Shards von UrrSharrador (At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 15: Wounds ------------------ Ebene vor der Rauchenden Krone, DigiWelt Montag, 7. August 2007 7:10 Uhr Davis war nicht der Einzige, der laut aufschrie, als er sah, was mit Kari passierte. Angewomon, das im Flug gegen Myotismon prallte und es von den Füßen riss, wirbelte, halb in der Luft, herum. „Kari!“, schrie es verzweifelt. T.K. begann hemmungslos zu schluchzen, küsste Kari auf die Lippen und drückte ihren leblosen Körper fest an sich, vergrub sein Gesicht in ihrer Halsbeuge und wurde wie von Krämpfen geschüttelt. Das Licht von Karis DigiVice erlosch. Angewomon wandte sich Kari zu und streckte zitternd die Hand nach ihr aus. Licht hüllte das Digimon ein, als es die Digitation nicht mehr aufrechterhalten konnte. „Zu einfach!“ Zwei Peitschen aus blutrotem Licht durchschlugen Angewomons Brustkorb von hinten. Das Digimon schrie auf und sackte in sich zusammen, nur die Albtraumkrallen hinderten es am Fallen. Seine Substanz flackerte unstet. Sein Mund öffnete und schloss sich. „Ka…ri … Das kann nicht sein …“ Eine Träne rann unter dem Helm des Digimons hervor und lief über seine Wange, zog eine schimmernde Spur nach sich. In einem glitzernden Datenwirbel barst Angewomons Gestalt auseinander. Die Fragmente flogen funkelnd und blitzend in den Himmel hinein. „Und noch ein gefallener Engel!“ Myotismon lachte triumphierend auf. „Oh ja – das ist der Anblick, nach dem ich mich sehne!“ Joe stand neben Kari und T.K. Seine Hände zitterten wie die eines alten Manns. Er war der Sohn eines Arztes … Dennoch hatte er nichts tun können. Er hatte noch nicht einmal Gomamon, wie sollte er da überhaupt kämpfen …? Als es ihre verzweifelten Gesichter sah, lachte Myotismon noch lauter und begann sogar, sich in abstrusen Tanzschritten zu bewegen. Und wie um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, begann es zu singen: „I’ve seen the end of the DigiWorld, you’ll bow before my might …“ In Joes Kopf begann ein Gedanken zu klingeln – wie kam es, dass Myotismon ein englisches Lied sang? –, aber die Übermacht der pessimistischen und entsetzten Gefühle verdrängten den Gedankenfetzen. Davis fiel Myotismons seltsames Verhalten gar nicht weiter auf. „Du Monster!“ Er ballte die Fäuste. Tränen liefen ihm übers Gesicht. „Das verzeih ich dir nie!“ Die funkelnden Datenreste von Angewomon schienen die Farbe zu ändern, als Ex-Veemon plötzlich wieder die Augen aufschlug. Seine graue Haut wurde von goldenem Licht überzogen, seine Gestalt schrumpfte, nur um gleich darauf wieder in einen größeren, schlanken Körper überzugehen. Goldene Rüstungsteile bedeckten das Digimon. Veemon war zu Magnamon digitiert und stürzte sich auf Myotismon, das erschrocken einen Satz zurück machte. „Magnastrahl!“ Die goldene Rüstung erstrahlte in hellem Licht, und ein gleichfarbiger Strahl stieß in Myotismons Richtung. Das Vampirdigimon riss mit einem Ruck die Augen auf. Hunderte Fledermäuse huschten zwischen ihren Herrn und die Attacke, aber sie wurden allesamt pulverisiert. Der Magnastrahl traf Myotismon frontal und das Digimon wurde, laut aufbrüllend, in ein Licht gehüllt, das selbst das der Sonne buchstäblich in den Schatten stellte. Als es verebbte, saß Myotismon hintenüber gebeugt im Gras, die Augen immer noch weit aufgerissen, eine Hand auf die Brust gepresst und nach Luft ringend. „Das … Das ist doch …“, rief Joe aus, als er das Digimon genauer ansah. Magnamons Attacke hatte weite Flächen von Myotismons Kleidung verbrannt. Die Fledermausmaske war zerfetzt und lag vor ihm im Gras, eine nässende Brandwunde zierte das blasse Gesicht. Das Cape war angesengt, der Anzug mit den polierten Knöpfen war fast verschwunden, darunter kamen merkwürdige, olivfarbene Platten zum Vorschein, die teilweise geschmolzen zu sein schienen und rauchten. Und den endgültigen Beweis, dass das Wesen vor ihnen kein echtes Digimon war, lieferte das DigiVice, das an seinem Gürtel befestigt und nun, ohne den Mantel, sichtbar war. „Die Dunklen sind hier!“, schrie jemand, und lautes, gutturales Gebrüll erhob sich plötzlich vom Waldrand. Joe wagte es den Blick abzuwenden und sah, wie die Goblimon mit erhobenen Keulen auf den Kampfplatz zustürmten. Das DigiVice des falschen Myotismons – ein Gerät, das fast wie das der ersten DigiRitter-Generation aussah, aber ein klein wenig länglicher war und ein nur fingernagelgroßes Display hatte – begann grün zu leuchten. Einmal mehr tauchten aus den Schatten in seinem nunmehr halb zerstörten Gewand Fledermäuse auf, senkten sich wie eine Wolke auf es und hoben es sanft, aber dennoch rasch in die Luft, bis es auf Höhe des Dachgiebels der Taverne schwebte. „Die Engel sind besiegt – Zeit zu verschwinden“, stellte es fest. „Lass es nicht entkommen!“, schrie Davis außer sich. Seine Stimme überschlug sich. „Magnamon! Töte es!“ „Davis, halt – das ist ein Mensch!“, rief Joe, aber Magnamon hatte bereits die Klappen in seiner Rüstung geöffnet und entließ ein halbes Dutzend Plasmatorpedos auf das falsche Myotismon, die eine sichtverschlingende Qualmwolke hinter sich her zogen. Ein grüner Blitz zog über den Himmel wie eine Sternschnuppe und sauste in die Schusslinie der Torpedos, keine zwei Meter vor deren Ziel. Es krachte, als die Geschosse mit aller Macht explodierten, alles zerrissen und zerfetzten, was sich ihnen so dreist in den Weg gestellt hatte. Als sich der Qualm lichtete, schwebte dort, vier Meter über dem Boden, ein maschinenähnliches Digimon, das so schlimm zugerichtet war, dass man es kaum erkennen konnte. Auf den zweiten Blick identifizierte es Davis als ein Rapidmon, eines wie das, zu dem Willis‘ Terriermon damals digitiert war, allerdings war dieses hier nicht golden, sondern grün. Der Mensch im Myotismon-Outfit war mit seinen Fledermäusen höher geflogen, während die Goblimon am Boden umherrannten und offenbar nicht wussten, wie sie ihn aufhalten sollten. „Ich habe nicht um Hilfe gebeten!“, schrie der Mensch und zerteilte Rapidmons Überreste mit einem einzigen Hieb seiner Albtraumkralle. Magnamon schien seine rasch gewonnene Energie ebenso schnell wieder verloren zu haben, denn es sank zu Boden und digitierte zu DemiVeemon zurück, als auch Davis‘ Adrenalinstoß verebbte, so als hätte seine Wut auch auf das Digimon übergegriffen. Vielleicht war das ja auch der Fall gewesen. Das falsche Myotismon flog höher und höher und entzog sich bald ihren Blicken. Davis hatte auch keine Kraft mehr, um gegen irgendjemanden zu kämpfen, auch wenn seine Kopfschmerzen wie weggeblasen waren. Schluckend drehte er sich um und ging auf Kari und T.K. zu. „Joe“, murmelte T.K. soeben so leise und heiser, dass es kaum zu verstehen war. „Gibt es nichts, was wir für sie tun können?“ Joes Gesicht zeugte von seelischen Höllenqualen, als er sagte: „Sie ist tot, T.K.“ „Du hast meine Frage nicht beantwortet“, murmelte er leise und klang apathisch und auf irgendeine Weise kam er Joe wie ein störrisches Kind vor. Der Ältere öffnete den Mund, stockte dann aber. Er legte T.K. eine Hand auf die Schulter. „Nein. Es gibt nichts.“ Dabei musste er selbst mit aller Macht gegen seine Tränen ankämpfen. T.K.s Augen waren gerötet, aber sie waren nun trocken. Er wirkte plötzlich unnatürlich gefasst und ruhig. „Ich verstehe.“ Er hob Kari hoch, vorsichtig und langsam, als wäre sie eine zerbrechliche Puppe, einen Arm unter den Achseln, einen unter den Kniekehlen, und trug sie zurück zur Rauchenden Krone. „T.K. …“, murmelte Joe, während Davis die Kehle zugeschnürt blieb. Der Ältere blieb, wo er war, Davis und DemiVeemon folgten T.K. schließlich. Patamon hatte sich mit angelegten Ohren im Gras zusammengekauert und seine Augen waren traurig. T.K. trug Kari durch den leeren Schankraum in ihr Zimmer hoch, legte sie sanft auf ihr Bett und setzte sich auf die Bettkante. Er wirkte völlig abwesend, als wäre er nur eine unwichtige Gestalt in einem Traum, den jemand anders träumte und die verblassen würde, sobald er aufwachte. Davis blieb in der Tür stehen und sah, wie T.K. lautlos die Lippen bewegte. Schließlich beugte er sich vor und küsste sie auf die Stirn. Dann fanden auch ihn die Tränen wieder und er weinte still mit zusammengekniffenen Augen vor sich hin, halb über Kari gebeugt. Seine Hand drückte die ihre fest. Es war das Traurigste, das Davis je gesehen hatte. Auch ihm gingen tausende, abertausende Gedanken durch den Kopf, oder eher Gedankenfragmente, denn sie ergaben für sich allein keinen Sinn. Da waren verzweifelte Trauer, maßloses Entsetzen und grenzenloser Hass. Hass auf sich selbst. Das letzte, was er Kari und T.K. gewünscht hatte, war … Es war gestern gewesen. Er hatte T.K. verwünscht. Hatte er ihn vielleicht sogar tot sehen wollen? Nein, tot bestimmt nicht … aber es wäre ihm wohl recht gewesen, wenn er verschwunden wären. Nun war Kari tot. Und er hatte sie nicht beschützen können. Veemon hatte sie nicht beschützen können, und auch nicht Joe und auch nicht … Davis ballte die Fäuste. Tränen, heiße, zornige Tränen brannten in seinen Augen. T.K! Es wäre seine Aufgabe gewesen! Und dabei behauptete er, er würde Kari lieben – und doch hatte er sie nicht gerettet! Und nun beugte er sich wieder über Kari, gestand ihrem leblosen Körper flüsternd seine Liebe … Es machte ihn rasend. Der vernünftig denkende Teil von Davis‘ Bewusstsein wusste, dass er seinem Freund Unrecht tat, aber er konnte sich nur mit Mühe beherrschen. Trotzdem, hätte es nicht diese Stimme der Vernunft in ihm gegeben, er hätte das Zimmer betreten und T.K. ins Gesicht geschlagen. So drehte er sich nur schweigsam um und schloss die Tür hinter sich. So wie gestern. Wie damals, als sich sein Herz nach Kari verzehrt und er T.K. um sein Glück beneidet und dafür verabscheut hatte. Wie damals, als die Welt noch in Ordnung gewesen war. Die Goblimon waren in verschiedene Richtungen ausgeschwärmt, aber allesamt nicht weit gelaufen. Nach kaum zwei Minuten kehrten sie zurück. „Er ist entwischt“, grummelte eines. „Wir konnten nichts tun, er konnte fliegen“, grunzte ein anderes. „Aber …“ Sie drehten sich simultan zu Joe um. „Da ist ja noch ein Menschling.“ Drei der Goblimon traten mit erhobenen Keulen auf ihn zu. Joe wich mit abwehrend erhobenen Händen zurück. Er wollte eigentlich nicht mit ihnen reden, er musste erst seine Gedanken ordnen, die seinen Kopf zu sprengen schienen. Seine Stimme zitterte, als er sagte: „Wir haben gegen ihn gekämpft. Ja, wir sind Menschen, aber wir haben die gleichen Feinde, so wie es aussieht.“ Von Veemon wusste er, dass die Goblimon ziemlich feige und faul waren. Sie sahen sich kurz an, berieten sich, dann sagte eines von ihnen: „Na gut, wir werden dich und deine Freunde verschonen. Aber wir nehmen euch gefangen und müssen euch verhören.“ Joe nickte. Was immer sie wollten. Es war nicht so, als hörte es sich bedrohlich an, eher trotzig. Und vielleicht konnten sie auch ihm einige Fragen beantworten. Sein Blick fiel auf die Blutstropfen, die den Boden zierten, und er schauderte. Er fühlte sich so elend wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er war absolut keine Hilfe gewesen … Ein eisiger Schauer rieselte ihm über den Rücken. Tai hatte ihm die Anführerrolle gegeben … und er hatte zugelassen, dass seine Schwester … Tai würde ihm das nie verzeihen. Er selbst würde es sich nie verzeihen. Mobile Festung des DigimonKaisers, DigiWelt Montag, 7. August 2007 7:40 Uhr Mit letzter Kraft landete er auf der oberen Kante des schwebenden Felsens, den der DigimonKaiser einst als Festung verwendet hatte. Die Fledermäuse behielten nur Sekunden länger ihre digitale Substanz bei, dann lösten sie sich in Daten auf. Das DigiVice an seinem Gürtel leuchtete nun nicht mehr grün, sondern orangerot. Kentarou hatte ihn bereits erwartet. Er stand am obersten Deck des gewaltigen schwebenden Felsens und blinzelte gegen die Sonne an; er war das grelle Licht ganz und gar nicht gewohnt. Und es war auch ein ganz und gar ungewöhnlicher Anblick, dass er ohne einen Laptop oder irgendein elektronisches Gerät aus der Menschen- oder DigiWelt zu sehen war. Lässig rückte er seine Brille zurecht. „Auch schon da, Aki?“ Aki rollte sich schwer atmend über den Boden. „Das war knapp“, seufzte er. „Die Power war … fast alle. Aber glaub nicht … ich würde mich bedanken. Auf deine Hilfe hätte ich getrost verzichten können.“ Kentarou runzelte ärgerlich die Stirn. „Sei froh, dass ich herausgefunden habe, wo du steckst. Und wenn ich dich so ansehe, bin ich mir fast sicher, dass ich das Rapidmon gerade im rechten Moment geschickt hab. Du solltest verdammt nochmal damit aufhören, an vorderster Front gegen Digimon zu kämpfen. Irgendwann bringst du dich um“, meinte er trocken. Aki machte ein abfälliges Geräusch und warf sein blondes Haar zurück. Er würde es bald schneiden müssen, fiel ihm auf, sonst würde die Effektivität seiner Verkleidung am Ende darunter leiden. Dann begann er mit spitzen Fingern vorsichtig die ramponierten Kevlarplatten zu lösen, die seinen Rumpf geschützt hatten. Auf dem Hemd darunter hatte sich ein großer Blutfleck ausgebreitet. „Nur, weil ich nicht so ein Feigling bin wie ihr drei?“, sagte er großspurig, verzog aber das Gesicht. „Und überhaupt, weißt du, wie schwierig es war, das Rapidmon unter meine Kontrolle zu kriegen?“, setzte Kentarou vorwurfsvoll nach. „Es gibt einen gewissen Unterschied zwischen Maschinen- und Androidendigimon.“ Aki winkte ab, hustete und spuckte Blut aus. „Halt die Klappe und hol lieber Babamon – und ein paar starke Schmerzmittel. Ich glaube, ich hab mir ein paar innere Verletzungen zugezogen. Scheiße, waren die taff!“ Kentarou zog nur vielsagend die Augenbrauen hoch. Als Aki sich wieder zu Boden sinken ließ und sich gegen eine Erhebung im Felsen lehnte, fragte er: „Du stirbst mir hier aber nicht weg, oder?“ Aki hatte die Augen geschlossen, lächelte aber. „Wenn du Ansatsu siehst“, sagte er, „richte ihm von mir was aus. Binde ihm auf die Nase, dass ich unbeabsichtigt erfolgreicher war als er. Ich habe eine von ihnen getötet.“ ============================== Ich hoffe, es ist mir jetzt wieder mal eine Überraschung gelungen - und dass der Kampf Aki/Myotismon gegen die Digimon trotzdem halbwegs realistisch war. Was ist noch zu sagen? Es freut mich natürlich, dass das letzte Kapitel die Wogen so hat hochgehen lassen, ich nehm das als Kompliment ;) Das nächste Kapitel hält wieder ein Wiedersehen bereit - der Titel wird "Triumvirator" sein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)