Shards von UrrSharrador (At the End of Nightfall ... no one will be safe ... [Trailer online]) ================================================================================ Kapitel 39: Hellclown --------------------- Finsterzitadelle, DigiWelt Montag, 3. September 2007 23:43 Uhr Ken war auf der Flucht. Mit seinem heilen Bein sprang er, so gut es ShogunGekomons Königssprung erlaubte, durch den Gang. Ansatsu verfolgte ihn im Zick-Zack-Kurs, die beiden Stacheln angriffslustig nach vorn gereckt. Ken wusste nicht, was er tun sollte. Er könnte seine rechte Faust mit Gotsumon-Felsen überziehen und hätte dann je eine Hand für beide Stacheln zur Verfügung. Allerdings fühlte er langsam die bleierne Müdigkeit. Von der Schlacht und dem vielen Kämpfen schmerzten seine Glieder. Ansatsu war vielleicht zu schnell, um beide Stacheln abzuwehren … Wenn er ihn doch nur von sich fernhalten könnte! Ein kurzer Blick nach hinten sagte ihm, dass der Gang zuende war. Die Detonationen von vorhin hatten die brüchige Decke so weit erschüttert, dass einer der Pfeiler, der sie hielt, komplett in sich zusammengebrochen war. Der Rückweg zu den anderen war ihm also versperrt. Ansatsu legte noch einen Zahn zu, wollte es so schnell wie möglich hinter sich bringen. Ken deckte ihn mit Blitzen und Feuerbällen ein, doch der Attentäter wich ihnen mit akrobatisch anmutenden Bewegungen aus. Ken biss sich auf die Lippen. Wenn er ihn doch nur einfrieren könnte … Aber IceDevimons Gefrierblick war nicht stark genug um ihn zu lähmen und besaß nicht genug Wirkungsradius … Er brauchte mehr, mehr Eis, mehr Kälte … Wie ein Blitz durchfuhr es ihn. Seine Freunde auf dem Schlachtfeld, MetalGarurumon, das verrückt spielte. Und er, wie er dessen Mega-Attacke abfing. Ansatsu war gefährlich nahe. Jetzt oder nie! „Metallische Wolfskralle!“, befahl Ken donnernd und hoffte, dass seine Worte die Wirkung noch verstärkten. Er streckte die Hand aus und die Luft davor schlug Wellen, und eine Lawine aus flüssigem Eis rauschte auf Ansatsu zu. Der Assassine schaffte es, sich darunter hindurchzuwerfen, doch das Eis erwischte seine Füße und hüllte sie in klobige Eisblöcke. Ansatsu rutschte auf dem Boden weiter, machte eine harsche Bewegung und Ken sah mit blitzender Nadel eine DemiDevimon-Giftspritze auf sich zusausen. Die Zeit schien den Atem anzuhalten. Nein, er würde diesmal nicht zurückzucken! Er sah Yoleis Gesicht vor sich, das ihn bewundernd ansah, auch wenn er nicht wusste, wieso. Entschlossen ballte er die Faust. Er hatte es ihr versprochen. In Windeseile, noch während er zuschlug, überwuchsen Steinsplitter seine Haut. Die Spritze zerbarst klirrend an der Felsenfaust. Als Ken den Blick hob, sah er, dass sich Ansatsu nur mit den Händen vom Boden abstieß, mehr oder weniger auf seinen vereisten Füßen landete und genau in Kens Arme stolperte, die linke Hand mit dem violetten Stachel ausgestreckt. Oh nein, er würde Ken nicht mit Stingsmons Attacke erledigen! Diesmal hielt sich der Pirat nicht zurück. Er stieß ihm die linke Handfläche entgegen. Der Letzte Stich löste sich einen halben Zentimeter vor seinem Handballen auf, seine Finger umschlossen Ansatsus Faust. Der Assassine fiel schwer gegen ihn und riss den rechten Arm hoch, der in dem schwarzen LadyDevimon-Stachel endete, und stieß senkrecht nach Kens Augen. Ken sammelte die eben kopierte Energie und ließ Stingmons Stachel aus seinem rechten Handgelenk wachsen, und noch ehe Ansatsu ihn erwischte, rammte er ihm den Letzten Stich über dem Schlüsselbein quer in den Hals. Ansatsus Muskeln zuckten. Kurz vor Kens Gesicht löste sich der Stachel auf, der Arm fiel schlaff herab. Sein Kinn lag plötzlich schwer auf Kens Schulter. Der Assassine bebte. Ken wurde sich bewusst, dass er tonlos lachte. „Stingmon …“ Ein Röcheln begleitete seine Worte. „Natürlich. So schließt sich der Kreis. Ich war ein Künstler, und meine Kunst war der Tod. Und ein jeder Todeskünstler endet als Kunstwerk eines anderen. Das ist das Schicksal eines Assassinen …“ Warmes Blut benetzte Kens Schulter und Brust, als Ansatsus Körper erschlaffte und von ihm abfiel. Ken starrte den Dunklen an, sein Kinn zitterte. Er hatte einen Menschen … einen Menschen … Er fiel neben Ansatsus Leiche auf die Knie und begann hemmungslos zu schluchzen. „Hier müsste der rechte Geheimgang sein!“, sagte Joe, der die anderen durch die Festung führte. Er hatte ihnen erzählt, dass Ken wahrscheinlich immer noch auf der linken Seite kämpfte, und es laut dem Plan im Bunker noch einen rechts gab. Sie bogen um die Ecke, wo sie das kaum erkennbare Loch in der Wand vorzufinden hofften – und blickten direkt in ein hässliches Auge. Mit einem Aufschrei prallten sie zurück. „Gigadramon!“, stieß Izzy aus. Das Drachendigimon lag ausgestreckt in dem Gang und knurrte die DigiRitter an. Seine Kanonen waren irgendwo unter seinem massigen Körper verschwunden; es lag wie eine große Nacktschnecke da. Kein Zweifel, dass es sie nicht vorbeilassen würde, und scharfe Zähne hatte es immer noch. „Ich wisst, was das heißt“, sagte Gennai düster. „Hallo, Leute!“ Fröhlich winkend rannte Yolei auf die Gruppe zu, Sora und Matt und ihre Digimon hinter ihr. Matt schien an der Schulter verletzt zu sein, denn sein Hemd hatte sich ein wenig rot verfärbt und er hielt den Arm seltsam steif, aber ansonsten schien es ihnen gut zu gehen. „Nanu, Gennai, Sie sind auch hier?“ „Wo wart ihr?“, fragte Cody. „Das ist eine lange Geschichte“, sagte Yolei und kratzte sich verlegen im Genick. „Also, zuerst wollten wir Ken unterstützen, aber der Gang zu ihm ist verschüttet. Dann haben wir den Hauptweg zum Tor genommen, aber das war auch verschüttet … also dachten wir uns, ihr seid alle hier beim rechten Geheimgang.“ „Hier scheint es aber auch nicht weiterzugehen“, sagte Sora leise. „Gigadramon.“ Matt sah das Digimon finster an. „Das heißt, Taneo ist auch schon auf dem Weg zum Thronsaal.“ „Davis ist auch dort“, berichtete Cody. „Dann hoffen wir, dass er dort etwas erreichen kann.“ „Das ist die letzte“, sagte Taneo und legte Gomamons Karte auf ihren Platz. Gespannt warteten er und T.K, dass sich das Tor öffnete. Nichts geschah. „Ist das Ding kaputt?“, fragte Taneo ärgerlich und deutete auf den elektrischen Apparat. T.K. legte die Stirn in Falten. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Rookie-Serum-Karte auf diesen Platz gehört. Alle anderen Karten stimmen auch. Eigentlich müsste die Apparatur jetzt das Tor aktivieren. Es sei denn …“ Er senkte düster den Blick. „Natürlich. Ich weiß, warum es nicht aufgeht.“ „Und zwar?“ „Es gibt noch eine andere Rookie-Serum-Karte. Es gibt zwei Karten von Gomamon, und noch eine, auf der Agumon ist.“ Taneo horchte auf. „Bist du sicher? Woher willst du das wissen?“ „Als Myotismon damals in die Reale Welt gereist ist, hat es nur neun Karten gehabt. Wir haben von Gennai zehn Karten bekommen, und Tai hat zwischen Agumon und Gomamon entschieden. Oikawa hat später, glaube ich, Agumon statt Gomamon verwendet und ist in die Welt gekommen, in der Myotismon sich später versteckt hat, also ist Agumons Karte genauso gültig wie die anderen auch. Wahrscheinlich brauchen wir sie, damit der Apparat anschlägt.“ „Toll. Sag mir, dass du weißt, wo sie ist, und wir nicht den ganzen Kampf umsonst veranstaltet haben.“ Taneo tippte ungeduldig mit den Fingern auf seinen verschränkten Armen herum. Eine Bild stieg aus T.K.s Erinnerung auf wie eine Luftblase in einem See. Das verschneite Feriencamp, die grenzenlose Erleichterung, wieder zuhause zu sein … Koromon, das Tai fragte: Warum hast du nicht meine Karte genommen? Und Tai, der scherzhaft antwortete: Die wollte ich als Souvenir behalten. „Tai muss sie noch haben“, sagte er. „Aber er hat sie sicher irgendwo bei sich zuhause – ich muss in die Reale Welt.“ Taneo schnaubte. „Haben wir ein Glück, dass ich mein Tablet dabei habe.“ Er fischte das kleine Gerät aus einer Tasche seines weiten Mantels, reaktivierte es und stellte es auf den Marmorboden. T.K. musste lächeln. „Also zu meiner Zeit hat man die DigiWelt noch über Fernseher verlassen.“ „Wo willst du hin?“ „Mach mir ein Tor nach Odaiba auf.“ Taneo tippte auf dem Touchpad herum. „Fertig. Lass dir nicht zu lange Zeit.“ „Ich bin gleich wieder da.“ T.K. hielt Akis DigiVice hoch. „Öffne dich!“ Eine Sekunde später wurde er in den kleinen Bildschirm gesaugt, während Taneo und Angemon im Thronsaal der Finsterzitadelle blieben. Tokio, Japan Montag, 3. September 2007 23:54 Uhr Er wurde aus einem Computer geschleudert, der in einer maroden Garage stand. T.K. fragte sich, ob die Dunklen sich immer hier materialisiert hatten. Er trat auf die Straße hinaus. Es waren kaum noch Autos untwegs, aber er sollte wohl ein Taxi bekommen … da fiel ihm auf, welche Sachen er anhatte. Ein dunkler Umhang und ein Schwert auf dem Rücken waren vielleicht nichts, was er der Öffentlichkeit zumuten sollte. Als er ein Pärchen sah, das Arm in Arm die Straße herunterkam, duckte er sich hinter einen Müllcontainer. Ohne ein Fortbewegungsmittel war er aufgeschmissen. In dem Moment hätte er sich am liebsten gegen die Stirn geklatscht. Als ob er ein Auto bräuchte! Er schlich durch die von Straßenlaternen erhellte Stadt, um sich zu orientieren. Alles hier sah so vertraut aus, das An- und Abschwellen von fernen Motoren, die kühle Nachtluft, das warme Leuchten der Laternen … Wie lange war er jetzt schon nicht mehr in dieser Welt gewesen? Genau einen Monat, sagte er sich. Er schüttelte den Gedanken ab. Das zählte jetzt nichts mehr. Nachdem er wusste, wo er war, rief der Myotismons Fledermäuse, und genau wie das Digimon vor acht Jahren ließ er sich von ihnen über den Nachthimmel tragen, sodass er von unten nur ein träger Schemen war, wie eine Wolke, die sich vor die Sterne schob. In der Nähe von dem Apartmenthaus, in dem Tais Familie ihre Wohnung besaß, ließ er sich sanft zu Boden sinken. Er ging die Stufen bis zu der Wohnungstür hinauf, als er sah, dass jemand direkt davorstand. Schon wollte er kehrtmachen und sich verstecken, aber die Person hatte ihn nicht nur gesehen, sondern offenbar auch gleich erkannt. „Hey, hallo!“ Niemand anders als Davis‘ ältere Schwester Jun lief nun auf ihn zu und strahlte übers ganze Gesicht. Ausgerechnet! Wie viel Pech konnte man haben? „Du bist doch Matts süßer kleiner Bruder! Was machst du denn hier?“ T.K. sah verlegen in ihr gut gelauntes Gesicht. Das kirschrote Haar stand immer noch in alle Richtungen ab. Soweit er wusste, hatte Jun an Joes älterem Bruder ebenso schnell das Interesse verloren, wie es geweckt worden war, und war in letzter Zeit von einer kurzlebigen Beziehung in die nächste gestolpert. Einzelheiten hatte Davis nie erzählt, nur, wie sehr in das doch alles nerve. Davis. Der Junge, der jetzt bewusstlos in der Finsterzitadelle lag. Ob Taneo die Gelegenheit nutzen würde, ihn umzubringen? „Hallo? Ist irgendwas?“, weckte ihn Juns hohe Stimme aus seinen Gedanken. „Äh, nein, nichts. Aber was machst du denn hier, mitten in der Nacht?“ Sie blies beleidigt die Backen auf. „Na hör mal, ihr seid ja alle schon eine Ewigkeit weg. Davis hat gesagt, dass ihr campen fahrt, aber einen ganzen Monat … Unsere Eltern sind schon ganz aus dem Häuschen, sag ihm das, wenn du ihn siehst. Ich hab sie gerade noch von einer Vermisstenanzeige abhalten können, weil es wahrscheinlich wieder was mit Digimon zu tun hat, stimmt’s? Ach ja, und ich war gerade in der Nähe und dachte, ich schau mal bei Tai vorbei. Vielleicht weiß er ja, wo Davis steckt, aber es macht niemand auf.“ Dann waren Tais Eltern wohl gerade nicht zuhause, das war gut. Kari war tot in der DigiWelt begraben, und Tai war schwer verletzt gewesen, als er ihn das letzte Mal gesehen hatte. Nachdem Juns Wortfluss endlich versiegte, sagte T.K: „Das ist ja ein Zufall, ich suche ihn nämlich auch gerade.“ Juns Miene wurde mutlos. „Ihr wart also nicht beisammen?“ „Doch, schon, aber nur für unseren Campingurlaub. Er hat ein wenig länger gedauert, als geplant“, schwindelte er. „Wir wollten alle noch zu einer Party gehen.“ „Eine Party?“ T.K. versuchte vergeblich an ihrer Stimme festzustellen, ob diese Behauptung jetzt ein Riesenfehler gewesen war, der sie unrettbar an ihn kleben würde. „Ja, zum Abschluss unseres Urlaubs, aber ich … Ich weiß nicht, wo genau sie steigen soll. Ein Fußballfreund von Tai organisiert sie, darum bin ich hier.“ „Ach so.“ Jun wirkte nicht überzeugt, aber das war T.K. im Grunde ja egal. Sie sollte einfach von hier verschwinden! Jetzt erst bemerkte sie seinen Umhang. „Was ist das für ein Aufzug? Kommst du gerade von einer Anime-Convention?“ „Äh, ja, genau.“ T.K. kratzte sich verlegen am Hinterkopf und versteckte die verletzte Hand hinter seinem Rücken. Wie lange würde er noch den harmlosen Jungen spielen müssen? „Hat ein wenig länger gedauert, als sie sollte. Naja, die anderen sind sicher schon auf dieser Party, ich werde mal nach Hause gehen und meine E-Mails checken, vielleicht hat mir ja einer geschrieben. Also, mach’s gut!“ Er drehte sich um und wollte die Treppe hinunterlaufen, aber Jun hielt ihn zurück. „Moment.“ „Ja …?“ T.K. überlegte schon, was er tun sollte, wenn sie nicht locker ließ, aber da sagte sie nur: „Sag Davis, er soll sofort nach Hause kommen, wenn ihr fertig seid. Wenn er in der DigiWelt wäre, um dort wieder mal den Polizisten raushängen zu lassen, würden unsere Eltern vielleicht ein Auge zudrücken, wenn er nicht zur Schule geht, aber wenn ihr nur Party und Urlaub macht, gibt’s Stunk!“ Was für eine pflichtbewusste Familie. „Ich sag’s ihm“, versprach T.K. „Gut. Und grüß Matt von mir, ja?“ Jun zwinkerte und begleitete ihn dann noch die Treppe runter. Sie verabschiedeten sich überschwänglich und das Mädchen machte sich auf den Weg. T.K. ging in die andere Richtung und wartete hinter der nächsten Hausmauer, bis er sicher war, dass sie fort war. Dann schlich er auf leisen Sohlen zu Tais Wohnung zurück. Es war also niemand zu Hause? Bestens. Er streckte die Hand aus und schlug mit einer Albtraumkralle das Schloss aus der Tür, dann zertrennte er die Sicherheitskette und trat ein. Aus der Hausapotheke klaute er einen sauberen Verband und bandagierte seine linke Hand ein. Dann stellte er Tais Zimmer auf den Kopf – wie konnte er nur in so einer Unordnung leben? – und wurde in einem Wandschrank, ganz hinten, von Fußballpokalen und alten Zeitschriften versteckt, fündig. Triumphierend hob er die verstaubte Karte mit Agumons Abbild hoch. Kurzerhand ging er in das Arbeitszimmer von Tais Vater, startete den PC und öffnete mit seinem neuen DigiVice das Tor zur Finsterzitadelle. Finsterzitadelle, DigiWelt Dienstag, 4. September 2007 0:35 Uhr „Na endlich“, sagte Taneo ungeduldig. „Hast du sie?“ Zum Beweis hielt T.K. die Karte hoch. „Gut. Dann gib her.“ Er schnappte sich die Karte aus T.K.s Fingern und legte sie an Gomamons Stelle. Summend tasteten die Blitze über die Kartenkombination, dann gab die Apparatur ein Rattern von sich, das auf das Tor übergriff – und mit lautem Knarren öffneten sich schwerfällig die gigantischen metallenen Torflügel. T.K. hielt die Luft an. Es ging tatsächlich auf! Alles Licht schien aus dem Thronsaal zu verschwinden; nur noch aus dem Tor drang schummrige Helligkeit. Kreisförmige Wellen zogen sich über das Licht hinter dem Tor, das lange Schatten in die Halle warf. Sonst war nichts zu sehen. So sah es also hinter MagnaAngemons Himmelstor aus? „Es ist soweit“, flüsterte Taneo zufrieden. Er starrte einen Moment begeistert in das wabernde Licht, dann fand er mit einem Ruck seine Geschäftigkeit wieder. „Okay, hör zu. Sobald Piedmon da ist, bringen wir es dazu, seine Schwerter auf uns zu werfen. Ich habe eine Attacke gespeichert, die uns schützen wird.“ „Wenn du Piedmons Schwerter zerstörst, erscheinen sie wieder an seinem Rücken“, warnte ihn T.K. „Das hab ich vermutet. Es wird klappen. Senpai, sobald wir die Schwerter haben, muss MagnaAngemon Piedmon wieder in sein Himmelstor verbannen. Ich habe überlegt, ihm die Karten hinterherzuwerfen, aber das ist zu riskant. Wer weiß, ob es nicht auch dort so ein Tor gibt. Also teilen wir uns die Karten auf und verwahren sie gemeinsam, und es kann auf ewig dort versauern.“ „Ein einfacher Plan“, stellte T.K. fest. „Aber wie kriegen wir Piedmon dazu, herauszukommen?“ Noch tat sich gar nichts zwischen den Torflügeln. „Die Welt, die hinter dem Tor liegt, hat ein eigenes Konzept von Raum und Zeit“, sagte MagnaAngemon. „Man wird nicht sehen, ob und wo ein Tor offen ist. Versucht Piedmon zu rufen, vielleicht klappt es.“ T.K. und Taneo sahen sich an. „Einen Versuch ist es wert“, sagte T.K. Taneo nickte. Mit lauter Stimme riefen sie beide: „Piedmon!“ Und das Licht, das durch das Tor fiel, veränderte sich, und der Schatten einer einzelnen, winzig erscheinenden Gestalt fiel in den Thronsaal. „Das dauert ja ewig!“, stöhnte Yolei. Sie waren wieder im Hauptgang und Digmon versuchte, sich einen Weg durch die Trümmer zu bohren. „Da drin kann mittlerweile sonstwas im Gange sein!“ „Davon, dass du dich beschwerst, geht’s auch nicht schneller“, sagte Cody gereizt. Gennai hatte sich wieder in sein Mekanorimon gesetzt und half mit, Stein zu schmelzen und Trümmer mit den Pranken des Maschinendigimons aus dem Weg zu räumen. „Wir können leider nichts anderes tun als geduldig zu sein“, sagte Matt und musterte den riesigen Schutthaufen mutlos. T.K. fühlte sich wie in der Zeit zurückversetzt. Als er die Schritte auf dem Steinboden hörte, den schlanken Körper des Clowns auf sich zukommen sah, einen Fuß vor den anderen setzend, ruhig, umständlich in seinen Pluderhosen, da dachte er an den Tag vor acht Jahren, als er ihnen auf der Spitze des Spiralsbergs entgegengekommen war, gelassen, und wie ein endgültiger Geschmack auf T.K.s Zunge gelegen war. So fühlte er auch heute die eisigen Nadeln, die die Angst über seinen Rücken sandte, als Piedmon in der völligen Stille aus dem Tor in die DigiWelt trat. Reiß dich zusammen, sagte er sich. Piedmon blieb stehen und das einzige Geräusch, das die Halle erfüllt hatte, erstarb. Es sah anders aus, als T.K. es in Erinnerung gehabt hatte. Nicht so furchterregend, nicht so groß. Aber in seinen Augen lag eindeutig ein anderer Ausdruck als damals. Immer noch funkelten sie vor Boshaftigtkeit, aber sie schienen trübe zu sein, müde. Alt. „Na sieh mal einer an“, durchschnitt Piedmons Stimme die Stille. Genau, das war seine Stimme gewesen, kein Zweifel. Nie würde er sie vergessen. Aus seinen ungewohnten, alten Augen musterte das Digimon Taneo, den am Boden liegenden Davis und schließlich T.K. „Tausend Jahre sind vergangen, und ich habe diesen schicksalhaften Tag immer noch in Erinnerung, als wäre er gestern gewesen. Und jetzt, wo mich endlich wieder jemand in die DigiWelt gerufen hat, erkenne ich das Gesicht wieder, das mich damals verbannt hat.“ Seine Augen brannten sich in T.K.s. Den anderen schien das Digimon gar keine Beachtung zu schenken, aber es hatte ihn erkannt. Tausend Jahre? Wie war das möglich? Beim schneidenden Klang seiner Stimme fühlte T.K. eine längst vergessen geglaubte Angst in sich aufsteigen. Er sah sich noch einmal vor Piedmon fliehen, panisch, während es einen seiner Freunde nach dem anderen in Schlüsselanhänger verwandelte. Dann fielen sie. Und fielen und fielen und fielen … Er gab sich innerlich einen Ruck, würgte den Gedanken entschlossen ab. Er war nicht mehr das Kind von damals! Er war stärker geworden – viel stärker! „Schön, dass du dich an mich erinnerst, Piedmon“, sagte er bewusst lässig. „Fällt dir etwas auf? Ich habe jetzt alles, was einmal dir gehört hat. Ich habe dein Schwert, deine Vilemon und deine Albtraumsoldaten, und mir gehört der Thron über die DigiWelt.“ „Wie nett von dir, ihn mir warmzuhalten“, sagte Piedmon höhnisch. „Wie ich sehe, hast du neue Spielkameraden gefunden, mein Kleiner.“ „Du siehst hier die DigiRitter aus drei verschiedenen Generationen“, sagte T.K. und deutete auf sich selbst, Taneo, der stumm neben ihm stand, und Davis. „Ist das so? Ihr wart schon immer ein jämmerlicher Haufen, aber das …“ Piedmon lächelte schmal. „Dann werde ich mich wohl besser an die Arbeit machen. Trumpfkarte!“ Es wirbelte herum, riss seine drei verbleibenden Schwerter aus den Scheiden und schleuderte sie auf T.K. und Taneo. „Jetzt!“, schrie T.K. Taneo streckte die Hände aus. Sein DigiVice glühte grünlich auf und mit blauen Flammen bedeckte Ketten schossen zwischen seinen Fingern hervor wie lebendige Krallen, fingen die herannahenden Schwerter ab und verflochten sie in ein Netz aus Stahl und Feuer. Taneo holte die Ketten wieder ein; sie klimperten mit den Schwertern zu Boden. Piedmon zischte abfällig. „Dann versteckt ihr also noch irgendwo hier Digimon? Dieses Spiel könnte interessant sein.“ MagnaAngemon landete vor ihm. „Ich bin dein Gegner!“, proklamierte es. „Wie du willst. Diesmal wirst du nicht so viel Glück haben.“ Piedmon formte mit seinen Händen eine Pistole. „Nein, du wirst nicht so viel Glück haben!“ T.K. war hinter es gelaufen und zapfte Akis DigiVice an. Rot glühende Albtraumkrallen quollen aus seinen Händen wie dunkle Flammen. Piedmon starrte ihn an. „Wie kann das sein?“, rief es, als er auch schon angriff. Die roten Peitschen schlugen auf Piedmons Schultern und ließen es ächzend in die Knie gehen. Von vorn flog MagnaAngemon heran und schlitzte Piedmons Seite mit seinem Schwert auf. Der Meister der Dunkelheit schrie auf, doch es klang eher wütend. T.K. fuhr seine Geisterkralle aus, schloss sie um Piedmons Wespentaille und zog sich zu ihm heran. Im Sprung riss er sein Schwert aus der Schlaufe und rammte es in Piedmons Brust. Das Clowndigimon starrte ihn ungläubig aus geweiteten Augen an. „Unmöglich“, sagte es. „Wie kann ein Mensch … Mein eigenes Schwert … Ich bin doch eben erst wieder frei geworden!“ Piedmon stieß einen wütenden Schrei aus, dann löste es sich in Daten auf. T.K. atmete tief durch. Er hatte für einen Moment befürchtet, es gäbe in seinem Repertoire keine Attacke, die es besiegen konnte, aber Piedmons eigenes Schwert hatte seinen Untergang besiegeln können. Einen Sekundenbruchteil nach dem Meister der Dunkelheit zerbarst auch das Schwert in seiner Hand zu Datenstaub, und dem Geräusch nach zu urteilen lösten sich auch die Schwerter in Taneos Kettennetz soeben auf. „Was … hast du getan …“ Taneos Stimme war tonlos, zitterte aber ein wenig. „Du hast es selbst gesagt.“ T.K. scannte Piedmons Daten mit seinem neuen DigiVice, dann drehte er sich um und schenkte Taneo ein Lächeln. „Ich bin ein begnadeter Schauspieler.“ Taneo starrte ungläubig auf die leeren Ketten, ehe er sie verschwinden ließ. „Das war also dein Plan.“ Er stieß ein schrilles Lachen aus. „Respekt, Senpai! Du hast uns alle betrogen, jeden einzelnen in der DigiWelt, du hast alle hinters Licht geführt!“ Das Lachen endete und Taneo murmelte finster, aber wieder seltsam gefasst: „Wie lange hast du das schon geplant?“ „Als dein Anhänger Kari getötet hat, fühlte ich mich innerlich leer“, sagte T.K. „Dann fand ich wieder Mut zu kämpfen. Ich musste etwas tun – ein DigiRitter ist dazu bestimmt, etwas zu tun. Ich habe diesen Plan gefasst, er war meine Hoffnung, für ihn habe ich dann gelebt. Mir war klar, dass bereits zu viel Dunkelheit in dieser Welt war, um den Krieg einfach auf der Seite des Lichts zu gewinnen. Also habe ich ein doppeltes, ein dreifaches Spiel gespielt. Ich habe euch und die Scherben gegeneinander ausgespielt, und nun ist die Macht der Dunkelheit zerbrochen und Piedmon ist entgültig tot. Nie mehr wird man um die Karten kämpfen, das ist vorbei.“ T.K. senkte die Stimme. „Ich wusste, auf was ich mich da einlasse. Wenn ich sterbe, werde ich wohl kaum dorthin kommen, wo Kari ist. Aber ich wollte einfach, dass dieser ganze Irrsinn endet. Und wenn es mein Leben kostet. Dieser ganze verrückte Krieg, der sie mir weggenommen hat, sollte einfach nur vorbei sein. Und wenn ich jeden aus dem Weg räumen muss, der mich daran hindern will. Du weißt, was das für dich heißt, Taneo.“ Taneos Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. „So fühlte sich das also an“, knurrte er leise. „Von jemandem verraten zu werden, dem man vertraut hat.“ „Eine Kunst, die du gut beherrschst, oder?“ „Du verdammter … Du verdammter Mistkerl!“, brüllte der Dunkle. Sein DigiVice erglühte, und ein grüner Energieball wie von einem Etemon erschien in seiner Hand. Wütend schleuderte er ihn auf T.K. Dieser zapfte die soeben gescannten Daten an. „Kartentrick!“ Genau wie Piedmon damals riss er eine Hand hoch, und ein Windstoß, so kräftig, dass der Marmorboden aufbrach, zerriss die Kugel und wehte Taneo von den Füßen. Ächzend und schlitternd landete der Dunkle auf dem harten Boden. T.K. schob das Kinn vor. „Du bist am Ende, Taneo. Du hast es mir selbst gesagt. Ohne Piedmons Schwerter werden die Vier Souveränen weiter erstarken, und wenn sie ihre alte Macht wiederhaben, werden sie dich vernichten. Du hast ja keine Vorstellung davon, wie mächtig sie sind! Mit diesem DigiVice kann ich jetzt zwar die Trumpfkarte beschwören, aber das sind nur Kopien, mit denen man kämpfen kann, aber die sonst keinen Nutzen haben. Oder irre ich mich?“ Er irrte sich nicht, das machte Taneos Knurren deutlich. Mühsam rappelte er sich auf. „Dann habe ich also nur die Wahl, in die Menschenwelt zurückzugehen“, sagte er. „Dort wird mich der Zorn der Souveränen vielleicht nicht erreichen. Aber die Menschenwelt besteht nicht aus Daten, also wird sich mein DigiVice dort auch nicht mehr aufladen.“ T.K. nickte. „Du wirst wieder ein ganz normaler Junge sein. So, wie es sich gehört. Ein Junge, der einen Haufen schlimmer Verbrechen begangen hat.“ Taneos Mundwinkel zuckten. „Ich habe also die Wahl zwischen einem Leben als gewöhnlicher Mensch und dem Tod?“ Sein DigiVice begann zu glühen. „Glaub nicht, dass du mir ungeschoren davonkommst, Takeru! Lichtspeer!“ Ein gleißender Pfeil aus Elektrizität schoss auf T.K. zu. MagnaAngemon sauste heran, packte ihn und flog mit ihm aus der Gefahrenzone. Der Lichtspeer fuhr in einen der Throne und zertrümmerte ihn, sodass spitze Steinchen durch die Halle rieselten. Noch während sie flogen, faltete T.K. die Hände zu einer Pistole. „Zauberschuss!“ Ein Schwall wirbelnder, duchsichtiger Energie verließ seine Fingerspitzen, doch durch MagnaAngemons Bewegung traf er nicht Taneo, sondern nur den Boden neben ihm. Krachend riss der Marmor auf und schleuderte den Dunklen von den Füßen. Ein brunnengroßer Krater reichte meterweit in die Tiefe. „Setz mich ab“, bat er MagnaAngemon, das daraufhin landete. „Ha!“, rief Taneo. „Die Mega-Attacken werden deinen Vorrat an Energie schneller erschöpfen, als dir lieb ist! Koko-Kracher!“ Auf seinem Körper sprossen kleine, vulkanartige Noppen, aus denen er einen rauchenden Kugelhagel auf T.K. losließ. Schwefelgeruch erfüllte die Luft. Mitten durch das Kreuzfeuer hastete er durch den Saal und ging hinter seinem Thron in Deckung. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn. Wie er befürchtet hatte, Taneo hatte einige exotische und gefährliche Attacken drauf. Außerdem war er erschöpft; es war ein langer Tag gewesen, noch bevor er in eine noch längere Nacht übergegangen war. Er würde einige Gänge zurückschrauben müssen. Als das Sperrfeuer aufhörte, holte T.K. tief Luft und sprang aus seinem Versteck. „Kaiserfaust!“ Er schlug einen violetten Energieblitz in Taneos Richtung, der auswich und seinerseits eine Kaiserfaust zurückschoss. Während sie beide seitwärts liefen, schossen sie noch einige Ogremon-Attacken ab, die Risse in den Boden und die Wände des Saals brachen. Als sie beide stehen blieben, riss sich Taneo den Mantel vom Leib, der ihn einengte. Darunter trug er einen sandfarbenen Anzug, wie ihn Regenwaldforscher oft trugen, der außerdem mit Metallstreifen verstärkt war. T.K. schlug mit seiner Albtraumkralle nach Taneo, aber dieser ließ wieder seine brennenden SkullMeramon-Ketten erscheinen, die die Attacke zur Seite schlugen und sich, als hätten sie einen eigenen Willen, um T.K.s Arme und Beine schlangen und ihn hochrissen, um ihn auf einem Meter Höhe in der Luft festzuhalten. Er stöhnte auf, als die blauen Flammen über seine Haut tanzten. Sie brannten gleichzeitig heiß und kalt. „Na, jetzt spuckst du nicht mehr so größe Töne, was?“ Taneos melodische Stimme war vor Wut ganz verzerrt. „Lichtspeer!“ Noch während er die Ketten hielt, rauschte Elektrizität durch sie in T.K.s Körper, der gepeinigt aufschrie. „T.K!“ MagnaAngemon schoss heran, flog dicht über den Ketten hinweg und schlug mit dem Schwert nach Taneo, der knurrend einen Satz zurückmachte. Das violette Schwert zielte auf seine Finger, und er ließ die Ketten los. Ächzend stürzte T.K. zu Boden. Taneo verschaffte sich mit einem wütenden Lichtspeer Luft und drehte sich wieder zu T.K. um. „Jetzt mach ich dich fertig! Panzersteine!“ Dutzende steinerne Stacheln tauchten vor ihm auf und sausten auf T.K. zu, der, noch im Liegen, seine Hand hochriss. Der reißende Windstoß fegte die Stacheln davon, doch diese Mega-Attacke ließ das grüne Licht von Akis DigiVice erlöschen und das Display blinkte rot. „Ha!“, rief Taneo. „Na, hast du heute schon zu viele Attacken eingesetzt?“ Er hob drohend die Hand. MagnaAngemon stellte sich schützend vor T.K, der immer noch am Boden lag. Von dem Sturz taten sämtliche Knochen in seinem Leib weh, doch es schien nichts gebrochen zu sein. „Weißt du, ich konnte diese Attacke hier nicht einsetzen, solange mein DigiVice voll aufgeladen war“, sagte Taneo und kam auf sie zu. „Sie hätte wohl den ganzen verdammten Thronsaal geschmolzen und uns noch dazu! Aber jetzt, wo mir auch langsam die Energie ausgeht, dürfte sie nicht ganz so zerstörerisch sein – gerade richtig, um einen Verräter zu grillen. Sieh gut hin, denn es wird das Letzte sein, was du siehst! Flammeninferno!“ Eine lodernde Stichflamme flackerte aus seiner Hand, tauchte den Thronsaal in blutrotes Licht, dann senkte sich das Feuer auf den Boden und rollte wie eine alles verzehrende Walze heran. MagnaAngemon warf sich herum und nahm T.K. in die Arme. „MagnaAngemon!“, schrie T.K. „Bring dich in Sicherheit!“ „Niemals!“ Schon sah T.K. brennendes Gefieder auf dem Rücken seines Digimon-Partners. „Fällt dir nichts ein, was wir tun könnten?“, rief es. T.K. biss die Zähne zusammen. Das Feuer kreiste sie ein, seine Haut schien von seinem Körper zu blättern. Er hörte, wie zischend der Boden schmolz. Hinter ihnen schlossen sich die Flammen wie eine Flutwelle, die von einem Felsen in der Brandung geteilt wurde, und wucherten in ihre Richtung. Als der tobende Feuersturm vorüber war, stand keiner der drei Throne mehr. Nur noch klobige Haufen geschmolzenen Gesteins waren übrig. Taneo ließ den Arm sinken. Sein DigiVice blinkte rot. Als der Rauch verschwand, sah er gerade noch, wie sich ein geschlossenes Himmelstor in Daten auflöste. Davor lag ein Patamon mit Brandflecken auf dem ganzen Körper. Taneo hob es an den Ohren hoch. „Na, kleines Schweinchen? Hat dein Freund ein Leben in Verbannung dem Feuertod vorgezogen?“ Er schüttelte Patamon durch, bis es die Augen aufschlug. „Ist mir auch recht. Hast du noch ein paar letzte Worte, bevor ich dich zur Hölle schicke?“ Patamon sah ihn aus klaren Augen an, die plötzlich einen grimmigen Ausdruck annehmen. Taneo wollte gerade ob der Entschlossenheit des kleinen Digimons lächeln, als es mit lauter Stimme rief: „T.K!“ Taneos Lächeln erstarb. Er wandte den Blick. In Myotismons Tor, das immer noch offen stand, flackerte das Licht. Ein Schatten tauchte auf, wie schon zuvor. „Du …“, hauchte Taneo. „Ich habe dich ein weiteres Mal ausgetrickst, was?“, sagte T.K, als er aus dem Tor trat. Patamon blies sich auf und schleuderte Taneo einen Schwall Luft ins Gesicht, der ihn taumeln ließ. Zornig schleuderte er das Digimon von sich. T.K. hob die Hand. „Kartentrick!“, schrie er herrisch. „Was?!“ Zu überrascht, um zu reagieren, wurde Taneo von dem Wind von den Füßen gerissen und mit ausgestreckten Gliedern gegen die Wand geschleudert. T.K. ließ Piedmons vier Schwerter vor sich erscheinen. „Trumpfkarte!“ „Das ist unmöglich!“, kreischte Taneo, als sie Schwerter sich direkt neben seinem Gesicht und seiner Hüfte in den Stein bohrten. Seine Kleidung wurde aufgeschlitzt, aber er wurde nicht verletzt. „Du dürfest keine Energie mehr haben!“ Als T.K. lächelnd näherkam, sah Taneo, dass dessen DigiVice wieder leuchtete. „Piedmon hat mich darauf gebracht, als es sagte, es habe Tausend Jahre hinter dem Himmelstor verbracht. Für dich waren es vielleicht zwei Minuten, aber als Patamon mich gerufen hat, war ich schon über sechs Stunden dort!“ Taneos Mund klappte auf. „Du … Das ist doch …“ „Und die Welt dort besteht auch aus Daten“, fuhr T.K. fort und ließ die Schwerter verschwinden. Taneo rührte sich nicht. „Aus vielen verbannten Digimon, die man zwar nicht sieht und mit denen man nicht reden kann, aber das DigiVice hat seine Energie an ihren Daten aufgeladen, wie du siehst.“ Er baute sich vor Taneo auf und faltete die Finger wieder zu Piedmons Pistole. „Aber deine Energie ist aufgebraucht. Das Spiel ist aus, Taneo“, sagte er. „Gib mir dein DigiVice, und ich schicke dich in die Reale Welt zurück.“ Taneo seufzte, löste mit steifen Fingern das DigiVice von seinem Gürtel und legte es vor sich ab. „Du hast nur etwas vergessen, Senpai.“ T.K. zog die Augenbrauen zusammen – und etwas knallte mit voller Wucht in sein Gesicht. Mit einem Aufschrei stolperte er zurück. Knisternd liefen kleine, juckende Blitze über seine Haut. Etwas surrte ihm um die Ohren und traf ihn dann wie eine Kanonenkugel in den Magen. Nach Luft ringend wirbelte herum und gab blind einen Zauberschuss ab. Er sauste weit an Taneo vorbei, traf das Tor zum Thronsaal, verbog die eisernen Torflügel und riss sie aus den Angeln und verschwand krachend und berstend im Gang dahinter. Das Surren war immer noch da, es säuselte um T.K.s Kopf herum wie eine überdimensionale, unsichtbare Mücke, dann schlug etwas seine Hände zur Seite und stieß ihn zu Boden. „T.K! Alles in Ordnung?“ Patamon flatterte heran, doch auch es wurde wie von einem unsichtbaren Hammerschlag mit einem Aufschrei zurückgeschleudert. T.K. spürte etwas an seinem Gürtel zerren und hatte den Eindruck von einer fußballgroßen, dunklen Kugel. Nein, bevor Taneo sein DigiVice bekam, würde er dessen Energie aufbrauchen! Mit einem lauten Wutschrei ließ er den Boden erzittern, als er ihn in einen Tornado aus Wind und Steinbröckchen tauchte. Dann versagte sein DigiVice und blinkte rot, und vor Taneo erschien wie hingezaubert ein kugelförmiges Digimon mit Armen und Beinen und einem Blitz, der auf seinem Kopf prangte wie eine Galeonsfigur. Taneo lachte. „Nein, du hast es nicht vergessen, Senpai, stimmts? Du hast von Anfang an nicht daran gedacht.“ Er öffnete den Reißverschluss seines Anzugs. An einer dünnen Schnur um seinen Hals baumelte ein weiteres DigiVice, das wie ein aufklappbares Handy aussah. Es war dasselbe, das auch Fumiko gehabt hatte. Das DigiVice der letzten DigiRitter. Verdammt, daran hatte er wirklich nicht gedacht! „Ich lasse nicht zu, dass du Taneo weiterhin wehtust!“, sagte das Digimon mit hoher Stimme. „Thunderboltmon“, murmelte T.K. „Es ist so schnell, dass man es nicht sieht … Sag bloß, es ist die ganze Zeit schon um dich herumgeschwirrt?“ Taneo streichelte dem Digimon über den Kopf. „Es ist mein letzter Schutz, wenn alles andere versagt.“ „Taneo, bitte lass mich diesmal gegen ihn kämpfen! Ich werde deine Sache rächen!“, flehte Thunderboltmon. Taneos Stimme wurde weich. „Ich überlasse ihn dir.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)