New Reign von UrrSharrador (Wie Game of Thrones, nur mit Digimon. [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 40: Tränen der Freude ----------------------------- Tag 112   „Das hat Willis getan?“ Mimi riss die Augen auf. Yolei nickte bekräftigend. Kabukimon sagte: „Ich kann es bestätigen.“ Sie lagerten auf einem flachen Hügel irgendwo im Nirgendwo. Mimi kannte das Land hier nicht, was aber kein Wunder war. Es war groß und weit und, wenn der Wind durch das lange Gras strich, sicher hübsch – abgesehen davon jedoch sterbenslangweilig. Yolei, Hawkmon, Kabukimon und die Rebellen, die sie begleitet hatten, hatten hier auf den Rest der Truppe gewartet. Zunächst war Mimi verwundert gewesen, dass die kleine Revolvermon-Kompanie der Wissens-Armee, die Michael genauso wie die Handvoll Guardromon als Geleitschutz angefordert hatte, verschwunden war, doch das Erste, was Yolei ihr erzählte, erklärte die Sache. Und es war haarsträubend. „Auf halbem Weg hat er sich dann davongestohlen“, berichtete Yolei aufgebracht. „Er hat gemeint, es wäre ihm egal, was wir über ihn denken, und ist gegangen. Ich weiß nicht, wohin; einfach in die entgegengesetzte Richtung.“ Mimi zerfurchte ihre Stirn. „So ein Feigling“, zischte sie. „Genau so hab ich ihn auch genannt.“ Yolei seufzte. „Und dabei hab ich gedacht, er wäre ein charmanter, edler Ritter …“ Izzys Funkspruch hatte Michael erreicht, als sie bereits einige Tage unterwegs gewesen waren und die Große Ebene zur Hälfte durchquert hatten. Die Reise war anstrengend, aber Mimi war Entbehrungen mittlerweile gewohnt. Außerdem taten die Rebellen, die eine beachtliche Zahl von über hundert Digimon erreicht hatten, alles, um es ihr so bequem wie möglich zu machen – manchmal zu viel des Guten für ihr, wie sie fand, geläutertes Gemüt. Aber die vielen Digimon brachten so viel Abwechslung in die fade Landschaft, wie nur irgend möglich war. Als Michael ihr die ungeheuerliche Nachricht überbracht hatte, war sie ganz aus dem Häuschen gewesen. Der DigimonKaiser, ihr Todfeind, war wohl von seiner eigenen Verbündeten verraten worden. Geschah ihm recht! Er befand sich auf der Flucht in der Wüste, hatte es geheißen, irgendwo dort, wo sich Michael zufolge Willis aufhielt. Yolei hatte die zündende Idee gehabt, den Kaiser zu fangen zu versuchen und ihn bei Königin Nadine gegen Matt einzutauschen. Ob Freund oder Feind, der Tyrann war überall viel wert. Nach einigen Versuchen hatte Michael Willis erreicht, der ihm versprochen hatte, zu tun, was er konnte. Das war nun etwa vier Tage her. Seitdem hatten sie nichts von ihm gehört. Und nun so was! Mimi tat es nicht leid um den DigimonKaiser, zumindest redete sie sich das ein. Schließlich hatte er ihr Leben zerstört und sie hatte allen Grund, ihn zu hassen. Sie spürte, dass sie nicht ehrlich zu sich selbst war, wenn sie den Tod eines anderen Menschen nicht bedauerte, aber sie fand, allein das zu denken, sagte schon eine Menge über ihre Gefühle aus. Was sie wirklich kochen ließ, was die Frechheit, mit der Willis sie verraten hatte. Er hatte den DigimonKaiser gefangen und kein Wort darüber verloren. Schlimmer, obwohl er wusste, wie wichtig er für sie war, hatte er ihn auf eigene Faust töten wollen! Derselbe Willis, der ihr Honig ums Maul geschmiert, der sie und Yolei gerettet und sich immer galant und ehrbar gegeben hatte! Wie hatte sie sich nur so in ihm täuschen können? „Er braucht sich nie wieder bei uns blicken zu lassen“, zischte sie. „Du kannst ihm das sagen, Michael.“ Der zweite Ritter hatte schweigend, aber betroffen zugehört. Ihm schien das alles sehr unangenehm zu sein, aber allzu überrascht wirkte er nicht. „Diese ganze Sache beweist doch nur, dass man den Rittern der Konföderation nicht trauen kann. Oder überhaupt der Konföderation selbst“, sagte Kabukimon und bedachte ihn mit einem stechenden Blick. „Michael hat nichts davon gewusst“, sprang Mimi dem Ritter sofort bei. „Er steckte garantiert nicht mit ihm unter einer Decke. Sonst hätten wir es gemerkt. Nicht wahr? Sag doch auch was dazu!“ „Ich wusste, dass er den DigimonKaiser hasst“, meinte Michael mit belegter Stimme. „Aber dass er so weit gehen würde … Ich werde darüber Bericht erstatten, auch wenn es mir nicht leichtfällt. Willis hat allerdings nicht direkt einen Befehl der Basis missachtet, also …“ „Aber er hat seine Ehre als Ritter beschmutzt!“, ereiferte sich Mimi. „Das gehört bestraft!“ „Ich werde es melden“, sagte Michael bestimmt. „Ich verspreche es dir. Einstweilen können wir nichts tun, als unseren Plan weiterzuverfolgen.“ Kabukimon verschränkte die Arme. „Ihr solltet besser nichts tun, was unser Misstrauen erregt, Sir.“ „Lass ihn in Ruhe, Kabukimon“, befahl Mimi unwirsch. „Wir Ihr wünscht“, sagte das Digimon gedehnt. „Und wir ziehen weiter. Ich kann diese ewige Graslandschaft nicht mehr sehen.“     Yolei kam nicht umhin, sich einmal mehr über Mimis Verhältnis zu Michael zu wundern. Schon wieder hatte sich etwas zwischen den beiden verändert, wieder, als sie nicht dabei gewesen war. Plötzlich duzte Mimi ihn wieder und sprang für ihn in die Bresche. Außerdem glaubte sie, verstohlene Blicke zu bemerken, die die beiden einander zuwarfen. Während sie so hinter ihnen durch das Gras stapfte und eigentlich die Augen nach Feinden offenhalten sollte, befiel sie leichter Neid. Aufmerksam lauschte sie ihren Gesprächen. Michael schaffte es sogar, Mimi zum Lachen zu bringen. Das Eis zwischen ihnen schien jedenfalls wieder geschmolzen zu sein. Wenn Kabukimon sich an ihrem Gespräch beteiligte, änderte sich die Stimmung. Das Digimon und Michael sprachen nie direkt miteinander, kam es Yolei vor, nur jeder jeweils mit Mimi, und der andere antwortete wieder an Mimi gerichtet. Meist ging es um die bevorstehende Operation. Ohne den DigimonKaiser werde es vielleicht einfacher, meinte Michael. Kabukimon beharrte, die Schwarze Rose wäre auch nicht zu unterschätzen, und die Wissens-Armee solle doch mehr Informationen über sie preisgeben, woraufhin Michael alles erzählte, was er über die Königin der Felsenklaue wusste. Diese Dreiergespräche schienen sehr anstrengend für Mimi zu sein. Selbst Palmon und Betamon hielten sich heraus – und diese beiden verstanden sich wiederum prächtig zu zweit. „Sag mal, Hawkmon“, begann Yolei irgendwann, sich ihre Last von der Seele zu reden. „Denkst du, ich bin eifersüchtig?“ „Eifersüchtig? Auf wen?“, fragte Hawkmon ehrlich. „Naja, du weißt schon …“, meinte sie mit gesenkter Stimme. „Auf Mimi und Michael.“ Hawkmon blinzelte. „Wieso solltest du auf sie eifersüchtig sein?“ Yolei seufzte tief. „Ich bin doch nur das fünfte Rad am Wagen.“ „Das musst du mir jetzt erklären.“ „Ach, Himmel, wie kann man so schwer von Begriff sein?“, stöhnte Yolei und raufte sich die Haare. „Sieh dir Palmon und Betamon an!“, rief sie lauter, als sie wollte. Hoffentlich hatten sie sie nicht gehört. „Kommst du da nicht auch ins Grübeln?“ „Ich weiß nicht, was du meinst“, beteuerte Hawkmon reuevoll. Nach einem weiteren Stoßseufzer gab Yolei auf. Vielleicht machte sie sich einfach zu viele Gedanken. Mimi war die Prinzessin, Michael der Ritter. Natürlich hatten sie viel zu bereden und mussten einander nahestehen. Andererseits war Mimi schon verheiratet. Ob sie das vergessen hatte? Yolei fand es unfair. Ihre beiden Bewerber damals wären nichts für sie gewesen; Yolei mochte lieber gebildete Männer, die sich auch ausdrücken konnten. Die Ritter der Wissens-Armee waren von einem anderen Schlag – nur hatte sich der eine als Verräter und Feigling entpuppt und der andere machte Mimi schöne Augen. „Du wirkst, als hättest du Kummer.“ Yolei seufzte wieder. „Ach, was soll ich nur machen …“ Da zuckte sie zusammen. Kabukimon war neben sie getreten, ohne dass sie es gemerkt hatte. Ausgerechnet! „Kummer ist etwas für Friedenszeiten“, sagte das Digimon. „Lass dich nicht von deinen Aufgaben ablenken.“ „Jaja“, murmelte sie. Dieses Digimon war das Letzte, mit dem sie über dieses Thema sprechen wollte. „Wir kommen gut voran. Das Band ist nicht mehr fern. Das verdanken wir zum Teil deiner Entschlossenheit.“ „Zuviel der Ehre“, murmelte sie. Immer noch hatte sie ein schlechtes Gewissen, Kabukimons Lüge über Karatenmon unterstützt zu haben. „Du wärst sicher eine gute Anführerin“, fand das Digimon. „Du weißt, wie schwierig es oft ist, das Richtige zu tun.“ „Danke.“ Ob es das Richtige ist, weiß ich leider nicht.     Agumon schien es nicht gutzugehen. Das war das Erste, das Sora neben ihrer eigenen Zerschlagenheit an diesem Morgen bemerkte. Die Sonne stieg erst über den Horizont, und selbst als sie aus der verkehrten Pyramide ins Freie traten, war die Temperatur in der Kaktuswüste annehmbar. Datamon erwartete sie, und sogar König Takashi war da, um sie zu verabschieden. „Grüßt König Leomon von mir“, sagte er. „Meine besten Empfehlungen, ja?“ Tai nickte nur. Sora wusste nicht, wie sie den Einhornkönig einschätzen sollte. Sie war sich ziemlich sicher, dass es ihm gefiele, wenn er bei Leomon, das sie nur vom Hörensagen kannte, einen Stein im Brett hätte. Vermutlich half er ihnen allein deswegen. So stellte sie sich Diplomatie und Politik in diesem Teil der DigiWelt vor. Andererseits – wer war sie, dass sie ihn deswegen verurteilen durfte? Datamon öffnete die Klappe des Wagens und erklärte ihnen die geplante Reiseroute. Man würde sie nach Norden durch die Wüste bringen, durch den Trugwald, den sie erst vor drei Tagen durchquert hatten, und dann weiter bis zur Blütenstadt, wenn sie bis dahin nicht ohnehin von befreundeten Truppen gefunden wurden. Sora fragte sich, warum der König überhaupt diesen Aufwand getrieben hatte, sie für diese kurze Unterredung extra ins Herz der Wüste zu bringen, wenn er sie ohnehin wieder denselben Weg zurückschickte. War es ihm das wert gewesen, wenn er dafür mit einem berühmten Vasallen des Löwenkönigs hatte sprechen dürfen? Und durfte Sora sich überhaupt einbilden, verstehen zu können, wie richtige Könige dachten? Nach einigen hohlen Floskeln und Grüßen König Takashis wurde die Außenklappe wieder vorgelegt und die Fahrt begann. Das Monochromon legte ein ordentliches Tempo vor, das war selbst im Inneren des Wagens zu spüren. Sora setzte sich auf einen der Sessel. Immerhin hatten sie keine unsaubere Giromon-Begleitung wie beim letzten Mal. Dafür waren ihre Reisegefährten ungewöhnlich wortkarg. Sie war sich sicher, dass Agumon krank war. Es war, bedachte man seine normale Hautfarbe, blass, blinzelte ständig aus tränenden Augen, und schien am liebsten schlafen zu wollen. Vielleicht hatte ihm die Verpflegung nicht gutgetan. König Takashi hatte sie mit für einen König äußerst einfachen, aber bekömmlichen Speisen bewirten lassen, aber vielleicht hatte das reiche Essen trotzdem auf den ausgezehrten Magen des Digimon geschlagen. Es sprach kaum ein Wort und schien auch wenig von seiner Umgebung mitzubekommen. Sora hatte Mitleid mit Agumon, obwohl es lange Zeit keinen Hehl aus seiner Abneigung ihr gegenüber gemacht hatte. Tai schien ebenfalls nicht ganz bei sich zu sein. Sein heiles Auge trug einen glasigen Blick zur Schau, und er bewegte sich auch ein wenig unbeholfen, als wäre er betrunken. In ihren Einzelzimmern, in denen man sie einquartiert hatte, hatte es gut ausgestattete Minibars gegeben, mit allerlei Getränken mit kaum spürbarem bis hin zu regelrecht vernichtendem Alkoholgehalt. Wahrscheinlich hatte er sich daran gütlich getan, um den Schmerz in seinem Auge zu betäuben. Sora selbst war ebenfalls nicht auf der Höhe. Sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan; nicht weil sie es nicht gekonnt hätte oder weil sie nicht müde gewesen wäre. Sie hatte es sich verboten, aus Angst vor MetallPhantomon. Sie war sich ziemlich sicher, dass ihr ehemaliger Untergebener sie wieder in ihren Träumen heimsuchen würde, wenn sie es zuließ, dass ihr Geist des Nachts auf Wanderschaft ging. Und sie hatte das Gefühl, dass das Digimon dann Stücke aus ihrer ohnehin wunden Seele brechen würde, die sie nie zurückbekommen könnte. So hing jeder der drei seinen Gedanken nach, während der Wagen des Einhornkönigs sie allmählich wieder in Tais und Agumons Heimat beförderte. Um sich wachzuhalten, versuchte sie ein Gespräch in Gang zu bringen, doch ihre Stimme war leise und heiser. „Was haltet ihr eigentlich von König Takashi? Wenn ihr ihn mit Leomon vergleicht?“ Agumon grummelte nur etwas; anscheinend war es eingeschlafen. Tai saß eine Weile mit leerem Blick auf seinem Sessel, ehe er sie ansah, und dann dauerte es wieder ein paar Sekunden, bevor er mit schleppender Stimme antwortete. „Egal, was die Leute über ihn sagen, wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet. Wir sollten das nicht vergessen.“ Sora nickte. Sie endlich in die Freiheit zu entlassen – sie hoffte doch stark, dass diese Reise keine groß aufgezogene Finte war und sie in Wahrheit in einen ganz anderen Winkel der DigiWelt führen würde – war eine große Geste, Bündnis hin oder her. Sie selbst jedenfalls hätte das, als Königin, wohl nicht gestattet. Wahrscheinlich hätte sie ihre Gefangenen ohne Grund festgehalten, bis sie vergessen hatte, dass es sie überhaupt gab. Mutlos zog sie die Beine auf den Sessel, damit sie sie mit den Armen umklammern konnte. Wohin es auch geht, ich muss damit zufrieden sein, wenn ich nicht wieder den Verstand verliere, dachte sie bei sich. Hoffentlich schlafe ich nicht ein.     Tag 116   Sollten sie ihm doch alle gestohlen bleiben. Mimi mit ihren heuchlerischen Idealen, die nervende Yolei und der DigimonKaiser sowieso. Er hatte seine beiden Digimon – was brauchte er noch? Willis hatte das Tal auf Anhieb wiedergefunden, obwohl ihn der Lichtschein nicht leiten konnte; die schroffen, braunen Felswände schotteten ihn vor dem Rest der Welt ab. Über eine gefährlich schwankende Hängebrüche, dann nach links: Hier war der Ort. Der Glitzerpunkt, an dem er einst sein Goldenes DigiArmorEi bekommen hatte, zu der Zeit, als er auf der Flucht vor seinem eigenen Digimon durch die DigiWelt geirrt war. Wenn es einen Digimon-Gott gab, dann zeigte er sich hier. Lopmon ging es wieder gut, zum Glück. Es hatte sich reuevoll gezeigt, weil es ihm Schwierigkeiten bereitet hatte – aber sie hatten sich auch ausgesprochen. Es wollte den DigimonKaiser nicht töten; das konnte er nicht verstehen, aber er würde es akzeptieren. Was dagegen keiner von den dreien hinnehmen wollte, war ihre Ohnmacht. Ohne das ArmorEi konnten sie in den vom DigimonKaiser besetzten Gebieten wenig ausrichten. Die Digimonzwillinge könnten noch so weit digitieren, ein einziger Schwarzer Turm würde ihnen alle Kräfte rauben. Als Willis auf den Lichtfunken zuging, der in allen Farben des Rebenbogens schillerte, fühlte er die angenehme Wärme in seinen Fingern kribbeln. Lopmon und Terriermon trippelten andächtig neben ihm. Das Licht forderte Willis geradezu auf, es zu berühren. Er kniete nieder und streckte seine Hand aus. Und das Licht, der Digimon-Gott oder was immer es war, reagierte. Ein Lächeln stahl sich auf Willis‘ Lippen, als er kühles Metall in Händen spürte. Langsam, um den wunderbaren Moment auszukosten, zog er sein ArmorEi aus dem Licht, das Goldene DigiArmorEi des Schicksals. Genau das waren sie für einander: Schicksal. Dieses Ding, das Terriermon zu Rapidmon digitieren ließ, war an Willis gebunden. Dieser dumme, ignorante DigimonKaiser. Er scheint nicht zu wissen, dass sich ein Goldenes DigiArmorEi seinen Besitzer stets selbst aussucht.     Tag 118   Der Wind trieb kleine Sandkörner mit sich, als er Ken wieder einmal diesen Geruch in die Nase wehte. Er hasste den Geruch der Wüste mittlerweile. Nicht, weil er nach Niederlage stank. Sondern nach Verrat. Und nach der Verantwortung, die er sich wieder auf die Schultern gelegt hatte. Die Haarsträhne schoss aus Arukenimons Hand wie eine silberne Nadel, teilte sich im Flug. Die einzelnen Haare bohrten sich in die Schwarzen Türme, von denen es in der Nähe der Festung immer mehr gab. Der schwarze Stein schmolz, verformte sich und fügte ihrer Truppe vier weitere schlagkräftige Streiter hinzu. Noch waren sie niemandem aufgefallen. Ken wusste nicht, zu welchem Grad Nadine die Überwachungssysteme repariert hatte, aber zumindest eines hatte er vorausgesehen: Sie zollte einigen wenigen Digimon und Menschen, die in die Kaiserwüste marschierten, keinerlei Beachtung. Vermutlich waren in den letzten Tagen zahllose kleine Truppen hereinspaziert, auf der Suche nach einem leicht zu fangenden DigimonKaiser. Das kam Ken nun zugute. Er war froh, einen intelligenten Gegner wie Nadine zu haben. In jedem anderen Fall wären sämtliche Überlegungen und Strategien ein reines Rätselraten gewesen. „Ich glaube, ich sehe sie schon“, sagte Arukenimon, das mit dem Fernglas den Horizont absuchte. „Du liebe Güte, die sieht ja immer noch ziemlich abgewrackt aus. Es wundert mich, dass Deemon nicht versucht hat, sie wieder in die Luft fliegen zu lassen, am besten mit dir darin.“ „Es hat es versucht, vermutlich“, sagte Ken. „Aber ich habe den Zugang zur Macht der Dunkelheit gleich zu Anfang zerstört.“ „Was für ein schlaues Kerlchen.“ „Seid ihr alle bereit?“, fragte Oikawa. „Wir werden vermutlich nicht länger ungestört sein.“ Ken ließ den Blick über die versammelten Truppen schweifen. Sie hatten die ersten Türme passiert, damit sie keine Schneise für nachrückende Feinde schlugen, aber kaum dass sie in der Wüste gewesen waren, hatte Arukenimon die Türme in Digimon verwandelt. Seelenlose Haudraufmaschinen, wenn ihm nicht wieder ein Missgeschick wie seinerzeit BlackWarGreymon passierte. Genau das, was Ken brauchte. „Greifen wir an“, sagte er. In lockerem Laufschritt stapften sie durch die Dünen, bis die Festung für alle sichtbar aus dem leichten Sandnebel brach. Ken hatte Oikawas Mantel und billige Hosen angezogen, die sie bei einem fahrenden Händler gekauft hatten, dazu Stiefel, die ihm eigentlich zu groß gewesen wären. Kaum dass er die Kleidung am Leib getragen hatte, hatte sie sich auch schon in sein DigimonKaiser-Outfit verwandelt, das wenigstens bequem saß. Surrend flogen die Snimon und Kuwagamon voraus. Die vier neuen Meramon holten gleichzeitig aus und schleuderten in hohem Bogen Feuerbälle, die wie ein Funkenregen auf die Festung niedergingen. Sie richteten kaum Schaden an, reichten aber als Angriffssignal. Ken zählte die Sekunden, die die Besatzung der Festung brauchte, um zu reagieren. Fast eine Minute verging, in der sie, schwer atmend ob der Hitze, obwohl der Morgen erst graute, und mit sandverklebten Gesichtern bis auf wenige hundert Meter an die Festung herankamen. Dann sah er, wie sich die Klappen in der Außenmauer öffneten und Nadines Häscher sichtbar wurden. Revolvermon, die die Angreifer sofort unter Beschuss nahmen – und sie selbst von den flinken Snimon und Kuwagamon wortwörtlich in die Zange genommen wurden, kaum dass sie ihre pistolenbestückten Leiber ins Freie streckten. Geschrei und Schüsse wurden laut, doch Ken verbot sich Mitleid mit seinen Feinden. Stur lief er weiter, Oikawa und seine Digimon knapp hinter sich wissend. Als die Meramon eine neue Feuersalve auf die Festung niedergehen ließ und er die Hitze auf der Haut spürte wie eine zweite Sonne, öffnete er den Mund und brüllte laut. Mehrere Gargoylemon, deren weiße Haut hell im zarten Morgenlicht leuchtete, schwärmten aus und stellten sich den Insektendigimon zum Kampf. Nur wenige schafften es tatsächlich, hoch in die Luft zu steigen, ehe Arukenimons Thunderboltmon sie unsichtbar und blitzschnell von allen Seiten wie Kanonenkugeln attackierten. Die Revolvermon hatten alle Hände damit zu tun, sich selbst zu schützen, sodass sie nicht einmal in Kens Richtung schießen konnten. Dann erfüllte ein gewaltiges Surren die Luft. Hinter der Festung stieg, einem unheilvollen, grauen Schatten gleich, die massige Gestalt von Nadines Ookuwamon empor, drehte sich langsam und klackerte bedrohlich mit den Scheren. Die Sonne stach durch den leichten Sandsturm und ließ den Schatten des Insektendigimons wie eine riesige Stachellandschaft über die Festung und die anstürmenden Digimon fallen. Mit knatternden Flügeln griff es an. Ken fühlte sich unweigerlich an die letzten Stunden seiner Festung in seinem anderen Leben erinnert. Damals waren Ex-Veemon und Stingmon zum ersten Mal zu Paildramon verschmolzen, um es mit Arukenimons Ookuwamon aufzunehmen. Und wieder stand er einem Ookuwamon gegenüber, das ihn daran hindern wollte, in die Festung zu gelangen. Nur dass er diesmal Davis nicht an seiner Seite hatte. Ookuwamons rasend schnell flatternde Flügel wehten die kleineren Kuwagamon einfach zur Seite, als es direkt auf die Bodentruppen zuhielt – und dann von Kens eigenen, beiden Ookuwamon vom Himmel geholt wurde, die dröhnend wie Hubschrauber über ihn hinwegrauschten und gegen ihren Artgenossen prallten, ihn zu Boden rissen und mit ihren Scheren festnagelten. Ken gestattete sich ein Lächeln. Er hatte vielleicht nicht Davis. Dafür aber hatte er nun Arukenimon an seiner Seite, das die beiden Digimon aus zwanzig Schwarzen Türmen geschaffen hatte. In einer so verrückten Welt war es wohl Kens Pflicht, selbst ein wenig verrückt zu ein. Wären Kens Digimon im Inneren der Festung noch am Leben gewesen, hätte man sie nun unter ein Dauerfeuer von Tankmon- und Guardromon-Geschossen gesetzt, und die Laser der Mekanorimon hätten eine glühende Spur der Zerstörung in den Sand gezeichnet. Doch die Besatzung der Festung schien eher spärlich – da waren nur die Revolvermon, die verbissen um ihre Krähennester kämpften. Vermutlich hatte Nadine ihre Digimon fortgeschickt, um die Grenze zu bewachen. Sie hatte sicherlich vorhergesehen, dass einige ihrer zahlreichen Feinde ihre Krallen nicht nur nach dem flüchtigen DigimonKaiser, sondern gleich nach ihrem ganzen Kaiserreich ausstrecken würden. Und wie hätte sie ahnen können, dass Ken mit Arukenimons Hilfe tief in ihrem Gebiet einfach so Soldaten erzeugen konnte? „Ihr beide seid dran“, keuchte Oikawa. „Wird auch Zeit!“ Mit einem irren Lachen nahm Mummymon seine Mumienform an. Ein Strahl aus seinem Gewehr prasselte die Außenwand der Festung entlang und zerriss zwei Revolvermon-Wachen in Datensplitter. Dann streckte es den Arm aus und schickte eine Handvoll Mullschlangen in eine der unbewachten Öffnungen, die sich dort um Rohre und Vorsprünge festzogen. Wie mit einem Seilzug beförderte Mummymon sich in die Höhe und schickte gleich noch eine Salve ins Innere der Festung. Ken sah weitere Datenreste aufstieben. Arukenimon tat dasselbe bei einer zweiten Öffnung, doch noch als es sich an seinen Spinnenfäden hinaufziehen wollte, schloss sich die metallene Schutzblende des Eingangs, kappte die Schnüre und ließ es zurück in den Sand fallen. „Verdammt!“ „Mummymon, pass auf! Sie schließen die Blenden!“, schrie Ken, heiser vom Sand, der in seiner Kehle kratzte. Mittlerweile hatte der Rest der Truppe den Fuß der Festung erreicht, wo sie einigermaßen vor feindlichen Kugeln sicher waren. Die Insekten hatten nun die Lufthoheit in diesem Sektor, aber falls sich Nadine in ihrer Festung verschanzte, waren sie ein gefundenes Fressen für heranrückende Verstärkung. Gut, dass sich ihre Digimon nach draußen gewagt hatten. Mummymon stieß einen Fluch aus, als sich auch vor seinem Eingang ein Sicherheitsschott herabsenkte. Rasch klemmte es sein Maschinengewehr dazwischen. „Wehe dir, es geht kaputt!“, schimpfte es nach unten und ließ dann seine Bandagen herabfallen, damit die anderen ihm folgen konnten. Als Erstes durfte es sich abmühen, das tonnenschwere Minotarumon emporzuziehen, das sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. Während Mummymon als Nächstes Ken und Oikawa nach oben beförderte, stemmte das Stierwesen mit schierer Muskelkraft und ratterndem Bohrarm das Schott in die Höhe. „Das reicht“, keuchte Ken und wischte sich Schweiß und Sand von der Stirn. Er nickte Arukenimon zu, das hinter ihnen ebenfalls heraufgekrabbelt kam. „Gehen wir.“ Sie schlüpften ins Innere der Festung, gerade als Minotarumon auf ein Knie brach. Nicht mehr lange, und es würde das Schott nicht mehr offenhalten können, aber das machte nichts. Ken, Oikawa, Arukenimon und Mummymon waren in der kühlen Dunkelheit angelangt, die sie gesucht hatten. Draußen kämpften nur noch Schwarzturmdigimon für sie, und die konnten sie alle opfern, wenn es sein musste. „Wird es ab hier eigentlich leichter? Oder schwieriger?“, fragte Mummymon beiläufig, als es sich an die Spitze ihres Trupps setzte. Arukenimon spielte das Schlusslicht. Ken wusste keine Antwort auf diese Frage. „Es kommt darauf an, wie viele Digimon Nadine sonst noch hat.“ Ihre Schritte hallten laut von den Wänden wider, und leichenbleiches Licht wies ihnen den Weg. Bis zur übernächsten Gangkreuzung ging alles glatt. Die Verteidiger mussten wissen, dass sie kamen – bedeutete das, dass sie ihnen nichts mehr entgegenwerfen konnten? Nun musste sich Ken entscheiden: Sollten sie lieber zu den kaiserlichen Gemächern und seinem Thron laufen? Oder hatte Nadine die Brücke reparieren lassen und koordinierte ihre Truppen von dort? Er lauschte. Es klang nicht so, als würden über die Kommunikationssysteme Befehle gegeben werden – und er traute Nadine auch eher zu, sich wie eine würdevolle Verliererin in einem Spiel auf dem Thron ihrem Schicksal zu ergeben, wenn sie wusste, dass es vorbei war. Also lotste er seine neuen Verbündeten tiefer in die kühlen Eingeweide der Festung, die in Kürze wieder ihm gehören würde. Du hast einen wunderbaren Palast an der Felsenklaue, Nadine. Und wir kämpfen hier um ein Stück kalten Stein. Einmal kam ihnen ein Trupp Starmon entgegen, die Arukenimon und Mummymon allerdings kaum etwas entgegenzusetzen hatten. Ken zuckte jedes Mal ein wenig zurück und bewunderte Oikawas Mut, sich furchtlos den Digimon entgegenzustellen, auch wenn er selbst nicht kämpfen konnte. Als sie nur noch wenige Minuten von Kens einstigem Thronraum entfernt waren, stellte sich ihnen im Halbdunkel eine große Gestalt entgegen. Hufe klackerten auf dem Betonboden, und ein einzelnes, halb verdecktes Auge glühte sie an. „Bis hierher und nicht weiter“, dröhnte Centarumon. Wir sind auf dem richtigen Weg, dachte Ken. „Ergebt euch. Dann müssen wir nicht kämpfen.“ Als Antwort flammte eine orangegelbe Kugel in Centarumons Handschuh auf und sauste auf die Eindringlinge zu. Sie traf Mummymon, das vor Ken trat, genau in die Brust und ließ das Mumiendigimon mit einem krächzenden Schrei zurücktaumeln. Kurz liefen Flammen über seine Bandagen und es erzitterte, dann trat es auf Centarumon zu und schüttelte die Gliedmaßen aus, als hätte sein Puppenspieler mit den Fingen gezuckt. „Ihr beide“, sagte Centarumon misstrauisch und meinte zweifellos Arukenimon und Mummymon. „Wer seid ihr?“ „Das zeig ich dir gleich!“ Mummymons Waffe versprühte grelles Neonlicht, das Centarumon einhüllte. Als es abflaute, lag ein stöhnendes Elecmon auf dem Boden, übersät mit Brandwunden. „Verschont es“, sagte Ken rasch. „Das ist Nadines Digimon.“ „Ihr werdet … Nadine nicht …“ Elecmon hatte Mühe, die Augen offenzuhalten. Sein Fell knisterte elektrisch, aber es konnte offenbar nicht einmal mehr eine Attacke ausführen. „Nein, werden wir nicht. Keine Sorge.“ Kens Stimme klang härter, als er es gewollt hatte. Elecmon letzter Blick war sorgenvoll und zweifelnd, als es das Bewusstsein verlor. „Kommt“, sagte Ken nach kurzem Zögern. „Wir bringen es hinter uns.“ Sie wartete in der Gesuchshalle auf ihn, genau wie er es erwartet hatte. Wie immer trug sie ihr würdevolles, schwarzes Kleid, das sie fast mit dem schwarzen Samtsessel verschmelzen ließ. Der Raum war hell erleuchtet, aber leer. Sie hatte ihr DigiVice neben sich auf der Lehne liegen, ein Gerät, wie es Tais Generation und auch er selbst zuerst erhalten hatten, und strich mit den Fingerspitzen darüber. Sie wirkte nicht überrascht, Ken zu sehen. Hatte Deemon sie davon in Kenntnis gesetzt, wer ihr Feind war? „Nicht schlecht“, durchbrach sie die zähe Stille, die sich gebildet hatte. „Ein wirklich episches Comeback. Du bist wohl ein besserer Spieler, als ich dachte. Oder einfach stur. Oder einfach nur ein schlechter Verlierer.“ „Das hier ist kein Spiel“, murmelte Ken leise. „Was hast du mit Elecmon gemacht?“ „Es lebt.“ „Oh, gut. Ich dachte schon, du würdest mich vielleicht die Medizin schlucken lassen, die du selbst auch gekostet hast. Ich schätze mal, du hasst mich“, sagte sie seufzend. Tue ich das? Eine Zeitlang hätte er diese Frage eifrig mit Ja beantwortet. Wie er sie hier sitzen sah, allein und immer noch der Ansicht, um Recht zu sein, empfand er gar nichts mehr. Nur Schmerz. „Du hast verloren“, sagte er. „Was hast du in den letzten Tagen alles herumerzählen lassen? Was hast du alles angerichtet?“ Nadine seufzte. „Da steht mir ja einiges bevor, was? Muss ich dir das wirklich alles erklären? Willst du es nicht selbst rausfinden? Sag mir lieber, wie du es geschafft hast, so viele Digimon an meinem Radar vorbeizubekommen.“ Er schüttelte langsam den Kopf. Er hatte eigentlich gar keine Lust, mit ihr zu reden. Nicht jetzt. Es tat weh, auch nur ihr Gesicht zu sehen. Ihr Anblick hatte eine Wunde wieder aufgerissen. Eine Wunde, in der ein schwarzer Dorn steckte. „Auch gut“, meinte sie und tippte sich gelangweilt mit dem Zeigefinger gegen die Wange. „Ist das Oikawa? Und Arukenimon und Mummymon? Es gibt sie also wirklich? Deemon hat mir erzählt, dass du dir einbildest, sie zu kennen.“ „Erinnerst du dich nicht mehr an mich?“, fragte Oikawa. „Ich weiß noch, wer du bist. Du warst damals ein kleines Mädchen, das unbedingt so klug sein wollte wie Ken hier. Das alles daran gesetzt hätte. Und dem es fast das Leben gekostet hätte, nicht zuletzt durch meine Schuld.“ Nadine reckte den Hals. „Aber ich bin so klug wie Ken. Er hatte Glück, das ist alles. Keine Ahnung, was du da redest, alter Mann. Ich habe dich nie gesehen.“ Sie fixierte wieder Ken. „Also, bringst du mich nun um, oder soll ich das selbst tun?“ Ken starrte sie einen Moment entgeistert an. Eigentlich hätte er diese Frage ja erwarten können. „Das hier ist kein Spiel, Nadine. Begreif das endlich. Wenn du stirbst, wirst du nicht vor deinem Computer aufwachen. Diese drei hier können das bezeugen.“ Sie schnaubte. „Wunderbar, ein paar Spinner haben einander gefunden. Deemon hat mich davor gewarnt, dass du lästig bist und die Wahrheit nicht kapieren würdest. Deswegen meinte es ja erst, dass ich mich bei dir einschmeicheln und dich im Auge behalten sollte. Du würdest den Spielspaß vermindern, hat es gesagt. Und es hatte recht.“ „Deemon versucht, die DigiWelt zu verwüsten!“, platzte es aus Ken heraus. „Und unsere Welt gleich mit! Alles, was ihr tut, hilft ihm dabei! Es ist alles so, wie ich es sage, und wie Deemon behauptet hat, dass ich es glaube! Wach auf, Nadine!“ Sie legte zornig die Stirn in Falten. „Und ich war schon der Meinung, ich könnte dich doch mögen, Ken. Weißt du was, vergiss es. Vergiss bitte vor allem, dass ich dich geküsst habe. Ich habe es getan, um dich umzubringen, aber es hat mir sogar … Ich habe es genossen, okay? Aber dein ewiges Gejammer … Ach, ich kann es langsam nicht mehr ertragen. Töte mich, aber verdirb mir nicht mein episches Ende, ja? Ich habe es verdient.“ Ken ballte die Fäuste. Tränen wollte in ihm hochsteigen, aber er drängte sie zurück. Nie wieder. Ich werde nicht mehr weinen. Wenn, dann vor Freude. Weil alles vorbei ist. „Es war alles Deemons Plan, richtig?“ „Klar. Es hat dich unterschätzt, aber ansonsten war es ein guter Plan. Zu einem gewissen Grad hat er auch Spaß gemacht.“ „Spaß“, schnaubte er. „Deemon hat dir also gesagt, wie ich denke? Was ich für die Wahrheit halte? Was du zu mir sagen sollst, damit ich glaube, du wärst wie ich?“ „Ich dachte, das wüsstest du schon längst.“ „Arukenimon, bring sie weg“, murmelte Ken. „Sperr sie irgendwo ein.“ Er sah Nadine nicht in die Augen, sondern auf seine Stiefel hinab. Arukenimon verwandelte sich zurück in die rotgekleidete Frauengestalt und trat an Nadine heran. „Mach keine Schwierigkeiten, Schätzchen.“ „Ich habe dich geliebt“, sagte Ken tonlos, als die beiden an ihm vorbeigingen. „Ich weiß. Das war ja auch mein Ziel“, meinte Nadine hochmütig. „Ich frage mich nur“, fuhr Ken leise fort, noch immer, ohne sie anzusehen, „ob ich dich als Menschen geliebt habe, oder einfach nur die Puppe, die an Deemons Fäden getanzt und alles gesagt und getan hat, was man ihr befahl.“ Darauf sagte Nadine nichts mehr. Als ihre und Arukenimons Schritte auf dem Flur verhallt waren, war es Ken, als würde es in dem Raum finsterer werden, obwohl das Licht geradezu abartig fröhlich wirkte. Hier hatte er Nadine seinerzeit empfangen. Hier hatte er sich unbändig darüber gefreut, endlich eine Verbündete gefunden zu haben. Hier hatte der sonnige Teil seines Abenteuers begonnen, ohne dass er gewusst hatte, dass das, was er für die Sonne gehalten hatte, nur der Vollmond in tiefster Nacht gewesen war. „Würdet ihr beide mich hier alleine lassen?“, fragte Ken. „Ist das sicher?“, fragte Oikawa. „Nein. Aber ihr könnt ja die Türen bewachen. Bitte.“ Oikawa und Mummymon sahen sich noch zögernd an, dann gingen sie. Als er sich sicher war, dass er so allein war, wie er sich immer gefühlt hatte, ging Ken langsam zu seinem Regierungssessel. Nadines DigiVice lag immer noch auf der Lehne, als stummes Zeichen ihrer Aufgabe. Er fegte es herunter und hörte ihm zu, wie es über den Boden klapperte. Dann sank er in dem Sessel zusammen und weinte. Es sind Tränen der Freude, sagte er sich. Ich freue mich, weil ich meine Festung zurückerobert habe. Und er weinte und weinte.   Woman, just a black rose This has been your role that brought you to fall Let me say; weren’t wise It's impossible, you know For your lord to rise (Derdian – Black Rose) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)