Shards von UrrSharrador (At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 30: Déjà-vu ------------------- Mobile Festung des DigimonKaisers, DigiWelt Dienstag, 28. August 2007 6:37 Uhr T.K. ging die leeren Gänge der Festung ab, die immer noch hilflos im Meer trieb. Musyamons Leute hatte er an der Küste patrouillieren geschickt; zwar waren es nicht die befürchteten drei Digimon, aber auch nicht die erwarteten dreißig gewesen. Genau genommen handelte es sich um zwei Ogremon und vier Devimon, von denen eines die weiße Kleidung eines IceDevimons trug, als wollte Musyamon T.K. damit imponieren. Seine prinzipielle Abscheu gegen Devimon führte dazu, dass er sie am liebsten gar nicht sehen wollte. Sein eigenes Battailon wartete in der Luft. Einige Vilemon hatten vor ihm schon die Festung gestürmt, quasi als Beobachtungstrupp, aber keines war zurückgekehrt. Er hatte seine Digimon angewiesen, einfach nur niemanden hinauszulassen und noch nicht sofort anzugreifen, da er erst Taneos Karten finden und in Sicherheit bringen wollte. Aber es war seltsam: Kein einziger Wächter erwartete ihn auf seinem Weg. Kein Maschinendigimon, kein Dunkler. Es fühlte sich an, als wäre er allein in dieser Festung. Auf leisen Sohlen schlich er zum Hauptraum, in dem er zum ersten Mal Taneo getroffen hatte. Er war leer, genauso wie der Nebenraum, wo sie Piedmons Schwert aufbewahrt hatten. T.K. durchsuchte erst alles nach den Karten, ohne jedoch fündig zu werden. Dabei schalt er sich einen Idioten. Natürlich! Die Dunklen hatten gewusst, dass er kommen würde. Und Ansatsu konnte nicht nur sich selbst, sondern auch andere auf eine Reise zwischen den Welten schicken. Sie waren mitsamt ihrer Ausrüstung einfach abgehauen – in die Menschenwelt wahrscheinlich. Hätte T.K. nur einen Laptop gehabt, hätte er mit Akis DigiVice vielleicht ein Tor öffnen können, aber so war er gezwungen, unverrichteter Dinge abzuziehen. Die anderen Triumviratoren würden ihn verspotten. Vor allem aber war er wütend auf sich selbst. Als er schon auf dem Rückweg war, hörte er ein Geräusch. Schritte, die sich bemühten, keinen Laut zu verursachen. Sie kamen von der nächsten Gangkreuzung, aus der linken Richtung. T.K. ließ alle Vorsicht fahren und rannte los. Die Schritte ergriffen nicht etwa die Flucht, sondern kamen ebenfalls näher, als würde auch der andere jemanden suchen. T.K. hetzte um die nächste Biegung und fand sich in einem Gang wieder, der gerade hell genug war, dass er erkennen konnte, dass vor ihm weder Taneo noch einer der anderen Dunklen stand. Nach seinem Abstieg von dem Seil hatte Ken gerätselt, wie er selbiges wieder einholen konnte. Er entschied sich dazu, einfach das untere Ende zu kappen, und tatsächlich fiel es in sich zusammen. Die Gazimon übernahmen die Aufgabe, es einzurollen. Dann machte sich Ken auf den Weg, um seine Freunde zu suchen. Ein Parrotmon, ein Digimon, das aussah wie ein übergroßer Papagei und mit den Gazimon befreundet war, bot ihm an, ihn ein Stück mitzunehmen. Sie flogen erst einen ewig langen Wald entlang, dann erreichten sie die Küste. Und vom Rücken des Vogels aus konnte Ken dort im Meer etwas schwimmen sehen, das ihm unangenehm bekannt vorkam. Er bat Parrotmon, die Richtung zu ändern und ihn auf der scheinbaren Insel abzusetzen. Das Vogeldigimon wollte nicht auf ihn warten, aber Ken war sich sicher, selbst wieder ans Ufer zu kommen. Was machte seine Fliegende Festung hier, mitten im Ozean? Er hatte gehört, dass sie jetzt Taneo gehörte, aber er nahm sich vor, sie trotzdem vorsichtig zu erkunden. Schließlich war er jetzt der Datenpirat, es gab nicht viel, das er fürchten musste. Staunend ging er die Gänge entlang. Es war erstaunlich; damals war die Festung in einer Explosion vernichtet worden, als sie in der Wüste abgestürzt dagelegen war. Taneo musste irgendwie die Baupläne gefunden haben, die Ken seinerzeit entworfen hatte. Oder er hatte von Berichten geschlussfolgert, wie die Festung ausgesehen hatte – oder aber, die Festung war nicht ganz so gründlich pulverisiert gewesen, wie sie alle damals gedacht hatten. Ken betastete die Wände aus kühlem Stein. Er fragte sich, wie sie geflogen war. Nicht mit der Macht der Dunkelheit, das hätte er gespürt. Als er tiefer in die Gänge eindrang, in denen er sich trotz all der Zeit und seiner Gedächtnislücken immer noch hervorragend zurechtfand, begegneten ihm einige Vilemon, die ihn ohne zu zögern angriffen. Frustriert musste er sie töten, da sie anders keine Ruhe gaben. Kurze Zeit später hörte er in der Nähe eilige Schritte. Sein Herz begann zu klopfen. Einer der Dunklen? Dann riss er sich zusammen und lief dem Geräusch entgegen. Sollten sie ruhig sehen, dass ihr Feind der Datenpirat war! Doch wer ihm da in dem zwielichtigen Gang entgegentrat, besaß ein bekanntes Gesicht. „Dich hätte ich zuletzt hier erwartet“, sagte T.K. und bemühte sich seine Überraschung zu verbergen. „T.K!“ Ken war erfreut. „Sind Davis und die anderen auch hier?“ T.K. schnaubte. „Nein“, sagte er gedehnt. „Und selbst wenn ich wüsste, wo sie sind, würde ich es dir nicht sagen.“ Ken öffnete den Mund, um eine Frage zu stellen. Dann glitt sein Blick über T.K.s schwarzroten Umhang und das Schwert, und er brauchte nur eins und eins zu den Gerüchten dazu zu zählen, die er gehört hatte. „Du … Sag mir nicht, du bist dieser Mensch, der jetzt zu den Scherben gehört!“ „Und wenn es so wäre?“, gab T.K. tonlos zurück. „Gehören diese Vilemon etwa zu dir?“ T.K. zog ohne ein weiteres Wort sein Schwert. „Wenn du schnell verschwindest, bleibst du vielleicht am Leben“, sagte er. Ken schluckte. Er hatte keine Angst vor T.K, eher Mitleid. Er war selbst damals dem Bösen verfallen. T.K. machte einen ganz anderen Eindruck als er damals, aber das mochte daran liegen, dass T.K. eben T.K. war. Die Schwertspitze funkelte im schwachen Licht, das keinen bestimmten Ursprung zu haben schien. „Du kommst mit mir mit“, entschied Ken. „Wir werden gemeinsam Davis und die anderen suchen.“ „Nein, das werden wir nicht.“ T.K. klang wie ein Erwachsener, der keine Lust hatte, dummen Fantasien eines Kindes zuzuhören. Ken, du kleiner Spinner. Ken zuckte zusammen, als er den Ausdruck in T.K.s Augen sah. Damals hatte er ihn genauso angesehen. Wie lange willst du noch den Welteroberer spielen? Macht dir sowas Spaß? „Dann werde ich dich eben einfach mitschleifen!“ Ken öffnete die rechte Hand. Daten wirbelten auf und formten eine Peitsche aus einer dornigen Ranke mit einer Spiralblume an der Spitze. Er holte aus und schlug zu. Ein drängendes Bild aus seinen Erinnerungen zwängte sich vor Kens Augen. Er fühlte wieder die schweren Kleider des DigimonKaisers, sah T.K, durch seine Brille getönt, jünger als jetzt, und die Peitsche knallte gegen dessen Wange. Manche Leute greifen eben zur Peitsche, wenn’s mit den Worten hapert, nicht wahr? Die Peitsche schnellte durch die Luft wie damals, genau auf T.K.s Wange zu – mit einem aggressiven Hieb zertrennte das Schwert die Ranke. Die Spiralblume klatsche wirkungslos gegen die Wand. T.K.s Umhang bauschte sich den Bruchteil einer Sekunde später. „Glaubst du etwa, ich würde mich wieder von dir schlagen lassen?“, fragte er ironisch. „Jetzt bin ich dran!“ Wieder gab es einen Blitz in seiner Erinnerung, in dem er und T.K. ineinander verkrallt auf dem Boden rollten, doch Ken zwang das Bild zurück. Denn diesmal war es anders. T.K. stürmte auf ihn zu, doch auf halbem Weg sah Ken etwas auf dessen Gürtel erglühen. Eine rot leuchtende Kralle sprühte aus T.K.s linker Hand, stemmte sich gegen den Boden wie eine Sprungfeder und beförderte T.K. in die Luft. Mit erhobenem Schwert kam er einem Raubvogel gleich herabgesaust, genau auf Ken zu. Ken brachte sich mit einem Satz rückwärts in Sicherheit, aber er spürte den Luftzug des Schwertes, fühlte, mit welch brachialer Gewalt T.K. die Klinge führte. Mit einer schnellen Blossomon-Ranke, die er um eines des Rohre schlang, die den Gang flankierten, brachte sich Ken außer Reichwerite. T.K. schleuderte sein Schwert auf ihn und rannte wieder auf ihn zu. Ken fiel es nicht schwer, der wirbelnden Klinge auszuweichen, aber eine rubinrote Albtraumkralle schnellte an ihm vorbei, wickelte sich um den Schwertgriff und riss die Waffe zurück wie einen Bumerang. Ken warf sich ächzend zur Seite. Die scharfe Klinge zerfetzte seinen Mantel und zog eine schmale, rote Linie über seine Haut, gerade tief genug, um einen einzelnen Blutstropfen zutage zu fördern. Das Schwert landete genau in T.K.s Hand, als Ken keuchend zu Boden fiel und sich abrollte. Er meinte es ernst! Sein Arm begann zu brennen, als Ken nach Wizardmons Energie griff. „Donnerball!“ Ein blauer Lichtblitz zuckte auf, aber er war eine Spur zu schlecht gezielt. T.K. wich tänzelnd aus und kam schon wieder näher, das Schwert in der Hand. Ken schaffte es gerade, sich aufzurappeln, als er auf ihn eindrosch. Ein hartes, metallenes Geräusch ertönte, als die Klinge auf die Felsenfaust traf, die Ken erscheinen ließ. Seine rechte Hand war völlig mit Gotsumonfelsen überzogen, aber er konnte sehen, wie T.K.s Klinge die Daten nach und nach regelrecht auffraß. Schimmernd flogen winzige Fragmente davon. Was war das für ein Schwert? „Du hast viel zu lange nichts mehr von dir hören lassen, Ken“, sagte T.K, sein Gesicht ganz nah vor Kens. „Ich habe dich gewarnt. Ich werde nicht zögern, dich auszulöschen! Albtraumkralle!“ Das fremdartige DigiVice a seinem Gürtel leuchtete auf und T.K.s linke Hand ebenfalls. Aus nächster Nähe schoss er einen roten Strahl ab, mit der Absicht, Ken damit zu durchlöchern. Ken riss den linken Arm hoch. Direkt vor seiner Handfläche teilte sich die Albtraumkralle in dutzende rote Fäden auf, die seitlich von Ken in die Wand züngelten. „Wie ist das möglich?“, rief T.K. aus, als seine ganze Attacke wirkungslos verpufft war. Während seine Narbe noch unterträglich juckte, nahm Ken seine ganze Kraft zusammen, um T.K von sich zu stoßen. Dann streckte er die Linke aus. Eine Albtraumkralle verließ seine Hand, schlang sich um den Oberkörper des völlig verdutzten T.K.s und schleuderte ihn gegen die Wand, wo er ächzend zu Boden sank. Noch während er sich aufrichten wollte, streckte Ken beide Hände von sich. „Dinoknall!“ Hitze sammelte sich in seinen Handflächen, Funken tanzten vor ihm in der Luft, während seine Narbe wie verrückt juckte. Fauchend entließ er eine Stichflamme auf T.K, die von der Wand rings um ihn abprallte und bald den ganzen Gang ausfüllte, mit Ausnahme der Stelle, an der Ken stand. Erschrocken wurde Ken bewusst, dass er wahrscheinlich zu weit gegangen war, und brach die Attacke ab. Das Flammenmeer vor ihm legte sich langsam, und er sah wuselnde, brennende Schatten in der Luft flattern – ein lebender Schild aus Fledermäusen. Während sie sich auflösten oder mit brennenden Flügeln zu Boden taumelten, wurde dahinter in der flimmernden Luft, zwischen auf blankem boden lodernden Flammen, ein Glühen sichtbar. „Kaiserfaust!“ Die violette Druckwelle traf Ken so plötzlich, dass er seinen Arm nicht rechtzeitig hochbekam. Mit unglaublicher Wucht wurde er gegen die Wand geschleudert. Sämtliche Luft wurde aus seinen Lungen gepresst und er fühlte ein eisiges Brennen in der Brust, wo ihn die Attacke traf. „Unterschätz mich bloß nicht!“, rief T.K, stürzte zwischen den kleiner werdenden Feuerzungen hervor und ging wieder mit dem Schwert auf ihn los. Noch während Ken zu Boden rutschte, griff er wieder an. „Betäubungsblitz!“ Diese Attacke hatte er von den Gazimon in Santa Caria kopiert, die ihn angegriffen hatten. Ein elektrischer Schlag traf T.K.s Schwertarm. Mit einem Aufschrei zuckte er zurück. Das Schwert begann ihm aus den Fingern zu rutschen. Er wollte fester zupacken, aber plötzlich hatte er kein Gefühl mehr in der rechten Hand. Piedmons Klinge klimperte zu Boden. Ken stemmte sich nach Atem ringend an der Wand hoch. T.K. sann kurz darüber nach, das Schwert mit der anderen Hand zu nehmen, aber links konnte er nicht wirklich damit kämpfen. Also entschied er sich für eine Waffe, die weniger Kampfkunst erforderte. „Schattenschere!“ Er öffnete die linke Hand und griff abermals auf sein zweites DigiVice zu. Die Luft flimmerte und im strahlenden Licht des DigiVices erschien ein Stab mit der Phantomon-Sense und glitt ihm förmlich in die Hand. Mit einem lauten Kriegsruf holte er aus und rannte weiter. Aber Ken war schneller als er. „Felsenfaust!“ Obwohl T.K. die Attacke erwartet hatte, kam seine Reaktion zu spät. Diesmal lief Ken ihm nämlich sogar entgegen und schoss den steinernen Handschuh ab. Die Felsenfaust traf zielsicher das Sensenblatt und prellte T.K. auch diese Waffe aus der Hand. „Na warte!“ Ken war mit einem weiteren Schritt bei ihm und hatte die gepanzerte Hand zum Schlag erhoben. Im letzten Moment löste er die Attacke auf und schmetterte T.K. nur die bloße Faust gegen den Kiefer. Der Schlag war trotzdem stürmisch genug, um ihn rückwärts zu Boden zu werden. T.K. schrie schmerzerfüllt auf und schmeckte metallisch Blut in seinem Mund. Er dachte gar nicht darüber nach, dass Ken seine Attacke möglicherweise wieder mit seiner Hand abwehrte – oder hatte er sie vielleicht kopiert? Es war nicht leicht, ein Myotismon zu finden, das man scannen konnte – und streckte die linke Hand aus. „Albtraumschock!“ Natürlich hatte er es sich nicht nehmen lassen, einen seiner Untergebenen für diese Attacke zu opfern. Sie wurden ja ohnehin wiedergeboren. Ein rotvioletter Strahl sprühte durch die Luft, aber selbst darauf war sein Gegner vorbereitet. „Albtraumschock!“ Ein identer Energiestoß zuckte auch aus Kens Hand. Die Attacken trafen sich in der Luft, umzüngelten sich wie Schlangen und wurden zu einem reißenden, waagrechten Tornado aus dunkler Energie, der an den beiden Kämpfenden zerrte, eher er mit einem gewaltigen Bersten und Krachen in seiner Explosion aus schwarzem Licht verging. T.K. sah, wie Kens Augäpfel, Zähne und die seltsame Narbe, die seinen bloßen linken Arm bedeckte, wie unter UV-Licht aufglühten. Knurrend warf er sich ihm erneut entgegen. „Dann eben so! Geisterkralle!“ „Rote Kralle!“ T.K.s blauer Bakemon-Arm, zu dem seine linke Hand wurde – die rechte war mittlerweile völlig taub –, stieß mit Kens blutroten Fingernägeln zusammen. Ihre Finger verschränkten sich, während blaue und rote Lichtblitze ihre Hände zittern ließen, als arbeiteten sie gemeinsam an einem Presslufthammer. Selbst die Luft vibrierte und macht das Atmen schwer. Datenfragmente lösten sich von ihren Händen, die völlig mit ihren Attacken überzogen waren – dann stieß Kens zweite Hand zu und knallte ein zweites Mal in T.K.s Gesicht. Der Junge schrie auf, aber Ken hielt ihn fest. Wieder und wieder traktierte er ihn mit Schlägen. „Gib … endlich … auf!“, keuchte Ken, hörte kurz mit den Schlägen auf und schleuderte einen Betäubungsblitz auf T.K.s linkes Bein, das daraufhin unter ihm wegknickte. Jetzt gab es kein Halten mehr. Ihre Krallen löschten sich in dem Moment gegenseitig aus, als T.K. zu Boden ging. Ken kniete sich auf seine Brust, blockierte seinen linken Arm und zielte mit einer Hand, in der es schon wieder blitzte, auf seinen Kopf. „Letzte Warnung! Hiermit kann ich dich bewusstlos schlagen!“ „Du wirst mich sicher nicht zu den anderen zurückbringen“, zischte T.K. Sein DigiVice leuchtete ein weiteres Mal, aber T.K. fühlte, dass die Energie darin allmählich erschöpft war. Vielleicht war es doch dumm gewesen, alleine die Festung zu erkunden … Aber warum strotzte Ken nur so voller Energie? Er musste auch ein DigiVice der Dunklen haben … War er am Ende einer von ihnen geworden? Warum hielt sein DigiVice so lange? Ein Schwarm Fledermäuse stob aus T.K.s Umhang hervor. Der Gruselflügel hob den überrascht aufkeuchenden Ken von seiner Brust und warf ihn ihm hohen Bogen davon. Dabei sah T.K, wie etwas aus Kens Hosentasche fiel und klappernd am Boden landete. Eine einzige Allomon-Flammenwolke reichte aus, um die Fledermausbrut zu vernichten, aber Ken war nun erst recht zornig. „Wie kann man so dickköpfig sein … Willst du den gleichen Fehler machen wie ich?“ Bevor T.K. antworten konnte, erbebte der Boden so stark, dass Ken das Gleichgewicht verlor. T.K. versuchte aufzuspringen, aber er fühlte sich wegen des Wackelns bleischwer. Irgendwo in der Festung krachte eine Explosion, dann noch eine weiter entfernt. Der Gang kippte seitwärts; T.K. und Ken rutschten in die rechte untere Kante. Mit einem ohrenbetäubenden Bersten klaffte über ihnen ein breiter Riss im Metall-Stein-Gemisch der Festung auf, durch den sie einen von schwarzen Schemen verdunkelten, blauen Himmel sehen konnten. „Was ist das?“, rief Ken panisch auf allen Vieren, als sie durchgeschüttelt wurden wie in einer Achterbahn. T.K. schaffte es irgendwie, sich an der Wand hochzuziehen. „Ich habe mich zu lange mit dir aufgehalten. MarineDevimon hat mit dem Angriff begonnen.“ „MarineDevimon?“ Direkt neben T.K. zersplitterte die Wand. Salzwasser und Trümmer regneten herein. Auch zu ihren Füßen bildeten sich Risse, durch die Wasserfontänen spritzten und sie innerhalb von Sekunden völlig durchnässten. „Zu mir!“, schrie T.K. aus voller Kehle. Es dauerte keine zehn Sekunden, bis zwei Vilemon durch den Spalt geflattert kamen. „Erledigt ihn!“, wies er sie an. Er wusste, dass Ken die Fledermäuse pulverisieren würde, wie er es wahrscheinlich schon mit den anderen getan hatte, aber er – und vor allem sein neues DigiVice – brauchte Zeit, um sich zu erholen. Und hier gab es ohnehin nichts mehr zu tun. Oder doch? T.K.s Blick fing das messingfarbene Kästchen ein, das auf dem Boden lag. Es war bis zur Wand gerutscht und versank fast in Meerwasser. Damit hatte es etwas auf sich, das spürte er. Nach kurzem Zögern streckte er die Hand aus und verwandte seine letzte Energie darauf, das Kästchen mit einer Albtraumkralle an sich zu reißen. „Nein, gib das wieder her!“, rief Ken, der mit wütenden Hieben seiner eigenen Albtraumkralle soeben die beiden Vilemon mittendurch geschlagen hatte. Er rannte auf T.K. zu, seine Schuhe ließen das nun schon wadenhohe Wasser nach allen Seiten spritzen. Er ging sogar so weit, mit seiner roten Peitsche nach ihm zu schlagen. T.K. humpelte davon, versuchte den Gang entlang zu kommen, doch er wusste, dass er es nicht schaffen würde. In dem Moment tauchte Angemon in seiner ganzen, federweißen Pracht durch das Loch in der Wand, schlug die Albtraumkralle mit seinem heiligen Stab zur Seite und streckte die Hand nach seinem Partner aus. „Gehen wir, T.K“, sagte es mit volltönender Stimme. T.K. ließ es zu, dass es die Arme um ihn schlang und ihn mit kräftigen Flügelschlägen aus der Festung trug. „Nein!“, schrie Ken erneut und stampfte vor Wut auf. Salzwasser spritzte ihm ins Gesicht und brannte wie zur Strafe in seinen Augen. Die Festung erbebte abermals, noch heftiger als zuvor, und er entschied sich, ebenfalls zu fliehen. Mit einem Satz durch das Loch in der Wand war er im Freien und landete mit einem mehr oder weniger eleganten Köpfler im Wasser. Trotz des Brennens riss er die Augen auf. Die schwimmende Festung wurde von allen Seiten von unheimlichen Digimon attackiert. Große, klumpige Raremon, die unter allen Digimon wohl das hässlichste Gesicht hatten, klammerten sich an den Rumpf des Gefährts und zogen es langsam in die Tiefe. Auf der anderen Seite der Mobilen Festung erkannte Ken verschwommen den Körper eines riesigen Digimon, dessen weiße Tentakel in alle Richtungen davonzüngelten. Ken benutzte den Albtraumschock, um durch den Rückstoß schneller durchs Wasser zu gleiten, fort von der maroden Festung, und durchstieß mit dem Kopf die Oberfläche, nur um Zeuge eines noch viel zerstörerischen Bildes zu werden. Der Himmel war voller Vilemon, die ihre dunklen Strahlen auf die Festung niederregnen ließen. Ein einzelnes Megadramon bombardierte Kens einstmalige Bastion mit den Raketen, die es aus seinen Armvorrichtungen feuerte. Explosion um Explosion riss gewaltige Trümmer aus den Wänden und dem oberen Deck. Die Festung brannte an etlichen Stellen und mehrere Dutzend Meter lange Risse durchzogen ihre Oberfläche. Die Raremon kletterten wie träge Schnecken auch über Wasser auf das Gefährt und tauchten es in ätzende Säure. Dann erkannte Ken, wessen Tentakel er unter Wasser gesehen hatte: Der schlanke Körper eines riesigen MarineDevimons ragte aus dem Meer. Aus dem geöffneten Maul des Monsters loderte eine schwarze Flamme, die die Festung regelrecht verschlang. T.K. und Angemon waren nirgendwo mehr auszumachen. Ken hatte genug gesehen. Er musste einen Weg finden, um von hier zu fliehen. Über ihm flog soeben ein kleines Geschwader aus Devimon auf das Schlachtfeld zu. Ihm fiel auf, dass eines davon, das an der Spitze, reinweiß war. Ohne lange zu überlegen schoss er seine neu erworbene Albtraumkralle auf es ab, riss es aus dem Flug zu sich herunter und tötete es mit seiner roten Kralle. Dann ließ er die Daten durch seinen Arm strömen. Ja, er hatte sich nicht getäuscht. Es war ein IceDevimon, wie er es vermutet hatte. Die anderen Devimon stießen wie Rauvögel auf ihn herab, doch Ken tauchte unter, um ihren Todeskrallen zu entgehen, und benutzte abermals Albtraumschocks, um aus der Gefahrenzone zu gelangen, so lange, bis ihm die Luft ausging. Als er auftauchte, war er eine gute Meile von der Festung entfernt, und die Devimon waren nicht mehr hinter ihm her; dafür entdeckte er die drei größeren Schatten unter den Fledermäusen. Kens Muskeln wurden langsam müde, aber er hatte es beinahe geschafft. Er konzentrierte sich auf IceDevimons Energie und legte die linke Hand flach auf die Wasseroberfläche. Die zitternden Wellen gefroren binnen Sekunden zu einer Eisscholle, auf die er sich zog und erstmal ausruhen konnte. Dann begann er, sich einen gefrorenen Weg bis zur Küste zu bauen. Als er sich noch einmal umdrehte, sah er, wie seine einstmals so ehrfurchtserregende Festung abermals zerstört wurde. Sie brach mittendurch, und wie bei der Titanic versanken beide durchlöcherten Teile im Ozean. Am Ufer angekommen, wärmte er sich mit dem Feuer des Allomons auf. Auf dem Weg in den nahen Wald traten ihm zwei Ogremon entgegen, die er vernichtete und auf ihre Kaiserfaust scannte. Als er schließlich eine Höhle erreichte und sich sicher war, dass ihm niemand folgte, brach er erschöpft zusammen. Seine Hand tastete nach seiner Hosentasche, aber natürlich war das Kästchen nicht mehr da. Ein stiller Fluch verließ seine Lippen, dann schlief er vor Erschöpfung ein. T.K. war längst auf dem Rücken von Pegasusmon wieder Richtung Finsterzitadelle unterwegs, sein Umhang flatterte hinter ihm im Wind, die Zierfransen daran zuckten wie verrückt. Er konnte es immer noch nicht fassen, dass ihm die Dunklen einfach so entwischt waren! Aber gut … irgendwie war es ja zu erwarten gewesen. Taneo war schließlich nicht dumm. Er sah sich das verzierte Kästchen an, das er in der Hand hielt. „Willst du nicht nachsehen, was drin ist?“, fragte Pegasusmon. „Es geht nicht auf“, sagte er. „Es ist irgendwie verschlossen …“ Er stutzte. Als er es näher betrachtete, fiel ihm der Barcode mit den umgekehrten Farben auf. „Was ist das? Ein Code? Kann man den irgendwie scannen, was meinst du?“ „Versuch es doch mal mit Akis DigiVice. Immerhin kann es ja auch die Daten von Digimon scannen“, schlug Pegasusmon vor. „Mach ich.“ T.K. hielt das neuartige Gerät mit dem daumennagelgroßen Display vor das Kästchen, doch nichts geschah. Er meinte, ein leises, empörtes Piepsen zu hören, aber vielleicht war es Einbildung. Nachdenklich musterte er die Büchse von allen Seiten, aber er fand keinen Hinweis, wie sie aufging. „Was meinst du, Pegasusmon, wie hat Ken all diese Attacken fertiggebracht? Und es sieht fast so aus, als könnte er nicht nur die Daten von toten Digimon scannen, sondern direkt Attacken abwehren und dabei kopieren.“ „Das kann ich dir auch nicht erkären, T.K“, sagte der Pegasus. „Hm.“ T.K. fiel etwas ein. Er nahm diesmal sein eigenes D3-DigiVice zur Hand und hielt es vor den Strichcode. Ein leises, elektronisches Klicken ertönte, und der Deckel sprang auf. „Nanu“, sagte er. „Ich hab’s aufbekommen.“ Mit klopfendem Herzen sah er hinein. „Ach du heilige …“, murmelte er und zog die Karten von Elecmon und Digitamamon hervor. Seine Gedanken rasten. Mit Andromon, Drimogemon, Gazimon und ShogunGekomon, die sie vorher im Albtraumschloss versteckt hatten, und dem Kuwagamon, das er von Taneo gestohlen hatte, hatten sie acht Karten von neun … Und von Taneo wusste er, dass er Unimon doppelt hatte. T.K. lächelte. „Ich glaube, das Triumvirat wird nicht ganz so enttäuscht sein, wie ich befürchtet habe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)