Kaffee und Vanille 2 von Jeschi ================================================================================ Kapitel 2: Marzipanschnütchen und Schokokeksi --------------------------------------------- Ich kann mich nicht konzentrieren. Meine Gedanken schweifen immer wieder zu Valentin ab. Ein Demotape. In München. Zusammen mit seiner Band. Ich weiß gar nicht, was mich an der Sache am meisten stört. Dass er in den Ferien weit weg von mir ist, wo wir endlich mal Zeit für uns hätten, ohne all den Unistress, oder dass die Angst an mir nagt, dass es auf kurz oder lang unsere Beziehung zerstören könnte… Oder liegt es einfach nur an der Vorstellung, dass er die Ferien dann folglich mit Sven verbringen wird? Sven. Diesem widerlichen, anmaßenden, scheiß Emoverschnitt. Ich balle die Hand zur Faust. Vielleicht sollte ich einfach mitfahren. Aber wie käme das denn? Als wäre ich abhängig davon, jede Minute mit Valentin zu verbringen. (Was ich ja eigentlich auch bin.) Oder als wäre ich ein eifersüchtiger Volltrottel. (Was ich ja eigentlich auch bin.) Verdammt. Wie ich es auch drehe und wende, ich werde ihn ziehen lassen müssen. Mürrisch verziehe ich den Mund. „So eine verdammte Scheiße!“ Wütend haue ich auf den Tisch und spüre dann die verwirrten Blicke meiner Kommilitonen und den strengen Blick meines Professors auf mir. „Entschuldigung,“ nuschle ich, aber so schnell komme ich nicht davon und darf jetzt eine Frage beantworten, von der ich nicht mal weiß, wie sie lautet. Als hätte ich gerade Nerven für solch unwichtigen Scheißdreck!!! Nach der Uni habe ich mich einigermaßen beruhigt. Wie es auch kommt, ich bin sicher, Valentin und ich werden es irgendwie wuppen. Wir sind ja erwachsene Menschen, die mit solchen Problemen klarkommen sollten. Entschlossen mache ich mich auf den Weg zur Musikhochschule, um Valentin von seinen Proben abzuholen. Sie proben jeden Dienstag, Donnerstag und Samstag. Letzteres stört mich etwas, obwohl die Probe da schon am Vormittag ist und wir den ganzen restlichen Tag für uns haben. Mittlerweile spielen sie in der Aula, statt in ihrem winzigen Musiksaal. Also höre ich sie schon, als ich ins Foyer trete. Wenig später sitze ich vor der Bühne und warte darauf, dass sie fertig werden, nicht ohne Sven mit bösen Blicken zu erdolchen. Irgendwann verklingt der letzte Ton und Valentin kommt zu mir herunter. „Wie waren wir?“ „Wirklich gut,“ lächle ich und ziehe ihn in meine Arme. Nicht ganz ohne den Hintergedanken, Sven unsere Beziehung noch mal deutlich vor Augen zu führen. „Ich hab mit den anderen gesprochen. Wegen dem Tape,“ murmelt er mir ins Ohr und unter normalen Umständen wäre ich sicher erschaudert. Jetzt aber bin ich zu angespannt, um etwas Angenehmes an dieser Sache zu finden. „Sie wollen das Tape aufnehmen. Also liegt es jetzt an mir.“ Ich brumme nur zustimmend. Ich möchte ihm nicht im Weg stehen, bin sogar der Meinung, er sollte gehen. Auch, wenn ich das eigentlich nicht will. Valentin sagt nichts mehr dazu, sondern krallt sich nur in mein Shirt. Ich hauche ihm einen Kuss auf den Hals. „Lass uns gehen, ja?“ „Okay,“ willigt er ein und löst sich von mir, holt seine Tasche. Er ruft den anderen einen Abschiedsgruß zu, ehe wir gemeinsam zurück ins Wohnheim laufen. „Deine Mutter wird enttäuscht sein, wenn ich nicht mitkomme, was?“ Er sieht mich fragend an und ich muss grinsen, obwohl das Thema eigentlich keinen Grund zum Grinsen lässt. Aber er hat nun mal Recht. Meine Mutter ist sicher enttäuscht, wenn ich Valentin nicht anschleppe. Als ich ihr sagte, ich wäre jetzt mit ihm zusammen, ist sie vor Schreck fast vom Stuhl gefallen. Dann meinte sie nur, sie hätte es schon gemerkt, als sie uns knutschend in der Küche vorfand. Dabei haben wir gar nicht geknutscht, sondern uns nur ein Kitzelduell geliefert. Zu einer Zeit, in der zwischen uns noch gar nichts gelaufen ist. Als ich das klarstellte, musste ich merken, dass sie die ganze Zeit davon ausgegangen war, dass wir bereits zu dem Zeitpunkt ein Paar waren und ihr und Dad nur nicht gesagt haben. Ziemlich heftig. Aber wenigstens hat sie meinem Vater nichts davon erzählt, sondern erst zusammen mit mir mit ihm geredet, als ich es offiziell machte. Mein Vater war gar nicht begeistert. Mittlerweile hat er es akzeptiert, aber ich glaube, er denkt immer noch, dass es nur eine Phase ist. Verspätete Pubertät oder so. Das ändert aber nichts daran, dass er Valentin irgendwie mag. Ich schüttle kaum merklich den Kopf. Natürlich mag er Valentin. Jeder mag Valentin. Valentin muss man einfach mögen! Sieht man ja auch an meiner Mutter, die fast so versessen nach ihm ist, wie ich. Als wir die zweiten Semesterferien bei ihnen verbracht haben, hat sie ihm ständig sein Lieblingsessen gekocht und stundenlang mit ihm Kaffee getrunken und gequatscht. Betrübt schließe ich die Augen. Diese Ferien wird es nicht so sein. „Josh?“ Da bemerke ich, dass ich Valentin noch eine Antwort schulde. „Das wird sie wohl, ja. Aber sie wird es schon verstehen.“ Er nickt und ich nicke ebenfalls. Genau so wird es sein. „Dass du immer in diesem Ding herum laufen musst,“ murrt Valentin und zupft pikiert am Bändel meines Bademantels herum. Ich weiß gar nicht, was er hat. Ich finde ihn kuschelig weich und die Bärchen darauf sind doch niedlich. Andererseits weiß ich natürlich, dass ich darin ziemlich lächerlich und kindisch aussehen muss. Aber ich mag den Bademantel trotzdem. Außerdem gehört er zu einem Schlüsselerlebnis von Valentins und meiner Beziehung. Ihn hat er nämlich an dem Abend getragen, als ich ihm meine Liebe gestanden habe. Und ihn habe ich ihm ausgezogen, als wir daraufhin das erste Mal Sex hatten. Ich streiche über einen Ärmel. „Ich mag ihn.“ „Dein Geschmack ist scheußlich,“ lacht er und wendet sich ab. Er ist gerade dabei, eine Fertigpizza in den Ofen zu schieben. Wir können Beide nicht wirklich kochen. Ich weiß gar nicht, wer sich von uns blöder anstellt. Könnte irgendwann mal ein Problem werden, außer wir werden uns für immer von Fertigessen ernähren. „Ziehst du dich heute noch um?“ Er sieht mich an. Offenbar ist das Thema ‚Bademantel’ für ihn noch nicht erledigt. „Ich wollte den jetzt eigentlich anlassen…“ Er sieht mich leidend an. „Na schön,“ stöhne ich und ziehe ihn aus. „Hrrr…“, macht er und kratzt mir über die nackte Brust, was mir sofort eine Gänsehaut bereitet. „Hör auf damit,“ lache ich und packe seine Hand, „Sonst wird das heute nichts mit Abendessen.“ Er befreit seine Hand aus meinem sanften Griff und schlingt die Arme um mich. „Ich gebe mich auch mit dem Dessert zufrieden,“ haucht er mir anrüchig ins Ohr. „Du bist so verdorben,“ lache ich, „Das denkt man gar nicht von dir.“ Er grinst ebenfalls und ich küsse ihn. Ich würde seinem Angebot sehr gerne nachkommen, aber mein Magen knurrt wie verrückt. Ich habe heute noch kaum was gegessen. „Du wirst dich gedulden müssen, Schatz,“ lächle ich und er blinzelt mir irritiert entgegen. „Schatz?“, echot er. Ich sehe ihn ebenso irritiert an. „Seit wann gibst du mir denn Kosenamen?“, klärt er mich auf. Ich zucke mit den Schultern. Gute Frage. Eigentlich nenne ich ihn nur bei seinem Namen, so wie er mich nur Josh nennt. Gut, ab und an sagt er ‚Joshi’, was auch nicht wirklich eine all zu kitschige Koseform ist. Aber Wörter wie ‚Schatz’ fallen in der Tat nicht. Warum auch immer. „Zu schnulzig?“, frage ich nun deshalb unsicher nach. „Nein. Solange du mich nicht Hasenpups oder so nennst.“ Ich lache. „Niemals, Marzipanschnütchen.“ Er grinst. „Dann ist ja gut, Schokokeksi.“ Ich schnappe nach seinen Lippen und ziehe ihn näher zu mir. „Warum auf einmal ‚Schatz’?“, fragt er dann. „Vielleicht, damit du verstehst, dass du für mich das Wichtigste auf der Welt bist?“, überlege ich, was meinen Sinneswandel hervorgerufen haben könnte. Bilde ich es mir ein oder wird er auf dieses Geständnis hin ein wenig rot? Ich grinse. „Du bist so süß, Valentin.“ „Sagst ausgerechnet du?“ Ich grinse und blicke auf die Pizza im Ofen. „Ich denke, ich hätte jetzt doch auch lieber das Dessert!“ Am nächsten Morgen bin ich ausgehungert und stopfe mir gierig die kalte Pizza in den Mund. Nicht, dass es der gestrige Abend nicht wert gewesen wäre, auf Essen zu verzichten… Ich werfe einen Blick ins Schlafzimmer, zu Valentin, der gemütlich in meinem Bett liegt – sich gänzlich ausgebreitet hat – und schläft. Im Gegensatz zu ihm habe ich gegen Mittag eine Lesung. Er aber kann noch ein wenig schlafen. Ich gehe ins Bad, nehme die Pizza einfach mit, und mache mich fertig. Ich überlege, noch einen Kaffee zu trinken, aber irgendwie bin ich am Ende zu spät dran, um noch groß zu frühstücken. Also hauche ich Valentin einen Kuss auf die Wange und verlasse meine kleine Wohnung. Wenig später bin ich an der Uni und habe nun doch noch Zeit, in der Cafeteria einen Kaffee zu trinken, ehe meine Lesung beginnt. Jeden Tag das Gleiche… Wenigstens ist heute Mittwoch und somit der einzige Tag, an dem ich kein Training habe. Perfekt, weil Valentin heute auch keine Bandprobe hat und wir so den ganzen verbleibenden Tag für uns haben. Mit der Aussicht darauf gehe ich gut gelaunt in die Lesung und schaffe es sogar, zum ersten Mal in dieser Woche wirklich aufzupassen. Als ich für heute Schluss habe, überlege ich, Valentin abzuholen. Ich weiß, dass er noch nicht fertig sein kann und deswegen schlage ich den Weg zur Musikhochschule ein. Dort angekommen, warte ich im Foyer. Hier muss er ja vorbeikommen, wenn er nach Hause will. Tatsächlich entdecke ich ihn wenig später. Allerdings in Begleitung von Sven, der auf ihn einredet. Sofort sinkt meine gute Laune, die ich den ganzen Tag mit mir herumgetragen habe. Als sie mich entdecken, strahlt mir Valentin entgegen, während Sven nur mürrisch dreinblickt. „Hey,“ lächle ich, als sie zu mir treten und küsse Valentin demonstrativ auf den Mund. „Wenn ich gewusst hätte, dass du wartest, hätte ich mich beeilt,“ meint er und ich winke ab. „Warte ja noch nicht lange.“ Ich blicke zu Sven, der nicht begeistert aussieht. Natürlich nicht. Ich zerstöre ja gerade seinen Flirtversuch. „Bist du sicher, dass du das Richtige tust, Valentin?“, wendet er sich nun an meinen Freund. „Absolut,“ erwidert der nur und zieht an meinen Arm. „Gehen wir?“ Ich nicke. Hauptsache, wir kommen so schnell wie möglich weg von Sven! „Du machst einen Fehler!“, ruft Sven uns nach und ich wende mich fragend an Valentin, während wir das Unigelände verlassen: „Was hat er eben gemeint?“ Er antwortet nicht, also füge ich drängend hinzu: „Was du dir gut überlegen sollst…“ „Na ja,“ meint er und weicht meinem Blick aus, unwillig, zur Antwort. Aber ich werde nicht locker lassen und das weiß er auch. „Was Bandinternes,“ erklärt er mir also vage und ich sehe ihm an, dass er lügt. „Was Bandinternes oder eher was Persönliches?“, hake ich nach und er sieht mich verwirrt an. „Hat er dich etwa um ein Date gebeten?“ „Nein,“ wehrt er sofort ab. „Natürlich! Ich sehe doch, dass du lügst.“ Ehe er was sagen kann, grinse ich. „Und du hast ihn also abgewiesen?“ Vergnügt beuge ich mich zu ihm und küsse ihn kurz. „Dann ist ja gut.“ „Ja…“, meint er und schmiegt sich an meinen Arm. Ich hab das Gefühl, da steckt noch mehr dahinter. Vielleicht ging es gar nicht um ein Date. Vielleicht hat er ihm eine Affäre angeboten. Oder gar eine Beziehung. Aber eigentlich auch egal. Hauptsache, Valentin hat ihn abgewiesen! Zu Hause huscht Valentin unter die Dusche und ich versuche mich am Aufwärmen einer Suppe. Während ich noch umständlich eine Dose öffne, klingelt mein Handy und ich erblicke Bennis Nummer auf dem Display. „Ja?“, nehme ich den Anruf entgegen und am anderen Ende schnaubt es. „Du wolltest dich melden. Das war am Montag. Heute ist Mittwoch.“ „Oh scheiße! Dich hab ich ja total vergessen! Sorry.“ Verdammt. Und ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, etwas vergessen zu haben… „Was war denn so wichtig, dass du deinen besten Freund abweisen musstest?“, will er wissen und ich grinse, als ich an den Grund dafür denken muss. „Kannst du dir das nicht denken?“, frage ich nur und er kichert amüsiert. „Joshi, du Hengst.“ „Idiot.“ „Was denn? Genieß es, ihn bei dir zu haben. Ich sehe Jona erst in den Ferien.“ Ich seufze auf. Ach ja… die Semesterferien, die ich gerade verdrängt habe… „Was ist? Freust du dich nicht, uns in Frankfurt zu besuchen?“ Benni hat das Problem, dass Jona wegen seiner Profikarriere nicht nach Hamm kommen kann. Also fährt Benni nach Frankfurt, weshalb wir anderen ihn nicht zu Gesicht kriegen. Allerdings hatten wir beschlossen, ein, zwei Wochen zu ihnen nach Frankfurt zu fahren. „Doch… Es ist nur… ich werde wohl alleine kommen,“ kläre ich ihn auf. „Oh Gott, ihr habt euch getrennt. Du hirnloser Idiot! Wie konntest du dich von ihm trennen?!“ „Wir haben uns nicht getrennt!“, gehe ich dazwischen, ehe er sich komplett ereifern kann. Dann erzähle ich ihm notgedrungen von Valentins Angebot. „Und er nimmt es an?“, will Benni wissen. „Davon gehe ich doch stark aus. Das ist seine Chance.“ Aber eigentlich weiß ich es nicht. Er hat nichts mehr davon gesagt. „Er weiß es zwar noch nicht sicher, aber ich denke, es läuft darauf hinaus,“ füge ich also hinzu. „Wir Zwei haben schon Pech. Mit Superstars zusammen zu sein ist echt kompliziert,“ kommentiert Benni das Ganze und versucht, witzig zu sein. Aber ich kann nur seufzen. Natürlich entgeht ihm das nicht. „Dich stört das ziemlich, oder?“ „Es ist ja nicht nur, dass er dann die Ferien nicht mit mir verbringen kann. Es ist vor allem, dass er mit diesem Sven zusammen sein wird.“ Ich sehe über die Schulter, um sicher zu gehen, dass Valentin das nicht hört. „Verstehe. Dieser ominöse Emo, der es auf ihn abgesehen hat.“ Klar habe ich Benni davon schon berichtet. Immerhin war das bisher meine Sorge Nummer Eins. Bisher… dann musste dieser beschissene Produzent ja so ein tolles Angebot machen… „Ja… Am liebsten würde ich mitfahren, aber das wäre schon ziemlich affig…“ „Wäre es,“ stimmt Benni mir zu. „Alles in Allem eine ziemlich große Scheiße!“, fasse ich zusammen und seufze. „Aber es wird vielleicht nicht die ganzen Ferien dauern. Dann kann er danach ja nachkommen und wir machen uns ein paar schöne Tage in Frankfurt…“ Da hat Benni Recht. Das könnte passieren. Mein einziger Lichtblick, momentan. „Ich muss jetzt aufhören, Valentin ist mit Duschen fertig.“ „Grüß ihn von mir.“ „Und du Jona.“ „Ach ja… von dem soll ich euch ausrichten, ihr sollt euch mal bei ihm melden.“ Dann beenden wir das Gespräch und ich blicke zu Valentin, der in die Küche tritt, in meinen Bademantel gehüllt. „Wer war das gerade?“ „Benni.“ Er nickt und ich grinse und deute auf seinen Aufzug. „An mir hasst du ihn, aber selbst trägst du ihn?“ Er lacht auf. „Er ist halt kuschelig.“ „Frechheit!“ Ich deute auf die Suppe. „Das dauert noch. Wie wäre es, wenn wir in der Zeit mal bei Jona durchklingeln. Benni meint nämlich, der vermisst uns schon.“ Daraufhin lacht mein Emo nur und stimmt zu. Mit Benni zu telefonieren, ist etwas anderes, als mit Jona zu kommunizieren. Bei meinem besten Freund klinge ich einfach ständig durch, aber was Jona anbelangt, muss man fast schon einen Termin machen, so beschäftigt ist er. Vor allem, weil er darauf besteht, dass wir skypen, damit er uns auch begutachten kann. Folglich ist es nicht viel mit kurz durchklingeln. Also sitzen wir wenig später vor Valentins Laptop und grinsen Jona entgegen. „Ihr meldet euch also auch mal wieder,“ stellt er fest. „Ja… nachdem du dich schon bei Benni beschwert hast,“ lache ich. Daraufhin grinst er belustigt. „Wie ist es in Frankfurt?“, will Valentin wissen und Jona strahlt. „Ihr glaubt gar nicht, wie geil das Training ist. Ganz anders, als wir es gewöhnt waren, Josh!“ Er erzählt mir ein bisschen davon, während Valentin nach unserer Suppe sieht und mit zwei Tellern zurückkommt. „Aber genug von mir. Ich hab eine SMS von Benni bekommen. Valentin, du verdammtes Arschloch! Wie konntest du mir das mit dem Tape verschweigen?“ Ich möchte sterben. Warum finden das eigentlich alle toll, nur ich nicht? Kann es sein, dass ich einfach ein ganz schlechter, schlechter Freund bin? „Toll, oder? Aber ich weiß noch nicht, ob ich das mache…“ „Bist du irre? Das ist die Chance!“ Ich seufze lautlos. Zumindest hoffe ich, dass Valentin es nicht gemerkt hat. Ich bin allerdings zuversichtlich, denn er bleibt unberührt. „Ich weiß ja… Aber die ganzen Semesterferien in München verbringen…“ Er seufzt neben mir und zum ersten Mal kommt mir der Gedanke, dass es ihm vielleicht genauso wenig behagt, wie mir. Wenigstens etwas. Die Tatsache beruhigt mich sogar ungemein. Dann leiden wir beide und das ist dann doch fair, oder? „Na und? Das war immer dein Traum! So was Cooles…“ Jona strahlt von einem Ohr zum anderen, als beträfe es ihn selbst. Aber das ist typisch er. Wobei die Chemie zwischen Valentin und ihm von Anfang an gestimmt hat. Wäre Jona nicht mit Leib und Seele Benni verfallen, wäre ich vielleicht sogar eifersüchtig geworden. Aber jetzt sieht es einfach so aus, dass Jona für Valentin das ist, was Benni für mich ist. Bester Freund, Ratgeber und Kummerkasten. „Und was sagst du dazu, Josh?“, will Jona wissen, obwohl ich glaube, dass Benni ihm sicher schon geschrieben hat, was ich davon halte. Aber ich weiß schon, was er bezweckt. Er will, dass wir darüber reden und er als neutrale Person vermitteln kann. Aber das braucht er gar nicht. „Ich bin alles andere, als begeistert. Aber ich weiß, wie wichtig das für ihn ist und deswegen denke ich, dass er fahren sollte.“ Ich sehe Valentin an. „Ich werde deshalb nicht böse sein oder so.“ Er lächelt schwach. „Ich weiß doch.“ „Dann wäre das ja geklärt,“ freut Jona sich und steht dann auf, um etwas zu holen, dass er uns vor die Webcam hält. „Mein Trikot. Jetzt bin ich ganz offiziell Mitglied! In der neuen Saison darf ich dann das erste Mal mit aufs Feld!“ „Wow, Glückwunsch!“, jubele ich und starre auf das Trikot. Ein wenig Neid steigt in mir auf. Was hätten wir alle für so ein Trikot getan? Aber uns war natürlich allen klar, dass nur Jona wirklich Chancen darauf hatte. Und dabei gab es eine Zeit, in der er nicht mal spielen wollte… „Im Moment versuche ich, sie auf Chris anzusetzen,“ erklärt er uns dann und ich grinse. Das war so klar, dass er uns Küken mit auf die Profikarrierenschiene zerren will. Chris hätte es wohl auch als einziger von uns noch wirklich verdient. „Dann streng dich an. Er wurde nämlich an meiner Schule aufgenommen.“ Das stimmt. Als er sich beworben hat, haben sie ihn sofort durch gewunken, wenn er nur sein Abi besteht. Klar, dass ich ein gutes Wort für ihn eingelegt habe. Auch, wenn das sicher nicht all zu viel gewogen haben wird. Zuerst waren Chris’ Eltern ja dagegen, aber mittlerweile hat er sie weich gekocht. „Wenn er von uns die Zusage hat, bin ich gespannt, wie er sich entscheidet!“, meint Jona und das sind wir alle. „So wie ich ihn kennengelernt habe, wird er nach einem Mittelweg suchen,“ überlegt Valentin. „Was du auch tun solltest,“ werfe ich ein und sehe Jona streng an. „Dir ist klar, dass es mit einer Verletzung schnell vorbei sein kann?“ „Ich weiß.“ Jona seufzt. „Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Wenn ich studieren möchte, dann an deiner Schule. Und das geht mit meinem Vertrag für die Skyliners nicht mehr. Und was anderes… Wenn ich versage, dann werde ich eben Trainer!“ Ich grinse. So verrückt das klingt, wahrscheinlich würde der Plan sogar hinhauen. „Na, wie dem auch sei. Ich mach jetzt Schluss. Ich muss noch einkaufen!“ Und so verabschieden wir uns und ich klappe den Laptop zu. „Valentin… Es ist wirklich okay, wenn du das Angebot annimmst. Ich stehe voll hinter dir und ich freue mich auch für dich.“ „Ich weiß, Josh,“ meint er und steht auf, räumt unsere Teller weg, die wie während das Gesprächs leer gegessen haben. „Die Frage ist auch nicht, ob du es willst, sondern ob ich es will.“ Überrascht sehe ich ihm nach, dann folge ich ihm in die Küche. „Aber du wolltest immer berühmt werden!“ „Ja. Aber jetzt studiere ich schon im dritten Semester und freue mich darauf, irgendwann Musikunterricht zu geben.“ Er zuckt mit den Schultern. „Aber-“ „Josh!“, unterbricht er mich. „Es ist mein Leben und ich muss es entscheiden. Nicht du. Ich akzeptiere deine Meinung, aber die endgültige Wahl treffe ich.“ Er sieht mich ernst an. Ja, wirklich richtig ernst. So hat er mich noch nie angesehen. Ich seufze. „Du hast Recht. Tut mir Leid.“ „Schon gut.“ Er nickt nur und belässt es dabei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)