Shards von UrrSharrador (At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 20: Dust Pit -------------------- Willkommen zum zweiten großen Arc! Man beachte, dass zwischen dem letzten Kapitel und dem hier fast zwei Wochen vergangen sind ;) ========================================================= Staubgrube, DigiWelt Samstag, 19. August 2007 00:40 Uhr Der Regen prasselte schwer auf die Gestalt nieder. Lange hatte es keine so dicken Tropfen mehr gegeben. Das Klopfen der Faust an dem Tor der hölzernen Palisade war kaum zu hören. Eine Klappe im Holz wurde zur Seite geschoben und der hässliche Vogelschädel eines Kokatorimons glotzte der Gestalt entgegen. Die wachsamen Augen, die unliebsame Eindringlinge im Sekundenbruchteil versteinern konnten, glitten über die abgewetzten Sneaker, die so gar nicht zum Mantel der Gestalt passen wollten: einem hässlichen Kleidungsstück, zusammengenäht aus vielen verschiedenen Stoffstücken in den unterschiedlichsten Braun- und Grautönen, und triefend nass. Von der Kapuzenspitze tropfte das Wasser auf eine Nase, die eindeutig menschlich war. Nicht, dass es das Kokatorimon gestört hätte. Hier an diesem Ort nicht. „Bin ich hier richtig in der Staubgrube?“ Die Stimme war leise, kaum zu verstehen. „Neuankömmlinge müssen den Tribut entrichten“, krächzte das Türsteherdigimon und musterte ihn wachsam. Die Gestalt hob die Hand, die in einem weiten, vom Regen schweren Ärmel verborgen gewesen war, und ließ ein verschnürtes Bündel zu Boden fallen. Kokatorimon betrachtete die zappelnden Digimon, größtenteils Chuumon und Pagumon, aber auch ein geknebeltes DemiDevimon mit zusammengebundenen Flügeln war darunter. Das Bündel zappelte im Matsch und jedes der Digimon versuchte freizukommen, aber sie schnitten sich mit dem scharfen Draht nur ins eigene Fleisch. „Wir sind zu zweit. Reicht das für den Eintritt?“, fragte die Gestalt. Ihre Worte waren über das Donnergrollen, das sich soeben erhob, kaum zu verstehen. Kokatorimon nickte. Das war mehr als genug. Es trat zurück und gab den beiden muskulösen Rockmon, die es flankierten, das Zeichen, das Tor zu öffnen. Als die scharfen Spitzen der Holzpalisaden durch die durchweichte Erde gezogen worden waren, trat der Mensch mit hochgezogenen Schultern ein. Sein Schritt war rasch. Kokatorimon sah ihm nach. Er hatte für zwei gezahlt? Erst da fiel dem Vogeldigimon das kleine Patamon auf, das eng an den Beinen des Menschen lief, um minimalen Regenschutz von seinem Mantel zu genießen. T.K. sah sich in der Staubgrube um. Sie war genauso, wie er sie sich vorgestellt hatte, eine Ansammlung maroder, vor sich hin faulender Hütten, die in einer kleinen Senke mitten im Nirgendwo standen, umzäunt von einem wehrhaften Palisadenwall. Die Hütten selbst bestanden mehr aus Schimmelpilzen denn aus Holz, waren vermodert und windschief. Die Straßen waren verlassen, was bei dem Wetter kein Wunder war. Seine Füße sanken bis zu den Knöcheln im Matsch ein, seine Schuhe waren rundum braun und das Wasser drang ungehindert ein. Als er die enge, verwinkelte Straße entlangging, sah er nur ein anderes Digimon; ein Ninjamon, das unter einem Dach vor seiner Haustür saß und sein Schwert schärfte. Es sah ihn neugierig, aber nicht feindselig an. Menschen waren hier wohl selten, aber sie wurden nicht als Feinde angesehen. Die Staubgrube brachte sie alle auf die gleiche Stufe. Hier versammelten sich Deserteure aus der Albtraumarmee und der DigiAllianz, freie Digimon und natürlich Gauner und Halunken in einem gefährlich brodelnden Schmelztiegel, aber sie saßen alle im selben Boot. Oder zumindest die meisten. T.K. steuerte die Spelunke in der Mitte der Staubgrube an. Sie trug keinen Schriftzug, der auf ihren Namen hindeutete, aber er sah gedämpftes Licht hinter den Fenstern und hörte tiefes, grunzendes Gelächter. Seine Informationen waren hoffentlich richtig gewesen. Als er eintrat, wurde er gar nicht erst beachtet. Ein muffiger, von Exkrementen und Erbrochenem stinkender Raum, komplett aus schwarzem, feuchtem Holz, erwartete ihn. Er zog den Mantel aus, den er in den letzten Wochen Stück für Stück mit Stofffetzen ausgebessert hatte, die er in Müllhalden gefunden hatte. Den Mantel selbst hatte er von einem fahrenden Mushroomon-Händler erhalten, dessen Wagen er aus einer Schlammpfütze gerettet hatte, als der Regen einsetzte. Angeblich war er aus dem Fell eines echten DunkelWeregarurumon, aber T.K. glaubte es nicht. Wasserdicht war er leider nur bis zu einem gewissen Grad. Er zog ein zweites Bündel aus einer der Taschen, ballte den Mantel aus, so gut es ging, und hängte ihn zum Trocknen in die Nähe des Feuers der Küchenecke auf die Schank. Der RedVeggiemon-Koch sah ihn mürrisch an, sagte aber nichts. Patamon schüttelte sich und kleine Wassertropfen spritzten von seinen Ohren. „Hier gefällt es mir nicht, T.K“, sagte es kleinlaut. „Muss das denn wirklich sein?“ „Es muss.“ T.K. ging zielstrebig auf einen Tisch in der hintersten Ecke der Spelunke zu. Sein Blick streifte die versammelte Digimon-Schar. Es waren allesamt zwielichtige Gestalten, und viele der Digimon kannte er gar nicht. Was er aus ihren Gesprächsfetzen heraushören konnte, hatte meist mit Mord- und Totschlag und allerlei krummen Geschäften zu tun. „Bist du Keramon?“, fragte er das Digimon, das auf der Platte des letzten Tischs lümmelte. Das bläuliche, quallenartige Wesen schrak hoch, setzte sich ordentlich hin und rieb sich die Hände. „Oh, ein Kunde für Keramon?“ T.K. zog sich einen Stuhl vom Nachbartisch und setzte sich darauf. „Ich habe gehört, du bist ein zuverlässiger Informant.“ Keramon nickte eifrig. Sein Grinsen war schrecklich breit. „Oh ja, oh ja. Keramon weiß über alles, was vor sich geht in der DigiWelt, bestens bescheid. Auch wenn Keramon nicht so aussieht, jaja.“ „Ich muss wissen, wo sich die Dunklen verstecken“, sagte T.K. und musterte das Digimon. Genau wie er gehört hatte, war Keramon nur schwer einzuschätzen. Es schien nicht besonders helle zu sein, aber vielleicht spielte es ihm das nur vor. „Oh, die schweren Jungs?“, machte Keramon. „Das wird teuer für den Kunden, jaja. Kann er Keramon denn bezahlen?“ T.K. hob sein Bündel hoch und legte es vor Keramon auf den Tisch. Das Digimon grinste vorfreudig, als es in dem Säckchen Bewegungen wahrnahm. Seine überlangen Hände und Finger öffneten das Bündel und zogen die beiden Numemon heraus, die zusätzlich mit Draht gefesselt waren. T.K. hatte sie in den Sack gesteckt, weil ihr Gestank unerträglich gewesen war, aber Keramon schien das nichts auszumachen. Es kicherte, dann öffnete es den Mund ein Stück und zerquetschte die Numemon mit den Händen. Die Daten wurden zu geordneten Strahlen und verschwanden in Keramons Mund, das sich genüsslich über die Lippen leckte. „Das gut, das gut, Kunde“, sagte es und kicherte erneut. „Ja, Keramon kann dem Kunden helfen die Dunklen zu finden. Wenn der Kunde Keramon drei Tage Zeit gibt. Dann soll er Keramon hier wieder treffen.“ Es hob den Finger. „Aber Keramon hat schon gesagt, das ist nicht billig. Kunde wird Keramon etwas Wertvolleres bringen müssen, jaja. Mehr Daten für Keramons Mittagessen.“ T.K. seufzte. „Was willst du?“ „Hohes Level, hohes. Mindestens Ultra.“ „Ein Ulta-Digimon? Weißt du, wie schwer es wird, das zu besorgen?“ „Keramon weiß alles. Aber Keramon hat nichts zu verschenken.“ T.K. stieß die Luft aus und überlegte. Auf dem Weg hierher hatte er von einem Piximon gehört, das in den Wäldern wohnte. „Wäre ein Piximon in Ordnung?“ „Das wäre es, jaja. Hm, Keramon hat lange kein Feendigimon mehr gegessen, nein, nein.“ Er nickte und stemmte sich in die Höhe. „Ich will hoffen, dass du mich nicht enttäuschst. Sonst stopfe ich dir deine eigenen Daten in dein gieriges Maul.“ Keramon kicherte nur. Unbekannter Ort Unbekannte Zeit Er fiel. Immer tiefer, in einen immer finstereren Abgrund. Es war wie damals, als er noch DigimonKaiser war und im Strudel der Finsternis nach Teilen für sein Kimeramon suchte. Nur dass er nun nichts verspürte, keine erregte Vorfreude, keine Nervosität, keine Angst. Emotionslosigkeit hatte von ihm Besitz ergriffen. Bilder tauchten in der Dunkelheit auf, kurze Bilder, zusammenhanglos. Fledermäuse, große und kleine, nackte und fellbedeckte. Ein Seil, das sich in den Himmel schlängelte und in den Wolken verschwand. Dann Wormmon. Er vermisste Wormmon. Kurz sah er es, es bewegte die Kauwerkzeuge, aber er verstand nicht, was es sagte, denn schon fiel er weiter und das Bild verschwand aus seinem Blick. Dann sah er eine Höhle, die aus purem Feuer zu bestehen schien, das von der Seite und von unten hervorbrodelte, und er wusste, dahinter war die Welt zu Ende; kein Rand des Ozeans, wo das Meer in die Tiefe stürzte, nur trockener Felsen und alles verzehrendes Feuer. Kens Fall ging weiter. Der Abgrund schien endlos. Er sah zwei kleine Kinder, die das Seil, das in den Himmel führte, hochkletterten. Sie wirkten verängstigt. Unten, wo das Seil aus einem geflochtenen Korb emporstieg, stand eine bedrohliche Gestalt, die eine Aura der Finsternis umgab. Ken wollte den Kindern eine Warnung zurufen, aber schon war die Szene vor seinen Augen verschwunden und der dunkle Strom setzte sich fort, schwemmte neue, immer rascher aufeinanderfolgende Eindrücke heran. Ein zerfetzter Schuh, der auf der Straße lag. Ein glühender Computerbildschirm. Dann glaubte er plötzlich, auf hartem Boden zu stehen, und vor ihm flammten wie Feueraugen die Scheinwerfer eines viel zu schnell fahrenden Fahrzeugs auf. Ken hatte nicht gesehen, wie seine Eltern starben. Aber genau so hatte er es sich immer vorgestellt, wie auch bei seinem Bruder. Er sah den blutgetränkten Umriss seines schwarzen DigiVices vor sich aufblitzen. Dann war da Stingmon, und eine schattenhafte Gestalt, nicht größer als er selbst. Dann verschlang eine glühende Explosion das Bild. Ken erblickte einen steinernen Tisch, in den etwas eingeritzt war, und erschrak, als er plötzlich Myotismon in die Augen blickte, die sich sofort wieder in die Schatten verzogen. Die nächste Szene war eine winterliche Landschaft, in der eine mächtige Stufenpyramide stand. Er sah sich selbst und Wormmon, die am Fuß der Pyramide vor dem klaffenden Maul des Eingangs standen. Die Ränder des Bildes waren unscharf und zuckten, aber er konnte dumpf Wormmon hören, wie es sagte: „Ken? Lass uns hier fortgehen. Dieser Ort ist unheimlich.“ Ein dunkler Wirbel verschlang das Bild abermals – und Ken wurde sich bewusst, dass es seine Schuld war, dass Wormmon nun nicht mehr da war. Hätte er damals auf es gehört … Sie standen in einem vorsintflutlichen Labor, in dem Dampf aus dicken, löchrigen Rohren pfiff. In einer Art Backofen lagen ein paar Geräte, die DigiVices sein mochten. Sie waren an dutzende Kabel angeschlossen. Dann stand plötzlich wieder der Schatten neben Ken und Wormmon. „Du hast hier nichts zu suchen“, sagte er kühl. Ken fiel immer noch. Das Labor entschwand seinem Blick, und er sah wieder dieses merkwürdige Seil, folgte, während er fiel, seinem Verlauf durch die Wolkendecke. Dort sah er einen großen, unförmigen braunen Brocken, wie ein schwebender Fels zitterte er in der Luft. Abermals entglitt die Szene seinem Blick und er sah dem finsteren Fremden ins Gesicht; seine Augen waren nicht zu sehen, aber eine rote Tätowierung glühte wie frisches Blut auf seiner Stirn. Ken fühlte, wie er die Hand mit seinem D3-DigiVice ausstreckte, auf die Maschine gerichtet. Kurz flammte ein anderes Bild auf, zwängte sich in die Szene wie ein ein anderer Fernsehkanal bei unsteter Frequenz. Er sah sich, schreiend, im Westend-Viertel stehen, mit dem DigiVice erhoben, während sich langsam ein dunkles Weltentor öffnete. Dann war er wieder zurück im Labor, sein DigiVice glühte auf. Der Schatten schrie etwas und im gleichen Moment explodierte ein bestialischer Schmerz ins Kens Hand und fraß sich seinen Arm hoch. Schweißgebadet wachte er auf. Laut keuchend versuchte er in die Wirklichkeit zurückzufinden. War das ein Traum gewesen? Er befand sich immer noch in dieser dunklen Höhle in diesem tiefen Wald. Draußen regnete es in Strömen, Tropfen fielen vom Rand des Höhleneingangs. Es war fast völlig dunkel. Ken hob den linken Arm und blickte auf seine Haut. Die dünne, verästelte Narbe juckte wieder und glühte in einem eigenen Licht. Es war kein Traum gewesen. Zumindest nicht ganz. Denn er fing an, sich zu erinnern. Stützpunkt der Bluray-Partisane, DigiWelt Dienstag, 22. August 2007 6:57 Uhr Die Sonne blinzelte über die Berge und Tau ließ die Wälder verzaubert glitzern, als Birdramon auf dem Felsvorsprung landete. Izzy und Cody, die gerade mit Wacheschieben dran waren, sahen auf und nickten Sora und Yolei zu, als sie den Höhleneingang zum Herzen des Partisanenstützpunkts betraten. In der Haupthöhle, wo sie kürzlich erst seit langem wieder freudig auf ihre Partner getroffen waren, herrschte gedrückte Stimmung. Matt saß am Feuer und starrte auf seine Mundharmonika. Er hatte kein ein einziges Mal in den letzten Tagen darauf gespielt. Die Last, jetzt der Anführer zu sein, lag schwerer auf seinen Schultern, als er zunächst gedacht hatte. Sie waren wieder bei den Ninjamon und den anderen neutralen Partisanen untergekommen, aber es hatte viele Streitigkeiten mit den Digimon gegeben, weil das ständige Kommen und Gehen von solchen Kolossen wie Kabuterimon oder Birdramon irgendwann unweigerlich Aufsehen erregen musste. Matt hatte das meiste vom Unmut der Ninjamon abbekommen, was verständlich war. Und um T.K. sorgte er sich ebenfalls. Sie hatten ihn im gleichen Zug gesucht wie Myotismons Karten, aber keine Spur von ihm entdeckt, was in einer Welt, in der praktisch jeder ihr Feind war, nichts Gutes bedeutete. Sora fühlte natürlich mit Matt, aber am meisten bedauerte sie Tai. Ihr einstiger Anführer war in den letzten Tagen immer schweigsamer geworden und meistens wie ein Schatten in den hintersten Winkeln der Höhle gesessen. Sora hätte viel darum gegeben, seine Gedanken lesen zu können. Seine Miene hatte sich beständig verfinstert. Der dritte Pol war Davis. In den vergangenen beiden Wochen war er nicht nur ungewöhnlich aggressiv geworden, sondern schien sich auch zu bemühen, innerlich zu erkalten. Vermutlich versuchte er mit seinen überwältigenden Gefühlen fertigzuwerden, indem er sie abzutöten versuchte. Auch das bereitete Sora Sorgen, aber sie wagte es nicht, das Thema zur Sprache zu bringen. Das Klima zwischen den DigiRittern hatte einen bisher einmaligen Tiefpunkt erreicht. Matt sah auf, als sie sich dem Feuer näherten. Er nickte ihnen zu. Sora sagte kein Wort, also berichtete Yolei: „Kein Glück mit den Karten, leider.“ Matt seufzte. Die Suche nach Myotismons Karten hatte sich als schwieriger erwiesen, als er zuerst gedacht hatte. Bislang hatten sie noch keine einzige gefunden. „Wir versuchen es morgen noch einmal“, sagte Matt und legte ein Scheit Holz nach. Yolei zögerte. „Wir haben aber ein Gerücht augeschnappt“, sagte sie vorsichtig. „Ein Gerücht?“ „Naja, nur ein vages. Da waren zwei Gekomon, die uns erzählt haben, sie hätten gehört, wie ein paar Scherben-Rekruten etwas über die Karten erzählt haben.“ Gekomon, diese aufrechtgehenden Frösche mit den Trompeten um den Hals … Matt glaubte kaum, dass diese durchgedrehten Digimon verlässliche Informationen liefern konnten. Trotzdem fragte er: „Was haben sie denn gesagt?“ „Sie meinten, die Scherben würden die Karten, die sie bereits gefunden haben, nicht in der Festung bei ihrem Triumvirat verstecken.“ Matt zog die Augenbrauen hoch. Bisher waren sie wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Anführer der Albtraumsoldaten die Karten in ihrem Hauptquartier hatten, das in jener Festung lag, in der einst die Dunklen gehaust hatten. „Wieso sollten sie das nicht tun?“ „Ich könnte mir vorstellen“, sagte Yolei, „dass sie nicht wollen, dass die Dunklen sie ihnen abnehmen. Und darum bewahren sie sie an einem Ort auf, den Taneo nicht kennt.“ „Hm. Und wisst ihr auch, wo das ist?“ „Auch im Bluray-Gebirge, an einem Ort namens Geistertal oder so ähnlich.“ Matt überlegte. Es war die einzige Spur, die sie hatten, auch wenn das besagt Tal sicherlich ebenfalls nicht so einfach zu finden war. Auch wenn es bedeutete, sich in feindliches Gebiet zu wagen, konnten sie sich hier nicht mehr allzu lange aufhalten. Er hoffte inständig, dass an dem Gerücht etwas dran war. Staubgrube, DigiWelt Dienstag, 22. August 2007 21:14 Uhr Als T.K. zum zweiten Mal die Spelunke in der Staubgrube betrat, kam ihm der Raum noch stickiger und rauchiger vor. Es stank nach Bratenfett und den Ausdünstungen von Digimon, als hätte seit seinem letzten Besuch niemand mehr sauber gemacht. Was wohl auch der Fall war. Er behielt seinen Mantel diesmal gleich an und ging mit Patamon zu Keramon, das an seinem Tisch bereits vorfreudig grinsend wartete. Schwungvoll warf T.K. das zappelnde Piximon auf die Tischplatte. Das kleine Digimon war mit schweren Stricken gefesselt und geknebelt, seine koboldhaften Augen tränten. Keramon stieß einen quietschenden Schrei aus und wollte zupacken, als T.K. seine Hand packte und zudrückte. Das Keramon erstarrte. Sein Fleisch war kalt und fühlte sich glibberig an. T.K. sah ihm fest in die Augen und murmelte finster: „Und dein Teil der Abmachung?“ Keramons Augen flackerten kurz in eine Richtung, dann lachte es. „Keramon ehrlich, Keramon ehrlich! Kunde braucht nicht so grob zu sein, nein, nein.“ Einer von Keramons Kopftentakeln zuckte, als wollte es ihm eine bestimmte Richtung zeigen. T.K. folgte der Geste und drehte sich um. Keramon hatte auf einen Tisch gewiesen, den er noch nicht gesehen hatte, da er schräg hinter dem Eingangsbereich lag. Hinter der schmutzigen Tischplatte, auf einer rauen Holzbank, saßen zwei bildhübsche Lilamon, kichernd und plaudernd die Arme um jemanden geschlungen, den T.K. kannte, zumindest hatte ihn Matt damals am Telefon genauso beschrieben. Dort saß niemand anderes als Ansatsu persönlich. Der Attentäter erkannte T.K. im gleichen Moment wie er ihn, als er einen Blick unter seine Kapuze werfen konnte. Er sprang fluchend auf, stieß dabei den Tisch um. Die Lilamon stoben furchtsam auseinander. T.K. sah Ansatsus DigiVice an seinem Gürtel glühen. In der Spelunke wurde es totenstill. Ein Schweißtropfen lief über T.K.s Schläfe. Dieses Keramon war gewitzer, als er gedacht hatte. Er hörte es leise kichern, während es sich über seine Beute hermachte. Patamon pflanzte sich vor T.K. auf, wirkte aber in dieser Form kein bisschen bedrohlich. Keiner der beiden Menschen regte sich. T.K. brach als erster die Stille, indem er spöttisch sagte: „Ein Mensch wie du flirtet mit Digimon? Hast du gar keinen Anstand?“ „Sagt derjenige, der ein friedfertiges Piximon jagt, um es an eine schleimige Giftschleuder zu verkaufen“, konterte Ansatsu kalt. „Tja, wir sind wohl beide keine Mustermenschen“, sagte T.K, zwang sich zur Ruhe und verblüffte Ansatsu, indem er sich einen Stuhl vom nächstbesten Tisch heranzog, sich lässig darauf fallen ließ und hin- und herschaukelte. „Was willst du?“, murmelte Ansatsu und verfolgte misstrauisch jede seiner Bewegungen. „Wie kommt es, dass du allein bist? Da stimmt doch was nicht.“ „Stimmt, ich bin allein. Und ich werde nicht gegen dich kämpfen. Ich muss dich aber um einen Gefallen bitten.“ Ansatsu zog die Augenbrauen hoch. Die roten Muster auf seiner Stirn schienen sich in dem schwachen Licht zu bewegen. Er schwieg, aber er dachte wohl soeben, dass T.K. den Verstand verloren haben musste. „Bring mich zu Taneo. Ich habe ein Angebot für ihn“, sagte T.K. in das Schweigen hinein. Ansatsu schüttelte kaum merklich den Kopf. „Wir wurden angewiesen, jeden von euch auf Sicht zu töten. Verhandeln gibt es nicht.“ „Dann wirst du eben dieses eine Mal deine Anweisungen vergessen. Was ich ihm zu sagen habe, wird ihn sicher interessieren. Ich habe meiner Gruppe den Rücken zugekehrt. Ich bin kein DigiRitter mehr. Bring mich zu eurer fliegenden Festung, und ich bin bereit, sie ohne Patamon zu betreten. Dort könnt ihr mich töten, wann immer ihr wollt, aber ihr habt auch keinen Schaden davon, mir zuzuhören.“ Ansatsu schien zu überlegen. T.K. hoffte, dass er selbstständig denken konnte und keine blinde Killermaschine war. „Dein Digimon wird sich nicht einmischen?“, hakte er nach. „Wenn es mich angreift, sterbt ihr beide.“ „He, keine Streitereien in der Staubgrube!“ Das RedVeggiemon schleppte seinen birnenförmigen Körper heran und wirkte ungehalten. Ansatsus DigiVice leuchtete wieder auf und ein violetter Stachel wuchs aus seinem Handgelenk und richtete sich auf das Digimon, das in Schweiß ausbrach und zurückwich. T.K. nickte Patamon zu, das außer Reichweite trippelte. Ansatsus Stachel löste sich in Daten auf, und das Leuchten an seinem Gürtel verglomm, als er auf T.K. zutrat. Langsam, um keine Überreaktion zu provozieren, streckte ihm T.K. die Hand hin. Der schwarz gekleidete Assassine musterte sie kurz und griff dann zu. „T.K!“, hörte er Patamon schreien. Innerhalb eines Blinzelns sah er Ansatsus DigiVice erneut glühen. Das Gesicht des Assassinen war ausdruckslos. Verdammt!, fluchte T.K. innerlich. Dann verschlang ihn ein Strudel aus sich umkreisenden Fragmenten der Realität. Karis Gesicht blitzte auf, sie lachte. Schillernde Kristalle umflogen sie. T.K. war wie benommen. Alles drehte sich um ihn herum, Momente aus seiner Kindheit, aus ihrer gemeinsamen Zeit, kürzliche Ereignisse … Alles schien in Bewegung, da war ein leerer Raum, von Linien durchzogen … T.K.s Füße berührten etwas Festes, Hartes, und der schillernde Nebel zog sich zurück. Vor ihm flammten zwei glühende Augen auf. Etwas brummte, quietschte. T.K. schrie auf, riss sich von der Hand los, die ihn gepackt hielt, und stürmte davon. Reifen schlitterten über Asphalt, hektisches Hupen wurde laut. Während sich seine Sicht noch klärte und er verwaschene Lichtflecken in der finsteren Nacht sah, blitzte etwas Metallenes rechts und links von ihm auf. Rote Lichter waren vor ihm, die sich entfernten. Ein dumpfer Fluch drang an sein Ohr. Dann erwischte ihn eine Hand an der Schulter, ein Körper stieß gegen ihn und sie stürzten beide zu Boden. T.K. schlug mit der Nase auf harten Asphalt und sah rote Schmerzenssterne. Das Motorgeräusch kam näher. „Idiot“, hörte er Ansatsu zischen. Dann verwirbelten die Asphaltkörnchen vor seinen Augen, lösten sich auf und er flog wieder durch einen gestaltlosen Raum. Als er die Orientierung wiederfand, waren die Geräusche verschwunden. Nur ein leises, kaum wahrnehmbares Brummen erreichte seine Ohren. Es war noch dunkler als vorher. „Was hast du mit mir angestellt?“, rief er erbost und schüttelte Ansatsu ab, der immer noch halb auf ihm lag. Der Dunkle stand auf und klopfte sich den Mantel ab. „Ich kann nur zwischen den Dimensionen hin- und herreisen, nicht innerhalb derselben. Deswegen musste ich uns kurz in die Reale Welt bringen. Dann konnte ich erst einen neuen Punkt in der DigiWelt auswählen.“ T.K. versuchte das zu verdauen. „Und du hast uns mitten auf eine Autobahn teleportiert?“ Ansatsu sah ihn abfällig an. „Wenn du still gehalten hättest, wären wir nur einen Wimpernschlag dort gewesen. Wobei ich zugebe, dass es länger gedauert hat, dich mitzumaterialisieren.“ T.K. stieß die Luft aus. „Und wo sind wir?“ Er glaubte in der Düsternis schwere, dunkle Kabel zu sehen, die über den Boden krochen. „Du wolltest mit Taneo sprechen“, sagte Ansatsu kühl. „Ich habe dich zu ihm gebracht.“ „Es sieht dir aber gar nicht ähnlich, einen Besucher mitzubringen, Ansatsu“, ertönte eine weibliche Stimme hinter T.K. Er drehte sich herum, konnte aber nur Schemen erkennen. „Wie war das nochmal? Ich arbeite allein – erinnerst du dich?“ Ansatsu erwiderte nichts, als die Besitzerin der Stimme näher kam. Zunächst kam es T.K. vor, als würde ihr Kopf in der Luft schweben, aber dann sah er, wie sich kaum merklich mattes Licht von ihrem Körper reflektierte. Sie steckte in einem komplett schwarzen Bikeranzug und trug hochgeschlossene, gleichfarbige Stiefel. Ihr Gesicht war eindeutig menschlich; eine junge Frau mit wallendem goldblondem Haar. „Der große Attentäter bringt lebendige Beute?“ Erneut fuhr T.K. herum. In der Ecke des Raumes musste noch jemand sein, er saß undeutlich die Umrisse eines menschlichen Körpers. Noch zwei Dunkle. Er war mitten in einem Wespennest. Und das ganz ohne Patamon. Ein Klicken ertönte, dann ein Geräusch, als ob jemand etwas zusammenklappte, dann schlurfte der dritte zu ihnen herüber. Etwa gleichzeitig ging über ihnen dämmriges Licht an. T.K. sah von dem Raum immer noch nur Schatten, aber wenigstens konnte er die anderen drei erkennen. Vor ihm stand ein Junge, der kaum älter sein konnte als er selbst. Sein Haar war strähnig und ungekämmt und von rotbrauner Farbe, die Haut blass und die Nase mit Sommersprossen bedeckt. Er trug eine Hornbrille mit dicken Gläsern und musterte T.K. mit einem undeutbarem Blick aus dunkel umrandeten Augen. „Hey, kenn ich dich nicht?“, fragte er. T.K. hatte ihn noch nie in seinem Leben gesehen, aber Ansatsu antwortete: „Er ist einer der DigiRitter.“ Obwohl er kaum etwas anderes hatte sein können, sah er aus den Augenwinkeln, wie das Mädchen sich anspannte. Der Junge mit der Brille nickte. „Ja, stimmt. Ich hab dich auf meiner Übertragung gesehen, bevor Aki mein Rapidmon gesprengt hat. Warst du nicht sowas wie der Lover von der Kleinen, die er umgelegt hat? Er hat da irgendsowas erwähnt.“ T.K. spürte einen sengenden Schmerz in seiner Brust, als er diesen Kerl so über Kari reden hörte, aber er zwang sich zur Ruhe. Er hatte das hinter sich gebracht. Das Hier und Jetzt zählte. „Verstehe“, murmelte Ansatsu. „So ist das also.“ T.K. sah etwas an seiner Hand aufglimmen und wusste sofort, dass er den Stachel ausgefahren hatte. „Tja, Schätzchen, da kommst du aber ungünstig“, meinte das Mädchen überheblich. „Aki zieht gerade um die Häuser. Wieder mal. Der Sturkopf ist zwar kaum wiederhergestellt, sucht aber schon wieder nach Engeln.“ Sie neigte den Kopf und flötete zuckersüß: „Glaubst du auch an Engel, Süßer? Willst du im Moment nicht zu einem beten?“ Ich habe sogar einen Engel als Digimonpartner, dachte T.K. So ruhig es ging sagte er: „Ihr irrt euch. Ich bin nicht wegen Rache hier, sondern um mit eurem Anführer zu reden. Wo ist Taneo?“ Die Dunklen schwiegen. „Was ist, fürchtet ihr, ich könnte ihn mit Staubpartikeln umbringen?“, höhnte T.K. „Ich bin hier ohne mein Digimon. Er braucht sich wohl kaum vor mir fürchten.“ „Du …“, begann das Mädchen, als ein heller Lichtstreifen von der anderen Seite des Raumes auf den Boden fiel. „Das tut er auch nicht.“ T.K. blinzelte gegen das Licht an. Dort stand noch jemand. Jemand, den er schon auf einem Foto gesehen hatte. Nussbraunes Haar. Ein schmutzig gelber Mantel. Trotz der Narbe quer über Nase und Wange gab es keinen Zweifel. Taneo. ================================ Oha, das Kapitel ist länger geworden, als ich beabsichtigt habe^^ Mir hat irgendwie der Gedanke an so ein Exilantenlager in der DigiWelt gefallen, und glaubt mir, ich hatte großen Spaß, Keramon zu modellieren^^ Ich hoffe, das alles kam schön stimmig rüber. Und Kens Traumsequenz - ich liebe Traumsequenzen!^^ Generell könnte man wohl sagen, ein paar Fragen sind beantwortet, ein paar neue aufgeworfen worden ... kurz, ich hoffe, dass es bislang noch spannend ist ;) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)