New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Prolog: Der Geruch der Wüste ---------------------------- Wenn ich aufwache, dringt mir der Geruch in die Nase. Es ist ein heißer, trockener Geruch, der Geruch von glühendem Sand und warmen Felsen, von Sonne und Staub. Aber auch der Geruch von brennendem Metall, von Maschinenöl und Ozon. Und ich fühle wieder den Sand zwischen meinen Fingern, die Wut und Verzweiflung und den Schmerz in meiner Brust. Es ist der Geruch der Niederlage, der Geruch der Wüste. Ich sehe sie vor mir, wie sie mich erwartet, ein weites Grab aus tödlicher Sonne und totem Sand. Wo alles begann. Wo alles endete. Und wo nun von neuem alles beginnt. Ken rückte sein Cape zurecht. Seine Brille lag schwer und unbequem auf seiner Nasenwurzel. Gemächlich glitten seine Finger in die dunklen Handschuhe. Wormmons trippelnde Schritte begleiteten ihn auf dem Weg durch die Dunkelheit. Hinter ihnen glitt die Tür zu seiner Schlafkammer mit einem mechanischen Säuseln zu. Das Licht am Ende des Ganges war gleißend, trotz der getönten Brillengläser stach es in seine Augäpfel. Blinzelnd blieb er auf dem steinernen Erker stehen. Die Wüste erstreckte sich unter ihm, wie er es in Erinnerung hatte. Die Morgensonne ließ selbst die niedrigen Dünen Schatten werfen und tauchte den Sand in blendendes Weiß. Dieselbe Sonne, die seinen Untergang verkündet hatte, wurde nun Zeuge eines neuen Zeitalters. Die einstmals schwebende Festung kauerte nun in der Dünenlandschaft wie ein ägyptisches Königsgrab. Wie ein Kaisergrab. Und wie Obelisken ragten zwei Reihen nachtschwarzer Türme vor ihr in den Himmel. Das Sandfeld dazwischen war mit Digimon übersät, die in ordentlicher Formation der aufwallenden Hitze trotzten. Als sie ihn auf seinem Aussichtspunkt erkannten, brachen sie in Jubelgeschrei aus. „DigimonKaiser! DigimonKaiser!“, brandeten die Rufe aus Hunderten von Kehlen an sein Ohr. Ken lächelte. Kaum ein Zehntel der Digimon trug Schwarze Ringe. - Die Wellen rauschten fast lautlos aus dem Nebel heran. Die Schwaden waren das Hellste an diesem Ort, selbst Karis blasse Hände hatten in dem ungewöhnlichen Dämmerlicht eine graue, ungesunde Farbe angenommen. Es war, als wäre die Luft selbst es, die trüb geworden war. Dem Salzgeruch haftete ein Hauch von Moder an. Algen waren an den Strand gespült worden, wie schwarze, glänzende Schlangen lagen sie dort im feuchten Sand, wurden von jeder weiteren Woge zum Tanzen gebracht. Ruhig umspülten die Wellen Felsen, die im knietiefen Wasser lauerten; kühler Wind trieb sie an den Strand und zerrte an Karis Daunenjacke. Sie hatte sich erinnert, wie kalt es am Meer der Dunkelheit war, und so hatten sie und T.K. warme Kleidung mitgenommen. Niemand wusste schließlich, wie lange sie hierbleiben würden. Die Schatten hier waren so dick, so greifbar wie Gelee. Das grauschwarze Wasser, der bleierne Himmel, der nie eine Sonne gesehen hatte … Ein Gefühl der Verlorenheit drückte schwer auf ihr Herz. T.K. stand neben ihr, das Haar windzerzaust, den Blick starr und grimmig auf das Meer gerichtet. Er war immer noch nicht mit ihrem Entschluss einverstanden, aber alleine lassen konnte er sie nicht. Gatomon und Patamon saßen vor ihnen in dem grauen, nassen Gras. Die Zeit schien ihre Bedeutung zu verlieren, während sie warteten. Als die dunklen Kleckse unter der Wasseroberfläche erschienen, hielt Kari sie zunächst für weitere Schattenspiele, die das schwarze Licht des Leuchtturms verursachte. Dann kamen sie näher, erst zwei, dann vier und schließlich ein Dutzend. Das Wasser perlte an dumpfen, schwarzen Körpern ab, die sich schemenhaft und gemächlich wie dunkle Geister aus den Wogen erhoben. Schweren Schrittes schleppten sich die Kreaturen an Land, gebeugte Schattenwesen mit giftig gelben Schlangenaugen. Das letzte Mal waren sie es gewesen, die sie gerufen hatten. Heute rief Kari sie. Gatomons Ohren zuckten, als das Digimon jede ihrer Bewegungen verfolgte. Patamon schwang sich in die Lüfte, flatterte knapp über T.K. Die Schattenwesen schlurften bis zur Böschung und sahen zu ihnen hoch. Sie schwiegen. Die gesichtslosen, grauschwarzen Körper standen stumm wie unheimliche Statuen und warteten. Kari sammelte sich. „Wisst ihr noch, wer ich bin?“ Ihre Stimme klang in ihren eigenen Ohren fremd, wie sie das regelmäßige Rauschen der Wogen übertönte und den Frieden aus dieser finsteren Welt riss. Die Wellen schlugen gegen die hinteren Wesen, die noch im Wasser standen, und wiegten ihre Körper sanft in der Brandung. „Lange ist es her“, krächzte das erste der schlammigen Untiere. Ja, es war in der Tat lange her – und doch erinnerte sie sich genau an seine Stimme. „Die auserwählte Jungfrau ist zurückgekehrt.“ „Das bin ich.“ Sie warf T.K. einen Seitenblick zu, erhoffte sich eine auffordernde, zustimmende Geste, doch er sah nur stumm geradeaus. „Wie geht es euch? Habt ihr euren Frieden gefunden?“ Gemurmel schwoll an. Der Wind frischte auf, zerrte aggressiv an ihrem Haar, als wollte er Kari zeigen, welcher Art der Frieden wirklich war, der hier herrschte. „Unser Gott ist nicht mehr unter uns“, sagte der Sprecher der Schattenwesen, die Stimme schleppend und gequält. „Unser Ende ist abzusehen. Wenn wir sterben, wird niemand mehr dieses Meer besiedeln.“ „Ihr habt immer noch keine Nachkommen?“ Das Gemurmel wurde lauter, klang zorniger in ihren Ohren. „Seit du, auserwählte Jungfrau, uns abgewiesen hast, warten wir darauf, dass eine neue Prophezeiung uns Hoffnung verheißt.“ „Dann hat das Warten jetzt ein Ende“, verkündete Kari mit fester Stimme. „Ich bin jetzt bereit, euer Angebot anzunehmen. Ich bin bereit, eure Braut zu werden.“ Die Schattenwesen starrten sie aus ihren traurigen Augen an. „Unter einer Bedingung.“ Und der Wind drehte. „Ich hoffe, du weißt, was du tust“, hörte sie T.K. murmeln. Es war nicht das erste Mal, dass er diese Worte in den letzten Tagen gesagt hatte. Die Schattenwesen schienen perplex, denn es dauerte, bis eines der hinteren antwortete: „Deine Worte erfüllen uns mit Freude, erwählte Jungfrau. Mit dir an unserer Seite können wir gewiss das Unheil abwenden, das uns bedroht, und das Überleben unserer Art sichern. Was ist deine Bedingung?“ Nun kam das Entscheidende. Kari trat einen Schritt vor, bis an den Rand der Böschung. Die Wesen hockten wie unförmige Klumpen unter ihr im Schlick. „Wählt einen Anführer. Er muss der Stärkste unter euch sein, der Einflussreichste und der Beliebteste. Jemand, dem ihr alle folgen würdet. Einen König.“ Wenn nur ihre Stimme nicht so zittrig wäre … „Seine Braut werde ich dann sein. Aber bevor wir an … an seine Nachkommen denken, werdet ihr die Wünsche eurer neuen Königin befolgen. Ihr werdet mir folgen.“ T.K.s Miene war mit jedem ihrer Worte finsterer geworden. Er sah aus, als würde er sie am liebsten packen und von diesen Kreaturen fortzerren. Dass er es nicht tat, rechnete sie ihm genauso hoch an wie das zornige Funkeln in seinen Augen. „Wenn das deine Bedingungen sind, werden wir uns dir unterwerfen“, krächzte der Sprecher der Schattenwesen. „Auch wenn es unter uns nicht üblich ist, einen einzigen in den Rang eines Königs zu erheben. Über uns herrscht nur unser Gott. Und unser Gott ist von uns gegangen.“ „Dann werde ich eure neue Göttin sein. Euer Licht“, sagte Kari mit lauter Stimme. Gatomons Blick gab ihr Kraft. „Und ihr werdet mir gehorchen. Erst wenn ihr mir meinen Wunsch erfüllt habt, werde ich euren erfüllen. Bis dahin werdet ihr mir überall hin folgen.“ „Auserwählte Jungfrau“, ertönte eine schleimige Stimme von der anderen Seite des Keils aus Schattenwesen, „was ist dieser Wunsch, von dem du sprichst?“ Kari sog tief die salzige Luft ein. Ihre nächsten Worte taten ihr leid, so unendlich leid, doch sie konnte nicht anders. Sie musste sie aussprechen. Außer den Schattenwesen gab es niemanden, der ihnen helfen konnte. „Wir werden kämpfen. Und wir gehen in eine andere Welt, eine Welt, die mit jedem Tag mehr aus dem Gleichgewicht gerät. Wir werden sie wieder in Ordnung bringen, die auserwählte Jungfrau und die Wesen vom Meer der Dunkelheit.“ Warte auf mich, Tai. Ich bin bald bei dir. Hosted by Animexx e.V. 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