Shards von UrrSharrador (At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 35: Sun is going down ----------------------------- Bluray-Gebirge, DigiWelt Montag, 3. September 2007 20:58 Uhr Ihr Hals tat weh. Das war das erste, was sie fühlte. Ihre anderen Glieder spürte sie nicht, aber in Anbetracht dieses drückenden Schmerzes war es vielleicht besser. Das Grau vor ihren Augen löste sich auf, wurde zu einem verschwommenen, karottenroten Fleck. Sie bekam mit, dass sie auf einer weichen Decke lag, unter der kantige Steine in ihren Rücken stachen. Ihre Gedanken ließen sich nicht ordnen, sie konnte nicht sagen, wo sie war, wie sie hierhergekommen war … nicht einmal, wer sie überhaupt war. Es machte ihr Angst, doch der Schmerz hinderte sie am Sprechen. „..lei?“, hörte sie eine Stimme wie durch Wasser. Sie bewegte die Lippen, aber selbst einfache Worte zu sagen schien sie verlernt zu haben. Sie blinzelte. Ihre Augen fühlten sich eiskalt an, als ob eine Schneeschicht darüber liegen würde. Jetzt konnte sie Einzelheiten in dem Gesicht über ihrem Kopf erkennen, hellbraune Augen. Sie kannte dieses Gesicht, aber woher? „Yolei? Bist du wach?“ Sie sah, wie sich die Lippen des Mädchens bewegten, aber die Worte hörte sie erst Sekunden später. Das Gesicht verschwand, das einzig Bekannte hier, an dem sie sich festhalten konnte. Sie war verzweifelt. Nun war da nichts mehr über ihr, nur ein Himmel, auf der einen Seite blauschwarz, auf der anderen von einem markanten Violett. Am Rand ihres Gesichtsfeldes konnte sie einen blutroten Streifen sehen, wo die Sonne unterging. Winzige Beinchen liefen auf ihr herum. Etwas Rosafarbenes huschte an ihrem Gesicht vorbei, so schnell, dass es verschwamm, und der Schmerz an ihrem Hals ließ nach. Gleichzeitig klärte sich ihr Geist. Das Gesicht von vorhin hatte plötzlich einen Namen. „Sora“, brachte Yolei krächzend hervor. Es fühlte sich an, als raspelten scharfe Steinchen durch ihre Luftröhre. Sora beugte sich wieder über sie und Erleichterung spiegelte sich in ihren Augen wider. Yolei nahm nun auch Gerüche wahr; Honig und den scharfen Geruch von Alkohol und noch etwas anderes, das sie nicht identifizieren konnte. Sie hob ein wenig den Kopf und sah rosafarbene, kaninchenähnliche Digimon, deren Hände grün glühten, während sie die Schrammen an ihrem Körper, aber auch andere Digimon, die neben ihr lagen, behandelten. Cutemon, wenn sie sich nicht täuschte. Sie war im Lazarett der DigiAllianz, in einer Talsenke am südlichen Ende des Felslabyrinths, das zu den Summenden Feldern führte. War sie denn verletzt? „Bleib ruhig liegen“, sagte Sora sanft und setzte ihr eine Schüssel an den Mund. „Hier, trink das vorsichtig.“ Yolei schmeckte seltsamerweise noch nichts, aber auch die zähe Flüssigkeit duftete nach Honig oder Met. In dem Moment flatterte etwas neben ihr Gesicht, und sie wäre erschrocken, hätte sie die Bewegung nicht erst mitbekommen, als sie schon in Hawkmons Vogelaugen sah. „Yolei!“, rief es erfreut. „Du bist wohlauf! Wir hatten schon das Schlimmste befürchtet.“ Yolei lächelte ihr Digimon kurz an. „Wie komme ich hierher? Was ist passiert?“ Sora und Hawkmon fuhren herum, und wie zuvor hörte Yolei das Geräusch der Schritte zu spät. Sie drehte mühsam den Kopf und sah Ken angerannt kommen. Er sah furchtbar aus, das Haar zerzaust und klebrig, die Kleidung dreckig, an manchen Stellen rußverschmiert. Er wurde langsamer, als er Yolei sah, und ging schließlich vor ihr in die Knie. Ein Lächeln erstrahlte in seinem schmutzigen Gesicht und sein Blick wurde weich. „Du bist wohlauf“, flüsterte er und streckte die Hand aus, ohne sie jedoch zu berühren. Oder tat er es? Sie fühlte jedenfalls nichts. „Natürlich, was glaubst du denn?“ Yolei versuchte sich in einem Lächeln, aber der Schmerz in ihrem Hals, der ihre krächzenden Worte begleitete, ließ es zu einer Grimasse entgleisen. „Ein Glück“, seufzte er und schloss die Augen, als fürchtete er, ansonsten aus einem Traum aufwachen zu können. Er fiel ihr nicht um den Hals oder so, aber Yolei hatte das Gefühl, dass er es zumindest in Gedanken tat. „Aber wie … Sie hatte keinen Puls mehr, jedenfalls habe ich keinen gefühlt“, wandte er sich an Sora und seine Stimme klang nun sachlich, fast wissenschaftlich. Vielleicht hätte diese Unnahbarkeit Yolei verletzt, doch sie begriff immer noch nur langsam, was eigentlich mit ihr geschehen war. Hatten sie sich solche Sorgen machen müssen? Yolei, werd bloß nicht unvorsichtig. Wer hatte das noch gleich zu ihr gesagt? War sie zu weit vorgeprescht? „Sie hatte noch einen Puls, aber er war sehr schwach. Du konntest ihn auf Aquilamons Rücken einfach nicht ertasten“, erklärte Sora. „Die Cutemon haben sich gut um sie gekümmert.“ Kens Lächeln war wieder da, milde und verständnisvoll. „Die Dunklen sind übrigens erledigt“, sagte er zu Sora. „Ich soll dich zu Matt und den anderen schicken. Garudamon und ihre Digimon sind auch alle da, sie warten am Eingang zum Schlachtfeld und wollen T.K. fangen.“ Sora war anzusehen, dass sie nicht unbedingt scharf darauf war, mitzukommen, aber sie nickte. Dann schoss hinter Ken plötzlich eine Feuersäule in die Höhe, riesengroß und brodelnd, und Yolei sah, wie seine Pupillen schrumpften und er die Augen aufriss. Er öffnete den Mund um etwas zu sagen, fuhr dann aber herum. „Was ist das?“, rief Sora schrill und presste die Hand vor den Mund. Ken war wie erstarrt, seine Hände zitterten. „Das Schlachtfeld“, murmelte er. Yolei sah im Liegen nicht genau, was vor sich ging, aber es versetzte Sora, Ken und die Cutemon in helle Aufregung. „Oh nein“, flüsterte Sora. „Dann sind Matt und Garudamon und …“ Sie stürmte davon, Ken packte sie am Arm, aber sie riss sich los. „Lass wenigstens mich gehen!“, rief er ihr hinterher. „Ich kann kämpfen!“ Yolei sah, wie Sora etwas aus einer Felsnische holte, und das Licht der bis zum Himmel leckenden Flammen brach sich auf einer breiten, glänzenden Klinge. „Ich auch“, antwortete das Mädchen. „Und ich hab keine Ruhe, wenn ich nicht selbst nachsehen gehe!“ „Sora!“ Ken machte Anstalten, ihr zu folgen, aber dann ließ er sich neben Yolei zu Boden fallen. Schweigend sahen sie dem feurigen Spektakel am Abendhimmel zu. Summende Felder, DigiWelt Montag, 3. September 2007 21:05 Uhr Die Hölle konnte nicht heißer sein. Matt fühlte, wie er geschmolzene Luft atmete. Sie verbrannte seine Atemwege, schien seine Lunge zu rösten. Überall waren die Flammen, über, neben, sogar unter ihm, überall züngelten sie aus dem infernalischen Schlund, in den sich das Schlachtfeld verwandelt hatte. Die Schreie vereinigten sich zu einem qualvollen Chor, und überall rauschten Datenwirbel. Sehen konnte Matt nicht; selbst durch die geschlossenen Lider schienen seine Augen zu schmelzen, aber er fühlte etwas kaum merklich Kühleres, Metallenes, das sich gegen ihn presste, hörte rings um sich herum Steine bröckeln. Etwas Heißes setzte sich auf seiner Stirn fest und der Schmerz wollte nicht weichen. Auch Tai fühlte sich von einem tosenden Sturm umgeben, der ihn ins Zentrum der Flammen ziehen wollte, heiße Luft, die das Feuer nachzog, um zu atmen. Er hielt sich an etwas Eisernem fest, das so heiß war, dass er sich durch seine Handschuhe hindurch die Finger verbrannte. Glut und Funken brannten sich durch seine Kleidung, er spürte, wie er in einem Herd aus lodernden Flammen stand, die seine Schenkel hoch leckten und wie glühende Klingen in seine Haut schnitten. Wo war Mimi? Er zwang sich die Augen zu öffnen, aber er sah so gut wie nichts. Überall nur Flammen und Verwüstung, geschmolzene Felsen und endlose, orangerote Leere. Ein riesiger Schatten schälte sich aus dem Feuer, als Tai wider besseren Wissens vortorkelte, sich immernoch an WarGreymon festhaltend. Er sah den Umriss von ShogunGekomon, der halb auf etwas lag. Tai kniff seine brennenden Augen zusammen. Eine Wand, mitten im Feuer, aus der kleine, brennende Stückchen fielen, schreiend und in Daten zerberstend. Die Gekomon und Otamamon. Tai konnte nur hoffen, dass dieser lebendige Schild Mimi galt. Er brach in die Knie, als ihm die Luft ausging. Hier in der Hölle konnte man nicht atmen. T.K. sah mit steinerner Miene zu, wie das gesamte Schlachtfeld in Flammen aufging. Sehen konnte man kaum etwas vor wirbelnden Flammen, aber die Datenreste, die daraus hervorquollen wie dichter Rauch, zeigten ein Massensterben digitalen Lebens an. Das Gigadramon wirbelte herum und flog über ihm hinweg. Für einen Augenblick kreuzten sich T.K.s und Taneos Blicke, er konnte ein hinterhältiges Lächeln in den Augen des Dunklen funkeln sehen, dann war das gewaltige Digimon fort, verschwunden in der Dämmerung. T.K. ballte die Fäuste. So eine Kraft hätte er den Dunklen nie zugetraut … Flammeninferno. Er erinnerte sich noch daran, als wäre es gestern gewesen. Der dunkle Himmel, das violette Leuchten von Kens DigiVice. Deemon, das nur die Hand hob und drohte, ein ganzes Hochhaus auszulöschen. Die Verzweiflung, die Angst, die Anspannung. Ken, der schrie, Yolei und Cody, die starr vor Angst waren, Davis, der ihre Herzen wärmte. Sie hatten Deemon zum Meer der Dunkelheit verbannt, weil sie es nicht besiegen konnten. Und nun beherrschte Taneo dessen Attacke. Die Dunklen waren mächtiger als sie, die DigiRitter, in ihren besten Zeiten. Die Erkenntnis ließ ihm einen Schauer über den Rücken rieseln. Vielleicht war dieser Gedankengang nicht ganz richtig. Vielleicht hatten sie ihre Digimonsklaven zum Meer der Dunkelheit mitgenommen, oder Deemon hatte lange gegen den Herrscher des Meeres, Dragomon, gekämpft und war erschöpft gewesen. Dennoch, wie man es auch drehte und wendete: Taneo hatte eine Attacke in seinem DigiVice gespeichert, der sogar die größten Armeen, die die DigiWelt je gesehen hatte, nichts entgegenzusetzen hatten. „T.K, sollen wir nicht hinterher?“, fragte Angemon. „Noch nicht. Ich will erst sehen, ob da unten noch irgendwas am Leben ist.“ Er sah wieder über die Felskante zum Schlachtfeld. Selbst hier spürte er die Hitze, die einem den Atem raubte. Unten musste sie bestialisch sein. Es sah tatsächlich nicht so aus, als ob in dieser Hölle noch jemand am Leben war, aber falls doch, brauchten sie ihn als General. Taneo lief ihm nicht weg; er hatte vorsorglich zwei Karten bei sich selbst behalten. Bluray-Gebirge, DigiWelt Montag, 3. September 2007 21:09 Uhr Taneo ließ das Gigadramon zwei Kilometer westlich der Finsterzitadelle landen. Kentarou hatte das Androidendigimon so umprogrammiert, dass es auf einfache mündliche Befehle reagierte. Kaum dass der Schlangenkörper den Boden berührte, erschien Ansatsu bei ihnen und half Miyuki von dem gepanzerten Kopf. Taneo betrachtete sein DigiVice, das rot blinkte. Deemons Flammeninferno hatte seine Energie komplett aufgebraucht. „Ich fliege mit Gigadramon zur Ladestation“, erklärte er den anderen. „Ihr zwei geht schon mal vor und säubert die Zitadelle.“ „Kannst du gehen?“, fragte Ansatsu, als das Gigadramon mit ihrem Anführer davongeschlängelt war. Es war eine Frage ohne Sorge oder Mitleid, sondern rein aus geschäftlichem Interesse. „Klar. Ich spür kaum was, dank der Schmerzmittel, mit denen ihr mich vollgepumpt habt“, schnaubte Miyuki und tastete über ihr dick verbundene Hüfte. „Aber warum gehen, wenn einer von uns durch die Dimensionen reisen kann?“ Ungefragt nahm sie Ansatsus Hand, was dieser mit einem leichten Zusammenziehen der Augenbrauen quittierte. „Was denn? Hat der unterkühlte Assassine Angst vor warmem, lebendigem Fleisch?“, fragte sie grinsend. „Lass das Geschwafel.“ Die Realität um sie herum löste sich auf, sie fielen durch einen Strudel voller Illusionen, landeten kurz auf einem im Licht der Abendsonne glänzenden Getreidefeld in der Realen Welt und standen gleich darauf in einer Felsnische nahe der Finsterzitadelle, die so schmal war, dass sie sich eng aneinander pressen mussten. Miyuki bemerkte belustigt, wie Ansatsu sich verkrampfte. „Beeindruckend, wie du den kuscheligsten aller Orte in diesen verdammten Bergen ausgesucht hast“, neckte sie ihn. „Halt den Mund“, murmelte er ungehalten und spähte um die Ecke. „Es gibt sicher Wachen.“ „Warum teleportierst du uns nicht gleich in die Festung hinein? Müssen wir unbedingt Geheimagenten spielen?“ „Erinnerst du dich an das Abwehrnetz, das Kentarou installiert hat, als die Zitadelle noch uns gehört hat?“ „Das, was verhindert, dass ein Digimon den Berg zerstört?“ „Genau. Es ist anscheinend immer noch aktiv, und es erkennt Parallelmons Dimensionsreise-Fähigkeit als Attacke. Ich hab schon versucht, hineinzukommen, aber es geht nicht.“ Miyuki seufzte. „Also durch das Tor.“ „Genau. Und jetzt sei still, dort ist jemand.“ Tor zur Finsterzitadelle, DigiWelt Montag, 3. September 2007 21:09 Uhr „Izzy, hörst du mich?“ Aus dem Funkgerät kam nur Rauschen und etwas wie Vogelgezwitscher. „Kein Glück?“, fragte Digmon. Armadillomon war zu ihm anstatt zu Ankylomon digitiert, weil es so nicht so viel Platz brauchte, von dem sie in den Gängen der Zitadelle vielleicht ohnehin zu wenig hatten. „Irgendwas stört die Verbindung“, murmelte Cody. „Izzy? Hörst du mich? Wir versuchen jetzt, in die Zitadelle vorzudringen.“ Als immer noch keine Antwort kam, zuckte er mit den Schultern. „Gehen wir!“ In Zweierreihen marschierte der Stoßtrupp durch das geborstene Tor. Direkt dahinter lag ein breiter, schnurgerader Gang, der etwa fünfzig Schritte weit in die Dunkelheit führte. Die Decke wurde beidseitig von Säulen gestützt, zwischen denen in regelmäßigen Abständen große, steinerne Sarkophage standen, aufrecht wie steinerne Wächter. Cody musste an die geheimen Grabkammern aus Horrorfilmen denken, die mit Fallen geschützt waren. Die schweren Schritte der Knightmon hallten von der hohen Decke wider und kündigten ihr Kommen lautstark an. Cody packte seinen Schwertgriff fester. Als sie die Eingangshalle zur Hälfte durchquert hatten, ertönte aus allen Richtungen ein Schaben und Quietschen. Stein auf Stein. Sofort bildeten die Knightmon einen Kreis um Cody, Meramon und Centarumon. Die Steinsärge öffneten sich, die wuchtigen Schieferplatten schoben sich zur Seite, klappten auf und knallten auf den Boden. „Als ob ich‘s geahnt hätte“, murmelte Cody und hob sein Schwert. Genau wie in dem Film, den er kürzlich im Kino gesehen hatte. Die Abenteurer hatten alle Fallen überwunden und waren in der Grabkammer des Pharaos gelandet, und der alte Monarch hatte beschlossen, sie persönlich davon abzuhalten, die Grabbeigaben zu rauben. Auch in dem Film war er als Mumie aus seinem Sarkophag getorkelt. Nur waren die bandagierten Gestalten, die unsicheren Schrittes aus ihren Särgen traten, zu zwölft. Und es waren auch keine einfachen Mumien, es waren Mummymon, die schwere Maschinenpistolen in ihren Händen schwenkten. „Lauft! Raus hier!“, schrie Cody und rannte als erster los. Hier konnten sie nicht gegen diese Digimon kämpfen, nicht solange sie umzingelt waren. Knisternde Lichtschlangen blitzten aus den Mündungen der Waffen, streiften den Boden neben ihm und zischten über Säulen, rissen Steinbrocken heraus. Ein Knightmon wurde rücklings getroffen und stürzte, und sofort feuerten fünf Mummymon auf einmal auf das wehrlose Digimon, bis es sich schreiend in einen Datenwirbel auflöste. Cody hetzte mit brennenden Lungen dem schwachen Licht am Ende des Tunnels entgegen, das den Ausgang markierte. Er sah weitere Schüsse an sich vorbeiblitzen, und kaum dass er über die Trümmer des schwarzen Tores gesprungen war, warf er sich nach rechts und aus der Schusslinie. Centarumon galloppierte als nächstes aus der Zitadelle, gefolgt von Meramon und den anderen Knightmon. Sie verteilten sich um den Eingang, um den Mummymon kein Ziel mehr zu bieten. Das Empfangskomitee der Scherben schien nicht vorzuhaben, den Eingang zu ihrer Bastion von innen zu verteidigen, sondern folgte seinen Feinden nach draußen. Während Cody noch fieberhaft überlegte, wie sie den Ultra-Digimon beikommen könnten, ging der Tanz schon von neuem los – Gewehre gegen Schwerter. Die Knightmon waren zu langsam und mittlerweile auch zu wenige, um groß etwas gegen die Mumiendigimon ausrichten zu können, aber auch Meramon und Centarumon mischten kräftig mit. Digmon schoss seine Bohrer auf eines der Ultra-Digimon ab und riss es von den Füßen, aber es brauchte noch zwei Knightmon, die es mit ihren Großschwertern durchbohrten, um es zu besiegen. Mitten im Kampf erklang eine weibliche Stimme vom Bergpfad her. „Sieh an, wen wir da haben.“ Cody fuhr herum, und mit ihm seine Digimon; sogar die Mummymon hörten kurz mit ihren Angriffen auf. Dort drüben, kurz bevor der Weg, der zum Tor führte, in ein Gefälle überging, standen die junge Frau aus Andromons Projektion und Ansatsu. „Die Dunklen!“, rief Meramon aus. „Jaja, wir sind’s“, sagte das Mädchen lässig. „Miyuki und Ansatsu, die Schrecken aller Digimon. Wir würden ja wahnsinnig gern mitansehen, wie ihr euch gegenseitig zerlegt, aber wir haben‘s eilig.“ Noch ehe sie ausgeredet hatte, war Ansatsu verschwunden und tauchte einen Herzschlag später in ihren Reihen wieder auf. Cody bekam nur mit, wie ein Mummymon strauchelte und sich in Daten auflöste, aber ehe er den Assassinen mit seinem Blick verfolgen konnte, war er schon wieder verschwunden, teleportierte sich zwischen den Mummymon hin und her und stieß jedem von ihnen den schwarzen Stachel, in den sich seine rechte Hand verwandelt hatte, in den Schädel oder die Brust. Er war jedes Mal kaum für mehr als einen Wimpernschlag zu sehen und noch während ein Mummymon sich auflöste, meuchelte er schon zwei weitere. In weniger als fünf Sekunden waren alle Wächter der Scherben verschwunden. „Na wartet!“, rief Centarumon und die Kanone in seiner Handfläche klappte auf. „Solarstrahl!“ Eine gelbe Energiekugel sauste auf die blonde Frau zu, die, warum auch immer, nicht auswich. Im letzten Moment flimmerte die Luft vor ihr und Ansatsu erschien, ein Knie auf dem Boden, und zerschlug die Kugel mit einer Art Krallenhandschuh, der sich daraufhin auflöste. Unter dem anderen Arm trug er ein Mummymon im Schwitzkasten, das sich eben erst auflöste. „Du bist ja doch zu was zu gebrauchen“, sagte das Mädchen – Miyuki, wenn Cody sie richtig verstanden hatte – und hob ihr neuartiges DigiVice. Die Daten des Mummymons wurden in das kleine Gerät gesaugt. Ansatsu richtete sich auf. „Der Rest gehört dir“, sagte er kühl. „Aber mit Freuden!“ Ansatsu trat zur Seite und Miyuki einen steifen Schritt vor – es sah für Cody so aus, als trüge sie eine Art Korsett unter ihrer Ledermontur, das ihre Bewegungen einschränkte. Sie ließ das erglühende DigiVice fallen – es baumelte an einer kleinen, silbernen Kette an ihrem Gürtel – und streckte die Arme aus. „Gargo-Schrot!“ Zwei kurze Gatling-Rohre erschienen an ihren Händen und begannen sich knatternd im Kreis zu drehen und ein verheerendes Sperrfeuer auf Codys Stoßtrupp zu entladen. Er sah nur noch spritzendes Gestein und zerspringende Rüstungen, die Kugeln durchschlugen sogar die Panzerung der Knightmon, rissen pflaumengroße Löcher hinein, ramponierten die Digimon so sehr, bis sie sich schließlich ganz in Daten auflösten. „Wie geht denn das?“, rief Cody entsetzt. „Sie zerstört Ultra-Digimon mit einem Champion-Angriff?“ Eines nach dem anderen vernichtete Miyuki, unbarmherzig, und selbst das einzelne Knightmon, das Zeit fand, sich mit seinem Großschild zu schützen, wurde nach einem ergiebigen Kugelhagel am Bein getroffen, brach in die Knie und ein dreifacher Kopfschuss beendete sein Leben, und das Gatlinggewitter ratterte über den Felsboden zu Cody herüber, der immer noch wie erstarrt war, und – Centarumon warf sich dazwischen, stöhnte auf, als die Kugeln sich in seinen Pferdekörper bohrten, brach zusammen und fiel halb auf Cody, sodass ihm die Luft wegblieb. Das unheilvolle Knattern endete so abrupt, wie es begonnen hatte. „Centarumon“, murmelte er. Das Digimon atmete schwer und blutete aus dutzenden Einschusslöchern. „Die Stadt des Ewigen Anfangs ist wieder unser“, sagte das Pferdedigimon mit brüchiger Stimme. „Also habe ich … nichts zu befürchten.“ Seine behandschuhte Hand ergriff Cody lasch am Jackenkragen. „DigiRitter … damit die Stadt frei bleibt, müsst ihr die Scherben … heute … besiegen … Versprich es mir …“ Cody schluckte. „Ich verspreche es“, sagte er ernst. Centarumon atmete aus und es klang erleichtert. In einem Datensturm verging es. „Ihr elenden Missgeburten!“, hörte Cody Meramon brüllen. Die Kugeln hatten dem Flammendigimon nichts anhaben können. „Brennende Faust!“ Flackerndes Licht erhellte die mittlerweile im Dunkeln liegenden Felswände. Ein Feuerball explodierte direkt neben Miyuki, die sich nicht schnell genug in Sicherheit bringen konnte. Mit einem spitzen Aufschrei zuckte sie zurück. Cody konnte den Gestank von verbranntem Haar bis hierher riechen. Wütend zischte das Mädchen: „Das wirst du bereuen!“ Vor ihr erschien ein Mummymon-Gewehr in der Luft, das sie mit einer Hand ergriff. Als sie abdrückte, quoll die elektrische Energieschlange aus der Mündung, traf Meramon gegen die Brust und warf es zurück, presste es auf einem Meter Höhe gegen die Felswand, wobei der Flammenkörper zischte und flackerte und Meramon ein Stöhnen von sich gab. Auch Cody hatte die Fassung wieder erlangt. Er sprang auf und zog sein Katana. „Na wartet!“, rief er laut. „Ihr habt schon viel zu lange ungestraft Digimon ermordet!“ Mit einem lauten Kampfschrei stürmte er los. „Cody, warte!“, rief Digmon irgendwo hinter ihm. Ansatsu begegnete seinem Blick und seine Hand verwandelte sich wieder in einen schwarzen Stachel. Der Attentäter sprintete ihm mit wehendem Mantel entgegen, und als er ihn herannahen sah, ohne das geringste Anzeichen von Furcht, kroch Cody Unsicherheit ins Herz. Dieser Kerl hatte gegen Lilymon und WarGreymon und eine ganze Gruppe Mummymon gekämpft … Aber es gab kein Zurück mehr! „Steinbrecher!“ Cody schrie auf, als der Boden unter ihm erzitterte und entzweibrach. Ein gähnender, finsterer Spalt verschlang ihn, das Schwert entglitt seinen Fingern. Er sah Ansatsu ebenfalls fallen, dann verschwamm seine Gestalt und er war fort. Cody konnte sich nicht wegteleportieren. Immer noch schreiend und sich überschlagend, stürzte er der Finsternis entgegen, und als er fürchtete, bald aufschlagen zu müssen, summte ein großes Insekt heran und packte ihn mit Händen, aus denen Bohrer sprossen. Ansatsu materialisierte sich neben neben Miyuki, die immer noch Meramon mit ihrem Gewehrstrahl festhielt. „Ich verfolge den DigiRitter“, verkündete er und war schon wieder weg. „Hey! Verdammt, lass mich nicht mit dem hier alleine!“, schrie Miyuki. Der flackernde Strahl aus ihrem Gewehr erlosch und Meramon rutschte zu Boden. Knurrend und schwer atmend richtete es sich auf. „Mistkerl“, murmelte sie, und rief dann: „He, Meramon, für den Fall, dass du das Meramon von der File-Insel bist: Deine Yokomon-Schützlinge vermissen dich!“ „Ihr dreckigen Fleischklumpen“, knurrte Meramon. „Was habt ihr ihnen angetan?“ „Ich würde dir ja eine Yokomon-Tentakel-Massage empfehlen, aber ich fürchte, du würdest die Kleinen verbrennen.“ Ihr DigiVice glühte wieder auf und sie hob die Arme mit geballten Fäusten. „Wusstest du übrigens, dass man Feuer mit Explosionen löschen kann?“ Während Meramon sich abstützen musste, um nicht umzufallen, erschienen um Miyukis Handgelenke metallene Ringe. „Granaten!“ Eine kleine Rakete mit aufgemaltem Gesicht, das eine Trillerpfeife im Mund hatte, flog aus jedem Ring und zerplatzte mit einem Krachen auf Meramons Brust, riss die Flammen auseinander und streute Feuer auf die Felswände, sodass nichts mehr von ihm übrig war, das sich hätte auflösen können. Summende Felder, DigiWelt Montag, 3. September 2007 21:10 Uhr Fünf Minuten dauerte die Feuersbrunst an. Fünf Minuten, die Tai wie eine Ewigkeit vorkamen. Fünf Minuten, in denen er Flammen atmete, in denen der Felsen unter ihm durch seine Turnschuhe glühte, in denen, woran er sich auch klammerte, ihm alles die Finger verbrannte. Er spürte WarGreymons Schild, doch auch der war irgendwann weg, vielleicht geschmolzen, und der Backofen, in dem er war, brannte noch heißer. Als es endlich vorbei war, lag er auf dem Boden und hatte die Arme vor das Gesicht gepresst. Die Hitze schien im ersten Moment gar nicht nachzulassen, war immer noch tausendmal so heiß wie die Restglut eines Grillers, und die Brandwunden überall an seinem Körper schienen immer noch so heiß wie das Feuer, das sie erschaffen hatte. Langsam richtete er sich auf und warf einen Blick über das Schachtfeld. Es war ein Blick über eine Vulkanlandschaft. Der Boden war teilweise geschmolzen und grauschwarz; Glutnester hockten hartnäckig darin. An manchen Stellen nagten die Flammen noch an undefinierbaren Brennstoffen, doch der größte Teil der Summenden Felder schwelte und war rauchverhangen. Das Flammeninferno hatte niemanden unversehrt gelassen, doch nicht alle Digimon waren gestorben, wie er erkannte. In den Rauchwolken regte sich Leben; er sah Devidramon, die sich erhoben und Asche von ihren Rücken schüttelten, manche von ihnen waren blind. Ogremon und Fugamon stapften aus Felsnischen, mit halb verbrannten Gliedmaßen, andere Digimon hatten nur überlebt, weil sie sich im Augenblick der Feuersbrunst gegenseitig vor den Flammen abgeschirmt hatten. Die Meramon der DigiAllianz waren natürlich ebenfalls noch da, aber sie wirkten erschöpft, als hätten sie den größten Rausch ihres Lebens hinter sich. ShogunGekomon war verschwunden, einige Gekomon und Otamamon lebten noch; ein paar Snimon hatten, weshalb auch immer, ebenfalls überlebt; vielleicht waren sie den Flammen mit ihren Flügeln entkommen, obwohl die Luft dort oben sicherlich ebenso vernichtend gewesen war. Viele Digimon lagen verletzt oder im Sterben oder auch einfach nur ohnmächtig am Boden. Tai war fassungslos. Aus den Tausenden, die hier gekämpft hatten, waren binnen fünf Minuten weniger als hundert geworden. Seine Freunde waren gottlob am Leben. Weit enfernt von der Unversehrtheit, aber am Leben. Agumon, Gabumon und Piyomon lagen rußig und reglos am Boden, aber anstatt sich aufzulösen, waren sie offenbar nur zurückdigitiert. Matt rappelte sich soeben auf und nickte ihm zu. Er hatte eine furchtbare Brandwunde über dem linken Auge. Mimis Augen begegneten seinen hellwach und unendlich erleichtert. Ihr schien nichts passiert zu sein, außer dass ihr Haar und ihre Hosenbeine angesengt waren. Die Headsets, die die DigiRitter getragen hatten, waren von der Hitze verformt oder gar geschmolzen. Kein Ton kam mehr heraus. Auch Leomon war zurückdigitiert. Es rammte sein Schwert in den Boden und stemmte sich daran hoch. „Es sieht so aus, als hätten wenigstens ein paar von uns Glück im Unglück gehabt.“ Rapidmon landete neben ihm, es war rußverschmiert, eher grau als grün, aber wohlauf. Matt nickte und setzte dazu an, etwas zu sagen, als eine Stimme über die Ebene schallte. Nun, ohne den Kampfeslärm, war es geradezu abartig ruhig, sogar das namensgebende Summen dieser Felder schien von den Flammen erstickt worden zu sein, denn es war kaum spürbar. So waren T.K.s Worte klar und deutlich zu verstehen. „Der Kampf ist noch nicht vorbei! Albtraumsoldaten, eure Arbeit ist noch nicht getan! Vorwärts, zerschlagt, was von ihnen übrig ist!“ Matt biss die Zähne zusammen. „T.K. …“ „Da vorne!“, rief Mimi. Eine Windbö hatte einen Teil des Rauchvorhangs zur Seite geweht und gab den Blick auf eine Linie Scherben frei. Sie mussten neu hinzugekommen sein, denn sie waren weder verletzt noch verbrannt. Auf den ersten Blick erkannte Tai sechs furchteinflößende SkullGreymon, umgeben von mindestens dreimal so vielen metallischen SkullMeramon. „Wo kommen die denn plötzlich her?“, murmelte er. „SkullSatamons Garde“, sagte Leomon grimmig. „Wenn die Gerüchte stimmen. Es wird nicht einfach, gegen sie zu kämpfen.“ „Dann kommen wir ja weder zu früh, noch zu spät“, schnarrte eine Stimme hinter ihnen. Aus den Labyrinthgängen kam ein Scorpiomon gekrochen, das momentan den Oberbefehl über die Marine der DigiAllianz hatte. Hinter ihm schleppten sich weitere Meeresdigimon heran: Coelamon, Crabmon, Octomon und andere; alles, was sich an Land fortbewegen konnte, war ebenfalls zu den Summenden Feldern beordert worden; dadurch, dass die Meeresdigimon aber nur langsam durch die Berglandschaft kamen, waren sie ein Stück zurückgeblieben und hatten es nicht rechtzeitig zum Beginn der Schlacht geschafft. „Gerade rechtzeitig“, sagte Leomon grimmig. „Oh weh, das sieht ja übel aus. Haben wir doch drei Tage gebraucht, weil hier schon alles zerstört ist?“, witzelte Scorpiomon. „Ein Angriff der Dunklen, von dem wir hoffen, dass es der letzte war“, knurrte Leomon. „Als nächstes müssen wir uns wohl …“ „Joe!“, schrie Tai. Er hatte seinen Freund fast vergessen, doch er stand soeben auf, mitten im einsamen Niemandsland der Summenden Felder. Tai lief zu ihm und stellte fest, dass der Weg weiter war, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Joe war ziemlich nahe an der Front gewesen, als der Feuersturm losgegangen war. Jeder Schritt mit seinen verbrannten Beinen war eine Qual, aber Tai spornte sich sogar noch mehr an, auch aus Schuldgefühlen, weil er einfach nicht an Joe gedacht hatte. „Hey, Joe. Alles klar?“ Joe hustete und wischte Asche von seiner deformierten Brille, deren Gläser gesprungen waren. „Mehr oder weniger“, sagte er. „Mir tut alles weh … Zudomon hat mich unter seinem Körper beschützt.“ Er sah sich suchend um. „Zudomon?“ „Es wird zurückdigitiert sein“, sagte Tai und half Joe suchen. „Da!“ Aus einem Aschehaufen zehn Schritte weiter ragte etwas Weißes, das aussah wie Gomamons Schwanz. Tai lief los, darauf achtend, dass er nicht auf die verletzten oder bewusstlosen Digimon trat, die hier überall herumlagen. Er konnte nur hoffen, dass Gomamon besser … „Kaiserfaust!“ Er sah den Schatten zu spät. Durch eine Rauchwolke hindurch schoss eine violette Energieladung und streifte Tai am Kopf. Mit einem lautstarken Ächzen wurde er von den Füßen gerissen, segelte zwei Meter durch die Luft und schlug hart auf dem Boden auf. Kurz schwand sein Bewusstsein, aber nur für wenige Sekunden, denn dann hörte er Mimi seinen Namen kreischen. Er wollte sich aufrappeln, aber etwas hinderte ihn daran. Tai blinzelte. Etwas silbrig Glänzendes war da über ihm, einen halben Meter etwa. Es schimmerte im Licht der Feuer, und das obere Ende war rot verschmiert. Etwas tropfte davon auf seine Brust, saugte sich in sein verkohltes Hemd, etwas Warmes, Klebriges. Er starrte die Klinge aus verständnislosen Augen an, diese Klinge, die einfach da war und von der Blut tropfte. Es dauerte einen Moment, bis er bemerkte, dass es sein Blut war. Die Snimon-Sichel ragte aus seinem Bauch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)