musste breit grinsen, da sie niemand bemerkt hatte und sie nun ihren Hunger stillen konnte. Sie wollte gerade den ersten Bissen nehmen, als sie plötzlich bemerkte, dass es vollkommen still um sie geworden war. Verwundert sah sie zurück zu Ren und Misa, welche sie beide vorwurfsvoll ansahen, sogar Riku hatte seinen Kopf angehoben. Die Rothaarige hob beide Augenbrauen an. „Was denn?“, fragte sie und Misa deutete mit ihrem Kopf auf den Teller in ihrer Hand. Seufzend erhob sie sich und stiefelte rüber zu Riku. Der Älteste sah sie erwartungsvoll an, dann kniff er schnell die Augen zusammen, als Yoshi kurzerhand den Teller auf seinem Kopf ausleerte. „Dann eben nicht >_>“, sagte sie und ließ sich neben dem Braunhaarigen auf den Boden fallen. Riku begann leise zu wimmern. „Warum bekomme immer ich das Essen auf den Kopf?“, fragte er und schniefte einmal. „Weil du dann wenigstens einmal lecker aussiehst~“, erwiderte Yoshi leicht grinsend. Der jammernde Riku sah, immer noch wimmernd, zur Seite und kaute verbissen auf einem Taschentuch rum. Misa fragte sich innerlich, wo er dieses Taschentuch her hatte und hatte ihn schließlich ein weiteres Mal für sein Verhalten. Dieses Mal sagte er tatsächlich ein Mal nichts. Die beiden Blonden überlegten fieberhaft weiter und kamen schließlich zu einem Entschluss. „Denkt ihr nicht auch, dass es sicherlich das Beste wäre, wenn wir einfach schnell nach Nori suchen?“, fragte Misa und stellte nun endlich die Frage, die sich niemand vorher getraut hatte zu fragen, aufgrund der Reaktionen der Anderen. Doch Ren und Riku nickten nur, Yoshi gab ein zustimmendes Brummeln von sich – anscheinend war sie beleidigt, weil die drei sie vom Essen abgehalten hatten, doch es gab gerade wirklich Wichtigeres, um das sie sich zu kümmern hatten. Also standen die vier übriggebliebenen schnell auf und Ren zeigte in die Richtung, in die Noriko vorhin verschwunden war. Keine zwei Sekunden später liefen sie los, um Noriko so schnell wie nur möglich finden zu können. Die Lilahaarige drehte sich enttäuscht um. Sie hatte eben feststellen müssen, dass in dem Lager, welches sie vorhin durch murmelnde Stimmen entdeckt hatte, keine Soldaten waren, sondern lediglich irgendwelche Menschen auf Umwegen. Deshalb nahm sie lieber schnell ihre Beine in die Hand und lief weiter, sie wollte es so schnell wie möglich hinter sich haben. //Na toll…mein ganzes Leben war ja eh schon ein kompletter Reinfall, warum kann es zum Schluss nicht einfach schnell und schmerzlos gehen?//, fragte sie sich betrübt und strich sich ein paar Strähnen voller lila Haare aus dem Gesicht. Ihr Weg führte sie durch das Ende des Waldes, bald schon konnte man wieder hellere Stellen sehen. Voller neuer Hoffnung auf Soldaten zu treffen, lief Noriko weiter. Die Frage, warum sie nicht einfach flog und so schnell die Aufmerksamkeit der Soldaten auf sich zog, ließ sich schnell beantworten: Wenn sie nun fliegen würde, könnten ihre Freunde sie auch schnell wieder finden und sie womöglich noch von ihrer Aufgabe abbringen und das konnte sich Noriko gerade wirklich nicht leisten. Sie musste sich beeilen, bald schon würden ihre Freunde ihre Spur sicher aufgenommen haben, dann würde sie sie nicht mehr aufhalten können. Warum nimmst du nicht einfach meine Hilfe an?, ertönte wieder diese Stimme in Noriko’s Hinterkopf. Sie knurrte leise und ballte ihre Hände zu Fäusten. //Ich brauche deine Hilfe nicht, du würdest mich wieder kontrollieren und zurück zu Ren bringen. Das werde ich nicht zulassen!//, fauchte sie innerlich und erneut zog sich Tora zurück. Ein großes Chaos voller Gefühle machte es sich in dem Magen der Lilahaarigen gemütlich. Sie konnte Trauer herausfühlen, Wut und ein wenig Verzweiflung. Doch sie konnte sogar ein kleines Bisschen Triumph erkennen, Triumph darüber, dass sie es endlich irgendwie geschafft hatte, Tora zu bezwingen und sie von ihrem Geist fern zu halten. Doch das Alles half ihr immer noch nicht wirklich weiter, sie musste so schnell wie jetzt noch möglich die nächsten Soldaten finden. Endlich erreichte die Lilahaarige den „Ausgang“ aus dem Wald und blieb kurz stehen. Sie sah sich um und konnte vor sich nur eine hohe Felslandschaft ausmachen. //Seltsam…ich wusste gar nicht, dass es hier so hohe Berge gibt…//, dachte sie verwundert und dachte an Kagami-koku. Dort gab es auch eine Felslandschaft, aber die Berge waren bei weitem nicht so hoch, wie hier in Daikoku. Noriko zuckte mit ihren Schultern und ging weiter, bis sie auf einmal den Halt verlor und stolperte. Verwirrt über den Vorfall sah sie zu ihren Füßen: Ihre Beine zitterten, anscheinend hatte sie sich mehrere Wunden zugelegt, als sie unbedacht durch den Wald gerannt war. Das Ausmaß der Verletzungen konnte sie nun zum ersten Mal sehen. An ihren Beinen waren sehr viele Kratzer und Schürfwunden zu sehen, die meisten hatte sie sich wohl zugelegt, als sie durch die ganzen Büsche gerannt war. Die dünnen Äste mussten sich wohl in ihr Fleisch gerammt haben, wodurch dann die ganzen kleinen Schnittwunden entstanden waren. Unten an den Fußknöcheln waren weitere Schrammen und – zu ihrer großen Verwunderung – etwas, was aussah wie ein Dornenast. Er hatte sich um ihren linken Fußknöchel gelegt und die Dornen hatten sich mit ihren Widerhaken an der Haut festgehakt. Seufzend zog sie an dem Ast, welcher sich aber durch diese Bewegungen nur noch weiter in ihr Fleisch bohrte. Schmerzlich stöhnte sie auf, dann gab sie sich einen Ruck und zog noch einmal an der Ranke. Dieses Mal konnte sie diese von ihrem Knöchel lösen, dabei entstanden weitere kleine Wunden. Erneut stöhnte sie vor Schmerz auf und ihr Blick wanderte weiter zu ihren Füßen. Sie hatte in der Eile von vorhin vollkommen vergessen, sich wieder ihre Sandalen anzuziehen! Ihre Füße sahen aus, als wäre sie seit zwei Wochen durch die Wüste gerannt. Die Füße waren ebenfalls überseht von kleinen Wunden und Kratzern, zusätzlich zitterten sie wie ihre Beine auch aufgrund der vielen Wunden. „Verdammt!“, fluchte Noriko leise und versuchte auf zustehen. Sie hatte Erfolg – welcher aber nicht lange anhielt, da sie nach drei weiteren Schritten erneut den Halt verlor und ihr Fuß verdrehte sich. Ein kleiner Schmerzensschrei war zu vernehmen, als es ein Mal laut knackte – Zu allem Überfluss hatte sie sich nun auch noch den Knöchel verstaucht. Schmerzlich biss sie sich auf die Unterlippe und wimmerte leise. Wie sollte sie so nur jemals ihr Ziel erreichen können? Nicht mal drei Meter konnte sie laufen ohne sich zu verletzen…und dann auch noch genau dann, wenn ihre Heilfähigkeiten nachließen und sie sich nicht selber heilen konnte. Doch Noriko hatte keine Wahl, sie musste sich erneut aufrappeln und weiter laufen, sie wollte nicht von Ren oder irgendjemand anderem aufgehalten werden. Ihr Knöchel pochte, die Beine zitterten weiter und bei jedem Schritt hatte die Lilahaarige Angst, nicht mehr weiter laufen zu können und auf das Fliegen angewiesen zu sein. Sie kam schließlich den Felsen immer näher, an der Seite der grauen rauen Felswand war eine schmale Erhebung an der man entlanggehen konnte. Nun musste sie aufpassen, damit sie nicht auf einen spitzen Felsen trat – dann würde sie wirklich fliegen müssen. So bahnte sich Noriko einen Weg an der Felswand entlang und kam der anderen Seite immer näher. Sie dachte an verschiedene Dinge… Schaffe ich es auf die andere Seite? Werde ich meine Freunde von mir fernhalten können? …werden sie mir jemals verzeihen können? Diese Fragen waren nur ein Bruchteil von dem, was ihr gerade durch den schmerzenden Kopf ging. Sie achtete erneut nicht auf ihren Weg, ihr linkes Bein gab erneut nach, sie rutschte ab, ihre Haut schürfte sich auf und dann…dann fiel sie…runter auf den Boden, wo sie von den scharfen Felsen aufgespießt werden würde. Ihre Aufgabe wäre dann eigentlich erfüllt, sie hätte ihr Opfer getan und der Krieg würde hoffentlich bald vorbei sein…doch das war kein Tod, wie sie ihn sich gewünscht hätte. Dieses Szenario wanderte in ihrem geistigen Auge umher, doch alles kam anders, als sie einen Ruck spürte und jemand ihre Hand festhielt. Vollkommen geschockt von der plötzlichen Rettung, öffnete Noriko schnell ihre Augen – Das Grün ihrer Augen traf auf ein Gold in den Augen ihres Gegenübers. Verwundert sah sie weiter und erkannte den dunkelblonden Jungen, welcher sie gerade vor ihrem Absturz gerettet hatte. „Raiyu!?“ Unterdessen suchten in einem anderen Teil des Waldes vier Gestalten nach einem Mädchen. „Noriko! Bist du hier irgendwo? Antworte!“, rief Misa zum gefühlten tausendsten Mal an diesem Abend. Verzweifelt sah sie rüber zu Ren, welcher gerade aus einer anderen Richtung angelaufen kam. „Hattest du schon Erfolg?“, fragte sie mit heiserer Stimme. Der Angesprochene schnaubte laut. „Wenn ich wirklich Erfolg gehabt hätte, glaubst du, ich würde dann hier ohne sie auftauchen?“, motzte er und kniff die Augen zu zwei Schlitzen. Misa zuckte zusammen, er hatte sich noch niemals so kalt ihr gegenüber verhalten. Sie schluckte hart. „Schon gut, tut mir ja leid…“, meinte sie kleinlaut und Ren haute sich gegen die Stirn. „Was zum- Tut mir leid Misa, ich kann gerade nicht klar denken…“, redete er sich heraus und seufzte laut. Die Blonde winkte ab. In Ren’s Kopf herrschte tatsächlich ein riesiges Chaos der Gefühle, er schien quasi über 3000 verschiedene Dinge gleichzeitig nachzudenken. „Schon okay, ich bin auch sehr aufgewühlt. Hast du was von Riku oder Yoshi gehört?“, fragte sie weiter, doch Ren schüttelte nur den Kopf. Einen Moment später kamen die beiden durch einen Busch gelaufen. „Man, was gäbe ich jetzt nicht alles für eine Flasche Sake…“, jammerte Riku, der Yoshi die ganze Zeit getragen hatte. Er drehte seinen Kopf seitlich zu ihr. „Warum muss ich dich tragen, du hast dich doch nur am Arm verletzt!“, beschwerte er sich und keuchte. Yoshi grinste leicht. „Ich hab keine Lust zu laufen…“, stellte sie fest und zuckte mit ihren Schultern. Riku brach zusammen und schob sie von seinem Rücken. „Ich lasse mich nicht wegen allem verarschen, nur dass das klar ist!“, sagte er erbost und stand wieder auf. Er bemerkte nun zum ersten Mal Ren und Misa und setzte direkt wieder eine freundlichere Miene auf. „Hi Leute! Habt ihr schon Erfolg gehabt?“, fragte er breit grinsend. Beide schüttelten schnell synchron den Kopf. Riku kratzte sich am Kopf. „Also so kann das…wie sagt man das…keine Ahnung…nicht weiter gehen?“, fragte er und seufzte. Ren nickte unmerklich, er würde bald noch den Verstand vollkommen verloren haben, wenn das alles so wie bisher weiter gehen würde. „Du hast recht, so werden wir Noriko niemals wieder finden…“, stimmte Misa dem Ältesten zu und erneut nickte Ren beinahe unmerklich. „Wisst ihr, was ich mich schon die ganze Zeit Frage?“, fragte Riku und sah in die Runde. „Warum du so ein Spanner bist?“, meinte Yoshi und kicherte leicht. Riku sah sie bitterböse an. „Nein!…naja…ein wenig…Aber hauptsächlich habe ich mich gefragt, warum wir nicht einfach fliegen. Wozu hat man schließlich Flügel?“, schlug der Braunhaarige vor und erntete direkt eine harte Faust seitens Misa. „Idiot! Weil die Soldaten uns dann direkt sehen würden natürlich!“, sagte sie und schenkte dem nun erneut wimmernden Riku keine Aufmerksamkeit mehr. „Nein nein, nicht so voreilig Misa, das war ausnahmsweise mal eine gute Idee von Riku!“, wandte sich Ren wieder ins Geschehen und dachte nach. „Vielen Dank~“, gab Riku schnippisch von sich und Yoshi setzte sich auf seinen Rücken. Er verlor das Gleichgewicht und knallte Vorne über. „Was sollte das jetzt wieder?“, fauchte er und versuchte das Mädchen von sich herunter zu schieben. „Yoshi, hör auf Riku zu besteigen, das stört meine Konzentration…“, meinte Ren und hatte nun endlich die fehlende Erkenntnis. „Also, es ist in Ordnung wenn wir ein wenig fliegen, aber wir dürfen nicht zu hoch fliegen, sonst kann man uns schneller entdecken. Wenn alles gut geht müssten wir No-chan so viel einfacherer und schneller finden können.“, erklärte der Blonde und die anderen stimmten ihm zu. Die Vierergruppe teilte sich auf – Misa und Riku flogen flach und streiften mit ihren Blicken durch die Wälder während Ren und Yoshi weiterhin durch den Wald liefen und so ihren Weg suchten. So vergingen rasch einige Stunden in denen die vier immer noch erfolglos blieben. Der Mond schien hell durch den Wald und seine silbernen Strahlen ließen eine düstere Atmosphäre zurück. „Noriko! Wo bist du verdammt? Antworte!“, schrie Ren’s laute Stimme erneut durch die Dunkelheit. Verzweifelt sah er rüber zu Yoshi. „Was ist, wenn wir sie nicht finden können? Alleine könnte sie sich doch niemals hier zurecht finden…“, erzählte er und biss sich auf die Unterlippe. Yoshi seufzte leise. „Beruhig dich. Sie hat sich doch die letzten paar Wochen bevor sie dich traf auch alleine durchgeschlagen und schwach ist sie auch nicht. Wir werden sie schon finden also dreh jetzt bitte nicht durch.“, sagte sie mit ihrer ausgeglichenen Stimme in einem leichten Flüsterton und Ren stutzte leicht. Das war der längste Vortrag, den er jemals aus dem Mund der Rothaarigen gehört hatte. Er schüttelte kurz seinen Kopf durch, sie hatte ganz recht. //Gib sie jetzt nicht auf du Vollidiot, das macht die Situation nicht wirklich besser!//, fauchte er sich selbst an und bekam langsam wieder einen kühlen Kopf. Misa und Riku landeten neben den beiden, beide sahen nicht glücklich aus. „Was ist passiert?“, fragte Ren und versuchte aus den unglücklichen Gesichtern der beiden schlau zu werden. Misa sah unsicher zu Riku rüber. „Nun…“, fing dieser leise an. Ren schüttelte energisch seine Schultern. „Was?“, fragte er und diesmal sprach Misa. „Wir haben ein paar Spuren gefunden, die wahrscheinlich auf Noriko’s Aufenthalt hinweisen, doch sie ist nicht mehr dort. In der Nähe von hier ist ein kleines Lager von Soldaten. Es gibt natürlich keine mehr, dafür muss No-chan gesorgt haben, denn überall sind Eisspuren und ein paar Verbände liegen auch dort herum. Vermutlich hat Noriko es irgendwie geschafft, ihre Flügel zu heilen – Das ist eine positive Spur. Aber mehr haben wir nicht herausgefunden.“, fuhr sie fort und sah wieder zu Boden. Der Blonde schluckte hart. „Verstehe…“ Riku legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Tut mir leid für dich Kumpel…“, meinte er und Ren wollte auch etwas erwidern, doch seine Worte wurden ihm genommen, als es hinter den vieren laut raschelte. Die Blicke wanderte rasch zu den Büschen die sie umgaben – Wieder Erwartung stand eine Gruppe Soldaten vor den Freunden. „Seht doch, schon wieder Mitglieder der Winged Race! Lasst sie ja nicht entkommen so wie dieses Mädchen vorhin!“, schrie ein seltsam aussehender Mann. //Ein Priester…was meint er nur mit dieses Mädchen? Meint er womöglich Noriko?//, fragte sich Ren und zog sein Katana. Alle vier machten sich sofort zum Kampf bereit, Misa wandte sich seitlich zu Yoshi und meinte sie solle sich schonen. Yoshi seufzte schwer und ließ sich an genau dieser Stelle auf den Boden fallen. Keine zwei Sekunden später begann auch schon der Kampf. Ren, welcher die ganze Zeit nur an eine Person denken konnte, schien nicht ganz bei der Sache zu sein, während er gnadenlos einen Soldaten nach dem anderen ins Jenseits beförderte. Riku deckte Yoshi und Misa war ebenfalls nicht in der passenden Stimmung. Der Priester hatte sich zuerst nur im Hintergrund gehalten, doch nun kam er ein paar Schritte näher. Er ging direkt an Yoshi und Riku vorbei – Riku überragte ihn zwei ein halb Köpfe und Yoshi stellte ihm ein Bein, woraufhin der Kahlköpfige Mann erst mal auf dem Boden landete. Schnell stand er wieder auf den Beinen. „Upsi~“, gab Yoshi von sich und ein leichtes Lächeln stand auf ihren Lippen. Der Mann explodierte förmlich. „Was fällt dir ein du kleine Göre?!“, motzte er, doch die Rothaarige ließ das nur kalt. Die blies ihn mit einem Windstoß von sich und kicherte vergnügt. Der Priester rappelte sich auf und räusperte sich ein Mal laut, dann grinste er hämisch und faltete die Hände. Yoshi sah ihn schweigend an, dann winkte sie Riku zu sich herunter. „Was macht der kahle Idiot da??“, fragte sie verwundert und der Braunhaarige schüttelte nur verständnislos den Kopf. „Keine Ahnung…sieht aber ziemlich dämlich aus, wenn du mich fragst…“, meinte er, einen Moment später parierte er einen Schwerthieb mit seinem Katana um Yoshi weiterhin zu beschützen. Shinsei na Shinju! Anata no Kurai gun ni Haiboku suru to jibun no Supoirāwo Kika se kashi te! Saitei no! Die vier Freunde hielten inne. Warum hatte der Priester das eben gesagt? „Welche Perle meint der denn damit?“, fragte Riku verwundert, Yoshi zeigte auf seine Hände. Um die gefalteten Hände des Priester war eine Kette gebunden dessen Anhänger aus einer dunkelblauen Perle bestand. „Diese Perle…hat sie denn wirklich solche Kräfte?“, fragte sich Misa laut. Die anderen zuckten nur mit den Schultern, keiner kannte sich mit der dunklen Kraft aus. Plötzlich begann der Boden zu Beben, von dem Priester ging eine Menge von Energie aus. Sein Tattoo auf der Stirn schien beinahe zu glühen. „Ich habe vorhin ein freches kleines Mädchen getroffen…Sie schien auch zu der Winged Race zu gehören und sie hat mir ziemlich den Tag vermiest…Meine armen kalten Füße~ Hey du da mit den blonden Haaren! Erledige die kleine Rotzgöre bitte für mich!“, sagte der Priester und grinste hämisch. Ren schluckte, dann grinste er ebenfalls. „Das ist doch lächerlich, als ob-„, fing er an, dann weiteten sich seine Augen. Ihm war, als würde er durch eine fremde Macht gesteuert werden, als sich seine Pupillen stark vergrößerten und seine Gedanken verschwanden. Er machte einen tiefen Knicks in die Richtung des Priesters. „Ja Meister~“, ertönte seine Stimme mit einem desinteressierten Unterton, dann lief er in eine unbestimmte Richtung davon. „Ren! Bleib stehen!“, rief Riku ihm nach und verließ für einen Moment seine Stelle als Yoshi’s Beschützer, um Ren aufzuhalten, doch es stellten sich ihm zahlreiche Soldaten in den Weg. Riku wich wieder ein paar Schritte zurück, dann haute er aus Zorn gegen den nächsten Baum. „Verdammt!", schrie er laut in den Himmel, dann wanderte sein Blick zu den Soldaten. „Was sollen wir jetzt machen, sie alleine bekämpfen?“, fragte er und sah Misa ratlos an. Die Angesprochene schnaubte verächtlich. „Nein, wir bleiben jetzt hier stehen und machen mit ihnen ein Kaffeekränzchen! Was denkst du denn du Vollidiot?“, fragte sie zornig und startete bereits die ersten Angriffe. Riku zuckte nur mit seinen Schultern und griff ebenfalls weiter an. Raiyu grinste vergnügt. „Hi Noriko!“, meinte er. Noriko lächelte ebenfalls und wurde einen Moment später hochgezogen. Sie verschnaufte einen Moment später, dann musterte sie den dunkelblonden Jungen leicht interessiert. „Was machst du denn hier?“, fragte sie und Raiyu kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf. „Ich suche immer noch nach meinen Freunden!“, erklärte er und erntete dafür einen seltsamen Blick von Noriko. „Hast du sie immer noch nicht gefunden?“, fragte sie, erschüttert von seinem Orientierungssinn. Der Angesprochene nickte leicht und seufzte tief. „Ich weiß auch nicht wieso, aber irgendwie habe ich mich auf dem Weg immer wieder verirrt. Ich bin durch die Gegend geflogen und plötzlich abgestürzt, direkt in einen komischen See hinein. Und als ich auf der anderen Seite wieder raus kam, war ich hier.“, erklärte der Junge und Noriko konnte nur ihren Kopf schütteln. „Aber sag mal, findest du nicht auch, dass sich die Menschen gegen uns verschwören? Immerhin sieht es hier genauso aus, wie drüben in dem anderen Land auch und-„ „Was meinst du denn, warum seit zehn Jahren Krieg herrscht?! Natürlich haben sich die Menschen gegen uns verschworen du Holzkopf!“, giftete Noriko heftig, sie war mit ihren Nerven wirklich langsam am Ende. „Du bist wirklich fast so schlimm wie Riku…“, fügte sie noch leise hinzu. Raiyu hob schnell eine Augenbraue. „Was soll denn ein Riku sein?“, fragte er interessiert, doch die Lilahaarige winkte nur ab. „Ist nicht so wichtig…“ „Aber sag mal, warum bist du eigentlich schon wieder alleine unterwegs? Hast du etwa schon wieder einen Streit mit diesem Ren-Typen angezettelt oder was?“, fragte er vorwurfsvoll und erneut winkte Noriko ab. „Nein nein, ich bin freiwillig gegangen.“ Das verstand Raiyu schon wieder nicht. „Du bist doch damals so erschüttert gewesen, als Ren und Misa dich verlassen hatten oder?“, fragte er stirnrunzelnd und ging einige Schritte vorwärts. Er zog sie hinter sich her und die beiden ließen sich auf einem kleinen Felsplateau nieder. Nun da sie saß, konnte man erneut einen tiefen Seufzer seitens Noriko hören. „Das hat…spezielle andere Gründe…“, erklärte sie knapp. Raiyu setzte wieder sein breites Grinsen auf, welches sie seit ihrer ersten Begegnung an ihm gemocht hatte. „Sagst du sie mir?“, fragte er sofort und das Mädchen verneinte lächelnd. „Du würdest mich sonst davon abhalten…“, sagte sie und der Blonde zuckte nur mit seinen Achseln und lachte laut. „Na wenn das so ist, kann ich wohl nichts daran ändern!“ „Ja, da hast du wohl recht. Aber trotzdem danke.“, meinte sie freute sich innerlich darüber, dass er wirklich nicht genau nachgefragt hatte. Sie seufzte noch einmal, dann erhob sie sich. „Tut mir leid, aber ich muss langsam wieder weiter.“ Raiyu nickte. „Ist okay, ich werde meine Freunde auch irgendwie alleine finden…“, meinte er, als in genau jenem Moment eine Stimme von den Felsen her wiederhallte. Beide drehten sich um und erblickten ein schwarzhaariges Mädchen, welches durch die Felsen hindurch geklettert war. Raiyu flossen Tränen in die Augen, während er zu dem Mädchen rannte und es stürmisch umarmte. „Yaaaaaaamiiiiiii~ Ich dachte schon, dass ich dich niemals wieder sehen werde!“, wimmerte der Blonde und das Mädchen sah peinlich berührt zu Noriko herüber. „Ähm…tut mir leid, er ist eigentlich immer so~“, erklärte sie und die Lilahaarige winkte ab. „Ist doch egal, ich freue mich, dass Raiyu endlich jemanden seiner Freunde gefunden hat.“, sagte sie und lächelte. Raiyu grinste leicht beschämt zurück und verabschiedete sich winkend von der Jüngsten. Dann nahm er das schwarzhaarige Mädchen auf den Arm und flog mit ihr davon, Noriko winkte ihnen lächelnd hinterher. Sie wusste nicht wieso, aber irgendwie war sie etwas glücklich darüber, dass sie diesen komischen Typen noch einmal wieder sehen durfte. Trotzdem musste sie bei dem Anblick der zwei offensichtlich Verliebten irgendwie an Ren denken. Ein Stich in ihrer Burst brachte sie zum auf keuchen. Noriko schluckte hart ihren Schmerz runter und setzte danach ihren Weg fort. Lebe wohl…ich hätte mir gewünscht, dass alles anders gekommen wäre… Ein weiteres Mal fuhr Riku’s Katana durch einen Soldaten. Der Körper sackte zu Boden und Riku widmete sich seinem nächsten Opfer. Er grinste sein Gegenüber vergnügt an und parierte einen Schlag. „Hey, Mister Küchenmesser, hast du nicht etwas mehr als das hier drauf?“, fragte er, dann war schon der nächste erledigt. Der Braunhaarige sah sich um – Die ganze Lichtung war gefüllt mit den Soldaten und der Priester saß teilnahmslos in einer Ecke. Seine Tätowierung leuchtete immer noch und ein hämisches Grinsen lag auf seinen Lippen. Riku hätte diesem Schleimbeutel am liebsten eine in seine dämlich grinsende Visage verpasst, doch er hatte gerade zu viel zu tun. Der nächste Soldat griff an, er streifte ihn zum Glück nur und sein Bein knallte gegen Riku’s. „Nana, wenn du mich trittst, tret ich zurück~“, meinte er seelenruhig und verschaffte auch diesen Gegner ins Jenseits. Diesem folgten auf der Stelle fünf neue und sichtlich genervt sah der Älteste rüber zu Yoshi. „Hey, Yoshi!“, rief er, die Angesprochene drehte langsam ihren Kopf in seine Richtung. „Was?“ „Hilf uns doch mal bitte, ich kann unmöglich alle mit Misa alleine erledigen. Wir müssen doch Ren aufhalten!“, meinte er und Yoshi sah zu ihrer verletzten Schulter. „Und was soll ich deiner Meinung nach tun?“ „Mach doch einfach etwas von deinem WUAAAAAAAHHH! Schwuppdiwupp~ Jetzt kämpfen wir mit Luft~ Und schon ist wieder alles okay!“, erklärte Riku und machte seltsame Handbewegungen. „…“ Yoshi stand langsam auf, dann zog sie ihren Schwertgriff und erschuf die Klinge aus Luft. Während sie die ersten Angriffe startete, achtete Misa einen Moment nicht auf ihre Verteidigung und wurde von einem Schwert an der Hüfte gestreift. Sie verzog scherzvoll das Gesicht und rächte sich an dem Soldaten, doch dabei verlor sie die Kontrolle über den Feuerball, den sie gerade eben noch erschaffen hatte, und der Ball explodierte. Für einen Moment wurde die komplette Lichtung in helles Licht getaucht, als Yoshi wieder hinsehen konnte, war sie gerade eben noch so in der Lage, dem Angriff von ein paar Soldaten zu entkommen, welche sich von Hinten an sie ran geschlichen hatten. Doch sie verfehlten ihr Ziel nicht ganz, Yoshi’s langes dunkelrotes Haar wurde getroffen und eine Menge davon fiel neben ihr zu Boden. Sie brachte den Typen um die Ecke, dann sah sie zu den Haaren auf dem Boden. „…oh!“, sagte sie langsam und fühlten an ihren nun nur noch Kinnlangen Haaren. Sie zuckte mit ihren Schultern, während Riku fassungslos zu den Haaren sah. „Wie kannst du das einfach so hinnehmen?“, fragte er verzweifelt und gestikulierte wild mit seinen Armen, wodurch mehre Soldaten von seinen Fäusten getroffen zu Boden gingen. „Ist nicht so schlimm, ich wollte eh schon mal eine neue Frisur ausprobieren…Das spart Zeit die ich nun zum Essen verwenden kann.“, stellte sie glücklich fest und Riku schlug sich eine Hand vor die Stirn. „Versteh einer die Frauen…“ Stolpernd lief Noriko davon. Ein paar hundert Meter hinter ihr liefen tatsächlich ein paar Soldaten die sie nicht rechtzeitig hatte festfrieren können, doch sie brauchte deutlich mehr Zeugen für ihr Opfer. Ihr Ziel war es, ein Lager mit mehreren hunderten von ihnen zu Finden. Sie würde es irgendwie noch schaffen, da war sie sich ganz sicher. Aber sie musste sich beeilen, langsam aber sicher würden Ren und die anderen ganz sicher ihre Spur aufgenommen haben. Das durfte nicht passieren, sie stand so kurz davor ihre Bestimmung zu vollenden… Hinter ihr ertönten auf einmal schnellere Schritte, als die lahmen der Soldaten. Verwundert dachte sie zuerst, dass die Soldaten ihr Verfolgung schneller als gedacht aufgenommen hatte und nun knapp hinter ihr liefen, doch als sie sich gerade umdrehen wollte, musste sie schnell dem Hieb eines Katanas ausweichen. Verwirrt drehte sie sich nun vollständig um und ihr Mund klappte auf, als sie sah, dass Ren sie gerade von hinten angegriffen hatte. „Was soll das?! Moment mal, wie hast du mich so schnell gefunden?“, fragte sie stotternd, doch sie wurde durch einen erneuten Angriff von ihm unterbrochen. Erneut wich die Lilahaarige aus. Was war denn bloß los mit ihm? Er würde sie doch niemals im Leben angreifen…hätte sie eigentlich gedacht. Weitere Minuten verstrichen und immer wieder musste Noriko den schnellen Angriffen von Ren ausweichen. Sie wollte nicht gegen ihn kämpfen, sie könnte sich niemals verzeihen, wenn sie ihn verletzen würde, doch anscheinend hatte er keine Probleme damit, sie selbst anzugreifen. Sie sah einmal in seine sonst dunkelblauen Augen…und machte erneut eine fassungslose Miene. Seine Augen waren nicht länger blau, sie schimmerten in einem unheimlichen grün, das war schon beinahe vergleichbar mit ihrer eigenen Augenfarbe. //Er…er ist besessen?!//, fragte sie sich, doch es schien wohl wahr zu sein. Ein Teil von ihr atmete erleichtert auf, sie war glücklich, dass Ren sie nur angegriffen hatte, da er unter einem Fluch stand, doch gut war das ganze trotzdem nicht. Wer hatte ihm das angetan? Warum war ihm befohlen worden, sie selbst anzugreifen? Fällt dir wirklich niemand ein?, ertönte wieder Tora’s Stimme in ihrem Inneren. Noriko schreckte auf, sie hatte für eine kurze Weile tatsächlich vergessen, dass Tora’s rachsüchtige Seele noch immer in ihr wohnte. Sie biss sich auf die Unterlippe und dachte nach. Der einzige Mensch, der ihr einfiel, war der Priester von vor ein paar Stunden. Die Soldaten von Daikoku waren viel zu schwach und außerdem ungeeignet, um einen solchen Fluch aussprechen zu können, der Priester blieb übrig. Natürlich… Wer hätte es denn auch sonst sein können? Leicht triumphierend darüber, dass sie den Grund für Ren’s Besessenheit herausgefunden hatte, war sie nicht schnellgenug und Ren streifte sie am Arm. Noriko schreckte zurück und aus Wut wehte der Wind für einen Augenblick wie der eines Schneesturms, doch Tora’s Stimme holte sie wieder zurück an die Oberfläche. wenn du ihn auch nur ein wenig verletzt, verletze ich dich!, drohte ihre zornige Stimme und die Lilahaarige schluckte einmal schwer. „Sei still, so kann ich nicht nachdenken!“, motzte sie Tora an und sie wollte noch etwas hinzufügen, doch ein dumpfes Geräusch hielt sie davon an. Ein lautes Husten ertönte, es war ihr eigenes, dann wanderte ihr Blick langsam nach unten. Ren’s Katana war überströmt von dunkelrotem Blut, welches beinahe in Strömen aus ihrem Bauch tropfte. Erneutes Husten ertönte, dann floss ebenfalls Blut aus Noriko’s Mund. „Du…du…du hast…“, brachte sie keuchend hervor, als ihr Bewusst wurde, dass Ren ihr gerade sein Katana durch den Bauch gestochen hatte. Sie fiel auf ihre Knie, hustete erneut und Blut tropfte auf dem Boden. Der blanke Schock stand ihr ins Gesicht geschrieben, als ihr verängstigter Blick nach oben wanderte und seinen kreuzte. Ren’s Gesicht war vollkommen gefühlslos. Wie eine Maske… Worauf wartest du denn, benutze deine Heilfähigkeiten und dann rette Ren!, schrie Tora voller Zorn, Noriko fauchte sie an. Was sollte sie tun? Diese Wunde konnte sie unmöglich heilen, was wäre, wenn Ren irgendein wichtiges Organ getroffen hätte? Sie dachte nach und ihr fiel ein, was Miyuki ihr einmal erklärt hatte, als sie noch kleiner waren. „Du kannst deine Heilfähigkeiten auch verwenden, um ein Leben zu retten, aber dafür musst du dann dein eigenes hergeben.“ Ja, das waren ihre Worte gewesen. Sollte sie ihre Heilfähigkeiten verwenden, um damit ihre lebensbedrohliche Wunde zu heilen? Aber was würde dann mit Ren geschehen? Sollte sie lieber ihre Kräfte für ihn verwenden? Sie wusste genau, dass so ein Fluch nur sehr schwer zu brechen war, aber vielleicht konnte sie es schaffen. Was mit ihr dann geschah konnte ihr eigentlich egal sein, sie würde sowieso sterben. Das schien ihr die fehlende Erkenntnis zu sein, sie nickte einmal schwach und stand wankend auf. Ihre Hände vollzogen ein paar Handbewegungen und zwei riesige Eislanzen schlossen sich um Ren’s Füße und Hände, sodass er sich nicht mehr bewegen konnte. Noriko’s Blick wanderte zu seinem emotionslosen Gesicht, sie würde es vermissen werden. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht und ein paar Tränen kullerten aus ihren Augen. Ich hätte mir wirklich gewünscht, dass das alles hier ganz anders ausgegangen wäre… dachte sie zerknirscht und schloss die Augen. Einen Moment später begann sie, blau zu glühen und sie näherte sich Ren’s Körper, welcher wie erstarrt zwischen dem Eis stand. Sie versuchte verbissen nicht an die Schmerzen zu denken, ihr ganzer Kopf war gefüllt mit Gedanken an eine einzige Person. Wieder lächelte sie, während sie sich mit ihrem Kopf dem von dem Blonden näherte. Sie berührte ein zweites Mal seine Lippen mit den ihren und gab so ihre heilende Lebenskraft an ihn weiter. Das leuchten verschwand, ging auf Ren über und Noriko ließ von ihm ab. Voller Schmerzen zog sie das Schwert aus ihrem Bauch und noch mehr Blut sprudelte aus der Wunde. Vor ihren Augen flimmerte es und in ihrem Kopf ertönte ein lautes Pochen. Das erste, was Ren sah, als er wieder zu sich gekommen war, war die blutüberströmte Klinge seines Katanas. Es lag auf dem dunkelrot angelaufenen Gras. Was war das für eine Flüssigkeit an den grünen Stängeln? Ren’s Blick wanderte weiter und er kreuzte den Blick von einer lächelnden Noriko. Er begriff nicht, was hier vor sich ging. Warum lächelte sie so seltsam? Warum war hier alles voller Blut? Und warum war Noriko so schwer verletzt? Er schluckte hart. „No…chan…was…“, fragte er benebelt, doch er stockte als er sah, dass Noriko erneut ein strahlendes Lächeln auf setzte und auf ihre Knie fiel. Sie hielt sich den Bauch und atmete schwer. Ein schmerzvolles Stöhnen war zu vernehmen, dann sah sie erneut auf. „Danke…dass du immer für mich da warst~“, hauchte sie schwach, dann kippte sie nach hinten um. „Was zum-“, schrie der Blonde laut und versuchte zu ihr zu gelangen, doch seine Gliedmaßen waren festgefroren. Warum hatte sie verhindert, dass er sich zu ihr bewegen konnte? Was sollte dieser Satz heißen? Sie würde doch nicht etwa… Weitere schwere Atemgeräusche drangen in sein Bewusstsein, langsam wurde es immer stiller an diesem Ort. Noriko fragte sich leicht lächelnd, was Ren wohl denken würde, wenn er wüsste, dass Miyuki noch immer am Leben war und sie ihr diese Erkenntnis gegeben hatte… warum hatte sie dem Blonden eigentlich nicht gesagt, dass sie Miyuki begegnet war? Naja, eigentlich war das jetzt auch egal, in Anbetracht der Umstände… Sie hörte kaum noch, dass Ren die ganze Zeit herumbrüllte, sie konnte die Wörter nicht mehr zuordnen. Ihre Augen fielen immer wieder zu, mit Mühe und Not konnte sie diese noch etwas offen halten. „Warum hast du das getan?!“ Das Eis an Ren verschwand und er stolperte vorwärts. Er kniete sich neben sie und hob ihren schwachen Körper an. Sie fühlte sich eiskalt an, doch sie atmete noch. Sein Blick fiel wieder zurück zu seinem Schwert, dann starrte er die Wunde von dem Mädchen an, welches er liebte. Hatte er das etwa getan? Wer hätte das sonst tun können? Und warum war hier keine Spur von Riku, Yoshi oder Misa zu sehen? Ren richtete seinen Blick wieder zu Noriko, welche ihn noch immer anlächelte. Er bebte leicht und drückte ihren blutüberströmten Körper an sich. Sie erhob langsam ihre kalte Hand an dessen Gelenk noch immer Ren’s Armband hing, und legte sie an seine Wange. Ihr hypnotisierender Blick sah direkt in seine tränennassen Augen und noch ein letztes Mal lächelte die Jüngere breit. Dann wandelte sich ihr Körper langsam zu kaltem Eis, sie wurde durchsichtig doch sie hatte ihre Formen noch nicht ganz verloren. Und während ihr Arm aus Eis langsam an Kraft verlor und runter fiel, zersprang ihr Körper zu Eis und das silberne Armband fiel auf Ren’s Schoß. Er saß weiterhin so da, wie er sie gerade eben noch gehalten hatte. Seine rechte Hand ballte sich zu einer Faust und voller Wut haute er sie auf den Boden, während eine Träne aus seinen Augen floss. „Noriko…“ _____________________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「喪」 ・ Trauer 「Kanashimi ~ You are a traitor!」 Kapitel 11: 「喪」 ・ Trauer 「Kanashimi ~ You are a traitor!」 --------------------------------------------------------- Kapitel elf: 「喪」 ・ Trauer 「Kanashimi ~ You are a traitor!」 Ein lautes Krachen ertönte und endlich ging auch der letzte Soldat zu Boden. Viel zu viel Zeit war vergangen, seit Ren sich unfreiwillig von der kleine Gruppe getrennt hatte, um durch den Fluch des Priesters Noriko nach zu jagen und bei den Übriggebliebenen war eine triste Stimmung erkennbar. Misa bückte sich nach dem Schwert des Soldaten und nahm es vorsichtig aus der leblosen Hand, welche noch ein letztes Mal zuckte und dann erschlaffte. Drohend wanderte der Blick der Blonden weiter zum Priester, welcher in eine Art von Trance verfallen schien. Riku und Yoshi, welche ebenfalls die letzten Gegner beseitigt hatten, traten näher an die Gestalt heran und musterten ihn, da er noch immer in derselben Starre saß, in der er auch schon vor einiger Zeit verharrt war. Sein Tattoo leuchtete giftgrün – ein Zeichen dafür, dass sein Fluch noch immer aktiv war – doch dann auf einmal verlor es seine Leuchtkraft, die geschlossenen Augen des Mannes zuckten und öffneten sich, sein Mund verformte sich zu einem hämischen Grinsen. „So so, das Bürschchen hat sich also aus meinem Fluch befreit?“, sagte er und kicherte abscheulich. Misa schnaubte laut und sah Rot. „Was hast du mit Ren gemacht?“, fragte sie zischend und hob das Katana an – bei so einer ernsten Angelegenheit verstand sie wirklich keinen Spaß. Der Priester jedoch lachte einfach weiter in seinem hämischen Ton und richtete sich auf. „Sieht so aus…als wäre ihr Licht erloschen…“, meinte er lachend und steckte die Kette in eine seiner Brusttaschen. Misa hingegen verlor scheinbar die Kontrolle, vollkommen geblendet von der Wut über den Mann ihr gegenüber und der Angst um Ren und Noriko, aktivierte sie ihre Fähigkeiten und blendete so den Priester, dann rannte sie auf ihn zu und schlug mit dem Katana zu. Einmal, zweimal stach sie zu, es folgten weitere Stiche, während ihr voller Hass bei jedem weiteren Schlag die Tränen kamen. Das Lachen des Mannes erstarb und Blut ergoss sich über Misa’s Beine, spritzte in ihr Gesicht und verfärbte ihre Kleider. Sie ging neben dem toten Mensch zu Boden und leise Atemzüge ertönten, gefolgt von einem lauten Schluchzer. „Wir…wir müssen zu ihnen.“, sagte Misa wimmernd und klammerte sich am Griff ihres Schwertes fest, um nicht auf den Boden zu sacken. Riku presste nervös seine Lippen aufeinander. „Was auch immer dieser Feigling mit seinen Worten gemeint hat, es kann nichts Gutes bedeuten…“, meinte Yoshi ruhig und sah zu Misa herüber. Nun nickte auch Riku schließlich und er näherte sich der gebrochenen Blonden. Ohne zu zögern nahm er sie auf den Arm, trug das schluchzende Mädchen rüber zu Yoshi und die beiden hoben vom Boden ab, um so schnell wie möglich ein Lebenszeichen von Ren und Noriko zu bekommen. Emotionslos wie eine handgefertigte Puppe saß Ren auf dem Boden und starrte mit leerem Blick und zusammengepressten Lippen auf das Armband in seinen Händen. Er schien fieberhaft über die eben geschehenen Ereignisse nachzudenken, er konnte sich nicht eingestehen, dass alles eben tatsächlich gesehen und getan zu haben. Das letzte, an das er sich erinnern konnte, war, das der Priester hämisch gelacht und etwas von Noriko erzählt hatte, dann hatte er irgendeinen Zauber angewandt und dann… Ren wusste ernsthaft nicht mehr, was nach diesem Zauber geschehen war, er hatte einen totalen Black out. Das erste, an was er sich danach erinnern konnte, war das blutige Schwert in Noriko’s Bauch, welches ohne Frage seines war. Es lag mittlerweile zwischen einigen Eissplittern auf dem mit Blut befleckten Grasboden und war von dem Blonden nicht mal mit einem einzigen Blick beachtet worden. Er vergrub sein Gesicht in den Händen und dachte angestrengt nach, was ihm im Anbetracht der Umstände sichtlich schwer zu fallen schien. War er womöglich Schuld daran, dass das Mädchen so schwer verletzt worden war? Er wollte nicht wahrhaben, dass sie weg sein sollte… Voller Wut in seinen Gedanken haute er erneut mit voller Wucht auf den Boden und sah sich dann um. Zum ersten Mal viel Ren auf, dass er ungewöhnlicher weise genau vor dem Kiseki-See saß, er hatte es wirklich nicht bemerkt. Da kam ihm kurzerhand der Gedanke, ob Noriko nicht vielleicht einfach nur zurück nach Kagami-koku gegangen war, immerhin waren in dem sonst so klaren Wasser deutlich die Überbleibsel von Blut zu erkennen. Er konnte und wollte es sich einfach nicht eingestehen, dass sie weg war und nie wieder kehren würde. Darum beachtete der Blonde die ganzen Eissplitter um ihn herum nicht, welche alle für Noriko’s Tod, und gegen ihr Verschwinden nach Kagami-koku sprachen. Während er sich langsam erhob und wie hypnotisiert in Richtung des Sees ging, ertönten laute Rufe. Er hörte seinen Namen und guckte überrascht nach oben, wo er mehrere fliegende Gestalten sehen konnte. „Hey, Ren!“, rief Riku erneut, dann landete er lautlos auf dem Boden und setzte Misa auf dem Boden ab, Yoshi landete dicht neben ihm. „H-hallo.“, sagte Ren zitternd und haute sich gegen den Kopf. //Komm runter, du Vollidiot!//, sagte er sich und versuchte zu lächeln – es gelang ihm nicht. Riku schenkte ihm einen sehr verwunderten Blick seinerseits. Misstrauisch betrachtete er den Kiseki-See, dann Ren’s schuldbewusstes Gesicht und dann die vielen Splitter und das blutige Schwert. „Was wolltest du gerade tun?“, fragte er, und bückte sich nach dem Katana. Der Blonde schüttelte kichernd seinen Kopf. „Gar nichts. Hab nur ne kleine…Pause gemacht.“, stritt er alles ab und atmete ein paar Mal tief durch. Misa richtete sich langsam auf und sah sich danach ein wenig verwirrt in der Umgebung um, Yoshi tat es ihr wenig später gleich. „Wo ist eigentlich Noriko? Hast du sie gefunden, nachdem du dich aus dem Bann des Priesters befreit hast?“, fragte Misa und betrachtete die kleinen Splitter, welche für sie aussahen, als wären es Eissplitter. „Hmm…ich hab sie getroffen, aber…aber ich konnte sie nicht aufhalten, sie ist längst weg von hier…Sie hat mir nur gesagt, dass sie nicht wollte, dass man nach ihr sucht.“, meinte Ren angespannt und fragte sich innerlich, warum er den dreien das Blaue vom Himmel log. //…es ist vermutlich für alle erst mal das Beste…//, sagte er sich und versuchte vergeblich sich zu beruhigen. Misa schüttelte erbost den Kopf. „Nein, ich gehe sie suchen.“, meinte sie und wollte sich umdrehen, doch Ren hielt sie grob am Arm zurück und sah sie flehend an. Misa schüttelte nur weiterhin den Kopf. „Ich kann das einfach nicht akzeptieren! Nur weil Noriko unbedingt so stur sein muss, dass sie was weiß ich wohin geht, sehe ich es nicht ein, dass sie uns einfach so ausrichten lässt, dass wir sie nicht suchen sollen!“, sagte sie und ihre Flügel erschienen. Sie ging in die Hocke und sprang ab, doch Ren sprang nach oben und holte die Blonde wieder herunter. Er zerbiss sich fast seine Unterlippe, doch er konnte das nicht zulassen… Er wusste nicht, was er tun musste, um seine Freunde davon zu überzeugen, dass es sinnlos war nach Noriko zu suchen, ohne dabei zu verraten, dass sie überhaupt nicht mehr auf spürbar war. Doch eins war ihm klar, er würde sie verletzen müssen, sehr tief… „Ähm…ich…ich will nicht, dass wir nach Noriko suchen.“, sagte der Blonde und traute seinen eigenen Worten nicht. Konnte er das Geschehene nicht einfach nur zugeben? Misa und Riku starrten ihn entgeistert an, Yoshi ließ sich auf den Boden fallen und verbarg ihr Gesicht hinter den kurzen Haaren. //Was für eine Farce…// „Was…sagt du da?“, fragte Misa und packte ihn am Kragen, doch Ren sah ihr nicht in die Augen. „Ich meine nur…sie ist so nervig und nie zufrieden. Sie nörgelt immer an allem rum und das hab ich eben satt!“, erklärte er und schluckte hart. Er war eigentlich ein ganz schlechter Lügner, doch dieses eine Mal hörte sich die Lüge an wie die Wahrheit. Er wusste ehrlich nicht, warum er seinen Freunde hier eine Lüge nach der anderen auftischte, doch seine einzige Vermutung war, dass, wenn er ihnen von ihrem Tod erzählen würde und er sich dabei gar nicht so sicher war, dann würde das alles in seinem Kopf Wirklichkeit werden, und dass konnte und wollte er nicht einsehen. Die Blonde ließ von ihm ab und wischte sich einige Tränen weg, die gegen ihren Willen in ihren Augen aufkamen. Sie konnte ihn nicht verstehen, egal wie sehr sie es auch wollte, sie verstand sein Verhalten absolut nicht nachvollziehen. Ihr entgeisterter Blick wandelte zu einem vollkommen entsetzten Blick und wütend vergrub sie das Gesicht in ihren Händen. „Warum zum Teufel willst du sie hier zurücklassen? Das können wir doch nicht einfach so tun, das wäre Verrat!“, sagte sie, bebend vor dem Gefühlschaos in ihrem Inneren. „Du tust ja so, als wäre sie dir die letzten Wochen immer auf die Nerven gegangen und hätte dauernd deine Hilfe beansprucht!“ „Du hast mich schon richtig verstanden. Warum sollte das Verrat sein, sie hat uns doch auch einfach ohne ein Wort zurück gelassen und ist ihren eigenen Weg gegangen, sie hätte mit uns reden müssen. Warum bist du also auf ihrer Seite?“, fragte er kalt. „Ich bin auf gar keiner Seite! Wir sind alle Freunde, da gibt es nichts zu bereden. Wir gehen jetzt nach Noriko suchen und damit basta!“, sagte sie voller Wut und aus ihren braunen Augen sprühten Funken. Verzweifelt sah sie zu Riku und Yoshi und sie fragte sich, warum die beiden nicht auch einmal etwas dazu sagten, immerhin ging es hier um ihre Freundin. Ren wusste einfach nicht mehr weiter, was sollte er noch machen, damit sie endlich auf ihn hörten und von Noriko abließen würden? Er sah ein, dass er so abscheulich sein musste, wie es ihm seine Mutter immer verboten hatte. Man zweifelt niemals seine Freundschaft an Ren, das ist eins der höchsten Verbrechen in seiner Freundschaft! Ein verächtliches Schnauben ertönte. Ren öffnete seine eben geschlossenen Augen, er blickte einmal zu Misa, dann zu Riku und schließlich rüber zu Yoshi, welche wie gebannt und vollkommen fassungslos auf den Boden starrte. Warum…tja das wusste er nicht. „Du dachtest…wie alle wären Freunde?“, fragte er mit einem aufgesetzt verwirrten Unterton, während er sich innerlich gegen eine Wand drückte und scherzvoll seinen Kopf hielt. Misa‘s Augen weiteten sich, sie schluckte schwer und ihr Körper spannte sich an, während sie furchtbar zu zittern begann. Für sie persönlich gab es einfach nichts schlimmeres, als einen Verrat zwischen engen Beziehungen. Ihr cholerischer Stiefvater war dafür das beste Beispiel für Verrat und für alles, was er ihr jemals seelisch angetan hatte, hatte sie ihm niemals verzeihen können. Weitere Tränen tropften aus ihren Rehaugen, sie sah verletzt zu Ren herüber, dann sah sie zu Boden. „…dann mach doch was du willst, Verräter.“, sagte sie verletzte, dann drehte sie sich auf dem Absatz um und ging in die entgegengesetzte Richtung davon. Yoshi stand ebenfalls auf, sie schenkte dem Blonden noch einen letzten Blick, dann folgte sie der vollkommen aufgelösten Misa. Riku seufzte schwer. Wie hatte es nur soweit kommen können? Während des ganzen Gespräches hatte er es nicht ein einziges Mal gewagt, das Wort zu erheben und nun würde er nichts lieber, als Ren alle möglichen Flüche entgegen zu werfen, die ihm jemals verboten worden waren zu benutzen. Unsicher sah er noch einmal zu Ren herüber, dann drehte auch er sich um und folgte den beiden Mädchen. „Es hätte auch anders laufen können, das weißt du hoffentlich. Aber wenn es das ist, was du willst, dann…“, sagte er mit einer an geknickten Stimme seitens Ren. Dieser blieb reglos stehen und starrte wütend zu Boden, dann zu dem Armband, welches noch immer in seiner zur Faustgeballten rechten Hand lag. Der Kloß in seinem Hals erschwerte ihm das Atmen und vollkommen ahnungslos starrte er zum Vollmond hinauf. //Sag…was wird nur noch alles auf mich warten…Noriko!// An einem anderen Ort auf dieser Welt brach ein blauhaariges Mädchen plötzlich zusammen. Ihr braunhaariger Begleiter fiel neben ihr auf die Knie und hob überrascht ihren Kopf an. „Hey, was ist denn los?“, fragte er, doch als Antwort folgten nur einige schwere Atemzüge des Mädchens. Sie wollte etwas erwidern, doch Blut statt Worte kam aus ihrem Mund. Der Junge merkte, dass etwas nicht stimmte. Er wusste ja, dass sie sehr kränklich veranlagt war, schließlich kannte er sie schon sein ganzes Leben lang, doch so schlimm war es schon lange nicht mehr gewesen. „Kannst du aufstehen? Brauchst du deine Medizin?“, fragte er hilfsbereit, doch es folgten nur Hustgeräusche, ehe das Mädchen schmerzvoll das Gesicht verzog. Ein lautes Reißen ertönte und Blut spritzte auf. Der Junge schenkte ihr noch einen letzten geschockten und vollkommen überforderten Blick, dann ertönte ein ohrenbetäubender, schmerzerfüllter Schrei, welcher so manchen Vogel aus seinem Nest lockte. Drei Monate später… Fast ganz Daikoku lag schon hinter ihnen, als Misa, Riku und Yoshi allmählich die Ideen der Aufenthaltsorte von Noriko ausgingen. Wie schon befürchtet hatten sie nicht mal den Hauch einer Spur gefunden, die zu ihrer vermissten Freundin geführt hätte. „Vielleicht sollten wir die Suche langsam mal aufgeben und uns unserem ursprünglichen Ziel widmen, oder?“, schlug Riku vor, immerhin war der Krieg in den vergangenen drei Monaten nicht gerade besser geworden, wenn auch die Anschläge auf die Winged Race deutlich zurückgegangen waren. „Wieso? Denkst du nun auch so wie Ren es tut oder was?“, fuhr Misa ihn an, welche Ren für seine Tat noch immer nicht ganz verziehen hatte. Riku schüttelte nur den Kopf. „Vielleicht wäre es nur besser, wenn wir erst mal den ganzen Krieg hinter uns lassen. Dann wäre es auch bestimmt deutlich leichte für uns, um die Suche nach Noriko weiter zu führen.“, erklärte der Braunhaarige und Misa ballte eine Hand zur Faust. „…Ja, du hast ja recht…aber dann komme ich mir so komisch vor. Noriko hätte jetzt bestimmt nicht aufgegeben, sie hätte erst jetzt richtig angefangen. Also können wir uns doch auch nebenbei der Suche nach ihr widmen, was denkt ihr?“, schlug sie vor und sah fragend zu Yoshi und Riku herüber. Riku lächelte sie zustimmend an, Yoshi nickte ebenfalls, danach widmete sie sich wieder dem Verbinden ihrer Wunde. Die Wunde war schon fast wieder vollständig geheilt. Das ganze hatte eine Weile gedauert, da sie nach den Kämpfen mit den vielen Soldaten und dem Priester wieder aufgerissen war und durch die ganze Anstrengung und die Verwendung ihrer Fähigkeiten hatte sie den Heilungsprozess nur noch weiter zusätzlich belastet. Doch jetzt war die einstige tiefe Verwundung nur noch eine große, verkrustete Entzündung, es waren damals auch keine Knochen oder Ähnliches verletzt worden. Riku sah hinauf zum Himmel. Vollmond, strahlender als jemals zuvor. //In letzte Zeit kommt es mir so vor, als ob beinahe jede Nacht Vollmond ist, oder ich habe einfach kein Gespür für die Zeit…//, dachte er, dann schlug er vor, erst mal eine Rast einzulegen, da es ja schon so dunkel war. Misa stimmte ihm zu, Yoshi nickte und so holte Misa eine Karte hervor, um nach zu sehen, wo genau sie im Moment gerade waren. Sie durchforstete die Umgebung und überrascht fiel ihr die Nähe zu Noriko’s Familien Haus auf. Für die drei war es also so gut wie selbstverständlich, dass sie für diese Nacht in Noriko’s Haus wohnen würden, als eine Art Gedenkfeier. Zum Glück hatte es auch nicht mehr so lange gedauert, bis sie wieder an dem Haus angekommen waren. Lächelnd betrachtete die Blonde das sehr heruntergekommene Häuschen, welches Noriko selbst ihnen nur wenige Monate zuvor gezeigt hatte. Sie gingen näher heran und mussten erstaunt feststellen, dass die Tür, die letztes Mal noch offen war, fest verschlossen war und niemand hinein konnte. Yoshi knackte kurz mit ihren Knöcheln, dann schlug sie mit einer Hand die Tür ein, während Riku und Misa verschreckt zusammenzuckten. Sie sahen sie verwirrt an, widmeten sich dann aber dem Raum hinter der zerschlagenen Tür. Alles sah ganz anders als in ihrer Erinnerung aus, der Raum war so ordentlich, dass man glauben könnte die Familie sei wieder eingezogen und nichts von alledem war jemals geschehen. „Seltsam…das ganze Blut wurde weggewischt. Sieht irgendwie komisch aus…so…anders…Vielleicht ist ja wieder jemand eingezogen!“, meinte Riku vollkommen überzeugt von sich selbst und machte einen Handstand, um zu sehen, ob der Raum andersherum noch genauso aussehen würde. Yoshi schubste ihn um und drückte ihn beiseite, dann musterte sie alles und trat näher. „Ich denke nicht, dass das was du gesagt hast stimmt. Es schein mir eher so, als ob jemand vertuschen wolle, was in diesem Haus passiert ist. Warum sollte jemand in ein altes, zerstörtes und Blutbeschmutztes Haus einziehen?“, erklärte sie und sah fragend runter zu Riku, der scheinbar eine Antwort auf alles und jeden hatte. „Naja, vielleicht jemand, der-“, fing er an, doch er wurde durch die Rothaarige unterbrochen, die ihm den Mund zuhielt und erklärte, dass dies eine rhetorische Frage gewesen sei. Als Riku verwundert fragte, was denn eine solche Frage sein, gab sie es schließlich auf. Sie drehte sich um und verließ den Raum wieder, dann schritt sie nach draußen in den Garten. Misa und Riku riefen ihr nach, dann liefen auch sie in den Garten. Das älteste Mädchen der Gruppe saß schweigend am Stamm eines großen Baumes, neben welchem zwei raue Steingräber waren. An den Baumstamm selbst war ein Blatt mit einer Zeichnung von Noriko’s Familie aufgehängt worden. Yoshi nahm es in die Hand und besah es sich genauer, bis sie schließlich lächelte und über die vier gemalten Personen strich. Noriko… Die Rothaarige las den Test, welche über das Bild geschrieben worden war und lächelte erneut. Misa sah sie fragend an, während Riku nur das Bild im Auge hatte. „Wahnsinn, ich wusste gar nicht, dass Noriko eine Zwillingsschwester hat! Sieht gar nicht schlecht aus!“, stellte er grinsend fest, dann sah auch er verwundert die vielen fremden Schriftzeichen an. „Was steht denn da?“ „Glück ist nichts, was man einfach irgendwo finden kann, man muss es sich schon verdienen.“, las Yoshi den Text nun laut vor und ihre Freunde sahen sich verwundert an. „Yoshi…du kannst die alte Kagami-Schrift lesen?“, fragte der Älteste verwirrt und die Angesprochene nickte leicht. Dann erhob sie sich und ritzte noch etwas neben dem ersten Satz ein. Riku beugte sich zu Misa rüber und sah sie verwirrt an. „Hast du das gewusst?“ Die Blonde schüttelte unwissend den Kopf und beäugte misstrauisch den neuen Satz, den die Rothaarige eben dazu geschrieben hatte. Doch anstatt weiter darauf einzugehen, ließ sie es lieber darauf beruhen. Die beiden folgten Yoshi, welche gerade in Richtung Haus gingen, doch als Misa und sie selbst wieder vor dem Haus standen, war Riku plötzlich nicht mehr da. Verwirrt sah die Blonde sich um. „Nanu, wo ist er denn hin?“, fragte sie sich verwundert, als plötzlich der laute Schrei eines Mädchens ertönte. Yoshi kicherte vergnügt und Misa konnte darüber nur den Kopf schütteln. „Was hat der Idiot jetzt wieder angestellt?“, motzte die Jüngere laut und stampfte in die Richtung, aus der der Schrei eben kam, doch wurde sie dabei beinahe von zwei Mädchen in ihrem Alter überrannt, dass eine trug fast keine Kleidung. „Was ist los?“ Das eine Mädchen zitterte. „Da war gerade so ein Typ…er stand plötzlich vor mir und hat mir beim Umziehen zugesehen!“, erzählte sie entgeistert und ihre Freundin strich ihr beruhigend über die Schulter. „Wie hat denn der Typ ausgesehen?“, fragte sie, schnaubend vor Wut. Das Mädchen schien zu überlegen, „Er…war ziemlich groß, hatte braune Haare und braune Augen… „…und eine breite, zerquetschte Nase?“, fragte die Blonde drohend. „Ähm…nein…“ „Na dann warte mal, bis der wieder kommt!“, sagte sie noch, dann zog sie Yoshi mit sich in die Richtung, die das Mädchen ihr zeigte. Nur ein paar Minuten später saßen alle drei wieder im Haus. Riku’s Gesicht war gezeichnet von einem roten Handabdruck auf der rechten Wange und Blut lief ihm aus der Nase. Er seufzte tief. „Was für ein erfolgsloser Tag…“, meinte er jammernd, doch als Misa ihm nur einen drohenden Blick schenkte, war er sofort wieder still. Das blonde Mädchen massierte sich angeschlagen die Schläfen. Yoshi hingegen gähnte einmal ausgiebig und meinte leise „Mir ist kalt…“, dann setzte sie sich rüber zu Riku und lehnte sich an ihn. Der Älteste wurde ganz rot, wies das Mädchen aber auch nicht ab und so legte er einen Arm um ihren dünnen Körper. Es sah auch schon so aus, als ob die Rothaarige schon eingeschlafen war und Misa betrachtete lächelnd das Schauspiel, welches sich ihr gerade anbot. //Könntest du jetzt nur hier sein, Noriko…//, dachte sie, dann wanderte auch ihr Bewusstsein langsam in Richtung Traumwelt. Yoshi dachte derweil über einige andere Dinge nach. //Warum hat er damals nicht einfach zugegeben, dass er schuld an ihrem Tod war?//, fragte sie sich und dachte so zurück an die letzten Gespräche mit Ren. Sie hatte damals nämlich als Einzige der drei erkannt, was wirklich geschehen war, doch erwähnt hatte sie es trotzdem nie. Sie fragte sich in diesem Moment einzig und alleine, was denn nun noch alles geschehen musste, damit die Welt wieder in Ruhe und Frieden weiter existieren konnte… Dabei musste die Rothaarige wieder an den einen Satz denken, den sie dem ersten noch hinzugefügt hatte: Verräter hatten es niemals leicht und werden es auch niemals leicht haben… Riku schüttelte den Kopf über diese ganze Situation, ehe er einmal laut seufzte. „Und das alles ohne einen einzigen Schluck Sake…“ Ein Ast zerbrach unter dem Fuß Ren’s. Er hatte sich die letzten Monate irgendwie alleine durchgeschlagen und sich als Ziel die Stadt Kazan-Mura gesetzt hatte, da diese Stadt eine der wenigen Orte war, in denen er nach Noriko’s Ableben noch nicht nach dem Mädchen gesucht hatte. Es fehlten um genau zu sein nur noch fünf Orte auf seiner Karte: Kazan-Mura im Südwesten des Landes, die Spiegel-Seelen Wüste im Nordosten, eine Gegend, in der einer Sage nach besonders viele Tiere einer seltenen Spezies leben sollen, die Gegend um den Iruka-kawa, einen sehr großen Fluss, welcher als heilig galt und in den Kiseki-See mündet und davor durch ganz Daikoku verläuft, den Fuji-yama, ein riesiger Vulkan an den fünf große Seen grenzen und welcher genau in der Mitte des Landes stand und als letztes die fünf einzelnen Seen selber, welche alle die Namen eines Elements tragen: Der Hi-Mizuumi, der Mizu-Mizuumi, der Kaminari-Mizuumi, der Ki-Mizuumi und der Chikyu-Mizuumi. Der Blonde hatte sich schon vor ein paar Wochen auf den Weg gemacht, um nach Kazan-Mura zu gelangen, doch er hatte erst ewig gebraucht, um zurück zu einem der Häuser der Kenka-Familie zu gelangen, welche es sowohl in Daikoku, als auch in Kagami-koku gab. Dort füllte er seine Vorräte an Lebensmitteln und Kleidung und beschaffte sich eine neue Karte von Daikoku. Schließlich hatte er sich auf den langen Weg gemacht, denn er musste vom Osten bis in den Südwesten Daikoku’s laufen, um nach Kazan-Mura zu gelangen. Auf seiner Karte konnte man nun deutlich sehen, dass es im Westen nur so von Vulkanen und Bergen wimmelte und Kazan-Mura selber lag in der Mitte von fünf besonders großen Vulkanen, die aber alle noch aktiv waren. Der letzte Ausbruch von einem dieser Vulkane lag erst wenige Jahre zurück, es war also durchaus möglich, dass bald wieder einer von ihnen ausbrechen könnte. Vielleicht würde er nun endlich fündig werden, denn er wollte sich immer noch an dem Mädchen rächen, da ja wegen ihr damals der Krieg ausgebrochen war und deshalb seine Eltern ermordet worden waren. Das hatte er ihr niemals verzeihen können… Doch da es schon relativ dunkel war, beschloss er, dass er nun erst mal ein Lager für die Nacht aufschlagen sollte, außerdem schien ihm der Vollmond zu unheimlich zu sein, um bei seinem silbrigen Schein durch einen dunklen Wald zu laufen. Er machte also am erst besten Ort halt, dem er nun begegnet war und so führte sein weg ihn bis zu einem kleinen See an einem großen Wasserfall, welcher klares Wasser in den See schaffte. Ren kletterte die kleine Klippe entlang des Wasserfalls hinauf und schaffte es auch oben anzukommen, ohne sich irgendwo zu verletzen oder abzustürzen. Der Blick des Blonden Jungen schweifte über die nächtliche Landschaft und er genoss es, dort oben in der leichten Brise zu stehen. Dann sah er nach unten und bemerkte stutzig eine kleine Person, die aus dem Wasserfall trat. Es schien ihm beinahe so, als ob dieses klare Wasser aus ihrem Körper fließen und nicht nur aus dem Wasserfall kommen würde. Das Mädchen schreitete, anmutig wie eine Fee, durch das Wasser und schließlich durch die silbrige Reflektion des Mondes auf dem Wasser. Ren fiel nun auf, dass das Mädchen keine Kleidung trug und gerade, als er wegsehen wollte, fiel ihm noch etwas anderes auf: Das Mädchen, welches in der Reflektion stehen geblieben war, sah hinauf zum Mond und der Blonde konnte im silbrigen Licht des Vollmondes ihre Haarfarbe erkennen. Er sah die satte lila Farbe, beinahe Lavendelfarben und schließlich drehte das Mädchen seinen Kopf zu ihm und ein paar leuchtend grüne Augen sahen zu ihm hoch. Ren machte einen waghalsigen Schritt näher an den Abgrund heran, er schluckte hart und fragte sich verwirrt, ob das da unten vielleicht Noriko war. Er machte einen weiteren Schritt, doch plötzlich rutschte er ab und fiel in den See hinein. Schnell tauchte er wieder auf und sah sich um, doch das Mädchen war verschwunden, ebenso war es der große Wasserfall und das einzige Wasser, welches jetzt noch in dem kleinen See war, war jenes in Ren’s Augen. Zwischenspiel Ein seltsam aussehender Mann ging wütend in einem kleinen Gefängnisraum auf und ab. Neben ihm standen ein paar Soldaten, welche ein zierliches, blondes Mädchen fest an den Armen festhielten, damit sie nicht entkommen könnte. „Was mache ich nur mit dir?“, fragte der Mann mit einer derart herablassenden Stimme, dass dem Mädchen die Nackenhaare zu Berge standen. Der Man ließ sich schweigend ein Schwert von einem Soldaten reichen. „Erst wollte ich dich ja nur zusehen lassen, wie langsam alle Mitglieder deiner „Familie“ vor seinen Augen getötet werden…aber da du dich ja anscheinend dazu entschieden hast, gegen mich und meine Soldaten zu kämpfen, und dann auch noch wegzulaufen…“, sagte er weiter und schüttelte nur den Kopf. „Das schreit doch geradezu nur wieder nach einer kleinen Bestrafung, findest du nicht auch?“, fragte er grinsend. Das Mädchen hob langsam den Kopf an und Tränen flossen aus ihren giftgrünen Augen auf den Boden. Sie verengte die Augen zu Schlitzen. „Du wirst es niemals schaffen, mich aufzuhalten!“, zischte sie wütend. „Sie…sie wird schon kommen, verlass dich darauf! Noriko würde mich niemals verraten!“, schrie sie weiter. Der Mann lächelte erneut. „Na wenn du meinst…“ Er holte mit dem Schwert aus und lachte verächtlich. Miyuki zuckte zusammen und schloss ängstlich ihre tränennassen Augen. Noriko…wo um Himmels willen bleibst du nur? Der Vollmond in jener Nacht schien noch heller als gewöhnlich, ein sehr mysteriöses Anzeichen, besonders, wenn man den lauten Schrei in Betracht zog, der keinen Augenblick später durch die Landschaft hallte. ________________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「火山」 ・ Vulkan 「Kazan ~ Meeting again」 Kapitel 12: 「火山」 ・ Vulkan 「Kazan ~ Meeting again」 ------------------------------------------------- Kapitel 12:「火山」 ・ Vulkan 「Kazan ~ Meeting again」 Verrat… Das ist der Grundbaustein unserer Beziehung, etwas anderes erlaube ich nicht! Es ist ihre Schuld, sie muss nun dafür gerade stehen. Es ist alles ihre Schuld, wenn sie nicht…wenn…nicht…dann… Sei Still! Du weißt genau, alles hatte damit seinen Anfang… Doch es ist nicht alleine ihre Schuld…Alles angefangen hatte es mit… Tora Shindo… Ein neuer Tag brach an. Dieser verhängnisvolle Vorfall, welcher nur drei Monate zurück lag, hatte es tatsächlich geschafft, das Leben von Umino Saisei zu ändern. Sie konnte sich nicht erklären, wie es geschehen war, und vor allem warum es geschehen war, doch die Tatsache das es geschehen war, konnte sie nun auch nicht mehr ändern. Langsam verließ sie die Welt ihres grauen Traumes und ihre Augen zuckten, bevor sie sich schließlich öffneten. Sie blickte direkt in die helle Vormittagssonne und lächelte leicht. Irgendwie hatte sie schon gespürt, dass heute mal wieder die Sonne scheinen würde. Langsam hatte sie keine Lust mehr auf den ewigen Sonnenschein, doch da das Wetter sich seit Tagen nicht änderte, musste sie wohl selbst etwas dagegen tun. Sie erhob sich langsam, packte ihre Schlafsachen zusammen und holte ihre Flügel nach außen. Das Perlmutt ihrer Rabenfedern schimmerte leicht, als das Sonnenlicht sie berührte. Umino hatte ihre Flügel schon eine ganze Weile nicht mehr nach draußen geholt, und so spannte sie sie weit aus. Danach schlug sie ein paar Mal damit auf und ab, begann nach oben zu schweben und breitete dann ihre Arme aus. Da heute Nacht wieder Vollmond sein würde, wäre das eine gute Gelegenheit, mal wieder die Stärke ihrer Kräfte auszunutzen. Ihre Augen begannen zu glühen und einen Moment später regnete es in Strömen. Zufrieden mit dem neuen Wetter schwebte die Blauhaarige wieder zu Boden und ließ sich auf den Rücken fallen, neben ihr ertönte ein genervter Seufzer. „Musste das sein? Ich hatte es endlich geschafft, das Feuer anzubekommen und jetzt das!“, sagte eine Stimme neben ihr. Sie gehörte zu Shinji Kenta, ebenfalls Mitglied der Winged Race, große Klappe aber nichts dahinter und außerdem Umino’s bester Freund aus Kindertagen. Die Angesprochene kicherte leicht und nickte. „Sei doch nicht traurig, der Regen ist erfrischend!“, sagte sie und erntete einen verwirrten Blick seinerseits. „Wozu brauchst du außerdem jetzt ein Feuer?“, fragte sie und sah zu dem kleinen Kochtopf in seinen Händen. „Na was würde ich wohl um diese Uhrzeit machen wollen?“, fragte er sarkastisch. Die Blauhaarige überlegte gespielt. „Frauen bespannen?“, fragte sie und grinste. Shinji sah sie genervt an, sie wusste, dass er nicht so einer war. „Dann lass das Frühstück doch einfach einmal ausfallen, du bist viel zu rundlich geworden!“ „Stimmt doch gar nicht!“, sagte der Braunhaarige und schmollte leicht vor sich hin. Doch er hörte schließlich auf sie und packte langsam seine ganzen Kochutensilien wieder ein. „Wo genau wollen wir jetzt eigentlich hingehen?“, fragte er, als er endlich alle seine Sachen in die viel zu kleine Tasche gepackt hatte. Die Jüngere holte eine kleine Karte hervor. „Wir sind schon fast überall gewesen, dass verkleinert die Auswahl. Es sind noch ungefähr…fünf Orte, an denen wir suchen können.“, verkündete sie und packte die Karte zurück. Shinji starrte auf das Paar Hände, welches gerade eben noch das Stück Papier gehalten hatte. „Und wie genau suchen wir jetzt den nächsten Ort aus, wenn du die Karte einsteckst?“, fragte er verwirrt und Umino rollte mit ihren Augen. „Ich hab den Ort schon lange fest gelegt.“, sagte sie und zwinkerte ihm zu, doch Shinji verstand immer noch nur Bahnhof. Die Blauhaarige marschierte los und der Ältere hatte Mühe, mit den ganzen Sachen bepackt hinter ihr herzukommen. „Sagst du mir denn irgendwann auch noch, wo wir hingehen? Oder willst du ein Geheimnis draus machen, bis wir dann schließlich da sind?“, fragte er und versuchte schlau zu klingen. Umino kicherte leicht, verriet es ihm dann aber doch schließlich. Eine kleine Weile verging, in denen die beiden nur schweigend nebeneinander her gingen. Sie schenkten der schönen Landschaft um sie herum nicht mal ein wenig Aufmerksamkeit, sie waren hier schon öfters durchgegangen. Plötzlich stolperte Umino über etwas auf dem Boden und sie verlor den Halt. „Au! Shinji du Vollidiot, warum stellst du mir ein Bein?“, fragte sie erbost, doch der Braunhaarige winkte ab. „Ich war das doch gar nicht! Das war der Baum da!“ „Ja natürlich, der Baum hatte also plötzlich Lust, seine Wurzeln zu heben!“, meinte sie sarkastisch und stand langsam wieder auf. Shinji grinste schelmisch. „Seltsame Bäume, die es hier gibt…“, stellte er fest und bückte sich, um die Wurzel näher betrachten zu können. Er fasste zu, beäugte das ganze deutlich und fuhr dann überrascht zusammen. „Moment mal, dass sieht ja aus wie ein Bein!“, stellte er erschrocken fest. Umino schlug sich eine Hand vor die Stirn, „Jetzt gibt es also auch schon Bein-Wurzel Bäume…“, sagte sie voller Verzweiflung, doch Shinji winkte ab und zog an der Bein-Wurzel. Das Bein wurde immer länger und länger, bis er schließlich einen blonden Jungen hervorzog, welcher offensichtlich bewusstlos war. Erschrocken fuhr Umino zusammen und kniete sich zu ihm hinunter. Sie musterte ihn leicht und bemerkte, dass das Gesicht des Jungen ganz rot und verschwitzt war. „Seltsam…“, sagte sie und legte eine Hand auf die Stirn des Jungen. Seine Stirn war glühend heiß…kein gutes Zeichen. Sie machte noch ein paar andere Untersuchungen und stellte dann fest, dass der Junge vergiftet worden war. „WAAASSSS?“, schrie Shinji und begann im Kreis zu rennen. „Was sollen wir tun, was sollen wir tun?“, schrie er verzweifelt während des Rennens und hinterließ eine immer tiefer werdende Spur im Boden. Das hinderte Umino unweigerlich am Nachdenken, sie schlug dem Älteren die Beine weg und drückte ihn weg. „Nerv mich jetzt nicht, such mir ein paar Kräuter. Diese Vergiftung ist heilbar, aber nur eine bestimmte Zeit lang!“, sagte sie und sah ihm dabei nicht ins Gesicht. Sie kannte sich unglaublich gut mit Krankheiten aus, da sie ja selbst sehr viele davon besaß. Seit ihrer Geburt war Umino kränklich veranlagt, wäre bei der Geburt sogar fast an ihrem schwachen Herz gestorben. Doch seit knapp drei Monaten waren die Krankheitsanfälle deutlich zurückgegangen, sie selbst konnte sich das nicht erklären. Die Blauhaarige musterte den Jungen weiter und musste zugeben, dass er ziemlich gut aussah. Die etwas längeren hellblonden Haare glänzten leicht in dem schwachen Licht, welches durch einige Baumkronen schien. Er schien sehr groß zu sein, ein wenig größer als Shinji, wenn man sich diese endlos langen Beine genauer betrachtete. Nur zu gerne würde sie seine Augen sehen, vielleicht… Umino schreckte aus ihren verworrenen Gedanken durch einen hohen Aufschrei seitens Shinji, davor hatte man etwas im Hintergrund reißen hören können. Sie schüttelte genervt den Kopf und fragte sich, wo zum Teufel er denn jetzt schon wieder runtergefallen sei. Wiederwillig nahm sie ihren Blick von dem schönen Jungen und lief schnell in die Richtung, aus der der Mädchenhafte Schrei eben ertönt war. Sie stoppte an einer kleinen Felsspalte, vielleicht drei Meter hoch und einen Meter breit und stellte fest, dass Shinji nicht nur hinein gefallen war, er hatte sich auch noch eingeklemmt… Seufzend sprang sie ebenfalls herunter, blieb aber im Gegensatz zu ihrem Freund nicht zwischen den Felswänden stecken. Im Sturz holte sie ihre Flügel hervor und blieb in einer Schwebehaltung. Shinji grinste sie verschmitzt an. „Hi!“, sagte er grinsend und erntete dabei einen saftigen Schlag seitens Umino. „Was heißt hier hallo? Der Typ da braucht unsere Hilfe, er liegt vielleicht im Sterben!“, schrie sie ihn vorwurfsvoll an und musste sich sofort das Gejammer von dem Braunhaarigen antun. „Ich mach ja schon…“, waren zwar seine Worte, aber es schien ihm recht schwer zu fallen, sich aus der ungünstigen Lage zu befreien. Die Jüngere drückte ihn hoch und war sich ihrer Kräfte nicht bewusst, als sie Shinji zu hoch warf und er mit einem weiteren hohen Aufschrei in einem nahen Baum landete. Schmerzvoll stöhnte er auf. „Ich hasse den Vollmond! Warum bist du dann immer so stark?“, fragte er erbost. Umino kletterte in Windeseile hoch zu ihm. Sie tat ganz freundlich, jedoch zuckte ihr lächelnder Mund ein wenig. „Wie war das?“ „Schon okay!“, meinte der Braunhaarige sofort, noch einen Schlag würde er nicht verkraften. Ein wenig besänftigt zuckte sie mit ihren Armen und sprang zu Boden, Shinji tat es ihr gleich. Etwas, was anscheinend sehr elegant wirken sollte, endete mit einem weiteren hohen Aufschrei und einem Haufen, früher bekannt als Shinji. Doch Umino hatte wichtigeres zu tun, als den Älteren wieder aufzuknoten, er würde das schon alleine schaffen, er war beinahe so etwas wie ein Entfesselungskünstler. Sie hatte schon sehr oft versucht, ihn zu fesseln, zu knebeln und ihn anschließend in einen Fluss zu werfen, genauer gesagt schon 164-mal, doch er hatte sich jedes Mal wieder befreit. Zurück bei dem schönen Jungen angekommen, legte sie erneut eine Hand auf seine Stirn – Sie war noch heißer als zuvor eh schon. „Er glüht ja förmlich!“, sagte sie, geschockt über die Tatsache, dass sein Fieber so rasend schnell anstieg. Der entknotete Shinji kam an gestolpert um sich die Sache ebenfalls anzusehen. „Cool, dann weiß ich endlich, wo ich gleich unser Frühstück machen werde!“ Die Blauhaarige ignorierte ihn gekonnt und ihr Blick fiel zu der zusammengeballten Hand des Jungen. „He, was ist das?“, fragte sie sich laut und holte etwas aus der leicht zu öffnenden Hand. „Hmm…sieht fast so aus…wie ein Giftpilz!“ „Wie kann man nur so dämlich sein und unbekannte Giftpilze essen?! Ich meine, wer ist schon so blöd?“, fragte der Braunhaarige vorwurfsvoll. Umino dachte gespielt lange nach. „Ich weiß nicht recht…du vielleicht?“ Shinji sah brummelig zur Seite. „Das war doch nur vier Mal…“, sagte er kleinlaut und Umino begann zu kichern. Sie griff währenddessen in ihre Medizintasche und suchte nach einem Gegenmittel. Da Shinji mit ihr herumreiste, und er ungefähr einen IQ von 86,1234 hatte, hatte sie für jede noch so für ihn peinliche Situation eine Medizin dabei. Tatsächlich besaß sie ein Universalheilmittel für jede Art von Vergiftung, und so dauerte es nicht lange, bis sie es fand und dem Jungen einflößte. „Und jetzt?“, fragte der hohle Shinji. „Das geht nicht so schnell, sei still und warte ab.“, befahl sie ihm und er gehorchte. Fünf Sekunden vergingen, „Und jetzt?“, fragte er erneut und der Blick der Jüngeren wandelte von einem leicht besorgten zu einem bedrohlichen, ehe sie ihm die letzten Reste des Pilzes in den Mund steckte. Panisch begann er wieder damit, im Kreis zu rennen und seine Spur von vorhin vertiefte sich weiter. Schließlich kam ihm die Idee, dass er den Pilz auch einfach ausspucken könnte, und so tat er es dann auch. „Das war ganz schön knapp…“, stellte er erleichtert fest. //Ermordungsversuch Nummer 372 erfolglos gescheitert…//, dachte sie verbittert, schenkte ihre Aufmerksamkeit dann aber wieder dem Jungen. Sie beobachtete überrascht, wie er anfing zu husten, hastig seine Augen aufschlug und sein Oberkörper nach oben schnellte. „Was zum Teufel ist passiert?!“ Sein Blick wanderte zu Umi und Shinji. „AHHHHHHHH! Wer seid ihr und warum trage ich keine Kleidung??!!“, schrie er laut. Die beiden kamen sich leicht veräppelt vor und so zog die Blauhaarige an seiner Kleidung. „Du bist doch angezogen…“ Der Junge sah nach unten. „Oh…aber wer seid ihr??!!“, fragte er erneut, kein wenig leiser als zuvor. Umino lächelte. „Ich bin Umino, das ist ein Wildschwein!“, stellte sie erst sich, und dann Shinji vor, welcher das aber hastig korrigierte. Der Junge sah sie seltsam an. „...und warum bin ich hier bei euch?“ „Du hast anscheinend von einem Giftpilz gegessen und bist danach K.O. gegangen.“, meinte Shinji mit einem spöttischen Unterton und einem süffisanten Grinsen. Der Blonde kratzte sich am Hinterkopf. „Verflucht! Nicht schon wieder…“, sagte er seufzend und erklärte dann, dass ihm sowas schon mal passiert wäre. „Du solltest sowas trotzdem nicht essen, das kann immer schlimm enden.“, sagte die Jüngste belehrend. „Meine anderen Vorräte waren aber alle schon aufgebraucht und ich kann nicht anständig kochen…also habe ich einfach irgendetwas gegessen und bin wohl wieder an diese seltsamen Pilze geraten…die verfolgen mich schon seit einer langen Zeit und rufen nachts nach mir…“, erklärte der Junge entschuldigend und grinste verschämt. Shinji sah ihn an, als wäre er ein Monster vom Mars. Der Typ hatte sie doch nicht mehr alle! Umino hingegen lachte einfach nur so ausgelassen, wie schon lange nicht mehr. „Du hättest dir doch einen Fisch fangen können, oder nach essbaren Früchten Ausschau halten sollen.“ „Nein, das war schon richtig wie ich das gemacht habe!“, widersprach er, wie ein kleines Kind. Das ging drei Minuten so weiter, bis Umino schließlich aufgab. Der Typ gab anscheinend viel auf die Wahrheit seiner Aussagen…Zufrieden stand der Blonde auf und sah triumphierend zum Vollmond. In diesem einen Moment wirkte er seltsam einsam, verlassen und schwach, als würde er Trost bei jemandem oben im Himmel suchen. „So neben bei, wer bist du eigentlich?“, fragte Shinji leicht nervös, der Junge war ihm nicht ganz geheuer. „Ich bin Ren!“, stellte Ren sich vor, dann beteuerte er darauf, dass er unbedingt schnell nach Kazan-Mura müsse, und keine Zeit für ein Kaffeekränzchen hätte. „Ist doch kein Problem, wir müssen auch dahin!“, sagte Umino freundlich und Shinji fragte sich, ob das ihre Taktik war, um neue Bekanntschaften zu machen. Erst einen auf freundlich und höflich machen, und danach wie eine Furie über ihn herfallen. Unweigerlich musste er bei dieser Vorstellung lachen. „Wenn das nicht ein seltsamer Zufall ist!“, sagte Ren und hob eine Augenbraue. „Wir sind auch nicht mehr weit von der Stadt entfernt, nur noch etwa fünf Stunden. Wir sollten theoretisch heute Abend dort ankommen, wenn wir jetzt losgehen.“ Ren stimmte dieser Aussage zu. Er erklärte, dass er auch schon das ein oder andere Schild gesehen hatte, auf dem der Name des Dorfes geschrieben stand. Und so ging die neue Dreiergruppe los um so schnell wie möglich in Kazan-Mura anzukommen. „So nebenbei, was willst du in Kazan-Mura? Das Dorf ist ziemlich klein, und so, wie du hier rumläufst sieht es nicht gerade aus, als würdest du dort wohnen…“, stellte Shinji beiläufig fest und betrachtete die feine Kleidung Ren’s. Umino stimmte ihm gedanklich zu, es wunderte sie allerdings, warum er noch nicht überfallen worden war, immerhin hätte man diese Kleidung für viel Geld verkaufen können… „Ich…suche nach jemandem.“, stellte er klar und für die Jüngste hieß das, dass er nicht wirklich vor hatte, darüber zu reden. Doch Shinji bemerkte dies natürlich nicht, und so kamen seine Fragen wie aus der Pistole geschossen. „Wen suchst du? Deine Freundin? Ist sie dir weggelaufen? Was hast du getan? Hast du ihr Angst gemacht?“ Ren wirkte leicht irritiert und überfordert. Umino seufzte laut. „Beachte ihn nicht, er stellt sich immer so dämlich an, es ist mir einfach noch nicht gelungen, ihn zu dressieren. Aber ich hab ihm schon viele tolle Tricks beigebracht!“, erzählte sie ihm stolz, und gerade als der älteste eine schlagfertige Antwort á la „wenigstens bin ich von Geburt an stubenrein.“, bringen wollte, meldete Ren sich mit einigen Antworten auf Shinji’s Frage zurück: „Ich suche nicht nach einer Freundin, sondern nach allen. Außerdem nach einem bestimmten Mädchen. Nein. Nichts. Nein, aber ich könnte dir gerne Angst machen~“, stellte er alles klar und der Braunhaarige zuckte unter seinem drohenden Blick leicht zusammen. Umino sah ihn bedauernd an, normalerweise duldete sie es nicht, wenn sich jemand über ihren Kindheitsfreund lustig machte – wenn, dann durfte nur sie selbst das. „Und…nach was für einem Mädchen suchst du?“, fragte sie, ebenfalls nur beiläufig, doch wie erhofft sprang der Blonde direkt darauf an. „Ein Krieg beendendes Mädchen. Ich hörte, sie hält sich in diesem Dorf auf und wollte das nachprüfen…“, erklärte er und sah sie nicht direkt an. „Hmm, vielleicht hast du Glück. Ich habe mich mal umgehört und vor ein paar Tagen erzählte mir jemand, dass sich zurzeit tatsächlich mehrere Leute der Winged Race dort aufhalten sollen…“, sagte die Blauhaarige und hatte somit Ren’s volle Aufmerksamkeit. „Wir wollten dort hin und das nachprüfen, denn wir suchen nach weiteren Überlebenden der Winged Race, die noch nicht tot sind.“, erklärte Shinji. „Natürlich sind sie noch nicht tot, wenn es Überlebende sind, du Hohlschädel!“, fauchte Umino und haute ihm auf den Kopf. „Nun, ich bin ein Mitglied der Winged Race, nehmt ihr mich in eure Gruppe auf?“, fragte Ren trocken und hob beide Augenbrauen, dass alles kam ihm ziemlich seltsam vor. Shinji sprang begeistert in die Luft. „Jaaa, fantastisch! Somit hätten wir unseren ersten Untergebenen! *Autsch* ich meine Mitstreiter!“, sagte er begeistert mit einer Beule auf dem Kopf. „Ähm…okay?“, sagte der Blonde mit einem zweifelnden Unterton und fragte sich, auf was für Idioten er sich denn jetzt wieder eingelassen hätte. Doch Umino holte ihn aus seinen Gedanken. „Was war denn jetzt mit deinen Freunden?“, fragte sie und traf somit wieder Ren’s wunden Punkt. Die Jüngste schien dies zu bemerken und schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, du musst natürlich nicht darüber reden, wenn du nicht willst…“, sagte sie mitfühlend, doch Shinji hinter ihr wiedersprach mal wieder: „Doch, musst du wohl, ich will es nämlich hören!“ Für diese Bemerkung fing er sich zum gefühlten 1000. Mal an diesem Tag einen Schlag von Umino ein, welche nur zu Ren meinte, er solle ihren Braunhaarigen Freund gar nicht erst beachten und dass er sich immer so dämlich benehmen würde. „Ist schon okay, ich würde es euch erzählen, wenn ihr es wollt…“, winkte er ab. Beide nickten leicht und so begann der londe mit der Schilderung seiner Erlebnisse. Als er schließlich geendet hatte, saßen seine beiden neuen Freunde wie gebannt vor ihm, Shinji schien nachzudenken. „Hmm…Streits sind ganz sicher keine schönen Sachen und ich kann auch nachvollziehen, wie du dich in diesem Moment gefühlt haben musst, nachdem das Mädchen, welches du liebtest einfach verschwunden war…aber natürlich ist trotzdem alles deine schuld!“, sagte er mit einem nachdrücklich strengen Unterton in der Stimme. Die Blauhaarige versucht fieberhaft irgendeine Argument gegen die Aussage ihres Freundes zu finden, doch leider hatte er dieses eine Mal tatsächlich Recht. Ren nickte leicht. „Es tut mir ja auch unbeschreiblich leid, aber Misa würde mir sowieso nicht zuhören, nach alledem, was ich alles Schreckliches gesagt habe…“ Umino seufzte leicht. „Jetzt denk doch nicht direkt so schlecht von dir Mister-halbleeres-Glas. Ich bin sicher, dass sie dir verzeihen werden, wenn du ihnen alles erklärst, auch, was wirklich mit dieser Noriko geschehen ist. Als deine Freunde verdienen sie die Wahrheit.“ Auf diese Aussage heraus nickte Ren hoffnungsvoll und vertiefte sich wieder in seine Gedanken. Er war eindeutig zu lange mit dieser schweren Last umhergelaufen, er hätte schon viel früher mit jemandem über die Erlebnisse reden müssen…doch was hätte er tun sollen? Zum nächst besten Dorf rennen und alles ins Ohr eines Unbekannten brüllen, welcher ihn vermutlich danach windelweich prügeln würde? Ein erneutes Seufzen ertönte, diesmal war es ein leicht erleichtertes. „Ich hoffe wirklich, dass sie mir verzeihen werden, wenn wir ihnen in Kazan-Mura alles erklärt haben. Aber wir müssen trotzdem vorsichtig dort sein. Nach meinen Berechnungen könnte es sehr bald zu einem gefährlichen Vulkanausbruch kommen, der das Dorf vermutlich zerstören würde…da fragt man sich direkt, wie das Dorf bisher überleben konnte, so ein Ausbruch ist ja nichts neues mehr in der Stadt der Vulkane…“, sagte Ren und dachte an die Informationen, die ein paar Menschen aus der Gegend hier ihm erzählt hatten. Und dass es an diesem eigentlich schönen Tag tatsächlich zu einem Vulkanausbruch kommen würde …damit hatte wohl Niemand wirklich gerechnet… Würdevoll überschritt Riku die Tore des Dorfes. Hier in Kazan-Mura schien alles schon recht fortgeschritten zu sein. Das Dorf machte einen netten Eindruck: Viele kleine Stände mit Lebensmitteln und ähnlichen Dingen, Häuser so weit das Auge reichte und Menschen…jede Menge Menschen. Diese „moderne“ Stadt war für die damaligen Verhältnisse eine besondere Ausnahme, es handelte sich trotz der gewaltigen Größe nur um ein ursprünglich kleines Dorf mit höchstens zehn Familien. Aufgeregt wie ein kleines Kind sprang Riku von einem Fuß auf den anderen und bat Misa um Geld für ein Steak. „Bitte bitte bitte bitteeeeeeee~!“, bettelte er und ging sogar vor der Blonden auf die Knie, welche ihm Kopfschüttelnd ein paar Yen gab. Während Riku mit roten Wangen zum nächstbesten Stand stolperte und nach dem gewünschten Steak verlangte, kicherte Yoshi und Misa musste auch irgendwie lächeln. Trotz des großen Streits hatten die drei es trotzdem irgendwie geschafft, wieder ein normales Leben zu beginnen, und wenn Ren als ihr Freund nicht daran teilnehmen wollte, sollte er ruhig irgendwo alleine rumhocken und Löcher in die Luft starren, ihr war das ziemlich egal. Schultern zuckend drehte sie sich zu der Rothaarigen um. „Wir müssen trotzdem langsam etwas sparsamer sein, wir haben nicht mehr so viel…“, erklärte sie und das Mädchen nickte, einen Moment später erklärte Yoshi aus blauen Kulleraugen, dass sie ebenfalls Hunger hätte. Misa wiedersprach ihr, da sie ja schließlich immer Hunger hatte. Die Ältere bettelte auf den Knien und schließlich gab die Blonde erneut nach. Yoshi tanzte um sie herum und lief dann grinsend hinter Riku her, welcher sich gerade an dem heißen Fleisch verbrannt hatte. Sie zog ihn an der Hand mit zum nächsten Stand an dem man Fleisch kaufen konnte und gerade, als der Braunhaarige für sie bestellen wollte, ertönte ein Schrei. Verwirrt fuhren alle Blicke umher, Misa erkannte die Situation: Vor ihnen stand ein riesiger Kirchturm an welchem mehrere bunte Flaggen hingen. Das schien auch der Grund für die ganzen Stände hier zu sein, es wurde anscheinend gerade irgendein Fest gefeiert. Als die drei näher kamen um sich das noch besser ansehen zu können, erblickten sie oben an einer der Fahnen ein kleines Mädchen, höchstens sechs oder sieben Jahre alt. Verzweifelt und kraftlos krallte sie sich dort oben fest, direkt unter ihr stand eine junge Frau welche ängstlich nach ihrem Kind rief. Doch die ganzen Rufe und das ruhige Einreden auf das Mädchen nützten nichts, sie rutschte immer weiter ab, verlor schließlich den Halt und fiel mit einem lauten Schrei zu Boden. Die drei Freunde handelten sofort, Yoshi und Riku holten ihre Flügel hervor und hoben ab. Ein anerkennendes Raunen ging durch die Menge, als die vielen Menschen erkannten, dass die drei keine gewöhnlichen Menschen wie sie selbst waren. Doch das sie enttarnt waren, war ihnen gerade egal, jetzt mussten sie erst mal das Kind retten, das war alles, was gerade zählte. Yoshi erschuf eine riesige Luftblase welche sich um das kleine Mädchen schloss, somit wurde ihr Sturz verlangsamt. Riku flog vom Boden zu ihr herauf und fing sie auf, dann nahm er sie auf den Arm. Ihre Mutter streckte schon die Arme nach ihr aus und schließlich übergab der Älteste mit zerzausten Haaren das Mädchen ihrer Mutter. Misa kam von den Stadttoren angelaufen, klopfte beiden anerkennend auf die Schulter. Die Frau drehte sich um, einige Freudentränen flossen und sie bedankte sich mehr als genug. Hinter ihnen konnten die drei Freunde ein weiteres anerkennendes Raunen hören. Ein ganzer Haufen von Menschen kam angelaufen, die junge Frau bedankte sich immer noch. Die drei winkten nur ab und erklärten das alles als vollkommen selbstverständlich, doch keiner schien dies als einen normalen Dienst anzusehen. Aus der Menschenmasse trat ein älterer Mann hervor, welcher das Wort an sie richtete. „Im Namen des ganzen Dorfes möchte ich mich für die Rettung des Kindes bedanken. Sagt Fremde, seit ihr tatsächlich Mitglieder der geflügelten Rasse?“, fragte er unsicher und besah sich Riku’s und Yoshi’s Flügel genauer. Als Misa unsicher zustimmte, sahen sich die drei verwirrt und überfordert an. Eigentlich diente es zu ihrem eigenen Schutz, dass sie Niemandem von ihrer Existenz erzählen durften, doch in diesem Moment war es die richtige Entscheidung gewesen, dass sahen sie ein. Der Mann hustete laut, dann stützte er sich noch mehr auf seinen Gehstock auf. „Vielen vielen Dank, eure Ankunft bedeutet uns sehr viel!“, sagte er mit seiner brüchigen Stimme, die drei verstanden nicht ganz, worauf er jetzt hinaus wollte. „Ich werde euch die Geschichte über die Entstehung von Kazan-Mura erzählen. Es ist eine wichtige Geschichte für die Völker der Menschen und auch geflügelten Menschen. Kommt mal mit.“, sagte der Mann und zeigte zu einem der kleineren Vulkane. Dieser stand genau in der Mitte des Marktplatzes und lud geradezu zu einem Besuch ein. Der kleine Vulkan war bestimmt zwölf Meter hoch, einige Meter breit und außen von alten Schriftzeichen beschrieben. Riku fragte Yoshi, ob es sich um Kagami-Schriftzeichen handelte, doch sie verneinte dies stumm. „Hier steht sie geschrieben, die wunderbare Geschichte dieses Dorfes. Unsere Vorfahren schrieben sie vor 500 Jahren nieder, als gerade die ersten Leute hier angesiedelt haben, da sich keine Verbrecher zu den Vulkanen getraut hatten. Folgt mir nach.“, forderte er die drei auf, Misa sah sich unsicher zu ihnen um, schließlich folgten sie aber ebenfalls. Im Inneren des Berges war es sehr dunkel, das Licht der Fackel des Mannes reichte nicht aus, also erschuf Misa mit ihren Lichtfähigkeiten eine Kugel aus hellem Licht. Vor ihnen auf der Wand standen noch mehr dieser alten Schriftzeichen geschrieben, ganz links war das Abbild einer jungen Frau gemalt worden. „Wie ich schon sagte, als vor 500 Jahren die ersten Menschen hierhergekommen waren, wussten sie noch nichts über die Gefahren eines Vulkans. Sie hätten nie im Leben damit gerechnet, dass so etwas wie ein Vulkanausbruch möglich wäre, sie sahen es als eine Bestrafung des Feuergottes an. Doch als damals der größter aller Vulkane drohte auszubrechen, schaffte es diese junge Frau, das Unglück abzuwenden. Es war wohl reiner Zufall, dass sie zu dieser Zeit nahe den Vulkanen gelebt hat, doch wenn sie es nicht getan hätte, würde es uns und das ganze Dorf jetzt nicht geben. Sie gehörte auch der geflügelten Rasse an und hatte besondere Fähigkeiten, die es ihr erlaubten die Kräfte des Eises zu kontrollieren, eine tatsächlich ungeheuer mächtige Macht. Sie ließ die Lava zu Eiserstarren, schuf so eine tonnenschwere Hülle um den Krater, sodass keine Lava mehr austreten konnte. Die Frau tat unglaubliche Dinge, seit diesem einen Tag ist der Vulkan niemals wieder ausgebrochen. Doch da die Lava in dem Vulkan natürlich nicht erloschen ist, beginnt sie langsam aber sicher das Eis zu schmelzen. Jährlich wandern einige von uns nach oben um nachzusehen, ob das Eis schon geschmolzen ist. Wenn es eines Tage so weit sein wird, werden wir unser Dorf umsiedeln müssen. Noch haben wir die Hoffnung in die Fähigkeiten von ihr nicht aufgegeben, von Izumi Sukui.“, und so endete der alte Mann mit seiner Erzählung. Riku schluckte und sah rüber zu Misa, welche den gleichen Gesichtsausdruck aufgesetzt hatte wie er. „Sukui…das ist doch Noriko’s Nachname, oder?“, fragte er sie leise und die Blonde nickte leicht. „Denkst du…dass Izumi vielleicht ihre Mutter war?“, fragte sie und sie wurde durch Yoshi unterbrochen: „Ohne Zweifel, dass ist Noriko’s Mutter gewesen. Auf den Gräbern ihrer Eltern standen die Namen der beiden. Sie hatte davon niemals erzählt…“ Der alte Mann fuhr mit seiner Erzählung fort: „Jeder aus unserem Dorf verehrt diese Frau zutiefst, nur wegen ihr können wir seit 50 Dekaden hier unser ruhiges Leben verbringen, uns mangelt es an absolut gar nichts. Das einzig überraschende wäre, wenn es bald zu einem Ausbruch kommen würde, aber das werden wir ja sehen, wenn wir heute Abend nachsehen gehen.“, sagte er uns kehrte dem Bildnis der Frau den Rücken zu. „Was, ihr wollt heute noch zum Vulkan wandern?“, fragte sie überrascht, denn es war schon Nachmittag, ohne dass sie es gemerkt hatten. Einige Männer des Dorfes nickten. „Abends kann man leichter durch das Eis sehen, wie dick die Schicht noch ist.“, erklärte er uns Misa nickte nachdenklich. Doch ihr kam die Sache nach wie vor sehr gefährlich vor. Was, wenn die Männer gerade am Vulkan ankommen würden, wenn er ausbrechen würde? Das wäre eine Reise in den Tod… Ohne lange nachzudenken kam der Vorschlag schon aus ihrem Mund: „Wie wäre es, wenn Riku, Yoshi und ich dort hin fliegen würden, denn falls es zu einem Ausbruch kommen wird, können wir schnell wieder zurück fliegen und noch rechtzeitig Alarm schlagen.“ Riku sah sie mit einem Ich-habe-jetzt-absolut-kein-Bock-auf-Vulkan-Sight-Seeing-Blick an, und auch Yoshi war ihrem Vorschlag abgeneigt. „Wenn ihr das für uns übernehmen würdet, werden wir euch selbstverständlich für eure weitere Reise mit Geld und Lebensmitteln eindecken, dann wird der restliche Weg ein Kinderspiel.“, erklärte der Mann und sofort nahm Yoshi eine seiner Hände in die ihren und umarmte ihn stürmisch, bevor sie Riku an die Hand nahm und ihn hinter sich her schliff. Misa kratzte sich verwirrt am Kopf. „Tja…ich denke, du hast sie überzeugt~“, sagte sie lachend und folgte den beiden. Yoshi und Riku hoben erneut ab, Misa war dicht hinter ihnen. Riku gab zu, dass die Dorfbewohner ein sehr nettes Volk waren und dass es anscheinend auch Ausnahmen in der Welt der Menschen gab. Doch trotzdem würden die drei sich niemals anderen Menschen offenbaren, dass stand schon mal fest. Von weitem konnte der älteste schon die dicke Eisschicht an der Spitze des Vulkanes sehen. „Sieht eigentlich so aus, als würde das noch ein paar Jahre halten…“, sagte er gelangweilt und wollte umkehren, doch Yoshi flog noch näher heran, Riku und Misa blieben zurück. Die Rothaarige landete vorsichtig auf der Eisschicht und bückte sich zu Boden, um so besser in den Krater sehen zu können. Ihr Gesicht verdunkelte sich. „Und, siehst du was?“, ertönte Riku’s Stimme von weiter hinten und verschreckt drehte Yoshi sich zu ihnen um. „Die Lava…“, brachte sie heraus, dann verstummte ihre Stimme. Misa verstand nicht recht. „Was ist damit?“, fragte sie und kam ein Stück näher. „Die Lava, sie wird spätestens in drei Stunden das Eis hinter sich gelassen haben und überkochen!“, sagte sie weiter und hob ab, um das Eis nicht noch mehr zu beschädigen. Die beiden anderen setzten einen ebenso überraschten Gesichtsausdruck auf. „Du willst uns wohl auf den Arm nehmen…das Dorf wird heute Abend zerstört werden?“, fragte Misa fassungslos und dachte an all die Menschen, welche keine Ahnung von nichts hatten. „Wir müssen sofort zurück und den Dorfbewohner Bericht erstatten!“, sagte Riku aufgebracht und flog schon voraus, Yoshi versuchte mit Hilfe ihrer Luftfähigkeiten das Eis ein wenig abzukühlen, doch dass alles wollte und wollte einfach nicht helfen. Das Eis würde bald brechen, niemand hätte den Vulkan stoppen können. außer einer einzigen Person…Noriko Sukui… Als das Eis gebrochen war, gab es kein Zurück mehr, jeder hier wusste das. Misa hatte vor etwas mehr als zwei Stunden begonnen, die ganzen Menschen aus der Stadt zu evakuieren, glücklicherweise gab es in der Nähe einen großen Fluss, auch Iruka-kawa genannt, aber mehr dazu später. Die Lava kochte schließlich über, floss den ganzen Berg hinab und kam bedrohlich schnell näher, viel schneller, als wäre es nur normales Wasser, welches das Gestein runter floss. Die Lava erreichte den Wald, Bäume begannen augenblicklich zu brennen und versanken unter der gewaltigen Menge. Die Lava war seit 500 Jahren angehäuft worden und hatte nur so darauf gewartet, endlich wie eine wilde Bestie über das Dorf herfallen zu können. Überall war sie nun, der Wald sah aus wie ein gigantisches Meer aus Feuer was niemand mehr hätte stoppen können. Yoshi flog zum dritten Mal in die Höhe. Sie verteidigte die Stadt und den Wald und hatte mit Hilfe von einigen Schallwellen aus Luft auch schon viel Lava zurück halten können, jedoch geriet sie so langsam aber sicher außer Puste und das war zu viel Anstrengung für sie und ihre immer noch nicht vollends geheilte Wunde. Riku flog dicht hinter ihr, wusste aber nicht wirklich was er denn tun sollte. Misa unter den beiden half den letzten Leuten über den Fluss und sah dann hoch zu Riku und Yoshi. „Warum hilfst du ihr nicht, du Trottel?“, schrie sie dem Ältesten entgegen, welcher sie nur entgeistert anstarrte. „Was soll ich denn machen? Feuer sollte man nicht mit Feuer bekämpfen, dass würde böse enden!“, schrie er zurück und wich einer von Yoshi’s scharfen Schallwellen aus. Er konnte bis zu ihm herüber hören, wie sehr sie unter dieser Belastung litt, jeder einzelner Atemzug schien schon eine Belastung für sie zu sein. „Dann hilf mir, auf die Dorfbewohner aufzupassen, sie brauchen hier unten auch Hilfe. Pass auf, dass keiner in den Fluss fällt!“, rief sie ihm zu und er kam der Bitte nach. „Halte durch Yoshi, du schaffst das schon!“, rief er zu der Rothaarigen herüber, dann flog er gegen seinen Willen auf die Jüngere auf zu passen gen Boden und bewachte die Enden des Flusses. Die Menschen standen jetzt auf einer Art Insel hinter dem Fluss, dort würden sie erst mal in Sicherheit sein, doch wer genau konnte jetzt noch sagen, wie lange sie noch Schutz hatten. Ein Blick hoch zum Vulkan genügte schon um zu sehen, dass immer und immer mehr Lava aus dem Vulkan geflossen kam, das Meer aus Feuer schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Misa und Riku sahen verzweifelt hoch zu Yoshi, welche ganz alleine gegen das Feuer kämpfte. So gerne hätten sie geholfen, aber mit ihren Fähigkeiten hätten sie es wohl nur schlimmer gemacht. Sie konnten jetzt nur hoffen, dass sie es irgendwie alleine schaffen würde, doch sie geriet immer und immer mehr außer Puste. Vor ihren Augen verschwamm allmählich ihre Sicht und ihr Kopf schmerzte. Innerlich hörte sie ein Pochen, es war als ob sie starke Kopfschmerzen mit Fieber hätte, doch so sehr hatte sie sich noch niemals verausgabt. Ihr wurde heiß, dann kalt und wieder heiß…irgendwann wurde alles um sie herum schwarz. Misa sah verzweifelt zwischen den ganzen Menschen umher, hörte einen erstickten Laut von Riku und sah dann rüber zu Yoshi, welche rückwärts nach hinten kippte und zu Boden fiel. „YOSHI!“, brüllte der Braunhaarige und wollte zu ihr fliegen, doch es war schon zu spät, ihr Körper stürzte auf den Boden, auf die Lava zu, wie hatte es auch sonst enden sollen. Ein heller Blitz schlug auf dem Boden ein. Von der Helligkeit geblendet schlossen alle Anwesenden für einen kurzen Moment die Augen, dabei sahen sie nicht, wie die bewusstlose Yoshino aufgefangen wurde. Als Misa wieder eine klare Sicht hatte, erblickte sie Ren, welcher Yoshi mit den Worten „Pass gut auf sie auf!“ an Riku übergab. Er starrte den Blonden ungläubig und mit offenem Mund an, dann nickte er und schon war Ren wieder in der Luft. Neben ihm tauchten zwei andere Mitglieder der geflügelten Rasse auf, eine mit blauen Haaren, eine mit braunen Haaren. Shinji sah hoch zum tief dunklen Himmel und stellte überrascht fest, dass der Vollmond schon aufgegangen war. „Wahnsinn…warum hat das so lange gedauert?“, fragte er sich laut, doch darum ging es ihm in diesem Moment nicht, sein Blick traf den der Jüngsten und sie versicherte ihm mit einem Nicken, dass sie es noch unter Kontrolle hatte. Er nickte ebenfalls und konzentrierte sich , kurz darauf schloss sich eine schwarze Wand um das Dorf, an welcher die Lava abprallte, als wäre es Stein und kein dunkler Nebel. Umino neben ihm begann leise etwas vor sich hinzumurmeln. Ein lautes Dröhnen ertönte und eine riesige Welle wurde von ihr erschaffen, welche direkt von Westen auf die Lavamassen prallte. Ihre Augen begannen zu leuchten, sie flog noch höher, breitete ihre Arme weit aus und es begann wieder wie aus Eimern zu regnen. Misa schloss unter der beruhigenden Nässe des Regens die Augen und konnte ein kleines Lächeln nicht vermeiden – Ren war genau im richtigen Augenblick aufgetaucht, und dieses Mädchen hatte ebenfalls genau die richtigen Fähigkeiten, welche benötigt worden waren. Der Blonde sorgte gerade dafür, dass keine Lava an der schwarzen Mauer vorbei fließen würde. Überkochende Lava wurde mit Blitzen eliminiert, danach ließ er sie so einschlagen, dass sich eine Art Graben um die Stadt schloss, in welchen die bereits überkochende Feuermasse floss. Dann wandte er den Blick zu Shinji und Umino, letztere schwebte immer noch mit weit ausgebreiteten Armen im Himmel und sorgte für genügend Wasser. Erstaunlicherweise hörte alles so schnell auf, wie es begonnen hatte. Durch das viele Wasser geschwächt, versiegte die Lavaquelle allmählich und die Blauhaarige konnte ihre Fähigkeiten abschalten. Ihr wurde ein wenig schwindelig, doch Shinji, Trottel für alles, kümmerte sich um sie. Er fing sie geschickt auf, trug sie zu Boden und fragte sicherheitshalber, ob sie heute Nacht weg müsse, oder ob es gehen würde. „Ist…schon okay, ich schaffe dass…heute noch…“, erwiderte sie schwach und lächelte leicht. Ren kam angelaufen. Lächelnd bedankte er sich für die große Hilfe, doch beide winkten nur ab. Hinter ihnen konnten sie die vielen Menschen hören, welche auf sie zugestürmt kamen. Die drei wurden augenblicklich von ihnen umschwärmt und Shinji war sich sicher, mindestens 100 Danksagungen gehört zu haben. „Ist schon okay, der Dank gebührt alleine Umino und Shinji. Und den anderen drei natürlich auch.“, sagte Ren und nickte seinen alten Begleitern zu. Riku zauberte ein kleines Lächeln auf sein Gesicht und nickte freudig zurück. Die Dorfbewohner sahn sich begeistert an und schlugen vor, ein Fest zu organisieren, doch die drei Helden winkten ab und wollten sich auf den Weg machen, da das Mädchen, was sie gesucht hatten anscheinend eh nicht hier aufzufinden war und so kehrten sie der Stadt der Vulkane langsam den Rücken zu. Misa und Riku, welcher Yoshi noch immer auf den Armen trug, verabschiedeten sich ebenfalls bei den Dorfbewohnern und lehnten sowohl Geld, als auch Lebensmittel ab, da ihrer Meinung nach die Menschen sie jetzt nötiger hatten. „Vielen Dank.“, ertönte die Stimme der Blonden und Ren sah sie verwundert an. Doch er schüttelte nur den Kopf. „Wie schon gesagt, der Dank gebührt alleine Umino und Shinji.“ „Das meinte ich nicht…“, wiedersprach Misa, doch die drei ließen sie nicht zu Wort kommen, als der Braunhaarige Ren an der Schulter berührte. „Wollen wir nun weiter reisen? Wir müssen zur nächsten Stadt, Umino meint, sie hätte schon den nächsten Ort herausgesucht.“, erklärte er Ren und dieser sah sich noch ein letztes Mal zu Riku, Misa und Yoshi um, dann stimmte er ebenfalls zu und sie drehten sich um. „Warte.“, ertönte erneut die Stimme Misa’s hinter ihnen. Verwundert drehten sie sich wieder um, Ren musste hart schlucken. //Ich verdiene es so…//, dachte er und rechnete mit einem Wutanfall á la Misa, doch stattdessen hob sie den zuvor noch zu Boden blickenden Kopf an und lächelte breit. „Danke…für deine Hilfe. Ohne dich wäre Yoshi jetzt tot.“, sagte sie mit einer säuselnden Stimme. Der Angesprochene kratzte sich leicht verlegen am Hinterkopf, meinte dann aber, dass sie es vielleicht auch für ihn getan hätte. Misa nickte und drehte sich seitlich weg, dann platzte es aus ihm heraus: „Es…tut mir leid! Unglaublich leid!“, sagte der Blonde und verbeugte sich tief. Misa schien überrascht. „W-was?“, stammelte sie, doch Ren ließ sie nicht zu Wort kommen und verbeugte sich erneut tief mit weiteren Sätzen der Entschuldigung. „Es tut mir so wahnsinnig leid, was vor drei Monaten geschah…Ich war einfach nicht ich selbst, ich…es lag an diesem Fluch, ich hätte niemals freiwillig diese Sachen gesagt…verzeiht mir!“ Misa leichtes Lächelnd wurde immer fröhlicher und mit einem leisen Schluchzen umarmte sie ihn fest. „Nein…mir tut es leid, dass ich wie immer überreagiert habe…Freundschaften sind sehr schwierig, doch wenn man sich streitet und wieder verträgt, zeigt das doch immer wieder, wie nah man sich eigentlich steht, findet ihr nicht auch?“, fragte sie an Umino und Shinji gewandt, beide stimmten ihr lächelnd zu. Riku und Umino lächelten breit, Shinji neben ihnen brach jedoch in Tränen aus. „Das ist ja sooo rührend~“, sagte er weinerlich und putzte sich die Nase, ehe er von der Blauhaarigen gegen den nächsten Baum getreten wurde. Riku legte Yoshi neben Shinji ab und stellte sich dann Umino vor: „Hi, ich bin Riku, der beste Kämpfer aller Zeiten und außerdem unser Anführer!“, sagte er übermütig und machte sich danach über Umino’s Größe lustig. „Du bist ziemlich klein für dein Alter, fast so klein wie No-chan~“, sagte er lachend und erntete einen bedrohlichen Blick von der Blauhaarigen, welche aber plötzlich laut loslachen musste. „Du bist ziemlich unterentwickelt für einen Anführer. Und was spielt das mit der Größe eine Rolle, du bist nur so groß, weil so viel Blödheit auf einem Haufen nicht in einen kleinen Körper gepasst hätte. Sie dir mal Shinji an, dass ist ungefähr das Gleiche~“, sagte sie und lachte, als sie sein verwirrten Gesicht sah. „Jetzt guckst du wie eine Kuh mit Schwangerschaftsproblemen!“, erklärte sie lachend, Riku hob die Hand um noch etwas schlagfertiges zu sagen, doch er ließ die Schultern fallen und ging rüber zu Ren, da ihm einfach nichts passendes dazu einfiel. Der Blonde klopfte ihm auf die Schulter. „Ist schon okay, lass es ruhig raus, Rik-muh~“, sagte er grinsend. „Nenn mich nie wieder so!“, schrie der Ältere und fuchtelte wild mit seinen Armen herum. „Sonst was? Ertränkst du mich mit Milch?“ Dieser Satz reichte, damit Riku beleidigt zur nächst besten Ecke neben einem Baum ging und Kreise auf den Boden malte. Shinji neben ihm lachte laut. Er stand rasch auf und stellte sich gegenüber vor Misa auf, sie sah ihn etwas verwirrt an. „Hallo schöne junge Frau. Gestatten? Shinji Kenta, Held ohne Strumpfhosen!“, sagte er übermütig und hob seine Brust an. „Mit wäre wohl schlimmer~“ „Halt die Klappe Umino, du vermasselst mir meinen siegreichen Auftritt!“, motzte der Braunhaarige und ging beleidigt rüber zu der immer noch bewusstlosen Yoshi. Er kramte in der Medizintasche und wollte der Rothaarigen gerade einen kalten Lappen auf die Stirn legen, als diese plötzlich die dunkelblauen Augen aufschlug und sein Gesicht nah an ihrem sah. „Hi!“, sagte er grinsend, doch Yoshi verstand das falsch, sie richtete sich rasend schnell auf und zog ihren Schwertgriff samt Luftklinge. Mit einem schnellen Tritt in’s Gesicht beförderte sie den Ältesten an den nächsten Baum und kam langsam immer näher. Ihr rechter Fuß verweilte auf seinem Bauch und er schluckte nervös, eher er sich verschreckt die Arme vor das Gesicht hielt. „Spieß mich nicht auf!“, schrie er ängstlich, doch Misa stellte sich vor ihn und erklärte ihrer Freundin die gesamte Situation in vier Sätzen. Teilnahmslos zuckte sie mit ihren Schultern und ging danach rüber zu Riku, welchem sie in den Rücken piekste. Shinji stand erleichtert auf und sah lächelnd rüber zu Umino, doch seine Augen weiteten sich, als er sah, dass sie heftig zitterte. //Ist es womöglich schon wieder so weit?//, fragte er sich und sah zu Boden. „Was ist denn jetzt los mit ihr?“, fragte Ren verwundert, doch die Blauhaarige antwortete nicht. Shinji meinte, dass alles in Ordnung sei, aber die beiden müssten nur für ein paar Stunden verschwinden, und dass sie morgen früh wieder da seien. Also nahm er seine Kindheitsfreundin auf den Arm und flog mit ihr zu dem nahegelegenen Wald, welcher zum Teil durch den Vulkanausbruch abgebrannt worden war. Die vier zurückgebliebenen sahen sich verwirrt an – Eins stand fest: Irgendetwas schien dort nicht zu stimmen. Einen Moment später ertönte ein lauter, schmerzerfüllter Schrei, so wie die letzten drei Monat zuvor auch schon. Blut befleckte den Boden und ein schmerzliches Stöhnen ertönte. Yoko ließ den sowohl leblosen, als auch blutleeren Körper teilnahmslos zu Boden fallen, als sie den Schrei hörte. Sie leckte sich über die roten Lippen und ein Lächeln bedeckte das hübsche Gesicht. „Ryoko, Rin!“, rief sie zu ihren beiden Freunden, welche angelaufen kamen um zu sehen, worum es jetzt ging. „Es wird Zeit für eine ausgelassene Mahlzeit~“, sagte sie und ein unbeschreibliches Lächeln legte sich auf ihr sonst so ausdrucksloses Gesicht. __________________________________________ Nächstes Kapitel: 「血」 ・ Blut 「Chi ~ I don't care!」 Kapitel 13: 「血」 ・ Blut 「Chi ~ I don't care!」 -------------------------------------------- Kapitel 13:「血」 ・ Blut 「Chi ~ I don't care!」 Drei volle Tage vergingen, seit der große Vulkan ausgebrochen war. Die vier Zurückgebliebenen hatten fast zwei Stunden warten müssen, ehe Umino und Shinji wieder aufgetaucht waren. Aus irgendeinem Grund war Shinji von einem Baum gefallen, und Umino stand plötzlich hinter Riku, welcher daraufhin verschreckt hinter Misa Schutz gesucht hatte. Beide sahen vollkommen erschöpft aus, darum hatten sie nicht nachgefragt, warum die beiden vorhin so schnell gegangen waren. Sie hatten eh schlafen wollen, da alle eh schon wegen den tollen Heldentaten so müde gewesen waren. Riku schlief beinahe im Stehen ein, nachdem er sich erst mal von dem riesigen Schrecken erholt hatte. Doch an jenem Tag nur drei Tage später, suchte Misa früh morgens nach Shinji. Sie suchte im ganzen Lager und konnte ihn nirgends finden. Die Blonde hatte sich schon überlegt, ob sie vielleicht jeden Baum einzeln schütteln sollte, doch vernünftiger Weise war sie zu Umino gegangen und hatte bei ihr nachgefragt, ob sie wüsste, wo er sich verkrochen hätte. Die Jüngere zeigte hinter sich, wo der Gesuchte eingerollt unter einem Busch lag und schnarchte. „Er schläft aber noch…“, hatte sie sie gewarnt, denn sie kannte die Wutausbrüche á la Shinji schon aus vergangenen Wochen. Die legendären Wutausbrüche á la Misa würde sie allerdings jeden Moment kennenlernen, und die waren natürlich mindestens 100 Mal schlimmer, als solche von ihrem Braunhaarigen Begleiter. „Keine Sorge, ich werde ihn schon nicht aufwecken.“, sagte sie lächelnd und gut gelaunt, dann trat sie näher an ihn heran. Sie packte seinen Kragen, holte tief Luft. „Waaaaaaaaaaach aaaaaaaaaaaauuuff!!!“, schrie sie und rüttelte ihn mit voller Wucht. Shinji schreckte hoch, sprang von ihr weg und zog sein Schwert. „Was ist los? Wo ist der Feind?“, fragte er verdattert, ehe Yoshi kauend auf Misa zeigte. Die Blonde starrte ihn wütend an, ihr Mund zuckte leicht. „Shinji…“, fing sie an, sie kam näher an ihn heran und legte ihre Arme auf seine Schultern. Der Braunhaarige schluckte schwer. „Was hast du mir nochmal versprochen?“, fragte sie süß und legte ein liebliches Lächeln auf ihren immer noch zuckenden Mund. Er dachte scharf nach, ihm fiel tatsächlich etwas ein, was er sagen könnte: „Ähm…kein Popeln in der Öffentlichkeit?“, fragte er grinsend, Misa’s Gesicht sah ihn weiterhin mit einem zuckenden Lächeln an – So eine Antwort hatte sie von ihm erwartet. „Versuch es bitte nochmal~“ Shinji kratzte sich am Hinterkopf, Nachdenken zu so einer frühen Stunde wandelte sich bei ihm immer zu Kopfschmerzen um. „…kein Alkohol vor zehn Uhr?“, startete er einen erneut falschen Versuch. Das Gesicht der Blonde verdunkelte sich, sie holte weit aus und schlug wütend auf ihn ein. „Nein du Dödel! Du sollst dich gefälligst nicht an meinen Freunden vergreifen!“, brüllte sie ihm in sein verschrecktes Gesicht und zeigte auf Ren und Riku, welche beide kraftlos auf dem Boden lagen und sich nicht rührten. „Du hast es doch tatsächlich gewagt, sie ihrer Kräfte zu berauben!“ „…nur, weil sie so laut geschnarcht haben, dass ich nicht schlafen konnte…“, versuchte er sich heraus zu reden, doch all das brachte nichts. Nachdem Misa nach einer halben Stunde mit ihm fertig war, sah er nur noch Sternchen. „W-was für eine Frau…“, stammelte er, Misa ging erhobenen Hauptes rüber zu Ren und Riku und zog sie hinter sich her. Beide rollten schlaff über den Boden, ehe Misa sie losließ und zu Shinji sah. Er zuckte ängstlich zusammen und wich einige Meter vor ihr zurück. „Jetzt mach endlich!“, brüllte sie, der Braunhaarige erzitterte und nickte drei Mal, dann stellte er sich vor die beiden kraftlosen Jungs. Seine Augen glühten kurz auf, ein schwarzer Strahl traf die beiden und augenblicklich sprangen die beiden auf. Wie die wilden, ging Riku auf Shinji los: „Was zur Hölle sollte das, du Möchtegern Lover?“, fragte er und schüttelte den Armen Jungen genauso heftig, wie Misa es zuvor schon getan hatte. „Wieso lässt mich heute keiner in Ruhe?“, fragte er jammernd und schniefte. „Weil es lustig ist, Quatsch zu machen~“, sagte Yoshi teilnahmslos und kaute weiter an ihrem Reisbällchen. Umino lachte laut und klopfte Shinji aufmunternd auf die Schulter. „Und, darf ich dich jetzt zum 165. Mal fesseln und in den Fluss werfen?“, fragte sie grinsend, ihr Kindheitsfreund murmelte etwas von wegen „Sowas nennt sich heutzutage Freunde…“ und zog beleidigt seufzend ab. Misa störte sich nicht weiter daran, sie suchte in ihren Taschen nach Zutaten für eine Suppe und fing an, alles kleinzuschneiden. Wenig später warf sie alles in eine Art Kessel, in welchem schon etwas Wasser von Umino umher schwappte. Misa sah zu ein paar Steinen Aus Vulkanlava und forderte Riku auf, diese mit Feuer zu erhitzen. Ren hob beide Augenbrauen und fragte verwundert, warum sie die Steine brauchte. „Du Dummchen, damit will ich die Suppe kochen.“, erklärte sie ihm und warf die heißen Steine in den Kessel, kurz darauf hörte man ein leises Blubbern. „Achso, es gibt also Stein-Pilz Suppe! Wie delikat~“, stellte er fest und haute seine rechte Faust auf seine linke flache Hand. Riku lachte augenblicklich los. Der Blonde schlug derweil vor, dass er ihr doch beim Kochen helfen könne, doch er wurde von Misa gnadenlos gegen den nächsten Baum getreten, wo er mit einer großen Beule regungslos liegen blieb. Misa kochte vor Wut, niemand anderes als diese beiden Jungs brachte sie mehr zur Wut, nicht mal Shinji, ein Pechvogel durch und durch. „Wenn mich heute noch ein einziges Mal Jemand blöd ansieht, dann landet derjenige zwischen den toten Überresten meines Stiefvaters!“, brüllte sie wütend und schien beinahe ihr Gift über das ganze Lager verspritzen zu wollen. Riku sah eingeschüchtert rüber zu Yoshi. „Oh man, die ist schon wieder auf 180…“ Die Blonde spitzte ihre Ohren und kam auf Riku zu. „Rikuuuu~“ „Ahhhh, lass mich in Ruheee!“, schrie er ängstlich und versteckte sich hinter der immer noch essenden Yoshi, wenig später lag der Braunhaarige halb begraben neben Ren, nur noch seine Füße schauten aus der Erde. „Die haben heute wohl wieder ihre fünf Minuten…“, stellte Misa schnippisch fest und verteilte die Essensportionen. Umino zuckte mit ihren Schultern und begann zu essen. „Kann schon sein, aber du nimmst mir meinen Job weg.“, sagte sie lachend. Yoshi nickte ihr zu und streckte danach ihren Arm mit dem Teller aus, um noch einen Nachschlag zu bekommen. „Nein, du hast schon genug gehabt, geh lieber und sammel die Jungs ein, sie bekommen sonst nichts mehr ab. Und du kennst sie doch, wenn sie ihr Frühstück nicht gegessen haben, benehmen sie sich wie kleine Kinder~“, erklärte sie und ließ dabei die Information außen vor, dass sie sich eh ununterbrochen wie kleine Kinder benahmen. Yoshi nickte teilnahmslos und ging rüber zu Ren und Riku. Ihre Knöchel knackten, ehe sie den Ältesten mit zwei Fingern aus der Erde zog. Der Braunhaarige hustete Erde aus und drehte sich auf den Rücken, um wieder richtig atmen zu können. Yoshi sah herüber zu Ren, welcher nach wie vor bewusstlos neben dem Baum lag. Sie kicherte leicht und spähte zu Riku herüber, als ihr eine Idee kam. Sie zog ihr Oberteil ein wenig weiter runter, packte Ren’s Kopf und steckte ihn in ihr Dekolleté, es dauerte keine 30 Sekunden, ehe er kreischend und mit blutender Nase erwachte. Riku starrte sie mit offenem Mund an. „Aber, aber…sie…er…ich-“, fing er an, doch er wurde von Misa unterbrochen, welche ihm einen Löffel mit Suppen in den Hals steckte. „Hör auf dummes Zeug zu labern, iss das jetzt lieber.“, meinte sie, während ihr aber entfiel, dass der Braunhaarige fast an der Hitze der Suppe erstickte. Yoshi kümmerte sich nicht mehr darum, sie stand auf und ging nun auf die Suche nach Shinji. Da sie nicht genau wusste, wo er vorhin lang gegangen war, lief sie durch den halben Wald, flüsterte ab und zu seinen Namen und wunderte sich, warum er ihr nicht antworten würde. Schließlich kam ihr die Idee, dass sie vielleicht einfach nur lauter rufen müsse. Sie holte ihre Flügel hervor, schwebte etwa auf die Höhe der Baumwipfel und holte tief Luft. „SHINJI!!!“, brüllte sie, unter ihrer lauten Stimme bebte der Wald für einen kurzen Moment, und neben ihr fiel der Gesuchte aus einem Baum. Ein Poltern ertönte, als er sich den Kopf stieß. Yoshi landete neben ihm, kniete sich nieder und lächelte süß. „Ich soll dich zum Essen holen~“, sagte sie ruhig, er seufzte tief und trottete langsam in die von ihr beschriebene Richtung davon. „Geh du ruhig schon vor, ich nehme einen anderen Weg, um Riku zu erschrecken. Ich werde von der anderen Seite kommen und ihm so erzählen, dass ich einmal um die ganze Welt gelaufen bin!“, erklärte sie grinsend, Shinji nickte ihr leicht zu und ging dann weiter. //Was für eine Frau…//, dachte er erneut und seine Wangen färbten sich rötlich. Gut gelaunt sprang Yoshi durch die Landschaft. In ihren Gedanken überlegte sie sich schon mal, was sie sagen würde, wenn Riku sie fragt, wie sie so schnell um die Welt laufen konnte. Sie kicherte vergnügt, achtete so aber nicht auf ihren Weg und merkte deshalb nicht, dass sie sich an einer Felsklippe befand, von denen es in dieser Gegend nur so wimmelte. Unerwartet setzte sie einen Schritt ins Leere, sie rutschte ab und ein überraschter Schrei entkam ihrer Kehle. Die Rothaarige sah schon den Boden auf sich zukommen, sie konnte nicht handeln, dafür war das zu überraschend geschehen. Ein dumpfer Klang ertönte, als das Mädchen mit dem Kopf auf dem Boden aufschlug. Sie stöhnte auf vor Schmerz, hustete und versuchte sich aufzurichten. Ihre Sicht verschwamm vor ihren Augen, sie erkannte nicht, wo sie sich befand, und sie sah auch nicht, wer die Person war, welche direkt vor ihr aufgetaucht war. Sie beugte sich zu ihr herunter, legte eine Hand an die blutende Wunde an ihrem Hinterkopf und roch an dem Blut. Ein paar leuchtend rote Augen tauchten vor ihrem Gesicht auf, dann spürte sie einen stechenden Schmerze im Hals. Ein erstickter Laut kroch aus Yoshi’s Mund, und dann wurde alles schwarz. Ihr zuvor angehobener Körper wurde fallen gelassen, und er prallte hart zurück auf dem Boden auf. Die Seltsame Person drehte ihr den Rücken zu und ging in die vorher eingeschlagene Richtung. Yoshi lag nun bewusstlos in einer unbequemen Lage, direkt ihr gegenüber lag allerdings noch etwas anderes, es war leicht von Blättern und Zweigen verdeckt, und es würde den anderen noch eine Menge Ärger bescheren… Shinji holte sich sein Essen ab, nachdem er schließlich wieder am Lager angekommen war. Riku fragte verwundert, wo er denn Yoshi gelassen hätte, immerhin hatte sie ihn ja suchen sollen. „Yoshino-san wollte von der anderen Seite kommen, um dir glaubhaft zu machen, dass sie einmal um die ganze Welt gelaufen sei.“, erklärte er und steckte sich den ersten Löffel in den Mund. Riku’s Augen glänzten. „Was? Das hat sie tatsächlich geschafft?“, fragte er überwältigt. Ren schlug sich eine Hand vor die Stirn. „Oh man, meint der das wirklich ernst? Wie kann man nur so sein wie er?“, fragte er an Misa gewandt, diese zuckte vergnügt mit ihren Schultern. Währenddessen versuchte Shinji Riku irgendwie klarzumachen, dass Yoshi sich das nur so ausgedacht hatte. „Sie ist also nicht um die Welt gelaufen?“, fragte der Braunhaarige nach und große Enttäuschung zeigte sich in seinen braunen Augen. Alle nickten ihm zu, er drehte sich beleidigt weg und starrte wie gebannt auf sein rechtes Handgelenk. Neugierig wie er eben war, frage Ren, was er denn dort anstarren würde. Als Antwort darauf streckte der Ältere ihm wortlos den Arm hin, der Blonde konnte eine Tätowierung erkennen. „Was heißt das denn?“, fragte er und Riku setzte einen leicht träumerischen Ausdruck auf. „Das heißt ‚Unabhängigkeit‘, mein Bruder hat es für mich gemacht, kurz bevor…nicht so wichtig.“, erklärte er und drehte sich etwas weg. Ren verstand diesen Wink, Riku wollte also nicht darüber reden, dass konnte er nachvollziehen. „Das ist cool, ich hatte mir auch schon mal überlegt, mir eine Tätowierung machen zu lassen, das wirkt so…lässig…“, sagte er verträumt, doch beide wurden bei ihrer Vorstellung durch das Kichern von Umino und Misa gestört. „Was ist daran witzig?“, fragten beide vollkommen synchron. Beide lachten weiter und erklärten schwerfällig, dass er das niemals aushalten würde, da Männer eigentlich sehr emotional waren. „Das stimmt nicht ganz!“, widersprach Riku und er baute sich vor den beiden auf. „Ich hab es schließlich auch ausgehalten.“ „Und wie lange?“ „Ganze 15 Sekunden!“, erklärte er stolz. Beide Mädchen sahen sich stirnrunzelnd an und seufzten schwer. Doch plötzlich fiel Misa ein, dass auch Yoshi eine Tätowierung besaß. Sie war ihr aufgefallen, als Noriko, Yoshi und sie selbst das erst Mal gemeinsam gebadet hatten. „Was? Wo soll die denn bitte sein?“, fragte Riku überrascht. „Sie ist an einem Ort, den du nicht mal in 100 Jahren sehen wirst.“, sagte sie neutral und Riku legte augenblicklich ein dümmliches Grinsen auf, dann kicherte er. ~Riku’s Inner Mind Cinema~ Zwei Personen, einsam an einem verlassenen Strand. Die Sonne ist kurz vorm versinken, eine Person zieht die andere zu Boden, und… ~Riku’s Inner Mind Cinema ende~ „Und zwar an der Hüfte.“, ergänzte sie und Ren lachte Riku aus. „Tja Kumpel, ich glaub Misa meint damit, dass du sie im nächsten Jahrhundert nicht herum kriegen wirst, um sie-“ „Ich hab‘s kapiert!“, schrie der Braunhaarige peinlich berührt und hielt dem Blonden den Mund zu, damit er den Satz niemals beenden könnte. Ren biss ihm in den Finger, kam von seiner Hand frei und fuhr mit dem Satz fort: „Um sie zum Lachen zu bringen. Das wollte ich sagen~“, sagte er lachend. Der Ältere verengte die Augen. „Auf wessen Seite bist du eigentlich?“, fragte er erzürnt. Ren verschränkte ernsthaft seine Arme. „Auf Noriko’s Seite. Und du?“, fragte er und wartete auf eine Antwort. In Riku’s Kopf ratterte es wie verrückt, er suchte nach einer schlagfertigen Antwort. „Ich…ähm…ich…ach Mensch, ich geh spazieren, ihr seid mir zu kindisch!“, sagte er schnippisch und er stampfte an Ren vorbei und stolperte in den Wald. Der Blonde seufzte. „Wieso hat der Typ bloß keinen Humor?“, fragte er in die Runde und zum ersten Mal seit einiger Zeit, meldete sich Umino zu Wort: „Also ich denke eigentlich schon, dass Riku-san Humor hat, er lacht über jeden Quatsch, aber wenn jemand einen Witz über ihn selbst reißt, ist der Jenige dann kindisch~“, erklärte sie und lächelte Ren aufmunternd an. Misa nickte dieser Aussage zu. „Mach dir bloß keine Sorgen um Riku, der kommt schon klar.“, sagte sie, der Blonde nickte nur und seufzte erneut. Dann setzte er sich an einen Baum und wühlte in seiner Hosentasche rum. Schließlich zog er das feine silberne Armband von Noriko hervor. Umino’s Augen funkelten verheißungsvoll, als sie Ren dabei beobachtete, wie er das Armband musterte, einige Blutspritzer daran erkannte, und es dann hektisch an seinem Oberteil polierte. Misa runzelte die Stirn und Shinji warf Umino einen viel sagenden Blick zu. //Ist es das, wovon ich glaube, dass es ist?//, dachte Shinji. //Kommt ganz darauf an, was du glaubst, dass es ist…//, dachte Umino zurück. //Also ich dachte an einen knusprigen Fisch, gebraten auf einem silbernen Teller~//, war seine Gedanken-Antwort. Umino haute ihm eine rein. „Das ist sicher nicht dein Ernst!!!“, brüllte sie und packte den Ältesten am Kragen, wenig später wurde er schon zum dritten Mal an diesem Tag gut durchgeschüttelt, er würde wohl noch zur Schlagsahne mutieren, wenn das so weiterging. Misa und Ren sahen die beiden verschreckt an. „Was zur Hölle hat er denn schlimme getan?“, fragte die Blonde. Die Blauhaarige und der Braunhaarige blinzelten ein paar Mal, dann setzten sie sich peinlich berührt wieder normal hin. „Nein nein, es ist nichts~“, winkte die Jüngste ab und schien zu überlegen. „Er hat mir nur…eine witzige Geschichte erzählt, die ich einfach nicht glauben kann…!“, reimte sie sich ihre Lüge zusammen und grinste schief. „Und was?“, fragte Ren neugierig. Shinji sah zweifelnd zu seiner Kindheitsfreundin herunter. „Ähm…ich hab ihr erzählt…, dass Menschen nicht fliegen können!“, erzählte er, und beide fingen wie aufs Stichwort an zu lachen. Ren kratzte sich am Hinterkopf. „…und weiter?“ „Nichts weiter~“ Ren beugte sich runter zu Misa und flüsterte ihr ins Ohr: „Also langsam werden die mir echt unheimlich…“ Misa nickte nur. Eine Sekunde später kam Riku um die Ecke gelaufen. „Leute, tut mir leid, ich konnte Yoshi nicht finden. Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um sie, sie ist noch nie so lange weggewesen…“, erklärte er und ließ sich zu Boden fallen. „Du brauchst dich wirklich nicht um sie zu Sorgen. Sie ist öfter mal weggewesen, als du noch nicht da warst, manchmal sogar mehrere Tage.“, versuchte Ren ihn aufzumuntern und tatsächlich hellte sich Riku’s Miene ein wenig auf. Plötzlich raschelten hinter der 5er Gruppe einige Büsche. Verschreckt nahmen sie ihre Kampfpositionen ein. Einen Moment später stolperten zwei Personen aus dem Gebüsch, die eine mit schwarzen Haaren, die andere mit Silbergrauen. Das silberhaarige Mädchen rutschte aus und landete leise fluchend auf Riku, dieser rempelte bei dem Versuch sie aufzufangen Misa an, welche nun auch das Gleichgewicht verlor. Shinji machte sich bereit, um sie sicher aufzufangen, er sah schon den ‘Danke-Kuss‘ vor sich, doch er wurde von dem schwarzhaarigen Junge beiseite geschubst, welcher nun statt ihm das blonde Mädchen auffing. Geschickt fing er sie direkt über dem Boden auf, er lächelte sie charmant an. „Pardon, geht es Ihnen gut?“, fragte er höflich und Misa erkannte den Jungen von vor ein paar Monaten in ihm wieder, sein Name war Ryoko. Sie lief dunkelrot an. „J-ja…danke schön…“, stammelte sie und zermolz beinahe, als sie in das Gesicht von Ryo-kun sah. „Kein Problem, es ist wirklich trés bien, wenn es Ihnen gut geht.“, erklärte er mit einigen seltsamen Worten und ließ sie los. Sein Blick wanderte zu Shinji. „Excusez-moi, ich wollte Sie wirklich nicht schubsen. Ich wollte nur dieses jolie Mädchen nicht gefährden, oui?“, sagte er und zwinkerte Misa zu, Shinji verstand nicht, warum er einen so seltsamen Akzent benutzte. Außerdem wunderte es ihn, dass er sich an Misa ran machte, wenn er doch dieses andere Mädchen hatte… „Warum schmeißt du dich an eine andere ran, du hast doch die da!“, sagte er unhöflich und zeigte mit einer schnellen Handbewegung auf das lächelnde Mädchen, Yoko. „Warum duzen Sie mich?“ „Warum siezt du mich?“ „Oui oui, weil ich höflich bin, natürlich.“ „Ich nicht.“ Shinji konnte den Typen jetzt schon nicht ausstehen. Misa seufzte auf. „Verzeihen Sie mir sein Verhalten, er ist immer so unhöflich, Ryo-san.“, redete sie Shinji heraus und verbeugte sich mit rotem Kopf. „Wollen Sie und Ihre Begleiterin nicht einen Moment bleiben?“, fragte sie ihn. Ryoko sah herüber zu Yoko, diese nickte ihm zu. „Das ist eine fabelhafte Idee, Mademoiselle.“ Riku half derweil Yoko auf. Seltsam…wenn er sich recht erinnerte, war sie doch beim letzten Mal nicht so ‘offen‘ gewesen. Und Ryoko hatte auch noch nicht diesen bescheuerten Französischen Akzent verwendet…Naja, wenn es ihn glücklich machte… „Vielen Dank.“, sagte die Silberhaarige höflich, als sie wieder gerade auf dem Boden stand. Umino füllte den beiden Neuankömmlingen ein wenig Suppe ab. Ryoko zwinkerte ihr schelmisch zu. „Merci beaucoup Mademoiselle~“, sagte er charmant und pustete ihr einen Kuss zu. Die Blauhaarige winkte ab. „Ist doch nur eine Pilz Suppe…“ „Nein, es ist viel besser als das, es ist sogar eine Stein-Pilz Suppe!“, warf Ren ein und fing sich eine Ohrfeige von Misa ein. „Hör zu: Der Witz war schon beim ersten Mal nicht lustig, also sei jetzt still!“ „Das war kein Witz!“, meinte der Blonde beleidigt und gesellte sich zu Riku herüber. Misa musterte Yoko und Ryoko. Irgendwie schienen sie sich verändert zu haben. Das letzte Mal waren sie anders gewesen…aber was genau hatte sich verändert? Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen! „Wo ist das kleine Mädchen vom letzten Mal? Diese kleine Rin?“, fragte sie, denn ihr war nun klar geworden, dass beim letzten Mal, als sie sich getroffen hatten, ein blondes Mädchen namens Rin mit ihren gereist war. Die beiden sahen sich ratlos an „Wer ist denn Rin?“, fragten beide synchron. Ren, Riku und Misa sahen sie schief an. Was redeten sie da? „Wie meint ihr das?“, fragte Ren skeptisch. „Letztes Mal war doch dieses kleine Mädchen bei euch. Wo ist sie? Ihr müsst euch doch an sie erinnern, sie war doch mit euch befreundet, so wie es damals schien!“ Die anderen beiden stimmten nickend zu, Shinji und Umino wussten nicht recht, wie sie das interpretieren sollten, immerhin war das das erste Mal, dass sie Yoko und Ryoko kennengelernt hatten. Doch die beiden neuen schienen wirklich keine Ahnung zu haben, wen die drei meinten. „Wir kennen keine Rin, tut uns leid.“, sagten beide, erneut vollkommen synchron. Misa verengte die Augen leicht. „In Ordnung, vielleicht irren wir uns auch.“, sagte sie und hielt Riku den Mund zu, denn er wollte protestieren. Yoko nickte leicht, ihr Gesicht nahm für einen kurzen Moment einen vollkommen anderen Ausdruck an, dieser kam dem nahe, den sie vor ein paar Monaten auch verwendet hatte. Aber vielleicht hatte sie sich ja geändert, vielleicht hatte sie an diesem Tag nur schlechte Laune gehabt. Doch wenn sie nur wüssten, wie sehr sie sich täuschten…Noriko hatte das auch lernen müssen… Da diese Sache nun geklärt zu sein schien, setzte sich auch Ryoko, Yoko folgte ihm. Doch ehe sie sich setzen wollte, drehte sie sich um und winkte Ren zu sich heran. Er kam verwirrt näher und fragte sich, was sie nun wieder wollte. Als er näher trat, nahm ihr Gesicht erneut diesen kalten, desinteressierten Ausdruck an – zum fürchten! „Wo wir gerade schon dabei sind, nach Leuten zu fragen, die nicht mehr da sind…sag, wo ist denn Noriko hin?“, fragte sie unwissend und lächelte leicht. Die Augen des Blonden weiteten sich leicht, er räusperte sich stark. „Sie ähm…ist vor einer Weile ihre eigenen Wege gegangen…“, erklärte er und lächelte traurig. Die Silberhaarige legte den Kopf schief. „Wirklich…“, fragte sie skeptisch. Ren wurde nervös und er nickte schnell. Ein liebliches Lächeln legte sich auf Yoko’s feines Gesicht. Sie kam noch ein Stück näher und legte ihren Mund an Ren’s rechtes Ohr. „Ich weiß genau, was du getan hast…“, flüsterte sie kalt und ein kalter Schauer lief Ren’s Rücken hinab. Geschockt sah er sie an. „A-aber…“, fing er an, doch Yoko trat wieder zurück. Ein nun vielmehr süffisantes Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. „Ich habe es beobachtet…was für ein Kampf~“ Ren presste seine Lippen gegeneinander. Yoko klopfte ihm auf eine Schulter. „Schon okay, solange niemand fragt, werde ich auch nichts verraten. Und wenn doch…werde ich erst mal eine Sache erklären müssen.“, sagte sie und lächelte nun wieder lieblich. Dann gesellte sie sich rüber zu Ryoko, welcher einen Arm um ihre Taille legte. Ren sah ihr entsetzt nach. //Also hat sie sich doch nicht wirklich verändert…// Nachdem sich nun alle im Kreis um das Lagerfeuer versammelt hatten, begannen sie, sich von ihren Reisen zu berichten. Misa hörte begeistert den abenteuerlichen Geschichten zu, die Ryoko ihr anvertraute, während Shinji die beiden eifersüchtig musterte. Irgendwann kamen sie auf das Thema Bekannte und Familie. „Ach ja, was ich euch noch fragen wollte: Wieso seid ihr beiden nach Daikoku gekommen, wir haben uns ja schließlich in Kagami-koku kennen gelernt, nicht wahr?“, fragte Riku und Yoko grinste ihn an. „Wir hatten uns dazu entschlossen, ein paar seiner Verwandten zu besuchen, welche hier versteckt lebten. Als wir ihnen nun einen Besuch abgestattet hatten, wollten wir uns noch ein wenig in der Landschaft umsehen. Ist euch auch aufgefallen, dass hier alles genauso aussieht, wie in Kagami-koku?“, erzählte die Silberhaarige und die anderen stimmten ihr zu. „Ihr seid also schon ziemlich weit herum gekommen…“, stellte Misa fest und Ryo zwinkerte ihr zu. Da fiel der Blonden plötzlich noch etwas anderes ein: „Wenn ihr schon eine Weile hier unterwegs seid, habt ihr dann zufällig Noriko getroffen? Wir suchen sie schon seit einer Weile.“, erklärte Misa und Ryo dachte nach. „Ach, Sie meinen dieses hübsche kleine Mädchen vom letzten Mal?“, fragte er laut, Yoko stieß mit ihrem Ellbogen in seine Seite. Er sah zu ihr herunter, er hatte verstanden. Galant umging die Silberhaarige diese Frage, niemandem außer Ren schien dies aufgefallen zu sein. Doch als Misa die Frage kurz darauf erneut stellte, wussten sie sich nicht mehr zu helfen. Yoko sah zweifelnd rüber zu Ryo, welcher leicht den Kopf zu Boden neigte. Yoko nickte kurz und wandte sich dann wieder den fünf Freunden zu. „Ryoko und ich möchten euch etwas erzählen, aber wir sollten das lieber an einem anderen Ort besprechen, hier könnten überall Soldaten auftauchen und wir kennen einen sicheren und geschützten Ort in der Nähe einer Felswandreihe.“, sagte sie und blickte in die Runde. Der Schwarzhaarige neben ihr schlug einen Spaziergang dort hin vor. Die fünf stimmten den beiden zu, womöglich würden sie jetzt den wahren Grund erfahren, warum Ryoko und Yoko nach Daikoku gekommen waren. Die sieben wollten gerade los gehen, als Riku etwas anderes in den Sinn kam: „Leute, geht ihr schon mal vor, ich suche in der Zwischenzeit nach Yoshi. Ich mache mir langsam echt Sorgen, sie ist noch nie so lange weggeblieben…“, erklärte er und schlug eine andere Richtung ein. Er drehte sich noch einmal um und versicherte den skeptischen vieren, dass er sie schon irgendwie wieder finden würde, wenn Yoshi erst mal wieder bei ihm sein würde, sie hatte ja immerhin einen ausgeprägten Orientierungssinn. Und so gingen sie in unterschiedliche Richtungen davon und entfernten sich immer weiter vom eigentlichen Lager. Schließlich begann Ryoko nach einer kleinen Weile ein Gespräch über eine alte Familie, die zur Winged Race gehörte. „Ich weiß nicht, ob ihr das schon mal gehört habt, aber Yoko und ich hielten es für das Beste, wenn wir euch darüber informieren, was wir hier gehört haben. Einer Sage nach, soll auf dieser alten Familie ein Fluch liegen, da es eine der ältesten Familien ist, die das Blut der Winged Race in sich tragen. Es soll angeblich manchmal zu einem Ereignis kommen, was sich Yokai-Tanjo nennt.“ „Dämonen-Geburt?“, fragte Ren überrascht und sah rüber zu Misa, welche aber auch ratlos mit den Schultern zuckte. Yoko nickte kurz und Ryoko fuhr fort: „Sowas entstand auf folgendem Weg: Wenn nun zum ersten Mal seit einer ewigen Zeit ein eineiiges Zwillingspaar in diese Familie geboren wird, egal ob Jungen oder Mädchen, so hieß es, dass das Erstgeborene Kind durch diesen Fluch ein Monster in sich aufgenommen hat. Spätestens an seinem 18. Lebensjahr ist dieses Kind dann nicht mehr kontrollierbar und tut ständig unvorhersehbare Dinge.“ Misa verstand nicht recht, auf was die beiden hinaus wollten. „Warum erzählt ihr uns das? Was sollte uns das bringen?“, fragte sie an Yoko gewandt, diese nannte ihr den Namen der Familie: „Ich dachte, euch würde das vielleicht interessieren. Der Name dieser Familie ist Sukui. Noriko’s Nachname und-“, erklärte die Silberhaarige, doch sie wurde erneut durch Misa unterbrochen. „Schön und gut, aber Noriko ist doch ein Einzelkind, also kann uns das doch egal sein, oder nicht?“, sagte sie mit einem überzeugten Unterton, doch wie erwartet hob Yoko eine Augenbraue an und schüttelte den Kopf. „Das stimmt nicht. Und Ren weiß es.“, sagte sie und schenkte ihm einen Blick. Der Blonde war schon die ganze Zeit über verdächtig still gewesen, doch nun nickte er leicht und seufzte leise. Die anderen drei sahen ihn erwartungsvoll an. „Nun…ich weiß nicht viel, sie hat mir nicht viel erzählt…aber Tatsache ist, dass Noriko eine ältere Zwillingsschwester namens Miyuki hatte. Sie sagte mir aber, dass sie seit der Nacht, in der ihre Eltern starben, ebenfalls tot sein müsste.“, erklärte er und sah Misa beschwörend an. Die Blonde zog scharf Luft ein und erinnerte sich vage an ein Gespräch mit Ren, in dem er ihr von Noriko’s Vergangenheit erzählt hatte. Das Ganze war aber schon gut ein halbes Jahr her, kein Wunder also… Yoko verzog leicht den wohlgeformten Mund, Umino und Shinji warfen sich einen viel sagenden Blick zu. In seiner Erzählung an die beiden hatte Ren das nicht erwähnt. „Nun…wie schon gesagt, wir dachten, dass ihr diese Information vielleicht noch gebrauchen könnt, denkt mal bei Gelegenheit darüber nach.“, sagte die Silberhaarige. Es wurde ruhiger und die Gruppe ging vorrübergehend still weiter. Ryoko schenkte Yoko einen verdächtigen Blick, sie lächelte leicht und nickte stumm. Genervt musterte Riku die Landschaft. Verdammt! Hatte er sich nun tatsächlich schon das siebte Mal verlaufen? Es musste wohl so sein, schließlich kam ihm hier alles so schrecklich bekannt vor… Der Braunhaarige machte Halt am Rand einer Klippe und sah nach unten. Ob er hier oben schon ein Mal gewesen war? …seiner Meinung nach jedenfalls nicht. Er musterte die Umgebung unter sich nun deutlicher und sah etwas Rotes unten auf dem Boden liegen. Konnte das etwa möglich sein?! „Yoshi!“, rief er. Keine Antwort. Unsicher, ob dort unten wirklich der Körper von Yoshi lag, sprang er von der Klippe, holte seine Flügel hervor und landete vorsichtig in ein paar Büschen. Er sah nach rechts und ging ein paar Schritte näher – Das konnte doch wirklich nur Yoshi sein! Schnell rannte Riku zu ihr, er kniete sich neben sie und rüttelte sie leicht durch. Keine Reaktion. Dann fiel sein Blick auf die offene Wunde an ihrem Hals. „Was zum-“, gab er entsetzt von sich, er hob ihren Körper leicht an und strich ihr durch das leicht verschwitzte Gesicht. Sein Herz pochte wie verrückt, als er ein Ohr an ihre Linke Brust drückte – Für ihn zählte dieser persönliche Triumph in diesem Augenblick nicht. Er schluckte hart und konzentrierte sich. Ihr Herz schlug noch, doch das hätte er beinahe nicht gehört, da sein eigenes Herz sozusagen seinen Brustkorb aufsprengen könnte. Doch nun merkte er erleichtert, dass sie noch am Leben war. Erleichtert hob er Yoshi hoch auf seine Arme, er wollte so schnell wie möglich die Anderen finden und sie untersuchen lassen. Doch gerade als er loslaufen wollte, fiel ihm etwas anderes ins Auge. An der Stelle, an der Yoshi eben noch gelegen hatte, schaute etwas kleines, Helles aus einem der Büsche um sie herum hervor. Riku bückte sich schwerfällig und stellte verwundert und entsetzt fest, dass es sich wohl um die Hand eines Kindes handeln musste. Schnell trat er die losen Büsche mit seinem linken Fuß weg. Als er nun schließlich erblickte, was dort vor ihm auf dem Boden lag, weiteten sich seine Augen und entsetzt stolperte er einige Schritte rückwärts. Hatten Yoko und Ryoko vorhin nicht gesagt, dass… So schnell er konnte, drehte sich der Braunhaarige um und suchte nach einem Weg zu Ren und den Anderen. Sein einziger Gedanke war es, seine Freunde so schnell wie nur möglich vor Yoko zu warnen, denn sie war gefährlich. Das Gleiche hatte auch Rin lernen müssen, denn nun lag sie auf dem Boden, eiskalt, mit weit aufgerissenen Augen und einem großen Loch im Hals. An einer Art Felswand angekommen, blieben Yoko und Ryo auf einer Lichtung stehen. Die Jüngere streckte sich und flüsterte ihm etwas in die Ohren, sah ihn beschwörend an. Ryoko nickte nur und stellte sich ein wenig von der Gruppe entfernt neben einen Baum, als wäre er eine Wache und würde aufpassen, damit auch ja niemand die Lichtung verließ. Misa sah kurz rüber zu Ren, dann überlegte sie innerlich, ob sie die Frage von vorhin noch einmal stellen sollte, immerhin waren sowohl Ryoko, als auch Yoko selbst der Frage nach Noriko ausgewichen. „Sag Yoko-chan…du hast mir vorhin nicht auf meine Frage geantwortet…du und Ryo-kun seid doch schon viel durch die Welten gereist und…deshalb…habt ihr vielleicht in letzter Zeit Noriko gesehen? Ihr wisst schon, das kleine Lilahaarige Mädchen, dass letztes Mal mit uns gereist ist…“, fragte sie und zeigte mit einer Hand die ungefähre Größe von Noriko an. Die Silberhaarige warf Ren einen vollkommen verwirrten Blick zu. „Das ist…vollkommen unmöglich Misa.“, sagte sie trocken und ließ sich auf den dunklen Boden fallen. Die Blonde verstand nicht recht, worauf sie hinaus wollte. „Warum…denn das? Stimmt etwas nicht?“, fragte sie und sah verwirrt rüber zu Umino und Shinji, welche beide scharf Luft holten und ebenfalls zu Ren sahen. Yoko deutete mit ihrem Gesicht auf den Blonden und meinte, dass er wusste, warum das unmöglich gewesen war. Auch Misa sah herüber zu Ren, er sah zu Boden und wusste nicht recht, wie er beginnen, und was er erzählen sollte. Ein genervter Seufzer seitens Yoko folgte. „Wenn du es unbedingt so haben willst, dann sag ich es eben…Noriko ist Tot, schon länger als drei Monate. Ren ist sozusagen daran schuld.“ Misa’s Kopf schnellte wieder zu dem Älteren und vorwurfsvoll sah sie ihn an. Er sah sie nicht an, drehte sich noch ein wenig weiter von ihr weg…das gerade konnte doch nicht wirklich passieren! Ein Stich in ihrer Brust vermittelte ihr allerdings, dass das gerade wirklich alles geschah. Noriko…sollte also tot sein? Wegen Ren? Das…das konnte einfach nicht wahr sein. Sie wollte hören, wie er Yoko wiedersprach, ihnen allen versicherte, dass Noriko nicht tot war…doch er nickte einfach nur. //Und schon wieder…schon wieder hat er uns belogen!// „Es…es lag an diesem Fluch! Ich hätte No-chan niemals freiwillig etwas angetan!“, sagte er schwach und fügte noch hinzu, dass er sich erst wieder unter Kontrolle hatte, nachdem es schon zu spät war. Misa schüttelte den Kopf. „Das kann einfach nicht wahr sein!“, schrie sie schrill und ging zu Boden. „Warum hast du uns das nicht schon damals gesagt?“, fragte sie laut und schniefte. Ren bewegte sich unruhig von einem Fuß auf den Anderen. „Ich wollte aus meinem Gedächtnis verdrängen, woran ich schuld war. Ich konnte unmöglich damit weiterleben in dem Glauben, ich Hätte Noriko tatsächlich getötet…ich habe es abgestritten, aber…“ Misa schüttelte erneut den Kopf, dieses Mal heftiger als zuvor. „Komm schon Ren, für wie dumm hältst du mich? Natürlich ist es nicht deine Schuld, das lag alles an diesem bescheuerten Priester. Das hätte genauso gut mir oder Riku passieren können. Aber das ist egal, wir sind doch deine Freunde, du hättest uns wenigstens die Wahrheit sagen können!“, sagte sie um das Verhalten von allen zu rechtfertigen, doch der Blonde wiedersprach ihr: „Nein, es ist beides wahr. Ich will mich nicht weiter rechtfertigen, akzeptier es und dann ist Schluss!“, meinte er, doch die Jüngere schüttelte immer und immer wieder den Kopf. „Ich will mich nicht schon wieder streiten!“, brüllte sie wütend und verzweifelt und schon flossen die ersten Tränen, ob es an dem angefangenen Streit lag oder an dem bewussten Verlust von ihrer Freundin Noriko wusste sie nicht genau. Ren ballte wütend beide Hände zu Fäusten, doch nachdem er einmal tief durchgeatmet hatte, wurde er ruhiger und er zog die Blonde auf die Beine, danach schloss er sie fest in seine Arme, er wusste, dass sie nun Halt brauchen würde. „Ist schon gut, wir schaffen das noch irgendwie zusammen!“, sagte er beruhigend und strich ihr über den Kopf. Ein weiteres genervtes Seufzen ertönte und Yoko sah unbekümmert rüber zu Ryoko, welcher die ganze Zeit wie hypnotisiert ins Nichts starrte. Lieblich lächelnd ging sie zu ihm herüber. „Jetzt wo das erst mal geklärt ist…widmen wir uns nun meiner eigentlichen Aufgabe, in Ordnung?“, fragte sie und der Schwarzhaarige nickte leicht. Shinji und Umino, welche sich die ganze Zeit über lieber im Hintergrund gehalten hatten, schenkten sich nun gegenseitig verwirrte Blicke. Misa löste sich von Ren und auch die beiden musterten die Situation – Yoko wirkte irgendwie verändert. Die Silberhaarige stellte sich hinter Ryoko und verschwand fast hinter seinem kräftigen Körper. Doch schon einen Moment später tauchte sie wieder neben seinem Hals auf. Genüsslich roch sie an den lebenswichtigen Adern, sie schloss die Augen, um die Vorstellung zu intensivieren. Sie kam der dünnen, leicht gebräunten Haut noch ein Stückchen näher, leckte mit ihrer Zunge darüber. Der Älteste rührte sich weiterhin nicht und stand da, als wäre er zur Salzsäule erstarrt. Dann öffnete sie leicht den lieblich geschwungenen Mund, vier ungewöhnlich lange und spitze Zähne kamen zum Vorschein, welche augenblicklich in die Haut des Jungens eindrangen – Yoko hatte ihm in den Hals gebissen. Die vier Freunde gaben einen entsetzten Laut von sich, das dunkelrote Blut rann am Hals entlang, schlängelte sich durch die Kleidung und tropfte schließlich zu Boden. Gierig sog die Silberhaarige an der Wunde, kurze Zeit später ließ sie von dem Hals ab und leckte sich über die Lippen. Erneut entblößte sie ihre vier spitzen Zähne. Ein leises Kichern ertönte ihrerseits. „So lecker wie eh und je~ Vielen Dank, Ryo-kun!“, sagte sie und leckte genießerisch über die große Wunde am Hals – Vergleichsweise war diese drei Mal so klein, wie die, die sie Rin zugefügt hatte. „Warum hast du ihn gebissen?!“, fragte Umino entsetzt und zuckte zusammen, als Yoko ihre leuchtend blutroten Augen auf sie richtete. Ein breites Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht. „Weil ich ein Vampir bin und Durst hatte.“, sagte sie unbekümmert und lächelte hoch zu Ryo’s Gesicht. Shinji’s dunkelrote Augen weiteten sich geschockt. „Du bist…was?“ Die Silberhaarige zuckte mit den Schultern. „Okay, ich geb es ja zu, dass ist gelogen. Ich bin nur ein Halbvampir, aber Blut brauche ich trotzdem. Unheimlich lecker~“ „Seit wann gibt es denn bitte Vampire?“, fragte Misa verwirrt. „Und seit wann gibt es denn bitte geflügelte Menschen?“, stellte die Angesprochene die Gegenfrage und lachte laut, als sie sah, dass die Ältere darauf keine Antwort zu finden schien. Ren fand, dass er sich allmählich auch mal wieder zu Wort melden sollte: „Aber wieso beißt du denn ausgerechnet Ryoko? Und wieso ist er so komisch, so…teilnahmslos?“, fragte er, Yoko zuckte leicht mit den Schultern. „Ich hatte halt Durst, dass Mädchen von vorhin hat mir nicht gereicht.“, war ihre einfache Rechtfertigung zu der ersten Frage, bei der zweiten legte sich ein süffisantes Grinsen auf ihr stechend schönes Gesicht – Sie sah aus, wie eine feine Puppe. „Hat etwas mit meiner speziellen Fähigkeit zu tun…Das ist so eine Art von Telekinese Fähigkeit. Ich kann Leute…sagen wir hypnotisieren und ihnen so ihre Gedanken und Erinnerungen stehlen, sodass sie einfach nur wie leere Hüllen zurückbleiben. Emotionslos.“ „Aber…aber er ist doch dein Freund!“, sagte Misa leicht verwundert und versuchte so, eine Schwachstelle in ihrem Bluff zu finden. Yoko zuckte mit ihren Schultern. „Ist mir egal~“, sagte sie, mit einem fiesen Grinsen auf dem Gesicht. „Wie kann dir das bitte egal sein?“, fragte die Blonde vorwurfsvoll. Yoko legte einen Arm auf Ryo’s Schulter ab und nahm so eine lässige Haltung ein. „Sagen wir es so…es hätte auch einer von euch sein können, ich mache da keine so großen Unterschiede…“ „Nein, das ist etwas anderes. Wir sind uns erst zwei Mal begegnet, du kennst Ryoko vermutlich schon viel länger.“, erklärte Ren abwehrend, doch die Jüngere schien kein wenig eingeschüchtert zu sein. „Ryo-kun ist mir genauso egal, wir ihr anderen auch. Ich brauchte ihn für eine kleine Weile, weil ich sonst nicht meine vorherige Aufgabe hätte erledigen können. Ich könnte auch sonst was mit ihm machen.“ Shinji sah eine Chance kommen. „Warum tust du es dann nicht einfach? Jetzt sofort!“, fragte der Braunhaarige und dachte überheblich, dass er wohl tatsächlich eine Schwachstelle entdeckt hätte. Yoko schien nachzudenken. Nach zwei Minuten des Überlegens nickte sie schließlich und holte mit ihrem Arm aus. Dann, ohne damit zu rechnen, stieß sie den angespannten Arm tief in den Bauch des Schwarzhaarigen. Kurz darauf zog sie den Arm wieder zurück und hielt etwas in der Hand, von dem die vier nicht mal wissen wollten, was es war. Blut sprudelte aus der tiefen Wunde, der Junge sackte zusammen und fiel zu Boden, Yoko stieg ungestört über die baldige Leiche ihres Freundes, welcher sich nicht wie erwartet vor Schmerze krümmte und blieb in einer Pfütze aus Blut stehen. In just diesem Augenblick kam Riku durch ein paar Büsche gestolpert, auf seinem Arm trug er Yoshi mit sich, die aus irgendeinem Grund eine schlimme Wunde am Hals hatte. Yoko hatte es doch wohl etwa nicht gewagt… „Leute, passt bloß auf, sie ist gefährlich! Sie hat Yoshi angegriffen und dieses kleine blonde Mädchen vom letztem Mal umgebracht!“, schrie er aufgebracht und musste erst mal wieder Luft bekommen, ehe er aufsah und das Blut bemerkte. Er stellte erleichtert fest, dass die anderen vier die schlimme Situation wohl schon erkannt haben mussten. Er lief schnell zu Shinji herüber und versteckte sich hinter ihm, damit Yoshi in seinen Armen nicht noch ein Mal angegriffen werden würde. Die Silberhaarige sah überrascht auf, damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. „Was, dieses Mädchen ist also noch am Leben?“, fragte sie ruhig und schloss genießerisch die Augen. „Ihr Blut war einfach…köstlich, überwältigend!“, schwärmte sie, während Riku nur einen abfälligen Blick für sie übrig hatte. Ren richtete erneut das Wort an die Silberhaarige. „Du sagtest gerade doch, du hättest eine andere Aufgabe, als unser Blut zu trinken, was ist diese Aufgabe also?“, fragte er und Yoko dachte an die Aufgabe, die ihr gestellt worden war. „Ich…sollte so viele Mitglieder der Winged Race auslöschen und meinem Meister ausliefern, da er jede weitere Seele braucht, um sein Ziel zu erreichen. Ich habe ihm von euch erzählt, und er trug mir auf, dass ihr die nächsten seien werdet.“, erklärte sie lässig, der Blonde wünschte sich augenblicklich, er hätte niemals gefragt. „Außerdem wäre die Errungenschaft von Noriko’s Seele ein sehr großer Schritt nach Vorne geworden, ihre Seele ist ungewöhnlich mächtig.“, erklärte sie weiter. Niemand auf der Lichtung wusste den wahren Grund, für Noriko’s mächtige Seele. Niemand wusste, was zehn Jahre lang in ihren Körper gewohnt hatte. Niemand, außer drei Personen, und jeder einzelne hatte zwei von ihnen schon mal getroffen. Nachdem sie nun ihre Erklärung ausgeliefert hatte, trat Yoko einige Schritte näher an die sechs Personen ran, alle wichen augenblicklich zurück. Das zauberte wieder dieses abscheulich süße Lächeln auf das Gesicht der Silberhaarigen, welche Noriko vier Monate zuvor auch schon hatte ertragen müssen. Sie schaute sich um, dann wandte sich ihre Puppengesicht Misa zu. Sie erschauderte unter dem unheimlichen Gefühl, dass sich in ihr ausbreitete, als sie in diese blutroten Augen starrte. „Mit dir fange ich an…“, flüsterte sie eiskalt und verschwand, ehe sie plötzlich hinter der Blonden wieder auftauchte. Die Ältere gab einen überraschten Laut von sich, bevor Yoko ihr einen festen Hieb an eine Stelle nahe ihres Halses gab, dann wurde alles schwarz vor ihren Augen. „Wenn ihr alle nicht bei Bewusstsein seid, ist es sehr viel einfacher, das hat mir die Erfahrung gezeigt.“, sagte sie und wollte sich gerade zu Misa hinunter bücken, als sie plötzlich ein Schwert vor ihren Augen sah. Sie blickte auf und erkannte Shinji vor sich, welche näher getreten war und sie wütend ansah. „Was hast du mit ihr gemacht? Wieso ist sie einfach so bewusstlos geworfen?“, fragte er hysterisch und deutete mit einer Handbewegung auf die regungslose Misa. Yoko strich sich ruhig eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Reg dich ab, ich hab sie nur außer Gefecht gesetzt…!“ „Mach das sofort rückgängig!“, schrie er, er wurde allmählich immer wütender und spürte, dass etwas in ihm langsam von ihm Besitz ergriff. Seine dunkelroten Augen färbten sich langsam stechend grün und der Ausdruck, der auf seinem Gesicht lag, war wirklich furchteinflößend. Yoko wich einen halben Schritt zurück. //Was zum Teufel ist los mit ihm?//, fragte sie sich, doch wieder konnte sie nur lächeln. //Ist er etwa auch so ein Wunderkind?//, dachte sie weiter, während sie seinen schnellen Schwerthieben auswich und drei Meter weiter hinten schließlich zum Stehen kam. Umino rannte schnell auf Shinji zu und versuchte sein Schwert herunter zu drücken. „Shinji, Shinji hör auf, Misa ist nichts passiert! Beruhige dich bitte, komm zu dir Shinji!“, sagte sie beruhigend, doch umso seltsamer schien seine leise Antwort zu sein: „Lass mich in Ruhe und nenn mich nicht so! Mein Name ist Shin…“ Neugierig beobachtete ein Mädchen diese Farce von einer weit entfernten, hohen Stelle. Stirnrunzelnd fragte sie sich, wie das alles nur weiter gehen sollte. Sie machte sich nicht viel aus dem Gespräch, ehe erwähnt wurde, dass Noriko Sukui gestorben, oder eher umgebracht worden war. Sie spürte Zorn in sich aufkochen. „Was…hat sie gesagt?“, fragte sie wütend und schaute vernichtend zu Boden, wo sie den blonden Kopf des Jungens sah, der für den Tod von Noriko verantwortlich war. „Das…kann unmöglich die Wahrheit sein!“, dachte sie aufgebracht und ihre rechte Faust bewegte sich zuckend vor Wut zu ihrem Herzen. Sie wollte etwas tun, doch ihr fiel nicht ein, was genau sie nun hätte tun sollen. Sie überlegte verzweifelt, doch ihr erschien nur eine einzige Lösung. Laut zischend und ganz ohne Vorwarnung, schlug ein riesiger Blitz auf der Lichtung ein und hinterließ einen großen Krater. Auf dem mit Kratzern und Dreck bedeckten Gesicht von Miyuki Sukui bildete sich ein solch zorniger Ausdruck, wie er noch niemals zuvor in dem Gesicht eines Mädchens gesehen worden war. Voller Wut auf Ren drehte sie sich um, sie versuchte die Schmerzen in ihrem Herzen zu verdrängen und ein lautes, verzweifeltes Lachen platzte aus ihr heraus. Das Lachen schallte Laut durch die Bäume und klang allmählich leicht verrückt, die Blonde richtete den Blick gen Boden. „Das..bekommt er noch zurück, darauf kann er Gift nehmen…“, sagte sie leicht kichernd und dann wandte sie der Lichtung den Rücken zu und ging mit einem unbeschreiblichen Blick in den Augen in die Richtung, aus der sie eben noch gekommen war. Als der laute Blitz in die Lichtung eingeschlagen war, wurde ein jeder, der gerade dort anwesend war, von der gewaltigen Wucht des Aufschlages getroffen und sie knallten mit ihren Köpfen an die naheliegende Steinwand. Ohne jede Vorwarnung hatte dies gereicht, um sie alle bewusstlos zu machen, außer einer Person. Yoko‘s Körper, welcher direkt von dem Blitzeinschlag getroffen worden war, erzitterte unter der gewaltigen Elektrizität, doch sie schaffte es trotzdem, sich wieder aufzurappeln. Sie atmete schwer und wollte schon langsam davon gehen, doch trotzdem sah sie sich noch ein letztes Mal um. Schwer angeschlagen zitterte sie erneut, doch wieder legte sich das süßliche Lächeln auf ihr feines Gesicht. „Ich denke…Shadow-sama kann auf diese paar wertlosen Seelen verzichten, die sind es nicht wert, von mir vernichtet zu werden…“, sagte sie abfällig und lachte leise, doch plötzlich sah sie etwas silbern Glänzendes in Ren’s leicht geöffneten Hand liegen. Ihre roten Augen zuckten leicht, sie lief so schnell sie konnte zu ihm herüber und bückte sich hinunter. Wütend musterte sie das Armband, welches einst Tora, und danach Noriko gehörte, in seiner Hand und die Silberhaarige ergriff es. „Woher zum Teufel hat er das Schmuckstück des Wassers?“, zischte sie leise. Ein leises Seufzen ertönte ihrerseits. „Was soll‘s, kommt mir eigentlich ziemlich gelegen, so wird sie niemals mit ihrem Plan durchkommen…“, sagte sie und sah erneut zu dem feinen Armband. „…und ohne das hier erst recht nicht…“. Yoko lachte leise und ließ unter schwerfälligen Schritten die Lichtung an der Felswand hinter sich zurück. Sie war sich sicher, dass sie Shadow-sama’s Wunsch bald erfüllen würde. Zwischen den Welten, auf einer kleinen Insel mitten im weiten Meer, lag eine Person bewusstlos am Strand. Das Wasser der Flut berührte immer und immer wieder ihre Kleider, ihre Haut und ihre Haare. Sie zuckte leicht, schlug langsam die grünen Augen auf. Nachdem sie sich etwas aufgerappelt hatte, sah sie sich verwundert um und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Noriko erhob sich nun ganz und drehte sich schließlich einmal um sich selbst, um die Situation zu mustern, in der sie sich gerade befand. „Wo…bin ich hier gelandet?“ ______________________________________ Nächstes Kapitel: 「生きている」 ・ Lebendig 「Ikite iru ~ World of the countless souls」 Kapitel 14: 「生きている」 ・ Lebendig 「Ikite iru ~ World of the countless souls」 ------------------------------------------------------------------------- Kapitel 14: 「生きている」 ・ Lebendig 「Ikite iru ~ World of the countless souls」 Regen tropfte auf den modrigen Grasboden. Seit Tagen schon war das Wetter so mies gewesen, nicht ein einziges Mal hatte der Himmel ein Zeichen auf besseres Wetter geliefert. Die Erde unter dem sonst so saftig grünen Gras wurde langsam aufgeweicht und Schlamm bildete sich, Schmutz wurde von Häusern und Felsen gewaschen, und Tiere erfreuten sich an dem kühlen Nass nach der langen Trockenperiode. So wie an diesem Tag hatte es schon seit einem halben Jahr nicht mehr geregnet, Bäche und kleinere Flüsse waren ausgetrocknet und die Tiere des Waldes hatten bis unter die Erde graben müssen, um etwas von der erfrischenden Flüssigkeit aufnehmen zu können. Ihre Füße glitten über den Boden, stolperten durch eine Schlammpfütze und versanken knietief im Morast. Schon so lange war sie auf der Suche gewesen, vieles hatte sich verändert, sah beinahe vollkommen anders aus, aber das war ja unvermeidlich, nach einer so langen Zeitspanne… Tora wusste, dass es hier irgendwo sein musste. Sie war zu lange nicht mehr hier gewesen, es war schon mindestens acht Jahre her gewesen. Durch ihren nassen Pony, welcher in den letzten Wochen ein Stückchen gewachsen war, konnte sie fast nichts mehr erkennen, ihre rötlichvioletten Augen sahen sich suchend in der Gegend um. Sie hatte fast nichts an, nur ein dünnes Kleid, eigentlich eher ein Nachthemd, deshalb begann die Lilahaarige nun auch noch, zu zittern. Ein Blitz schlug ein, der laute Donner ließ auch nicht lange auf sich warten. Das grollende Geräusch ließ das Mädchen stark zusammenzucken, ob es nur daran lag, oder ob es auch an der Kälte lag, das wusste sie nicht mehr. Ein weiteres Mal versank sie im Morast, dabei stolperte sie und fiel mit einem überraschten Aufschrei zu Boden. Schlamm spritzte auf, ihr Atem wurde flacher. Die Erschöpfung stand ihr ins Gesicht geschrieben. Nur zu gerne würde sie nun einfach auf dem Boden liegen bleiben und einfach alles abbrechen, doch sie hatte mit ihrem Plan angefangen, und nun konnte sie nicht mehr zurück, besonders nicht, nachdem Noriko nun gestorben war. Es hatte sie gefreut, dass sie ihren Körper gefunden hatte, erstaunlicher Weise sah er fast noch genauso aus wie früher, als sie noch klein gewesen war. Vor dem Unfall. Doch nachdem sie ihre Seele in dem Körper verankert hatte, begann sie zu altern und die letzten Jahre holten sie ein. Gedankenverloren stieß sie mit dem Kopf gegen eine hölzerne Wand. Hoffnungsvoll wanderte ihr Blick nach oben und ein leichtes Lächeln legte sich auf das hübsche, aber doch angeschlagene Gesicht Tora’s. Endlich hatte sie es geschafft, endlich war sie wieder bei ihrem Haus gelandet. Schnellen Schrittes lief sie in den Garten, in den hinteren Teil, wo die drei Gräber ihrer Familie standen. Eins von ihrem Vater, eins von ihrer Mutter, und eins von ihrer Schwester. „Keine Sorge, ich werde es schaffen und euch alle rächen, doch dafür musst du mir leider helfen, No-chan…“ Erneut schlug ein Blitz ein, das Mädchen zuckte zusammen und die Schaufel in ihrer linken Hand entglitt ihr. Yoshi schlug ihre blauen Augen auf. Ein sehr seltsamer Traum war das eben gewesen… War jenes Mädchen in ihren Träumen, welches Noriko tatsächlich sehr ähnlich sah, vielleicht diese Tora, über die ihre Freunde schon ein paar Mal geredet hatten? Da sie das Mädchen früher nie getroffen oder gekannt hatte, konnte sie sich auch nicht sicher sein und so beließ sie es dabei. Ihr war noch etwas schwindelig, vor ihren Augen drehte sich alles, bevor ihre Sicht langsam immer klarer wurde. Sie stellte fest, dass sie sich immerzu auf und ab bewegte und als Yoshi ihr hübsches Gesicht nach oben neigte, blickte sie direkt in ein Paar dunkelbraune Augen. „Na, bist du endlich aufgewacht?“, fragte Riku höflich und lächelte leicht. Sie nickte leicht und sah sich dann etwas um. Neben Riku lief Ren, dahinter Shinji. Während sie von Riku getragen worden war, lag Misa in Ren’s, und Umino in Shinji’s Armen. Der braunhaarige Shinji starrte leicht eifersüchtig herüber zu Ren, anscheinend hätte er lieber Misa getragen. Beide Mädchen schienen noch immer bewusstlos zu sein und jeder hier sah ziemlich fertig aus. „Was…ist passiert?“, fragte die Rothaarige und zuckte zusammen, ihr Kopf pochte laut, sie hatte ziemlich starke Kopfschmerzen und auch sonst tat ihr ziemlich viel weh. Ihre Wunde, welche fast verheilt war, schien wieder entzündet zu sein, jedenfalls sagte ihr das ein unangenehm brennendes Gefühl an ihrer Schulter, außerdem schmerzte ihr Rücken sehr. Noch dazu kam ein stechendes Gefühl an ihrem Hals, es fühlte sich an wie eine schwere Wunde und ihr fiel auf, dass ihr das Atmen schwerer fiel als sonst. „Wir haben vor ein paar Tagen Yoko und Ryoko wieder getroffen…“, fing Riku an, doch er wurde durch Ren unterbrochen. „Erzähl lieber erst mal von wichtigeren Sachen, als von diesen beiden Verrätern…“, sagte er abfällig und hustete. „Ist doch egal was ich zuerst erzähle…“, motzte der Braunhaarige und die beiden Jungen fingen an zu Streiten. Das ging ein paar Minuten so weiter, Yoshi überlegte schon, ob sie trotz der vielen Schmerzen im Kopf und am Hals etwas dazu sagen sollte, doch diese Aufgabe wurde ihr abgenommen. „Hört auf zu streiten…“, ertönte eine leise Stimme und Ren’s Aufmerksamkeit richtete sich auf das blonde Mädchen in seinen Armen. Misa war ebenfalls endlich aufgewacht. Riku seufzte leise auf und widmete sich dann wieder seiner Schilderung der letzten Erlebnisse. „Jedenfalls haben sie nur die ganze Zeit so getan, als wären sie nette Leute. In Wirklichkeit aber hat Yoko ihn die ganze Zeit kontrolliert, sie hat uns alle manipuliert und uns einige wichtige Dinge erzählt… Noriko ist anscheinend vor etwas mehr als drei Monaten gestorben, durch einen Fluch von diesem komischen Priester wurde Ren manipuliert und dazu gebracht sie…naja egal. Auf jeden Fall haben wir herausgefunden, dass Yoko eigentlich keine echte Winged Race ist, sie ist ein ursprünglicher Halbvampir und hat sich an dir begnügt. Sie fand dein Blut anscheinend sehr reizend…“, erklärte der Ältere und seine Stimme wurde immer zorniger. Ein leichtes Glücksgefühl machte sich in Yoshi’s Bauch breit, sie war froh darüber, dass Riku sich Sorgen um sich machte. Auch, wenn er sich dauernd wegen unwichtigen Dingen um sie sorgte und sie umschwärmte, in solchen Situationen wurden die Gefühle von jemandem wirklich getestet. „Yoko ist uns leider entwischt, durch einen plötzlichen Blitzeinschlag haben wir alle das Bewusstsein verloren und konnten sie nicht an ihrer Flucht hindern. Wir sind nun wieder auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, doch bevor wir das festlegen, müssen wir erst unsere Vorräte wieder aufstocken, deshalb sind wir gerade auf dem Weg zu einem meiner Häuser.“, sagte Ren und stieg über einen großen Ast, welcher den ganzen Weg versperrte. Riku holte seine Flügel hervor und flog geradewegs hinüber, dabei achtete er sorgfältig darauf, Yoshi nicht unnötig zu bewegen. Sie spürte, dass er vor Wut kochte. „Was ist los?“, fragte sie, ihre Stimme hatte einen leicht besorgten Unterton. Er winkte ab. „Diese…widerwärtige Yoko…sie hat es doch tatsächlich gewagt, dich zu verletzten, als du so hilflos warst…“, presste er mühevoll hervor und atmete stärker. Ein leichtes Lächeln legte sich auf das Gesicht der Rothaarigen. „Komm mal etwas näher.“, sagte sie langsam. Überrascht sah Riku zu ihr herunter. „Wieso, geht’s dir nicht gut?“, fragte er und kam näher. Ren und Shinji drehten sich verwirrt um. Wollte sie etwa tatsächlich…? Es kam, wie es kommen musste. Ohne damit gerechnet zu haben, zog Yoshi Riku am Kragen zu sich herunter, sie kam ihm etwas näher und küsste ihn innig. In diesem Moment schien es so, als würden tausende von kleinen Schmetterlingen durch ihren Bauch fliegen, sie fühlte sich frei und vergaß für einen Moment sogar die ganzen Schmerzen. Überrascht, aber doch glücklich erwiderte Riku den Kuss, das war es, wonach er sich schon so lange gesehnt hatte. Ren und Shinji sahen schnell weg und gingen weiter, in Ren’s Armen ertönte Misa’s Stimme: „Hey! Was ist denn los, warum geht ihr einfach weiter? Was ist passiert, sagt es mi-“, verlangte sie, doch Ren hielt ihr einen Finger vor den Mund und drehte sich so herum, dass die Blonde es sehen konnte. „Mach diesen Moment jetzt nicht kaputt, stör sie lieber nicht, sonst giftet Riku dich den ganzen Abend an.“, sagte er grinsend und ging wieder weiter. Ein fettes Grinsen legte sich auf ihr Gesicht, sie hatte nun verstanden. Während sich Shinji mit Umino auf den Armen ebenfalls wieder fortbewegte, sah er sehnsüchtig von Misa zu Riku und Yoshi herüber. „Hör gefälligst auf, Trübsal zu blasen, das macht mich vollkommen krank.“, murmelte eine schwer atmende Stimme unter ihm. Shinji’s Blick wanderte nach unten und sah in Umino’s geöffnete Augen. „Sei still, ich darf hingucken, wo ich will.“, sagte er leise. Die Blauhaarige schnaubte leicht verächtlich. „Wenn du es sagst…“ Und nach endlosen 30 Sekunden lösten Riku und Yoshi sich wieder voneinander. Riku hatte ein spitzbübisches Grinsen aufgesetzt, er wirkte wie ein kleiner Junge, der genau das an Weihnachten geschenkt bekommen hatte, was er sich gewünscht hatte. Yoshi ließ sich zufrieden weiter von ihm tragen. Ein paar Stunden vergingen. Es hatte nicht lange gedauert, bis die sechs an einem der Häuser von Ren’s Familie angekommen waren. Es war schon seit Jahren niemand mehr hier gewesen, deshalb war alles hier etwas staubig, aber trotzdem konnte man es aushalten. Der Blonde suchte nach ein paar neuen Kerzen. Die alten Öllampen waren ausgetrocknet, alle anderen Kerzen abgebrannt. Gearbeitet wurde hier schon lange nicht mehr. Als damals der Krieg ausgebrochen war, waren alle Bediensteten geflohen, um nicht die Konsequenzen für das Arbeiten in einer Familie mit Angehörigen der Winged Race erleiden zu müssen. Riku zündete die Kerzen mit seinen Fähigkeiten schnell an, in dem leichten Licht der Kerzen konnte man kaum etwas sehen. Es war schon ziemlich dunkel draußen, die Sonne war vor mehreren Stunden untergegangen. Der Sommer neigte sich langsam, aber sicher dem Ende zu, es wurde etwas kälter und die Zikaden zogen sich zurück. Ihre Rufe hörte man am meisten in den Hochsommermonaten, also von Juli bis August. Müde und ausgelaugt sah Misa sich in dem Raum um. Es war ein sehr großer Raum, er lag im Untergeschoss dieses Hauses, da man diesen nicht so leicht finden konnte. Deshalb war es hier auch ziemlich kalt. Als sie dies laut feststellte, sprang Shinji sofort auf und gab ihr seine eigene dünne Decke. Dankbar lächelte sie und wurde dabei von einem Hustenreiz unterbrochen. „Wem von uns geht es eigentlich am miesesten?“, ertönte Umino’s heisere Stimme. Ren sah sich um. „Also ich würde sagen, dass wir Jungs so gut wie unversehrt sind, die paar Kratzer und Schrammen sind nicht schlimm. Euch Mädchen hat es wohl mehr erwischt, besonders Yoshi.“, stellte er laut fest und sah rüber zu der Rothaarigen, welche erschöpft in Riku’s Armen schlief. Der Braunhaarige wärmte sie zusätzlich durch seine eigene Körperwärme, das würde auch helfen, um ihre Wunden schneller zu heilen. Wenn sie viel Kälte abkriegen würde, würden sich die Wunden nur unnötig entzünden. Der Junge schien glücklich zu sein, jedenfalls konnte er sich nicht beklagen. Misa lehnte sich an Shinji an, sie war sehr erschöpft und ihr war auch immer noch kalt. „Stört dich das?“, fragte sie müde und sah zu ihm hoch. In dem spärlichen Licht konnte sie, und er dankte Gott dafür, nicht sehen, dass er dunkelrot anlief. „Nein, ist schon in Ordnung…“, murmelte er und lächelte leicht. Es dauerte nicht lange und auch Misa landete im Land der Träume. Unentschlossen sah Umino rüber zu Ren, welcher als Einziger noch frei war. Der Blonde kicherte leise. „Na komm schon her~“, sagte er und winkte sie zu sich. Dankbar lächelnd rutschte sie zu ihm und lehnte sich an. Eine angenehme Wärme durchzog sie, sie zitterte leicht und schlief dann ebenfalls ein. Zum ersten Mal seit einer Weile hatte sie einen angenehmen, traumlosen Schlaf, dass konnte man nicht mit den letzten paar Nächten vergleichen. Die drei Jungen sahen sich an. Riku hustete leise. „Ist schon komisch, oder?“, fragte Ren und sah den beiden ins Gesicht. „Was denn?“, fragte der Älteste und sah ratlos rüber zu Riku, welcher auch nicht ganz verstand, worauf Ren hinaus wollte. „Naja…wir sollten eigentlich nach dem Mädchen suchen, und so schnell wie möglich dafür sorgen, dass der Krieg bald beendet wird. Doch stattdessen würde ich lieber einfach hier sitzenbleiben und darauf warten, dass jemand anderes unser Schicksal erfüllt, und wir in Ruhe hier bleiben können. Das wäre doch was…“, murmelte er leise und seufzte wohlig. „Also ich finde das nicht. Wir müssen unser Schicksal selber bestimmen. Und unser Schicksal beinhaltet das Beenden dieses sinnlosen Kriegs. Willst du etwa, dass Noriko vollkommen umsonst gestorben ist?“, fragte Riku und pustete eine Haarsträhne aus seinem Gesicht. Ren zuckte leicht zusammen. „Riku hat recht, wir sollten uns kurz ausruhen, und dann so schnell wie möglich weiter reisen. Wo sollen wir eigentlich als nächstes hin gehen? Die Auswahl ist ja nicht mehr so groß…“, erklärte Shinji. Ren zog die Landkarte hervor. „Ich weiß nicht…die Sache mit diesem Mädchen ist ja nur eine Legende…vielleicht sollten wir einfach die Regierung der Menschen aufsuchen und ihren Anführer herausfordern, vielleicht können wir es so schaffen…“, schlug der Blonde vor, doch Riku widersprach ihm. „Wir sollten nicht so überstürzt handeln. Ich finde, wir sollten es nicht darauf ankommen lassen, und lieber weiter nach dem Mädchen suchen. Wie wäre es mit diesem Ort?“, sagte der Braunhaarige und zeigte mit seinem Finger auf eine trockene Gegend, auch bekannt als Spiegel-Seelen Wüste. „Stimmt, da waren wir wirklich noch nicht…dahin sollten wir gehen! Dieses Haus liegt im Nordwesten des Landes…und der Karte nach liegt die Wüste im Nordosten. Das würde ein paar Tage Fußmarsch bedeuten, aber das werden wir schon schaffen.“, sagte Shinji motiviert und steckte die Karte wieder ein. „Welchen Monat haben wir eigentlich mittlerweile?“, fragte Riku und dachte nach. „Ich hab mich schon eine Weile nicht mehr um das Datum gekümmert, es war mir nie so wirklich wichtig…“ Shinji dachte nach und schien zu rechnen. „Ich glaub wir haben jetzt seit kurzem September.“, erklärte er überzeugend. Aus unergründlichen Gründen musste Ren in just diesem Augenblick an Noriko denken. Was für eine Bedeutung hatte der Monat September für Noriko? Gedankenverloren suchte Ren in seinen Hosentaschen nach Noriko’s Armband. Doch wider Erwarten fand er dort nichts Vergleichbares. Verwundert suchte er in der nächsten Tasche, doch wieder fand er nichts. Er suchte und suchte, dann noch ein zweites Mal, doch das silberne Armband blieb verschwunden. „Hey Riku, weißt du zufällig wo Noriko’s Armband ist?“, fragte der Blonde. Der Angesprochene schüttelte den Kopf. „Nein. Wieso, hast du es vielleicht verloren?“, fragte er und nervös zuckte Ren mit seinen Schultern. „Ich hatte es doch neulich noch…wo kann es denn bloß sein?“, fragte er verzweifelt und dachte nach. Vielleicht hatte er es vor ein paar Tagen verloren, als sie vor Yoko geflohen waren. Sie hatten sich sehr beeilt und nur dringend nötige Rasten eingelegt. „Sollen wir suchen gehen?“, fragte Shinji und legte Misa vorsichtig neben sich auf den Boden. Ren nickte leicht und legte Umino neben sich. Riku sah seufzend runter zu Yoshi. „Okay, ich bin dabei.“, stimmte er zu und legte sie ab. Dann sprangen die drei Jungen auf und verließen das Haus. Die Gruppe trennte sich und suchte in einem kleinen Umfeld um das Haus herum, da es schon so dunkel war, konnten sie sich nicht weiter entfernen, sonst würden sie womöglich nicht mehr zurück finden. Riku wusste schon nach vier Minuten nicht mehr, ob er sich noch in der Nähe des Hauses befand. Er stolperte über einen mit Moos überwachsenen Stein. „Hmm… mein Bruder sagte mal, dass die moosige Seite eines Steines in Richtung Süden zeigt.“, murmelte er vor sich hin und beäugte den Stein. „Und da der Stein vollkommen mit Moos bewachsen ist, heißt das, dass ich im Kreis laufen muss!“, sagte er entschlossen. Doch er schaffte es nicht und lief stattdessen einen halben Kilometer nach Süd-West. Vor einer kleinen Quelle stoppte er schließlich. //Hmm…bin ich hier nicht schon mal gewesen? Oder sollte mich mein Schicksal etwa genau hier hin führen?//, fragte er sich und dachte nach. Die zweite Lösung schien ihm einleuchtend zu sein, also sprang er geradewegs in das kühle Wasser und suchte nach dem Armband. Um ihm die Suche zu erleichtern, schoss aus seiner rechten Hand eine warme Flamme, gefärbt wie ein milder Sonnenuntergang im Sommer. Mit diesem Lichtspender kniete er sich in die Quelle und er konnte tatsächlich bis auf den Boden sehen. Doch neben einer Menge Kieselsteine, ein paar größeren Steinen und ein paar Muscheln, konnte er nichts anderes entdecken. Vielleicht war er doch am falschen Ort gelandet… Gerade wollte er sich wieder aufrappeln und versuchen, den Weg zurück zu dem Haus der Kenka Familie zu finden, als er das Spiegelbild von etwas Leuchtendem sah. Etwas Feines schwebte auf ihn zu, klein wie eine Blatt. Er blickte auf und streckte die Hand aus. Eine eisblau leuchtende Engelsfeder landete auf seiner Handfläche. Der Braunhaarige schien für einen Moment wie benebelt zu sein, das Leuchten der Feder schien nicht wie von dieser Welt zu sein. Gehörte sie womöglich zu einem Mitglied der Winged Race? Die Färbung der Feder erinnerte ihn allerdings an jemanden…doch an wen nur? Grübelnd verließ Riku die Quelle und ging mit der Feder in der Tasche zurück auf die Suche nach einem Weg zu Ren’s Haus. Ein paar Monate zuvor… Nachdem Noriko ein letztes Mal ein Lächeln auf ihr Gesicht gezaubert hatte, und ein letztes Mal das Gesicht von Ren, dem Jungen, den sie über alles liebte, berührt hatte, zersprang ihr Körper zu Eis. Es war nicht ungewöhnlich für ein Mitglied der Winged Race auf so eine Weise zu sterben. Die Winged Race konnten bis zu 1000 Jahre alt werden, besaßen aber immer das Aussehen eines jungen Erwachsenen, und den klaren Verstand eines hochgebildeten Menschen, auch in noch sehr jungen Jahren. Ihr Verstand war fast von Anfang an so perfekt, wie an ihrem Lebensende. Wenn sie in ihrem Leben eine spezielle Fähigkeit besessen hatten, dann endete ihr Leben in Etwa so wie mit Noriko. Wenn dem nicht so war, dann holten die vergangenen Jahre ihre Körper ein, sie alterten unfassbar schnell und zerfielen schließlich zu Staub. Von diesem Staub wurde gesagt, dass er lebensbedrohliche Wunden heilen, und alte Menschen wieder jung werden lassen könnte, doch noch hatte dies niemand ausprobieren können. Wenn ein Winged Race so alt war, dass er wusste er würde nicht mehr lange leben, dann verbrachte er die letzten Jahre seines Daseins meistens im engsten Kreis seiner Familie und wartete still auf sein Ende. Doch bisher waren nur wenige Mitglieder so alt geworden, die meisten waren damals schon von Menschen getötet worden. Noriko’s Seele löste sich langsam von der Erde, sie spürte nicht viel davon, dass Einzige, woran sie gerade in diesem einen Augenblick denken konnte, war das letzte Bild von Ren gewesen – Traurig, still, eine Maske der Verzweiflung. Doch was hätte sie tun sollen? So wie ihre Schwester es ihr gesagt hatte, hatte sie gedacht, dass sie sich opfern müsse, da ja das Mädchen, welches den Krieg begonnen hatte, und der Legende nach als Einzige wieder den Krieg beenden konnte, in ihr wohnte, seit mehr als zehn Jahren. Sie hatten gedacht, dass der Krieg durch ihr Opfer endlich vorbei wäre, doch noch hatte sich diese Prophezeiung nicht erfüllt, es herrschte noch immer dieser schreckliche Krieg. Und durch den Zufall mit Tora in ihrem Inneren war es ihr fast noch leichter gefallen, sich für Ren zu opfern, dafür zu sorgen, dass er weiter leben konnte. Sie fühlte sich frei, schwerelos, als sie unsichtbar über die Wälder schwebte, in ihrem Kopf drehte sich die Zeit rückwärts und sie sah die letzten Wochen ihres Lebens an ihr vorbeistreichen. Ihre Freunde lächelten sie an, daneben ihre Familie. Ja, es war die richtige Entscheidung gewesen, da war sie sich nun vollkommen sicher. Langsam lösten sich ihre Erinnerungen von ihr, sie blieben in der Welt zurück, genau wie alles, was sie an diese Welt gebunden hatte. Ihre Seele flog weiter, immer höher, immer schneller… Es dauerte lange, bis sie an ihrem neuen Bestimmungsort ankam. Fast drei ein Viertel Monate war sie umher geschwebt, durch ihre Gedanken, Erinnerungen, Träume. Durch Farben, das Weltall und andere Dinge, es war ein schöner Weg gewesen. Doch je weiter sie sich von der Erde entfernt hatte, desto mehr Erinnerungen verschwanden aus ihrem Kopf. Als sie die grünen Augen wieder aufschlug, lag sie an einem Strand. „Wo…bin ich hier gelandet?“, fragte sie sich leise, ihre Stimme klang verändert, nicht mehr so rau und viel süßer. Eine blonde Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht. Stimmte ja, bevor sie in diesen Unfall mit der Person geraten war, an die sie sich nicht mehr erinnern konnte, war sie blond gewesen. Sie hatte ehrlich keine Ahnung mehr von den letzten Wochen, sie erinnerte sich an gar nichts mehr…nur noch an ihren Namen, und, dass sie kein menschliches Wesen war. Sie war von Geburt an etwas Besonderes gewesen, da war sie sich sicher. Es fiel ihr auf, nachdem sie etwas an ihrem Rücken gespürt hatte. Ein kurzes Ziehen, ein leichtes Brennen, und ein paar weiße Flügel erschienen. Sie hatten einen leichten, eisblauen Schimmer. Da kam Noriko in den Sinn, dass das Herauslassen ihrer Flügel dieses Mal nicht sehr weh getan hatte, früher hatte ihr das viel mehr ausgemacht…wieso nur? Doch das war jetzt unwichtig, sie musste herausfinden, wo sie war und was sie hier sollte. Ungeschickt rappelte sie sich auf, ihr war noch ein wenig schwindelig, doch allmählich schärfte sich ihre Sicht wieder. Der Blick der Blonden schweifte über die Insel. Sie lud nicht gerade zu einem Besuch ein, doch sie schreckte einen auch nicht im ersten Moment ab. Sie sah interessant aus, irgendwie verwildert. Die Insel schrie geradezu danach, von jemand Fremdem erforscht zu werden. Obwohl Noriko sich nicht mehr daran erinnern konnte, jemals mit ihren Flügeln geflogen zu sein, bewegten sich die großen weißen Schwingen reflexartig auf und ab, das Mädchen ging in die Hocke und sprang ab – nur um im nächsten Moment wieder auf den Boden zu fallen. „Was ist los?“, fragte sie sich laut und tastete die Flügel nach irgendwelchen Verletzungen ab. Nichts Besonderes fiel ihr dabei auf. Auf dieser Insel funktionieren solche Kräfte nicht, hier ist jeder gleich, egal ob Mensch, geflügeltes Wesen oder anderes Wesen. Jeder hat die gleichen Fähigkeiten. Also kannst du auch nicht fliegen, oder deine anderen Fähigkeiten einsetzen… Die Blonde zuckte stark zusammen. Was war das gerade für eine Stimme in ihrem Kopf? Wieso hatte sie ihr diese Dinge erzählt? Und warum überhaupt hörte sie solche Stimmen? Wurde sie allmählich verrückt? Ohne weiter darüber nachzudenken, erinnerte sie sich an den Rest, den die Stimme in ihrem Hinterkopf ihr erzählt hatte. „Meine…anderen Fähigkeiten…was meinte sie damit? Habe ich etwa noch andere Fähigkeiten?“, fragte sie sich laut und dachte angestrengt nach. In ihrem Kopf erschien für einen Moment wieder das Bild von einem unbekannten blonden Jungen, welcher ungläubig zu einigen Eissplittern starrte. Hatten ihre Fähigkeiten vielleicht etwas damit zu tun? Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn urplötzlich spürte sie einen sehr starken, brennenden Schmerz im Bauch. Sie sackte auf die Knie, schrie überrascht auf und sah zu ihrem Bauch. Dort war nichts. Nichts, was nach einer Verletzung aussehen könnte. Sie hob das dünne, unbekannte Oberteil nach oben – auch auf ihrer nackten Haut konnte sie nichts erkennen. Verwirrt schob sie das Hemdchen wieder an seinen richtigen Platz und richtete dann wieder den Blick auf die Insel. Etwas zog sie dort hin, wie ein riesiger Magnet… Sie kehrte dem Strand den Rücken zu und marschierte geradezu in den angrenzenden Wald, dabei bemerkte sie nicht, dass der vordere Teil des Strandes, welcher direkt am Meer lag, zu glühen begann, und sich dann um etwa einen halben Meter dehnte – auf der ganzen Insel. Und irgendwo auf der Insel, in den Tiefen des Urwaldes, verschwand das Leuchten von einigen winzigen Lichtern. An einem anderen Ort auf der Insel sah ein schwarzhaariger Junge zu Etwas in seiner rechten Hand, es sah aus, wie eine feine Kette mit einem relativ großen, silbernen Amulett. Es blinkte ein Mal kurz, dann erschien das Gesicht eines silberhaarigen Mädchens. „Nun, was kannst du mir berichten, Yoko.“, fragte er mit einer Stimme, welche normalerweise jedes Lebewesen abgeschreckt hätte. Das Mädchen sah beschämt zu Boden und wirkte zerknirscht, es verneigte sich tief. „Verzeiht mir bitte Shadow-sama, ich habe es leider nicht geschafft, mir die Seelen der Auserwählten zu holen, mir kam etwas dazwischen.“, sagte sie, mit einem flehenden Unterton in der Stimme. Ein kaltes Lächeln legte sich auf das Gesicht des Jungen. „Das ist bedauerlich Yoko, sehr bedauerlich. Ich weiß nicht, ob ich dir so noch weiterhin vertrauen kann…“, sagte er und überlegte gespielt. „Es tut mir leid, Sie können mir natürlich vollkommen vertrauen Shadow-sama, aber ich habe mir gedacht, dass diese wertlosen Aussätzigen es nicht verdient hätten, zu ihrer Sammlung hinzugefügt zu werden…“, versuchte sie sich herauszureden. Der Junge lachte verächtlich. „Was soll ich nur mit dir machen…ich kann nicht auf dich verzichten…Du weißt genau, wie wichtig mir diese Seelen waren, sie hätten mir geholfen und ich wäre mit meinem Plan ein ganzes Stück weiter gekommen…bist du bereit, deine Strafe zu ertragen?“, fragte er und konzentrierte sich. Yoko schluckte – sie wurde schlagartig kreidebleich. „J-ja, natürlich, ich verdiene es so.“, sagte sie. Die orange leuchtenden Augen des Jungen glühten für wenige Sekunden, Yoko schrie plötzlich auf. Etwas Schweres fiel zu Boden. Dann ein erneuter Aufschrei. „Ich finde, dass diese Flügel schon lange nicht mehr zu dir gepasst haben, Yoko. Vielleicht hättest du nicht zu einer Winged Race werden sollen, es steht dir nicht. Und jetzt verfolge diese Lebewesen bitte, und hör auf, deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Du weißt, dass ich das nicht leiden kann.“, sagte er und lächelte wieder kalt. Yoko keuchte schwer auf. „Vielen Dank für Ihre Gnade, diese Flügel habe ich tatsächlich nicht gebraucht. Wären Sie so gütig, die Wunden für mich zu heilen?“, fragte sie und neigte den Kopf wieder gen Boden. „Ich bin sicher, du wirst es auch so aushalten, sie es als eine Prüfung deiner Kräfte an. Wenn es jedoch nicht mehr zu ertragen ist, würde ich dir empfehlen, ein wenig Blut zu Trinken.“, kam die vage Antwort und mit einem letzten Nicken und Verbeugen wurde die Verbindung unterbrochen. „Und mit sowas muss ich mich immer herumschlagen…“, murmelte der Junge seufzend und sah nach unten. Dort am Strand konnte er deutlich die Umrisse einer Person erkennen. Ein weiteres Lächeln legte sich auf sein Gesicht. „Unser nächster Gast ist also gerade eingetroffen…wunderbar!“, murmelte er vor sich hin und erhob sich von seinem Platz. Er sah etwas genauer hin. War das womöglich das Mädchen, welches ihm von Yoko empfohlen worden war, da ihre Seele anscheinend besonders groß war? Das konnte doch nur sie sein, die Beschreibungen passten perfekt. Nur ihre Haarfarbe wirkte anders, als in Yoko’s Beschreibung, aber das war ihm jetzt auch erst mal egal. „Das wird ja immer besser heute!“, rief er fröhlich vor sich hin und lief zum Rande der kleinen Klippe. Mit einem erfreuten Ausruf ließ er sich fallen, auf dem Boden angekommen rollte er sich ab und stellte sich gerade hin. Seine Kleidung hatte sich verändert, sie wirkte nun wie die von allen Neuankömmlingen, zumindest von den männlichen. Er trug ein weißes Baumwollhemd, eine dunkelbraune Hose aus einem weichen Stoff, aber weder Schuhe, noch irgendetwas anderes dieser Art. Er setzte eine freundliche Miene auf, marschierte dann langsam los. „Das wird ein Spaß! Mal sehen, ob ich sie wieder zurück schicken kann…“, murmelte er noch vor sich hin, dann machte er sich auf den Weg durch den finsteren Wald. Noriko stolperte und fiel – schon wieder. Hier war es so dunkel, dass man nicht mal die Hand vor Augen sehen konnte, auch, wenn man es noch so sehr versuchte. Das konnte einem ganz schön auf die Nerven gehen. Doch gegen ihre Erwartung als sie nachschaute, hatte sie immer noch keine Verletzung davon getragen. Was war das hier für eine seltsame Insel? Warum konnte man sich hier nicht verletzen? Und wie überhaupt hatte sie es geschafft, hier her zu kommen? Weiterhin unwissend ging sie weiter, genau dahin, wo sie hingezogen wurde. Sie drückte einige Äste beiseite, stolperte beinahe wieder über einen Baumstamm. Langsam wurde sie wütend. Als sie dann auf dem feucht-kalten Boden ausrutschte, blieb sie vorerst liegen. Der modrige Geruch des Waldes in ihrer Nase kam ihr bekannt vor. War sie vielleicht früher öfters durch Wälder gelaufen? Die Blonde wusste es nicht, also beließ sie es einfach dabei. Als sie jedoch ihren Kopf anhob, um sich wieder aufzurappeln, fiel ihr Blick auf etwas an dem Baumstamm hinter ihr. Ein paar hellgelbe Pilze wuchsen an ihm. Für einen kurzen Moment kam ihr wieder das Bild von dem unbekannten blonden Jungen in den Sinn, und sie fühlte sich seltsam beglückt. Als wäre das eine lustige Erinnerung von früher. Sie schüttelte schnell den Kopf und stand rasch auf. Ohne weiter über verlorene Erinnerungen und seltsame Pilze nachzudenken, ging sie stur geradeaus, bis sie vor etwas Halt machte. Das Bild vor ihr schien perfekt zu sein: Ein paar kleinere und viele größere Felsen standen nah aneinander, ein paar waren aufgereiht. Von ganz oben floss Wasser hinab, ein kleiner Wasserfall, wie es schien. Unter den Felsen hatte sich ein kleiner See gebildet, umgeben von weißen Kieselsteinen und Schilfrohr. Hunderte von kleinen, hell leuchtenden Punkten flogen über dem Wasser, nahmen immer wieder neue Positionen ein. Ihr fehlten die Worte, die diese Szene hätten ausdrücken könnten, es war einfach zu atemberaubend. „Wunderschön, nicht wahr?“, fragte eine Stimme neben ihr. Noriko zuckte zusammen, sie erkannte diese Stimme. Es war jene, die ihr vorhin erzählt hatte, dass man hier keine außergewöhnlichen Fähigkeiten einsetzen konnte, dass jedes Wesen hier vollkommen gleich war. Schnell drehte sie sich um, erblickte einen unbekannten Jungen. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, seine Augen dagegen von einem milden Orange, fast Honigfarben. Er trug einfache Kleidung und aus seinem Rücken ragten zwei tiefschwarze Flügel, sie wusste nicht genau, von welchem Wesen sie hätten sein können, vielleicht die eines Raben, doch das war nicht das Auffälligste an ihm. An seiner linken Wange entlang verlief ein schwarzes Muster aus verschlungenen Linien, es musste wohl oder übel eine Tätowierung sein. „Hallo, du musst Noriko Sukui sein, oder irre ich mich?“, fragte er mit einer sanften und höflichen Stimme. Das Mädchen schluckte hart. Was sollte das? „J-ja, das bin ich.“, stammelte sie. Wieso kannte dieser Junge ihren Namen? Er schien ihr nicht geheuer zu sein. Unschlüssig ob sie ihn etwas fragen sollte, verschlang sie ihre Finger ineinander und dachte nach. Vielleicht war er ja auch nur zufällig hier, doch da er hier mit ihr auf der Insel war, wusste er vielleicht etwas über sie. Die Blonde fasste den Entschluss, dass sie vielleicht diesen Typen ausquetschen könnte, um Antworten auf ihre Fragen zu bekommen. „Woher kennst du mich und vor allem meinen Namen?“, fragte sie mutiger, immer noch schwang ein leicht verwirrter Unterton in ihrer Stimme mit. Der Junge schien sich sehr darüber zu amüsieren, er kicherte leise und seufzte erheitert. „Hmm…darauf gibt es natürlich ein paar simple Antworten. Willst du sie hören?“, fragte er und verschränkte die Arme. Noriko nickte eifrig. „Du wirst mir bestimmt nicht glauben…“, sagte er, ein wenig abwehrend. Das Mädchen hob beide Augenbrauen an, und wies ihn an, ihr alles zu erzählen. Ein weiteres Mal lächelte der Junge. Noriko verstand nicht recht, was an der ganzen Sache so furchtbar komisch war. „Nun, die gröbste Antwort auf deine Frage ist wohl, dass ich kein gewöhnlicher Mensch bin. Ich bin ein Gott.“, sagte er knapp. Ihre Reaktion war genau so, wie er es erwartet hatte, und wieder kicherte er leise. Noriko machte ein skeptisches Gesicht, unterbrach ihn aber nicht, sie wartete darauf, dass er eine gute Erklärung ablieferte. „Natürlich bin ich kein einfacher Gott, ich bin der Gott, der über diese Insel wacht.“, fuhr er fort und wartete wieder ihre Reaktion ab. „Was für eine Insel ist das hier? Sie…es kommt mir so vor, als wäre hier irgendeine seltsame Kraft, die Insel ist so seltsam…es scheint mir außerdem so, als hätte sie mir alle Erinnerungen gestohlen, die ich bis jetzt hatte, ich erinnere mich an fast gar nichts mehr.“, erklärte die Blonde leicht aufgebracht und wartete ab, da der Junge eine nachdenkliche Miene aufgesetzt hatte. Noriko schien verwundert. „Was ist los?“ „Seltsam…willst du nicht zuallererst meinen Namen wissen? Ist doch irgendwie unhöflich, dass ich weiß, wer du bist aber du nicht weißt, wer ich bin, denkst du nicht?“, fragte er und legte den Kopf schief. Das Mädchen verdrehte die Augen, das wäre wohl ihre nächste Frage gewesen, aber ihr war es gerade ziemlich egal, wie dieser „Gott“ hieß, ihr waren ihre anderen Fragen wichtiger als das. „Dann sag wie du heißt, und dann beantworte bitte meine anderen Fragen.“, sagte sie trocken und ließ sich auf den Boden fallen. „Mein Name ist Taiyo, Taiyo Hiretsu. Und diese Insel hier ist keine gewöhnliche Insel. Du hast recht mit deiner Überlegung, hier gibt es tatsächlich ungeahnte Kräfte. Diese Insel ist ein Friedhof. Ein Friedhof für Seelen genauergesagt. Ich bin der Gott der Seelen.“, erklärte Taiyo trocken. Noriko schnaubte leicht. „Dann hast du aber den falschen Namen…“, sagte sie leise und dachte an die Bedeutung des Namens, Sonnenschein. Sie hatte seine Worte noch nicht ganz registriert. Dann leuchtete die Erkenntnis in ihren Augen und sie hatte den Wink verstanden. „Warte mal, das hier ist ein Friedhof? Aber…wieso bin ich dann hier, und wieso sind hier überall diese lebenden kleinen Tiere?“, fragte sie verwundert und deutete auf die schwebenden Punkte neben ihnen, es waren Glühwürmchen. Taiyo holte tief Luft, dann sah er sie mit einem durchdringenden Blick an. „Du bist tot.“, war seine knappe Antwort. „Kurz nach deiner Ankunft auf dieser Insel müsstest du irgendwo starke Schmerzen gespürt haben, sie zeigen einem auf eine verborgene Weise, wie man gestorben ist.“, sagte er weiter und beobachtete jede Mimik in Noriko’s Gesicht. Ihr Gesicht wurde kreidebleich, sie versteinerte und fühlte sich, als hätte ihr jemand direkt ins Gesicht geschlagen. „Ich bin…tot?“, ertönte ihre Stimme, die Worte kamen ihr über die Lippen, als müsse sie jedes einzelne Wort herausziehen. Der Junge nickte still. Sie schluckte schwer, so vieles ergab Sinn, aber genauso viel verstand sie noch nicht so ganz. „Aber…wieso bin ich dann die Einzige, die noch so aussieht, wie früher? Und was ist jetzt mit diesen Glühwürmchen?“, fragte sie und starrte schwach zu Boden. „Mhhm.“, machte der Schwarzhaarige, es war ein schwaches, leises Geräusch, doch es dröhnte in den Ohren der Blonden, als ob er sie angeschrien hätte. „Diese Glühwürmchen sind eigentlich keine. Es sind die Seelen von den Verstorbenen, die noch nicht zur Ruhe gekommen sind. Wenn man stirbt, dauert es eine Weile, bis man an diesen Ort kommt. Hier angekommen verlieren alle Seelen ihr Gedächtnis, sie wissen nichts mehr, außer höchstens ihren Namen oder sowas in die Richtung. Alle 300 Jahre gibt es eine besonders starke Seele, die ihre frühere Gestalt annimmt. Meine Kräfte erlauben es mir, diese Person wieder in ihr Leben zurückzuschicken, falls diese Person den Wunsch dazu hegt. Vor 300 Jahren war schon mal ein Mädchen hier, viel jünger als du. Sie landete hier, weinend und blutverschmiert. Sie war verzweifelt. Ich half ihr wieder zurück in ihr früheres Leben, wir stehen noch immer in Kontakt.“, erzählte er weiter und es schien Noriko so, als wäre das das Ende seiner Erzählung. Seine Worte bohrten sich in ihren Kopf, jedes einzelne davon glitt durch ihren Verstand. „Das heißt…ich könnte wieder zurück in mein altes Leben? So etwas geht tatsächlich?“, fragte sie, vollkommen erstaunt. Taiyo nickte leicht. „Natürlich ist es ein Eingriff, der gegen die Naturgesetze geht, deshalb muss ich dabei einen Teil meiner eigenen Kräfte verwenden, aber so eine Chance bekommt man nur ein Mal im Leben. Oder eher im Tod.“, sagte der Schwarzhaarige und die Blonde schien nachzudenken. „Willst du wieder zurück?“ Noriko massierte ihre Schläfen, dass alles bereitete ihr Kopfschmerzen. Einerseits wollte sie hier bleiben, dieser Ort schien ihr wie geschaffen für eine verlorene Seele wie sie, doch andererseits spürte sie ein Verlangen. Ein sehr starkes Verlangen, etwas aus der wirklichen Welt rief nach ihr, wollte sie um jeden Preis wieder haben. Was sollte sie tun? „Du kannst gerne noch ein wenig darüber nachdenken, doch sehr viel Zeit bleibt dir nicht mehr. Ich muss innerhalb von wenigen Stunden handeln, je länger es dauert, desto größer ist die Gefahr, dass das alles nach hinten los geht.“, sagte er mit einem leicht drängenden Unterton in der Stimme. Das Mädchen kauerte sich zusammen. Ihr Kopf schmerzte von dem ganzen Nachdenken, von der Verwirrung der ganzen Worte. Sollte sie in die Naturgesetze eingreifen und zurückkehren, oder sollte sie es einfach bei ihrem Tod belassen? Eine sehr schwere Entscheidung lastete auf ihren Schultern. Doch nach einigen Minuten des Überlegens nickte sie kaum merklich. „Bist du sicher?“, fragte Taiyo, er würde es nur tun, wenn sie es tatsächlich selber wollte. Noriko hob ihren Blick, sah ihn aus ihren Giftgrünen Augen an – sie wirkte sehr ernst. Ernst und sicher. „Ja. Schick mich bitte zurück, ich muss herausfinden, warum ich so ein Verlangen verspüre, wieder zurückzukehren.“, sagte sie und ihr Ton zeigte keinerlei Unsicherheit mehr. Der Schwarzhaarige lächelte sie freundlich an. „Nun denn. Es gibt aber etwas anderes, was ich dir noch erzählen muss: Es ist nicht hundertprozentig sicher, dass alle deine Erinnerungen wieder kehren werden. Manchmal kamen sie zurück, wenn auch ein wenig verspätet, manchmal kamen sie niemals wieder. Bist du immer noch überzeugt?“, fragte er und drehte sich leicht seitlich weg, doch nun sprang das Mädchen auf. „Ich bin vollkommen sicher. Tu es bitte.“ Taiyo nickte und stimmte zu. Er nahm ihre Hand in seine. „Folge mir bitte, ich muss etwas vorbereiten.“, sagte er mit einem sachlichen Ton, Noriko nickte und die beiden gingen zurück in die Richtung, aus der der Junge vorhin gekommen war. Oben auf der Klippe angekommen, ließ Taiyo Noriko’s Hand wieder los, er wies sie an, sich hinzusetzen und abzuwarten. Sie tat wie ihr befohlen worden war und sah ihm gespannt zu, wie er einige Dinge gleichzeitig tat. Er bewegte seine Hand zum Mund, und küsste den schwarzen Stein in einem Ring an seinem rechten Zeigefinger. Der Stein begann zu glühen. Dann fuhr er mit dem Zeigefinger ein paar seltsame Muster und Gravierungen auf dem Steinboden nach, sie färbten sich schwarz. Er stellte sich in die Mitte des Musters, hielt die Hände neben sich als würde er jemandem die Hand hinhalten wollen, schloss die Augen und murmelte einige für das Mädchen unverständliche Worte. „Steh jetzt auf und stell dich da hin.“, forderte er Noriko auf und wies sie an, sich an dieselbe Stelle zu stellen, auf der er gerade eben noch gestanden hatte. Sie nickte und stellte sich auf die besagte Stelle. Sie richtete ihren Blick zu Boden und besah sich das Muster. Die schwarzen Linien, welche im Übrigen dem Muster an Taiyo’s Wange ähnlich waren, leuchteten dunkel und dunkle Strahlen traten aus ihnen hervor. Noriko schloss ihre Augen, die Strahlen umhüllten sie. „Gute Reise, ich hoffe, dass du deine zweite Chance nutzen wirst.“, ertönte Taiyo’s Stimme, irgendwo unter ihr – sie hatte nicht gemerkt, dass sie, oder vielmehr die Kugel aus dunklem Licht abgehoben hatte. Sie wollte ihm danken, doch ihre Lippen waren fest aufeinander gepresst, sie spürte, dass sie immer schneller wurde. „Wunder dich nicht. Wenn du in der wirklichen Welt ankommst, dann wirst du die Form von irgendetwas annehmen, dass eine Verbindung zu dir hatte. Und es wird etwa einen Tag dauern, bis du deine alten Formen wieder angenommen hast!“, rief der Schwarzhaarige ihr im ersten Moment zurück, doch Noriko bekam weniger als die Hälfte davon noch mit. Der Junge sah ihr nach, sah, wie die dunkle Kugel immer kleiner wurde und schließlich vollkommen verschwand. Er erhob eine Hand um ihr nachzuwinken, doch er ließ sie sofort wieder sinken. Er sah runter zu seinem rechten Zeigefinger – der Ring mit dem schwarzen Stein war verschwunden. Ein Lächeln legte sich auf sein Gesicht, doch es war vollkommen anders. Ein eiskaltes Lächeln. Der Junge kicherte, lachte dann schallend. „Ich bin mal gespannt, wie der Ring ihr gefällt, den wird sie so schnell nicht mehr abbekommen…“, murmelte er zu sich selbst und streckte sich. Er drehte sich um und im weggehen sagte er: „Hätte ich vielleicht noch erwähnen sollen, dass ein Fluch auf demjenigen lastet, der den Ring trägt?“ Erneut lachte er. Dann fragte er sich etwas anderes. „Wieso hab ich ihr eigentlich meinen wahren Namen gesagt? Ich hätte einfach meinen Götternamen verwenden sollen…Shadow klingt doch viel besser. Naja egal, sie hat sowieso jede Erinnerung an diesen Ort verloren.“ Sie fühlte sich wieder so schwerelos, wie bei ihrer Ankunft auf der Insel. Ein letztes Mal sah sie die Bilder von Taiyo und der Insel vor sich, danach verschwanden sie im Unterbewusstsein ihrer Erinnerungen – genau da, wo ihre anderen verloren Erinnerungen zurückgeblieben waren. Sie spürte nichts mehr, nur noch dieses Verlangen. Dabei merkte sie auch nicht, dass sie ihre Gestalt verlor und sich in etwas anderes verwandelte. Doch diese Reise war nicht mal ein Viertel so lang, wie ihre Hinreise gewesen war. Es dauerte nicht länger als drei Tage. Dabei löste sich das dunkle Licht langsam auf, und gab ihre neue Gestalt preis. Ein eisblaues Leuchten erschien am dunklen Nachthimmel. Leicht, beinahe schwerelos schwebte die Engelsfeder zu Boden, kam immer näher und landete schließlich in der Hand von jemandem, den Noriko schon sehr bald wieder sehen würde. Die wichtigste Frage war nur, ob sie sich dann überhaupt noch an Riku erinnern würde. __________________________________________________ Nächstes Kapitel: 「任命」 ・ Verabredung 「Ninmei ~ Stop it, do not destroy it!」 Kapitel 15: 「任命」 ・ Verabredung 「Ninmei ~ I would have been a brother by now」 ---------------------------------------------------------------------------- Kapitel 15: 「任命」 ・ Verabredung 「Ninmei ~ I would have been a brother by now」 Der Regen wollte und wollte kein Ende nehmen, es war einfach zum verrückt werden. Der Junge sah stirnrunzelnd nach draußen, es regnete jetzt schon seit einer Ewigkeit. //Langsam muss das doch mal weniger werden…//, dachte Shinji zähneknirschend und griff nach der Sakeflasche. Heute war wieder einmal der Jahrestag von ihr, der elfte um genau zu sein. Die letzten paar Male hatte er die Gefühle, Gedanken und Erinnerungen daran verdrängen können, indem er wie heute etwas zu tief ins Glas geschaut hatte. Die scharf riechende Flüssigkeit lief seinen Rachen hinunter, die darin gerade eben noch anhaltende, angenehme Taubheit verschwand und augenblicklich brannte seine Kehle. Der Junge hustete stark, wischte sich den Mund am Ärmel seines Oberteils ab, und nahm noch einen Schluck. In seinem Haus hätte ihn niemand davon abhalten können, mit dem Trinken aufzuhören, da gab es schon lange niemanden mehr. Shinji hatte sich daran gewöhnt, dass er ganz alleine war. Seit fast zehn Jahren hatte er mit niemandem mehr gesprochen, niemanden mehr gesehen. Hätte jemand ihm vollkommen fremdes ihn so gesehen, hätte er sofort gesagt, dass er nach der langen Einsamkeit allmählich verrückt geworden war. Vermutlich war er auch schon lange verrückt, denn wenn er es wirklich gewollt hätte, hätte er schon vor langer Zeit weggehen können, doch etwas Wichtiges verband ihn mit diesem Haus. Wie ein unsichtbares Band hielt ihn die Erinnerung an seine tote Verlobte an diesem Ort, sie hatte nicht weit weg gelebt. Sein einziger Trost war, dass er damals noch mit jemandem über seine Gefühle hatte reden können, doch nachdem Tora so plötzlich verschwunden war, hatte er niemanden mehr. Vor ein paar Jahren hatte er einen Wutanfall gehabt, wegen seinem eigenen Verhalten. Vor Wut zitternd, hatte er mit allem um sich geworfen, was in seiner Nähe gelegen hatte, doch diese Wut war augenblicklich verflogen, als er aus dem zerstörten Fenster gesehen, und ein fremdes blondes Mädchen gesehen hatte. Dieses Mädchen war so schön, dass es ihm den Atem raubte, er dachte, sie sei keine Realität. Er hatte sie nur für einen sehr kurzen Moment gesehen, doch es hatte gereicht, um neue Gefühle in ihm aufflammen zu lassen. Sie war ihm seitdem nicht mehr aus dem Kopf gegangen, fast jeder dritte Gedanke von ihm hatte mit ihr zu tun. Doch dieses Mädchen, Misa Harada, hatte nichts gespürt. Sie hatte ihn nicht bemerkt, zu sehr war sie in ihre eigenen Gedanken vertieft gewesen. Schnell vergrub Shinji das Gesicht in seinen Händen. Das mit dem Trinken klappte heute nicht so, wie er es gerne gewollt hätte. Und so riss er sich schließlich zusammen und stellte die Sakeflasche zurück in den Keller, indem es nur so von Flaschen zu wimmeln schien. Das riesige Haus seiner reichen Familie hatte einen unterirdischen, fast genauso großen Sakekeller wie der Grundriss des eigentlichen Hauses, in welchem schon seit sehr vielen Jahren die teuersten Stücke darauf warteten, eines Tages von jemandem getrunken zu werden. Doch so sollte es niemals sein, denn als ein zaghaftes Klopfen an der schweren Kiefernholztür ertönte, änderte sich das Leben von Shinji Kenta schlagartig – schon wieder. Der Junge öffnete ohne nachzudenken, er war sehr neugierig, denn er hatte schon sehr lange keinen Besuch mehr gehabt. Er hatte ja auch weder Verwandte, noch irgendwelche Freunde, die noch am Leben waren. Dazu kam noch, dass das große Haus seiner Familie sehr geschützt lag, kaum einer könnte es finden, der nicht schon mal dagewesen war. Ein lauter Donner ertönte, ließ die schmale Gestalt im Türrahmen zusammen zucken. Kurz darauf schlug ein neuer Blitz ein, und für einen kurzen Moment wurde die vollkommen durchnässte Person erhellt. Ein Mädchen, nicht viel größer als eine junge Jugendliche trat ein, ihr dunkelblaues Haar kringelte sich in sanften Wellen bis zu ihrer Hüfte. Sie atmete tief durch, dann lächelte sie leicht. „Ich…bin’s nur, Shinji.“, sagte sie mit einer sanften Stimme und räusperte sich. Der Junge hatte Angst, dass er gleich einen Herzinfarkt erleiden würde. „Aber…Umino, du bist doch…“, stammelte Shinji, doch das durchnässte Mädchen schüttelte schnell den Kopf. „Verstehst du nicht? Ich bin es, Shinji.“, sagte sie und trat näher. Als er endlich verstand, worauf sie hinaus wollte, fielen ihm fast die Augen aus dem Kopf vor Überraschung. Wie war so etwas nur möglich? Und da kam ihm die eine Möglichkeit in den Sinn, die alles logisch aussehen ließ, und er verstand es etwas mehr. „Bitte, du musst mir helfen.“ Shinji stolperte über einen Faustgroßen Stein und fiel auf die Knie. Er war abgelenkt gewesen, zu abgelenkt von seinen Gedanken und Erinnerungen an die Zeit vor sechs Monaten. Damals ging es ihm wirklich mies, jeder einzelne Tag war eine Qual gewesen. Er hatte den Sinn in seinem Leben verloren, als damals dieses Mädchen gestorben war. Er hatte sie geliebt, jeden Tag mit ihr verbracht, doch letzten Endes war alles zu spät gewesen, das Mädchen starb nach einer langen Reihe von Krankheiten, und vielen Jahren von Schmerzen. Als seine alte Freundin Umino jedoch nach einer langen Zeit vor sechs Monaten wieder bei Shinji aufgetaucht war, hatte das seinem Leben endlich einen Sinn gegeben. Endlich hatte er wieder eine richtige Aufgabe, sie suchten zusammen nach dem Ende des Krieges. Und insgeheim hatte der Braunhaarige damals gehofft, dass er das hübsche blonde Mädchen eines Tages wieder sehen würde. Als er Misa dann an jenem verhängnisvollen Tag des Vulkanausbruches tatsächlich wieder getroffen hatte, war das ein Ausbruch von einem innerlichen Feuerwerk, er hatte sich großartig gefühlt, und seitdem versucht, sie wo es nur gerade ging zu unterstützen, ihr zu helfen. Wenn er ehrlich sein sollte, hatte er an jenem Tag, als er sie zum ersten Mal erblickt hatte, mit dem Gedanken gespielt, seinem Dasein ein Ende zu setzen, diese tägliche Qual nicht mehr ertragen zu müssen, endlich ein ruhiges Ende zu haben, doch bevor er sich mit einer Glasscheibe einer zerbrochenen Sakeflasche wie geplant die Pulsadern hatte aufschneiden können, hatte er sie erblickt, und sein einziger Wunsch war es, jenes Mädchen, welches sein Leben indirekt gerettet hatte, noch ein einziges Mal wieder zu sehen. Doch genug davon, in diesem Augenblick, an dem er halb auf dem Boden kniete, versuchte er seine Gedanken auf etwas anderes zu fokussieren. Er atmete tief durch, sog die Luft des Waldes ein, schmeckte den feucht-kalten Geruch und kam schließlich zur Ruhe. Dann füllte er seine Gedanken mit dem Aussehen von Noriko’s Armband und stiefelte weiter durch die feuchten Farne. Er ging fast einen halben Kilometer weiter geradeaus, dann ließ sich Shinji auf einem großen Stein nieder und dachte nach. Wie sollte er so etwas Kleines, Feines überhaupt in so einem großen Wald finden? Der Braunhaarige seufzte tief, beschloss dann, dass er in dieser Finsternis sowieso keine Chance mehr haben würde, um das Armband zu finden und ging dann wieder zurück in die Richtung, aus der er gerade eben noch gekommen war. Grübelnd vor sich hergehend, bemerkte er nicht, dass von links eine leise Stimme auf ihn zu kam, jemand rief nach ihm. Schon wieder war er tief in seine Gedanken versunken, er bemerkte die Rufe erst, als Riku schon in ihn hinein gerannt war. Mit einem lauten Geräusch prallten die beiden an den Köpfen aneinander und fielen zu Boden. Das Geräusch hörte sich in etwa so an, als würde jemand zwei Kokosnüsse zusammenschlagen. Ein sehr hohles Klingen. Außerdem war es ein Beweis für eine Theorie von Yoshi und Misa, die sich damit auch bestätigte. „Au mein Kopf! Mensch, hast du mich nicht gehört?“, fragte Riku empört und richtete sich kopfschüttelnd auf, dann klopfte er sich den Staub von den Schultern. „Tut mir leid Riku, ich hing gerade meinen verworrenen Gedanken nach…Was wolltest du denn von mir?“, fragte er seufzend und ein leicht verwirrter Blick legte sich auf sein Gesicht. Der jüngere Braunhaarige sah ihn erst selbst mit einem verwirrten Blick an, dann erinnerte er sich wieder an das, was er ihm hatte zeigen wollen. „Es ist echt verrückt. Ich habe zwar nicht das Armband gefunden, aber dafür das hier~“, sagte er beschwörend und zog die eisblau leuchtende Feder hervor. Der Junge nahm sie in seine Hand, fühlte die hauchzarte Oberfläche. Obwohl die Feder seine Hand fast nicht berührte, kitzelte sie ihn ein wenig. Und sie fühlte sich auf der nackten Haut eiskalt an, irgendwie angenehm… Von dem Leuchten ging etwas wirklich Beruhigendes aus. In Shinji’s Augen spiegelte sich das Leuchten der Feder wider, es erfüllte ihn mit Trost und Ruhe, und endlich konnte er tatsächlich zur Ruhe kommen, ein einziges Mal wirklich tief durchatmen, ohne sich dabei wieder in seinen Gedanken zu verirren. „Das sieht unfassbar schön aus, wo hast du die Feder gefunden?“, fragte er interessiert und gab sie wieder zurück zu dem Eigentümer. Ein leises Kichern ertönte aus Riku’s Kehle. „Das war schon irgendwie seltsam…Ich bin vom Weg abgekommen, hab mich schließlich verlaufen. Dann war mir plötzlich irgendwie so, als würde mich etwas in die Nähe von einer kleinen Quelle ziehen. Ich dachte nach und kam schließlich zu dem Schluss, dass das Schicksal wohl gewollt hatte, dass ich zu dieser Quelle gehe. Ich dachte mir, dass ich dort bestimmt das Armband von Noriko finden würde, doch dann schwebte diese Feder auf mich zu. In dem ersten Moment, in dem ich sie erblickte, dachte ich für einen kurzen Moment, dass ich Noriko wieder Lachen sehe…“, murmelte er leicht abwesend und steckte die Feder weg. Shinji räusperte sich. „Klingt…interessant.“, sagte er und kratzte sich am Hinterkopf. Für einen kurzen Augenblick schwiegen beide, doch es war kein unangenehmes Schweigen, wie wenn man mit jemandem in einem Raum ist, den man nicht so gut kennt, und man nicht weiß, was man sagen soll, sondern ein Schweigen, in welchem beide Jungen über ein und denselben Gedanken nachdachten. Sollten sie Ren davon erzählen, oder sollten sie es für sich behalten? Beide konnten in den Augen ihres Gegenüber sofort ablesen, was sie tun würden – sie würden es erst mal für sich behalten, zumindest für Heute. Vielleicht würden sie es morgen erzählen, wenn die Freunde etwas ausgeruhter sein würden. Dann könnte man sich bestimmt auch viel besser darauf konzentrieren. Und so begaben sich die beiden wieder zurück auf den Weg zu Ren’s Haus, beide schwiegen und hingen wieder ihren eigenen Gedanken nach – eigentlich genau das, was Shinji vermeiden wollte. Ren bückte sich und schaute unter den nächsten Felsen. Schon wieder nichts… Wie sollte er denn auch bei solch mageren Lichtverhältnissen und in diesem riesigen Wald etwas so Kleines wie Noriko’s Armband finden? Er suchte bestimmt schon länger als eine Stunde, und das Einzige, was er bisher einen außergewöhnlichen Fund hätte nennen können, war das Ei eines Phönixes, doch seine Mutter war schneller als er und pickte ihm auf die Hände, sodass er von dem Baum fiel und sich weh tat. Betrübt und leicht deprimiert schlug er langsam den Weg zurück zu seinem Haus ein. Vielleicht lag es ja doch noch irgendwo bei seinen Sachen, vielleicht hatte er ja wirklich nicht gut genug nachgeguckt, und das Armband lag noch irgendwo in dem Haus. Ja, so musste es wohl gewesen sein. Voller neuem Enthusiasmus stolperte er weiter geradeaus und musterte ein wenig seine Umgebung. Eigentlich war es hier sehr schön, hier in der Gegend lebten viele seltene Tierarten, und man konnte prunkvolle Häuser wie eines von Ren bestaunen, denn nur sehr reiche Leute konnten es sich leisten, in so einer schönen Gegend zu wohnen, das war nicht wirklich billig. Gedankenversunken schien der Blonde endlich etwas Abstand zu seinen Erinnerungen zu finden, das konnte manchmal sehr angenehm sein. Dann dachte man an nichts, was einem innerlich Schmerzen zu fügte, man konnte einfach für einige wenige Minuten glücklich sein, einfach an nichts Schlimmes denken. Doch so schnell seine Gedanken eben noch aus seinem Kopf verschwunden waren, so schnell holten sie ihn nun auch wieder ein. Er musste dieses Armband finden, er würde sich sonst dafür hassen, dass er die einzige Erinnerung an Noriko verloren hatte, die er noch besaß… Mit einem schweren Kloß im Hals ließ er sich auf einem Stein nieder und starrte den Erdklumpen vor sich mit einem leicht gequälten Gesichtsausdruck an. In seinem Hinterkopf hörte er plötzlich eine Stimme, eine helle, leicht raue aber doch angenehme Stimme. Die Stimme lachte laut, als hätte man ihr geradeeben den allerbesten Witz erzählt. Noriko’s Stimme… Schmerzlich vergrub Ren das Gesicht in seinen Händen. Er vermisste sie schrecklich, jeder Tag ohne sie war wie ein Schlag in die Magengrube oder ein riesiges Loch in seinem Herzen. Auch, wenn er noch so fröhlich schien, er hatte diesen Tag vor etwas mehr als drei Monaten noch immer nicht überwunden… Ren… Er schreckte hoch, sah sich verwirrt um. Er hatte wieder ihre Stimme gehört, doch dieses Mal so klar und deutlich, als würde sie genau vor ihm stehen. Doch auf dem Erdklumpen, der ihm gleich gegenüber stand, war niemand. Erleichtert, aber doch irgendwie traurig seufzte er schwer und stand wieder auf. Als er sich umdrehte, hörte er sie wieder. Geh nicht…weg… Er drehte sich wieder um, schwungvoller als eben. Und da saß sie. Die Beine übereinander geschlagen, die Arme verschränkt, das Lavendelfarbene Haar auf einer Seite über die Schulter gelegt, mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen. Ein erschreckter Schrei entkam Ren’s Kehle, er stolperte ein paar Schritte rückwärts. Wenn du auch noch gehst, dann…dann werde ich ganz alleine sein… sagte Noriko und eine Träne lief über ihr hübsches Gesicht. Doch als Ren näher zu ihr ging, um sie zu trösten, sie in den Arm zu nehmen und zu fragen, wieso sie wieder hier war, verzerrte sich ihr Gesicht zu einer Maske aus Schmerz, Wut und Enttäuschung. Wie konntest du es wagen? Wie konntest du es wagen, das Armband von mir zu verlieren? schrie sie und stand auf. Sie ging langsam auf ihn zu, streckte einen Arm nach ihm aus und blieb schließlich vor ihm stehen. Er konnte ganz genau sehen, wie ihr die Tränen aus den Augen liefen, doch jede weitere Träne wurde immer dunkler und dunkler. Die Tränen wurden zu Blut… Weiteres Blut tropfte aus ihrem Mund, die Stelle an ihrem Bauch, an der Ren ihr damals sein Katana durchgestochen hatte, verfärbte sich ebenfalls blutrot. Sie verzog das Gesicht, hustete leicht. Und dann schrie sie. So laut, dass die Bäume erzitterten. Ren wich zurück. Das war nicht Noriko. Er hielt sich die Ohren zu, kniff die Augen zusammen, sodass er sie weder hören, noch sehen konnte. „Verschwinde!!!“, schrie er, der Schrei kam von ganzem Herzen. Als er die Augen wieder öffnete, war sie verschwunden. Ren atmete schneller und heftiger, als es vielleicht nötig gewesen wäre. Dann ballte er seine Hand zu einer Faust und schlug mit voller Kraft gegen den Erdklumpen. Es knackte laut, Ren verzog das Gesicht und er fluchte laut. Er hatte sich höchst wahrscheinlich die Hand gebrochen, an dem Erdklumpen, welcher eigentlich ein Stein war. Zu dumm, dass ihm das nicht früher aufgefallen war… Was war nur los mit ihm? Wieso hatte er auf einmal Halluzinationen von Noriko? Das war ihm doch früher auch noch nicht passiert…Egal, darüber konnte er später noch nachdenken. Jetzt musste er erst mal zurück zu seinem Haus finden, und den anderen sagen, dass das mit dem Armband erledigt sei, sie würden es sowieso nie mehr wieder finden. Die wichtigste Erinnerung an Noriko trug er ja immer noch in seinem Herzen, und dort würde sie auch niemals im Leben verloren gehen. Hinter sich hörte er leise Stimmen. Stimmen, die seinen Namen riefen, immer und immer wieder. Er rührte sich nicht, blieb einfach auf dem modrigen Boden sitzen und tat so, als hätte er nichts gehört. „Ren!“, rief Riku erneut, als er durch ein paar Büsche lief, und beinahe auf den Gesuchten getreten wäre, dicht hinter ihm kam Shinji zum Vorschein. „Wieso antwortest du nicht, wenn man nach dir ruft?“, fragte der Jüngere vorwurfsvoll und ließ sich auf dem Erdklumpen-Stein nieder. Ren hustete. „Hab es nicht gehört…“, murmelte er und guckte auf seine Hand. Sie pochte schmerzhaft, sie war wohl tatsächlich gebrochen. Shinji folgte seinem Blick. „Was ist passiert?“, fragte er leicht besorgt und tastete die Verletzung ab. Ren zuckte leicht zusammen, dann beherrschte er sich wieder. „Ich hab einen Stein geschlagen.“, erklärte er Achselzuckend. Riku und Shinji sahen sich verwirrt an. „Ahja, und wieso wenn ich fragen darf?“, fragte Shinji und setzte sich neben Riku. „Ist doch egal, meine Hand tut jedenfalls sehr weh…“, sagte der Blonde und wich der Frage so ein Stückchen aus. „Wieso haust du auch auf einen Stein?“, fragte Riku leicht amüsiert. „Ich war wütend und hielt den Stein für einen Erdklumpen.“, erklärte Ren nuschelnd und seufzte schwer. „Wie kann man einen Erdklumpen mit einem Stein verwechseln?“, fragte Shinji verwirrt. „Tut mir wirklich leid, dass ich nicht so toll sehen kann wie ein Maulwurf!“, sagte er leicht erzürnt und sah sich seine gebrochene Hand an. Ein echt toller Vergleich. Riku und Shinji sahen sich durcheinander an. Dann seufzten sie gleichzeitig. Was sollten sie nur mit diesem Nervenbündel anstellen? Wenn sie ihm in dieser Situation sagen würden, dass sie etwas gefunden hatten, welches einen sehr an Noriko erinnerte, würde er wahrscheinlich einen ganzen Wald zerschmettern…also beließen sie es lieber dabei. „Los, lass uns zurückgehen. Wenn die Mädchen aufwachen, und wir nicht da sind, bekommen sie bestimmt Panik, oder die Grippe oder sonst etwas…“, murmelte Shinji und Riku erkannte eine Spur von Blödheit in seiner Aussage, doch anstatt wie sonst diskutierend darauf einzugehen, wie es sonst eigentlich Ren’s Art war, schüttelte er nur wieder den Kopf und zog den Blonden auf die Beine. Mit Hilfe von Ren’s Wegbeschreibungen und Shinji’s Orientierungssinn, welcher glücklicherweise nicht mal halb so schlimm war, wie der von Riku, fanden sie also schließlich zurück zu dem Haus von Ren’s Familie. Gegen ihre Erwartungen, waren die drei erschöpften Mädchen nicht aufgewacht, dazu waren sie nicht kräftig genug. Den drei Jungs war es ganz recht, dass sie nichts von der Abwesenheit der dreien mitbekommen hatten, und so legten auch sie sich wieder zur Ruhe und schliefen schnell und traumlos ein. Riku hatte die Engelsfeder vorsichtshalber nicht in seiner Tasche gelassen, sondern sie in eine wahllose Schublade eines Schrankes gesteckt, von diesen Schränken stand hier überall einer rum, deshalb würde wohl so schnell niemand auf die Idee kommen, eine eisblau leuchtende Feder in einem von mindestens 300 identischen Schränken zu suchen. Riku war ganz zufrieden mit seinem Einfall. So würde es am nächsten Morgen garantiert niemals zu irgendwelchen peinlichen Vorkommnissen kommen…hätte man meinen können. In meinem Kopf…gibt es diese Bilder… Bilder, von mir bekannten Mädchen.. Sie sind alle so unterschiedlich…und doch scheint sie irgendetwas zu verbinden… Umino…Tora…Noriko… Sie verschmelzen…und ergeben ein neues Bild. Denk nicht…darüber nach! Du wirst es am Ende noch bereuen! …aber ich brauche sie…sie ist alles für mich, sie darf nicht verschwinden! HÖR AUF!!! Schweißgebadet fuhr Ren aus seinem Schlaf. Schwer atmend wischte er sich den Schweiß von der Stirn und kniff die Augen zusammen – das Licht der grellen Vormittagssonne blendete ihn. Vor ihm verschwamm noch alles, doch langsam bildeten sich verwischte Umrisse, dann ein paar Personen. Misa kniete vor ihm, grinste ihn an. Neben ihr saß Umino mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck und weiter hinten döste Yoshi an Riku angelehnt. Ren wusste nicht recht, warum die beiden so fröhlich aussahen. Hatten sie womöglich eine gute Nachricht für ihn? „Ren du Schlafmütze, bist du auch endlich aufgewacht?“, fragte Misa und lachte laut. Ein tonloses Geräusch kam aus Ren’s Mund. „Steh auf, sonst werden wir dich dazu zwingen, es ist schon fast elf Uhr!“, sagte Umino und machte ein Gesicht, als dürfte niemand auf der Welt so lange schlafen. „Anscheinend…lasst mich in Ruhe, ich bin müde…“, murmelte er schlecht gelaunt und ließ sich wieder zurück sinken. Zufrieden merkte er, wie er wieder kurz davor war einzuschlafen. Plötzlich jedoch spürte er etwas Nasses, Kaltes an seinen Füßen, seine Augen sprangen auf und ein leises Quietschen drang aus seinem geschlossenen Mund. Misa kicherte, Umino seufzte tief. „Ich hatte ihn ja gewarnt…“, murmelte sie und warf erneut mit einem großen Wasserball nach den Füßen des Älteren. Er fuhr schlagartig in die Höhe und knurrte laut. „Ich bin müde, lasst mich in Ruhe!“, fauchte er, doch Misa machte das keine Angst. Sie zwickte ihm in die rechte Wade und schmerzerfüllt keuchte der Junge auf. Riku räusperte sich laut. „Jetzt ist aber mal gut, er ist doch wach. Er verdient es zu schlafen, schließlich waren wir drei starken Männer gestern noch sehr lange wach!“, verkündete er und seine Brust schwoll an, Yoshi lachte ihn für diese Bemerkung aus. Bestürzt sah der Braunhaarige zu ihr herunter und fragte, was daran so komisch sein würde, doch die Rothaarige winkte ab und küsste ihn lieber. Damit war das Thema dann auch für Riku gegessen. Ein Knurren ertönte. Ren sah runter zu seinem Magen – er war vollkommen ausgehungert. Zumindest kam es ihm so vor. Die Blonde zog ihn hoch und schleifte ihn mit in die Küche, in welcher Shinji gerade am Herd stand und das Frühstück zubereitete. Ren grüßte ihn nuschelnd, zuckte dann aber zusammen. „Guten Mor…ähm Shinji, du trägst jetzt nicht ernsthaft eine rosa Kochschürze, oder?“, fragte er und lachte laut los. Der Angesprochene sah ihn verwirrt an. „Nein, wieso sollte ich?“, fragte er und sah an sich herunter. Er schrie laut auf, Umino lachte los. „Entschuldige, aber du warst so vertieft, dass du das gar nicht gemerkt hast.“, presste sie zwischen den lauten Lachanfällen hervor und hielt sich den Bauch. Misa verdrehte die Augen. Sie ging auf den Jungen zu und riss ihm die Schürze vom Leib. „Hmm.“, machte sie. „Sieht doch gleich viel besser aus~“ Der Braunhaarige errötete leicht und drehte sich schnell weg. Ren schlug sich eine Hand vor die Stirn, dabei zuckte er zusammen und gab einen erschrockenen Laut von sich – es war die verletzte Hand gewesen. Umino bemerkte die Bewegung und sah ihn besorgt an. „Was ist passiert?“, fragte sie und untersuchte die Hand mit Fingern, leicht wie eine Feder. Peinlich berührt kratzte sich der Blonde am Hinterkopf. „Ich hab gestern einen Stein geschlagen und mir die Hand gebrochen…“, murmelte er leise und zog die Hand weg. Die Mädchen erstarrten. „Warum hast du…ich frag lieber gar nicht erst nach…Mino-chan, könntest du dich bitte um die Verletzung kümmern, ich decke derweil mit Shinji-kun den Tisch…“, sagte Misa stirnrunzelnd und ging rüber zu Shinji, welcher, als er dies gehört hatte, vor Aufregung eine Schale mit Reis an die Decke geworfen hatte. Schnell behob er seinen Fehler und ging dann mit Misa rüber ins Speisezimmer. Sorgsam zog Umino Ren an der anderen Hand mit sich zu ihrer Medizintasche. „Du machst vielleicht Sachen Ren…“, sagte sie stirnrunzelnd und drückte ihn auf den Boden, sie setzte sich neben ihn. Ganz vorsichtig verteilte sie eine scharfriechende Salbe aus einem kleinen Töpfchen auf Ren’s gebrochenem Handgelenk, danach umwickelte sie dieses mit einem Verband und schiente es mit einem dünnen Stück Holz. „So…pass mir bloß auf, dass das nicht nochmal passiert, in Ordnung?“, sagte sie lächelnd und sah ihn aus ihren tiefgründigen blauen Augen an. Ihre Hand fuhr leicht über seinen Arm, das kitzelte ein wenig. Das Herz des Jungens schlug plötzlich schneller, die Stellen, die sie eben mit ihren Händen berührt hatte, wurden warm und brannten leicht. Er zuckte zusammen und wich leicht zurück. Erschrocken weitete Umino die Augen. „Habe ich…habe ich etwas falsch gemacht?“, fragte sie nervös, Ren schluckte hart und schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid, ich…ich…“, fing er an, doch er konnte den Satz nicht beenden und stand rasch auf. Während er dabei war, den Raum zu verlassen, flüsterte sie leise: „Tut mir sehr leid, Ren-sama…“ Ren blieb schlagartig stehen. Er drehte sich um und starrte sie vollkommen verwirrt und überrascht an. Seine Augen waren stark geweitet, sein Herz schlug schneller. „Was ist?“, fragte Umino, doch Ren drehte sich sofort wieder um, sagte kurz „danke“ und verließ den Raum. Verwirrt blieb das Mädchen am Boden sitzen. Was hatte sie bloß falsch gemacht? Schnellen Schrittes ging der blonde Junge Richtung Speisezimmer. Diese Art…wie Umino eben seinen Namen betont hatte, wie sie ihn Ren-sama genannt hatte…so hatte ihn bisher nur eine einzige Person angesprochen… Er schüttelte schnell seinen Kopf. Ach was. Das hatte er sich bestimmt nur eingebildet… „Da bist du ja endlich!“, sagte Riku grinsend und klopfte auf den Platz rechts von ihm. Um den großen Tisch herum hatte Misa Sitzkissen hingelegt, weil der Boden relativ hart und kalt war. Links neben Riku saß Yoshi. Sie hatte schon zwei Portionen Reis verdrückt, dazu kamen noch einige Reisbällchen und etliche Beilagen, doch wie üblich ließ sie sich nichts davon anmerken und aß fröhlich weiter. Gegenüber von ihr saß Misa, daneben Shinji, welcher nervöser als je zuvor wirkte. Der Blonde sah hinter sich, im Türrahmen stand Umino. Sie ließ sich neben Shinji nieder und haute ihm in die Seite. „Reiß dich zusammen!“, flüsterte sie ihm zu und griff nach ihrer Reisschale. Der Braunhaarige räusperte sich und aß ebenfalls weiter. Schultern zuckend ging Ren rüber zu Riku und ließ sich neben ihm nieder. Er grinste noch immer. „Beeil dich lieber, sonst isst Yoshi dir deine Portion weg.“, sagte er lachend und merkte nicht, dass genau dies gerade mit seiner eigenen Portion geschah. Ren musste wohl oder übel loskichern. „Pass lieber auf deine eigene auf.“, sagte er und deutete in Yoshi’s Richtung. Mit einem dämlichen Gesichtsausdruck drehte der Braunhaarige sich um und wurde Zeuge, wie das Mädchen sich den Mund abtupfte und die Schüssel wieder vor ihn stellte. Bestürzt verlangte Riku nach einer neuen Portion, doch Misa haute ihm auf die gierigen Hände. „Yoshi hat genug für vier gegessen. Da hast du wohl Pech gehabt, wir wollen auch noch was essen.“ „Wieso ist das mein Problem?“, fragte er weinerlich. „Weil sie deine Freundin ist.“, sagte die Blonde ausdrucksvoll und aß weiter. Riku drehte sich um und starrte Ren mit Hundeaugen an, denn er hatte gerade begonnen, seine eigene Portion zu essen. Er fühlte sich leicht gestört und so schluckte er schnell herunter. „Was ist?“, fragte er skeptisch und hob die Augenbrauen an, als der Ältere hungrig sein Essen anstarrte. „Ren. Wenn du mein Freund bist, dann willst du doch sicherlich mit mir teilen, oder?“, fragte er bittend und blinzelte ihn lieblich an. „Bist du bescheuert? Ich habe selber großen Hunger! Frag doch Yoshi.“, sagte er hart und aß weiter. Geschockt sah Riku rüber zu Yoshi, sie starrte ihn bitterböse an. Er seufzte, dann sank er in sich zusammen. „Wie könnt ihr nur so Herzlos sein?“, fragte er und sein Magen knurrte. Shinji lachte verächtlich. „Und da sagt ihr immer, dass ich hier der Dumme bin.“ Umino haute ihn. „Wir haben nie gesagt, dass es nicht zwei Dumme geben kann…“, sagte sie mit einem leicht genervten Unterton und aß ihre Portion auf. Ren schenkte ihr einen Seitenblick. Doch bevor er weiter über solche Sachen wie vor dem Frühstück nachdenken konnte, richtete Misa das Wort an ihn. „Kannst du mir einen Gefallen tun? Yoshi, Umino und ich würden gerne das Bad benutzen, könntest du uns Wasser einlassen und so weiter?“, fragte sie und lächelte ihn erwartungsvoll an. Ren nickte leicht und erhob sich. „Hey Yoshi. Könntest du solange ich weg bin auf mein Essen aufpassen? Riku ist mir nicht ganz geheuer…“, fragte er und die Rothaarige salutierte. Misa, Umino und Shinji kicherten leise. Lächelnd verließ der Blonde das Esszimmer. Beleidigt sagte Riku, das er sich schon nicht darüber her machen würde, aber niemand hörte ihm mehr zu. Umino schenkte ihrem Kindheitsfreund einen Seitenblick. Er zuckte vor Nervosität, sie wusste genau, was er tun wollte. Sie räusperte sich und rutschte näher an ihn heran. „Jetzt frag sie schon!“, flüsterte sie in sein Ohr und schubste ihn seitlich zu Misa heran. Shinji verlor das Gleichgewicht und plumpste in Misa’s Schoß. Errötend sah er hoch in ihr verwundertes Gesicht. „Was ist denn heute mit dir los?“, fragte sie und grinste ihn an, „Heute machst du noch mehr seltsame Sachen, als sonst überhaupt schon.“ Sie störte sich nicht weiter an seiner Position. So schnell wie der Schall richtete sich der Braunhaarige wieder auf und entschuldigte sich drei Mal. „Ist schon gut, du hast das ja nicht absichtlich getan.“, sagte sie freundlich. Riku schnaubte empört. „Wenn mir das passiert wäre, läge ich jetzt halb tot im Ofen!“, sagte er bestürzt. Misa zuckte mit ihren Schultern. „Du machst sowas ja auch absichtlich, wegen deinen perversen Fantasien…“, sagte sie seelenruhig und lächelte hämisch. „Sowas habe ich niemals getan!“ „Und ob, als wir uns kennen gelernt haben, hast du das geschlagene 17 Mal versucht, erinnerst du dich?“, sagte sie und eine Ader an ihrer Schläfe pulsierte. Shinji war das Chaos, das wegen ihm ausgebrochen war, nicht geheuer, und so versuchte er das wieder gerade zu biegen. „Hört auf mit dem Streit…ich wollte dich noch etwas fragen, Misa-chan…“, sagte er und sofort wurde er wieder nervös. Umino grinste, als sie ihn so sah und überlegte, ob er das früher auch schon so getan hatte. Die Antwort war ein klares Ja. Misa schenkte ihm ein nettes Lächeln. „Was willst du denn wissen?“, fragte sie neugierig und bemerkte, dass er so nervös war, wie sie ihn zuvor noch niemals erlebt hatte. Sie hob eine Augenbraue an und wartete. Doch der Junge ließ sich eine ganze Weile Zeit. Dann wurde es Umino zu bunt. „Meine Güte Shinji! Du wirst es doch mit deinen 19 Jahren mal schaffen, einen vernünftigen Satz zu formulieren, oder?!“, fragte sie genervt und trank einen Schluck Tee. Shinji sah sie giftig an, ignorierte sie aber dann. „Ich wollte dich fragen…ob du…ob…du…den Tagmitverbrwillst…“, fing er an, doch er verschluckte den letzten Teil und keiner der Anwesenden hatte es verstanden. Umino schlug sich eine Hand vor die Stirn. Misa sah ihn leicht bedauernd an. „Was?“ „Willst du den Tag mit mir verbringen?“. Wiederholte er und lief rot an. Das blonde Mädchen schien überrascht zu sein. Dann lächelte sie jedoch wieder und nickte. „Warum nicht.“, sagte sie freundlich und kicherte vergnügt. Shinji setzte eine strahlende Miene auf. Gedankenverloren betrat Ren das Badezimmer. Dabei hatte er vollkommen die kleine Stufe vergessen, die genau unter der Tür war. Er geriet ins Stolpern, fing sich dann aber ab und hielt sich an einem weißen Handtuch fest. Das war ihm früher schon oft passiert. Er hatte sich immer wieder vorgenommen, sich ein einziges Mal an die Stufe zu erinnern, aber er hatte es immer vergessen. Es war außerdem schon eine Ewigkeit her, seitdem er das letzte Mal in diesem Haus gewohnt hatte, deshalb war alles etwas ungewohnt für ihn. Vor ungefähr elf Jahren, als er gerade sechs Jahre alt gewesen war, hatte er sich mal den Kopf angeschlagen und sein Vater hatte aus Wut über die geringen Vorsichtsmaßnahmen die Hälfte der Hausbediensteten entlassen. Zu dieser Zeit war er sowieso schon sehr aufgebracht gewesen. Ren dachte nicht gerne an die Zeit von damals zurück, als etwas Schreckliches geschehen war. Seine Mutter hatte bestimmt drei Monate lang Depressionen gehabt, sein Vater war sehr wütend geworden, schon bei der kleinsten Auseinandersetzung… Doch der Blonde wollte nicht weiter darüber nachdenken, er schüttelte schnell den Kopf und ging weiter geradeaus. Neben ihm standen mehrere Schränke mit Körben in ihnen, in welchen man seine Kleidung aufbewahren konnte, ohne dass sie auf dem Boden schmutzig werden würde. Er blieb vor einer weiteren Schiebetür stehen und schob sie zur Seite. Vor ihm sah man die überdimensional große Badewanne. Da sie so gewaltig groß war, konnte man es nicht mal Badewanne nennen, denn eigentlich war es eine heiße Quelle. Das Haus war damals um sie herum gebaut worden. Doch das Wasser musste immer mal wieder aufgefüllt werden, denn nach all diesen Jahren war die Quelle schon versiegt, die Hitze allerdings würde niemals einfach vergehen. In einer der Türen rechts neben der Quelle war ein größerer Raum, indem das Wasser gelagert wurde. Lauter große Fässer, gefüllt mit reinem Mineralwasser, das Beste vom Besten eben. Für jemanden, der das nicht von Geburt an gewöhnt gewesen war, war das alles bestimmt ein zutiefst beeindruckendes Haus, für Ren war es nichts Besonderes. Er öffnete die Tür und holte mehrere Fässer mit Wasser. Es dauerte eine Weile, bis das ganze Wasser schließlich in der leeren Quelle war. Nur noch ein paar Minuten, und es würde so entspannend sein, wie eine andere heiße Quelle auch. Er wollte gerade wieder gehen, als er hinter sich etwas hörte…oder viel mehr jemanden… Wieso bist du so traurig?, fragte die Stimme eines Mädchens. Der Junge blieb schlagartig stehen und schluckte hart. //Nicht schon wieder…//, dachte er verzweifelt und drehte sich um. Wie erwartet saß Noriko auf einem Stein neben der Quelle. Sie spielte mit einer Strähne ihres Haares und schenkte ihm einen leicht besorgten Blick. Ren schloss die Augen, hielt sich eine Hand davor. „Das ist nicht echt, du bist nicht echt, ich bilde mir das alles nur ein, niemand außer mir ist gerade in diesem Raum…“ Erzähl mal keinen Unsinn, willst du mich als einen Niemand bezeichnen?, fragte Noriko schnippisch und stand auf. Sie kam ein paar Schritte näher und grinste verwegen. „Was willst du schon wieder? Mich aus der Fassung bringen, so wie gestern Nacht auch schon?“, fragte er mit einem leicht sarkastischen Unterton und biss sich auf die Unterlippe. Das Mädchen sah ihn stirnrunzelnd an. Nein, wieso sollte ich? Ich wollte nach dir sehen. Ich vermisse dich., sagte sie und lächelte lieblich. Ein Schauder lief den Rücken des Jungens hinunter. Also hatte er wirklich vollkommen den Verstand verloren, wie würde das nur werden, wenn er einmal so alt wie sein Großvater sein würde? Er hatte immerzu alles vergessen, schließlich keine Nahrung mehr angenommen und war eines natürlichen Todes gestorben, obwohl man es auch als „verhungern“ oder „verdursten“ ansehen konnte. „Du bist doch gar nicht wirklich hier, ich verwirre mich nur selbst…“, sagte er zu sich und ließ sich auf einem Stein nieder. Dann sah er zu seiner gebrochenen Hand. Die Schmerzen waren dank Umino fast vollkommen vergangen, er hatte vergessen, dass sie jemals existiert hatten. Noriko’s Blick ruhte für einen Augenblick ebenfalls auf dem Verband, ihr Blick wirkte leicht verunsichert. Natürlich bin ich hier. Glaube mir, oder lass es bleiben. Ich denke, es ist ganz gut, dass ich hier bin, du musst mit jemandem reden…, sagte sie und strich mit der flachen Hand über seine Schulter. Das letzte, was Ren gerade tun wollte, war reden. „Ich habe keine Lust, mit einer Halluzination zu reden. Ich habe Besseres zu tun…“, sagte er schnippisch und ignorierte ihre Hand auf seinem Körper. Noriko schüttelte den Kopf. Du redest doch schon längst mit mir…, sagte sie nuschelnd und setzte sich neben ihn. Leicht, wie eine Feder, strich sie über seinen Nacken, nahm ihre Hand wieder an sich und lehnte sich an den Jungen. Also…willst du mir jetzt erzählen, warum du gerade eben so traurig geguckt hast? Ich weiß genau, dass es einen anderen Grund als sonst immer gibt…Irgendetwas hier drin muss dich an eine nicht so schöne Erinnerung erinnert haben. Rede, mir kannst du alles sagen., erklärte sie und sah in seine Augen. Er schluckte schwer, er hatte schon lange nicht mehr an damals zurückgedacht… „Ich...wäre vor elf Jahren Bruder geworden.“, begann er, doch er stoppte mit dem Erzählen, als er eine Stimme hörte. „Hey Ren, wie lange dauert das denn noch?“, fragte Misa, die immer noch im Esszimmer saß. Er schreckte auf, sah neben sich und konnte niemanden sehen. //Also alles wieder nur Einbildung…//, dachte er und verließ das Badezimmer. Misa stand unruhig im Türrahmen und sah von Yoshi zu Umino. Die drei Mädchen sehnten sich sehr nach einem heißen Bad, schon lange war ihnen dieser Luxus vorenthalten worden. Sie hörte, dass Ren ihr etwas zurück rief, doch verstehen konnte sie es nicht, dafür war er zu weit entfernt gewesen. Dann stand er vor ihr und zeigte in die Richtung, aus der er eben gekommen war. „Dahinten ist direkt das Badezimmer, keine Umwege nötig.“, sagte er trocken und ging zurück ins Esszimmer. Die drei Mädchen sahen im verwirrt nach. „Was hat er denn?“, fragte Misa, die beiden anderen zuckten mit den Schultern. Keine zwei Minuten später standen die drei schon mit Handtüchern bepackt vor der zweiten Tür, sie schoben sie beiseite und waren sofort vollkommen begeistert. „Wahnsinn! Das ist kein Badezimmer, das ist ein Badehaus!“, sagte Umino begeistert und ging näher zum Rand der Quelle. Sie hielt eine Hand in das dampfende Wasser – es hatte genau die richtige Temperatur, um sofort hinein zu steigen. Misa lächelte sie an und nickte eifrig, sie legte ihre Kleider ordentlich gefaltet in einen Korb in den Schrank. Gleich in dem Korb daneben, lagen Yoshi’s Sachen, und überall auf dem Boden verteilt lagen Umino’s Kleidungsstücke. Die Blonde verdrehte die Augen. „Willst du das nicht wegräumen? Nachher rutscht noch jemand darauf aus…“, sagte sie, doch das Mädchen winkte ab. „Wenn alle aufpassen, wird schon nichts passieren.“, sagte sie gut gelaunt und steckte ihre langen, blauen Haarlocken zu einem Dutt zusammen. Dann steckte sie einen Fuß in das Wasser, dann das Bein, und dann ging sie ganz hinein. Ein Seufzer entglitt ihrem Mund. „Ahh, das tut echt gut!“, stellte sie fest und lehnte ihren Kopf an den Rand an. Yoshi folgte ihr, sie war so still wie sonst auch immer. An ihrer Hüfte stach etwas hervor, ein kleines schwarzes Muster. Umino machte große Augen. „Ist das deine Tätowierung?“, fragte sie neugierig und die Rothaarige schenkte ihr ein kleines Lächeln und nickte dann. „Hey, das Motiv sieht echt schön aus. Wann hast du es machen lassen?“, fragte sie weiter. Yoshi zuckte mit ihren Schultern. „Das hab ich schon fast zehn Jahre lang. Ist einfach so entstanden, ich weiß auch nicht wie. Plötzlich war es da…“, sagte sie und die beiden anderen Mädchen hoben ihre Augenbrauen an. Wie konnte sowas denn einfach so erscheinen? Keiner hatte eine Ahnung, wie oder vor allem wieso. „Das ist ein Schriftzeichen. Kaze. Es bedeutet „Wind“.“, erzählte sie weiter und die beiden anderen Mädchen nickten ihr zu. Dann ließ sich das älteste Mädchen ebenfalls im Wasser nieder und schloss ihre Augen. Misa folgte, nachdem sie sich ebenfalls ihre langen Haare hochgesteckt hatte. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und dachte nach. So wurde es eine Weile lang still zwischen den dreien. Doch nachdem etwas Zeit vergangen war, richtete sie wieder das Wort an ihre Freundinnen: „Ich frag mich, was Shinji heute vor hat. Ich hatte noch niemals eine Verabredung mit einem Jungen…“, sagte sie und seufzte leicht. Umino sah sie lächelnd an. „Das überrascht mich jetzt. Du bist richtig hübsch, wie kommt es, dass du dich noch nie mit einem Jungen getroffen hast?“ „Ich hatte einfach keine Zeit. Und keinen Jungen.“, sagte die Blonde schulternzuckend. Sie war die letzten Jahre immer auf der Suche nach Freunden gewesen, doch sobald sie welche gefunden hatte, stellten sie sich als Menschen und vor allem als Verräter heraus, die sie an die Regierung hatten verkaufen wollen. Und durch ihren menschlichen Stiefvater war ihr Vertrauen sowieso schon sehr angeschlagen. Deshalb war sie sehr froh gewesen, als sie Ren und Noriko damals getroffen hatte. Endlich hatte sie sich jemandem vollkommen öffnen können, endlich war sie nicht mehr alleine. „Na dann kannst du ja froh sein, dass du Shinji hast. Er passt perfekt zu dir, er braucht nämlich endlich jemanden, der ihn statt meiner immer zurechtstutzt und fertig macht!“, sagte Umino gut gelaunt und verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf. Misa wurde rot. „Naja…ich weiß nicht recht, wie ich es sagen sollte…“, fing sie an und strich sich ein paar verirrte Haarsträhnen aus den Augen. Die beiden Mädchen sahen sie mit großen Augen an, als würden sie sagen „Los, erzähl schon endlich!“. „Die Sache ist die…wenn Shinji mich heute Morgen nicht gefragt hätte, hätte ich es wahrscheinlich getan…“, murmelte sie leise und Umino sah sie geschockt an. „Ist das dein Ernst? Hast du Fieber? Oder dir den Kopf irgendwo angestoßen?“, fragte sie schnell, nur um sicher zu gehen versteht sich. Das blonde Mädchen nickte leicht. „Ich weiß nicht wieso, aber irgendwie…fasziniert mich seine Art. Er hat mich von Anfang an so behandelt, als würde er mich kennen. Er ist immer so freundlich und zuvorkommend, aber gleichzeitig auch ungeheuer ungeschickt und tollpatschig…das macht ihn sympathisch.“, erklärte sie leise und sah zu ihren Händen. Yoshi räusperte sich. „Klarer Fall von Verliebtheit.“, sagte sie trocken und schloss wieder ihre Augen. Misa sah sie überrascht an. „Was? Wie kommst du darauf? Ich meine…wir kennen uns doch erst seit ein paar Tagen, und…“ „In der Liebe ist nichts unmöglich! Es soll ja sowas geben, was sich Liebe auf den ersten Blick nennt!“, sagte Umino schnell und schaute rüber zu Yoshi. „Das trifft auf deinen Freund zu, Yoshino-san.“, sagte sie und grinste. „Ich hab Riku lange zappeln lassen, um zu sehen, wie er auf eine Abfuhr reagiert. Aber am Ende konnte ich seinem Charme einfach nicht wider stehen…“, sagte sie und kicherte. Man merkte a ihrer Art, dass sie eigentlich etwas anderes gesagt hätte, wenn sie nicht die immer lauter werdenden Schritte gehört hätte. Jemand kam gerade ins Badezimmer, einen Moment später hörten sie auch, um wen es sich – natürlich – handelte. „Bist du sicher? Ich hab keine Ahnung wo ich bin, ich wollte doch nur in die Küche gehen…Wenn du so ein Schlaukopf bist, kannst du mir ja sagen, wohin ich gehen muss, und-“, hörten sie die Stimme eines Jungen. Einen Augenblick später wurde die Tür aufgeschoben und Riku stand vor ihnen. Er machte große Augen, als er sah, wo genau er sich gerade befand. „Ähm…“, fing er an, dann räusperte er sich und suchte in seinem Kopf nach einem passenden Spruch. Er grinste, als ihm einer einfiel: „Wow…soll ich mich etwas auch ausziehen?“, fragte er charmant und kam etwas näher, blieb aber stehen, als er die pulsierende Ader auf Misa’s Schläfe bemerkte. „Ich will ja nicht unhöflich sein…oder warte, ich will. VERSCHWINDE!“, brüllte sie und warf mit einem großen Stein nach dem armen Jungen. Mit einem überraschten Ausruf wich er aus und stolperte drei Schritte rückwärts. „Es tut mir leid, das war keine Absicht!“, verteidigte er sich und hielt sich eine Hand vor die Augen. „Ich wollte eigentlich in die Küche gehen.“, sagte er und ging weitere Schritte nach hinten. Umino und Misa sahen rüber zu Yoshi. Sie hatte ein süffisantes Grinsen aufgesetzt. „Was denn? Soll ich mich jetzt um ihn kümmern?“, fragte sie und das Grinsen verschwand. Ohne nachzudenken stand sie auf, gerade als Riku die Hand wieder von seinen Augen genommen hatte. Seine Augen wurden bei ihrem Anblick so groß wie Teller. Er stammelte vor sich hin, als sie auf ihn zuging, sich ein handtuch schnappte, und ihn hinter sich her schliff. „Ich bin in…sagen wir 30 Minuten wieder da.“, sagte sie und zum ersten Mal klang ihre Stimme leicht erheitert. Sie wickelte sich in das Handtuch und marschierte los, dicht gefolgt von Riku, welcher leicht abwesend wirkte. Misa und Umino mussten wohl oder übel Lachen. „Lass uns auch raus gehen, ich und Shinji wollen uns eh gleich treffen.“, sagte die Blonde und Umino stimmte ihr zu. Zehn Minuten später kamen die beiden Mädchen aus dem Badezimmer, vollkommen getrocknet und angezogen. Shinji stand in der Tür und schien zu warten, Misa schenkte ihm ein Lächeln und fing ein Gespräch mit ihm an, während die beiden langsam nach draußen gingen. In Shinji’s Tasche lag die leuchtende Feder. Riku hatte sie ihm gegeben, damit er sie Misa schenken könnte. Er war sich sicher, dass sie sich sehr über eine Erinnerung an Noriko freuen würde. Umino ging in ihr Schlafzimmer. Dort lagen noch immer die medizinischen Dinge, die sie vorhin bei Ren angewandt hatte. Mit einem Seufzer erinnerte sie sich wieder an seine komische Reaktion. Sie begann aufzuräumen und dachte dabei die ganze Zeit daran, was sie wohl falsch gemacht hatte. Sie spürte ein seltsames Gefühl in ihrem Inneren. Doch sie konnte es nicht zuordnen. Wieso fühlte sie sich neuerdings so komisch? Mehrere Stunden vergingen. Nachdem Ren vorhin das Bad verlassen hatte, hatte er seinen beiden Freunden mitgeteilt, dass er einen Spaziergang machen würde. Kurzentschlossen war er dann aus dem Haus gegangen, und hatte sich in den Wald verzogen. Ohne weiter darüber nachzudenken, hatte er sich auf den kühlen Waldboden gelegt, und eine Runde geschlafen. In seinem Traum war nicht viel geschehen, er war einem eigenartigen Vogel hinterhergelaufen. Als er ihn fast eingeholt hatte, veränderte sich sein Aussehen und plötzlich stand ein großer, schwarzer Drache vor ihm. Er spie Feuer aus und mit einem lauten Schrei erwachte der Blonde aus seinem Schlaf. Kalter Schweiß lief seinen Nacken hinunter und er keuchte leise. Obwohl der Traum eigentlich nicht sehr schlimm war, so fühlte er sich trotzdem, als wäre es der schlimmste Traum, den er jemals geträumt hatte. Eine Hand legte sich auf seine. Alles in Ordnung?, fragte Noriko leise und sah ihn mitfühlend an. Ren weitete seine Augen. //Das darf doch wohl nicht wahr sein!//, dachte er verzweifelt und strich sich die Haare aus seinen Augen. Wieso war Noriko noch immer hier? Er sah zur Seite. „Mir geht es gut.“, sagte er trocken und richtete sich auf. Der Himmel wurde langsam immer rötlicher. Überrascht stellte der Junge fest, dass er fast den ganzen Tag verschlafen hatte. Das war nicht gut, ohne ihn würden die anderen in dem Haus bestimmt nicht klar kommen… „Ich gehe zurück.“, sagte er und ging los, doch Noriko sprang zurück und versperrte ihm den Weg. Er musste lächeln. „Ich kann einfach durch dich hindurch gehen, das ist dir klar, oder?“, fragte er und ging einen Schritt näher. Noriko setzte eine ernste Miene auf. Das würdest du aber nicht tun, sagte sie bestimmend und ging auf ihn zu, legte ihre Hände auf seine Schultern. Erzähl mir bitte, was du vorhin sagen wolltest. Wir wurden gestört. Ren sah sie zweifelnd an. Wieso wollte sie, dass er seine Geschichte fortsetzte? „Was würde mir das nützen?“, fragte er und legte den Kopf schief. Das Mädchen lächelte. Ich weiß, dass er dir danach besser gehen wird, sagte sie und setzte sich auf den Boden. Ren seufzte tief und tat es ihr gleich. Er dachte einen Moment darüber nach, sah dann zu Boden und legte ein trauriges Lächeln auf. „Ich war gerade sechs Jahre alt, als meine Mutter zum ersten Mal davon sprach, dass ich vielleicht das Glück hätte, ein großer Bruder zu sein. Ich hatte schon öfters darüber nachgedacht, wie das wohl sein würde, wenn man sich um jemanden kümmern könnte. Mir gefiel der Gedanke und so wünschte ich mir von ganzem Herzen, dass eine kleine Schwester oder einen kleinen Bruder bekommen würde. Einen Monat danach hatten mir meine Eltern stolz erzählt, dass sich ihr Wunsch nach einem zweiten Kind erfüllt hätte, und dass es noch fast acht Monate dauern würde, dann wäre ich ein großer Bruder. Das war alles sehr aufregend für mich, ich hatte keine Ahnung, was es bedeutete, schwanger zu sein. Alles was ich gesehen hatte, war, dass meine Mutter immer dicker und dicker wurde. Ich fragte meinen Vater, warum sie plötzlich so anders als vorher aussehen würde, und er erklärte mir, dass in dem Bauch meiner Mutter mein Geschwisterkind leben würde. Ich fragte natürlich sofort, wie es nur darein gekommen war, doch mein Vater meinte, er würde mir das irgendwann später mal erzählen. Kurz bevor die acht Monate um waren, sprang meine Mutter abends beim Essen auf und verkündete aufgeregt, dass das Kind heraus kommen wollte. Sie ging zusammen mit einem Kindermädchen in ihr Schlafzimmer, dort sollte das Kind geboren werden. Mein Vater und ich warteten in einem anderen Raum. Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, als sich schließlich die Türen öffneten und ich meine Mutter laut weinen hörte. Mein Vater lief sofort zu ihr, mir sagte man, dass ich bleiben sollte, wo ich war. Ich gehorchte. Dann kamen meine Eltern zu mir und sagten, dass der Tod sich meine kleine Schwester geholt hatte, und dass ihr Wunsch nun doch nicht in Erfüllung gegangen war. Es war wie ein Schlag in die Magengrube. Meine Mutter war monatelang alleine in ihrem Schlafzimmer, wurde sogar gezwungen etwas zu essen, da sie sonst verhungert wäre. Und mein Vater war gemein zu jedem, der ihn auch nur schief angesehen hatte.“, sagte der Junge und spielte mit seinen Fingern. Diese Geschichte hatte er noch niemals jemandem erzählt. Es war eine sehr private Angelegenheit, die eigentlich niemanden außer seiner Familie etwas anging. Er fühlte sich schlecht, jetzt, da er wieder über alles nachgedacht hatte, doch Noriko hatte Recht behalten. Er fühlte sich trotz alledem ein wenig besser. Das Mädchen nickte ihm aufmunternd zu. Ren hatte sich abgewandt, dachte über dies und jenes nach um nicht weiter an seine tote kleine Schwester zu denken, und hörte so nicht, dass leise Fußschritte auf ihn zu kamen. Misa, gerade von ihrer Verabredung mit Shinji zurückgekommen, kam von hinten auf ihn zugelaufen, da Riku ihr vorhin verwundert mitgeteilt hatte, dass er irgendwo Richtung Wald abgehauen war, und mal wieder sehr niedergeschlagen gewirkt hatte. Mit einem breiten Lächeln dachte sie an den tollen Tag zurück. Sie griff in ihre Kimonotasche und spielte mit der leuchtenden Feder in ihrer Hand. Sie war angenehm kühl, ein guter Kontrast zu der heißen Luft. Sie fragte sich, warum es überhaupt noch so heiß war, schließlich war es doch schon September, Spätsommer, beinahe Herbst. Doch darum ging es ihr jetzt nicht. Sie hatte schon vor einigen Tagen gemerkt, dass Ren, wenn man ihm genau ins Gesicht schaute, eine freundliche Miene aufsetzte, doch sobald jemand nicht mehr hinsah und er sich unbeobachtet fühlte, sanken seine Mundwinkel nach unten, und er machte einen furchteinflößenden Gesichtsausdruck. Voller Hass, Zweifel und vor allem voll Trauer. Sie hatte zuerst nicht verstanden, warum er so traurig aussah. Sie hatte lange darüber nachgedacht, nächtelang wach gelegen und war schließlich zu einem Entschluss gekommen. Sie würde mit ihm reden müssen, ihn fragen, warum er noch immer so traurig über den Tod von Noriko war. Natürlich fühlte sie sich schlecht wegen des Todes ihrer Freundin, doch man konnte ihr nicht ewig nachtrauern und musste lernen, sie loszulassen, schließlich war sie schon seit über drei Monaten tot. Vielleicht konnte er sie nicht loslassen, weil er sich noch immer für das, was ihr zugestoßen war, verantwortlich machte. Doch egal wie oft sie ihm auch gesagt hatte, dass es einfach nicht seine Schuld war, sondern die des Priesters, es hatte niemals etwas genützt. Er hatte nur ein mattes Lächeln aufgesetzt, hatte sich umgedreht und war davon gegangen. Offensichtlich wollte er nicht, dass andere Leute merkten, wie er sich fühlte. Doch man musste jemandem von seinen Gefühlen erzählen, sonst würde man irgendwann daran zerbrechen. Und Ren wirkte äußerlich so, als würde es bis dahin nicht mehr lang dauern. Die Blonde hatte oft nach einer passenden Gelegenheit gesucht, gewartet, gehofft. Doch es war nie zu einem Gespräch unter vier Augen zwischen den beiden Blondschöpfen gekommen. So konnte und durfte es nicht mehr weiter gehen. Kurzentschlossen fasste sie sich ein Herz – nun war endlich der passende Moment gekommen. Ren sah hinter sich. Noriko saß auf einem Stein, blinzelte ihn an. Was ist los?,fragte sie. Der Blonde schüttelte seinen Kopf. Er wollte sie weiterhin nur ansehen, das war wirklich alles, was er gerade wollte. Allein der Gedanke daran, wieder an ihren Tod zu denken, ließ ein seltsames Gefühl in seinem Bauch aufsteigen. Ein nicht sehr angenehmes Gefühl. Er wollte wirklich nicht darüber nachdenken, doch die andauernden Halluzinationen von dem Mädchen, welches er liebte, schon immer geliebt hatte, auch jetzt noch, machten ihm schwer zu schaffen. Doch schnell schüttelte er den Kopf. Noriko lächelte ihn an. Ren…du musst es endlich schaffen…versuche es, sagte sie und kam ein paar Schritte näher, strich ihm durch das weiche blonde Haar. Ihre giftgrünen Augen funkelten, sahen direkt in seine meerblauen. //Was soll ich versuchen?//, fragte er sich innerlich. Er sah sie lange an. Sie lächelte weiterhin, doch das Lächeln wurde immer trüber, am Ende war es nur noch ein trauriges Lächeln. Sie hob ihren Blick und bedeutete ihm so, sich wieder umzudrehen und nachzusehen, was gerade passierte. Misa räusperte sich leise. Ren gab keinen Mucks von sich und tat so, als könnte er Noriko nicht sehen, als wäre er nicht vollkommen übergeschnappt. „Was gibt es Misa?“, fragte er und legte wieder dieses abscheulich falsche Lächeln auf. Seit Wochen schon benutzte er es, es kostete ihn immer und immer wieder neue Anstrengung, am liebsten hätte er losgeschrieen. Das Mädchen vor ihm verlagerte ihr Gewicht unruhig von einem Bein auf das andere, nervös wie sie war, wusste sie einfach nicht, wie sie mit der Unterhaltung anfangen sollte, ohne ihren Freund zu verletzen. „Ich weiß nicht, wieso du es noch immer tust, aber warum belügst du mich? Mich, die anderen und vor allem dich selbst?“, fragte sie, ein dicker Kloß steckte in ihrem Hals, sie versuchte ihn runterzuschlucken, doch er schwoll noch mehr an und erschwerte ihm das Atmen. Der Blonde sah sie an, eine Mischung aus Erstaunen und Angst. Er schluckte, sah zu seinen Händen. Sie zitterten. „Ich weiß nicht…w-was du meinst.“, sagte er und schaute wieder auf, ein wenig Entschlossenheit lag nun ihn seinem noch immer ängstlichen Gesicht. Misa sah ihn gequält an, er spürte einen Stich in seinem Herzen. Er hasste es, wenn jemand ihn so ansah, doch dieses Mal wusste er wirklich nicht, was Misa meinte. Wieso sollte er sich selbst belügen? „Spiel nicht den Dummen. Du weißt, was ich meine.“, sagte das Mädchen, sie sah ihn noch immer so an, eine Spur von Wehmut hatte sich unter gemischt, als würde sie jedes Wort, dass sie noch nicht ausgesprochen hatte, nur beim Gedanken daran quälen. Zu gerne würde er jetzt zu ihr hingehen, sie in den Arm nehmen und sagen, dass schon alles gut sein würde, doch solange er nicht wusste, warum sie ihn so verletzt an sah, konnte es einfach nicht besser werden. Sie kam näher zu ihm, Ren wich ein wenig zurück, obwohl das in seiner sitzenden Position nur schwer möglich war. Dann sagte sie ein Wort, nur eines, was seine ganze Fassade zerbröckeln ließ, er fasste sich an sein Herz, atmete schwerer. Er verstand nun, worauf sie hinaus wollte. „Noriko.“, sagte sie, es klang trotz ihres Gesichtsausdruckes und ihrer Körperhaltung seltsam neutral. „Irgendwann musst du mit jemandem darüber reden. Ich weiß genau, dass du das noch nicht getan hast.“, fuhr sie fort und versuchte zu lächeln. Es gelang ihr leider nicht. Der Junge wandte seinen Blick ab, sichtlich getroffen von ihren Worten. Noriko hinter ihm legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Wieso sollte ich das tun wollen?“, fragte er und seine Stimme klang kratzig und rau. „Weil du ihretwegen traurig bist. Seit ihrem Tod habe ich dich noch kein einziges Mal wirklich Lachen gesehen und-“ „Ich habe gelacht!“, unterbrach er sie, „Sehr oft sogar.“ „Ich habe gesehen, dass das nur ein aufgesetztes Lachen war. Jedes Mal, wenn du dich unbeobachtet gefühlt hast, hat man klar und deutlich gesehen, wie du wirklich gefühlt hast.“, sagte sie und schenkte ihm einen nun vorwurfsvollen Gesichtsausdruck. „Ich bin nicht mehr traurig…schon lange nicht mehr.“ „Hör auf!“, sie schrie plötzlich, ballte beide Hände zu Fäusten. „Hör auf damit, hör auf dich selbst zu belügen!“ Sie kam noch näher, legte ihm beide Hände auf die Schultern und schüttelte ihn heftig. „Ich…lüge nicht…“, gab Ren schwach von sich, doch er konnte selbst hören, wie kläglich diese Ausrede sich anhörte. Erneute Stiche, mitten ins Herz. „Du musst darüber reden, sonst zerbrichst du vollkommen!“, sagte sie energisch und schüttelte ihn erneut, der Junge spürte, dass sie heftig zitterte. „Und wenn ich nicht darüber reden will? Was dann?“, fragte er, nun klang auch er wütend, gereizt. Ein Teil seiner Gefühle sprudelte dabei aus seinem Bauch. Er fühlte sich ein klein wenig besser. Doch nicht gut genug. Misa verengte ihre Augen. Sie richtete sich auf, ging wieder zu ihrem Platz zurück und sah ihn wütend an – wütender als er sie angesehen hatte. „Ist es das? Muss man dich erst wütend machen, damit du endlich einmal einen Teil deiner wahren Gefühle herauslässt?!“, schrie sie und kniff ihre Augen zusammen, sie zitterte erneut. Ren schnaubte. Sie wollte Gefühle? Sie würde sie bekommen. Er explodierte. „Du willst, dass ich über meine wahren Gefühle spreche? Na schön. Ja, ich bin traurig und ich vermisse Noriko, jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde. Jeder Tag ohne sie ist so schmerzvoll, als würde ich immer und immer wieder sterben. Ich konnte damals nichts für sie tun, habe alles nur noch schlimmer gemacht. Sie ist weg, ich bin es nicht, doch ich fühle mich schon lange nicht mehr mit dieser Welt verbunden. Alle meine Verbindungen wurden mit ihrem toten Körper zu Eis, zerbrachen schließlich. Ich habe ständig das Gefühl verfolgt zu werden, habe Halluzinationen von ihr und Angstzustände. Nur die gewohnte Einsamkeit, die mich seit meinem siebten Lebensjahr begleitet hat, hält mich momentan davon ab, alles in meiner Nähe abzuschlachten, vollkommen den Verstand zu verlieren!“, schrie er, dann stolperte er ein paar Schritte zurück und sank an einem Baum nieder. Dabei vergrub er sein Gesicht in seinen Händen. „Jeder Tag, an dem ich andere glückliche Personen sehe, denke ich an Noriko zurück und wünsche mir, dass sie hier ist, bei mir. Ich sehe Riku und Yoshi, dich und Shinji…ich versuche täglich, meine Gefühle zu verdrängen, indem ich mir einbilde, Gefühle für Umino zu haben. Wer weiß, vielleicht mag ich sie ja tatsächlich mehr als normal, ich kann absolut nichts mehr einordnen.“ Seine Stimme klang nicht länger wütend, viel mehr verzweifelt. Misa wusste in diesem Augenblick, in welchem sie endliche einmal das Ausmaß seiner verwirrten Gefühle zu spüren bekam, nicht, was sie nun sagen oder tun sollte. Sie war froh, dass er das alles gesagt hatte. Er musste sich selbst wieder erkennen, sich seiner Lügen gegen sich selbst bewusst werden. Sie steckte eine ihrer Hände zurück in die Tasche ihres Kimonos. Sie berührte die kühle Feder. Shinji hatte ihr vorhin erzählt, dass es besser wäre, wenn sie sie Ren nicht zeigen würde, doch sie spürte, dass alleine der Gedanke an Noriko, an etwas, was ihn an sie erinnern konnte, seine Laune anheben würde. Noriko legte ihren Kopf auf Ren’s Schulter. Sie legte ihre Lippen an sein Ohr, er spürte sie kaum. Ich versuche dir zu helfen. Es ist deine schuld, dass ich noch immer hier bin, weil du mich nicht loslassen kannst., hauchte ihre Stimme in sein Ohr. Er bekam eine leichte Gänsehaut. //Sie hat recht.//, dachte er. Ja, Noriko hatte recht. Das hatte er erkannt, nachdem er die Worte, die aus seinem Mund gekommen waren, gehört hatte, jedes einzelne Wort verstanden hatte. Er musste sie loslassen und nach Vorne sehen, damit sie endlich ihren Frieden finden würde. Er nickte ihr zu, sah sie dabei aber nicht an. Stumm richtete sich das Mädchen auf, ging ein paar Schritte rückwärts und verschwand. Vor seinen Augen tauchte etwas Leuchtendes auf. Er sah genauer hin, erkannte eine weiße Feder, die eisblau leuchtete. Eine angenehme Kälte ging davon aus. Der Blonde schluckte hart. „Was ist das?“, fragte er, doch er meinte nicht den Gegenstand, den Misa ihm gerade entgegenstreckte, sondern viel mehr, was das zu bedeuten hatte, warum sie so etwas bei sich trug. Er wusste genau, dass die Beigefarbenen Flügel von Misa orange leuchteten. Orange – nicht Eisblau. „Eine Feder. Riku hat sie gestern Nacht gefunden, Shinji hat sie mir vorhin geschenkt. Ich möchte sie lieber dir geben.“, sagte sie sanft und ihre dunkelbraunen Augen strahlten eine Wärme aus, die sehr angenehm war. „Sie…die Feder, sie…erinnert mich an…an-“ „Ich weiß, an Noriko. Deshalb möchte ich sie dir ja geben, als Erinnerung an sie. Shinji hat mir erzählt, dass du das Armband nicht mehr findest, dass du ihr einst geschenkt hast.“, sagte sie und deutete ihm mit ihrem Gesicht, nach der Feder zu greifen. Er tat es. In dem Moment, in dem er die kühle Feder berührte, begann sie zu leuchten. Noch mehr zu leuchten als zuvor, ihre Umrisse wurden schwer sichtbar und Ren und Misa kniffen ihre Augen zu. Beide zogen ihre Hand zurück, als eine eisige Kälte von der Feder ausging. Sie fiel zu Boden, das helle, blaue Leuchten wurde weniger. Ein Geräusch ertönte, zu laut für eine normale Feder, aber zu leise für einen anderen Gegenstand. Die beiden sahen zu Boden. Die Feder war kristallisiert. Zu einem dünnen, kleinen Eisbrocken in Form der Feder. „Was zum-“, fingen die beiden Blondschöpfe an, doch sie sprachen nicht weiter, als ein eiskalter Wind aufkam. Der Eiskristall wuchs. Wurde immer breiter, immer höher. Nahm allmählich eine Form an. Langsam bildeten sich die Formen für Beine, Arme, einen Kopf. Die beiden trauten ihren Augen kaum, als sie eine Person in dem Kristall erkennen konnten. Das Leuchten verschwand nun vollkommen, in dem Kristall bildeten sich Risse und der Kristall zersprang mit einer solchen Wucht, dass beide zurück geworfen wurden. Erneut hörten sie das Geräusch eines Aufpralls, nun schwerer. Kalte Luft schwebte durch die Atmosphäre. Ren und Misa öffneten ihre Augen erst, als sie leise Atemzüge hörten. Sie starrten vor sich auf den Boden, ihre Augen geweitet vor Erstaunen. Was zur Hölle war gerade eben nur passiert? Ren’s Blick schweifte über die früher kurzen, jetzt langen Beine, den nackten Körper, welcher nur an manchen Stellen von langen, blonden Haaren verdeckt war. Sein Blick wanderte weiter, blieb auf dem Engelsgleichen Gesicht ruhen, das er schon immer geliebt hatte. Noriko… Noriko war zurück gekehrt! ___________________________________________________ Nächstes Kapitel:「実験」 ・ Versuche 「Jikken ~ Why do we always miss our chance? 」 Hosted by Animexx e.V. 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