Shards von UrrSharrador (At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 12: One Life -------------------- Nagano-Krankenhaus, Japan Freitag, 4. August 2007 18:32 Uhr Es war kurz nach halb sieben, als sie das Krankenhaus erreichten. Die Straßen in der Umgebung lagen ungewöhnlich ruhig da. Die Sonne war noch nicht untergegangen, sondern blinzelte als orangeroter Ball zwischen den Hochhäusern hervor. Sie parkten auf dem Krankenhausparkplatz. Die DigiRitter, die sich in Tais Wagen zusammengequetscht hatte, empfanden es nun als Wohltat, sich ein wenig strecken zu können. Die anderen waren im Wohnwagen ordentlich durchgeschüttelt worden und zumindest Cody war ein wenig grün um die Nase, als er wankenden Schrittes ausstieg. Mimi packte Palmon sicherheitshalber in ihre Reisetasche, in die sie außerdem noch die Reste des Essens gestopft hatten; wie geplant unterwegs anzuhalten und Proviant zu kaufen, hatten sie nicht gewagt. Wenn Ansatsu Fumiko tatsächlich gefunden hatte, war es vermutlich ein Wunder, wenn sie noch lebte. Hastigen Schrittes erklommen die DigiRitter die Treppe und durchquerten die automatische Drehtür. Auf dem Weg zu Fumikos Krankenzimmer fiel ihnen bereits auf, dass etwas seltsam war: Es war keine Menschenseele zu sehen. Die Gänge waren völlig leer, flankiert von geschlossenen Türen, die zu öffnen sie nicht wagten. Sie erreichten den entsprechenden Krankenhausflügel. Yolei warf einen Blick aus dem Fenster. Man konnte in den begrünten Innenhof sehen und hatte überdies eine gute Sicht auf den zweiten Teil des Krankenhausgebäudes, der gleich einem riesigen Turm neben diesem Flügel hier aufragte. Das Mädchen runzelte die Stirn. „Was hast du?“, fragte Sora. „Ich … ach nein, nichts“, murmelte Yolei. Sie gingen weiter, aber das Mädchen warf wiederholt beunruhigte Blicke aus dem Fenster. Hatte sie sich getäuscht? Lohnte es sich, den anderen Sorgen zu bereiten, indem sie ihre Befürchtungen aussprach? Der Schwesternstützpunkt war verlassen – oder doch nicht? Durch das Sichtfenster konnte man deutlich den Blutfleck sehen, der die hintere Wand verunzierte. Die DigiRitter sahen sich alarmiert an. Schließlich riss Tai die Tür zum Stützpunkt an. „Mein Gott“, murmelte er, während die anderen über seine Schulter sahen. „Was … Was ist hier passiert?“ Seine Stimme klang etwas schrill. Zwei Krankenschwestern lagen in dem kleinen Raum, halb unter einem Schreibtisch. Ihre Augen waren weit aufgerissen, ihre weißen Kittel blutgetränkt. Tai ging vor ihnen in die Hocke und berührte die eine an der Schulter. Keine Reaktion. Obwohl er wusste, dass er nichts fühlen würde, tastete er nach ihrem Puls. Ihre Haut war bereits eiskalt. „Das ist …“, begann Matt, wurde aber plötzlich von Cody zur Seite gestoßen, der in den Schwesternstützpunkt stürzte. „Pass auf, Tai!“ Tais Kopf ruckte herum. Er sah alles wie in Zeitlupe: Von der Decke, fast genau über ihm, löste sich etwas Rundes, Rötliches und flog genau auf ihn zu. Stahl blitzte auf. Er blickte für einen Moment in große, unnatürliche Augen – dann war Cody plötzlich da. Der jüngste DigiRitter schwang ein hölzernes Abstelltischchen in der Hand – die Blumenvase, die vorher darauf gestanden war, zerbrach erst jetzt am Boden, so schnell war er gewesen. Cody hob das Möbelstück wie einen Schild vor sich und Tai und keinen Sekundenbruchteil später prallte das rote Etwas dagegen. Cody wurde von den Füßen gerissen. Der Tisch entglitt seinen Fingern und polterte davon; ein blitzendes Samuraischwert steckte tief im Holz. Eine gedrungene Gestalt rollte sich über den Boden und sprang auf. Tai prallte zurück und starrte das Digimon aus großen Augen an. Ein Ninjamon … und es hätte ihm fast den Kopf abgeschlagen! Das maskierte Digimon, das fast wie eine Kugel mit Beinen und Armen aussah, zog soeben ein zweites Schwert. Es hatte einen Stofffetzen um den Mund gebunden, der mehr wie ein Knebel als wie ein Mundtuch aussah. Cody atmete tief aus und ein, ging zu dem ramponierten Tisch und riss mit einer kraftvollen Bewegung das Katana aus dem Holz. „Hast du die Frauen ermordet?“, zischte er Ninjamon entgegen. Das Digimon antwortete nicht, sondern hob nur angriffslustig sein Schwert und wippte auf den Sohlen. Cody schluckte. Ein Schweißtropfen lief an seinem Hals hinab, als er sagte: „Tai, überlasst es mir. Ihr geht und seht nach, ob Fumiko in Ordnung ist.“ Tai starrte ihn aus großen Augen an. „Ist das dein Ernst? Das ist ein Digimon!“ „Ich weiß.“ Cody zog unglücklich die Mundwinkel hoch. „Aber meine jahrelange Kendo-Ausbildung sollte auch nicht umsonst gewesen sein.“ „Mach dich nicht lächerlich! Lass mich das machen!“ Palmon quetschte seinen Blütenkopf aus Mimis Tasche. „Es ist doch gar nicht sicher, ob nicht irgendwo noch ein Digimon lauert!“, redete Tai auf ihn ein. „Wenn, dann seid ihr mir nur im Weg“, gab Cody zurück und ließ Ninjamon nicht aus den Augen, das abwartete. „Ihr habt keine Waffen. Und dieses Biest hier ist schnell“, erinnerte er. „Yolei hat eine Pistole!“, rief Sora und wandte sich um. Hinter ihr stand niemand. „Aber … wo ist sie hin?“ „Was?“ Tai wirbelte zu ihr herum. „Yolei ist nicht mehr da?“ Matt blickte auf den Gang hinaus. Er war so menschenleer wie vorher. Seine Lippen formten einen stillen Fluch. „Vielleicht ist sie schon vorgegangen?“, überlegte Sora. Izzy schüttelte den Kopf. „Sie war noch nie hier.“ „Beeilt euch jetzt“, sagte Cody. „Ich regle das und komme nach, keine Sorge.“ „Dann helfe ich dir!“, rief Palmon. „Das geht nicht“, knurrte Cody mit zusammengebissenen Zähnen. „Es wird deine Ranken höchstens zerschneiden, und wenn du hier digitierst, zerstörst du den halben Trakt. Außerdem, was ist, wenn Ansatsu bei Fumiko ist?“ Tai wusste nicht, ob er ihn bewundern oder für verrückt halten sollte. Aber sie durften wirklich keine Zeit mehr verlieren … „Okay, wir machen es so: Wir laufen zu Fumikos Zimmer und sehen dort nach dem Rechten. Vielleicht kann sie uns ein DigiTor öffnen, durch das wir Verstärkung kriegen. Sobald wir wissen, dass es ihr gut geht, gehe ich Yolei suchen. Cody, mach nichts Unüberlegtes. Bei der ersten Gelegenheit läufst du davon und versuchst es abzuschütteln. Sonst halte das Ninjamon am besten so lange hin, bis wir dich holen kommen.“ Er überlegte kurz. „Wenn schon alles verloren ist, dann fliehen wir. Ohne Fumiko kommen wir hier nicht weiter.“ Cody nickte und lauschte, während sich die Schritte der anderen entfernten. Das Ninjamon hatte die Augen weit aufgerissen und trat langsam auf ihn zu. Er hob sein Schwert – und die beiden Kontrahenten stürmten aufeinander los. Sie rannten so schnell den Gang entlang, dass ihnen Tränen in die Augen stiegen. „Hoffentlich kommen wir nicht zu spät, hoffentlich kommen wir nicht zu spät …“, sagte sich Tai wie ein Sutra immer wieder vor, bis er Seitenstechen bekam. Es war ihm egal. Sie erreichten die Tür zu Fumikos Zimmer und rissen sie auf. Blut war das erste, was sie sahen. Metallisches Klirren. Funkensprühen. Die Schwerter kreuzten sich kurz, dann machte das Ninjamon einen Satz zurück und stieß sogleich wieder vor. Cody wurde ächzend in die Defensive gedrängt. Er konnte nichts tun, außer die Schläge abzuwehren, die rasend schnell auf ihn einprasselten. Von links, von rechts, in einer Spirale von oben – Ninjamon war weit geübter als er. Und dann legte es noch einen Zahn zu – das Katana zog eine rote Linie über Codys Oberschenkel. Der Junge schrie auf und biss gleich darauf die Zähne zusammen. Das war kein Spiel … Er kämpfte mit einem Schwert gegen ein Digimon, das ihn töten wollte … Warum hatte er sich nur auf so was Hirnrissiges eingelassen? Er prallte mit dem Rücken gegen die Wand. Ninjamon sprang ihn regelrecht an. Cody riss fahrig das Schwert hoch. Die Klingen kreuzten sich so knapp vor seinem Gesicht, dass Cody sein Gesicht verzerrt im Schliff der gegnerischen Waffe spiegeln sehen konnte. Dann stieß er einen seiner Kendo-Schreie aus und drückte Ninjamon von sich. Das kugelförmige Digimon war relativ leicht, und er konnte es einige Meter zurückstoßen, wo es in der Luft einen Salto schlug und wieder auf den kurzen Beinen landete. Nun ging Cody in die Offensive und legte all sein Körpergewicht in seinen Schwung. An Muskelkraft war er dem Digimon überlegen; wenn er es schaffte, es seinerseits gegen die Wand zu drängen … „Fumiko!“, rief Izzy. Das schwarzhaarige Mädchen zuckte zusammen und sah mit glasigen Augen zu ihnen hinüber. Das EKG, an das sie angeschlossen war, piepste rasend schnell. In ihrem Zimmer lagen ein Arzt und zwei Schwestern, wohl die Visite, in Blutlachen. Sie waren von scharfen Schwertern niedergestreckt worden. Die DigiRitter stürzten auf das Krankenbett zu. Izzy drückte Fumikos Hand. „Bist du in Ordnung?“ „Wo wart ihr so lange?“, fragte Fumiko mit fistelnd hoher Stimme. Sie schien nicht ganz bei sich zu sein. Ihr Gesicht glänzte vor Schweißperlen und sie hatte tiefe, dunkle Ringe unter den Augen. Ihr Körper wirkte noch ausgezehrter als beim letzten Mal. „Geht … es ist eine Falle … es sind zwei Ninjamon im Krankenhaus …“ „Keine Sorge“, sagte Izzy beruhigend. „Cody kümmerte sich um …“ Er erstarrte. „Moment, hast du gesagt, zwei?“ Cody triumphierte. Nur noch ein Meter trennte das Ninjamon von der Wand. Es war lange her, dass Cody ein Ninjamon gesehen hatte, und er wusste nicht mehr genau, welche Attacken diese Digimon beherrschten – er hoffte, die Sache zu Ende bringen zu können, ehe es eine davon gegen ihn einsetzte. Da hörte er ein dumpfes Geräusch in der Ecke. Sein Blick flackerte dorthin. Ein zweites Ninjamon hatte sich aus einem offenen Lüftungsschacht auf den Boden fallen lassen. Es trug ebenfalls ein Katana und auch sein Mund war zugeklebt. Cody fluchte. Das erste Ninjamon nutzte seine Ablenkung und brachte ihm einen brennenden Schnitt an der Schulter bei. Cody schrie auf und wehrte es ab, als das zweite Digimon ebenso ungestüm auf ihn eindrang. „Wir müssen ihm sofort helfen!“, rief Tai. „Wir wissen gar nicht, wo das andere Ninjamon ist“, beruhigte ihn Matt und sah sich suchend um. Tai wurde bleich. „Du meinst … es ist vielleicht hier?“ Er zuckte zusammen, als ihm etwas einfiel, und wandte sich mit geweiteten Augen an Fumiko. „Warum … warum lebst du überhaupt nocht?“ „Tai, das ist …“, begann Izzy ärgerlich, wurde aber von Matt unterbrochen. „Verdammt, das muss einfach eine Falle sein!“ Sora blickte eher zufällig aus dem Fenster und sah, wie auf der Dachkante des zweiten Krankenhausturms etwas im Abendlicht aufblitzte, und zwischen ihren Synapsen zuckte ein plötzlicher Gedanke. „In Deckung!“, schrie sie und warf sich zu Boden. Die anderen brauchten einen Moment, um zu reagieren – und mit einem lauten Klirren zersplitterte die Fensterscheibe des Krankenzimmers. Matt spürte etwas schneidend nahe an seinem Gesicht vorbeifegen. Seine Haare flatterten. Mimi kreischte. Weitere Schüsse folgten. Der Tropf, an den Fumiko angeschlossen war, wurde zerfetzt. Scherben und klare Flüssigkeit regneten auf das Mädchen herab. Die DigiRitter warfen sich auf den Boden. Tai reagierte blitzschnell, packte Fumiko und riss sie vom Krankenbett, wo sie ein leichtes Ziel bot. Das Mädchen schrie auf, als die Tropfnadel aus ihrer Haut gerissen wurde und blutig auf dem Bett landete. Die EKG-Elektroden lösten sich schnalzend von ihrer Brust und ihr Krankenhaushemd verrutschte. Tai beugte sich schützend über sie. Mit ruhigen Fingern öffnete Miyuki das Magazin ihres Scharfschützengewehrs. Sie hatte schon mal besser getroffen, aber das war kein Problem. Sie musste gegen die Sonne zielen, also war es nicht so einfach. Sie lag auf dem Dach des zweiten Krankenhausflügels und hatte das Zimmer des letzten DigiRitters genau im Visier. Im Stillen verwünschte sie Kentarous Schnapsidee. Das Mädchen erst direkt vor den Augen der anderen DigiRitter zu töten, um ihnen die Hoffnungslosigkeit ihrer Lage vorzuführen, verursachte nur ungeplante Risiken. Aber das machte letzten Endes auch nichts. Das nächste Mal würde sie sie treffen – alle, nacheinander, egal, wie gut sie sich versteckten; nichts in dem Zimmer bot ihnen dauerhafte Deckung. Klackend schnappten die neuen Patronen in ihrer Waffe ein. Plötzlich spürte sie die Mündung einer Pistole in ihrem Rücken. „Wusste ich’s doch, dass ich hier oben was gesehen habe“, sagte eine weibliche Stimme. „Tja, Falle gekontert mit Gegenfalle, würde ich sagen.“ Miyuki drehte den Kopf. Hinter ihr stand eine junge Frau mit fliederfarbenem Haar, das ihr ungeordnet über die Schultern floss. Ihre Brillengläser leuchteten golden im Licht der Abendsonne. Sie machte einen Schritt rückwärts, sodass Miyuki genau in den Pistolenlauf sehen konnte. „Leg das Gewehr weg und steh auf“, befahl das Mädchen. „Und dann sag mir, wer du bist und was hier eigentlich gespielt wird!“ Cody prallte keuchend gegen die Kante des Schreibtischs. Die Schwerter der Ninjamon hatten ihm mehrere Schnitte zugebracht, von denen gottlob keiner so tief war, dass er aufgeben musste – aber auch das konnte nicht mehr lange dauern. Die Digimon ließen nicht locker, sondern droschen gnadenlos auf ihn ein. Cody parierte einen Hieb und drehte sich zur Seite. Das Katana des zweiten Ninjamons schlug ein tiefes Cut in die Tischkante. Das andere Schwert sirrte unheilverkündend durch die Luft. Mitten in seinem Ausfallschritt sah Cody es auf seine Augen zufliegen – als er schwer über den Körper einer Krankenschwester stolperte. Haarscharf glitt die Klinge über seinen Kopf hinweg. Der Junge prallte auf dem Boden auf, rollte sich ab und sprang wieder auf die Beine. Die Ninjamon kamen in einer langsamen Zangenbewegung auf ihn zu. Cody war schweißgebadet. Er würde es nicht schaffen. Es war ganz und gar unmöglich, noch länger durchzuhalten. Er mahlte mit den Zähnen und dachte fieberhaft darüber nach, wie er überleben konnte. Armadillomon, rette mich … Er packte das Schwert und stürmte, einen Kampfschrei brüllend, auf seine Feinde zu. Er musste es diesmal alleine schaffen! Die DigiRitter lagen am Boden und wagten es nicht zu atmen. Doch es fielen keine weiteren Schüsse. Das EKG zeigte eine Asystolie an und ein durchgehender Ton ertönte, als die Elektroden leer vom Bett baumelten. Fumiko hustete. Tai richtete sich vorsichtig auf und sah das blasse Mädchen erschrocken an. Unter ihrem Handgelenk, wo die Nadel aus ihrer Vene gerissen worden war, hatte sich eine kleine Blutlache gebildet. Er sah sich nach einer Möglichkeit um, die Blutung zu stillen – hier in einem Krankenzimmer musste es doch irgendwas geben – riss dann einfach einen Streifen aus seinem T-Shirt und band ihn ihr fest um die Wunde. Sie biss die Zähne aufeinander. „Alles in Ordnung?“ Izzy kam zu ihnen gekrochen. Er war kreidebleich. Fumiko nickte abwesend. „Wir haben nicht viel Zeit“, ließ Matt vernehmen. Er hatte die Schranktür geöffnet und war dahinter in Deckung gegangen und lugte nun wachsam zum Fenster. „Kannst du für uns das DigiTor öffnen?“ „Was?“, rief Mimi aus. „Aber … Yolei und Cody sind noch nicht hier!“ „Wir können nicht länger warten“, stimmte Tai Matt zerknirscht zu. „Fumiko, kannst du das Tor aufmachen?“ Izzy klappte seinen Laptop auf. Das Mädchen nickte erneut, tat aber nichts. „Fumiko!“ Tai packte sie an den Schultern. Erst das rüttelte sie wach. Sie hustete erneut. „Es ist das Gift“, murmelte Izzy besorgt. „Es geht schon …“ Fumikos Stimme war nur ein Flüstern. Sie hatte wohl nicht einmal mehr die Kraft sich aufzurichten. Schwer atmend, die Augen halb geschlossen, lag sie gegen die Wand gelehnt da, während sie auf die Schublade ihres Nachtkästchens deutete. Tai sprang auf, riss die Lade auf, fand Fumikos DigiVice darin und händigte es ihr aus. Wer immer diese Falle gestellt hatte, musste sehr zuversichtlich gewesen sein, sie damit erledigen zu können – und nicht nur das. Er wollte ihnen offensichtlich auch die Aussichtslosigkeit ihrer Lage vor Augen führen, anders konnte er sich nicht erklären, warum er Fumiko nicht längst getötet oder zumindest ihr DigiVice zerstört hatte. Der letzte neue DigiRitter richtete das seltsame kleine Gerät auf Izzys Bildschirm, der daraufhin aufleuchtete. Auf der anderen Seite des Bettes klappte die Wirklichkeit auseinander. Die Luft flimmerte, kleine, rechteckige Plättchen schälten sich von der Realität ab und offenbarten Stück für Stück etwas anderes … Innerhalb einer Sekunde hatte es sich materialisiert. „Ansatsu!“, keuchte Sora und schlug die Hand vor den Mund. „Ich wusste doch, dass ich derjenige sein werde, der es zu Ende bringt“, murmelte der schwarzgekleidete Assassine kühl. An seiner Hand steckten drei unheilverkündende Krallen. Yolei musterte die Frau genau, die gehorsam vor ihr aufstand und die Arme im Nacken verschränkte. Sie war höchstens so alt wie sie selbst, allerhöchstens ein Jahr älter. Blonde Locken wallten ihren Rücken hinab. Sie steckte in einem schwarz glänzenden Lederkostüm. Das Gewehr, das neben ihr lag, war über einen Meter lang und hatte einen Schalldämpfer, soweit sie erkennen konnte. „Also“, wiederholte Yolei. „Wer bist du? Was hast du vor?“ Innerlich schalt sie sich, obwohl bislang alles gut gegangen war. Wieder einmal hatte sie viel zu vorschnell gehandelt – die Bewegung, die sie auf dem Dach gesehen hatte, und die fast schmerzhaft brennende Spannung, die sie ergriffen hatte, seit sie das Krankenhaus betreten hatten, hatten sie einfach davonstürmen lassen, als die anderen die toten Schwestern entdeckt hatten. Weder hatte sie sich Zeit für Erklärungen gelassen, noch hatte sie erwartet, jemanden mit einer solchen Waffe hier vorzufinden … Was wäre wohl gewesen, wenn sie plötzlich direkt in den Lauf des Gewehres geblickt hätte, als sie aus dem Treppenhaus trat? „Also? Jetzt red schon endlich!“ Die Frau lächelte überheblich. „Deine Stimme zittert ja.“ Sie trat einen Schritt vor – Yolei musste sich zwingen, nicht instinktiv zurückzuweichen –, bis der Lauf der Pistole gegen ihr Schlüsselbein drückte. „Und deine Hand zittert auch. Hast du schon einmal einen Menschen umgebracht?“ Yolei biss die Zähne zusammen und schluckte trocken. Sie trat nun doch zurück. Die Frau warf mit einer anmutigen Bewegung ihre Lockenpracht zurück und musterte sie abschätzig mit schief gehaltenem Kopf. „Ich hingegen hab schon so einige umgelegt.“ So schnell, dass Yolei es gar nicht sah, schnellte ihr Bein hoch und kickte ihr die Pistole aus den schweißnassen Händen. Mit einem einzigen Schritt war die Frau wieder bei ihr und packte sie mit beiden Händen an der Kehle. „Es ist eben gewöhnungsbedürftig, gegen Menschen zu kämpfen, anstatt sich an Digimon auszutoben, oder?“ „Du … du weißt …“, keuchte Yolei, konnte aber nicht weitersprechen, als die Frau zudrückte. Codys Schwert wirbelte durch die Luft. Die Ninjamon machten gar keine Anstalten, auszuweichen. Ein Katana streifte sein Schienbein, das andere zischte knapp neben seiner Hüfte ins Leere. Er fing einen weiteren Hieb ab, und als er das zweite Ninjamon erneut ausholen sah, fackelte er nicht lange, sondern wirbelte herum und pfefferte ihm den Fuß gegen den kugelförmigen Leib. Das Digimon wurde von dem Tritt regelrecht fortgeweht, überschlug sich in der Luft ein paarmal und knallte gegen die Wand. Geistesgegenwärtig parierte Cody einen weiteren Schlag des anderen Gegners und versuchte eine Riposte – die allerdings misslang. Statt das Ninjamon zu treffen, schnitt die Klinge kurz über dessen Kopf sirrend durch die Luft. Das Ninjamon machte einen Satz rückwärts, riss sich den Knebel aus dem Mund und rief: „Halte ein, Mensch! Ich bin nicht dein Feind!“ Cody war von dieser unglaubwürdigen Behauptung so überrascht, dass er kurz stehen blieb. Das zweite Ninjamon sah seine Chance und sprang ihn von der Seite an. Cody sah es erst, als es zu spät war, noch das Schwert hochzureißen. „Blitzwurfstern!“ Etwas schoss an Cody vorbei und traf das Ninjamon an der Schulter. Die Wucht des Wurfsterns riss es herum und sein Schwert verfehlte Cody um Haaresbreite. Cody sah überrascht zu dem anderen Ninjamon hin, das nun keinen Knebel mehr trug. Hatte das Digimon ihn gerade gerettet? Als das zweite Ninjamon sich sogleich wieder Cody zuwandte, sprang das erste zwischen sie und drang mit dem Schwert auf seinen Zwilling ein. „Lauf!“, schrie es Cody zu. „Nimm deine Freunde und verlass diesen Ort!“ Cody zögerte. Er hatte keine Ahnung, was hier eigentlich los war. „Ich halte es auf!“, keuchte Ninjamon und drängte das andere Digimon so gut es ging zurück. „Geh! Sollten wir uns wiedersehen, werde ich es dir erklären!“ Einen wertvollen Augenblick verschwendete Cody noch daran, die Digimon, die ihn beide eben noch hatten töten wollen, gegeneinander kämpfen zu sehen. Dann wirbelte er auf dem Absatz herum und stürmte, das Schwert noch in der Hand, aus dem Schwesternstützpunkt. Unheilverkündend wie ein schwarzer Schatten ragte Ansatsu über den am Boden kauernden DigiRittern auf. Seine Kapuze hatte er diesmal nicht auf und krauses, schwarzes Haar war sichtbar. Fumiko starrte ihn aus glasigen Augen an. „Du …“, hauchte sie. „Das ist Parallelmons …“ „Giftiger Efeu!“ Palmon war aus Mimis Tasche geschlüpft. Grüne Ranken peitschten Ansatsu entgegen, der sie mit seiner Raubtierkralle spielerisch zerhackte. Er sprang auf das Krankenhausbett, das unter seinem Gewicht ächzte, stieß sich ab, landete direkt vor Palmon und beförderte es mit einem Fußtritt in die Ecke. „Palmon!“, kreischte Mimi. Ansatsu stürmte mit wehendem Mantel auf Fumiko zu. „Nein!“ Izzy warf sich ihm in den Weg. Die schwarze Kralle blitzte im Licht auf. Schreiend fiel Izzy zu Boden, wälzte sich herum und presste sich die Hände vors Gesicht. Matt ließ alle Vorsicht fahren und lief knurrend heran – Ansatsu tat einen Schritt rückwärts und riss einen Arm hoch. Von diesem Manöver überrascht, konnte Matt nicht rechtzeitig stehen bleiben und bekam einen Ellbogen ins Gesicht geschmettert. Nun trennte ihn nur noch Tai von Fumiko. Der DigiRitter stand auf und breitete die Arme aus. „Nur über meine Leiche“, zischte er. Ansatsu wollte das Mädchen töten, um das Tor zu schließen – er wusste nicht, ob die Verbindung zur DigiWelt in so einem Fall wirklich abbrechen würde, aber sie konnten es sich nicht leisten, das herauszufinden. Der Assassine zeigte sich unbeeindruckt. Er hob drohend den Krallenarm. „Ist mir auch recht“, sagte er und seine eisblauen Augen blitzten auf. Ein vertrautes Geräusch erklang. Das Licht, das Izzys Laptop verstrahlte, wurde schlagartig heller und etwas platzte durch den Bildschirm. Noch ehe jemand das gelbe Etwas erkennen konnte, flog es direkt auf Ansatsu zu und krallte sich in seinen Nacken. Der Assassine bäumte sich auf und versuchte, den kleinen Dinosaurier abzuschütteln, der sich mit Klauen und Zähnen festhielt. „Agumon!“, stieß Tai hervor. Sein Freund war von sich aus durch das Tor in die Menschenwelt gekommen? Agumon löste seinen Biss. Feuer loderte in seinem Rachen auf. „Kleine Flamme!“ Ansatsus Kapuzenmantel und sein Haaransatz wurden versengt. Der Assassine keuchte auf, wirbelte herum und ließ sich rückwärts gegen die Wand prallen. Der Schlag löste Agumon von seinem Nacken. Ansatsu sprang auf das Bett und musterte die Lage. „Agumon, bist du …“, begann Tai, doch sein Digimonpartner unterbrach ihn. „Ich habe deinen Mut gespürt, Tai“, sagte es, als ob das alles erklären würde. „Meinen … Aber …“ Agumon wurde von grellem Licht eingehüllt. Vor den Augen der Versammelten begann es zu wachsen. Stählerne Panzerplatten legten sich um seine Arme und Beine und fuhren Krallen aus. Ein Helm bildete sich um seinen Kopf und ein Schild mit dem Wappen des Mutes darauf erschien auf seinem Rücken und spaltete sich in zwei flügelähnliche Teile. Tai hielt den Atem an. Agumon war zu WarGreymon digitiert! Jetzt hatte Ansatsu keine Chance mehr. Yolei zappelte, schlug und kratzte und trat um sich, aber die Frau ließ nicht los. Sie war um einiges kräftiger, als es den Anschein hatte. Schon wurden Yoleis Bewegungen langsamer und Nebel breitete sich in ihrem Kopf aus. „Du bist wirklich verrückt, mir ganz allein die Stirn zu bieten. Gegenfalle, hast du gesagt? Glaubtest du, aus der Jägerin eine Gejagte machen zu können?“ Die Frau lachte. „Keine Sorge“, sagte sie zuckersüß. „Du wirst deine Freunde im Jenseits wiedersehen.“ Cody sah die Tür zu Fumikos Zimmer offen stehen und stürmte mit dem Schwert in der Hand hinein. Was er sah, konnte er kaum glauben. Ein schwarzgekleideter Fremder stand breitbeinig auf Fumikos Bett. Seine Freunde und Fumiko standen oder hockten am Boden, Izzy stand gerade wieder auf. Drei blutige Linien zogen sich quer über sein Gesicht, aber die Wunden schienen nur oberflächlich zu sein. Und das Digimon, das der Kerl fixierte, war … „WarGreymon?“, rief Cody ungläubig. Sora erblickte ihn. „Cody! Da bist du ja!“ „Sagt mir, dass ich träume!“ „Die Kraft zum Schutz der DigiWelt hat sich dank der letzten DigiRitter erneuert. Die Kraft eurer Wappen wurde freigegeben und steht euch wieder zur Verfügung.“ WarGreymon funkelte Ansatsu an. Seine Stimme hallte vielstimmig von den Wänden des Raumes wider. „Dein Treiben hat jetzt ein Ende“, verkündete es und hob kampfeslustig die krallenbewehrten Arme. „Das sehe ich anders“, erwiderte Ansatsu. Mimi blieb der Mund offen stehen. Konnte diesen unheimlichen Typen denn nichts aus der Ruhe bringen? Vielleicht hatte er einfach noch nie ein Mega-Digimon gesehen … WarGreymon stürzte sich auf ihn. Ansatsu riss die Arme hoch. WarGreymons gepanzerter Arm prallte klirrend gegen seinen Krallenhandschuh, aber WarGreymon blieb nicht stehen. Mitsamt seinem Feind schoss es aus dem zersplitterten Fenster. Die beiden krachten wie ineinander verkrallt einen Stock tiefer in eine gläserne Balkontür des gegenüberliegenden Krankenhausturms. WarGreymon stieß sich ab und war mit einem einzigen Satz wieder bei den DigiRittern. Ansatsu rappelte sich auf – aber er floh nicht, wie man es erwartet hätte, sondern trat nur mit einem entschlossenen Ruck auf den kleinen Balkon hinaus. „Schnell jetzt! Durch das Tor!“, kommandierte Matt. Er nahm Sora beim Arm und zerrte sie hinter sich her zu Izzys Laptop. „Er hat etwas vor“, ließ WarGreymon hören und hob die Arme. „Was machst du da?“, rief Tai erschrocken. Seine Augen weiteten sich. „Er ist ein Mensch!“ „Aber er wird Fumiko töten“, rief Cody. „Ich … sterbe sowieso …“, hauchte das Mädchen. Sie konnte kaum noch die Augen offen halten und war weiß wie die Wand. Durch den provisorischen Verband sickerte Blut, und auch ihre alte Wunde durfte wieder aufgerissen sein, da sich die Bandagen um ihre Hüften rot gefärbt hatten. WarGreymon führte die Arme zusammen. „Er ist nicht besser als Myotismon oder Devimon!“, legte es fest. Eine orangefarbene glühende Kugel wurde zwischen seinen Krallen sichtbar. „Du wirst doch nicht … Das ist ein Kranken…“, begann Tai, aber er wurde von WarGreymons schallender Stimme unterbrochen. „Planetenkraft!“ Die Kugel war nicht größer als ein Fußball, als WarGreymon sie auf Ansatsu schleuderte, aber für einen Menschen mochte allein das tödlich sein. Der Assassine machte keine Anstalten, auszuweichen. Er hatte seine Handflächen ebenfalls aneinander angenähert. An seinem Gürtel leuchtete etwas grünlich auf, und zwischen seinen Händen tat sich etwas, das man kaum erkennen konnte, während die orangefarbene Kugel unerbittlich und wie in Zeitlupe auf ihn zuflog. Dafür hörte man Ansatsus Stimme umso deutlicher, keine halbe Sekunde nach WarGreymons Ruf. „Schwarze Planetenkraft!“ Eine rotschwarze Kugel verließ seine Hände und knapp vor ihm trafen die beiden Attacken aufeinander. Zuerst schienen sie sich gegenseitig aufzusaugen – dann explodierten sie in einem Chaos aus Rot, Schwarz und Orange. Rote Lichtwellen breiteten sich nach oben und unten aus und klaffende Rissen zogen sich durch die Front des Turms. Die Erschütterung riss Yolei und die Frau beide von den Füßen. Das Mädchen rang keuchend nach Luft, als ihre Kehle endlich wieder frei war. Ihr Hals schmerzte. Was war das für eine Explosion gewesen? Sie hatte dunkelrotes Licht gesehen … Ihr Blick fiel auf die Frau, die neben ihr lag. Sie versuchte sich aufzusetzen. Yolei lief los. Der Boden unter ihren Füßen schwankte wie das Deck eines Schiffes, aber sie erreichte das Präzisionsgewehr, ohne zu stolpern. „Was versuchst du da? Du wirst sowieso nicht abdrücken!“, rief ihr die Frau hinterher und rannte ebenfalls darauf zu. Yolei schnappte sich die Waffe – und schwang sie ihrer Kontrahentin wie eine Keule gegen die Schläfe. Mit einem hörbaren „Uff!“ sackte die Schützin in sich zusammen. „Nein“, sagte Yolei triumphierend und klaubte ihre eigene Waffe auf, die ganz in der Nähe lag. „Aber sie ist ja vielseitig.“ Sie trat an die Kante des Daches, um zu sehen, was dort unten geschehen war. Eine Bombe oder etwas Ähnliches schien einen Teil der Wand dort unten beschädigt zu haben, es sah aus, als hätte jemand einem gewaltigen Ring in die Mauer gestampft. Nach außen war sie von Rissen durchzogen, während ein kleiner Fleck um einen Balkon herum unversehrt geblieben war. Auf der anderen Seite, ein paar Stockwerke unter sich, sah sie zu ihrem Erstaunen ihre Freunde. „Hallo! Hey!“, rief sie und winkte ihnen. „Da oben ist Yolei!“, rief Mimi und winkte zurück. „Heeey, Yolei!“ „Meint ihr, er hat überlebt?“, fragte Matt und trat neben Tai und WarGreymon. Die beiden sagten kein Wort. Ansatsu war verschwunden, aber sein Gegenangriff hatte eine Bresche in WarGreymons Attacke geschlagen, weswegen der Balkon verschont geblieben war. Wenn man es genau nahm, hatte Ansatsu damit vielleicht sogar das Leben einiger Kranker gerettet, da zwar die Wand, aber kaum die Räume dahinter beschädigt waren. „Keine Sorge“, sagte Izzy, der Matts Gedanken gelesen zu haben schien. „Soweit ich weiß, sind in dem Turm dort nur die Ambulanzen, und die sind zu der Uhrzeit schon geschlossen.“ „Hab ich richtig gesehen?“, murmelte Tai verdattert. „Hat er gerade … Kann er …“ „Sieht so aus“, sagte Matt knapp. „Beeilen wir uns jetzt, wir haben keine Zeit mehr!“ Er deutete auf Fumiko. Sie sah entsetzlich aus. Ihr Atem ging flach und sie war schweißgebadet. Das Gift forderte langsam seinen Tribut. Es war klar, dass sie nicht mehr lange durchhalten würde. Nacheinander hielten die DigiRitter ihre DigiVices an den Bildschirm und wurden von dem Licht verzehrt. Tai und WarGreymon warfen sich einen Blick zu, ehe sie ebenfalls durch das Tor gingen. Izzy war der letzte. Er blickte noch einmal zu Fumiko. Es schmerzte ihn, dass er sie nicht retten konnte, mehr noch als die feurigen Linien, die in seinem Gesicht glühten. Er ging zu ihr, kniete sich vor sie hin und sah ihr ernst in die Augen. „Es tut mir leid“, sagte er leise. „Ich wünschte, ich könnte dir irgendwie helfen.“ Er streckte die Hand aus und strich ihr zärtlich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Tretet …“, formten ihre Lippen fast tonlos, „Tretet Taneo dafür in den Arsch … Vielleicht schafft ihr es, die DigiWelt zu retten …“ Ihre Stimme brach ab. Izzy beugte sich vor und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Stirn. „Leb wohl. Ich danke dir für alles, was du für uns getan hast. Und für die DigiWelt.“ Dann drehte er sich um und sah Yolei auf dem Dach des Nachbargebäudes aufgeregt gestikulieren. „Hey! Geht nicht ohne mich!“, schrie sie, dass er es bis hierher hörte. Er überlegte, nahm kurzerhand den Laptop in die eine und sein DigiVice in die andere Hand und trat zum zertrümmerten Fenster. Ansatsu konnte er immer noch nirgends entdecken, als er die gegenüberliegende, demolierte Häuserfront beobachtete. Allerdings wurde auch das Licht immer schlechter, die Sonne war bereits über den Horizont gesunken. Ein flaues Angstgefühl machte sich ihn ihm breit. Nein, er würde es tun! Er würde Fumiko in ihren letzten Minuten beweisen, wie furchtlos er sein konnte! „Yolei!“, schrie er zu seiner Freundin empor. „Spring!“ „Was?“, rief Yolei und sah entsetzt, wie er aus dem Fenster sprang, den Laptop von sich gestreckt. Sie wusste sofort, was Izzy plante, aber verfluchte ihn innerlich als einen leichtsinnigen Trottel. Hinter sich hörte sie die Heckenschützin, die sich stöhnend regte. Hätte es sie sonst alle Überwindung gekostet, so verlieh ihr das Geräusch – zusammen mit der geballten Macht des Adrenalins, das immer noch durch ihre Adern rauschte – Flügel. Kaum eine halbe Sekunde nach Izzy sprang auch sie. Es drehte ihm schier den Magen um. Er wusste nicht mehr, wo oben und unten war, hatte nur den Laptopbildschirm fixiert und richtete sein DigiVice darauf. Der Sturz riss das Geräusch, kurz bevor er in das Tor gesogen wurde, von seinen Ohren fort. Als sein Gewicht aus dieser Welt verschwunden war, ließen die Gesetze der Physik den leichten Laptop viel langsamer fallen als Yolei. Dennoch erreichte sie ihn, laut schreiend und mit von sich gestrecktem DigiVice, erst kurz vor dem Boden. Sie schloss die Augen und dachte schon, das wäre es gewesen, als sie spürte, wie das Licht sie ergriff und in die andere Welt schleuderte. Der Laptop zerschellte am Boden in seine Einzelteile und das Licht verschwand. Fumiko fühlte sich so leicht wie schon lange nicht mehr. Sie starrte die Decke an, die immer wieder vor ihren Augen verschwamm. „Ich habe es geschafft, Parallelmon“, flüsterte sie. „Ich habe doch noch was für die DigiWelt tun können.“ Sie meinte, in dem Spiel aus Licht und Schatten vor ihren Augen ihren Digimonpartner sehen zu können. „Das habe ich gut gemacht, nicht wahr, Parallelmon?“ Dann schloss sie die Augen und atmete entspannt aus. ========================== Ein ziemlich langes Kapitel diesmal, aber ich wollte es nicht aufteilen. Ich hoffe, ihr wart auch so gefesselt beim Lesen wie ich beim Schreiben^^ Das scheint nämlich so eine Macke von mir zu sein, dass ich ein Lieblingskapitel meinerseits ankündige und es dann aber gar nicht so gut ankommt ... Ich hatte zunächst auch ein paar Probleme mit der Logik, wie die Entscheidungen in diesem Kapitel getroffen werden, vor allem von Yolei und Cody, und hoffe, dass es letztendlich einigermaßen realistisch wirkt. Naja, bin jedenfalls schon gespannt auf eure Kritik. Ich weiß, es sind wieder ein paar Fragen aufgetaucht (und andere vielleicht eventuell beantwortet worden^^), aber ich verspreche euch, ich drösel alles zu gegebener Zeit auf ;) Das nächste Kapitel spielt also dann in der DigiWelt :D (Und macht wieder ein bisschen Pause von der Action.) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)